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Dr. Daniel Lau, Nicole Grunert Von der Steinzeit bis ins Frühmittelalter in Ankum und Umgebung Einleitung Dieser Artikel ist der erste in einer Serie von vier geplanten Beiträgen, die in den kommenden Jahren in den Heimat- Heften für Dorf und Kirchspiel Ankum erscheinen werden. Ausgangspunkt dieser Artikelserie sind die Ergebnisse der Ausgrabungen der Stadt- und Kreisarchäologie Osnabrück, die in den Jahren 2009 bis 2012 an der Kirchenburg zu Ankum durchgeführt wurden. Die archäologischen Untersuchungen erbrachten Funde und Befunde, die von der Steinzeit bis in die jüngste Geschichte hineinreichen. Um diese immense Zeitspanne von rund 5000 Jahren besser fassen zu können, und da nicht jede Epoche in den Funden gleich stark vertreten ist, behandelt jeder der geplanten Beiträge einen spezifischen Zeitabschnitt. Da bei den Ausgrabungen an der Kirchenburg nur wenige Funde gemacht wurden, die älter als das Frühmittelalter datieren, werden die Epochen Steinzeit bis Frühmittelalter in diesem ersten Beitrag zusammengefasst. Ab etwa dem 7. Jahrhundert nehmen sowohl die Funde als auch die Befunde, also die archäologischen Kontexte, aus denen die Funde stammen (wie beispielsweise Häuser, Gruben, Gräber usw.), beständig zu. Ab 977, dem Jahr der urkundlichen Ersterwähnung Ankums, ergänzen historische Nachrichten die archäologischen Funde. Der zweite Beitrag widmet sich der Karolinger- und Ottonenzeit, also einem Zeitraum, der ungefähr von der Mitte des 8. bis ins erste Viertel des 11. Jahrhunderts reicht. Aus dieser Zeit, die mit der Gründung und der formativen Phase des heu- tigen Ankum zusammenfällt, stammen die meisten Fundzusammenhänge. Der dritte Beitrag wird die darauffolgende Zeit des Hoch- und Spätmittelalters abdecken, bis etwa um das Jahr 1500. Aus diesem Zeitraum sind zwar Funde erhalten, jedoch sind ihre Kontexte meist stark durch spätere Bautätigkeiten gestört worden, so dass hier vor allem auch auf histo- rische Nachrichten als Ergänzung der archäologischen Quellen zurückgegriffen werden wird. Der letzte Beitrag der Serie widmet sich schließlich der frühen Neuzeit und den Funden, die bis in das 20. Jahrhundert datieren. Aus diesem Zeit- abschnitt sind einige bemerkenswerte Funde und Befunde erhalten geblieben, die den steten Wandel des Kirchenburg- geländes bis zu seiner heutigen Form dokumentieren. In allen vier Artikeln wird neben Ankum, das deutlich in den Fokus der Betrachtungen gerückt wird, auch das Umland mit den Gemarkungen Aslage, Brickwedde, Druchhorn, Holsten, Nortrup, Rüssel, Tütingen und Westerholte einbezogen. Auf diese Weise wird deutlich herausgestellt, welche Rolle der Ort und seine Umgebung im Laufe der vergangenen 5000 Jahre spielte. Ein knapper Abriss der Forschungsgeschichte und die Ausgrabungen in Ankum Anmerkung: Die im Folgenden erwähnten Stationen der Forschungsgeschichte sind nur als kursorischer Überblick zu verstehen. In den Literaturangaben am Ende des Beitrags sind die wichtigsten Quellen angegeben. Eine erste Auseinandersetzung mit der Geschichte des Ankumer Raumes findet sich bei D. Meyer (1853), der sich auch zur urkundlichen Ersterwähnung Ankums äußert. Eine der detailreichsten frühen Beschreibungen über die Altertümer im Großraum Ankum und über die Geschichte Ankums wurde 1870 von H. Hartmann verfasst. Hartmann, der eine umfang- reiche Sammlung ur- und frühgeschichtlicher Funde besaß, zählt in seinem Beitrag zunächst einige markante Fundobjekte aus den um Ankum liegenden Bauerschaften auf. Dabei handelt es sich meist um Funde, die aus gestörten Gräbern stam- men, und um wenige Einzelfunde. Anschließend umreißt er die Geschichte Ankums anhand der überlieferten Urkunden und beschreibt Kirchhof und Kirche in ihrem Zustand um das Jahr 1820. Es folgen wissenschaftliche Abhandlungen zu den Kirchen im Alt-Kreis Bersenbrück und zur Ankumer Kirche von W. Hardebeck (1888, 1901a, 1901b), zum Kirchspiel Ankum von J. Damhues (1890) und eine kunsthistorische Dissertati- on zur Vorgängerkirche St. Nikolaus in Ankum von J. Thiemann (1891). In H. Rotherts Heimatbuch des Kreises Bersenbrück von 1932 werden einige Denkmale Ankums behandelt. W. Krüsselmann legte 1937 eine Dissertation zur Siedlungs-, Wirt- schafts- und Sozialgeschichte des Kirchspiels Ankum vor. Eine kurze Studie von F. von Klocke über Kirchhofsburgen im Osnabrücker Land erschien zwei Jahre später. Es folgte eine Zusammenstellung der archäologischen Funde des Altkreises Bersenbrück durch P. Buettner (1978). Dem mittlerweile verstorbenen Heimatforscher H. Siemer (1991, 1997, 2000, 2001) ist eine Zusammenstellung zahlreicher Dokumente zur alten Kirche und der Kirchenburganlage in Ankum zu verdanken. Blickt man auf den Forschungsstand zu den mittelalterlichen Verhältnissen in der Region zurück, so zeigt sich, dass die Erkenntnisse zu großen Teilen auf dem Stand des ausgehenden 19. und der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts beruhen. Ein erheblicher Forschungsbedarf ist hier angezeigt, um die Deutung der Regionalgeschichte und der sozialen, ökonomi- schen und religiösen Verhältnisse auf den aktuellen Stand zu bringen. Th. Raimann (2015) arbeitete den Stoff in einer Dissertation an der Universität Osnabrück zur Herausbildung früher Herrschaftsstrukturen im Osnabrücker Land auf. Von archäologischer Seite sind mittlerweile einige Beiträge in populärwissenschaftlichem Rahmen und auch in wissenschaftli- chen Periodika erschienen (siehe die spezifische Literatur im Anhang). Erst nachdem 1994 bei Sanierungsarbeiten an der nördlichen Umfassungsmauer im Bereich des Gemeindehauses Haus Kirchburg die Randscherbe eines karolingerzeitlichen Kumpfes und Scherben anderer mittelalterlicher Tongefäße entdeckt 6

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Dr. Daniel Lau, Nicole Grunert

