wasserbalance – dichtwandtechnik im lausitzer
TRANSCRIPT
Dichtwandtechnik im Lausitzer
Braunkohlenbergbau
Wasserbalance
2 Dichtwandtechnik im Lausitzer Braunkohlenbergbau
3Dichtwandtechnik im Lausitzer Braunkohlenbergbau
Mit der Neustrukturierung der Braunkohlewirtschaft
nach 1990 setzten Lausitzer Ingenieure gemeinsam
mit deutschen Maschinenbaufirmen diese Entwick-
lungen fort. Seither wurden entlang von vier Lausit-
zer Tagebauen insgesamt 25 Kilometer Dichtwand
mit Tiefen zwischen 50 und 110 Metern gebaut.
Die Dichtwandtechnik gilt längst auch international
als wegweisende Umwelttechnologie, die bei effizi-
enter Rohstoffgewinnung sensible Landschaftsräume
wirkungsvoll schützt.
Bei der langfristig geplanten Fortführung der
Braunkohlenverstromung in der Lausitz nimmt das
Errichten von Dichtwänden deshalb einen wichtigen
Stellenwert ein.
Uwe Grosser, Vorstandsmitglied Ressort Bergbau
Erfindergeist
Der Lausitzer Braunkohlenbergbau hat in seiner fast
200-jährigen Geschichte viele technische Innovati-
onen hervorgebracht: die ersten Filterbrunnen, die
zu Beginn des 20. Jahrhunderts in der Grube Ilse bei
Senftenberg in Betrieb gingen oder die gewaltigen
Abraumförderbrücken, die heute die Tagebaue der
Lausitz prägen.
In den 1970er Jahren nun entwickelten Lausitzer
Ingenieure gemeinsam mit Wissenschaftlern der
Bergakademie Freiberg Technik und Technologie zur
Herstellung von Dichtwänden. Mit ihrer Hilfe gelingt
es, die mit dem Bergbau einhergehende Absenkung
des Grundwassers auf den Tagebauraum zu be-
grenzen, ohne benachbarte Gebiete zu entwässern.
Gleich drei dieser Anlagen entstanden zwischen
1979 und 1982, um die Neißeaue und die Republik
Polen vor Grundwasserabsenkung zu schützen.
Dichtwandtrasse am Tagebau Welzow-Süd zum Schutz des Lausitzer Seenlandes
4 Dichtwandtechnik im Lausitzer Braunkohlenbergbau
5Dichtwandtechnik im Lausitzer Braunkohlenbergbau
Für den Abbau der Lausitzer Bodenschätze genügt
das Entwässern durch Grabensysteme jedoch nicht.
Damit der Bergmann trockenen Fußes an die Kohle
gelangt, muss der Tagebauraum von Grundwasser
frei gehalten werden. Um die Rohstoffvorkommen
vollständig zu nutzen, dringt der Bergbau seit den
1960er Jahren in immer größere Tiefen vor. Filter-
brunnen pumpen kontinuierlich das Wasser rund um
die Tagebaufelder ab.
Insbesondere der extensiv betriebene Braunkohlen-
abbau in der DDR hat den Wasserhaushalt der Lau-
sitz auf diese Weise beeinflusst. Bis 1989 wurden
hier jährlich bis zu 200 Millionen Tonnen Braunkohle
gefördert und bis zu 1 200 Millionen Kubikmeter
Wasser gehoben. In der Folge entstand auf einem
Gebiet von 2 500 Quadratkilometern – einer Fläche
so groß wie das Saarland – ein Grundwasserdefizit
von 13,6 Milliarden Kubikmetern. Der Wasserspiegel
im Umland sank teilweise bis 70 Meter unter die
Rasensohle.
Seit 1990 ist die Braunkohlenförderung in der Lau-
sitz um mehr als 70 Prozent zurückgegangen. Das
spiegelt sich auch im Wasserhaushalt wieder. Das
Grundwasser steigt und die Landschaft findet ihre
Balance zurück. Ein weiterer Grund dafür ist eine
weltweit einzigartige Technologie:
Mit dem Bau von unterirdischen Dichtwänden wird
in der Lausitz das Absenken des Grundwassers auf
den für den Abbau der Kohle unmittelbar notwendi-
gen Raum begrenzt.
