was ist wahrheit? - tu dresden
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Bräuer Einführung in die Theoretische PhilosophieSS 2007
Folie 254
Was ist Wahrheit?
Erkenntnistheorie
Bräuer Einführung in die Theoretische PhilosophieSS 2007
Folie 255
Eigenschaften der Wahrheit
Objektivität: Die Wahrheit einer Proposition hängt nicht davon ab, ob sie irgendjemand für wahr hält oder nicht. Es besteht eine Differenz zwischen „Wahr-Sein“ und „Für-Wahr-Halten“.
Zeitlosigkeit: Eine Proposition, im Unterschied zum Für-Wahr-Halten (Überzeugung), Erkenntnis oder Wissen, kann nicht ihren Wahrheitswert mit der Zeit verändern. Wahrheit hat keine Geschichte, Glauben und Wissen hingegen schon.
Wahrheit ist sprachübergreifend: Wenn der Wahrheitsbegriff nicht in allen Sprachen derselbe wäre, dann ließen sich die Sätze der verschiedenen Sprachen nicht ineinander übersetzen.
Transzendenz (Realismus): Wahrheit ist unabhängig von Erkennbarkeit. Es ist prinzipiellmöglich, dass es Wahrheiten gibt, die wir nicht erkennen können. Zu wissen, was Wahrheit ist (eine Definition der Wahrheit zu kennen), hat nur mittelbar etwas damit zu tun, dass ich weiß, wie ich herausfinden kann, was wahr ist (d.h. ein Kriterium der Wahrheit zu kennen).
Immanenz (Anti-Realismus): Wahrheit und Erkenntnis sind untrennbar miteinander verbunden. Wenn ich weiß, was Wahrheit ist (wenn ich die Definition der Wahrheit kenne bzw. den Begriff der Wahrheit anwenden kann), dann weiß ich notwendig auch, wie ich herausfinden kann, was wahr ist (d.h. dann kenne ich zugleich ein Kriterium der Wahrheit).
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Wahrheitsträger
Was kann überhaupt wahr oder falsch sein?
Sätze (abstrakte sprachliche Formen)Äußerungen (konkrete sprachliche Handlungen)Urteile (konkrete psychische Ereignisse)Überzeugungen (konkrete psychische Zustände)Propositionen (abstrakte semantische Objekte)
Der Vorteil für einen sprachlichen Wahrheitsträger liegt darin, dass Sätze und Äußerungen recht gut „greifbar“ sind. Andererseits besteht der Nachteil, dass Sätze und Äußerungen sprachrelativ sind, während Wahrheit sprachübergreifend zu verstehen ist.
Der Vorteil von psychischen Wahrheitsträgern liegt darin, dass sie nicht sprachrelativ sind. Andererseits sind psychische Zustände oder Ereignisse an bestimmte, konkrete Personen gebunden, während Wahrheit eine objektive Eigenschaft ist, die den Inhalten von Überzeugungen und Urteilen zukommt, nicht den psychischen Zuständen oder Ereignissen selbst.
Der Vorteil von Propositionen (den Inhalten von Sätzen, Äußerungen, Urteilen und Überzeugungen) besteht darin, dass sie weder sprachrelativ noch subjektiv sind. Leider haben wir keinen offensichtlichen Zugang zu Propositionen – sie sind schwer „greifbar“.
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Die Korrespondenztheorie
Die Korrespondenztheorie der Wahrheit ist ungefähr so alt wie die Philosophie selbst. Ihre Grundidee findet sich schon bei Aristoteles explizit formuliert:
Etwas ist wahr, wenn es mit der Welt im Einklang steht.
Eine Proposition ist wahr, gdw. es eine Tatsache gibt, mit der sie übereinstimmt.
Was heißt „Übereinstimmung mit einer Tatsache“? Lässt sich diese Redeweise noch weiter präzisieren?
Bildtheorie (Wittgenstein) semantische Theorie (Tarski)
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Folie 258
KorrespondenztheorieWittgensteins Bild-Theorie
„Die Katze sitzt auf der Matte.“
die Katze
sitzt auf
der Matte
Semantische Bedingung: Die Teilelemente eines Satzes stehen für entsprechende Elemente der Tatsachen.
Bedingung der Strukturgleichheit: Die Teilelemente eines Satzes sind untereinander genauso angeordnet wie die Teilelemente der Tatsache. (Der Satz ist ein „Bild“ der Tatsache.)
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KorrespondenztheorieWittgensteins Bild-Theorie
Universalienproblem: Es ist umstritten, dass es neben Einzelgegenständen wie Katzen und Matten auch Universalien wie Eigenschaften oder Relationen (wie der des Auf-etwas-Sitzens) gibt.
Anordnungsproblem: Ist die Anordnung der Teile einer Tatsache selbst ein Teil der Tatsache. Dann aber hat unsere Beispieltatsache nicht 3, sondern 4 Elemente. Und wenn dies der Fall ist, dann muss es auch für diese eine gewisse Anordnung geben usw.
