vlintkaufrfall 11

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Dr. Gregor Bachmann Sommersemester 2001 Internationales Kaufrecht - Übungsfälle – Fall 11 Kofler (K) betreibt in Kärnten (Österreich) eine sogenannte Rebschule, die sich mit der Veredelung von Weinreben befasst. Zu diesem Zwecke verwendet K Rebwachs, welches auf die zu veredelnden Reben aufgetragen wird. Im Frühjahr 2000 bestellt K bei der deutschen Weinstein GmbH (W) 5000 kg Rebwachs. Die Bestellung wird von W umgehend bestätigt. W, die selbst kein Rebwachs herstellt, wendet sich ihrerseits an die deutsche Firma L und bestellt bei dieser 5000 kg Rebwachs. Auf Wunsch von K vereinbart W mit L, dass L den Rebwachs direkt an K liefert. L kauft ihrerseits die Zutaten zur Herstellung des Rebwachses von dem ungarischen Unternehmen U. Nachdem L von U die Zutaten erhalten hat, stellt sie den Rebwachs her und liefert ihn vereinbarungsgemäß an K, die damit ihre Reben veredelt. Schon bald stellt sich heraus, dass der Rebwachs fehlerhaft ist. Sämtliche damit behandelten Reben gehen ein. K entsteht dadurch ein Schaden in Höhe von 14 Mio. öS. K macht diesen Betrag gegenüber W als Schadensersatz geltend. W weigert sich, zu zahlen, da sie den Fehler nicht zu vertreten habe. Sie habe nicht einmal Gelegenheit gehabt, den Rebwachs zu untersuchen. Tatsächlich sei der Fehler von U verursacht worden, der – das ist unstreitig – untaugliche Zutaten geliefert habe. 1. Kann K von W oder L Schadensersatz verlangen?

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Recht

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Page 1: VLIntKaufRFall 11

Dr. Gregor Bachmann Sommersemester 2001

Internationales Kaufrecht

- Übungsfälle –

Fall 11

Kofler (K) betreibt in Kärnten (Österreich) eine sogenannte Rebschule, die sich mit der Veredelung von Weinreben befasst. Zu diesem Zwecke verwendet K Rebwachs, welches auf die zu veredelnden Reben aufgetragen wird. Im Frühjahr 2000 bestellt K bei der deutschen Weinstein GmbH (W) 5000 kg Rebwachs. Die Bestellung wird von W umgehend bestätigt.

W, die selbst kein Rebwachs herstellt, wendet sich ihrerseits an die deutsche Firma L und bestellt bei dieser 5000 kg Rebwachs. Auf Wunsch von K vereinbart W mit L, dass L den Rebwachs direkt an K liefert. L kauft ihrerseits die Zutaten zur Herstellung des Rebwachses von dem ungarischen Unternehmen U.

Nachdem L von U die Zutaten erhalten hat, stellt sie den Rebwachs her und liefert ihn vereinbarungsgemäß an K, die damit ihre Reben veredelt. Schon bald stellt sich heraus, dass der Rebwachs fehlerhaft ist. Sämtliche damit behandelten Reben gehen ein. K entsteht dadurch ein Schaden in Höhe von 14 Mio. öS. K macht diesen Betrag gegenüber W als Schadensersatz geltend.

W weigert sich, zu zahlen, da sie den Fehler nicht zu vertreten habe. Sie habe nicht einmal Gelegenheit gehabt, den Rebwachs zu untersuchen. Tatsächlich sei der Fehler von U verursacht worden, der – das ist unstreitig – untaugliche Zutaten geliefert habe.

1. Kann K von W oder L Schadensersatz verlangen?

2. Wie wäre es, wenn K und W die Geltung des CISG ausgeschlossen hätten?

Bearbeiterhinweis:

- Keiner der geschlossenen Verträge enthält eine Rechtswahlklausel.- Deutschland und Österreich sind Vertragsstaaten des CISG.

Page 2: VLIntKaufRFall 11

Fall 11 (nach BGHZ 141, 129 – „Rebwachs“)

Lösungshinweise

Frage 1:

1. K gegen W auf SE aus Art. 45 I b CISG

(1) Voraussetzungen des Art. 45 CISG liegen vor: W hat seine Vertragspflichten nicht erfüllt, da geliefertes Rebwachs nicht den Anforderungen des Art. 35 CISG entsprach.

