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W-Seminar Island Exkursion nach Reykjavik vom 27. Oktober bis zum 1. November 2016 Die Anreise am Donnerstag war be- schwerlich, schon der Zug nach Nürnberg war völlig überfüllt und der Anschlusszug nach Frankfurt (Flugha- fen) musste auf uns warten. Was er überraschenderweise auch tat. Am Flughafen lief alles glatt und abgese- hen davon, dass der Gegenwind das Flugzeug ein wenig gebremst hatte, kam es pünktlich in Keflavik an. Am Flughafen wartete ein Reiseleiter, der alle zum wartenden Bus begleitete und die Schüler schon auf dem Weg zum City Hostel in Reykjavik mit ers- ten Informationen über das Land und die Menschen versorgte. Ein besonderer Service war, dass die Veranstalter der Touren, die alles nach den Wünschen der Gruppe geplant hatten, im Hostel warte- ten und jeden Programmpunkt noch einmal durchsprachen. Die Zimmer waren rasch bezogen und es gab noch reichlich Zeit, um sich im Supermarkt mit Essen zu versorgen. Wenn der nur nicht so weit weg gewesen wäre und wenn es nur mal nicht so waagerecht geregnet und gegraupelt hätte. Alle waren klitschnass. Das fing ja gut an … Nach einer Stunde waren aber die Einkäufe getätigt und der erste Schock über die horrenden Preise verdaut. Noch schnell ko- chen, essen und müde ins Bett fallen. Der erste echte Exkursionstag wartete. Exkursion zur Südküste Die Umgebung von Reykjavik war mit einer dünnen Schneeschicht gepudert, was der Landschaft ei- nen zusätzlichen Reiz verlieh. Die ersten Bilder wurden schon aus dem fahrenden Bus geknipst und an der ersten Station, dem Geothermiekraftwerk Hellisheiði, das die Hauptstadt Reykjavik seit 2006 mit Strom und Wärme versorgt, interessierte die Landschaft zunächst mehr als die Energieerzeugung. Das im Kraftwerk erzeugte etwa 90°C heiße Warmwasser verliert auf dem 27km langen Transport- weg gerade einmal zwei Grad und wird direkt in die Haushalte gebracht, wo man damit an kalten Herbsttagen ausgiebig duschen kann.

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Page 1: W-Seminar Island Exkursion nach Reykjavik vom 27. Oktober ...€¦ · (und Pastor) Hallgrímur Pétursson (1614-1674), der durch seine Passionshymnen be-rühmt geworden war. Von der

W-Seminar Island Exkursion nach Reykjavik vom 27. Oktober bis zum 1. November 2016

Die Anreise am Donnerstag war be-schwerlich, schon der Zug nach Nürnberg war völlig überfüllt und der Anschlusszug nach Frankfurt (Flugha-fen) musste auf uns warten. Was er überraschenderweise auch tat. Am Flughafen lief alles glatt und abgese-hen davon, dass der Gegenwind das Flugzeug ein wenig gebremst hatte, kam es pünktlich in Keflavik an. Am Flughafen wartete ein Reiseleiter, der alle zum wartenden Bus begleitete und die Schüler schon auf dem Weg zum City Hostel in Reykjavik mit ers-

ten Informationen über das Land und die Menschen versorgte. Ein besonderer Service war, dass die Veranstalter der Touren, die alles nach den Wünschen der Gruppe geplant hatten, im Hostel warte-ten und jeden Programmpunkt noch einmal durchsprachen. Die Zimmer waren rasch bezogen und es gab noch reichlich Zeit, um sich im Supermarkt mit Essen zu versorgen. Wenn der nur nicht so weit weg gewesen wäre und wenn es nur mal nicht so waagerecht geregnet und gegraupelt hätte. Alle waren klitschnass. Das fing ja gut an … Nach einer Stunde waren aber die Einkäufe getätigt und der erste Schock über die horrenden Preise verdaut. Noch schnell ko-chen, essen und müde ins Bett fallen. Der erste echte Exkursionstag wartete. Exkursion zur Südküste Die Umgebung von Reykjavik war mit einer dünnen Schneeschicht gepudert, was der Landschaft ei-nen zusätzlichen Reiz verlieh. Die ersten Bilder wurden schon aus dem fahrenden Bus geknipst und an der ersten Station, dem Geothermiekraftwerk Hellisheiði, das die Hauptstadt Reykjavik seit 2006 mit Strom und Wärme versorgt, interessierte die Landschaft zunächst mehr als die Energieerzeugung.