Gleichzeitig sichert die Dichtwand, dass der Grund-
wasserspiegel auf der „Wasserseite“ erhalten bleibt.
Besonders sensible Bereiche wie Feuchtgebiete,
Flussniederungen und Gewässer werden auf diese
Weise geschützt und bleiben in ihrer Ursprünglich-
keit erhalten. So können Neißeaue, die Peitzer Teich-
gruppe und auch die Lausitzer Seenlandschaft in un-
mittelbarer Nachbarschaft zum Tagebau existieren.
Wasserreich Lausitz
Jahrhunderte wechselten in der Lausitz extreme
Dürreperioden wieder und wieder mit verheerenden
Hochwassern. Insbesondere im Einzugsgebiet der
Flüsse kam es häufig zu Überschwemmungen. So
belegen alte Dokumente, dass es zwischen 1894 und
1938 im Spreewald lediglich 15 normale Ernten gab.
In den übrigen Jahren wurden die Ernten teilweise
oder gar vollständig durch Hochwasser vernichtet.
Um das Gebiet nutzbar zu machen, begannen die
Menschen, großflächig Grabensysteme anzulegen.
Mit der Regulierung der Wasserläufe wurde das Land
wirtschaftlich kultiviert.
Was dies für das Leben in der Lausitz bedeutete,
beschreibt Oberlehrer Gottlieb Paulitz aus Calau im
Jahr 1899:
Der Wasserreichtum der Lausitz ist bereits im Namen verankert:
Łužica – Sumpfland nannten die ersten Siedler das Gebiet.
Ein Mosaik aus sumpfigen Gebieten, trockenen Sandböden und Heide-
landschaften prägte den Landstrich.
„Wo heute saftige Wiesen, gepflegte Äcker, Gärten und
schmucke Siedlungen stehen, wurde bei Hochwasser die ganze
Gegend auf mehrere Wochen überschwemmt und glich dann
einem weit wogenden See. Das Wasser erzeugte an heißen
Sommertagen Fäulnis in der darunter begrabenen Vegetation.
Durch die modrigen Ausdünstungen dieser Sümpfe waren die
Bewohner häufig von Krankheiten heimgesucht.“
| Biosphärenreservat Spreewald
6 Dichtwandtechnik im Lausitzer Braunkohlenbergbau
Landschaftsschutz und Wasserbalance
Eine Dichtwand wirkt wie eine künstliche Wasserscheide.
Während der Grundwasserspiegel auf der Tagebauseite abgesenkt wird,
bleibt er auf der Wasserseite vollständig erhalten. So minimiert sich der Einfluss
des Bergbaus auf Oberflächengewässer und das Grundwasser.
Das Baumaterial überrascht zunächst.
Es besteht aus jenen Zutaten, die auch
der Töpfer zur Herstellung von Keramik
verwendet: Ton und Wasser. Vermischt
mit natürlichen Bodenmassen ergeben
sie eine stabile Wand.
Diese unterirdische Staumauer ist etwa
so wasserdurchlässig wie eine Tischplat-
te aus gutem Eichenholz. Weniger als
0,000 000 000 01 Kubikmeter Wasser pro
Sekunde fließen durch einen Quadratme-
ter Dichtwand. Ein Wassertropfen würde
also 60 Jahre benötigen, um von einer
Seite zur anderen zu gelangen.
Bereits während der Bauphase wer-
den regelmäßig Proben entnommen,
um die Dichtheit der Wand zu prüfen.
Die Möglichkeit, dass dabei dauerhafte
Lecks entstehen, ist ausgeschlossen. Der
Grund dafür liegt in den selbstheilenden
Eigenschaften der Tonfilterkruste. Ihre
plastische Konsistenz sorgt dafür, dass
„Wunden“ in kurzer Zeit geschlossen
werden.
Oberirdisch bleibt das gigantische
Bauvorhaben letztendlich unsichtbar.