Von der Steinzeit bis ins Frühmittelalter in Ankum und Umgebung

EinleitungDieser Artikel ist der erste in einer Serie von vier geplanten Beiträgen, die in den kommenden Jahren in den Heimat-Heften für Dorf und Kirchspiel Ankum erscheinen werden. Ausgangspunkt dieser Artikelserie sind die Ergebnisse der Ausgrabungen der Stadt- und Kreisarchäologie Osnabrück, die in den Jahren 2009 bis 2012 an der Kirchenburg zu Ankum durchgeführt wurden. Die archäologischen Untersuchungen erbrachten Funde und Befunde, die von der Steinzeit bis in die jüngste Geschichte hineinreichen. Um diese immense Zeitspanne von rund 5000 Jahren besser fassen zu können, und da nicht jede Epoche in den Funden gleich stark vertreten ist, behandelt jeder der geplanten Beiträge einen spezifischen Zeitabschnitt.Da bei den Ausgrabungen an der Kirchenburg nur wenige Funde gemacht wurden, die älter als das Frühmittelalter datieren, werden die Epochen Steinzeit bis Frühmittelalter in diesem ersten Beitrag zusammengefasst. Ab etwa dem 7. Jahrhundert nehmen sowohl die Funde als auch die Befunde, also die archäologischen Kontexte, aus denen die Funde stammen (wie beispielsweise Häuser, Gruben, Gräber usw.), beständig zu. Ab 977, dem Jahr der urkundlichen Ersterwähnung Ankums, ergänzen historische Nachrichten die archäologischen Funde. Der zweite Beitrag widmet sich der Karolinger- und Ottonenzeit, also einem Zeitraum, der ungefähr von der Mitte des 8. bis ins erste Viertel des 11. Jahrhunderts reicht. Aus dieser Zeit, die mit der Gründung und der formativen Phase des heu-tigen Ankum zusammenfällt, stammen die meisten Fundzusammenhänge. Der dritte Beitrag wird die darauffolgende Zeit des Hoch- und Spätmittelalters abdecken, bis etwa um das Jahr 1500. Aus diesem Zeitraum sind zwar Funde erhalten, jedoch sind ihre Kontexte meist stark durch spätere Bautätigkeiten gestört worden, so dass hier vor allem auch auf histo-rische Nachrichten als Ergänzung der archäologischen Quellen zurückgegriffen werden wird. Der letzte Beitrag der Serie widmet sich schließlich der frühen Neuzeit und den Funden, die bis in das 20. Jahrhundert datieren. Aus diesem Zeit-abschnitt sind einige bemerkenswerte Funde und Befunde erhalten geblieben, die den steten Wandel des Kirchenburg-geländes bis zu seiner heutigen Form dokumentieren. In allen vier Artikeln wird neben Ankum, das deutlich in den Fokus der Betrachtungen gerückt wird, auch das Umland mit den Gemarkungen Aslage, Brickwedde, Druchhorn, Holsten, Nortrup, Rüssel, Tütingen und Westerholte einbezogen. Auf diese Weise wird deutlich herausgestellt, welche Rolle der Ort und seine Umgebung im Laufe der vergangenen 5000 Jahre spielte.

Ein knapper Abriss der Forschungsgeschichte und die Ausgrabungen in AnkumAnmerkung: Die im Folgenden erwähnten Stationen der Forschungsgeschichte sind nur als kursorischer Überblick zu verstehen. In den Literaturangaben am Ende des Beitrags sind die wichtigsten Quellen angegeben. Eine erste Auseinandersetzung mit der Geschichte des Ankumer Raumes findet sich bei D. Meyer (1853), der sich auch zur urkundlichen Ersterwähnung Ankums äußert. Eine der detailreichsten frühen Beschreibungen über die Altertümer im Großraum Ankum und über die Geschichte Ankums wurde 1870 von H. Hartmann verfasst. Hartmann, der eine umfang-reiche Sammlung ur- und frühgeschichtlicher Funde besaß, zählt in seinem Beitrag zunächst einige markante Fundobjekte aus den um Ankum liegenden Bauerschaften auf. Dabei handelt es sich meist um Funde, die aus gestörten Gräbern stam-men, und um wenige Einzelfunde. Anschließend umreißt er die Geschichte Ankums anhand der überlieferten Urkunden und beschreibt Kirchhof und Kirche in ihrem Zustand um das Jahr 1820. Es folgen wissenschaftliche Abhandlungen zu den Kirchen im Alt-Kreis Bersenbrück und zur Ankumer Kirche von W. Hardebeck (1888, 1901a, 1901b), zum Kirchspiel Ankum von J. Damhues (1890) und eine kunsthistorische Dissertati-on zur Vorgängerkirche St. Nikolaus in Ankum von J. Thiemann (1891). In H. Rotherts Heimatbuch des Kreises Bersenbrück von 1932 werden einige Denkmale Ankums behandelt. W. Krüsselmann legte 1937 eine Dissertation zur Siedlungs-, Wirt-schafts- und Sozialgeschichte des Kirchspiels Ankum vor. Eine kurze Studie von F. von Klocke über Kirchhofsburgen im Osnabrücker Land erschien zwei Jahre später. Es folgte eine Zusammenstellung der archäologischen Funde des Altkreises Bersenbrück durch P. Buettner (1978). Dem mittlerweile verstorbenen Heimatforscher H. Siemer (1991, 1997, 2000, 2001) ist eine Zusammenstellung zahlreicher Dokumente zur alten Kirche und der Kirchenburganlage in Ankum zu verdanken. Blickt man auf den Forschungsstand zu den mittelalterlichen Verhältnissen in der Region zurück, so zeigt sich, dass die Erkenntnisse zu großen Teilen auf dem Stand des ausgehenden 19. und der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts beruhen. Ein erheblicher Forschungsbedarf ist hier angezeigt, um die Deutung der Regionalgeschichte und der sozialen, ökonomi-schen und religiösen Verhältnisse auf den aktuellen Stand zu bringen. Th. Raimann (2015) arbeitete den Stoff in einer Dissertation an der Universität Osnabrück zur Herausbildung früher Herrschaftsstrukturen im Osnabrücker Land auf. Von archäologischer Seite sind mittlerweile einige Beiträge in populärwissenschaftlichem Rahmen und auch in wissenschaftli-chen Periodika erschienen (siehe die spezifische Literatur im Anhang). Erst nachdem 1994 bei Sanierungsarbeiten an der nördlichen Umfassungsmauer im Bereich des Gemeindehauses Haus Kirchburg die Randscherbe eines karolingerzeitlichen Kumpfes und Scherben anderer mittelalterlicher Tongefäße entdeckt

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wurden, konnte die historische Bedeutung der Fundstelle gewürdigt werden. Seitdem stellte sich die Frage nach Herkunft und Umfeld des karolingerzeitlichen Fundes, der eine Besiedlung Ankums vor der ersten urkundlichen Erwähnung von 977 belegte. Die geplante Sanierung der vom Zerfall bedrohten Umfassungsmauer der Kirchenburganlage gab Anlass zu einer archäologischen Sondierung der Fundamentbereiche, so dass im Jahre 2009 erstmals Grabungen nach wissenschaft-lichen Standards durchgeführt werden konnten. Von September 2010 bis August 2012 wurde das Kooperationsprojekt Die Kirchenburg als Zentralort – Archäologische Forschungen zum Funktionswandel des Ankumer Ortskerns vom späten 9. bis frühen 13. Jahrhundert zwischen der Stadt- und Kreisarchäologie Osnabrück und dem Lehrstuhl für die Geschichte des Mittelalters an der Universität Osnabrück durch das Niedersächsische Ministerium für Wissenschaft und Kultur geför-dert.

Die archäologisch untersuchten Flächen erstrecken sich beiderseits der nördlichen Umfassungsmauer zwischen Haus Kirchburg im Wes-ten und der künstlichen Kuppe des Vogelbolls im Osten (Abb. 1). Drei Areale (A-C) können differenziert werden, in denen die Ausgrabun-gen mittelalterliche Befunde er-bracht haben: Dabei liegt der Un-tersuchungsschwerpunkt nördlich der Mauer, im ehemaligen Garten des Küsters (Areal A). Weitere Gra-bungen fanden unmittelbar an der Nordseite des Kirchturms und am nördlichen Seitenschiff statt (Areal B) sowie beiderseits im zentralen Bereich der Umfassungsmauer und wenige Meter südlich davon auf dem Kirchhof (Areal C). Die Dreiteilung in die Areale A-C soll eine leichtere Annäherung an die untersuchte Grabungsfläche bieten und spiegelt nicht die gra-bungsbedingt stark zergliederte Originalbezeichnung wider, die noch in den Vorberichten zu fin-den ist. Unter Areal A sind die in der Grabungsdokumentation als 1-2, 5, 7-8, 12, 15-16, 18-19 und 21 bezeichneten Schnitte zusammen-gefasst, für Areal B sind es Schnit-te 9 und 17 und in Areal C die Schnitte 3, 10E und 11. 2009 konnte in ersten Sondage-schnitten (1-4) sowohl an der In-nen- als auch an der Außenseite der Umfassungsmauer das archäo-logische Potential der Fundstelle erkannt werden. Im Zuge der sei-nerzeit geplanten Neubautätigkei-ten im ehemaligen Garten des Küsters, nördlich der Umfassungs-mauer, wurde in der ersten Jahres-

hälfte 2010 eine größere zusammenhängende Fläche rasterförmig untersucht (Schnitte 5A-G und Schnitt 6). Die ersten Ergebnisse der Grabung konnten in einen an das Ministerium für Wissenschaft und Kultur des Landes Niedersachsen ge-richteten Forschungsantrag einfließen. Der genehmigte Antrag ermöglichte die weitere Erforschung der Fläche in der zweiten Jahreshälfte 2010 (Schnitte 7-9) und die Ausgrabungen im Folgejahr (Schnitte 10-22). Im Frühsommer 2012 fand eine dreitägige baubegleitende Dokumentation weiterer Befunde am westlichen Rand der bislang untersuchten Fläche statt (Schnitt 23).Insgesamt wurde eine Fläche von 776,5 m² untersucht. Areal A umfasst davon 584 m², Areal B 20,5 m², Areal C 56 m² und weitere 116 m² entfallen auf Bereiche, die keinerlei mittelalterliche Befunde erbracht haben.

