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MISCHBETRIEB 6 EI-Eisenbahningenieur | November 2008 Verknüpfung von Straßenbahn- und Eisenbahnnetzen Einsatz von Straßenbahnfahrzeugen auf Eisenbahngleisen zur Schaffung durchgehender Verkehrsverbindungen – technische Unterschiede und Konzepte bei Mischbetrieb Christoph Lütz Der spurgebundene Personennahverkehr (SPNV) wird in der Regel auf zwei ge- trennten Schienensystemen abgewickelt. U-Bahn, Stadtbahn und Straßenbahn be- wältigen den innerstädtischen Verkehr. Nahverkehrszüge auf dem Streckennetz der Deutschen Bahn AG (DB AG) und auf Stre- cken der nichtbundeseigenen Eisenbahnen (NE) besorgen den regionalen Verkehr. Da die Bahnhöfe der Eisenbahnen die Ziele ihrer Fahrgäste in vielen Großstädten nicht unmittelbar erschließen, ist oft ein Umstei- gen auf die innerstädtischen Verkehrsmit- tel erforderlich, welches die Attraktivität dieser Verkehrsverbindungen mindert. In den großen Ballungsräumen Deutschlands wurden daher S-Bahn-Systeme entwickelt, die über Tunnelstrecken die Innenstädte unmittelbar erschließen. Kleine und mit- telgroße Ballungsräume erfordern dagegen oftmals kostengünstigere Verkehrslösun- gen. In einigen Großstädten (z. B. Köln / Bonn und Karlsruhe) ergab sich zunächst im Zusammenhang mit dem Aufbau von regi- onalen Stadtbahnsystemen in der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts die Mög- lichkeit und Notwendigkeit, Personenver- kehre von nichtbundeseigenen Bahnen in die Stadtnetze zu integrieren. Darüber hin- aus wurde Anfang der 90er Jahre im Raum Karlsruhe damit begonnen, das Eisenbahn- netz der DB AG für den Stadtbahnbetrieb zu nutzen. Diese Variante ist als Karlsruher Modell bekannt und wurde inzwischen auch in anderen Regionen (z. B. Saarbrü- cken) erfolgreich umgesetzt. Der vorlie- gende Artikel beschäftigt sich insbesondere mit den baulichen Besonderheiten (Spur- führungstechnik, Lichtraumproblematik) bei einem Mischbetrieb von Stadtbahn und Eisenbahn. Definition von Eisenbahn und Straßenbahn Straßenbahnen im ursprünglichen Sinne haben ausschließlich örtliche Verkehrsauf- gaben und fahren überwiegend im Stra- ßenraum. Dabei unterliegen sie der Stra- ßenverkehrsordnung. Auf unabhängigem Bahnkörper dürfen Straßenbahnen bis zu einer Geschwindigkeit von 70 km/h auf Sicht fahren. Straßenbahnen, dazu gehören auch U- Bahnen und Stadtbahnen, werden nach der Betriebsordnung für Straßenbahnen (BOStrab) gebaut und betrieben. Eisenbahnen dienen dem nationalen und internationalen Fernverkehr. Darüber hi- naus werden im Nahverkehr überörtliche und regionale Verkehrsbeziehungen be- dient. Eisenbahnen verkehren in der Regel durchgehend auf unabhängigem Bahnkör- per im festen Raumabstand, d. h. zwischen zwei Zugfolgestellen darf sich jeweils nur ein Zug befinden. An Bahnübergängen hat die Eisenbahn Vorrang vor dem Straßen- verkehr. Meist verfügen die Bahnübergänge über eine technische Sicherung. Die Bahnanlagen der Eisenbahn sind in Bahnhof und freie Strecke gegliedert. In- nerhalb von Bahnhöfen wird zwischen Zug- und Rangierfahrten unterschieden; auf der freien Strecke gibt es Zug- und ge- gebenenfalls Sperrfahrten. Betreiber der bundeseigenen Bahnen ist in Deutschland die Deutsche Bahn AG (DB AG). Darüber hinaus gibt es noch eine Reihe nichtbundeseigener Eisenbah- nen (NE), die den jeweiligen Landesei- senbahngesetzen der Bundesländer unter- liegen. Alle Eisenbahnen des öffentlichen Verkehrs werden nach der Eisenbahn-Bau- und Betriebsordnung (EBO) gebaut und betrieben. Technische Unterschiede: Eisenbahn vs. Straßenbahn Zwischen Straßenbahnen und Eisenbah- nen bestehen erhebliche technische Un- terschiede. Bei Nutzung von Eisenbahn- anlagen durch Stadtbahnen müssen diese Systemunterschiede überwunden werden. Spurführung Die Radreifen von Schienenfahrzeugen be- stehen aus zwei grundsätzlichen Kompo- nenten. Die Lauffläche überträgt alle verti- kalen Lasten auf die Fahrfläche der Schiene. Der Spurkranz übernimmt die Führung des Radsatzes und sichert ihn gegen ein Ab- laufen von der Schiene. Auch bei gleicher Spurweite bestehen zwischen Straßenbahn und Eisenbahn erhebliche Unterschiede in der Spurführung, die insbesondere aus der Trassierung der beiden Verkehrssysteme re- sultieren. Eisenbahnen sind mit besonders großen Gleisbogenhalbmessern trassiert, um eine Fahrt mit hoher Geschwindigkeit bei rela- tiv geringen Laufwiderständen zu ermögli- chen. Gemäß EBO beträgt der Mindestra- dius für durchgehende Hauptgleise auf Nebenbahnen 180 m und auf Hauptbah- nen 300 m. Um den Radsätzen eine horizontale Bewe- gung zu ermöglichen, verfügen diese über ein großes Spurspiel. Dadurch wird ein ständiges Reiben der Spurkränze an den Fahrkanten vermieden und der Verschleiß- vorgang gesteuert. Die bei der Eisenbahn üblichen Schienen- profile S54 und UIC 60 haben eine Kopf- ausrundung von 13 mm und werden mit einer Neigung von 1:40 verlegt. Das Rad- profil der Fahrzeuge hat eine entsprechend kegelförmige Lauffläche und einen Spur- kranz mit besonders flacher Stirnneigung. Abb. 1: Eisenbahnradsatz im Herzstückbereich einer Weiche

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Page 1: Verknüpfung von Straßenbahn- und Eisenbahnnetzen...die Stadtnetze zu integrieren. Darüber hin-aus wurde Anfang der 90er Jahre im Raum Karlsruhe damit begonnen, das Eisenbahn-netz

MISCHBETRIEB

6 EI-Eisenbahningenieur | November 2008

Verknüpfung von Straßenbahn- und EisenbahnnetzenEinsatz von Straßenbahnfahrzeugen auf Eisenbahngleisen zur Schaffung durchgehender

