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Geller: Vitamin E und Hormone. '345 57. Herr Geller-Breslau: u E und Hormone. Wenn man jungen Ratten eine an Calorien und Salzen ausreichende Nahrung, der die wasserlSsliehen Vitamine in Form von Here und die fettlSsliehen als Lebertran beigeffigt sind, verabreicht, so gedeihen die Tiere gut, die B6cke werden aber spi~testens naeh 6 Monaten unfruchtbar und die Hoden verfallen in dieser Zeit einer rasch fortschreitenden Degeneration. Die Weibchen werden nach einer gelegentlich noch normal verlaufenden Schwangerschaft ebenfalls unfruchtbar in der Weise, dab sp~tere Schwangerschaften stets mit Resorption der Frucht enden und schlieBlich Schwangerschaften vielfach fiberhaupt nicht mehr eintreten. Daraus geht hervor, dab in dieser Kostform ein fiir die Fruchtbarkeit beider Geschlechter notwendiger Faktor, der yon Evans und Burr Vitamin E genannt wurde, fehlt. Diese Forscher konnten dureh Zulage verschiedener tierischer und pflanzlicher Gewebe die Unfruehtbarkeit beseitigen, und es zeigte sich, dab das Vitamin E besonders reichlich in jungen Getreidekeimlingen enthalten ist. Es gelang ihnen aueh, aus Weizenkeimlingen ein Vitamin E-ha]tiges 51iges Extrakt darzustellen. Ieh habe gemeinsam mit Frs Dr. Schuster an 83 Ratten Unter- suchungen fiber die Fruehtbarkeit der Tiere bei Dii~ten yon verschiedenem Vitamingehalt angestellt. Die Tabe]len zeigen Ihnen, dal~ bei den m~innlichen Ratten die Fruchtbarkeit durch Zulage yon 8 % Butter gebessert wird, dutch ein Vitamin E-Adsorbat der Firma Henning jedoeh nicht. Dieses Priiparat ist also unwirksam oder enth~lt so geringe Mengen des Vitamin E, daI~ es bei unserer Dosierung (1 Tropfen pro die) unwirksam blieb. Bei den weiblichen Ratten ftihrte gekeimte Gerste und Weizen- keimS1, das uns yon Dr. Juhdsz.Schd//er in Bern freundlichst zur Ver- ffigung gestellt wurde, zu einer deutliehen Besserung der Fruchtbarkeit, dagegen blieb Butter im Gegensatz zu den M~nnehen vSllig wirkungslos. Der Un~ersehied der Butterwirkung bei M~nnehen und Weibchen kann entweder dadurch erkls werden, daB in der Butter nur wenig Vitamin E enthalten ist, und dab die zugefiihrte Menge yon Butter zwar fiir die m~nnliehe Zeugungsf~higkeit einigermaBen genfigte, nicht aber ffir die Erhaltung der Sehwangerschaft. Aueh Evans und Burr gelang es erst dureh eine Di~t, die 24% Butter enthielt, die Gravidit~t zu erhalten. Oder wit kSnnen auf Grund der kiirzlieh yon Gri]ns und Dingemanse verSffentlichten Untersuchungen, die zur Isolierung yon zwei versehiedenen Fraktionen aus WeizenkeimS1 ffihrten, deren eine die mi~nnlich% die andere die weibliche Fruchtbarkeit herstellte, annehmen, dab in der Butter der fiir die ms Zeugungsf~higkeit notwendige Faktor in hSherer Konzentration als der weibliehe Fruehtbar- keitsfaktor enthalten ist. Die Hoden der Vitamin E-frei ern~hrten ms Ratten waren spi~testens nach 6 Monaten degeneriert. Bei dauernder Butterzulage wurde erst nach 101/2 Monaten Hodendegeneration beobachtet, was wohl

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Page 1: Vitamin E und Hormone

Geller: Vitamin E und Hormone. '345

57. Herr Geller-Breslau: u E und Hormone.

Wenn man jungen Rat ten eine an Calorien und Salzen ausreichende Nahrung, der die wasserlSsliehen Vitamine in Form von Here und die fettlSsliehen als Lebertran beigeffigt sind, verabreicht, so gedeihen die Tiere gut, die B6cke werden aber spi~testens naeh 6 Monaten unfruchtbar und die Hoden verfallen in dieser Zeit einer rasch fortschreitenden Degeneration. Die Weibchen werden nach einer gelegentlich noch normal verlaufenden Schwangerschaft ebenfalls unfruchtbar in der Weise, dab sp~tere Schwangerschaften stets mit Resorption der Frucht enden und schlieBlich Schwangerschaften vielfach fiberhaupt nicht mehr eintreten. Daraus geht hervor, dab in dieser Kostform ein fiir die Fruchtbarkeit beider Geschlechter notwendiger Faktor, der yon Evans und Burr Vitamin E genannt wurde, fehlt. Diese Forscher konnten dureh Zulage verschiedener tierischer und pflanzlicher Gewebe die Unfruehtbarkeit beseitigen, und es zeigte sich, dab das Vitamin E besonders reichlich in jungen Getreidekeimlingen enthalten ist. Es gelang ihnen aueh, aus Weizenkeimlingen ein Vitamin E-ha]tiges 51iges Extrakt darzustellen.