Abb. 1: Kirchenburg Ankum – Plan mit schematischer Lage der Grabungsareale (A-C) und der ursprüng-lichen Bezeichnung der Grabungsschnitte 1-21 (ohne 13, 14, 20). M. angegeben. Zeichnung: D. Lau

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Abb. 2: Kirchenburg Ankum; Karte: Lage des Fundortes mit Angabe weiterer Fundstellen in der Gemeinde Ankum Grafik: W. Remme, Stadt- und Kreisarchäologie Osnabrück

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Naturräumliche Voraussetzungen, Alt- und MittelsteinzeitAnkum liegt rund 35 km nordnordwestlich von Osnabrück, im Landkreis Osnabrück, an der nordöstlichen Flanke der Fürstenauer Berge, die sich mit dem Trillenberg, südwestlich von Ankum, bis zu 140 m ü. NN erheben. Dieser waldreiche Höhenzug, der auch als Ankumer oder Bersenbrücker Höhen bekannt ist, bildet zusammen mit den Dammer Bergen, die von den Fürstenauer Bergen durch das Tal der Hase voneinander getrennt weiter östlich liegen, eine nach Norden hin geöffnete Sichel, die ein ehemaliges Gletscherzungenbecken einfasst und zugleich den südlichen Rand der Tieflandbucht des Artlandes darstellt. Die Fürstenauer und Dammer Berge entstanden im Quartär als Teile der größten Stauchmoräne der Saale-Kaltzeit (um 300.000–130.000 vor heute). Während eines ersten Eisvorstoßes (Rehburger Phase) im Drenthe I-Stadium (um 230.000 vor heute) stauchten sich die präquartären Schichten auf und wurden später noch vom selben Eis-vorstoß überfahren. Die voreiszeitlichen Schichten liegen heute überlagert von den meterhohen geschiebeführenden Se-dimenten und den zurückgeblieben Schmelzwassersanden und -kiesen. Das bedeutet, dass die ältesten archäologischen Funde, die aus Ankum und Umgebung zu erwarten sind, sich auf die Bildung dieser Schichten begrenzen. Alles, was in den älteren Abschnitten der Altsteinzeit vor der Saale-Eiszeit geschah, kann nur erforscht werden, wenn zufällige Gelän-deaufschlüsse bei Bauarbeiten oder größere Erdarbeiten entstehen, die in diese ältesten Schichten hineinreichen. Dennoch sind wir selbst über den Zeitraum nach der Saale-Eiszeit bis zum Beginn der Sesshaftwerdung des Menschen in der Regi-on um Ankum (etwa um 3200 v. Chr.) nur sehr schlecht unterrichtet. Im Gegensatz dazu sind Fundplätze aus der Zeit zwischen 200.000 und 8000 v. Chr. an anderen Stellen im Landkreis Osnabrück wohl bezeugt. Aus der Mittelsteinzeit, dem Mesolithikum, stammt eine Kochgrube von 90 cm Tiefe, die bei den Ausgrabungen in Druchhorn freigelegt werden konnte. Nachweislich der C14-Datierungen ist die in der Grube vorgefundene Holzkohle auf 6914 ± 140 v. Chr. zu datie-ren. Charakteristisch für das Mesolithikum sind kleine aus Feuerstein hergestellte Werkzeuge, die sogenannten Mikrolithe, von denen sich bei Feldbegehungen oder im Kontext von Ausgrabungen in der Region immer wieder einige einzelne Stücke fanden. Leider sind neben der Kochstelle aus Druchhorn (die jedoch außer der Holzkohle keine Funde enthielt) in der Region um Ankum bislang keine rein mesolithischen Befunde entdeckt worden. Zu den ältesten überlieferten Hinwei-sen auf eine Anwesenheit menschlicher Gruppen zählen neben der erwähnten Kochstelle vereinzelte Funde von Steinge-räten wie Keulenköpfe, Äxte oder Beile, die in die späte Mittelsteinzeit oder die frühe Jungsteinzeit Norddeutschlands datieren (5500–4200 v. Chr.). So beispielsweise eine Geröllkeule aus feinkörnigem Granit, die aus Aslage stammt, oder ein flacher Dechsel aus Rüssel, der aus einem schwarzen schieferartigen Gestein gefertigt wurde. Zu diesem Zeitpunkt lebten die Menschen noch in aneignender Wirtschaftsweise als Jäger, Sammler und Fischer. Erst mit der Sesshaftwerdung nimmt auch die Zahl der Funde und Befunde in der Region um Ankum zu - davon ist im nächsten Abschnitt die Rede.

Die Anfänge in der JungsteinzeitAnkum liegt eingebettet inmitten zahlreicher urgeschichtlicher Fundstellen (Abb. 2). Die ersten sesshaften Menschen im Ankumer Raum sind mit der sogenannten Westgruppe der Trichterbecherkultur (TBK) zu verbinden. Namensgebend für diese archäologische Kulturgruppe ist ein charakteristisch geformtes Tongefäß mit trichterförmig ausgezogenem Rand. Diese archäologische Kultur gilt als die erste vom Ackerbau geprägte Kultur nördlich des Teutoburger Waldes und des Wiehengebirges und folgt hier auf die Ertebølle-Kultur. Im Süden folgt sie auf die bereits vom Ackerbau geprägten Kulturen der Bandkeramik und Rössener-Kultur. Ihre Ausbreitung erstreckte sich über die Norddeutsche Tiefebene, von den Nie-derlanden im Westen bis nach Polen im Osten und bis nach Dänemark und Schweden im Norden. Aus dem Frühneoli-thikum stammen eine sogenannte Rössener Axt und ein Schuhleistenkeil, beide aus grauem Felsgestein gearbeitet. Über den genauen Fundort liegen keine Angaben vor, die Funde belegen jedoch, dass es in der Region um Ankum zu Kontak-ten mit den benachbarten frühen Ackerbauern und Viehzüchtern aus dem Münsterland gekommen sein muss.