Verkehrsverbindungen – technische Unterschiede und Konzepte bei Mischbetrieb

Christoph Lütz

Der spurgebundene Personennahverkehr (SPNV) wird in der Regel auf zwei ge-trennten Schienensystemen abgewickelt. U-Bahn, Stadtbahn und Straßenbahn be-wältigen den innerstädtischen Verkehr. Nahverkehrszüge auf dem Streckennetz der Deutschen Bahn AG (DB AG) und auf Stre-cken der nichtbundeseigenen Eisenbahnen (NE) besorgen den regionalen Verkehr. Da die Bahnhöfe der Eisenbahnen die Ziele ihrer Fahrgäste in vielen Großstädten nicht unmittelbar erschließen, ist oft ein Umstei-gen auf die innerstädtischen Verkehrsmit-tel erforderlich, welches die Attraktivität dieser Verkehrsverbindungen mindert. In den großen Ballungsräumen Deutschlands wurden daher S-Bahn-Systeme entwickelt, die über Tunnelstrecken die Innenstädte unmittelbar erschließen. Kleine und mit-telgroße Ballungsräume erfordern dagegen oftmals kostengünstigere Verkehrslösun-gen. In einigen Großstädten (z. B. Köln / Bonn und Karlsruhe) ergab sich zunächst im Zusammenhang mit dem Aufbau von regi-onalen Stadtbahnsystemen in der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts die Mög-lichkeit und Notwendigkeit, Personenver-kehre von nichtbundeseigenen Bahnen in die Stadtnetze zu integrieren. Darüber hin-aus wurde Anfang der 90er Jahre im Raum Karlsruhe damit begonnen, das Eisenbahn-netz der DB AG für den Stadtbahnbetrieb zu nutzen. Diese Variante ist als Karlsruher Modell bekannt und wurde inzwischen auch in anderen Regionen (z. B. Saarbrü-

cken) erfolgreich umgesetzt. Der vorlie-gende Artikel beschäftigt sich insbesondere mit den baulichen Besonderheiten (Spur-führungstechnik, Lichtraumproblematik) bei einem Mischbetrieb von Stadtbahn und Eisenbahn.

Defi nition von Eisenbahn und StraßenbahnStraßenbahnen im ursprünglichen Sinne haben ausschließlich örtliche Verkehrsauf-gaben und fahren überwiegend im Stra-ßenraum. Dabei unterliegen sie der Stra-ßenverkehrsordnung. Auf unabhängigem Bahnkörper dürfen Straßenbahnen bis zu einer Geschwindigkeit von 70 km/h auf Sicht fahren.Straßenbahnen, dazu gehören auch U-Bahnen und Stadtbahnen, werden nach der Betriebsordnung für Straßenbahnen (BOStrab) gebaut und betrieben. Eisenbahnen dienen dem nationalen und internationalen Fernverkehr. Darüber hi-naus werden im Nahverkehr überörtliche und regionale Verkehrsbeziehungen be-dient. Eisenbahnen verkehren in der Regel durchgehend auf unabhängigem Bahnkör-per im festen Raumabstand, d. h. zwischen zwei Zugfolgestellen darf sich jeweils nur ein Zug befi nden. An Bahnübergängen hat die Eisenbahn Vorrang vor dem Straßen-verkehr. Meist verfügen die Bahnübergänge über eine technische Sicherung.Die Bahnanlagen der Eisenbahn sind in Bahnhof und freie Strecke gegliedert. In-nerhalb von Bahnhöfen wird zwischen Zug- und Rangierfahrten unterschieden; auf der freien Strecke gibt es Zug- und ge-gebenenfalls Sperrfahrten.

Betreiber der bundeseigenen Bahnen ist in Deutschland die Deutsche Bahn AG (DB AG). Darüber hinaus gibt es noch eine Reihe nichtbundeseigener Eisenbah-nen (NE), die den jeweiligen Landesei-senbahngesetzen der Bundesländer unter-liegen. Alle Eisenbahnen des öffentlichen Verkehrs werden nach der Eisenbahn-Bau- und Betriebsordnung (EBO) gebaut und betrieben.

Technische Unterschiede: Eisenbahn vs. StraßenbahnZwischen Straßenbahnen und Eisenbah-nen bestehen erhebliche technische Un-terschiede. Bei Nutzung von Eisenbahn-anlagen durch Stadtbahnen müssen diese Systemunterschiede überwunden werden.

SpurführungDie Radreifen von Schienenfahrzeugen be-stehen aus zwei grundsätzlichen Kompo-nenten. Die Lauffl äche überträgt alle verti-kalen Lasten auf die Fahrfl äche der Schiene. Der Spurkranz übernimmt die Führung des Radsatzes und sichert ihn gegen ein Ab-laufen von der Schiene. Auch bei gleicher Spurweite bestehen zwischen Straßenbahn und Eisenbahn erhebliche Unterschiede in der Spurführung, die insbesondere aus der Trassierung der beiden Verkehrssysteme re-sultieren.Eisenbahnen sind mit besonders großen Gleisbogenhalbmessern trassiert, um eine Fahrt mit hoher Geschwindigkeit bei rela-tiv geringen Laufwiderständen zu ermögli-chen. Gemäß EBO beträgt der Mindestra-dius für durchgehende Hauptgleise auf Nebenbahnen 180 m und auf Hauptbah-nen 300 m.Um den Radsätzen eine horizontale Bewe-gung zu ermöglichen, verfügen diese über ein großes Spurspiel. Dadurch wird ein ständiges Reiben der Spurkränze an den Fahrkanten vermieden und der Verschleiß-vorgang gesteuert. Die bei der Eisenbahn üblichen Schienen-profi le S54 und UIC 60 haben eine Kopf-ausrundung von 13 mm und werden mit einer Neigung von 1:40 verlegt. Das Rad-profi l der Fahrzeuge hat eine entsprechend kegelförmige Lauffl äche und einen Spur-kranz mit besonders fl acher Stirnneigung.

Abb. 1: Eisenbahnradsatz im Herzstückbereich einer Weiche

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Durch die Neigung von Lauffl äche und Spurkranzstirn zentriert sich der Radsatz ständig selbst und das Radprofi l bzw. die Schienenköpfe werden gleichmäßig ab-genutzt. Während der Fahrt auf einem ge-raden Gleis beschreiben die Radsätze den Verlauf einer Sinusschwingung. Bei einer Bogenfahrt wird das äußere Rad durch die Zentrifugalkraft mit seinem Spur-kranz gegen die äußere Schiene gedrückt, so dass der Laufkreisdurchmesser dieses Rades größer ist, als der des Bogeninnen-rades. Dadurch wird in Gleisbögen ein Ab-rollen ohne Gleiten der beiden Räder eines Radsatzes gewährleistet. Die große Breite der Eisenbahnradreifen ist nicht nur aufgrund des Spurspieles erfor-derlich, sondern auch beim Befahren von Weichen besonders wichtig. Um die Herz-stückspitze nicht zu zerstören, müssen im Bereich der Herzstücklücke alle vertikalen Lasten auf die Flügelschiene übertragen werden. Die Herzstückspitze übernimmt nur führende Funktionen und ist daher ei-nige Millimeter abgesenkt (Abb. 1). Straßenbahnen müssen sehr kleine Gleis-bogenradien von 25 m befahren können und nehmen zumindest abschnittsweise am öffentlichen Straßenverkehr teil. Aus diesen Gründen ist das Spurführungssys-tem der Eisenbahn nicht ohne weiteres auf die Straßenbahn übertragbar.Mit Rücksicht auf andere Verkehrsteilneh-mer haben die klassischen Straßenbahn-Rillenschienen der Profi le Ri 59 und Ri 60 eine kleine Rillenweite. Darüber hinaus be-trägt die Kopfausrundung der Rillenschie-nen nur 10 mm. Um diese Schienen sicher befahren zu können, sind die Spurkränze der Straßenbahn schmaler und der Radrü-ckenabstand größer als bei der Eisenbahn. Zudem ist das Spurspiel der Straßenbahn-radsätze kleiner. Bei einer Bogenfahrt treten größere Umfangkräfte und ein höherer Ver-schleiß auf, weil durch die steile Spurkranz-stirn beim Spurkranzanlauf keine Wegun-terschiede ausgeglichen werden können. Die Radbreite ist bei der Straßenbahn ebenfalls eingeschränkt, damit die angren-zenden Einpfl asterungen nicht durch die Lauffl ächen berührt werden. Die schmalen Radreifen und die großen Weichenneigun-gen führen auch im Herzstückbereich von klassischen Straßenbahnweichen zu einer anderen Spurführung. Die vertikalen Las-ten werden nicht durch die Flügelschiene aufgenommen, sondern über den Spur-kranz auf den Boden der Rillenschiene übertragen. Daher sind im Herzstückbe-reich besondere Flachrillen und bei den Radreifen ein Spurkranz mit einer fl achen Kuppe erforderlich (Abb. 2). Bei den meis-ten Straßenbahnunternehmen verfolgt man aber seit längerer Zeit das Ziel, auf Flachrillen mit ihrem besonderen Ein-fl uss auf die Spurkranzform und -höhe zu