Ieh habe gemeinsam mit Frs Dr. Schuster an 83 Rat ten Unter- suchungen fiber die Fruehtbarkeit der Tiere bei Dii~ten yon verschiedenem Vitamingehalt angestellt. Die Tabe]len zeigen Ihnen, dal~ bei den m~innlichen Ratten die Fruchtbarkeit durch Zulage yon 8 % Butter gebessert wird, dutch ein Vitamin E-Adsorbat der Firma Henning j e d o e h nicht. Dieses Priiparat ist also unwirksam oder enth~lt so geringe Mengen des Vitamin E, daI~ es bei unserer Dosierung (1 Tropfen pro die) unwirksam blieb. Bei den weiblichen Ratten ftihrte gekeimte Gerste und Weizen- keimS1, das uns yon Dr. Juhdsz.Schd//er in Bern freundlichst zur Ver- ffigung gestellt wurde, zu einer deutliehen Besserung der Fruchtbarkeit , dagegen blieb Butter im Gegensatz zu den M~nnehen vSllig wirkungslos.

Der Un~ersehied der Butterwirkung bei M~nnehen und Weibchen kann entweder dadurch erkls werden, daB in der Butter nur wenig Vitamin E enthalten ist, und dab die zugefiihrte Menge yon Butter zwar fiir die m~nnliehe Zeugungsf~higkeit einigermaBen genfigte, nicht aber ffir die Erhaltung der Sehwangerschaft. Aueh Evans und Burr gelang es erst dureh eine Di~t, die 24% Butter enthielt, die Gravidit~t zu erhalten. Oder wit kSnnen auf Grund der kiirzlieh yon Gri]ns und Dingemanse verSffentlichten Untersuchungen, die zur Isolierung yon zwei versehiedenen Fraktionen aus WeizenkeimS1 ffihrten, deren eine die mi~nnlich% die andere die weibliche Fruchtbarkeit herstellte, annehmen, dab in der Butter der fiir die ms Zeugungsf~higkeit notwendige Faktor in hSherer Konzentration als der weibliehe Fruehtbar- keitsfaktor enthalten ist.

Die Hoden der Vitamin E-frei ern~hrten ms Rat ten waren spi~testens nach 6 Monaten degeneriert. Bei dauernder Butterzulage wurde erst nach 101/2 Monaten Hodendegeneration beobachtet, was wohl

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ein Zeichen dafiir ist, dab mit der Butter auch ffir die Mannchen nicht ganz genfigende Mengen des Vitamins zugeffihrt wurden. Die Ovarien aller Vitamin E-freien und iibrigens aueh die ohne alle fettlSsliehen Vitamine erns Tiere waren normal.

Auf die Erkl~irungsversuche ffir die Wirkung des Vitamin E-Mangels karm nicht n/~her eingegangen werden. Aus _~hnlichkeiten zwischen den Erscheinungen nach Hypophysektomie und bei Vitamin E-Mangel einer- seits und der Beseitigung gewisser Erscheinungen bei Vitamin E-Mangel durch Injektion yon Hypophysenvorderlappenhormon andererseits leitete man die Vermutung ab, daB der Vitamin E-Mangel zu Funktions- stSrungen der Hypophyse ffihrt. Die Beweisversuche fiir diese Theorie von Verzdr und seinen Mitarbeitern sind aber unzul/~nglich, da die Wirkung des Vitamin E-Mangels und der Hypophysenpraparate bei Vitamin E-Mangel an ungeeigneten Testen gepriift wurde. Wir miissen daran ]esthalten, daft der einzige bisher bekannte spezi/ische Test /iir den Vitamin E.Mangel die bei beiden Geschlechtern au~tretende, aber unter verschiedenartigen Erscheinungen verlau/ende Un]ruchtbarlceit ist, und miissen deshalb fiir alle Stoffe, z. B. Hormone, yon denen wir aussagen wollen, daB sie den Vitamin E-Mangel auszugleiehen vermSgen, fordern, dab sie die Fruehtbarkeit bei Vitamin E-frei ern/~hrten Tieren wieder herstellen.