Die Menschen des frühen Neolithikums lebten in Langhäusern, die in Pfostenbauweise errichtet waren – eine Bautradition, die bis in das hohe Mittelalter hinein in der Region beibehalten werden sollte. Lediglich die Grundrissgestaltung, die Län-ge und Breite der Häuser und ihre Einbauten wandelten sich im Laufe der Zeit. Siedlungen oder auch nur Einzelhäuser aus der TBK hingegen sind sehr selten belegt und ein Hausgrundriss aus dieser Zeit ist im Ankumer Raum bislang nicht archäo-

logisch nachgewiesen worden, so dass die einzigen Spuren der Jungsteinzeit in Einzelfunden oder in Form von Bestattungen erhalten geblieben sind.Die einzige eindeutig im Landkreis Osnabrück nachgewiesene Siedlungsstelle der TBK wurde bei Ausgrabungen in Engter, Stadt Bramsche, dokumentiert. Hier kam ein Hausgrundriss in Pfos-tenbauweise mit gerundeten Schmalseiten zum Vorschein. Die Toten der TBK wurden entweder in einzelnen Flachgräbern bestattet (bislang im Landkreis Osnabrück nicht eindeutig nach-gewiesen) oder aber – und dafür ist die TBK in der Region we-sentlich bekannter – in den Großsteingräbern, von denen es im Ankumer Raum eine beträchtliche Menge gibt. Insbesondere im Giersfeld in Westerholte liegen die bekanntesten Großsteingrä-ber aus der Region (Abb. 3). Hier liegt eine ganze Gruppe von Gräbern östlich der Straße Ueffeln-Ankum. Ursprünglich neun Gräber, von denen heute noch sechs erhalten sind, wurden am

Abb. 3: Großsteingrab Rickelmann I (Süd), Blick von Südwes-ten, Westerholte Foto: A. Lindhorst, Stadt- und Kreisarchäologie Osnabrück

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Ostrand der Niederung zum Oberlauf des Mühlenbaches errichtet. Bereits 1864 hatten die Gräber das wissenschaft-liche Interesse geweckt und wurden eingemessen und in ihrer Lage zueinander bestimmt. Mittlerweile sind viele der Gräber stark beschädigt. Zahlreiche Tongefäße und deren Fragmente stammen aus den Kammern, die aufgrund der laienhaften Untersuchungen im 19. und frühen 20. Jahrhun-dert und unzureichender Dokumentation nicht mehr den einzelnen Gräbern zugeordnet werden können.

Die Megalithgräber der Trichterbecherkultur und Funde ein-zelner Keramikscherben und Steinwerkzeuge belegen eine Aufsiedlung der Cloppenburger Geest und der Fürstenauer und Dammer Berge. Der Einzelfund einer Kragenflasche (Abb. 4), einer Gefäßform, die nur für die Zeit der TBK nach-gewiesen ist, stammt ohne nähere Fundortangabe vom An-kumer Märsch.In der nachfolgenden späten Jungsteinzeit (2750–2150 v. Chr.) hingegen fehlen Spuren menschlicher Aktivitäten im Groß-raum Ankum fast vollständig. Lediglich einige Steinbeile sind überliefert: ein Lydit-Flachbeil aus Aslage, ein dünnnackiges Flint-Rechteckbeil aus Druchhorn (Abb. 5.1), zwei Feuerstein-Flachbeile und ein Lydit-Flachbeil aus Rüssel sowie ein Fels-Rechteckbeil aus Holsten, schließlich zwei dünnblattige

Feuerstein-Ovalbeile (Abb. 5.2) und ein Lydit-Flachbeil aus Tütingen, eine Steinaxt und mehrere Steinbeile aus Westerholte. Diese Funde sind Beweise dafür, dass die Siedlungskammer zum Ende des Neolithikums nicht vollkommen aufgegeben wurde. Aus den Ausgrabungen in Ankum stammen nur wenige Zeugen aus der Jungsteinzeit.

Überwiegend handelt es sich dabei um Werkzeuge, die aus Feuerstein hergestellt sind, daneben um vereinzelte Scherben von Tongefäßen (Abb. 6 und 7). Alle neun Werkzeuge, die unter die Bezeichnung Kratzer fallen (Abb. 7: a-f, j), sind gut ge-arbeitet, allerdings gibt es Qualitätsunterschiede in der Verarbeitung und dem Gestein. Bei dem Klingenfragment (Abb. 7: g) sowie dem Mikrolithen (Abb. 7: i), der evtl. ebenfalls von einer Klinge stammen könnte, sieht dies ähnlich aus. Das Mate-rial ist von guter Qualität, die Verarbeitung wie auch der Erhaltungszustand variieren jedoch. Bei dem eckig zugearbeite-ten Feuerstein (Abb. 7: h) handelt es sich um einen neuzeitlichen Flintenstein.Ein archäologischer Kontext, aus dem die Funde stammen, konnte nicht beobachtet werden. Alles deutet darauf hin, dass die Funde durch Bodeneingriffe zufällig in die mittelalterlichen oder jüngeren Schichten gelangt sind. Daher lässt sich bislang auch nicht klären, ob diese Funde beispielsweise aus einem oder mehreren Flachgräbern, einem zerstörten Groß-steingrab oder aus einer Siedlung stammen.

Abb. 5.1: Dünnnackiges Flint-Rechteckbeil, Druchhorn Zeichnung: J. Böning, Stadt- und Kreisarchäologie OsnabrückAbb. 5.2: Flint-Ovalbeil, Tütingen Zeichnung: H. Steinmetz, Stadt- und Kreisarchäologie OsnabrückAbb. 5.3: Steinaxt, Druchhorn Zeichnung: J. Böning, Stadt- und Kreisarchäologie Osnabrück

Abb. 4: Kragenflasche, Ankum Foto: A. Lindhorst, Stadt- und Kreisarchäologie Osnabrück

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Die Entwicklung in der BronzezeitDie Frühe Bronzezeit setzt gegen Ende des 3. Jahrtausends v. Chr. ein und geht aus der Glockenbecherkultur bzw. der späteren Schnurkeramik und der Streitaxtkulturen hervor. Geschweifte, meist verzierte Tongefäße und steinerne Streitäxte, die sich an metallenen Vorbildern orientieren, sind die Leitfunde dieser Übergangszeit. Im älteren Abschnitt der Bronzezeit herrschen noch endneolithische Kulturverhältnisse vor. Die „bronzenen“ Waffen und Geräte sind anfangs vielfach noch aus Kupfer, während sich echte Bronze (eine Legierung aus Kupfer und Zinn) erst später durchsetzt. In der Mittelbronzezeit werden die Gesellschaften der Frühbronzezeit dann von gänzlich anders strukturierten Kulturgruppen abgelöst, die sich vor allem in ihrer Bestattungsweise, aber auch im Hinblick auf die Deponierung von Bronzegegenständen deutlich von den frühbronzezeitlichen Verhältnissen unterschieden.Die meisten Informationen, die wir über die Bronzezeit in Mitteleuropa haben, stammen aus Gräbern. Dies gilt auch für Niedersachsen, da die Grabungstätigkeiten vor allem die Hügelgräber dieser Zeit umfassten. So wird neben anderen Merkmalen die Einteilung der Bronzezeit in drei Abschnitte anhand der Totenhaltung vorgenommen. In der Frühbronzezeit wurden die Toten in der so genannten Hockerstellung mit zur Brust angezogenen Knien begraben. In der Mittelbronzezeit schüttete man über den Verstorbenen Grabhügel auf. In der Spätbronzezeit ging man schließlich dazu über, die Toten zu verbrennen und ihre Asche und Knochenreste in Urnen auf freiem Feld beizusetzen. Die Einteilung wird anhand der un-terschiedlichen Bestattungsformen auch gröber daher in die Hügelgräber- und Urnenfelderzeit unterteilt. Neben einer Unmenge von Gräbern wurden auch die Überreste von Kultstätten freigelegt, von denen sich die meisten unter freiem Himmel befanden. Zwar muss man den Begriff von Kult- oder Opferplätzen mit Vorsicht verwenden, dennoch ist die Existenz von Plätzen mit spezieller Bedeutung nicht zu bestreiten.Erst spät erreichte die Bronzezeit geografisch die Mitte (etwa 2200 v. Chr.) und den Norden Europas. Für die mitteleuro-päische Bronzezeit sind Handelskontakte nach Nordeuropa (Bernstein) und in den Ägäisraum nachgewiesen. Die als Nordische Bronzezeit (etwa 1800 v. Chr.) bezeichnete Bronzezeit Nordeuropas und Skandinaviens setzte entsprechend der Ausbreitung dieser Epoche erst verzögert ein. Benannt wurden die einzelnen Gruppen und Kulturen nach ihren Fundorten, eine große überregionale Kulturgruppe ist nicht greifbar. Die bedeutendste Gruppe der Frühbronzezeit ist die Aunjetitzer Kultur. Sie findet sich sowohl in Mittel-deutschland als auch in Böhmen, Mähren, Niederösterreich (nördlich der Donau), der Südwestslowakei und Westpolen. Herausragende Funde der Aunjetitzer Kultur sind die als Prunkgräber bekannten Grabhügel von Leubingen und Helmsdorf.Typisch für die Bronzezeit sind offene Niederlassungen unterschiedlicher Größe, welche vom Einzelgehöft bis zu regel-rechten Dörfern mit bis zu 30 Häusern reichen. Daneben treten aber erstmals auch befestigte Siedlungen auf. Diese Burgen bilden zumeist einen Siedlungsverbund mit den offenen Siedlungen. Man kann davon ausgehen, dass dies die Sitze der privilegierten Anführer waren. Eine weitere Sonderentwicklung stellen die Pfahlbauten dar, die vor allem im 16. und im 11.-9. Jahrhundert v. Chr. an den Seen des Alpenvorlands angelegt wurden.Aus dem Übergang vom Neolithikum zur Bronzezeit stammt eine Steinaxt mit rundem Nacken, gefertigt aus einem grauen Felsgestein (Abb. 5.3). Das Stück fand sich in Druchhorn bei der Anlage von Gräben. Erst ab der frühen Bronzezeit (2000-1500 v. Chr.) ist eine intensivere Besiedlung der Ankumer Sandlössinsel durch Metallbeile bezeugt und in der älteren Bron-zezeit zwischen 1500 und 1100 v. Chr. beschränken sich die Siedlungsaktivitäten im Artländer Raum fast ausschließlich auf die Höhenzüge der Fürstenauer und Dammer Berge. Hier sind es insbesondere die Grabhügel, die für diesen Zeitraum überliefert sind. Hinzu kommen zahlreiche bislang nicht untersuchte Einzelgrabhügel oder Grabhügelfelder, die in die älte-re Bronzezeit oder jünger datieren könnten. In der jüngeren Bronzezeit ist eine dichte Besiedlung des Nordrandes der Fürstenauer Berge anzunehmen, insbesondere das Grabhügelfeld bei Druchhorn ist als ein Anzeichen dafür zu werten. Dabei handelt es sich um einen Kreisgrabenfriedhof aus der jüngeren Bronzezeit, zu dem auch einige sicherlich ältere große Hügelgräber zu zählen sind. Seit mindestens 1856 kamen hier immer wieder Bestattungen zutage.

