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Wie wirken sich gesellschaftliche Dynamiken
auf den Bestand und die Verbreitung der Ruderalflora aus?
Dr. Jens Jetzkowitz
Professur für Umwelt und Wirtschaftssoziologie Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg
Was meint „Ruderalflora“?
Sammelbezeichnung für Pflanzen,
die sich in Siedlungsgebieten aus-
gebreitet haben.
„ruderus“ (lat.) = „Schutt“
oder „Mörtel“, im Plural
auch „Ruinen“.
Ruderalflora besiedelt
mit Baumaterialien
durchsetzte Standorte.
Welche gesellschaftlichen Dynamiken wirken wie
konkret auf die Ruderalflora?
Forschungen dazu im Rahmen eines
von der VolkswagenStiftung geförderten
Projektes
„Die Zusammenhänge zwischen den Veränderungen in der
dörflichen Ruderalflora und dem Wandel ländlicher
Lebensstile“
(Februar 2002 bis Januar 2005)
Dr. Stefan Brunzel und Dr. Jens Jetzkowitz
in Zusammenarbeit mit Dipl. Biol. Sabine Fischer und
Jörg Schneider M.A.
Gliederung
1. Was bedeutet „Urbanisierung“? 2. Wie lassen sich die Auswirkungen von Urbanisierung in der Lebensgestaltung untersuchen? – Das Lebensstil- Konzept 3. Welche gesellschaftlichen Dynamiken wirken (vermutlich) auf die Ruderalflora? – Analysen zum Urbanisierungs- prozess am Beispiel der Wetterau 4. Zusammenfassung und Schlussbemerkung
Teil 1
Was bedeutet „Urbanisierung“?
Kennzeichen städtischer Lebensführung - höhere Siedlungs- und Bevölkerungs-
dichte;
- differenzierte Schichten- und Berufsstruktur;
- verstärkte soziale Mobilität;
- Kurzfristigkeit sozialer Kontakte;
- „Berechenbarkeit und Blasiertheit“ (Simmel 1903)
Historisch-systematische Anmerkungen zur Stadt - Städtische Siedlungsformen sind historisch bedingt;
ihre Entwicklung geht einher mit der Durchsetzung des Prinzips der Arbeitsteilung in der Organisation gesellschaftlichen Lebens.
- Stadt als Ort des Handels
und des Handwerks, der politischen Machtausübung und der Verwaltung sowie als religiöses und kulturelles Zentrum; „das Land“ als Ort der Produktion von Lebensmitteln.
- In Stadt und Land entwickeln sich unterschiedliche Muster der Lebensführung.
Stadt-Land-Gegensatz - Trennung von Stadt und Land besonders streng in
Mitteleuropa;
- Entscheidend hierfür war der rechtliche Status: seit dem 11. Jahrhundert bilden sich Städte als autonome Lebensräume heraus;
- Gegensatz löst sich ab ca.
1950 sukzessive auf.
Entagrarisierung „Entagrarisierung“ meint, dass sich die Lebensführung in ländlichen Gebieten von der Landwirtschaft entkoppelt. In Deutschland waren in der Land- und Forstwirtschaft - im Jahre 1800 ca. 80% der erwerbstätigen Personen in
Deutschland beschäftigt, - im Jahre 1900 ca. 35% und - im Jahre 1998 unter 3% (Henkel 1999, S. 93). In Deutschland erbrachte die Landwirtschaft - zur Zeit der Weimarer Republik etwa 20% des
Nettosozialproduktes, - zu Beginn der 1950er Jahre waren es in der
Bundesrepublik Deutschland etwa 10%, - zu Beginn der 1980er Jahre unter 3% (Kötter 1985, S.
120f.)
Urbanisierung „Urbanisierung“ meint, dass sich Muster der Lebensführung, die in den Städten entwickelt wurden, auch in ländliche Siedlungsgebiete ausbreiten und dort gelebt werden. Veränderung von Räumen; teilweise Auflösung der Gegensätze; Entstehung von „Zwischen- städten“ (Sieverts 1997)
Teil 2
Wie lassen sich die Auswirkungen von Urbanisierung in der Lebensgestaltung untersuchen?
Das Lebensstil-Konzept
Was tun wir, wenn wir über „Lebensstile“ reden?
Wenn wir z.B. sagen „A pflegt Lebensstil X“, dann
• klassifizieren wir die Aktivitäten von A,
• wir unterscheiden einen Stil des Lebens und Handelns
von (zumindest) einem anderen Stil, und
• wir betrachten uns als Beobachter von A und anderen.
„Lebensstil“ ist ein Begriff, mit dem wir einerseits
beobachtbare Unterschiede in der Lebensführung und
Lebensstrategien herausstellen, andererseits
Gemeinsamkeiten formulieren.
Das Konzept ermöglicht, gesellschaftliche Strukturen konkret
auf Lebens- und Handlungspraktiken bezogen zu
analysieren.
Lebensstile als Konzept soziologischer Forschung
Operationalisierung des Lebensstil-Konzepts
Variabilität des Forschungskonzepts Stile des Lebens und Handelns lassen sich nicht nur im Hinblick auf den gesamten Lebensentwurf analysieren, sondern aus themenspezifisch, z.B. als
• Mobilitätsstile • Politikstile • Stile der Gartenbearbeitung, etc.
Stile können an unterschiedlichen gesellschaftlichen Einheiten beobachtet werden, an einzelnen Personen, an Haushalten, an Gruppen oder ganzen Gesellschaften.
Teil 3
Welche gesellschaftlichen Dynamiken wirken (vermutlich) auf die Ruderalflora? – Analysen zum
Urbanisierungsprozess am Beispiel der Wetterau
Untersuchungsregion
Wetterau 66 Siedlungen möglichst divers nach Einwohner- zahl, Entfernung zu und Anbindung an Frankfurt/Main
Forschungsdesign Quantifizierend, auf der Grundlage von Haushaltsbefragung (N = 1359) - Lebensstile - Gartenstile 3787 Personen in den Haushalten - Mobilitätsmuster (TARMs)
Beispiel für die Erhebung von Lebensstilen
Beispiel für die Erhebung von Lebensstilen
Lebensstile
Gartenstile
Mobilitätsmuster (TARMs)
Wirkungen von Stilen des Handelns auf Ruderalflora
Teil 4
Zusammenfassung und Schlussbemerkung
Zusammenfassung
- An einem konkreten Beispiel verdeutlicht, wie die Auswirkungen menschlicher Praktiken auf Biodiversität untersucht werden können.
- Analysen von Stilen des Lebens und Handelns sind vielversprechend, wenn die Art und Weise, wie Menschen handeln, die Dynamik sozial-ökologischer Systeme bestimmen
Schlussbemerkung zum Thema Zersiedlung Suburbanisierung und Ausbau von Zwischenstädten ist kein Naturgesetz; Prozesse folgen aus gesellschaftlichen, insbesondere auch rechtlichen Rahmen- Bedingungen (Bsp. Gemeinde- finanzierung)