Das Problem fehlender korrespondierender Tatsachen:Negative, wahre Sätze: „Bello sitzt nicht auf der Matte.“Existenzsätze: „Es gibt eine Katze, die auf der Matte sitzt.“Kontrafaktische Sätze: „Bello könnte auf der Matte sitzen.“Probabilistische Sätze: „Höchstwahrscheinlich sitzt die Katze auf der Matte.“Mathematische Sätze: „2+2=4.“
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KorrespondenztheorieWittgensteins Bild-Theorie
Das Slingshot-Argument
Korrespondenztheorie: Sätze korrespondieren mit Tatsachen.Semantische Bedingung: Die Teilausdrücke eines Satzes stehen für etwas in der Welt.Extensionalitätsbedingung: Wenn man einen Teilausdruck eines Satzes durch einen anderen ersetzt, der für dasselbe steht, dann korrespondiert der Satz, der sich daraus ergibt, mit derselben Tatsache wie der ursprüngliche Satz.
Scott ist der Autor von Waverly.Substitution
Scott ist der, der 29 Waverly-Novellen geschrieben hat.Synonymie
Die Anzahl von Scotts Waverly-Novellen ist 29.Substitution
Die Anzahl der Verwaltungsbezirke in Utah ist 29.Synonymie
Utah hat 29 Verwaltungsbezirke.
Alonzo Church(1903-1995)
Jeder dieser Sätze bringt
dieselbe Tatsache
zum Ausdruck
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Tarskis semantische Theorie der Wahrheit
Alfred Tarski (1901-1983)
Tarski ist ein polnisch-amerikanischer Logiker, der ab 1942 in Berkeley lehrte. Er gilt als der Begründer der formalen Semantik („Modelltheorie“). Seine Arbeiten zum Problem der Definition der Wahrheit waren bahnbrechend und hatten einen großen Einfluss auf die Philosophie.
Wichtigste Werke:
„Der Wahrheitsbegriff in den formalisierten Sprachen“ (1936)„The Semantic Conception of Truthand the Foundations of Semantics“ (1944)
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KorrespondenztheorieTarskis semantische Theorie
Etwas ist wahr, wenn es mit der Welt im Einklang steht.
Ein Satz ist dann wahr, wenn es sich so verhält, wie der Satz sagt.
„x“ ist wahr in L, gdw. p
Tarski ist der Auffassung, dass eine Theorie der Wahrheit so beschaffen sein muss, dass sich aus dieser Sätze der obigen Form ableiten lassen müsse (T-Sätze).
• „Grass is green“ ist wahr im Englischen, gdw. Gras grün ist.• „Neapel liegt südlich von Rom“ ist wahr im Deutschen, gdw. Neapel südlich von Rom liegt.• usw. ...
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Tarskis semantische Theorie der Wahrheit
Paradoxien in natürlichen Sprachen
Ist Wahrheit für eine natürliche Sprache überhaupt definierbar?
(W) Der Satz W ist nicht wahr.
Wenn W wahr ist, dann verhält es sich so, wie W sagt, d.h. W ist nicht wahr. Demzufolge ist W genau dann wahr, wenn W nicht wahr ist, was zu einem Widerspruch in unserer Wahrheitsdefinition führt.
Natürliche Sprachen wie das Deutsche oder Englische enthalten die Möglichkeit solcher Widersprüche. Jede haltbare Erklärung des Wahrheitsbegriffs muss also erklären können, wie solche Paradoxien aufgelöst werden können.
Tarski zieht die Konsequenz, dass der Wahrheitsbegriff für eine natürliche Sprache nicht definiert werden kann, sondern nur für sog. formale Sprachen, d.h. Sprachen, in denen jeder Ausdruck explizit und eindeutig definiert ist! In formalen Sprachen kann die Entstehung des Widerspruchs verhindert werden, wenn man das Wahrheitsprädikat so einschränkt, dass es nicht auf die eigene Sprache angewendet werden darf. Dies lässt sich technisch so lösen, dass man zwischen Objekt- und Metasprache unterscheidet und das Prädikat „ist wahr“ in der Objektsprache verbietet.
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Tarskis semantische Theorie der Wahrheit
Objekt- und Metasprache
(1) „Grass is green“ ist wahr im Englischen gdw. Gras grün ist.
Objektsprache Metasprache
Es gilt eine wichtige Unterscheidung zu treffen. Tarski nennt die Sprache, zu der der Satz gehört, über dessen Wahrheit wir reden, die Objektsprache (in unserem Beispiel ist das das Englische); und er nennt die Sprache, in der wir die Wahrheitsdefinition geben, die Metasprache bzw. Theoriesprache (in unserem Beispiel ist das das Deutsche).