Zwar dehnt sich das Baufeld zunächst
auf einer bis zu 40 Meter breiten Trasse
aus. Doch ein Jahr nach dem Errichten
folgt abschnittsweise die Renaturierung
der Bautrasse. Die Landschaft erhält ihr
natürliches Aussehen zurück.
Doch damit sind die Arbeiten nicht be-
endet. Solange der Bergbau die Land-
schaft beeinflusst, prüfen Messungen des
Grundwasserstandes auf beiden Seiten
der Dichtwand regelmäßig deren Wirk-
samkeit.
Selbst nach Beendigung des Bergbaus
können Dichtwände vollständig erhalten
bleiben, vor allem, wenn sie als Grund-
wasser steuerndes Element von Nutzen
sind. Behindert ihre stauende Wirkung
später den natürlichen Wasserfluss,
werden sie durch Großlochbohrer perfo-
riert. Dabei wird die Dichtwand längs der
Trasse im Abstand von zirka 80 Metern
bis zu 30 Meter tief ausgebohrt und an-
schließend mit Kies verfüllt. Durch diese
Schlitze kann das Wasser wieder unge-
hindert strömen.
Rund um den Tagebau sichern Filter-
brunnen, dass kein Grundwasser in den
offenen Tagebauraum strömt. Konti-
nuierlich pumpen sie z.B. im Tagebau
Welzow-Süd 8 400 m³ Wasser pro
Stunde ab. Das Wasser wird gereinigt
und anschließend in die umliegenden
Gewässer geleitet.
Wasserreinigung
7Dichtwandtechnik im Lausitzer Braunkohlenbergbau
Eine natürliche Schicht aus Lehm
oder Ton bildet - wie der Boden
eines Topfes - den Abschluss zu den
darunter liegenden Erdschichten.
Dichtwände erreichen in
der Lausitz heute Tiefen bis
zu 110 Metern.
Für das Gelingen braucht es
jedoch besondere geolo-
gische Voraussetzungen:
eine gewachsene, möglichst
horizontal abgelagerte
wasserundurchlässige
Bodenschicht, in die die
Dichtwand eingebunden
werden kann.
Tagebau
Dichtwand
Wasserhebung
abgesenkter Grundwasserspiegel
unbeeinflusster Grundwasserspiegel
8 Dichtwandtechnik im Lausitzer Braunkohlenbergbau
Aus einem Guss
Wie eine gelbe Karawane wandert der Gerätekomplex durch die Landschaft.
Zwischen dem Lausitzer Seenland und dem Tagebau Welzow-Süd entsteht ein
unterirdisches, fast unsichtbares Bauwerk von beachtlichen Dimensionen.
Im Bauwesen gehört das Errichten von Schlitzwän-
den mittlerweile zum Alltag. Tiefgaragen mit mehre-
ren Etagen unter der Erde sind ohne Sicherung durch
Schlitzwände kaum noch vorstellbar. Die Größe ist
dem Bauwerk angepasst und erreicht gelegentlich
bis zu 1 000 Meter Länge.
Dichtwände im Bergbau hingegen gelten noch immer
als Besonderheit. Oft erreichen sie gewaltige Dimen-
sionen: So misst die Dichtwand im Tagebau Jänsch-
walde fast 11 000 Meter Länge. Mit bis zu 110
Metern hält die Dichtwand des Tagebaus Welzow-
Süd derzeit den Tiefenrekord.
Seit Ende der 70er Jahre waren im Lausitzer Berg-
bau vier Gerätegenerationen im Einsatz. Mit jeder
Generation wurde die Dichtwand-Technologie weiter
verfeinert. Im Wesentlichen folgen sie aber alle
einer Grundidee: Im Gegensatz zu den im Bauwesen
verwendeten Schlitzgreifern nutzt der Bergbau so
genannte Schlitzfräsgeräte. Ihr Vorteil: Statt einzel-
ne Segmente zu setzen, die viel Zeit benötigen, um
auszuhärten, entsteht mit Hilfe des Schlitzfräsgerä-
tes eine durchgehende Stauwand, die zwar langsam,
dafür kontinuierlich und ohne Unterbrechung wächst.