verzichten. Dazu sind allerdings breitere Radreifen erforderlich.Da sich viele Straßenbahnen zu vom Stra-ßenverkehr weitgehend unabhängigen Stadtbahnsystemen entwickeln, werden dort inzwischen auch Radsatz- und Gleis-maße angewendet, die sich in spurfüh-rungstechnischer Hinsicht an der Eisen-bahn-Bau- und Betriebsordnung (EBO) orientieren. Die Spurführungsrichtlinien (SpR) der Bau- und Betriebsordnung für Straßenbahnen (BOStrab) sehen dem ent-sprechend drei spurführungstechnische Maßsysteme vor:Maßsystem A:Radsatz- und Gleismaße für Bahnen, die auf Dauer in wesentlichem Umfang stra-ßenbündige Gleise besitzen (klassische Straßenbahnen) (Abb. 3).Maßsystem B:Radsatz- und Gleismaße für regelspurige Bahnen, die sich von Bahnen nach Maßsys-tem A zu Bahnen entwickeln, die größten-teils besondere oder unabhängige Bahn-körper besitzen (Stadtbahnen).Maßsystem C:Radsatz- und Gleismaße für regelspurige Bahnen, deren Fahrzeuge in spurführungs-technischer Hinsicht der EBO genügen (Stadtbahnen und Untergrundbahnen) (Abb. 4).

Die Maßsysteme A und B unterscheiden sich vom Maßsystem C spurführungstech-nisch insbesondere dadurch, dass die zu-gehörigen Fahrzeuge auf den klassischen Straßenbahn-Rillenschienen Ri 59 und Ri 60 mit geringer Rillenweite betrieben werden können. Diese Fahrzeuge besitzen deshalb u. a. 10 mm schmalere Spurkränze als Fahrzeuge nach Maßsystem C. Sie sind daher nicht kompatibel mit Weichen, de-ren Quermaße der EBO entsprechen. Aufgrund der geringen Spurkranzhöhe ist das Maßsystem A außerdem nur bedingt zum Befahren der Eisenbahnschienenprofi le S49, S54 und UIC 60 mit 13 mm Kopfaus-rundung und zum Befahren von Weichen mit abgesenkter Weichenzunge geeignet.

Einhaltung des EBO-Lichtraums im BahnsteigbereichGemäß BOStrab beträgt die maximal zu-lässige Wagenbreite für Stadtbahnfahr-zeuge bei Teilnahme am Straßenverkehr 2,65 m. Eisenbahnfahrzeuge sind dagegen mit einer Wagenbreite von 3,15 m (Trieb-fahrzeuge) bzw. 2,90 m (Reisezugwagen) wesentlich breiter. Die größeren Fahrzeuge der Eisenbahn erfordern einen entspre-chenden Lichtraum, der in Anlage 1 der EBO bundeseinheitlich als Regellichtraum defi niert ist.

Abb. 2: Straßenbahnradsatz im Weichenbereich mit Flachrille

Abb. 3: Radreifen, Maßsystem A (Straßenbahn) Abb. 4: Radreifen, Maßsystem C (Eisenbahn)

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Der Einsatz von Stadtbahnfahrzeugen auf Eisenbahnstrecken ist im Bereich der frei-en Strecke unproblematisch. Lichtraum-probleme treten dagegen im Bereich der Bahnsteigkanten auf wenn es darum geht, vertretbare Einstiegsverhältnisse in die schmaleren Stadtbahnwagen unter Berück-sichtigung des Regellichtraumes der Eisen-bahn zu schaffen.

FahrstromversorgungDas bei der Straßenbahn übliche Gleich-stromsystem mit einer Fahrdrahtspannung von 600 bis 750 V ermöglicht eine einfa-che elektrische Ausrüstung der Fahrzeuge. Die verhältnismäßig geringe Spannung ist außerdem Vorraussetzung für einen siche-ren Betrieb der elektrischen Einrichtungen im innerstädtischen Bereich. Zur Energie-versorgung kann innerhalb der Städte an vielen Speisepunkten Drehstrom aus dem öffentlichen Netz bezogen und mit statio-nären Gleichrichtern in Fahrstrom umge-wandelt werden.Eisenbahnstrecken der DB AG sind da-gegen in der Regel mit hochgespanntem Wechselstrom (15 kV / 16,7 Hz) elektrifi -ziert. Im Gegensatz zu Gleichstrom ist der Wechselstrom transformierbar. Dadurch ist es möglich, die Fahrleitungen mit einer hohen Spannung zu speisen und diese in den Triebfahrzeugen den Erfordernissen entsprechend zu reduzieren. Die hohe Fahrdrahtspannung begrenzt die Verluste in der Stromübertragung und ermöglicht große Abstände zwischen den Speisepunk-ten. Auch bei hohem Leistungsbedarf fl ießt relativ geringer Strom durch den Fahrdraht. Daher sind gegenüber dem Gleichstrom-system der Straßenbahn deutlich kleinere Oberleitungsquerschnitte erforderlich.Die einfacher gestalteten Fahrleitungs- und Energieversorgungsanlagen des Wechsel-stromsystems bedingen jedoch eine gegen-über dem Gleichstromsystem der Straßen-bahn aufwändigere Fahrzeugausrüstung. Hierbei ist insbesondere der schwere Trans-formator zu erwähnen.

ZugsicherungstechnikDie konventionelle Straßenbahn verkehrt überwiegend im Straßenraum und nimmt dabei am Straßenverkehr teil. Auch wenn an Lichtsignalanlagen für die Straßenbahn besondere Signalbilder (Balkensignale) zur Verfügung stehen, kann nicht von einer Zugsicherungsanlage im Sinne der Eisen-bahn gesprochen werden. Weichen wer-den oftmals nicht verschlossen und dürfen dann nur mit 15 km/h gegen die Spitze befahren werden. Die Abstandhaltung der Züge untereinander wird ebenfalls nicht geregelt und überwacht (Fahren auf Sicht). Im Bereich unterirdischer Gleisanlagen und unabhängiger Bahnkörper von U-Bahnen oder Stadtbahnen werden dagegen vielfach

Zugsicherungsanlagen eingesetzt, die im Grundsatz die gleichen Aufgaben erfüllen, wie bei der Eisenbahn (Abstandshaltung der Züge, Fahrwegsicherung). Aufgrund der völlig unterschiedlichen fahrdynami-schen Eigenschaften von Stadtbahn- und Eisenbahnzügen (Höchstgeschwindigkeit, Bremsverzögerung) sind die Anforderun-gen an die Zugsicherungssysteme jedoch nicht vergleichbar. Dies betrifft auch die Zugbeeinfl ussungssysteme, die sicherstel-len, dass die Triebfahrzeugführer „Halt“ und „Langsamfahrt“ zeigende Signale auch tatsächlich beachten. Während bei der Eisenbahn mit der Induk-tiven Zugsicherung (Indusi) bis zu einer Höchstgeschwindigkeit von 160 km/h ein bundesweit einheitliches System eingeführt wurde, stehen in den U-Bahn- und Stadt-bahnnetzen der deutschen Großstädte sehr unterschiedliche Techniken im Einsatz, die den örtlichen Anforderungen entsprechend entwickelt wurden. Diese sind weder unter-einander noch mit dem Indusi-System der Eisenbahn kompatibel. Oft handelt es sich um magnetische Fahrsperren ohne Prüfung der Wachsamkeit des Triebfahrzeugführers am Vorsignal und ohne fahrzeugseitige Überwachung der Bremskurve zwischen Vor- und Hauptsignal. Geschwindigkeitsü-berwachungen mittels Prüfstrecke sind aber fahrwegseitig möglich.

