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Was ist eine gute Psychotherapie? Einführung ins Thema
23. Riehener Seminar
Dienstag, 23. Oktober 2012 R. Stettler, Oberarzt Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie FMH MAS Angewandte Ethik Uni ZH Klinik Sonnenhalde Ambulante Dienste Habsburgerstrasse 15 CH-4055 Basel
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Was ist Psychotherapie?
„Psychotherapie ist eine Interaktion zwischen einem oder mehreren Patienten und einem oder mehreren Therapeuten (auf Grund einer standardisierten Ausbildung), zum Zwecke der Behandlung von Verhaltensstörungen oder Leidenszuständen (vorwiegend psychosozialer Verursachung) mit psychologischen Mitteln (oder vielleicht besser durch Kommunikation, vorwiegend verbal oder auch averbal), mit einer lehrbaren Technik, einem definierten Ziel und auf der Basis einer Theorie des normalen und abnormen Verhaltens.“
Strotzka H: Psychotherapie und Tiefenpsychologie. Ein Kurzlehrbuch. 1982
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Was zeichnet professionelle Psychotherapie aus?
Abstützen auf empirisch fundierte Konzepte
Solide und auf das Erreichen der Ausbildungsziele kontrollierte Ausbildung
Anwenden von Methoden mit nachgewiesener Wirksamkeit
Laufende Qualitätssicherung
Ziel:
– Konstant hoher Nutzen mit einem Minimum an negativen Nebenwirkungen garantieren
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Ist Psychotherapie wirksam?
Effektstärken von 0.80 in randomisierten Studien nachgewiesen
Rund 65% der Patienten werden mit deutlichem Erfolg behandelt
50% nach Therapie im psychopathologisch unauffälligen Bereich
Viermal bessere Remissionsraten als spontane Remission
Bei stärker gestörten Patienten eher höhere Wirkungen
Grawe K, 1998
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Diagnostik und Psychotherapie
Wichtig für: – Indikationsstellung (selektiv, adaptiv)
– Verständnis funktioneller Zusammenhänge
– Veränderungsmessung
– Verlaufskontrolle und Qualitätssicherung
Mittel – ICD-10, DSM-IV
– VT: Problembeschreibung / -analyse / Analyse der zu erreichenden Therapieziele / Prozess der Therapieplanung, Durchführung und Bewertung
– PA: Krankheitserleben / Bindungs- / Beziehungsmuster / aktuelle und lebensbestimmende Konflikte / Ich-Struktur
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Aspekte therapeutischen Handelns
Hauptproblem des Patienten zweites Problem drittes Problem
Systemische Aspekte
Institutionelle Rahmen- bedingungen
Ressourcen des Patienten
Störungsspezifische ätiologische Konzepte
Allgemeine ätiologische Konzepte
Persönliche Stärken und Schwächen des
Therapeuten
Alltagswissen
Grundlagenwissen
Allgemeines Veränderungswissen
Konkrete therapeutische Vorgehensweisen
Therapiebeziehung: Möglichkeiten und
Anforderungen
Therapeutisches Handeln
nach Caspar F et al., 2008
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Psychotherapieforschung
Effectiveness-Forschung – Forschung zur Wirkung unter idealen Bedingungen (Ausschluss von
Komorbiditäten, intensive Supervision etc.)
Efficiency-Forschung – Forschung unter Praxisbedingungen
Prozess-Outcome-Forschung – Forschung über die Wirkweise von Psychotherapie (z.B.
therapeutische Beziehung)
Zugrunde gelegte Konzepte aus Psychologie, Medizin, Psychopathologie, Biologie, Soziologie sollten bestmöglich empirisch fundiert sein
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Psychotherapieforschung
„Psychotherapie ist eine wunderbare Sache und in vielen Fällen nachweislich sehr, sehr
wirksam, nur leider nicht gerade für das Problem, das Sie haben, zumindest wissen
wir‘s nicht so genau.“
Caspar F, 2011
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Der störungsspezifische Ansatz – Hat er sich „zu Tode gesiegt“?
Klassischer Ansatz der Effectiveness-Forschung
Für > als 1/8 der Problem- und Störungsgruppen liegen ein oder mehrere manualisierte, wirksamkeitsüberprüfte Ansätze vor
Problem: – Studien wurden mit hochselektiven Patientengruppen ohne
Zweitstörungen gemacht
– D. h., die Studienresultate sind nur für einen sehr kleinen Anteil der PatientInnen, die wir in unserer Sprechstunde sehen, anwendbar.