Die Wand aus einem Guss hat den Vorteil, dass sie
fugenlos und nahezu lotrecht ist.
Mittlerweile gelingt es mit der im Lausitzer Bergbau
verwendeten Technologie, Dichtwände bis in 110
Meter Tiefe herzustellen. Mit dieser modernen Tech-
nologie mehren sich die Einsatzmöglichkeiten.
Geräte Baujahr Technik Max. Tiefe Jahresleistung Einsatzorte Partner
generation in Metern in 1 000 m2
1 1970er SF 50 50 Rüdersdorf/Berzdorf
SG 60 60 Berzdorf
1979 SG 73 84 Jänschwalde Bergakademie Freiberg
2 1980 SG 100/01
1983 SG 100/02 100 18 - 25 Jänschwalde
1993 SG HW 852 HD 73 20 - 35 Berzdorf
Cottbus-Nord
3 1998 SFG LW 120 120 50 - 60 Jänschwalde Wirth Maschinen- und Bohr-
Cottbus-Nord geräte-Fabrik GmbH
Reichwalde
4 2010 SFG VB 130/1 130 50 - 60 Welzow-Süd Bauer Maschinen GmbH
2012 SFG VB 130/2
9Dichtwandtechnik im Lausitzer Braunkohlenbergbau
Die Separieranlage hat die Aufgabe,
überschüssige Sande aus der Ton-
suspension zu filtern. Die gereinigte
Suspension wird anschließend
wieder verspült; die separierten
Sande werden zur Verfüllung der
Oberfläche genutzt.
Friedländer Blauton wird als Trockenmehl gelie-
fert und in einer stationären Mischanlage direkt
vor Ort verarbeitet. Der tägliche Bedarf richtet
sich nach den geologischen Verhältnissen;
durchschnittlich beträgt er rund 30 Kubikmeter.
Rund 200 Meter misst der gesamte Geräte-
komplex zur Herstellung einer Dichtwand.
Täglich wandert er zwei bis sechs Meter.
Mit den ausgefrästen Erdmassen
(Air-Lift-Verfahren) werden die
Schlitze wieder verfüllt.
Die zuvor ausgebildete Tonkruste
bleibt dabei vollständig erhalten.
TondepotSeparieranlage
Nach dem Bau der Dichtwand
wird das Gelände rekultiviert.
Die spätere Nutzung bestimmt der
Eigentümer. Dass nicht immer die
Wiederherstellung der ursprüngli-
chen Landschaft gewünscht wird,
zeigt die Dichtwandtrasse am Ta-
gebau Cottbus-Nord: Hier verläuft
heute der Fürst-Pückler-Rad- und
Kutschweg.
Grundwasser-
stauende
Erdschicht
Kiese
Sande
Schluff
Feinsande
10Dichtwandtechnik im Lausitzer Braunkohlenbergbau
Beständig fließt ein Gemisch aus
Naturton und Wasser in den frisch
gefrästen Erdschlitz. Die tonhaltige
Flüssigkeit „stützt“ den Erdschlitz;
gleichzeitig lagern sich die Ton-
bestandteile an beiden Seiten des
Schlitzes ab. Der Fachmann spricht
dabei von Kolmation.
Die Tonsuspension durchdringt die
Porenräume der Erdschicht. Bereits
nach wenigen Minuten bilden sich
die ersten Millimeter einer Kruste.
Etwa drei Stunden später ist eine
zwei bis fünf Zentimeter dicke
Filterkruste entstanden, durch die
kaum noch Wasser dringt.
Nach zirka 20 Stunden ist die
Krustenbildung abgeschlossen.
Strom liefert das Stromnetz des
Tagebaus oder des ortsansässi-
gen Energieversorgers. Mittels
Trafostation wird elektrische
Energie mit einer Spannung von
20 bis 30 kV in die Spannungs-
ebene von 400 V transformiert.
Das Schlitzfräsgerät fräst konti-
nuierlich einen ein Meter breiten
Schlitz.