Abb. 7: Kratzer (a-f, j), Klingenfragment (g), Mikrolith (i) und Flintenstein (h) aus Feuerstein aus der Grabung an der Kirchen-burg zu Ankum Zeichnung: N. Grunert

Abb. 6: Feuersteinartefakte aus der Grabung an der Kirchenburg zu Ankum Foto: Stadt- und Kreisarchäologie Osnabrück

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Die ersten nachweisbaren Untersuchungen hat Hartmann Mitte des 19. Jahrhunderts durchgeführt, doch auch beim Sandabbau in den 1930er Jahren kamen zahlreiche Urnen zum Vorschein. Unter der Leitung von Wolfgang Schlüter wur-den 1976 durch die Stadt- und Kreisarchäologie 31 kleinere Bestattungen und ein großer Grabhügel dokumentiert. Drei

C14-Proben datieren die Kreisgrabenanlagen zwischen etwa 1000 und 700 v. Chr. (Abb. 8).Bei Gartenarbeiten im neuen Garten von Neubauer Wört-mann zu Brickwedde wurde bereits im 19. Jahrhundert ein frühbronzezeitliches dünnnackiges Flachbeil entdeckt. Ebenfalls ein Altfund stellt ein bereits vor 1870 gefundenes kleines bronzenes Beil dar, das aus der älteren Bronzezeit stammt. Es befand sich in der Sammlung Hartmann. Der genaue Fundort, ob aus einem Grabhügel bei Ankum oder aus Ahausen, ist nicht dokumentiert worden. Ebenfalls aus der älteren Bronzezeit stammt der Fund eines bronzenen Randleistenbeils (Abb. 9.1) und eines lanzettförmigen Dol-ches, der aus Feuerstein gefertigt war (Abb. 9.2).Beide Stücke wurden vor 1936 im Moor bei Ankum ge-funden. Aus der jüngeren Bronzezeit stammen ein Tüllen-beil aus Bronze und eine Lanzenspitze (Abb. 10), beiden Funden wird als Fundortangabe von der Märsch / Ankumer

Abb. 8: Grabhügel und Schlüssellochgraben während der Ausgrabung Oktober 1976. Blick von Nordwesten, Druchhorn Foto: Stadt- und Kreisarchäologie Osnabrück

Abb. 11: Nackengebogene Axt, Westerholte Zeichnung: T. Fornfeist, Stadt- und Kreisarchäologie Osnabrück

Abb. 9.1: Randleistenbeil und Abb. 9.2: lanzettförmiger Dolch, Ankum Zeichnung: Stadt- und Kreisarchäologie Osnabrück

Abb. 10: Lanzenspitze, Ankum Zeichnung: J. Böning, Stadt- und Kreisarchäologie Osnabrück

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Masch bzw. Wagners Kamp zugewiesen. Aus Westerholte stammt eine bronzene Lanzenspitze mit kurzer runder Tülle, die bereits vor 1880 gefunden wurde und über deren genauen Fundort keine Angaben vorliegen. Weniger gut zeitlich zu fassen ist eine nackengebogene Steinaxt (Abb. 11), von einem so unspezifischen Typ, dass sie vom Spätneolithikum bis in die ältere vorrömische Eisenzeit hinein datieren kann.

Bei den Ausgrabungen in Ankum konnten keine eindeutigen Hinterlassenschaften der Bronzezeit nachgewiesen werden, was jedoch nicht zwangsläufig für eine Lücke im Besiedlungszeitraum des Ortes spricht. Von den vielen tausend Ton-scherben ist der überwiegende Teil noch nicht auf der Töpferscheibe geformt, sondern von Hand aufgebaut. Wenn da-tierende Kriterien fehlen, wie beispielsweise eine charakteristische Form des Randes oder eine Verzierung, was in zahl-reichen Fällen aufgetreten ist, oder wenn das Fragment aus dem „Bauch“ des Gefäßes stammt, also nicht vom Boden oder der Öffnung, dann kann das keramische Fundstück in eine Zeitspanne zwischen Jungsteinzeit und Frühmittelalter datiert werden, was dadurch auch die Bronzezeit mit einschließen kann.Abgelöst wurde die Bronzezeit von der Eisenzeit. Bronze blieb als Material für Kult- und Alltagsgegenstände zwar bis heute erhalten (sofern sie nicht eingeschmolzen und neu geformt wurde), aber vor allem Waffen und Werkzeuge wurden von da an aus dem wesentlich härteren Eisen hergestellt.

Umbrüche in der Eisenzeit und der Römischen KaiserzeitDie Eisenzeit entwickelt sich aus der Urnenfelder Kultur um etwa 800 v. Chr. und wird in drei (ursprünglich vier) Stufen unterteilt: Die erste Phase wurde nach dem Fundort Wessenstedt benannt. Diese wird von der zweiten Stufe, der Jastorf-Kultur, auch als nordische Hallstattzeit in der älteren Literatur zu finden, abgelöst. Die ursprünglich dritte Stufe, Ripdorf, die mit dem Beginn von Latène Einflüssen einsetzte, wurde später neu bewertet und zur ausgehenden Jastorf-Kulturphase hinzugezählt. Die nun nach neuer Einteilung dritte Stufe der Seedorf-Kultur zeigt deutliche Einflüsse der Latène-Kultur.Diese gesamte Phase dauert bis in das 1. Jahrhundert v. Chr., zu welchem Zeitpunkt dann die Eisenzeit in die römische Kaiserzeit übergeht. Deren einzelne Abschnitte werden nach den Provinzen benannt.In der Entwicklung der Eisenzeit lässt sich im Vergleich zur Bronzezeit eine noch stärkere gesellschaftliche Hierarchisierung feststellen, die sich z. B. in Gräbern wie dem ältereisenzeitlichen Prunkgrab von Hochdorf in Baden-Württemberg wider-spiegelt.Aus der ursprünglich zum Ende der Bronzezeit vorherrschenden Urnengräberfeldertradition entwickeln sich nun wieder Grabhügel mit einer reichen Ausstattung und diese werden nicht selten als Fürstengräber angesprochen, wie beispielswei-se das Fürstengrab von Glauberg aus der jüngeren vorrömischen Eisenzeit aus dem südlichen Deutschland. Auch entwickeln sich an strategischen Handelspunkten einzelne befestigte Gehöfte, die in der Literatur oftmals als Fürstensitze angesprochen werden. So zum Beispiel die Heuneburg in der älteren vorrömischen Eisenzeit. Ein befestigter Sitz der jüngeren vorrömi-schen Eisenzeit ist mit der Schnippenburg bei Ostercappeln auch für den Landkreis Osnabrück nachgewiesen. Ihre Errich-tung könnte mit den Expansionen der Latènekultur im 3. vorchristlichen Jahrhundert verbunden sein. Zu dieser Zeit ist von einem Burgenhorizont im Mittelgebirgsraum zu sprechen, an deren nördlichem Ende die Schnippenburg steht. Dieser Burgenhorizont stellt zugleich eine Kulturkontaktzone zwischen den latènezeitlichen Elementen aus dem südlichen Deutsch-land und den vorrömisch eisenzeitlichen Gruppen aus der norddeutschen Tiefebene dar.