Dies impliziert nicht, dass (1) ein Satz ist, der zwei Sprachen enthält! Obwohl die in Anführungszeichen gesetzte Zeichenfolge ein englischer Satz ist, ist die Zeichenfolge, die sich durch Hinzufügung der Anführungszeichen am Anfang und am Ende ergibt, ein Ausdruck der deutschen Sprache, der einen englischen Satz benennt.
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KorrespondenztheorieTarskis semantische Theorie
Die Konvention T
(T) „x“ ist wahr in LO, gdw. p
Falls eine Wahrheitsdefinition adäquat ist, dann liefert diese für alle Sätze von LO, die wir für x einsetzen dürfen, einen T-Satz, der mittels eines metasprachlichen Satzes p angibt, wann x wahr ist. Das Verhältnis von x und p ist nicht beliebig:
(T-1) „Gras ist grün“ ist wahr im Deutschen, gdw. Schnee weiß ist. ???
(T-1) ist zwar wahr, weil beide Seiten des Konditionals wahr sind, aber nicht adäquat.
(Korrektheitsbedingung) Eine Wahrheitsdefinition für eine Sprache LO impliziert alle korrekten Sätze des Schemas
(T) „x“ ist wahr in LO, gdw. p
(Adäquatheitsbedingung) so dass x ein Satz der Objektsprache LO und p eine Übersetzung von x in die Theoriesprache (Metasprache) ist.
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Bräuer Einführung in die Theoretische PhilosophieSS 2007
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KorrespondenztheorieTarskis semantische Theorie
Wie sieht denn nun eine Wahrheitsdefinition aus?
(T-2) „Gras ist grün“ ist wahr im Deutschen, gdw. Gras grün ist.
Dieser T-Satz stellt zwar eine adäquate Definition der Wahrheit für den deutschen Satz „Gras ist grün“ dar, das ist aber noch nicht das, was wir eigentlich haben wollen: eine allgemeine Definition des Wahrheitsbegriffs für alle Sätze der betreffenden Sprache.
Listenförmige Definitionen
(T-3) „Schnee ist weiß“ ist wahr, gdw. Schnee weiß ist.(T-4) „Im Winter ist es kalt“ ist wahr, gdw. es im Winter kalt ist.(T-5) „Der Mount Everest ist die höchste Erhebung auf der Erde.“ ist wahr,
gdw. der Mount Everest die höchste Erhebung auf der Erde ist....
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KorrespondenztheorieTarskis semantische Theorie
Wie sieht denn nun eine Wahrheitsdefinition aus?
Rekursive Definitionen
atomare Sätze:• Falls S ein Satz der Form „F(a)“ in L ist, dann ist S in L wahr, gdw. das Individuum, welches a denotiert, Element der Klasse von Individuen ist, welche F denotieren.
komplexe Sätze:• Falls S ein Satz der Form „G und H“ in L ist, dann ist S in L wahr, gdw. G wahr ist und H wahr ist.• Falls S ein Satz der Form „G oder H“ in L ist, dann ist S in L wahr, gdw. G wahr ist oder H wahr ist.• Falls S ein Satz der Form „Für alle x, Fx“ in L ist, dann ist S in L wahr, gdw. F(i) für alle Belegungen i für die Variable x wahr ist.• ...
Abschluss:• Nichts sonst ist wahr in L.
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Die Redundanztheorie
Berechtigt uns das T-Schema dazu, jeden Satz der Form p ist wahr durch einen Satz der Form p zu ersetzen?
Und heißt das nicht, dass wir jederzeit, statt zu sagen, ein Satz sei wahr, das Wörtchen wahr streichen und den Satz einfach behaupten können?
Die Redundanztheorie der Wahrheit behauptet, dass das Wort „wahr“ bzw. der Begriff der Wahrheit überflüssig, weil redundant ist. Das ist eine erstaunliche These, die leider nicht unproblematisch ist.
F.P. Ramsey W.V.O. Quine
Berechtigt uns der Satz
„Gras ist grün“ ist wahr Gras ist grün.
jederzeit von „‘Gras ist grün‘ ist wahr.“ auf „Gras ist grün.“ zu schließen?
Bräuer Einführung in die Theoretische PhilosophieSS 2007
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Die Redundanztheorie
Verallgemeinerungen: Alles, was der Papst sagt, ist wahr.
Wie soll man hier den den Wahrheitsbegriff eliminieren? Erstens wird nicht genau gesagt, was der Papst sagt; zweitens kommt man durch Streichung von „ist wahr“ nicht einmal zu einem vollständigen Satz, mit dem man etwas unter Weglassung des Wahrheitsprädikats behaupten könnte.
Negationen: Es ist nicht wahr, dass Gras rot ist.
Wenn man diesen Satz ohne Verwendung von „ist wahr“ behaupten wollte, müsste man das so ausdrücken:
Gras ist nicht rot.