Zur Prüfung der Dichtheit werden regelmäßig Proben aus der Filter-
kruste entnommen. Unmittelbar nach dem Eingriff beginnt eine Art
Selbstheilungsprozess. Das nachdrückende, feuchte Ton-Wasser-Ge-
misch bildet binnen kurzer Zeit eine neue Kruste, die die offene Stelle
in wenigen Minuten verschließt.
Absperrwände gliedern die Dicht-
wand in einzelne Verspülräume.
Dazu werden im Abstand von
40 bis 50 Metern Betonelemente
eingebracht.
Per Air-Lift-Verfahren werden
die gelösten Erdmassen innerhalb
des Förderpfahls nach oben
transportiert.
SFG VB 130 Kompressoren Trafo Kabel
Führungspfahl
Fräse
Wandabsetzgerät
Arbeitsrichtung
11 Dichtwandtechnik im Lausitzer Braunkohlenbergbau
12 Dichtwandtechnik im Lausitzer Braunkohlenbergbau
Unterirdische Wände
Sie sichern Baugruben, schützen vor Hochwasser und umschließen belastetes
Erdreich. Seit Jahrzehnten bieten Schlitzwände im Bauwesen und Dichtwände im
Bergbau Schutz für Bauwerke und Landschaften.
Schlitzwände im Bauwesen
Erste unterirdische Pfahlwände wurden bereits
1903 in den USA und 1905 in Deutschland gebaut.
Als Erfinder der Schlitzwandtechnik gilt der öster-
reichische Bauingenieur für Geotechnik Christian
Veder. Er erforschte in den 1930er Jahren die Eigen-
schaften von Tonschlämmen und ihre Möglichkeit,
Stützfunktionen auszuüben.
Daraus entwickelte sich später die Schlitzwandtech-
nologie. Es werden Betonpfähle in den Boden ge-
gossen, die die Kräfte in tiefer liegende, tragfähigere
Schichten leiten. Als Stützflüssigkeit kam Bentonit,
ein Gemisch aus Wasser und Ton, zur Anwendung.
In den 1950er Jahren wurde Veders Verfahren durch
eine italienische Baufirma zur Einsatzreife gebracht.
Unter seiner Leitung entstanden in den folgenden
Jahrzehnten die ersten Schlitzwände in Italien und
in Kanada. Die Schlitzwandtechnologie kam bei der
Ponte Flaminio in Rom ebenso zur Anwendung wie
beim Bau von Staumauern. Eine mit rund 130 Metern
besonders tiefe Schlitzwand entstand am Mani-
couagan Staudamm in Kanada. Auch die Baugrube
des World Trade Centers wurde mittels Schlitzwand
gesichert. Diese schützte das World Trade Center
vor dem Wasser des Hudson River – und hielt auch
am Tag des Terroranschlags. Ein Glücksfall für die
Rettungsarbeiten. Wäre sie zu Bruch gegangen, wäre
wohl das südliche Manhattan überflutet worden.
Weltweit im Einsatz
Umschließen von belastetem Erdreich
Im nordrhein-westfälischen Detmold wurde
2013 das kontaminierte Gelände eines ehemali-
gen Gaswerkes, das bereits in den 50er Jahren
geschlossen wurde, nachträglich mit Hilfe einer
Schlitzwand abgeriegelt.
Sicherung von Baugruben
Am Rande des historischen Stadtzentrums,
direkt neben der Donau, entsteht auf insgesamt
230 000 Quadratmetern das Eurovea Internatio-
nal Trade Center Bratislava.
Die Baugrubenumschließung erfolgt durch eine
34 Meter tiefe Schlitzwand.
Hochwasserschutz
Der Sylventeichspeicher in Bayern erhielt 2012
eine 60 Meter tiefe Schlitzwand.