Fahrzeugstatik/SicherheitSowohl in der EBO als auch in der BO-Strab werden die Anforderungen an die Fahrzeuge nur sehr allgemein beschrieben. Festgelegt ist nur, dass die Fahrzeuge so beschaffen sein müssen, dass sie den An-forderungen der Sicherheit und Ordnung genügen. Genau defi nierte Vorgaben be-züglich der Strukturfestigkeit von Wagen-kästen gibt es dort nicht. Es wird lediglich auf die anerkannten Regeln der Technik verwiesen.Bei den europäischen Eisenbahnen hat dagegen im Rahmen der UIC eine Stan-dardisierung stadtgefunden. Regelfahrzeu-ge der Eisenbahn müssen demnach für eine Längsdruckkraft (Pufferdruck) von 2000 kN bemessen werden. Sie entspre-chen dadurch den sehr harten Einsatzbe-dingungen des Eisenbahnbetriebes (z. B. Abstoßen und Abrollen über Ablaufberge in Güterbahnhöfen). Nur wenn Fahrzeuge aufgrund ihrer Bauart nicht in lokbespann-te Züge eingestellt werden (z. B. Triebwa-genzüge für den Personennahverkehr), kann dieser Wert auf 1500 kN reduziert werden. Diese Vorgaben haben sich auch auf nationaler Ebene als Stand der Technik durchgesetzt und im Fall von Kollisionen mit anderen Eisenbahnfahrzeugen als si-cherheitsfördernd erwiesen. Stadtbahnfahrzeuge werden dagegen in der Regel nur für eine Längsdruckkraft

von 600 kN bemessen. Es werden aber Konstruktionsgrundsätze aus dem Fahr-zeugbau des Straßenverkehrs angewendet, die auf verformbaren Konstruktionen mit energieverzehrenden Elementen basieren. Darüber hinaus fordert die BOStrab bei Teilnahme am Straßenverkehr eine ma-ximale Bremsverzögerung von 2,73 m/s². Dadurch können kritische Situationen (z. B. Kollisionen) in vielen Fällen verhin-dert werden. Bei einem Einsatz von Stadtbahnfahrzeu-gen auf Eisenbahnstrecken ist jedoch auf-grund der sehr unterschiedlichen Konstruk-tionsgrundsätze beider Fahrzeugtypen zu prüfen, welche Auswirkungen eventuelle Kollisionen haben können und wie diese vermieden werden können.

Einsatz von Stadtbahnfahrzeugen im Bereich NE-EisenbahnenErste Verknüpfungen zwischen Straßen-bahn und Eisenbahn entstanden bereits um 1900 bei einigen als Eisenbahn kon-zessionierten Privatbahnen im Umfeld von Großstädten. Zur Schaffung durchgehen-der Verkehrsbeziehungen zwischen Stadt und Umland verkehrten diese Bahnen auch abschnittsweise im Straßenraum und bei gleicher Spurweite zum Teil sogar auf Gleisen der Straßenbahn. Als Beispiele sind die ehemaligen Köln-Bonner-Eisenbahnen sowie die Köln-Frechen-Benzelrather-Ei-senbahn zu nennen. Beim Bau und Betrieb dieser Bahnen war man bereits mit den technischen Unterschieden von Eisenbah-nen und Straßenbahnen konfrontiert.Bei diesen Bahnen kamen spezielle Eisen-bahnfahrzeuge zum Einsatz, welche die Eigenarten der befahrenen Streckenab-schnitte im Stadtgebiet (abweichende Fahr-stromversorgung, Spurführung, Lichtraum und Einstiegssituation an Bahnsteigen) zu berücksichtigen hatten. Ein freizügiger Ein-satz dieser Fahrzeuge im Bereich der Stra-ßenbahnnetze war jedoch nicht möglich, so dass durchgehende Verbindungen bis in die eigentlichen Kernbereiche der Innen-städte nicht realisiert werden konnten. Die betroffenen Linien endeten meist peripher im Randbereich der Großstädte.Im Zusammenhang mit dem Aufbau von regionalen Stadtbahnsystemen ergab sich in der zweiten Hälfte des letzten Jahrhun-derts die Möglichkeit und Notwendigkeit, die Personenverkehre dieser nichtbundes-eigenen Bahnen in die Stadtnetze zu in-tegrieren. Ziele dieser Maßnahme waren auch hier bereits:

Schaffung durchgehender Verbindungen von der Innenstadt in die Region,Vermeiden von Umsteigezwängen und Nutzung vorhandener Infrastruktur zur Schaffung eines Gesamtschienennetzes.

Einen planmäßigen Einsatz von Stadt-bahnfahrzeugen im Bereich von normal-

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spurigen nichtbundeseigenen Eisenbah­nen gibt es in Deutschland neben dem Raum Köln/ Bonn in Karlsruhe und Kassel. Da in allen drei Fällen die im Stadtnetz üblichen Gleichstrom-Stadtbahnfahrzeu­ge eingesetzt werden, sind die befahrenen Eisenbahnstrecken mit einer entsprechen­den Oberleitung (Gleichspannung 750 V) ausgerüstet. Der Güterverkehr wird mit Dieseltraktion durchgeführt. Bezüglich technischer Ausrüstung, Spurführung und Lichtraum im Bahnsteigbereich wurden hingegen sehr unterschiedliche technische Lösungen gefunden.

Stadtbahn Köln - Bonn In den Jahren 1978 bzw. 1985 wurden die bei den städteverbindenden Reisezugstre­cken der ehemaligen Köln-Bonner-Eisen­bahnen (Rheinufer- und Vorgebirgsbahn) als Linien 16 und 18 in die Stadtbahnnetze der beiden Großstädte integriert (Abb. 5). Aufgrund einer Anpassung der Eisenbahn­infrastruktur können die Regelfahrzeuge der Kölner-Verkehrs-Betriebe AG (KVB) und der Stadtwerke Bonn GmbH (SWB) eingesetzt werden. Die bei den Strecken gehören zu den weni­gen nichtbundeseigenen Eisenbahnen, die

Abb. 5: Stadtbahn Köln - Bonn, Rheinuferbahn (Linie 16)

als Hauptbahn konzessioniert sind, und werden abschnittsweise im Mischverkehr mit Güterzügen der Häfen und Güterver­kehr KölnAG (H GK) befahren. Diezulässige Höchstgeschwindigkeit beträgt 100 km/ho Während die Rheinuferbahn durchgehend zweigleisig ausgebaut ist, gibt es im Süd­abschnitt der Vorgebirgsbahn einige ein­gleisige Abschnitte. Die beiden Strecken verfügen über moderne Zugsicherungsan-

lagen in Spurplan- bzw. ESTW-Technik. Als Zugbeeinflussungssystem ist die magneti­sche Fahrsperre der Stadtbahn installiert. Zusätzlich sind die Streckenabschnitte mit planmäßigem Güterverkehr mit der induk­tiven Zugsicherung (Indusi) der DB AG ausgerüstet.