Wie aber erklärt man dann die Funktion von „nicht“? Die Hinzufügung des Wörtchens „nicht“ macht aus einer wahren Behauptung eine falsche und aus einer falschen eine wahre. Falls das so ist, dann ist der Begriff der Wahrheit unabdingbar, um gewisse grundlegende logische Ausdrücke (nicht, oder, und ...) zu erklären.
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Epistemische Wahrheitstheorien
(1) Rationale Akzeptierbarkeit
Der Antirealist behauptet gegen die realistische Auffassung der Wahrheit, dass Wahrheit untrennbar mir Erkenntnis verbunden ist. Diese Grundidee hat vielfältige Ausformulierungen gefunden. Eine lautet, dass eine Proposition genau dann wahr ist, wenn sie unter idealen Bedingungen rational akzeptierbar ist:
Eine Proposition ist wahr, gdw. sie unter idealen oder optimalen Bedingungen von einer vollständig rationalen Person akzeptiert werden würde.
Wahr ist demzufolge das, was vollständig vernünftige Menschen nach ausreichender Nachforschung für wahr halten. Wahrheit übersteigt die Perspektive rationaler Personen grundsätzlich nicht, sie ist m.a.W. eine immanente Eigenschaft unserer sprachlichen Praxis.
Charles SandersPeirce
(1839-1914)
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EpistemischeWahrheitstheorien
Idealisierungen: Da wir keine vollständig rationalen Personen sind und die Bedingungen auch niemals ideal sind, ist es fraglich, ob wir je herausfinden können, was eine vollständig rationale Person unter idealen Bedingungen akzeptieren würde. Da wir dies aber herausfinden müssten, um denepistemisch verstandenen Wahrheitsbegriff überhaupt anwenden zu können, ist auch mehr als fraglich, ob wir den Wahrheitsbegriff überhaupt anwenden können. Nun können wir ihn aber anwenden.
Akzeptanz: Was ist mit „Akzeptanz“ gemeint? Man kann etwas aus unterschiedlichen Gründen akzeptieren. Der relevante Begriff von Akzeptanz muss in diesem Zusammenhang lauten: Etwas (eine Proposition, einen Satz usw.) als wahr akzeptieren. Damit wird aber die gegebene Definition zirkulär. Wir müssten Wahrheit schon voraussetzen.
Rationalität: Es ist ebenfalls nur schwer zu sehen, wie man den Begriff der Rationalität explizieren könnte, ohne dabei den Begriff der Wahrheit zu verwenden.
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EpistemischeWahrheitstheorien
(2) Konsenstheorie
Eine besondere Variante der epistemischen Wahrheitskonzeptionen stellt die sog. Konsenstheorie dar. Ihr zufolge ist wahr das, worauf sich alle einigen können:
Eine Proposition ist wahr, gdw. sie unter idealen und optimalen Bedingungen für alle Mitglieder einer Sprechergemeinschaftrational akzeptierbar ist.
Die Probleme mit den Idealisierungen sowie der Bestimmung von Akzeptanz und Rationalität stellen sich hier erneut.
Zusätzlich fragt sich, warum Wahrheit eine soziale Angelegenheit sein soll. Bestätigt Konsens nicht bestenfalls manchmal (und bestimmtnicht immer) eine Wahrheit, anstatt sie allererst zu begründen?
Jürgen Habermas Karl Otto Apel
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EpistemischeWahrheitstheorien
(3) Kohärenztheorien
Wenn wir uns fragen, ob ein Satz oder eine Überzeugung wahr ist, haben wir dann nicht immer nur andere Sätze oder Überzeugungen, auf die wir uns dabei stützen können? Ist dann Wahrheit nicht vielleicht ein Merkmal, dass ein Satz oder eine Überzeugung nur in einem ganzen System von Sätzen oderÜberzeugungen haben kann?
Eine Überzeugung ist wahr, gdw. sie ein Element in einem kohärenten System von Überzeugungen ist.
Wir müssen klären, was unter Kohärenz zu verstehen ist.
(1) Die Überzeugungen müssen logisch konsistent und dürfen nichtwidersprüchlich sein.(2) Die Überzeugungen müssen untereinander in einem Schlussfolgerungs-, Rechtfertigungs- und Erklärungszusammenhang stehen.
B. Blanshard O. Neurath D. Davidson
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EpistemischeWahrheitstheorien
Probleme für die Kohärenztheorie
Alternativsysteme 1: Zu jedem kohärenten System von Überzeugungen gibt es mindestens ein anderes, ebenfalls kohärentes System von Überzeugungen derart, dass beide Systeme sich gegenseitig logisch ausschließen.
Alternativsysteme 2: Man kann kohärente Märchen erzählen. Man kann überhaupt irgendein beliebiges kohärentes System von Überzeugungen konstruieren, das nichts mit unserer Wirklichkeit gemein haben muss.