Das im Kraftwerk erzeugte etwa 90°C heiße Warmwasser verliert auf dem 27km langen Transport-weg gerade einmal zwei Grad und wird direkt in die Haushalte gebracht, wo man damit an kalten Herbsttagen ausgiebig duschen kann.

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Ein paar Filme und eine kleine Ausstellung informierten kurz und knapp über die Energiegewinnung aus Erdwärme in einem Hochtemperaturfeld. Dass man CO2 in eine Art Stein verwandeln kann („turning carbon dioxide into solid rock“), war allen neu. Dabei wird das CO2 im porösen Basaltge-stein als Carbonat gebunden. Ein erstes Thema für eine Seminararbeit? Der zweite Stopp trug den Interessen der Schüler eher Rechnung: Skógafoss. Am ersten Wasserfall, dem Seljalandsfoss, wollte der Guide noch nicht anhalten, obwohl man hier hinter dem Wasserfall hindurchlaufen könnte. Die Wassermassen, die sich am Skógafoss in die Tiefe stürzten, entschädigten aber dafür.

Durch den vulkanischen Sand musste man dem Graupelschauern trotzend bis zum Fuß des Wasserfalls laufen und konnte dann rechts vom Wasserfall den Hang über eine Treppe bis zu einer Aus-sichtsplattform an der Kante des Was-serfalls erklimmen. Das wechselhafte Wetter gab hier den Blick auf den Eyjafjallajökull noch nicht frei, die weni-gen Sonnenstrahlen sorgten aber für einen Regenbogen über dem Wasserfall.

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Nicht weit entfernt liegt das Skógasafn, ein Freilichtmuseum, wo aus Zeitmangel nur der Außenbe-reich angeschaut werden konnte, weshalb der einheimische Guide aber auch einen Rabatt ausge-handelt hatte. Die Grassodenhäuser wirkten trotz ihrer geringen Größe gemütlich und die Häuser aus späterer Zeit ähneln in der Innenausstattung denen in Deutschland. Eine Besonderheit sind die El-fenhäuser, vor denen jede Menge Knochen herumlagen. Die Reste der letzten Elfenmahlzeit? Nein, der Guide erklärte, dass es sich dabei um Spielzeug handelte, wie es auch er von seinen Eltern noch bekommen hatte. Die Phantasie der Kinder verwandelte die Knochen in alles Mögliche.

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Den Lehrern gefiel besonders das alte Schulhaus und die kleine Kirche würde sich gut als Hochzeits-kapelle eignen.

Es folgte das Highlight des Tages: der Sólheimajökull. Während man den Gletscher vor 30 Jahren noch praktisch vom Auto auf dem Parkplatz aus anfassen konnte, muss man heute gut zwanzig Minu-ten laufen. Hier kann man den Klimawandel hautnah erleben, was schon ein wenig erschreckend und für manchen kaum zu glauben ist, denn wenn man ihn endlich erreicht hat und anfasst, ist er immer noch eiskalt.

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So schön wie hier kann man selten die Glazialmorphologie zeigen, da schlägt das Geographenherz höher.