Die Schlitzwand des World Trade Centers hielt und schützte das
südliche Manhattan vor der Überflutung.
| Dichtwandgerät SFG VB 130
an der Dichtwandtrasse Welzow-Süd
13Dichtwandtechnik im Lausitzer Braunkohlenbergbau
Dichtwände im Bergbau
Seit den 70er Jahren werden im Lausitzer Bergbau
unterirdische Dichtwände errichtet. Das Initial für
diese bis heute weltweit einzigartige Technologie
setzte ein Gerät, das ursprünglich zur „mannlosen“
Förderung von Braunkohle entwickelt wurde. Doch
Erfindungen verlaufen selten geradlinig; so auch hier:
Das Schlitzfräsgerät sollte zwei parallel verlaufende
Schlitze bis zum Kohleflöz herstellen, um dann mit
Hilfe eines unterirdischen Hobels die Kohle untertä-
gig abzubauen. Dazu kam es jedoch nie. Was blieb,
war ein auf Schienen fahrbares Gerät, mit dem man
kontinuierlich Schlitze bis in eine Tiefe von 50 Metern
auffahren konnte.
1970 begannen die Entwässerungsarbeiten für den
Tagebau Jänschwalde nördlich von Cottbus. Nach-
dem die ersten Filterbrunnen in Betrieb gegangen
waren, vermuteten die polnischen Behörden, dass
der Grundwasserspiegel jenseits der Neiße schon
bald großflächig absinken würde. Die Forderungen
nach Schadenersatz wuchsen – und damit der Druck
auf die Ingenieure. Es galt eine Lösung zu finden, die
Grundwassersenkung im Gebiet der Neiße abzuwen-
den. Die Ingenieure besannen sich des ungenutzten
Schlitzfräsgerätes zur „mannlosen“ Kohleförderung.
Mit wissenschaftlicher Unterstützung der Bergaka-
demie Freiberg entstand daraus der Prototyp für die
erste Gerätegeneration zum Errichten unterirdischer
Dichtwände im Bergbau.
1979 begann der Bau der ersten Dichtwand am Ran-
de des Tagebaus Jänschwalde. Mit fast elf Kilometern
Länge gehört sie bis heute zu den längsten Dicht-
wänden der Welt. Jährliche Messungen auf beiden
Seiten des Grenzflusses bestätigen: Die Dichtwand
hält, was der Name verspricht.
Schlitzgerät SG 73 Ende der 70er Jahre Schlitzgerät SG 100 Anfang der 80er Jahre
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1 | Dichtwand Tagebau JänschwaldeLage: von Bohrau bis Taubendorf, entlang der Neiße
Bauzeit: 1979 bis 2000; 2007 bis 2009
Maße: Tiefe 52 bis 85 Meter | Länge 10 740 Meter
Ziel: Schutz der Feuchtgebiete östlich des Tagebaus
Jänschwalde, insbesondere in der Neißeniederung
sowie des angrenzenden Gebietes zur Republik Polen
Geräte: SG 73; SG 100/1; SG 100/2; SFG LW 120
Besonderheiten: Weltweit erste Dichtwand für den Braunkohlenbergbau
2 | Dichtwand Cottbus-NordLage: von Merzdorf über Lakoma bis Neuendorf
Bauzeit: 1993/94 bis 2007
Maße: Tiefe 51 bis 72 Meter | Länge 7 071 Meter
Ziel: Schutz der FFH-Gebiete Peitzer Teiche, der Spreeaue
und der Nordstadt Cottbus
Geräte: Bagger HS 852 HD mit Seilgreifer SWG 3,2 SFG LW 120
Besonderheiten: 1993 bis 1998 im Schlitzgreifverfahren,
2001 bis 2007 im Schlitzfräsverfahren
3 | Dichtwand Welzow-SüdLage: von Lieske nach Bluno
Bauzeit: Dezember 2010 bis 2022 (geplant)
Maße: Tiefe 95 bis 120 Meter | Länge 10 630 Meter
Ziel: Schutz des Lausitzer Seenlandes und des Umlandes
südlich des Tagebaus Welzow-Süd
Geräte: SFG VB 130/1, SFG VB 130/2
Besonderheiten: Mit bis zu 120 Meter Tiefe und mehr als 10 Kilometer
Länge das bislang größte Dichtwandbauwerk der Welt.