Holismus: Eine Überzeugung allein kann gemäß der Kohärenztheorie weder wahr noch falsch sein; sie muss immer in Bezug auf ein System von Überzeugungen auf ihre Wahrheit/Falschheit beurteilt werden. Das ist eine starke, kontraintuitive These.
Definitionszirkel: Wie kann man erklären, was mit logischer Konsistenz, Schlussfolgerung oder Erklärung gemeint ist, ohne dabei schon den Begriff der Wahrheit in Anspruch zu nehmen? Das ist zirkulär.
Bräuer Einführung in die Theoretische PhilosophieSS 2007
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EpistemischeWahrheitstheorien
(1) Rationale Akzeptierbarkeit
Eine Proposition ist wahr, gdw. sie unter idealen oder optimalen Bedingungen von einer vollständig rationalen Person akzeptiert werden würde.
(2) Konsenstheorie
Eine Proposition ist wahr, gdw. sie unter idealen und optimalen Bedingungen für alle Mitglieder einer Sprechergemeinschaft rational akzeptierbar ist.
(3) Kohärenztheorien
Eine Überzeugung ist wahr, gdw. sie ein Element in einem kohärenten System von Überzeugungen ist.
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Bräuer Einführung in die Theoretische PhilosophieSS 2007
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Worin bestehtRechtfertigung?
Erkenntnistheorie
Bräuer Einführung in die Theoretische PhilosophieSS 2007
Folie 277
Worin besteht Rechtfertigung?
Die Rechtfertigungsrelation
Überzeugung und Wahrheit sind semantische Eigenschaften des Wissen.Rechtfertigung ist im ausgezeichneten Sinne epistemisch.Die (epistemische) Rechtfertigung ist ein Mittel, um wahre Überzeugungen zu erzielen:
Die epistemische Rechtfertigung ist (definiert als)ein gutes (geeignetes) Mittel zur Erzielung wahrer Überzeugungen
Gute oder geeignete Mittel müssen nicht erfolgsgarantierend sein. Es genügt, wenn sie den Erfolg wahrscheinlich machen. Die Definition der Rechtfertigung schließt daher deren Fehlbarkeit und Anfechtbarkeit nicht aus! Gerechtfertigte, aber trotzdem falsche Überzeugungen sind möglich.
Die fallibilistische Auffassung von Rechtfertigung
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Bräuer Einführung in die Theoretische PhilosophieSS 2007
Folie 278
Worin besteht Rechtfertigung?
Eigenschaften der Rechtfertigungsrelation
Zeitrelativität: Jede Rechtfertigung für eine Überzeugung kann durch den Erwerb zusätzlicher Informationen zu einem späteren Zeitpunkt aufgehoben werden.
Personenrelativität: Zwei Personen können zwar eine Überzeugung teilen, es ist aber nicht (noch nicht einmal meistens) so, dass beider Überzeugung gleichermaßen gerechtfertigt ist!
Rechtfertigung ist evaluativ: Gerechtfertigt ist jemand, wenn er gute Gründe für seine Überzeugungen besitzt.
Rechtfertigung ist graduell: Jemand kann für seine Meinung schwache oder starke Gründe haben, er kann diese durch zusätzliche Belege verstärken oder abschwächen.
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Folie 279
Die Definition der Rechtfertigung
Eine Person S ist gerechtfertigt zu glauben, dass p, gdw.(1) S Gründe für seine Meinung, dass p, hat;(2) die Gründe von S adäquat (gut) sind; und(3) diese adäquaten Gründe die Meinung von S stützen.
(1) Die Rechtfertigung einer Überzeugung setzt voraus, dass es „Rechtfertiger“ für diese Überzeugung, d. h. Gründe für sie gibt.
(2) Gründe können eine Überzeugung nur dann rechtfertigen, wenn es sich um gute und nicht nur irgendwelche Gründe handelt.
(3) Die Gründe müssen Gründe für die zu rechtfertigende Überzeugung sein. Überzeugungen und Gründe dürfen in keinem beliebigen Verhältnis zueinander stehen, d.h. die Gründe müssen die Überzeugung stützen.
William P. Alston
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Folie 280
Probleme der Stützungsbeziehung
Irene glaubt, dass es draußen regnet. Sie hört den Regen auf das Vordach ihrer Veranda tropfen. Sie hätte damit einen exzellenten (adäquaten) Grund für ihre Meinung. Allerdings ist Irene unaufmerksam. Sie ist abgelenkt. Sie glaubt, dass es regnet, weil sie es in der lokalen Wettervorhersage gehört hat. Die Wettervorhersage aber ist in ihren Breiten normalerweise sehr unzuverlässig und kommt daher nicht als adäquater Grund für ihre Meinung infrage. Ist Irenes Meinung gerechtfertigt?
Wettervorhersage Regen auf Vordach
Es regnet!