Die Schnippenburg ist für diesen Besiedlungsraum die älteste Befestigungsanlage, sie entstand am Ende der vorrömischen Eisenzeit und bestand bis in die römische Eisenzeit. Es handelte sich dabei um eine etwa 1,4 ha große Fläche, eingefasst durch eine Pfostenschlitzmauer mit einem vorgelagerten Graben. Neben Siedlungsspuren innerhalb der Befestigung war die Schnippenburg stark eingebunden in die umgebende Besiedlung der Region und schien als Zentralort mit Handelsver-bindungen in den keltischen Raum und nach Nordostwestfalen zu dienen.Mit dem Beginn der Römischen Kaiserzeit im 1. Jahrhundert v. Chr. erweitert sich das archäologische Fundgut um schrift-liche Quellen antiker Autoren und Grab- und Bauinschriften. Die vermehrten kriegerischen Auseinandersetzungen spiegeln sich auch in den archäologischen Quellen wieder. Die Errichtung von Militärlagern sowie Stadtneugründungen zum Auf-bau einer übergeordneten Verwaltung, die der Kontrolle der umliegenden Territorien diente, wurde nötig. Dies konnte sich jedoch nur kurzfristig behaupten und mit den Aufständen der Germanen ab 9 n. Chr. und der berühmten Varus-Schlacht, die in Kalkriese stattgefunden haben soll, wurden die Römer auf die Westseite des Rheins zurückgedrängt. Gegen Ende des 1. Jahrhunderts n. Chr. bis um 200 n. Chr. wurde dann der Limes errichtet und nach und nach ausgebaut. Die schrift-lichen Überlieferungen in Texten, an Bauten sowie Meilensteine geben Auskunft über Verwaltung, Bautätigkeiten und Verkehrswesen. Inschriften auf Grabsteinen geben Informationen über Tote und Erben. Trotz Landvermessung, Neuorga-nisation der Städte und militärischer Großmacht machten innerpolitische Auseinandersetzungen und stetige Einfälle der Germanen im 3. Jahrhundert n. Chr. schließlich die Oberhoheit der Römer zunichte.Damit endet die römische Kaiserzeit und wir erleben den Übergang in die sogenannte Völkerwanderungszeit. Dieser Abschnitt zwischen Römerzeit und Mittelalter wird auch als Spätantike im mediterranen Raum bezeichnet.

Das Gräberfeld von Druchhorn ist bis in die vorrömische Eisenzeit hinein belegt. Ein weiteres Brandgräberfeld wurde 2003 archäologisch südlich der Straße Rüssel-Bersenbrück untersucht. Beim Sandabbau in einer Sandgrube kamen hier schon 1956 bis 1960 immer wieder Brandgräber zum Vorschein. Der Friedhof wird in die frühe und ältere vorrömische Eisenzeit datiert.

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Ein Scheiterhaufengrab bei Tütingen ist C14-datiert auf 282 ± 77 v. Chr. und enthielt unter anderen Funden eine Fibel vom Mittellatèneschema. Weitere Belege einer Besiedlung in der vorrömischen Eisenzeit liefern Einzelfunde von Urnen und ein angeschnittener Brandgräberfriedhof in Rüssel. Ebenfalls aus Tütingen liegt der Nachweis einer Siedlung um die Zeiten-wende und weiterer Spuren aus dem 4./5. nachchristlichen Jahrhundert vor. Es scheint sich also bei der Gemarkung Tü-tingen, südlich von Ankum, um eine sehr alte Siedlungskammer zu handeln. Nimmt man die südlich angrenzenden Me-galithgräber und älterbronzezeitlichen Hügelgräber sowie die Brandbestattungen (Abb. 12) aus Westerholte hinzu, reicht die Siedlungskontinuität bis in die mittlere Jungsteinzeit zurück.

Ein römischer Denar des Vespasian, geprägt 73 n. Chr., stammt ohne genaue Fundangabe aus dem Ankumer Raum, eben-so wie weitere römische Münzen, über deren Verbleib nichts bekannt ist. Anders sieht es bei dem Fund eines römischen Sesterz des Marc Aurel aus: Geprägt zwischen 161 und 180 n. Chr., stammt dieser Fund aus dem südlichen Bereich der Gemarkung Brickwedde, auf dem Gelände des Hofes Schulte.Im Herbst 1892 und später gegen Ende des 19. Jahrhunderts kamen bei der Anlage des neuen Friedhofs in Ankum, etwa 150 Meter ostnordöstlich der Kirchenburganlage, mehrere ur- oder frühgeschichtliche Urnen zum Vorschein. Über den Fundverbleib ist leider nichts bekannt. Sie könnten klären, ob auch in Ankum bereits in der vorrömischen Eisenzeit, oder sogar in der Bronzezeit, ein Friedhof bestand. Auch die Datierung eines Urnenfundes mit Knochenresten, der Ende der 1970er Jahre in der Flur Poppenmoor, etwa 350 Meter südöstlich des Reitbachs, zutage gefördert wurde, kann nicht mehr vorgenommen werden, da die Funde nicht auf-bewahrt wurden. Vermutlich aber steht der Fund in Zusammenhang mit einem eisenzeitlichen Friedhof.

Das Frühmittelalter bis zum Beginn der KarolingerzeitDas frühe Mittelalter zeigt auf der einen Seite die Tradition und Fortführung der Spätantike und auf der anderen die Inte-gration und Auseinandersetzung mit der germanischen Kultur- und Geisteswelt. In dieser Zeit bildet sich das Mitteleuropa aus, wie wir es heute kennen. Auf dem Gebiet des heutigen Deutschland siedelten neben den Franken, die das größte Territorium verwalteten, die Ala-mannen und die Bajuwaren im Süden, die Thüringer und Slawen im Osten und die Sachsen sowie Dänen und Wikinger im Norden. Im restlichen Europa bestand im Osten und Südosten das Oströmische Reich mit seinem Zentrum Byzanz. Bis zum 7. Jahrhundert breitet sich das islamische Kalifat über Arabien und Nordafrika bis über die Iberische Halbinsel hinaus aus und grenzt damit direkt an das Fränkische Reich.

Das Römische Reich als ordnende Kraft hatte sich aufgelöst, hinterließ aber westlich des Rheins römisch geprägte Städte sowie eine nach wie vor ansässige, mediterran beeinflusste Bevölkerung, die das ursprüngliche System weiterhin aufrecht erhielt. Das Frankenreich entwickelt sich zum größten der germanisch-römischen Nachfolgereiche im Westen. Dieses Reich, später aufgeteilt in vier Territorien, bestimmt vom späten 5. Jahrhundert an bis ans Ende des 8. Jahrhunderts die Geschicke Mitteleuropas.