Da die Theorie yon den engen Beziehungen zwisehen Vitamin E und Hypophyse immer h~ufiger, so auch wieder in letzter Zeit von bekannten Vitaminforschern wie Stepp und Kiihnau vertreten wird, die experi- mentelle Begriindung dieser Theorie aber, wie gesagt, noeh unzureiehend ist, haben wir damit begonnen, die Frage, ob den Vitamin E-Mangel- erseheinungen eine St6rung im Hormonstoffwechsel zugrunde ]iegt, dadurch zu kl~ren, dab wir Vitamin E-frei ern~hrten Rat ten Hormon- prgparate einspritzten. Ich kann bisher nur fiber das Ergebnis bei 19 Versuchsratten berichten, da Fruehtbarkeitsstudien lange Zeitr/iume beanspruehen.

Zur Kl~rung der Frage, ob Unfruehtbarkeit bei der E-Avitaminose die Folge einer innersekretorisehen St6rung ist, mul~ auch die histologisehe Untersuchung der endokrinen Drtisen Vitamin E-frei ern/~hrter Tiere dienen. Wir haben auBer den Keimdriisen die ttypophyse, Nebennieren und Sehilddriise untersucht. Die Untersuehungen der Sehilddrtise sind noeh nieht abgesehlossen. In den Nebennieren fanden wir weder bei den m~nnliehen noeh bei den weibliehen Rat ten fiir Vitamin E-Mangel eharakteristisehe Ver~nderungen. In der Hypophyse dagegen traten bei allen Vitamin E-frei ern~hrten ms Rat ten sehon vom dritten Monat an, zu einer Zeit, we die Hodendegeneration im allgemeinen nur schwer mit Sicherheit histologisch erkennbar ist , dieselben Ver/~nde- rungen wie nach Kastration auf, n~mlich die groBen sog. K~strations- zellen mit Vakuolen oder einem ungefs ringf6rmigen Hof mit einem

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Diskussion zu dem Vortrag 57. 347

runden ProtoptasmaeinsehluB. WJr kSnnen das Anftreten dieser Zellen nur sis eine mittelbare Folge des Vitamin E-Mangels, n~mlich als die unmittelbare Folge der Hodensch~digung auffassen. Dementsprechend fanden wit die Kastrationsze]len auch nicht in den Hypophysen der weib- lichen R~tten, bei denen es ja such nicht zur Kcimdriisenschgdigung kommt.

Zungchst erhielten mchrere weibliche Rat ten w~hrend der Graviditat 1/2--3/4 KE Luteohormon. Aus diesen Versuchen gcht hervor, dal] nut bei den Tieren, die vorher auch einigc Zeit WeizenkeimS] erhalten hattcn, gelegentlich die Graviditaten ausgetragen wurdcn, und nur yon denen, die auch ws der Gravidits auBer dem Luteohormon noch Weizcn- keimS1 erhalten hatten, die Mehrzahl der Schwangerschaften ausgetragen wurde. Wir konnten also ausschliel]lich mit Luteohormon bei Vitamin E-frei ernahrten Rat ten die Schwangerschaft nicht erhalten.

l~erner haben wir versucht, die Vitamin E-Mangelerscheinungen bei m~nnlichen und weiblichen Rat ten durch Zufuhr yon Hypophysen- vorderlappen-Hormonpraparaten zu beheben. Es kann hier auf die ~ver- schiedenen M~ngel der Theorie, die die Vitamin E-Unfruchtbarkeit als Folge einer Hyp0physenschadigung ~nsieht, nicht eingegangen werden. Gerade diese theoretischen Mgngel und der fehlendc Bowels fiir die Richtigkeit dieser so oft zitierten Ansicht mu/3te Anla~ zur experi- mentellen Nachpriifung sein. Zun~Lchst wurden Vitamin E-frei ern~hrte Rat ten prolanisicrt. Die Mannchen crh~elten yon der 5.--7. Woche an bis zum Alter yon 3--61/2 ~ona ten je 9--86 RE Prolan mit absolut negativem Erfolg. Die Weibchen erhielten nach Spermanachweis im Schcidenabstrich oder bci nachgewiesener Gravidit~t 7--50 RE Prolan, such ohne Erfolg.