Zudem ist der Gletscher noch mit einer fünf Zentimeter dicken Ascheschicht vom Ausbruch des Eyjafjallajökulls 2010 bedeckt, was ihn schmutzig erscheinen lässt. Ein bisschen von der Asche könnte man mit nach Hause nehmen …

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Von der Glaziologie zur Vulkanologie: Am letzten Haltepunkt vor Vik, dem Blackbeach, sind neben dem namengebenden schwarzen Sand auch Basaltsäulen zu sehen, die sich bilden, wenn Magma im Schlot eines Vulkanes erstarrt. Dabei formen sich sechseckige Säulen aus, die wie Orgelpfeifen ne-beneinander stehen.

Die Warnung vor der gefährlichen Sogwirkung der Wellen am Strand, der nicht flach ausläuft, son-dern steil abfällt, veranschaulichte der Guide mit dem Kosenamen der Einheimischen für den Strand: „Chinese takeaway“, was eine chinesische Touristin auch gleich vorführte. Glücklicherweise waren die Wellen gnädig mit ihr und sie entkam. Im Sonnenuntergang sah man von hier aus noch den Dyrhólaey, einen imposanten Felsbogen im Meer.

Ein abschließender Stopp in Vik verzögerte die Rückfahrt unnötigerweise um eine halbe Stunde, da der Bus lediglich an einem kleinen Shop und dem Fabrikverkauf eines Pulloverherstellers (durchaus

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schöne Pullover, jedoch sehr teuer) hielt, aber vielleicht ist das dem Stolz des Guides auf seine Hei-matstadt geschuldet gewesen?

Der Tag in Reykjavik Sehr kurz vor der Abreise war das Programm noch einmal umgestellt worden, um es an die aktuellen Wetterverhältnisse anzupassen. Für diesen Tag war das schlechteste Wetter vorhergesagt worden und die Vorhersage stimmte, soweit man das am Morgen beim Blick aus dem Fenster beurteilen konnte. Die Entscheidung, für den Weg ins Zentrum lieber den Bus zu nehmen, war goldrichtig und mit 100 ISK pro Schüler zudem ausnahmsweise erschwinglich. Vom Busbahnhof Hlemmur aus muss man nur noch wenige Minuten bis zur Hallgrímskirkja laufen.

Vor der Kirche steht ein Denkmal für Leifur-Eríksson, den wahren Entdecker Vinlands (Amerikas), gestiftet vom amerikanischen Volk zum 1000-jährigen Bestehen des Alþingis (erstes europäisches Parlament) im Jahr 1930. Was die Schüler dazu vorbereitet hatten, musste wegen des Regens und der Kälte in die Kirche verlegt werden. Während des Wartens auf den Auf-zug in den Kirchturm, der wieder erfreulich günstig war (allerdings mussten die Begleit-lehrkräfte den vollen Preis bezahlen, was in der Summe mehr war, als der Betrag der Schüler), wurden die Exkursionsteilnehmer also mit ersten Informationen versorgt. In der Hallgrímskirkja wurde gerade für ein klassisches Konzert geprobt, sodass man den Innenraum nicht betreten und nur durch ein kleines Fenster aus dem Turmaufgang hin-einschauen konnte. Sie ist jedoch sehr schlicht gehalten. 1945 war der Bau begon-nen und 1986 fertiggestellt worden. Vor allem von außen wirkt die Kirche, deren Ar-chitektur an die Basaltsäulen erinnert, sehr imposant. Namensgebend war der Dichter (und Pastor) Hallgrímur Pétursson (1614-1674), der durch seine Passionshymnen be-rühmt geworden war.

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Von der Spitze des Turms aus hat man einen sehr guten Überblick über die Hauptstadt mit den vielen bunten Dächer und Fassaden, die den ersten Eindruck verbessern, den mancher Schüler auf dem Weg zur Hallgrímskirkja hatte („Sieht schon alles ein wenig trist aus“).