Abb. 12: Urne, Westerholte Zeichnung: T. Fornfeist, Stadt- und Kreisarchäologie Osnabrück

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Wir verfügen über eine Vielzahl an schriftlichen Quellen und Daten, die uns über die zeitliche Abfolge der Geschehnisse unter-richten. All die Informationen aus den Königshäusern und Adelsgeschlechtern vermitteln ein äußerst buntes und lebhaftes Bild der frühmittelalterlichen Elite und ihrer Ränkespiele. Doch diese subjektiven Beschreibungen geben keinerlei Auskünfte über das alltägliche Leben. Hier helfen uns die archäologischen Funde. Der Zeitraum dieser Epoche erscheint mit 400 Jahren im Vergleich zu frühgeschichtlichen Epochen sehr kurz, dennoch passieren in dieser Zeit zahlreiche Umwälzungen. Aus dem alltäglichen Leben der einfachen Bevölkerung erfahren wir vor allem aus den Grabungen. Die Beigaben aus Gräbern und Funde aus Sied-lungsresten geben uns zum Beispiel Informationen zu den Lebensumständen der ländlichen Bevölkerung.Im Frühmittelalter wird in den Bestattungssitten ein Wandel deutlich: Zwar gab es kleine exklusive Grabareale, aufwendige Grabhügel oder Grabhäuser, die Begräbnisstätten dagegen werden aber als Reihengräberfelder bezeichnet, die sich im Frühmit-telalter durchgesetzt haben, bis im 8. Jahrhundert die Totenbestattungen im Umkreis von Kirchengebäuden eingeführt wurde.Aufgrund dieser Gräberfelder und dadurch ermöglichten anthropologischen Untersuchungen konnten Familienzugehörigkeiten festgestellt werden. Auch kann anhand der Beigaben der soziale Status der Bestatteten vermutet werden. Erst im Laufe des 7. Jahrhunderts werden den Toten immer seltener Beigaben mit ins Grab gegeben.Die ländliche Bevölkerung mied in den meisten Fällen die Siedlungsplätze römischer Siedler, die entweder ihre villae rusticae freiwillig aufgaben, vertrieben oder getötet wurden. In vielen Fällen wurden die Gebäude nicht wieder genutzt und wurden auch nicht in die neuen Siedlungen integriert. Die germanische Bevölkerung lebte in kleinen Siedlungen ohne Steingebäude in der Nähe von Wasserläufen. Dabei bestand die kleinste Siedlungseinheit aus einem Gehöft. Neben den Pfostenbauten, die als Haupt-haus dienten, finden sich Speicher zur Lagerung von Nahrungsmitteln sowie Grubenhäuser, die dem Weberhandwerk dienten. Ein fränkischer Riemenverteiler (Abb. 13.5), der in der Literatur meist fälschlich als Scheibenfibel bezeichnet wird, stammt als Oberflächenfund aus Tütingen, datiert in die erste Hälfte des 7. Jahrhunderts und belegt die erneute Aufsiedlung des Gebietes nach der Völkerwanderungszeit, aus der aus dem Untersuchungsraum keine weiteren Funde vorliegen. Unweit dieses Fundes

wurden eine Urne und ein Eisenbeil entdeckt. Das Beil soll in die Merowingerzeit datieren und passt zeitlich zum fränkischen Riemenverteiler, leider ist der Fundverbleib unbekannt.Zu diesen frühmittelalterlichen Funden könnten auch Fragmente von Tongefäßen passen, die zusammen mit dem Riemenvertei-ler aus der Nähe des Koldehofes/Hof Nieberg stammen. Hier zeigten archäologische Begehungen und auch Ausgrabungen, dass an dieser Stelle seit dem Neolithikum immer wieder gesiedelt worden ist (Abb. 13.1-4).

Aus dem frühen 7. Jahrhundert konnten die Ausgrabungen in Ankum auch eine Besiedlung im Bereich der heutigen St.-Nikolaus-Kirche nachweisen. Ein bereits im 19. Jahrhundert entdecktes Reihengräberfeld auf dem Kattenberg in Rüssel könnte zeitgleich mit den Befunden aus Ankum und Tütingen sein und die zugehörige Begräbnisstätte darstellen. In Holsten liegt eine Ringwallanlage, die bei einer Begehung im Jahre 2007 Funde von Tongefäßfragmenten erbrachten, die ur-geschichtlicher oder frühmittelalterlicher Machart sind. Die Datierung dieser Fundstücke mag für ein entsprechend hohes Alter der gesamten Anlage sprechen.Aus Rüssel liegen ein Reihengräberfeld und ein Urnenfriedhof vor. Das Bestattungsareal wird auf die Zeit um die Christiani-sierung, also in die frühe Karolingerzeit, datiert. Bereits zwischen 1885 und 1892 wurden beim Kiesabbau im Kattenberg rund

Abb. 13.1: Pfeilspitze, Abb. 13.2: Kratzer, Abb. 13.3: flächig retuschierte Spitze, Abb. 13.4: Löffelschaber, Abb. 13.5: Riemenverteiler Zeichnung: H. Steinmetz, Stadt- und Kreisarchäologie Osnabrück

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40 Skelette entdeckt. Die Toten waren in Hockerlage bestattet worden und lagen zwischen 70 cm und einem Meter tief im groben, gelben Kies. Hardebeck, der die Bestattungen dokumentierte, stellte fest, dass die Gesichter der Toten nach Osten aus-gerichtet waren, bis auf zwei Ausnahmen, die nach Westen blickten. Die Bestattungen führten keinerlei Beigaben, nur in einem Fall konnte ein eiserner Gürtelring geborgen werden. An der südwestlichen Seite des Hügels wurden auch zwei Brandbestattun-gen in Urnen nachgewiesen.

Das Untersuchungsgebiet wird in Areal A von insgesamt 14 Gräben oder Grabenfragmenten durchzogen und von einem sehr langen West-Ost-orientierten Graben in eine nördliche und eine südliche Hälfte geteilt (Abb. 14). Vereinzelt liegen Verzweigun-gen vor, die nahezu orthogonal zum Hauptgraben angelegt sind. Dieses Grabensystem ist der älteste eindeutige Befund und wird von jüngeren, karolingerzeitlichen Grubenhäusern (siehe kommender Beitrag) gestört. Eine Verfüllung der Gräben ist daher im Zuge der Errichtung der Grubenhäuser oder früher anzunehmen. Anhand der im Füllmaterial erhaltenen Funde ist eine Aufgabe der Gräben spätestens für die Zeit um 800 anzunehmen. Durch drei 14C-Datierungen (574–645; 575–646; 605–659) kann eine Nutzung oder Anlage der Gräben für die erste Hälfte des 7. Jahrhunderts angenommen werden. Der Hauptgraben ist über die gesamte Fläche, etwa 50 m, nachgewiesen. Im Westen liegt die Grabensohle bei 57,89 m ü. NN und im Osten bei 59,75 m ü. NN und weist damit ein Gefälle von 1,86 m auf 49 m auf, dies entspricht etwa 3,8 %. Damit ist das Grabengefälle etwas schwächer als das natürliche Geländegefälle von 4,5 %. Bei einer durchschnittlichen Breite von 100 cm konnte der Graben noch 30 cm tief nachgewiesen werden. Im Querschnitt sind die Wände steil nach außen gebogen und gehen fließend in den konvexen Boden über. Spätestens in das frühe 9. Jahrhundert datiert die Verfüllung eines parallel zum Hauptgraben verlaufenden von einem Grubenhaus gestörten flachmuldigen Grabens, der jedoch nur teilweise freigelegt werden konnte und über eine Breite von 39 cm und eine erhaltenen Tiefe von 10 cm verfügt. Aus Mangel an eindeutigen Indizien werden frühmittelalterliche Gräben funktional meist und sehr allgemein als „Einhegung“ oder „Umfassung“ angesprochen. Insbesondere wenn es sich um komplexere Systeme handelt, ist eine Interpretation kaum möglich. Eine systematische Studie zu frühmittelalterlichen Grabensystemen wäre daher wünschenswert. Neben einer Interpretation als Einhegung/Umfassung im Sinne einer Grundstücksgrenze könnte auch ein Vieh-Kral oder eine einfache Verteidigungsanlage in Frage kommen. Nach einer bodenkundlichen Begutachtung konnte festgestellt werden, dass in den Gräben kein Wasser stand oder floss, so dass eine Interpretation als Entwässerungsgräben ausgeschlossen werden kann.Für die beiden älteren hier vorgestellten Befunde trifft sicherlich eine Funktion als „Einhegung“ im weitesten Sinne zu, möglicher-weise auch in Kombination mit einfacher fortifikatorischer Funktion. Was sollte jedoch geschützt werden? Während der Ausgra-bungen konnten dafür keinerlei Anhaltspunkte gefunden werden. Die Anlage der Gräben parallel zum Sandrücken, der in den heutigen Ort hineinragt, spricht jedoch dafür, dass auf dem Sandrücken, auf dem die heutige Kirche St. Nikolaus steht, einst ein Wohnhaus bestanden haben muss.