Die Trasse führt durch eine eiszeitliche Rinne mit
stark wechselnden geologischen Schichten
4 | Dichtwand ReichwaldeLage: Bauabschnitt 1: Ostmarkscheide bei Hammerstadt,
Bauabschnitt 2: Weißer Schöps bis Truppenübungs-
platz Weißkeißel
Bauzeit: BA1 2009 bis 2014, BA2 2015 bis 2024 (geplant)
Maße: Tiefe BA1: 37 bis 50 Meter, BA2: 50 bis 90 Meter
Länge BA1: 4 200 Meter, BA2: 7 700 Meter
Ziel: Schutz des FFH-Gebietes Hammerstädter Teiche,
der Oberlausitzer Teiche und der Neißeaue
Geräte: SFG LW 120
Besonderheiten: Querung eines Teichgebietes und eines
aktiven Truppenübungsplatzes
Dichtwändeim Lausitzer Revier
5
3
15Dichtwandtechnik im Lausitzer Braunkohlenbergbau
5 | Dichtwand Welzow-Süd (TA 2) Lage: von Lieske nach Bahnsdorf
Maße: Tiefe 90 bis 110 Meter | Länge 6 000 Meter
Ziel: Schutz des Lausitzer Seenlandes
Geräte: SFG VB 130
Besonderheiten: Annäherung an ein FFH-Gebiet
6 | Dichtwand Nochten (Abbaufeld 2)Lage: nordwestlich des Tagebaus Nochten
Maße: Tiefe 115 bis 150 Meter | Länge 7 500 Meter
Ziel: Schutz des FFH-Gebietes Reuthener Moor und
des Trinkwasserschutzgebietes für das Wasserwerk
„Kuthen“, Spremberg
Geräte: SFG VB 130 und SFG 150 (in Planung);
bis zu drei Geräte gleichzeitig
Besonderheiten: Querung einer sehr tiefen eiszeitlichen Rinne,
erstmals werden Tiefen von 150 Metern erreicht
7 | Dichtwand Jänschwalde-NordLage: umlaufend um das Abbaufeld Jänschwalde-Nord
Maße: Tiefe 65 bis 120 Meter | Länge 20 000 Meter
Ziel: Schutz der FFH-Gebiete „Gubener Fließtäler“ und
„Neißeaue“ sowie des angrenzenden Gebietes der
Republik Polen; Schutz des Trinkwasserschutzgebie-
tes für das Wasserwerk „Schenkendöbern“
Geräte: Typ SFG LW 120; bis zu drei Geräte gleichzeitig
Besonderheiten: Das Abbaufeld wird zu 80 Prozent von einer Dicht-
wand umschlossen
(südöstlich des abgebildeten Kartenausschnittes, nicht auf der Karte abgebildet)
Dichtwand Tagebau BerzdorfLage: südlich von Görlitz bis Hagenwerder,
entlang der Neiße
Bauzeit: 1983 bis 1993
Maße: Tiefe 25 bis 65 Meter | Länge 5 500 Meter
Ziel: Schutz der Neiße und des angrenzenden Gebietes
zur Republik Polen
Geräte: SF 50; SG 60, Seilgreifer K60
Besonderheiten: Stark wechselnde Tiefen der wasserstauenden Boden-
schicht. Der Arbeitsdamm aus der Bauphase blieb als
Hochwasserschutzdamm für die Neiße erhalten.
Dichtwand
gebaut | im Bau | in Planung
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16 Dichtwandtechnik im Lausitzer Braunkohlenbergbau
Glossar
Air-Lift-Verfahren
Das Verfahren nutzt das physikalische Verhalten von
Luft in Wasser. In ein Wasser-Sand-Gemisch einge-
blasene Druckluft strömt schnell nach oben und reißt
dabei Sande und andere Erdstoffe an die Oberfläche.
Auen
Uferlandschaften von Bächen bzw. Flüssen, deren
Geländeformen und Lebensgemeinschaften vom
Wechsel zwischen Hoch- und Niedrigwasser geprägt
werden. Als Teil der Flusslandschaft stehen sie in
permanentem Austausch mit dem Fluss. In Auen ent-
stehen ständig neue Lebensräume für Pioniere unter
den Pflanzen und Tieren.