Lichtraum im Bahnsteigbereich Zwischen Köln und Bonn verkehren

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Abb. 7: Stadtbahn Köln – Bonn, Weichen mit beweglichen Herzstücken

Abb. 6: Stadtbahn Köln – Bonn, Lichtraumproblematik im Bereich der Bahnsteigkante bei Güterverkehr

hochfl urige Stadtbahnwagen mit einer Wagenkastenbreite von 2,65 m und ei-ner Wagenbodenhöhe von ca. 100 cm. In Streckenabschnitten oder Gleisen, die aus-schließlich von Stadtbahnzügen befahren werden, haben die Bahnsteige eine Höhe von 90 cm über Schienenoberkante, und ermöglichen so einen stufenlosen Einstieg. Aufgrund des Abstandes von ca. 1,40 m zwischen Bahnsteigkante und Gleisachse ist das Lichtraumprofi l der Eisenbahn im

Bereich dieser Bahnsteigkanten jedoch er-heblich eingeschränkt. Eisenbahnfahrzeu-ge mit Fahrzeugumgrenzung nach EBO können an den Bahnsteigkanten nicht vor-beifahren.In Streckenabschnitten oder Gleisen mit Mischbetrieb von Stadtbahn- und Güter-zügen wurden daher niedrigere Bahnsteige mit einer Höhe von nur 33 cm über Schie-nenoberkante und einem Abstand von 1,45 m zur Gleisachse errichtet (Abb. 6).

Ähnliche Bahnsteige gibt es teilweise auch auf innerstädtischen Streckenabschnitten in Köln wegen des Mischbetriebs mit Nie-derfl urfahrzeugen. Sämtliche Stadtbahnwa-gen verfügen daher über die erforderlichen beweglichen Trittstufen und ermöglichen so einen zwei- oder dreistufi gen Einstieg von diesen Bahnsteigen. Obwohl die 33 cm hohen Bahnsteigkan-ten immer noch ca. 12 cm in den Eisen-bahnlichtraum hineinragen, können alle Eisenbahnfahrzeuge, die der Bezugslinie G2 nach EBO (Anlage 8) entsprechen, an diesen Bahnsteigen vorbeifahren. Für diese Lösung ist allerdings eine Ausnahmege-nehmigung der Aufsichtsbehörde erforder-lich. Darüber hinaus muss die Soll-Höhe des Gleises im Bereich der Bahnsteigkante sehr genau eingehalten und gegebenenfalls durch Stopfen wieder ausgeglichen wer-den, was einen zusätzlichen Instandhal-tungsaufwand bedeutet.

Spurführung:Die Rad-/Schiene-Geometrie der Stadtbahn Köln – Bonn entspricht dem Maßsystem B der Spurführungsrichtlinien (SpR) gemäß BOStrab. Dadurch können Rillenschienen der Profi le Ri 59 und Ri 60 im innerstädti-schen Bereich problemlos befahren werden. Aufgrund der unterschiedlichen Abstände zwischen den Innenfl ächen der Radrücken bei Eisenbahn (ca. 1360 mm) und Stadt-bahn (ca. 1380 mm) können jedoch die üblichen Weichen und Kreuzungen mit starren Herzstücken und Radlenkern nicht von beiden Fahrzeugarten befahren wer-den. Daher sind in den Streckenabschnit-ten mit Mischbetrieb von Stadtbahn- und Güterzügen sämtliche Weichen mit beweg-lichen Herstücken ausgerüstet (Abb. 7). Aufgrund der beweglichen Herzstücke kann auf die Radrückenführung durch Radlenker verzichtet werden, da die Herzstücklücke wechselseitig vollständig geschlossen wird. Weichen mit beweglichen Herzstücken ver-bessern außerdem den Fahrkomfort und mindern die Rollgeräusche. Der Nachteil dieser Weichen liegt in dem großen Auf-wand für Bau und Betrieb, weil jede Weiche einen Weichenantrieb für das Zungenpaar und einen für die bewegliche Herzstück-spitze benötigt.

Albtalbahn Karlsruhe – Bad Herrenalb bzw. IttersbachZwischen 1959 und 1961 wurde die ur-sprünglich schmalspurige Albtalbahn Karlsruhe – Bad Herrenalb und Teile der Zweigstrecke Richtung Ittersbach durch die neu gegründete Albtal-Verkehrs-Gesell-schaft mbH (AVG) auf Normalspur umge-baut und für den Betrieb mit Straßenbahn-fahrzeugen hergerichtet. Dadurch war die Einbindung dieser Überlandlinie in das in-nerstädtische Straßenbahnnetz von Karls-

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ruhe möglich. Bis 1975 wurde auch das Reststück der Zweigstrecke bis Ittersbach entsprechend ausgebaut. Ab 1983 lösten die heutigen Stadtbahnfahrzeuge die erste Generation von Straßenbahnwagen auf der Albtalbahn ab. Die Albtalbahn (Abb. 8) ist als Nebenbahn gemäß EBO konzessioniert. Die maximal zulässige Höchstgeschwindigkeit beträgt 80 km/ho Zwischen Karlsruhe und Busen­bach (Abzweig Richtung Ittersbach) ist die Strecke durchgehend zweigleisig, darüber hinaus nur eingleisig ausgebaut. Mit Aus­nahme der Stadtstrecke in Karlsruhe und der Wendeschleifen können die Gleise der Albtalbahn auch von Eisenbahnfahrzeu­gen befahren werden. Zwischen Ettlingen und Bad Herrenalb verkehren regelmäßig historische Dampfzüge. Regelmäßiger Gü­terverkehr findet jedoch derzeit nur im Be­reich Ettlingen statt. Mit Ausnahme der Stadtstrecke in Karlsru­he, wo auf Sicht gefahren wird, verfügt die Albtalbahn über Zugsicherungsanlagen mit Blockeinrichtungen. Das installierte Zugbeeinflussungssystem basiert auf der Induktiven Weichensteuerung (IWS) der Karlsruher Straßenbahn. Da dieses System nicht kompatibel mit der Indusi der DB AG

Abb. 8: Albtalbahn

ist, verkehren gegebenenfalls eingesetzte fremde Triebfahrzeuge der Eisenbahn ohne Zugbeeinflussung.

Lichtraum im Bahnsteigbereich Die Bahnsteigkanten der Albtalbahn ha­ben eine Höhe von 38 cm über Schienen­oberkante und entsprechen bezüglich

Lichtraum profil den Anforderungen der EBO. Die Lücke zwischen Stadtbahn­fahrzeug und Bahnsteigkante wird durch eine ausfahrbare Trittstufe geschlossen (Abb. 9).

Spurführung Die Stadtbahnwagen der Albtalbahn ver-

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fügen über ein Radreifenprofi l, welches eine Mischform zwischen Eisenbahn und Straßenbahn darstellt. Es entspricht ober-halb von ca. 25 mm über Schienenober-kante dem Radrückenabstand nach EBO. Mit diesem Radreifen können sowohl die Rillenschienen und Flachrillenweichen der Straßenbahn als auch Eisenbahnwei-chen mit überhöhtem Radlenker sicher befahren werden. Um eine ausreichende Überdeckung der Radrücken der Stadt-

bahnfahrzeuge sicherzustellen, ist jedoch in sämtlichen Eisenbahnweichen eine Rad-lenkerhöhe von mindestens 30 mm erfor-derlich.