ZusammenfassungVersprengte Einzelfunde aus der Zeit der Trichterbecher-Kultur belegen ein Wirken des Menschen in Ankum schon für die Jung-steinzeit. Ein Blick auf die archäologische Fundstellenverbreitungskarte (Abb. 2) zeigt, dass wir es in dem Großraum Ankum mit

Abb. 14: Befunde Areal A, an der Kirchenburg zu Ankum Zeichnung: D. Lau

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einer alten Siedlungskammer zu tun haben, die durch zahlreiche oberirdisch erhaltene Megalith- und Hügelgräber entlang einer Nord-Süd-Achse zutage tritt. Von herausragender Bedeutung müssen die Gräber in Druchhorn und dem Giersfeld bei Wester-holte gewesen sein. Der Verlauf der Hase zwischen den Fürstenauer und den Dammer Bergen in das Artland hinein hat wichti-ge Nord-Süd- und Ost-West-Verbindungen durch naturräumliche Gegebenheiten geschaffen. In dieser verkehrsgünstigen Landschaft haben sich die Menschen in Ankum am Nordhang der Fürstenauer Berge angesiedelt. Nur wenige Kilometer südlich von Ankum, in der Gemarkung Tütingen, konnte durch archäologische Sondagen eine frühmittelalterliche Besiedlung nachgewiesen werden. Der Oberflächenfund eines merowingerzeitlichen silbertauschierten Riemenverteilers (Abb. 13.5) belegt schon für das 7. Jahr-hundert die Anwesenheit einer sozialen Oberschicht im Raum Ankum.Anhand des C14-datierten Umfassungsgrabens ist auch für Ankum in der ersten Hälfte des 7. Jahrhunderts eine Hofstelle anzu-nehmen. Möglicherweise hat sich im 7. Jahrhundert die Besiedlung um und auf dem in das Dorf hineinkragenden Sandrücken, auf dem die heutige St.-Nikolauss-Kirche errichtet wurde, als besonders vorteilhaft erwiesen. Ältere Befunde als aus dem 7. Jahrhundert konnten in den Grabungen an der Kirchenburg zu Ankum jedenfalls nicht nachgewiesen werden. Es ist auch unklar, welche Funktion diese frühe Siedlung hatte. War es ein altsächsischer Herrenhof, der von einem Graben eingehegt war? Aus dem 7. Jahrhundert sind, mit Ausnahme einer Siedlungsstelle bei Hagen-Gellenbeck mit einigen Grubenhäusern und einem dendro-chronologisch datierten Brunnen, aus dem Landkreis Osnabrück neben dem erwähnten Riemenverteiler aus Tütingen nur weni-ge Goldmünzenfunde bekannt. Auch die historischen Quellen schweigen über diese Zeit, so dass von der Merowinger- bis zur Karolingerzeit vorerst keine eindeutigen Erkenntnisse über Sozialstrukturen oder Alltag gewonnen werden können. Daher kann auch nur darüber spekuliert werden, was im Verlaufe der Geschichte mit dem vermuteten altsächsischen Hof geschah: Wurde der Herrenhof in karolingischer Zeit ausgebaut? Die weitere Entwicklung wird anhand der archäologischen Funde und Befunde in der nächsten Ausgabe der Heimat-Hefte nachskizziert, in der es um die Karolinger- und Ottonenzeit geht.

Weiterführende LiteraturAnmerkung: Es ist nicht immer leicht, den Spagat zwischen exakter Wissenschaftlichkeit und einem auch für interessierte Laien informativen und zugleich leicht nachvollziehbaren Text zu schaffen. Wir haben uns bemüht, den Artikel klar zu formulieren und interessant zu gestalten und verzichteten nach Absprache mit der Redaktion der Heimatblätter für Dorf und Kirchspiel Ankum auf Fußnoten oder Literaturangaben im Text. Für diejenigen aber, die den archäologischen Zeugnissen Ankums und Umgebung detaillierter nachspüren möchten, haben wir folgende Bibliographie zusammengestellt. Die Liste enthält die Arbeiten, auf die wir uns bei der Recherche zu diesem Text gestützt haben und zugleich eigene Texte, die aus der archäologischen Erforschung Ankums bislang hervorgegangen sind.

Die im Text genannten Funde und Befunde stammen überwiegend aus den beiden Sammelwerken zu archäologischen Fundstellen aus Stadt und Landkreis Osnabrück:

Wulf, F.-W. 2011: Archäologische Denkmale und Fundstellen im Landkreis Osnabrück – Teil 2. Materialhefte zur Ur- und Früh-geschichte Niedersachsens 43. Rahden/Westf.

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Vertiefende Darstellungen finden sich unter anderem in den folgenden Schriften: Behre, K.E. 1996: Landschaft und Landwirtschaft in der Bronzezeit Niedersachsens, In: Zur Bronzezeit in Nordwestdeutschland – Neue Aus-grabungen und Forschungen zwischen Ems und Elbe. Die Kunde Nr. 47, 1996.

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Spezifische Informationen zu den Ausgrabungen in Ankum können in den folgenden Beiträgen nachgelesen werden:

Friederichs, A./Remme, W. 2013: Ankum, Kat.-Nr. 204. In: Nachrichten aus Niedersachsens Urgeschichte. Beiheft 17. Fundchronik Nieder-sachsen 2012, 2013, 134–135.

Hockmann, D. 2009: Zwischenbericht über die archäologischen Ausgrabungen an der Kirchenburg zu Ankum 2009. Heimat-Hefte für Dorf und Kirchspiel Ankum 2010. Ankum 2009, 69–73.

Hockmann, D. 2010a: Vorbericht über die archäologischen Ausgrabungen an der Kirchenburg zu Ankum 2009. Nachrichten aus Niedersach-sens Urgeschichte 79, 2010, 121–133.

Hockmann, D. 2010b: Archäologische Forschung an der Kirchenburg zu Ankum 2009–2010. Heimatjahrbuch Osnabrücker Land 2011. Alf-hausen 2010, 54–59.

Hockmann, D./Schubert, J. 2011: Ankum in der späten Karolingerzeit. Heimat-Hefte für Dorf und Kirchspiel Ankum 2011. Ankum 2010, 48–50.

Lau, D. 2011a: Archäologisch-historische Forschung an der Kirchenburg zu Ankum 2010. Heimat-Jahrbuch Osnabrücker Land 2012. Alfhau-sen 2011, 43–49.

Lau, D. 2011b: Ankum, Kat.-Nr. 268. In: Nachrichten aus Niedersachsens Urgeschichte. Beiheft 14. Fundchronik Niedersachsen 2008/2009, 2011, 146–147.

Lau, D. 2011c: Die archäologischen Ausgrabungen an der Kirchenburg zu Ankum 2011. Heimat-Hefte für Dorf und Kirchspiel Ankum 2012, 2011, 15–18.

Lau, D. 2012a: Zweiter Vorbericht über die archäologischen Ausgrabungen an der Kirchenburg zu Ankum, Ldkr. Osnabrück, 2010. Nachrich-ten aus Niedersachsens Urgeschichte 81, 2012, 187–214.

Lau, D. 2012b: Ergebnisse der archäologischen Forschungen an der Kirchenburg zu Ankum 2009–2011. Heimat-Jahrbuch Osnabrücker Land 2013. Alfhausen 2012, 159–164.

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