„Die Stadt in der Rauchbucht“ wurde vom ersten Siedler Ingólfur Arnarson schon um das Jahr 870 gegründet. Er hatte in Norwegen nach Streitigkeiten sein Land verloren und be-schlossen, nach Island auszuwandern. Wie es Brauch war, warf er bei einer seiner Erkundungsreisen die mit Götterbildern verzierten, bunten Hochsitzpfeiler seines norwegischen Hau-ses ins Meer und dort, wo sie angetrieben würden, wollte er sich im kommenden Jahr ansiedeln. Für lange Jahre blieb es bei einigen wenigen Bauernhöfen in der Rauchbucht (der Na-me stammt eher von den dampfenden Fumerolen in der Bucht). Erst im 18. Jh. folgte ein kleiner Aufschwung, als die Stadt zum Bischofssitz und Skúli Magnússon (der „Vater der Stadt“) die Interessen des isländischen Handels gegen das dänische Handelsmonopol vertrat. Der Ort erhielt 1786 das Stadtrecht, blieb aber mit nur 167 Einwohnern und seiner Lage am Rand Europas völlig unbedeutend. Das moderne Reykjavik entstand mit der Technisierung des

Fischfangs Anfang des 20. Jh. Mittlerweile betrug die Einwohnerzahl stattliche 12000. Ab 1940 löste die britische Besatzung einen weiteren Boom aus. Seither kommt Wohnviertel um Wohnviertel am

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Stadtrand hinzu, oft in Form von Hochhausblöcken und Plattenbauten. Nicht unbedingt schön, aber zweckmäßig. Heute leben rund zwei Drittel aller Isländer in der Hauptstadtregion. Diese Geschichte erklärt ein wenig, weshalb man in Reykjavik vergebens nach dem mittelalterlichen Altstadtkern sucht. Nichtsdestotrotz ist der Innenstadtbereich mit dem Regierungssitz, der neuen, nicht unumstrittenen Konzerthalle am Hafen, dem Stadtsee Tjörnin und vielen hübsch bunten Häu-sern durchaus sehenswert.

Die für Schülergruppen kostenlose Settlement-Ausstellung „871 ±2“ informiert über eine Ausgrabung mitten im Zentrum der Stadt, bei der die ältesten Siedlungsspuren der Insel gefunden worden waren. Die Grundmauern eines Langhauses bilden den Kern der Ausstellung, multimedial aufbereitet wird gezeigt, wie die Rauchbucht in den ersten Jahren ihrer Besiedlung ausgesehen haben könnte.

Hier endete das gemeinsame Programm des Tages, einige Schüler schlossen sich noch dem Mittagessen im Saegreifinn-Restaurant im Hafen an, wo es eine feine Hummersuppe und Fischspieße zu halbwegs erschwinglichen Preisen gab. Wer wollte, konnte auch Walfleisch (Minkwal) probieren. Hier gab es auch Hákarl, die isländische Spezialität, die aus fermen-tiertem Fleisch des Grön-landhais besteht. Als Mut-probe aß am Abend jeder Teilnehmer der Exkursion (bis auf die Vegetarier) einen kleinen Würfel da-von. Dabei entstand eine Reihe sehr lustiger Videos.

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Der „Golden Circle“ So richtig stimmte die Wettervorhersage nicht, denn es regnete noch mehr als am Vortag. Aber es gibt kein schlechtes Wetter, nur die falsche Kleidung. Und Jeans erwiesen sich für Island als relativ ungeeignet, denn sie trocknen nur sehr langsam und zusammen mit dem kalten Wind sorgten die nassen Hosen dafür, dass es einem kälter erschien, als es war. Die alte isländische Regel „Wenn dir das Wetter nicht gefällt, warte fünf Minuten“ erfüllte sich diesmal nicht.