Stadtbahnbetrieb mit DC-Fahr-zeugen auf einer DB-StreckeZwischen 1979 und 1989 wurde der Stadt-bahnbetrieb der Albtalbahn schrittweise auf eine im Personenverkehr bereits still-gelegte Strecke der damaligen Deutschen

Bundesbahn (DB) ausgedehnt. Es handelt sich dabei um die Strecke von Karlruhe nach Linkenheim-Hochstetten (Hardt-bahn). Da der verbliebene Güterverkehr der DB mit Dieseltraktion erfolgte, konn-ten die Gleise für die Stadtbahn mit einer Gleichstrom oberleitung (750 V DC) über-spannt werden.Im Zusammenhang mit dem Bau dieser Stadtbahnstrecke gab es erstmals eine in-tensive Zusammenarbeit mit der Deutschen Bundesbahn, die als wichtiger Entwick-lungsschritt in Richtung der Verknüpfung der Karlsruher Straßenbahn mit dem bun-deseigenen Eisenbahnnetz zu sehen ist. Inzwischen wurde die Strecke in eine nicht-bundeseigene Eisenbahn umgewandelt und durch die Albtal-Verkehrs-Gesellschaft (AVG) übernommen. Es bestehen noch zwei Privatgleisanschlüsse, die mit Diesel-loks der AVG bedient werden können.

Stadtbahn unter Wechselstrom 15 kV /16,7 Hz AC („Karlsruher Modell“)Ab 1991 standen in Karlsruhe Zweisys-tem-Stadtbahnwagen zur Verfügung, die im Stadtbahnbereich mit Gleichspannung von 750 V und im Eisenbahnbereich mit Wechselspannung von 15 KV / 16,7 Hz fah-ren können, so dass auch Stadtbahnbetrieb auf elektrifi zierten Strecken der DB AG möglich ist (Abb. 10). Das Konzept ist als Karlsruher Modell bekannt. In der Erprobungsphase befuhren die Zweisystem-Stadtbahnwagen zunächst die DB-Strecke Karlsruhe – Pforzheim im Vorlaufbetrieb und wurden sehr positiv von den Fahrgästen bewertet. Die im Ver-gleich zu den lokbespannten Zügen gerin-gere Höchstgeschwindigkeit von 90 km/h konnte durch die höhere Beschleunigung und schnellere Abfertigung der Stadtbahn-wagen am Bahnsteig mehr als ausgeglichen werden. Nachdem an geeigneten Stellen Schienenverbindungen zwischen dem Straßenbahnnetz und dem Streckennetz der DB hergestellt waren, konnten schritt-weise mehrere Stadtbahnlinien in Betrieb genommen werden, die umsteigefreie Ver-bindungen aus der Region in das Stadtzen-trum ermöglichen. Darüber hinaus hat man die Stadtbahn-fahrzeuge zunehmend auch auf Nahver-kehrsstrecken ohne Übergang auf das Straßenbahnnetz erfolgreich eingesetzt. So entstand innerhalb sehr kurzer Zeit im Raum Karlsruhe ein umfangreiches „S-Bahn-Netz“ von ca. 300 km, welches aus folgenden Bausteinen besteht:

Stadtbahnstrecken der Albtalbahn (NE-Bahnen) mit Gleichstromoberleitung 750 V,Stadtbahnlinien mit Übergang zwischen Eisenbahnnetz (Wechselstromoberlei-tung 15 kV / 16,7 Hz) und Straßenbahn-

Abb. 9: Albtalbahn, Einstiegsverhältnisse vom EBO-Bahnsteig in Stadtbahnwagen

Abb. 10: Stadtbahn Karlsruhe, Begegnung eines Zweisystemfahrzeugs mit einem Reisezug der DB AG

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netz (Gleichstromoberleitung 750 V) undStadtbahnlinien, die ausschließlich im Eisenbahnnetz unter Wechselstromober-leitung 5 kV / 16,7 Hz verkehren.

Durch den Betrieb mit einheitlichen Fahr-zeugen wird dieses Stadtbahnnetz von den Fahrgästen als Gesamtsystem empfunden und anerkannt, obwohl die baulichen An-lagen (Bahnsteige, Gleisanlagen) nur zum Teil erneuert oder erweitert worden sind. Weil die Zweisystem-Stadtbahnwagen nun auch auf stark befahrenen Hauptstrecken der DB AG im Mischbetrieb mit schwe-ren und schnell fahrenden Eisenbahnzü-gen fahren, ist die Frage der Sicherheit im Kollisionsfall mit diesen Fahrzeugen von großer Bedeutung. Während Eisenbahn-fahrzeuge aufgrund ihrer Strukturfestigkeit über eine hohe Widerstandskraft gegen Verformungen des Wagenkastens (gro-ße passive Sicherheit) verfügen, können Stadtbahnfahrzeuge aufgrund ihrer hohen

Bremsverzögerung Kollisionen vermei-den. Daraus lässt sich für Stadtbahnwagen eine im Vergleich zu Eisenbahnfahrzeugen höhere aktive Sicherheit herleiten. Trotz dieser Überlegungen werden bei der Zu-lassung von Stadtbahnbetrieb auf Strecken der DB AG erhöhte Anforderungen an den Fahrweg der Eisenbahn gestellt. Durch ei-nen hohen technischen Ausbaustandard soll verhindert werden, dass Fehlverhalten einzelner Stellwerks- oder Zugpersonale bereits zu kritischen Situationen führen kann. Daher sollen bei Stadtbahnbetrieb infrastrukturseitig folgende Einrichtungen vorhanden sein:

Gleisfreimeldeanlagen,Streckenblock,Zugbeeinfl ussungssystem sowieerhöhter Flankenschutz durch Schutz-weichen.

Darüber hinaus sind auch Betriebszustän-de zu vermeiden, die zu einem erhöhten Unfallrisiko führen könnten. Dazu gehö-ren insbesondere das Ersatzsignal Zs1 und der Falschfahrbetrieb. Diese Anforderungen an die Infrastruktur und die Betriebsführung haben jedoch zur Folge, dass für Stadtbahnfahrzeuge im Ei-senbahnbereich nur eine streckenbezogene Zulassung erfolgen kann, um ein gleiches Sicherheitsniveau wie beim ausschließli-chen Betrieb mit Regelfahrzeugen der Ei-senbahn zu erreichen.

Zweisystem-Stadtbahnwagen Karlsruhe Im Gegensatz zu den nichtbundeseige-nen Eisenbahnen können im Bereich der DB AG keine besonderen infrastruktu-rellen Anpassungen für den Einsatz von Stadtbahnfahrzeugen vorgenommen wer-den. Vielmehr gelten hier bundesweit oder