Weiterhin bekamen drei weibliche Rat ten nach nachgewiesener Paarung jeden 2. Tag 0,5ccm Praphyson. Die Schwangerschaftcn endeten ebenfalls mit Resorption. Zwei ms Ratten erhielten yon der 9. Lebenswoche an Prgphyson in derselben Dosierung. Bei im g~nzen 13 Paarungsversuchen wurden 4real Spermien nachgewiesen, und lmal folgte ein Wurf yon 9 lebenden Jungen. Auch das ist kein Erfolg der Prs

Fassen wir das Ergebnis zusammen: Es hat sich weder auf Grund der histologischen Untersuchung endo-

kriner Driisen novh au[ Grund der Wirkungsbeobachtung von Hormon- ~griiparaten bei E-avitaminotischen Ratten bisher ein Anhaltspunkt ]iir endolcrine, insbesondere hy~oophys(ire FunlctionsstSrungen als Ursache der Un]ruvhtbarkeit bei E-Avitaminose ergeben.

Diskussion zu dem Vortrag 57. Herr Miiller: Manuskript nicht eingetroffen. Herr Kleine-Heidelberg: Zur Erg~nzung der Ausftihrungen Gellers wird darauf

hingewiesen,, dab Vortragender gemeinsam init Paal in tierexperimentellen Unter- suehungen folgendes festgestellt hat: Vitamin E-Mangel hemmt und Vitamin E-

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348 Gierhake:

Zufuhr steigert bei Ratten und M~usen die Schilddriisenfunktion. [Ausfiihrliche Mitteilung bereits erfolgt in Beitr. path. Anat. 91 (1933).]

Herr Geller (SchluBwort zum Vortrag 57): Die histologisehen Ver~nderungen der endokrinen Driisen, die yon Herrn MiZller demonstriert wurden, sind durehaus nieht als sichere Folge einer Vitamin E-freien Ern~hrung aufzufassen, denn die Atrophie des Uterus und der Ovarien der Versuehstiere beweisen, dal~ dig Kost noeh andere M~,ngel als das Fehlen des u E hatte, d~ bei nut Vitamin E-freier Kost die Ovarien und der Genitalzyk]us, wie einwandfrei erwiesen ist, unbeeinflul3t bleiben.

58. Herr Gierhake-GSttingen: Experimenteller Beitrag zm' Vitamin E- Frage.

Die Wirkung yon Umweltfaktoren auf das Sexualgesehehen ist l~tngst bekannt. Es w~re heute falseh zu glauben, dab die Sexualfunktion nur abh/~ngig ws yon dem Reifen der Geschlechtsorgane einerseits und einem geordneten Regulationsmechanismus der innersekretorisehen Driisen andererseits. Neben diesem besteht eine notwendige Regulation dureh Nahrungsfaktoren, speziell einen Faktor, den wir unter der Be- zeichnung Fortpflanzungs- oder Antisterilit/~tsvitamin E kennen. Dieser interessante Nahrungsfaktor, zuerst yon Evans und Burr erkannt, gehSrt~ zu der Gruppe der fettl6slichen Vitamine und kommt sehr verbreitet im Pflanzenreich vor, besonders in den Getreidearten, sp~rlieh in Muskel- fleisch und Driisenorganen, in geringer Menge in Milch und Butter, nicht aber im Lebertran.

Setzt man t~atten lange genug auf eine Kost, der dieses Vitamin fehlt, so tritt bei beiden Gesehleehtern allm/~hlich Unfruchtbarkeit auf. Beim weiblichen Gesehlecht auftert sich dies darin, daft zwar eine erste Schwangersehaft und ein Austragen der Friichte erfolgt, daft das mutter- tier aber, vielleieht dureh den Verlust seiner miitterliehen Instinkte, die Neugeborenen verweigert. Wird ein solches Tier noch zum zweitenmal gravide, dann erfolgt ein Absterben tier Feten und schliel~lich kommt es zum Ausbleiben der Geburt iiberhaupt, indem die Friichte im Uterus resorbiert werden (Resorptionssterilit~t). Beim m~nnliehen Gesehleeht zeigt sieh eine Degeneration der Keimzellen, die bis zur v611igen Azoo- spermie fiihrt; aber sehon vor Eintritt der vollkommenen Unfruchtbar- keit zeigen sieh Erscheinungen, die auf eine Abnahme der inkretorischen Funktion der Geschlechtsdrfisen hinweisen. Wir konnten bei unseren Untersuchungen, die wir nicht nur an l~atten, sondern zum Tell aueh an I-Ifihnern vornahmen, die Beobaehtungen yon Ver~ar und seinen Mit- arbeitern best~tigen, daft die Tiere ein ver~ndertes Instinktverhalten an den Tag legten, dal~ das Haar und Federkleid immer bestimmte trophische St6rungen aufweist, kurzum Erscheinungen, die uns dazu zwingen, an eine inkretorische Funktionsst6rung und zwar besonders des Hypophysenvorderlappens als dem gemeinsamen l~egulator beider Sexualdr/isen zu denken.