Der erste Halt am Wasserkraft-werk Ljósifoss, am Ausgang des Þhingvellir-Sees, zeigte in einer kleinen Multimediaausstellung, wie elektrische Energie erzeugt wird. Sehr anschaulich werden die drei Varianten der Energie-erzeugung in Island (Wasser-kraft, Geothermie und Wind-kraft) vermittelt. So kann man interaktiv auf einer Karte Wind-räder steuern und versuchen, durch die Stellung der Rotoren zum Wind eine möglichst große Effektivität zu erreichen. An einer Wand kann man seine eigene Stärke mit anderen mes-sen und wenn man Wasser von einem unteren in einen oberen Behälter pumpt und es wieder herunterlaufen lässt, zeigt das Gerät an, wie lange man mit dieser Wasserkraft ein elektri-

sches Gerät wie einen Wasserkocher oder eine Bohrmaschine betreiben kann. Dass es außerdem noch kostenlos heiße Schokolade und Saft gab, war ein positiver Nebeneffekt. Im Þhingvellir konnte man in kürzester Zeit zwischen zwei Kontinenten wechseln. Mal war man in Amerika, dann in Europa. Am Mittelatlantischen Rücken driften hier die beiden Erdteile jährlich um etwa zwei Zentimeter auseinander.

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Der steil abfallende Rand der amerikanischen Platte bildet aber auch den Hintergrund für das Alþingi. Seit dem Jahr 930 trafen sich an diesem Ort in jedem Sommer die Goden der verschiedenen isländi-schen Wikingerclans und hielten eine Versammlung ab, bei der bis ins Jahr 1117, in dem die Gesetze schriftlich fixiert wurden, in einem dreijährigen Rhythmus vom Gesetzesberg „Lögberg“ durch den Gesetzessprecher „Lögsögumaður“ die Gesetze vorgetragen und Streitfälle entschieden wurden. Manche Urteile hat man direkt im Anschluss im eiskalten Wasser des Öxará-Flusses (Axtfluss) unter-halb des Wasserfalls vollstreckt. Vor allem Hexen wurden hier im Mittelalter ertränkt. Daneben war das Alþingi aber auch ein Jahrmarkt, bei dem sich zahlreiche Isländer aus allen Landesteilen trafen. Während der Guide etwas Schutz vor dem Regen suchte, folgte die Gruppe dem Weg nach oben zum Öxaráfoss.

Völlig durchnässt und frierend ging es danach wieder zurück und auf der anderen Seite den Anstieg der Almannagjá-Schlucht hinauf, wo oben der Bus wartete. Die Wetterbedingun-gen trübten den Blick auf dieses Welt-natur- und Weltkulturerbe ein wenig. Schade, denn bei entsprechendem Licht bietet dieses weite Tal eine spek-takuläre Kulisse, die auch der isländi-sche Präsident, der seinen Woche-nendsitz im Fünfgiebelhaus hat, zu schätzen weiß.

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Auf der Weiterfahrt zum Gulfoss konnte man bei einem Stopp auf einer kleinen Farm isländische Eiscreme genießen – genau das Richtige, wenn man eh schon völlig durchgefroren ist – und mit ei-nem Blick durch das Fenster des Cafés in den Stall ein neugeborenes Kälbchen bewundern. Sehr süß, aber auch ein wenig arm, wie es da ganz allein in seinem Gatter lag.

Der Zugang zum Gulfoss war wegen der Wetterbedingungen ebenfalls etwas eingeschränkt, sodass der Stopp hier nicht allzu lange dauerte. In wenigen Minuten war man vom Parkplatz zur Aussichts-plattform gelaufen, der Guide machte ein Gruppenfoto vor dem Wasserfall und weiter ging’s zum Geysir. Leider hat man zum Wasserfall, dessen Wassermassen sich in zwei Stufen tosend hinabstür-zen, nur wenig erfahren.

Beinahe wäre er nämlich der kommerziellen Nutzung durch ein Wasserkraftwerk zum Opfer gefallen, aber die Bauerntochter Sigríður Tómasdóttir konnte das 1907 in letzter Sekunde verhindern, indem sie drohte, sich den Wasserfall hinabzustürzen. Seit 1979 steht der Gulfoss unter Naturschutz.