Irene hat eine Überzeugung und einen adäquaten Grund für diese: ihre Wahrnehmung der Regentropfen auf dem Verandadach. Der Grund stützt ihre Meinung.
Irene hat jedoch ihre Überzeugung nicht, weil sie diesen guten Grund hat, sondern weil sie die Wettervorhersage gehört hat, die ein schlechter Grund für ihre Überzeugung ist.
Damit eine Meinung gerechtfertigt ist, muss man für diese Meinung nicht nur gute und stützende Gründe haben. Man muss selbst Grund zu der Annahme haben, dass diese Gründe die Meinung stützen. Man muss beides (richtig) miteinander in Verbindung bringen!
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Folie 281
Probleme der Stützungsbeziehung
Die Bedingungen sind nicht hinreichend. Was ist zu tun? Müssen wir die dritte Bedingung weiter einschränken, um Fälle wie den von Irene auszuschließen?
Eine Person S ist gerechtfertigt zu glauben, dass p, gdw.(1), (2), (3) und(4) S gerechtfertigt ist zu glauben, dass die
Stützungsbeziehung besteht.
Diese Definition ist entweder zirkulär („gerechtfertigt“ im Definiens) oder führt in einen infiniten Regress von sich aufstufenden Rechtfertigungen (wann ist S gerechtfertigt, zu glauben, dass p? usw.).
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Folie 282
Probleme der Stützungsbeziehung
Die kausale Analyse der Stützungsbeziehung
Wir bemerken, dass Ernies Auto nicht vor dem Haus steht; dass das Licht in seiner Wohnung aus ist usw.. Wir schließen sofort daraus, dass Ernie nicht zuhause ist, ohne überhaupt daran zu denken, welche Überzeugungen wir haben und ob die eine die andere stützt. Dennoch können wir in unserer Auffassung gerechtfertigt sein.
Das Haben gerechtfertigter Überzeugungen setzt keine Metaüberzeugungen sowie deren Beziehungen untereinander voraus. Da aber dennoch eine „Verbindung“ zwischen Rechtfertiger und Gerechtfertigtem bestehen muss, liegt folgende alternative Erklärung nahe:
S ist zum Zeitpunkt t gerechtfertigt zu glauben, dass p, gdw.(1), (2), (3) und(4) die Gründe für die Überzeugung die Überzeugung, dass p, in angemessener Weise verursachen.
A.I.Goldman W.P. Alston
Bräuer Einführung in die Theoretische PhilosophieSS 2007
Folie 283
Probleme der Stützungsbeziehung
Rechtfertigung setzt kognitive Zugänglichkeit voraus.
Eine Überzeugung ist nur dann gerechtfertigt, wenn man sie tatsächlich rechtfertigen bzw. begründen kann.
Keine epistemischen Rechte ohne epistemische Pflichten.
Die Rechtfertigung muss einer Person selbst nicht kognitiv zugänglich sein.
Eine Überzeugung kann gerechtfertigt sein, ohne dass die Person die Überzeugung rechtfertigen bzw. begründen kann.
Epistemische Rechte ohne episte-mische Pflichten sind möglich.
InternalismusExternalismus
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Bräuer Einführung in die Theoretische PhilosophieSS 2007
Folie 284
Welche Gründe sind adäquat?
Ein Kommissar ist mit der Untersuchung eines Mordfalls beschäftigt. Er glaubt, dass der Koch den Grafen umgebracht hat. Die Begründung dieser Annahme liegt für ihn darin, dass es nur drei weitere mögliche Täter gibt, nämlich den Fahrer, den Butler und den Gärtner, dass alle drei, anders als der Koch, handfeste Alibis haben und dass kein Zweifel daran bestehen kann, dass der Graf tatsächlich umgebracht worden ist und nicht Selbstmord beging oder eines natürlichen Todes starb.
Sind diese Gründe gute Gründe für die Überzeugung, dass der Kochden Grafen umgebracht hat?Ist die Annahme, dass es nur drei weitere mögliche Täter gibt, gerechtfertigt?Ist die Annahme, dass die Alibis der anderen wasserdicht sind, selbst wasserdicht?Sind die Annahmen, dass der Koch kein gutes Alibi hat und der Graf tatsächlich umgebracht worden ist, gut begründet?
Bräuer Einführung in die Theoretische PhilosophieSS 2007
Folie 285
Welche Gründe sind adäquat?Das Rechtfertigungstrilemma
Allgemein kann man sich die Situation folgendermaßen klar machen: Eine gerechtfertigte Überzeugung setzt voraus, dass es für diese Überzeugung einen adäquaten Grund G1 gibt:
Überzeugung Grund1
Ob dieser Grund auch adäquat ist, hängt davon ab, ob er sich selbst wieder rechtfertigen lässt:
Grund1 Grund2
Entscheidend ist, dass Ü ⇒ G1 nur dann gilt, wenn G1 ⇒ G2
Überzeugung Grund1 Grund2
Welche Implikationen hat das?