(2) Schaden war auch voraussehbar iSv Art. 74 CISG, da es bei objektiver Betrachtung nahelag, dass das aufgetragene Rebwachs die Reben schädigen kann. (Merke: Auf die Vorhersehbarkeit des Fehlers kommt es nach Art. 74 CISG nicht an).

(3) Fehler ist rechtzeitig gerügt worden, Art. 39 CISG.

(4) W könnte nach Art. 79 CISG von der Haftung befreit sein:

(a) Fraglich ist, ob Art. 79 CISG bei Lieferung vertragswidriger Ware überhaupt Anwendung findet. Die Frage ist streitig:

- Insbesondere in der angelsächsischen Literatur wird die Ansicht vertreten, eine Befreiung nach Art. 79 CISG käme von vornherein nur bei Nichtlieferung in Betracht (Nachweise bei BGHZ 141, 129, 133).

- Die hM steht demgegenüber auf dem Standpunkt, dass Art. 79 CISG alle Fälle der Nichterfüllung erfasst (ausführlich Schlechtriem, JZ 1999, 794).

- Stellungnahme: Die hM überzeugt, da für sie nicht nur der Wortlaut und die systematische Stellung der Vorschrift, sondern auch praktische Erwägungen sprechen (s. Schlechtriem, JZ 1999, 794, 795). Im übrigen muss die Frage nicht entschieden werden, wenn W auch bei Anwendung des Art. 79 CISG nicht entlastet ist:

(b) Art. 79 CISG setzt grundsätzlich dreierlei voraus:

(1) Hinderungsgrund ausserhalb ihres Einflussbereiches(2) Hinderungsgrund war bei Vertragsschluss vernünftigerweise nicht in Betracht zu

ziehen(3) Hinderungsgrund / Folgen waren unvermeidbar / unüberwindbar

Beruht die Nichterfüllung auf der Nichterfüllung durch einen Dritten, dann kommt es darauf an, ob sich der Verkäufer der Dritten zur Vertragserfüllung „bedient“ hat. In diesem Fall ist der Verkäufer nur entlastet, wenn auch der Dritte entlastet ist, Art. 79 II CISG.

Ob Zulieferer und Vorlieferanten (hier: L und U) Dritte in diesem Sinne sind, ist streitig:

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- Die hM bejaht das. Aus Sicht des Käufers macht es keinen Unterschied, ob der Verkäufer die Sache selbst herstellt oder bei einem Dritten bestellt. Danach trägt der Verkäufer das volle Beschaffungsrisiko. Gem. Art. 79 II CISG ist er also nur dann von der Haftung befreit, wenn die Mangelhaftigkeit auf Umständen beruht, die ausserhalb seines eigenen und des Einflussbereichs jedes (!) seiner Vorlieferanten liegen (BGHZ 141, 129, 133 f.; differenziert Schlechtriem, JZ 1999, 794, 796 f.).

- Die Gegenansicht meint, das laufe auf eine Garantiehaftung des Verkäufers hinaus, die mit Art. 79 CISG nicht vereinbar sei. Art. 79 CISG liege der Gedanke der „Risikozurechnung kraft Beherrschbarkeit“ zugrunde. War der Dritte als zuverlässig anzusehen und bestand für den Zwischenhändler keine Möglichkeit der Untersuchung (Direktlieferung), dann fehlt es an der Beherrschbarkeit (Schlechtriem/Stoll, CISG, Art. 79 Rn. 47) und der Verkäufer haftet nicht.

- Stellungnahme: Der Wortlaut des Art. 79 II CISG spricht für die hM. Danach kommt es nicht darauf an, ob der Verkäufer den Dritten beherrschen oder kontrollieren kann, sondern lediglich, ob er sich seiner zur Vertragserfüllung „bedient“. Im übrigen ist es für den Verkäufer einfacher, bei seinem Lieferanten Rückgriff zu nehmen, als für den Käufer, nach dem für den Fehler ursächlichen Lieferanten zu fahnden. Zu folgen ist daher der hM: Der Verkäufer eines mangelhaften Produktes ist demnach nur von der SE-Pflicht entlastet, wenn auch seine Vorlieferanten entlastet sind.