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Direkt neben der Straße, am Fuß eines Hügels und an dessen Hang dampft und zischt es aus dem wohl berühmtesten Geothermalfeld Islands. Hier befindet sich die heiße Springquelle, die allen anderen auf der Welt ihren Namen gab: DER Geysir.

Doch leider hat er schon Ende des 19. Jh. seine Aktivität eingestellt und erwacht nur noch selten zum Leben, die letzten Eruptionen wurden im Jahr 2008 durch ein Erdbeben ausgelöst, ebbten aber rasch wieder ab. Die Zugabe von Seife löste bis zu ihrem Verbot im Jahr 1992 mehrmals im Jahr Eruptionen aus, wurde aber auf den Protest von Umweltschutzorganisationen hin eingestellt. Es verwundert also nicht, dass auch die Rother Schüler trotz eines halbstündigen Starrens auf das leicht wallende Wasser im Sinterterrassentrichter keine Eruption auslösen konnten.

Verlässlicher ist schon der benachbarte Strokkur, er spuckt etwa alle zehn Minu-ten eine bis zu 20 Meter hohe Wasserfontäne in die Luft. Leider kündigt er diese Ausbrüche kaum vorher an und die Fontäne fällt auch rasch wieder in sich zusam-men, sodass man meist ein Foto vom Beginn und eines vom Zusammenfallen der Wassersäule hat. Wenn es nur etwas wärmer wäre, dann würden die Finger nicht so steif auf dem Auslö-ser des Fotoapparates lie-gen.

Trotzdem sieht man dem Treiben in einer Traube von Touristen rund um den Geysir gerne zu.

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Auf der Fridheimar-Farm, dem letzten Halt des Tages, kann man Islandpferde und Tomaten gleichermaßen bewundern. Gleich nach dem Empfang durften die Schüler in den Stall und die Pferde streicheln, während ein Tier gesattelt wurde, das bald darauf die fünf Gänge eines Islandpferdes vorführte. Im Schritt, Trab, Galopp, Tölt und im Pass drehte es jeweils eine Runde, am Ende zeigte die Reiterin, dass man im Tölt so ruhig auf dem Pferd sitzt, dass man ein volles Glas Bier damit servieren kann.

Im Treibhaus erfuhr man anschließend alles über den Tomatenanbau in Island. Eine deutsche Angestellte der Farm erklärte den Schülern, dass ein farmeigener Geysir die Energie für das Beheizen des Treibhauses liefert, die Tomatenstöcke hier auf völlig ökologische Produktionsweise bis zu neun Meter lang werden, täglich etwa eine Tonne Tomaten für die Supermärkte in Reykjavik geerntet werden und holländische Hummeln für die Bestäu-bung sorgen. In einem kleinen Café im Gewächshaus wurde für 1000 ISK bei angenehmen Temperaturen noch eine Tomatensuppe serviert, die man mit der Tischdekoration, einem Stöckchen Basilikum, würzen konnte. Weitere exotische Tomatenprodukte – wie zum Beispiel Tomatendessertsauce – konnte man im Shop erwerben.

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Lavahöhle und Thermalfluss Der letzte Tag begann recht schleppend, die Anfangszeit war nicht ganz klar. Um 12.00 Uhr ging es endlich los, zunächst noch ohne Guide, aber der Busfahrer bot uns eine kleine Stadtrundfahrt an, bis wir den Guide abholen konnten. Das ging dann allerdings schneller als erwartet, weshalb die Rund-fahrt nach dem ersten Haltepunkt schon beendet war. Immerhin haben die Schüler auf diese Weise die ehemalige französische Botschaft gesehen, in der 1987 Michail Gorbatschow und Ronald Reagan zusammengetroffen waren.