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Bräuer Einführung in die Theoretische PhilosophieSS 2007
Folie 286
Welche Gründe sind adäquat?Das Rechtfertigungstrilemma
Infiniter Regress: Ü G1 G2 G3 ...
Ein infiniter Regress von Gründen ist inakzeptabel, weil Menschen endliche Wesen sind und keine unendliche Anzahl von Überzeugungen haben können.
Dogmatischer Abbruch: Ü G1 G2 G3
Ein letzter Grund (ein Regress-Stopper) kann nur wieder eine Überzeugung sein und es ist dogmatisch, an einer bestimmten Stelle mit dem Begründen aufzuhören.
Circulus Vitiosus: Ü G1 G2 G3 Ü
Der Begründungszirkel führt zu einer sich selbst begründenden Meinung und macht das Rechtfertigen überflüssig.
Bräuer Einführung in die Theoretische PhilosophieSS 2007
Folie 287
Welche Gründe sind adäquat?Positionen zur Rechtfertigung
FundamentalismusEs gibt ausgezeichnete Typen von Überzeugungen (Regress-Stopper), die keiner weiteren Begründung bedürfen. („Dogmen sind nicht immer schlecht.“)
KohärentismusEin Rechtfertigungszirkel kann vermieden werden, wenn wir unsere Überzeugungen und ihre Gründe vor dem Hintergrund eines ganzen Systems von Überzeugungen – vor dem Hintergrund einer Theorie – betrachten. („Ein Rechtfertigungszirkel ist nicht immer schlecht.“)
KontextualismusEs gibt keinen wirklichen infiniten Regress des Rechtfertigens. In der Praxis hängt es vom Kontext und unseren Konventionen ab, welche Gründe wir für adäquat halten. („Es gibt zwar theoretisch einen infiniten Regress, aber nicht faktisch.“)
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Bräuer Einführung in die Theoretische PhilosophieSS 2007
Folie 288
Fundamentalismus
Argumente für den Fundamentalismus
Gewissheitsargument: Wissen und Rechtfertigung erfordern Unfehlbarkeit. Unfehlbarkeit ist nur möglich, wenn es basale Meinungen gibt.• Für Wissen ist keine starke Infallibilität erforderlich; Rechtfertigung erfordert nur Wahrscheinlichkeit der Wahrheit
Regressargument: Da es Rechtfertigung wirklich gibt und diese weder durch einen Zirkel, noch durch einen infiniten Regress möglich wäre, muss es basale Meinungen geben.• Es könnte sein, dass wir im Alltag die Rechtfertigung an irgendeiner Stelle tatsächlich abbrechen und nicht weiterfragen. D.h. müssen wir zu keinen ausgezeichneten basalen Meinungen gelangen.
Isolationsargument: Wir besitzen empirisches Wissen. Nur wenn es unmittelbar durch die Erfahrung gerechtfertigte, basale Meinungen gibt, kann man dieses überhaupt erlangen.• Meinungen über empirische Tatsachen sind zwar basal, aber nicht unrevidierbar oder infallibel.
Bräuer Einführung in die Theoretische PhilosophieSS 2007
Folie 289
Fundamentalismus
Intuitionistischer Fundamentalismus: Die Basis der Rechtfertigung bilden selbstevidente Meinungen, die unmittelbar einleuchtend und nicht sinnvoll anzweifelbar sind.• Die Wissenschaftsgeschichte liefert jede Menge Beispielmaterial dafür, dass auch scheinbar selbstevidente Meinungen widerlegt worden sind. (Beispiel: Bewegung der Sonne um die Erde)
Doxastischer Fundamentalismus: Die Basis der Rechtfertigung bilden Meinungen über die eigenen mentalen Zustände.• Lernen wir nicht zuerst, über die Welt zu urteilen, und dann erst über unser Erleben der Welt? Überzeugungen über die eigenen mentalen Zustände allein können keine Überzeugungen über etwas anderes (die Welt) rechtfertigen. Es entsteht ein „Außenwelt-Problem“.
Empiristischer Fundamentalimus: Die Rechtfertigung hat ihr Fundament im „Gegebenen“, d.h. den unmittelbaren Erfahrungen, die wir machen.• Das „Gegebene“ ist keine Überzeugung, sondern eine Art unmittelbares Erlebnis. Ein Erlebnis als solches kann nichts rechtfertigen, denn nur die Überzeugungen, die ich mir aufgrund dieses Erlebnisses bilde, können Gründe für Meinungen sein.
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Bräuer Einführung in die Theoretische PhilosophieSS 2007
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Kohärentismus
Die wichtigste Alternative zum Fundamentalismus besteht darin, Rechtfertigungsbeziehungen zwischen allen Überzeugungen eines Überzeugungssystems anzunehmen und die Möglichkeit eines Fundaments der Rechtfertigung zurückzuweisen.