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sogar international einheitliche technische Standards, die u. a. einen diskriminie-rungsfreien Zugang für alle Eisenbahn-Ver-kehrs-Unternehmen gewährleisten. Daher müssen die Zweisystem-Stadtbahnwagen technisch für einen uneingeschränkten Einsatz auf dem Streckennetz der DB AG ausgerüstet sein. Das Karlsruher Zweisystem-Fahrzeug ist als dreiteiliger Achtachser mit einer Länge von ca. 37,60 m konzipiert und kann in Mehrfachtraktion fahren. Bei Teilnahme am Straßenverkehr ist die Zuglänge aber laut BOStrab auf 75 m beschränkt, so dass in diesem Fall nur eine Doppeltraktion zu-lässig ist. Die beiden äußeren Wagenteile entspre-chen weitgehend den Gleichstromfahrzeu-gen der Albtalbahn. Da im Streckennetz der DB AG keine Wendeschleifen zur Ver-fügung stehen, handelt es sich hier jedoch um ein Zweirichtungsfahrzeug (Abb. 11). Bei der zweiten Fahrzeugserie konnte durch die fortschreitende Entwicklung der Niederfl urtechnik der Wagenboden im Ein-stiegsbereich von 1,00 m auf ca. 60 cm ab-gesenkt werden, so dass von 55 cm hohen Bahnsteigen ein stufenloser Einstieg mög-lich ist. Eine ausfahrbare Trittstufe schließt auch hier die Lücke zwischen Bahnsteig und Fahrzeug. Die für den Betrieb unter Wechselspannung erforderliche Zusatzausrüstung (Transfor-mator, Gleichrichter) ist in dem Mittelteil des Fahrzeugs untergebracht. Die Umschal-tung zwischen den Stromsystemen erfolgt im Bereich der Systemtrennstelle automa-tisch. Dabei rollt das Fahrzeug durch einen ca. 170 m langen stromlosen Abschnitt.Neben den verschiedenen Oberleitungs-systemen sind fahrzeugseitig auch die un-terschiedlichen Zugsicherungs- und Tele-kommunikationssysteme berücksichtigt. Die Zweisystem-Stadtbahnwagen verfügen neben der induktiven Weichensteuerung (IWS) der Stadtbahn über die induktive Zugsicherung (Indusi) der DB AG. Auch die Funkanlage wurde doppelt ausgeführt. Neben dem Betriebsfunk der Stadtbahn ist auch der Zugbahnfunk der DB AG auf den Fahrzeugen installiert.Bezüglich der Spurführungstechnik muss-ten die historisch entstandenen baulichen Gegebenheiten (z. B. Rillengleise, Flach-rillenherzstücke) im innerstädtischen Straßenbahnnetz berücksichtigt werden. Daher verfügen die Zweisystem-Fahrzeu-ge über ein ähnliches Radreifenprofi l wie die Gleichstromfahrzeuge der Albtalbahn (Abb. 12). Der weitgehend freizügige Einsatz der Zweisystem-Fahrzeuge auf dem gesamten Gleisnetz der DB AG im Raum Karlsruhe erfordert jedoch, dass auch Weichen sicher befahren können, deren Radlenker eine Überhöhung von nur 20 mm aufweisen.

Abb. 11: Stadtbahn Karlsruhe, Zweisystem-Stadtbahnwagen auf Hauptbahn der DB AG

Abb. 12: Radreifen Zweisystemwagen Karlsruhe

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Das Radreifenprofil entspricht daher be­reits oberhalb von ca. 10 mm über Schie­nenoberkante (anstatt 25 mm bei den Gleichstromfahrzeugen) dem Radrücken­abstand nach EBO. Nachteil dieser Lösung ist allerdings ein erhöhter Instandhaltungs­aufwand im Rillengleisbereich. So muss z. B. ein eventueller Höhenverschleiß der Schienenköpfe durch Auftragsschweißen ausgeglichen werden, um ein Berühren der Spurrille durch den Radrücken auszu­schließen (Abb. 13). Die unterschiedliche Schienenkopfge­staltung von Straßenbahn- und Eisen­bahnschienen beeinflusst darüber hinaus sehr nachteilig das Verschleißprofil der Radreifen, so dass es unter Umständen zu Spurführungsproblemen im Bereich von Eisenbahnweichen kommen kann. Um Erfahrungen mit dem Übergang von Stadt­bahnfahrzeugen zwischen dem Gleisnetz der Straßenbahn und der DB AG sammeln zu können, wurde dieser zunächst auf die 1992 in Betrieb genommene Linie Karlsru­he - Bretten beschränkt. So kam es in den ersten Jahren bis ca. 1997 zu einer Tren­nung zwischen Fahrzeugen dieser Linie und solchen, die ausschließlich DB AG­Strecken befuhren.

Schiene Ri 60, Radreifen Karlsruhe

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Neigung 1 : co

Abb. 13: Radreifen Zweisystemwagen Karlsruhe im Rillengleis mit Schienenprofil Ri 60

Inzwischen konnte das Schienenprofil der DB AG mit 13 mm Kopfausrundung auf die Straßenbahnstrecken aufgefahren werden. Darüber hinaus wurden diver-

se Gleisumbauten (z. B. Anpassung von Flachrillenherzstücken ) im Straßenbahn­netz durchgeführt, so dass heute ein weitgehend freizügiger Einsatz aller Zwei­system-Stadtbahnwagen zwischen beiden Schienennetzen möglich ist.

Saarbahn Bereits 1997 konnte in Saarbrücken mit der Saarbahn das zweite Stadtbahnsystem nach dem Karlsruher Modell den Betrieb aufnehmen (Abb. 14). Als Mittelpunkt des neuen Stadtbahnsys­tems entstand zunächst im Innenstadtbe­reich der Landeshauptstadt eine völlig neue Straßenbahnstrecke mit einer Länge von 5,5 km. Nördlich der Innenstadt schließt eine auf unabhängigen Bahnkörper ge­führte Stadtbahntrasse an, die zur Zeit nur bis zum südlichen Ortseingang von Rie­gelsberg befahren wird. Die Ortsdurchfahrt ist bereits baulich fertiggestellt, wird aber voraussichtlich erst zusammen mit dem Reststück in Richtung Bf Lebach in Betrieb genommen. Die genannten Teilabschnitte sind nach BOStrab konzessioniert und mit 750 V Gleichstrom elektrifiziert. Südlich von Saarbrücken benutzt die Saar­bahn die Strecke Saarbrücken - Sarregue-

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Abb. 15: Saarbahn, Einstiegsver-

hältnisse im Eisenbahnbereich

(Bahnsteighöhe 38 cm ü. SO)

Die Niederfl urbauweise mit einer Wagen-bodenhöhe von ca. 40 cm im Türbereich ermöglicht einen stufenlosen Einstieg von 38 cm hohen Bahnsteigen. Die im Eisen-bahnbereich vorhandene Lücke zwischen Bahnsteig und Fahrzeug wird durch einen Klapppodest geschlossen (Abb. 15). Die Andienung von Bahnsteigen mit einer Höhe von 76 cm über Schienenoberkante ist nicht vorgesehen.Die zu Grunde gelegte Rad- / Schiene-Geo-metrie mit Rillenschienen des Profi ls Ph 37a entspricht dem Maßsystem C der BOS-trab und genügt daher den Anforderungen der EBO (Abb. 16). Eine spezielle Misch-form der Radreifen wie in Karlsruhe ist da-her in Saarbrücken nicht erforderlich.

SchlussbetrachtungDer Stadtbahnbetrieb hat auf den Eisen-bahnstrecken zu enormen Fahrgastzuwäch-sen geführt. Daher ist es nicht verwunder-lich, dass in vielen Regionen im In- und Ausland immer wieder Interesse an dem „Karlsruher Modell“ besteht. Ob das Stadtbahnkonzept tatsächlich für eine Stadt oder Region geeignet ist, hängt aber von den jeweiligen Rahmenbedin-gungen ab. Große Ballungsräume mit mehreren Millionen Einwohnern haben ganz andere Verkehrsströme. Die klassi-sche Trennung der spurgebundenen Ver-kehrsmittel (Straßenbahn, U- und S-Bahn) macht dort durchaus Sinn. In kleineren Ballungsräumen mit bis zu einer Million Einwohner in Stadt und Re-gion ermöglicht das Konzept der Zweisys-tem-Stadtbahn dagegen die Lösung indivi-dueller Verkehrsprobleme:

In Karlsruhe führte die periphere Lage des Hauptbahnhofes und das Fehlen ei-

mines / Frankreich der DB AG. Diese zwei-gleisige Strecke war bereits vor Aufnahme des Stadtbahnbetriebes mit 15 kV / 16,7 Hz elektrifi ziert und wird weitgehend unverän-dert befahren. Lediglich einige Bahnsteige wurden modernisiert und die Gleisanlagen teilweise den Bedürfnissen des Stadtbahn-betriebes angepasst. Neben den Stadt-bahnzügen der Saarbahn verkehren auf der grenzüberschreitenden Strecke zur Zeit nur einige Regionalzüge mit Dieseltriebwa-gen der französischen Staatsbahn (SNCF) ohne Zwischenhalt. Der Güterverkehr be-schränkt sich auf ein tägliches Zugpaar und wird mit elektrischer Traktion durch die DB AG gefahren.Die Saarbahn hat zur Zeit eine Streckenlän-ge von ca. 25 km. Nach Inbetriebnahme des Reststücks zwischen Riegelsberg Süd und Lebach wird das Stadtbahnsystem eine

Gesamtlänge von 44 km aufweisen. Bereits heute hat die Saarbahn als leistungsfähige Hauptachse eine große Bedeutung für den öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV ) im Raum Saarbrücken.