Leider standen an der Lavahöhle aber auch die Helme noch nicht bereit, weshalb der Busfahrer eine weitere kleine Runde durch den nahe gelegenen Ort Eyrarbakki drehte und allen die Gelegenheit gab, sich noch mit dem Nötigsten zu versorgen. Dann war es aber endlich so weit, der Abstieg in den Raufarhólshellir-Lavatunnel konnte begin-nen. Jeder hatte einen Helm mit einer Lampe bekommen, die man aber noch nicht brauchte, so lange durch die drei „skylights“ Licht in die Höhle fiel. Das Interesse an der Höhle stieg mit der Information, dass hier Teile der bekannten TV-Serie „Game of Thrones“ gedreht wurden. Auch die berühmte Youtuberin Melina-Sophie hatte sich mit ihrem Münchner Auto vor der Höhle herumgetrieben. Der Ort musste also etwas Besonders sein. Immer weiter ging es über die losen Felsen in die Höhle hinein. Im nächsten Frühjahr soll sie durch neu anzulegen-de Treppen für mehr Touristen zugänglich ge-macht werden. Alle waren sich einig, dass sie dadurch aber ihren Charakter verlieren wird. In einem Seitengang machten alle ihre Lichter aus und in völliger Dunkelheit konnte man keinen Unterschied zwischen geöffneten und geschlos-senen Augen mehr feststellen.

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Lavahöhlen entstehen, wenn die flüssi-ge Lava an der Oberfläche abkühlt und dadurch erstarrt. Sie bildet damit eine Decke, unter der weiterhin Lava fließt. Wenn diese vollständig abfließt, bleibt ein Hohlraum zurück. Von der Decke können aber immer noch Felsbrocken herabfallen, denn beim Erstarren bil-den sich Klüfte zwischen dem Lavage-stein. Der Helm ist also nicht nur zur Befestigung der Lampe da. Meist tropft von der Decke aber nur das Sickerwas-ser der letzten Regenfälle. Wäre es kälter, würden sich lange Eiszapfen bilden – sicherlich ein beeindruckendes Bild, das uns aber versagt blieb.

Bei einem kurzen Zwischenstopp im Erdbebenmuseum in Hveragerði, das sich über zwei Erdplatten erstreckt und damit sowohl in Europa als auch in Amerika steht, wurden die Schüler in einem Simula-tor bei einem Beben der Stärke 6,6 richtig durchgeschüttelt.

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Am Ortsrand beginnt der etwa dreieinhalb Kilometer lange Anstieg zu den heißen Quellen, die einen Thermalfluss speisen, in dem man baden kann. Aber vor das Vergnügen haben die Götter den Schweiß gesetzt. Etwa eine Stunde ging’s bergauf, wobei das Licht der untergehenden Sonne für ei-nige besondere Fotomotive sorgte.

Links und rechts des Weges dampfte und zischte es auf dem Hochtemperaturgebiet.

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An der Badestelle angekommen stellte sich nur die Frage: Reingehen oder nicht? Das Wasser war einladend warm und der Guide war der erste im Wasser. Bald folgten ihm die meisten, auch die Leh-rer.

Solange man im Wasser war, machte es Spaß, aber wie kommt man wieder heraus und in trockene Kleider? Schon beim Wechseln der Badestellen fror man an den Füßen und sank tief in den Schlamm ein. Ein wenig zitternd schafften das aber letztlich alle und mit dem allerletzten Sonnenlicht erreichte die Gruppe den Parkplatz, wo der Bus schon für den Rückweg nach Reykjavik wartete.

Noch wenige Stunden bis zum Aufbruch - leider ließ sich auch in diesen kein Nordlicht mehr blicken. Um 6.00 Uhr startete der Flieger zurück nach Frankfurt und am Abend waren alle wieder wohlbehal-ten und mit unzähligen neuen Eindrücken zurück. Eine unvergessliche Exkursion! Robert Bindner Franziska Harrer