(c) Da zumindest U sich nicht nach Art. 79 II CISG entlasten kann, ist auch W nicht nach Art. 79 CISG entlastet.

Ergebnis: K kann von W SE gem. Art. 45 CISG verlangen.

2. W gegen L aus § 823 BGB

a. § 823 BGB ist anwendbar gem Art. 40 I EGBGB.b. Seine Voraussetzungen sind erfüllt (näher zur deliktischen Haftung des

Herstellers BGHZ 51, 91 – Hühnerpest).

L kann also wahlweise gegen seinen Verkäufer V aus Art. 45 CISG oder gegen den Hersteller L gem. § 823 I BGB vorgehen.

Frage 2:

Bis zum Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes gilt folgendes:

1. K gegen W auf SE aus pVV

Im Unterschied zum Anspruch aus Art. 45 CISG setzt ein Anspruch aus pVV ein Vertretenmüssen voraus, § 276 BGB:

- V selbst hat den Fehler nicht zu vertreten, da er den Fehler nicht hervorgerufen hat und als Zwischenhändler auch nicht zur Untersuchung der Ware verpflichtet war (st. Rspr., vgl. BGH NJW 1968, 2238; Palandt/Heinrichs, § 276 Rn. 119)

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- W muss sich nach deutschem Recht auch nicht ein Verschulden des L gem. § 278 BGB zurechnen lassen, denn der Hersteller ist kein Erfüllungsgehilfe des Verkäufers, weil der Verkäufer keine Herstellung schuldet (st. Rspr., vgl.BGHZ 48, 118, 120 f. - Trevira; Palandt/Heinrichs, § 278 Rn. 13).

Ein Anspruch aus pVV besteht also nicht.

2. K könnte einen Anspruch aus § 823 I BGB gegen W haben.

Er hat das fehlerhafte Produkt jedoch nicht in Verkehr gebracht. Die deliktische Gefahrabwendungspflicht trifft grundsätzlich nur den Hersteller, nicht den Händler eines Produktes (vgl. BGHZ 99, 167, 170 f. - Honda; Palandt/Thomas, § 823 Rn. 216). Anders kann es in Ausnahmefällen liegen, etwa bei enger rechtlicher und wirtschaftlicher Verflechtung zwischen Hersteller und Händler (BGH aaO). Eine solche Ausnahme liegt hier nicht vor.

Ein Anspruch aus § 823 BGB besteht daher nicht.

3. K könnte einen Anspruch aus ProdHG haben.

Das Produkt (Rebwachs) wurde jedoch nicht für den privaten Gebrauch gekauft, so dass ein Sachschadensersatz nach ProdHG nicht in Betracht kommt (§ 1 ProdHG).

4. K hat jedoch einen Anspruch gegen den Hersteller L aus § 823 I BGB.

(vgl. dazu Frage 1)

Ergebnis: Bei Ausschluss des CISG hat K nur einen Anspruch gegen den Hersteller, jedoch keinen Anspruch gegen den Verkäufer W.

Nach dem Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes wäre wie folgt zu prüfen:

1. Anspruch K gegen W aus §§ 437 Nr. 3, 280 BGB

Auch nach neuem Recht setzt ein SE-Anspruch wegen mangelhafter Lieferung der Kaufsache Vertretenmüssen voraus. Insoweit gilt das soeben Gesagte.

2. K gegen W aus § 823 I BGB gegen W - keine Änderung -

3. K hat jedoch einen Anspruch gegen den Hersteller L aus § 823 I BGB.- keine Änderung –

Ergebnis: Die Schuldrechtsreform ändert am Ergebnis zu Frage 2 nichts.

FAZIT: CISG gibt dem Käufer einen SE-Anspruch gegen den Verkäufer auch dann, wenn der Fehler alleine vom Hersteller / Vorlieferanten zu vertreten ist. Nach BGB besteht in diesem Fall nur ein Direktanspruch gegen den Hersteller selbst, es sei denn, der Verkäufer hat die Mangelfreiheit garantiert (vgl. § 276 I BGB n.F.).