Feuchtgebiet
Übergangsbereich von trockenen zu dauerhaft
feuchten Ökosystemen. Der Begriff umfasst ver-
schiedene Lebensraumtypen wie Aue, Bruchwald,
Feuchtwiese, Moor, Ried oder Sumpf, die an den
ganzjährigen Überschuss von Wasser angepasst
sind. Feuchtgebiete sind von großer ökologischer
Bedeutung, da sie für Wasser- und Watvögel als
Rast- und Überwinterungsplatz dienen.
FFH-Gebiete
Spezielle europäische Schutzgebiete in Natur- und
Landschaftsschutz, die nach der Fauna-Flora-Habi-
tat-Richtlinie ausgewiesen wurden und dem Schutz
von Pflanzen (Flora), Tieren (Fauna) und Habitaten
(Lebensraumtypen) dienen, die in mehreren Anhän-
gen zur FFH-Richtlinie aufgelistet sind.
Filterbrunnen
Bohrloch zum Heben von Grundwasser; ausgebaut
mit Filterrohr und Filterkies, bestückt mit einer Un-
terwassermotorpumpe.
Grundwasserabsenkungstrichter
Gebiet, in dem sich der natürliche Grundwasser-
spiegel infolge des jahrzehntelangen Bergbaus
gesenkt hat. In der Lausitz wird der bergbaubedingte
Grundwasserabsenkungstrichter durch Schutzmaß-
nahmen wie den Bau von Dichtwänden sowie durch
ein eigens entwickeltes Flutungskonzept sukzessive
verringert.
Kolmation
Prozess der Verringerung der Wasserdurchlässigkeit
von Erdschichten. Dieser entsteht durch den Eintrag
von feinerem Material, z. B. Schwebstoffen.
Pegel
Ausgebaute Bohrungen, in denen die Höhe des
Grundwasserspiegels gemessen wird.
Rekultivierung
Gestaltung der Landschaft nach dem Bergbau.
Ziel der Rekultivierung ist es, eine mehrfach nutzbare
und ökologisch wertvolle Landschaft zu schaffen.
Schlitzfräsgerät
Eine mobile, flexibel einsetzbare, speziell zur Herstel-
lung eines Erdschlitzes entwickelte Gerätetechnik,
bestehend aus einem Grundgerät, bohrtechnischen
Aufbauten, Förderpfahl und Abbauwerkzeug.
Suspension (lat. suspendere: in der Schwebe lassen)
Ein heterogenes Stoffgemisch aus einer Flüssigkeit
und darin fein verteilten Festkörpern, die in der Flüs-
sigkeit aufgeschlämmt und in der Schwebe gehalten
werden. Für den Bau von Dichtwänden wird eine
Suspension aus Naturton und Wasser verwendet.
Tagebau
Bei diesem Verfahren werden die über dem Flöz
lagernden Bodenschichten abgeräumt. Das zuflie-
ßende Grundwasser wird abgepumpt. Danach wird
die Braunkohle gewonnen und der Tagebau wieder
verfüllt und rekultiviert. Der Abbau von Braunkohle
erfolgt in der Lausitz überwiegend in Tagebauen.
Wasserscheide
Grenzverlauf zwischen zwei benachbarten Wasser-
einzugsgebieten, durch den das Wasser in zwei un-
terschiedliche Richtungen abfließt, z. B. Höhenzüge.
Es gibt jedoch auch Wasserscheiden, die im Boden
verborgen liegen.
Fotos: Archiv Vattenfall (S. 10, 13), Andreas Franke (S. 2, 3, 10, 11, 17), Rico Hofmann (S. 7, 17), Andreas Neuthe (S. 7, 17),
Peter Radke (Titel), Rainer Weisflog (S. 4, 7, 17), Fotolia (S. 12), Layout und Grafiken: wallat & knauth
Apri
l 2
01
4
Vattenfall Europe Mining AG
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