Zweisystem-Stadtbahnwagen der Saarbahn (Saarbrücken)Bei den in Saarbrücken beschafften Zwei-system-Stadtbahnwagen handelt es sich wie in Karlsruhe um dreiteilige Achtachser mit vergleichbarer Grundkonzeption.Während in Karlsruhe die Infrastruktur der vorhandenen innerstädtischen Straßenbahn bei der Konzeption der Fahrzeuge zu be-rücksichtigen war, konnten in Saarbrücken aufgrund der völlig neuen Infrastruktur technische Parameter (z. B. Bahnsteighöhe und Rad- / Schiene-Geometrie) auf die Be-lange der Eisenbahn abgestimmt werden.

Abb. 16: Saarbahn, Radreifen nach Maßsystem C

im Rillengleis mit Schienenprofi l Ph 37a

Bildquelle aller Fotos und Grafi ken: C. Lütz

Abb. 14: Saarbahn, Zweisystem-Stadtbahnwagen im Bf Kleinblittersdorf

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ner klassischen Schnellbahn in Richtung Stadtzentrum zu der Notwendigkeit ei­ner Verknüpfung von Straßenbahn und Eisenbahn.

• In Saarbrücken ermöglichte die Integra­tion der DB-Strecke nach Sarreguemines eine schnelle Ausdehnung des neuen Stadtbahnsystems in die Region.

In Kassel befindet sich seit 2001 ebenfalls ein Stadtbahnsystem nach Karlsruher Mo­dell im Autbau. Nachdem zunächst einige von der Saarbahn gemietete Zweisystem­Stadtbahnwagen im Vorlautbetrieb einge­setzt wurden, verfügt man jetzt dort auch über eigene Fahrzeuge und konnte kürzlich die Anbindung der "Regional-Tram" an die Innenstadt in Betrieb nehmen. Darüber hinaus gaben die Zweisystem­Stadtbahnwagen Anfang der 90er-Jahre im Vorfeld der Bahnreform wichtige Impulse für die Entwicklung von leichten Nahver­kehrstriebzügen bei der Eisenbahn. Solche Züge kommen inzwischen bundesweit im Regionalverkehr zum Einsatz.

LITERATUR D. Ludwig. G. Drechsler: Stadtbahnbetrieb Karlsruhe auf ehemaliger Bundesbahnstrecke. DER NAHVERKEHR 5/87 D. Ludwig. P. Forcher: Neue Stadtbahnwagen für die Region Karlsruhe. DER NAHVERKEHR 5/89 D. Ludwig. G. Drechsler: Mit der Stadtbahn auf Bundesbahn­strecken. ETR 40(1991), H. 8

D. Ludwig: Stadtbahn auf Bundesbahngleisen. ETR 42 (1993), H.12 J. Bölke, H.-H. Grauf: Die Zulassung des Verkehrs mit leichten Nahverkehrstriebwagen auf Strecken der Eisenbahnen des Bundes aus Sicht der Aufsichtsbehörde. ETR 43 (1994), H. 11 D. Ludwig, H. Emmerich, M. in der Beek: Erfahrungen mit der ersten Stadtbahn aud Bundesbahngleisen. DER NAHVERKEHR 1-2/94 D. Ludwig, A. Kühn: Das Karlsruher Modell und seine Übertrag­barkeit. DER NAHVERKEHR 10/95 D. Ludwig, P. Forcher, G. Vogel, H. Amend: Das neue Fahrzeug­Konzept der Karlsruher Stadtbahn. DER NAHVERKEHR 12/95 N. Walter, E. Strohm: Die Stadtbahn Saar - Ein regionales Schienenverkehrssystem im Herzen Europas. ETR 45(1996), H. 6 Zweisystemfahrzeug "Karlsruhe" für den durchgehenden Einsatz auf DB- und Stadtbahnstrecken. NAHVERKEHRSFORSCHUNG '91, Statusseminar XVIII des Bundesminis-terium für Forschung und Technologie (BMFT) und Bundesministerium fürVerkehr (BMV) K. Bindewald: Die Albtalbahn: Geschichte mit Zukunft: Von der Schmalspurbahn zur modernen Stadtbahn. Hrsg. Albtal­Verkehrs-Gesellschaft mbH, Verlag Regionalkultur, 1998 Stadtbahn Rhein-Sieg, Vorlaufbetrieb Köln-Bonn 1978. Hrsg. KölnerVerkehrs-Betriebe AG, Köln-Bonner Eisenbahnen AG, Stadtwerke Bonn, Verkehrsbetrieb, August 1978 H. Braitsch: Kölner Spurführungstechnik machte "Misch betrieb" mit Höchstgeschwindigkeiten möglich. V+T 36. Jahrgang (1983) Sonderheft, S. 42/46 H. Berg: Fahrzeugeinsatz im gemischten Betrieb Straßenbahn/ U-Bahn/Eisenbahn. V+T36. Jahrgang (1983) Sonderheft, S. 28/30 Die Stadtbahn Köln-Bonn. Verbindungen einer Region. Eröffnung der Stadtbahn linie 18 (Vorgebirgsbahn) am 9.11.1986, Hrsg. KölnerVerkehrs-Betriebe AG, Köln-Bonner Eisenbahnen AG, November 1986 E. Bündgen: Die Köln-Bonner-Eisenbahnen 1891 - 1992. EK­Verlag GmbH 1994 G. Wolf: Deutsche Klein- und Privatbahnen, Band 4: Nordrhein­Westfalen , SüdlicherTeil. EK-Verlag GmbH 1997 K. Kurz: Richtlinien für die Spurführung von Schienenbahnen

nach der Verordnung über den Bau und Betrieb der Straßen­bahnen (BOStrab) - Spurführungs-Richtlinien (SpR) -, Erich Schmitt Verlag GmbH & Co. 1986

Oipl.-Ing. (FH) Christoph Lütz

Ingenieurbüro Oipl.-Ing. H. Vössing GmbH, Niederlassung Köln [email protected]

Summary Integrating tram and railway networks As a rule, there are two separate track sys­tems that carry railborne public transport. In a number of big cities (such as ColognejBonn and Karlsruhe), it became both possible and necessary in the second half of the 20th century to integrate the passenger services of non-federal railways into city networks. In ad­dition, in the early 1990s a start was made in the Karlsruhe area on using the railway net­work of OB AG for rapid transit services. In the meantime, this option has also been success­fully implemented in other regions (e.g. Saar­brücken). The present article focuses in partic­ular on the structural issues (vehicle guidance, clearance) that arise with mixed rapid transit and mainline railway traffic.

DER ........ EISENBAHN INGENIEUR

INTERNATIONALE FACHZEITSCHRln FÜR SCHIENENVERKEHR "TECHNIK

EI-Eisenbahningenieur I November 2008 17