Caspar F, 2011
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Therapeutische Beziehung und Therapieerfolg
Qualität der therapeutischen Beziehung erlaubt eine der zuverlässigsten Vorhersagen des Therapieerfolgs
Therapeutische Beziehung wird beeinflusst von:
– Patientenmerkmale
– Therapeutenmerkmale
– Passung zwischen Patient und Therapeut bzw Therapieangebot
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Patientenmerkmale
Bis zu 40% der Ergebnisvarianz von Psychotherapie werden von Patientenvariablen und Faktoren bestimmt (grösster Anteil der Ergebnisvarianz)
Untersuchte Faktoren 1. Grad der Funktionseinschränkung (Arbeit, Familie)
2. Grad der Komplexität bzw der Chronizität
3. Persönliches Leiden
4. Therapiewiderstand
5. Coping-Stile (Möglichkeiten der Problembewältigung)
6. Positive Erfolgserwartung
7. Zwischenmenschliche Bezogenheit (?)
nach Castonguay LG und Beutler LE, 2006
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Therapeutenmerkmale
Wenige empirische Untersuchungen
Bei der empirischen Untersuchung der Wirksamkeit verschiedener Therapien ist Therapeutenvarianz eher ein Hindernis – Es wird versucht, diese durch Standards (Manualisierung,
Adherence-Kontrolle) zu minimieren
Therapeutenvariablen werden whs umso wichtiger, je weniger das therapeutische Vorgehen im Einzelnen festgelegt ist
Neuere Ergebnisse wiesen auf grosse und konsistente Ergebnisunterschiede zwischen Therapeuten hin
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Günstige therapeutische Haltung
Wärme
Akzeptanz
Fürsorge
Anerkennung
Kooperatives und empathisches Klima
Umgang mit Konflikten anhand von Akzeptanz, aber ohne Selbstverteidigung
Aktive Gestaltung der therapeutischen Beziehung geschieht auch nonverbal!
nach Herperzt et al., 2008
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Gute Therapeuten
Fähigkeit ... – ... zur Anteil nehmenden Beobachtung
– ... negative emotionale Zustände zu ertragen und mit ihnen konstruktiv therapeutisch umzugehen
– ... zu einer therapeutischen Wir-Bildung, die auch Gegensätze und Widersprüche einschliesst
– ... eigene Grenzen wahrzunehmen und zu beachten und vor allem den Pat. nicht zur Befriedigung eigener Bedürfnisse zu benutzen
– ... etc., etc.
nach Rudolf G, 2000
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Probleme der Passung von Patient und Therapeut
3 Möglichkeiten 1. Therapeut passt von seinen individuellen Präferenzen
nicht zum Patienten
2. Therapeut passt zu gut zu einem Patienten
3. Therapeuten reagieren interaktionell ungünstig auf ein Verhalten des Patienten
• Feindseliges reagieren auf feindseligen Pat.
• Nicht-Bestehen von „Beziehungstests“
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Integrative Psychotherapie
Ebenen der Integration 1. Integration der Theorien
• Neuropsychotherapie (Grawe 2004)
2. Integration von Wirkfaktoren und Prinzipien • Mehr Freiheitsgrade in der Wahl konkreter
Vorgehensweisen
3. Integration von Techniken • Techniken werden von anderen „Schulen“
übernommen (extrem: technischer Eklektizismus)
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Unerwünschte Entwicklungen während der Psychotherapie
„Psychotherapien tun nicht immer gut, so viel ist sicher.“
Hoffmann SO et al., 2008
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Unerwünschte Entwicklungen während der Psychotherapie
nach Linden M, 2012
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Qualitätssicherung
Strukturqualität
– Organisation und Rahmenbedingungen
Prozessqualität
– Konkrete Durchführungsmodalitäten und Arbeitsabläufe
Ergebnisqualität
– Überprüfung der Resultate der therapeutischen Arbeit
Konzeptqualität
– Inhaltliche Ausrichtung (fachlich, institutionell), Leitbild
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Verbesserung der Therapie durch Ergebnisqualitätsmessung
Fragestellung: – Wird das Ergebnis einer PT beeinflusst durch regelmässiges
Feedback über die Fortschritte des Patienten an den Therapeuten?
Resultate: – Pat. in der Feeedback-Gruppe blieben länger in Behandlung
(weniger Abbrecher)
– Doppelt so viele Pat. in der Feedback-Gruppe zeigten eine klinisch signifikante Verbesserung
– Insbesondere profitierten Pat., bei denen man einen ungünstigen Verlauf vorausgesagt hatte
Lambert MJ et al, Clin Psychol Psychother, 2002
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Aspekte therapeutischen Handelns
Hauptproblem des Patienten zweites Problem drittes Problem
Systemische Aspekte
Institutionelle Rahmen- bedingungen
Ressourcen des Patienten
Störungsspezifische ätiologische Konzepte
Allgemeine ätiologische Konzepte
Persönliche Stärken und Schwächen des
Therapeuten
Alltagswissen
Grundlagenwissen
Allgemeines Veränderungswissen
Konkrete therapeutische Vorgehensweisen
Therapiebeziehung: Möglichkeiten und
Anforderungen
Therapeutisches Handeln
nach Caspar F et al., 2008
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Wichtige Literatur
Becker K und Sachse R: Therapeutisches Verstehen. Göttingen: Hogrefe, 1998.
Castonguay LG und Beutler LE (Ed.): Principles of Therapeutic Change That Work. New York: Oxford University Press, 2006.
Grawe K: Psychologische Therapie. Göttingen: Hogrefe, 1998.
Herpertz SC, Caspar F, Mundt Ch (Hrsg.): Störungsorientierte Psychotherapie. München/Jena: Urban&Fischer, 2008
Rudolf G: Psychotherapeutische Medizin und Psychosomatik. Ein einführendes Lehrbuch auf psychodynamischer Grundlage. 4. Aufl., Stuttgart: Thieme, 2000.