Eigenschaften der Kohärenz
• logische Konsistenz (Widerspruchsfreiheit)• inferentielle Beziehungen (Prämissen – Konklusionen)• explanatorische Beziehungen (Annahme – Begründung)
Wie Schiffer sind wir, die ihr Schiff auf offener See umbauen müssen, ohne es jemals in einem Dock zerlegen und aus besten Bestandteilen neu errichten zu können. (Otto Neurath, 1932/33)
Bräuer Einführung in die Theoretische PhilosophieSS 2007
Folie 291
Kohärentismus
Der Relativismuseinwand
Wer es ernst meint mit der Kohärenz als alleiniges Kriterium der Wahrheit, muss beliebig erdichtete Märchen für ebenso wahr halten wie einen historischen Bericht oder Sätze in einem Lehrbuch der Chemie, wenn nur die Märchen so gut erfunden sind, dass nirgends ein Widerspruch auftritt. (Moritz Schlick, 1934)
Der Isolationseinwand
Die anderen können ... nicht etwa einwenden, dass dieses Verfahren den Beobachtungen widerstreite, denn nach der Kohärenzlehre kommt es auf irgendwelche ‚Beobachtungen‘ gar nicht an, sondern allein auf die Verträglichkeit der Aussagen. (Moritz Schlick, 1934)
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Bräuer Einführung in die Theoretische PhilosophieSS 2007
Folie 292
Kohärentismus
Konsistenz und Komplexität
Konsistenz ist eine zu starke Eigenschaft, da bereits durch eine einzige Inkonsistenz im Meinungssystem die Kohärenz des Gesamtsystems gestört werden kann. In der Regel sind die meisten realen und reichhaltigen Wissenssysteme oder Datenbanken irgendwo inkonsistent.
Die Kohärenz eines umfangreichen Meinungssystems ist eine so komplexe Eigenschaft, dass wir sie in der Regel gar nicht erfassen, geschweige denn beweisen können.
„negativer“ Kohärentismus: Zwar ist Kohärenz keine Quelle der Rechtfertigung; Inkohärenz aber ist ein Grund zur Revision oder Korrektur von ehemals gerechtfertigten Meinungen.
Bräuer Einführung in die Theoretische PhilosophieSS 2007
Folie 293
Kontextualismus
Ob ein Grund eine Überzeugung rechtfertigt und wie stark diese Rechtfertigung ist, hängt Kontextualisten zufolge vom Kontext ab und variiert mit dem Kontext.
Was ein Grund ist und wie gut ein Grund ist, variiert mit dem Kontext.
Wer von einem Kontext in einen anderen wechselt, kann plötzlich Rechtfertigung erwerben oder verlieren.
Gründe sind nicht absolut gut oder schlecht.
Wo die Kette der Begründungen aufhören kann, hängt im Wesentlichen vom Kontext ab.
Keith DeRose
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Bräuer Einführung in die Theoretische PhilosophieSS 2007
Folie 294
Kontextualismus
Was ein Grund ist und wie gut ein Grund ist, variiert mit dem Kontext.Kurt ist Hobby-Archäologe und findet zufällig einen alten Krug. Mehrere Anzeichen sprechen dafür, dass es sich um einen spätmittelalterlichen Krug handelt und Kurts Handbuch zum Thema bestätigt diesen Eindruck. Kurt hat also gute Gründe für die Annahme, dass es sich um einen spätmittelalterlichen Krug handelt. Kurt hat alles getan, was er konnte. In seiner Situation gibt es keine besseren Gründe für seine Überzeugung.Maria ist professionelle Archäologin. Für sie sind Kurts Gründe allenfalls Indizien, aber um zu einer begründeten Meinung gelangen, muss sie einige raffinierte Methoden anwenden. Kurts Indizien zählen für sie nicht. Sie sind inadäquat. Ihre Standards der Begründung sind in dieser Situation viel höher.
Wer von einem Kontext in einen anderen wechselt, kann plötzlich Rechtfertigung erwerben oder verlieren.Auch für Maria sind Kurts Indizien, wenn sie im Urlaub ist und den Krug findet, sehr gute Gründe für die Annahme, dass er spätmittelalterlich ist. Sobald sie wieder auf Arbeit ist, verliert sie diese Rechtfertigung.
Gründe sind nicht absolut gut oder schlecht.Ein Argument gegen die Kugelform der Erde war, dass die Antipoden auf der jeweils anderen Seite des Globus mit dem Kopf nach unten hängen würden. Dies ist nur solange ein gutes Argument, wie es die von uns heute akzeptierte Gravitationstheorie und Astronomie nicht gibt. Die Güte eines Grundes bemisst sich daher auch nach den jeweils zur Verfügung stehenden Hintergrundwissen.