wiederentdeckung des heiligen gesites - chrismatische und pfing
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J
Charismatische und pfingstlerische BewegungenalsFrage an die Kirchen heutevon Walter ]. Hollenweger
1. Geschichte und Gestalt
Entstebung 1
Die Pfingstbewegung entstand im Jahre 1906 in einer ein-fachen Negerkirche in Los Angeles 2. Der dortige Prediger, W. ] .
Seymour, war ein Nachkomme von nach Amerika verfrachteten
afrikanischen SkIaven 3. Ais erster Versammlungssaal der
pfingst ler diente eine ausrangier te Methodistenkapelle, deren
Boden mit Sagemehl bestreut war. Die Kirchenbanke bestanden
aus Brettern, die man auf Kisten gelegt harte. Der Leiter del'
Erweckung, Seymour , war kein grofier Redner. Meist betete er
hinter seiner Kanzel, die aus zwei aufeinandergestellten Nagel-
kisten bestand, indern er seinen Kopf, auf beide Hande ges ti itzr ,
in der oberen del ' heiden Kis ten versteckte 4. Abel' das hinderte
jene Gemeinde an der AzusastraBe in Los Angeles nicht , zurn
Auss trahlungsherd einer heute zwischen 15 und 35 Millionen S
umfassenden Erweckungsbewegung zu werden. Aus aller Welt
kamen die Suchenden und erlebten in Los Angeles , der "Brunn-
stube geistl ichen Lebens", den entscheidenden Impuls ihres
Dienstes. Del' anglikanische Pfarrer Alexander A. Boddy schrieb
darum zu Recht: "Es war etwas ganz Au£erordentl iches, daB
weiBe Prediger aus den Siids taaten eif rigst berei t waren, nach
Los Ange les zu den Negern zu gehen, mi t Ihnen Gemeinschaft
zu pflegen und durch ihre Gebete und Fiirbitte die gleichen
Segnungen (wie diese) zu empfangen." 6 Und Frank Bartleman,
ein Augenzeuge jener ersten Erweckung, ber iditet s tolz, daB in
Los Angeles "die Rassentrennung durch das Blut Jesu auf-
gehoben worden" sei7.
In Afrika, Lateinamerika und Indones ien gelang esder Pfingst-bewegung in der Folgeze it, eine Kirche der Armen zu werden,
vor allem weil sie mit den Armen zusammenarbeirete. Oft
- aber nicht immer - gehorten ihre Missionare selber zu den
Annen. Und meist erhielt en die jungen Missionsk irchen sehr
friih die Mogliehkeit, ihre eigene Liturgie, ihr eigenes Gemeinde-
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leben und ihre eigenen Weisen des Theologisierens zu ent-
wickeln, Diese Methode ist nicht nur fiir die rasante Ausbreitung
der Pfingstbewegung, sondern auch ftir die Vielfalt pfingstlicher
Lebensformen in aller WeIt verantwort lich, so daf man mit Fug
und Recht behaupten kann, die Pfingstbewegung sei in sich
selber schon eine okumenisdie Bewegung, mit allen Verheiflun-
gen und Prohlemen, die diese Tatsache in sich schliefit,
Pfingstbewegung als okumenische Erweckungsbewegung
Dazu kommt noch, dag sidi die Pfingstbewegung von Anfang
an als eine okumenische Erweckungsbewegung innerhalb der
Kirchen verstand 8. In den ers ten Jahren dachten die Pf ings tler
nicht damn, 8ich als neue Denomination zu organisieren, Man
sagte: "Die menschliche religiose Organisation steht dem Wesen
nach im Widerspruch zur Gemeinde des lebendigen Gottes"~.
Da "Gott uns aus dem alten, toten Kirchentum herausgebracht ...
(unci) zu einem Ireien Yolk gemacht (hat) , kehren wir nicht nadi
,Babylon' zuriick" 10; das heiBt, man bezeichnete die organisa-
torische Machtstruktur der Kirche als "Babylon". Und diese
wollte man auf keinen Fall nachahmen.
llolgerichtig wird die Zeit vor der Enrstehung der Pfingstbewe-
gung als dunkle, hoffnungslose, eben als "babylonische Gefan-
genschaft der Kirche" gesdiilderr n Nun aber kamen als wun-
derbare Befreiungsbewegung die Pfingstgemeinden, um al l dem
Strdt in der Chris tenheir ein Ende zu setzen, Die dogmatischen
Sdiranken sollten niche durch eine Minimaldogrnatik, sondern
durdi den VC!n:ichtauf dogmatische Fixierung iiberhaupt tiber-
wunden werden, Das Verbindende soll ee die Gegenwart des
lebendigen Gottes, die Real it at des Heiligen Geistes se in, die
man in Bekehrung, Heiligung, Geistestaufe und Geistesgaben zu
erleben hoffle. In Erwartung der baldigen Wiederkunf l: j esu
verzichtete man auf theologische Klarung und vernachlassigte
auch d ie poli ti schen und sozialen Probleme . Nicht Probleme
zu verkiindigen, s ind wir berufen, sondern die Frohe Botschafl :
des Heils, hieG es damals. Darum gab es nur ein einz iges le"'i~
times Zie l vor der Wiederkunfl : Jesu in den Wolken des Him-
mels: Hei ligung und Einigung der Got teskinder und Missio-
nierung der Welt innerhalb einer Generation.
Als der Herr verzog, erwies sich infoIge der verschiedenen
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ethischen und dogma tischen Auffassungen innerhalb der Pfingst-
bewegung eine Minimaldogmatik als notwendig, Nur eine ver-
schwindende Minderhei t - da runte r ft ihrende pfingst ler aus
Deutschland 12 - widerstand der Verlockung, eine grofse, kir-
dienpolitisch ins Gewicht fallende Freikirche .zu organisieren;
s ie blieb der quakerisdien Grundhaltung treu, die auf die Ver-
bindlichkeit des Dogmas verz ichtete und Mehrheitsbeschliisse
ablehnte, Die Mehrheit iibernahm eine Dogmatik aus dern Arse-
nal des letzten Jahrhunderts. Viele Pfingsrdenominationen, vor
allem in Amerika, gaben sich feste Organisationsformen und
Iormulierten Glaubensbekenntnisse, wodurch sie neue Protest-
bewegungen innerhalb der Pfingstbewegung hervorriefen 13.
Wegen des Ausschlusses der Nichtprediger aus den hoheren Kir-
chenamtern der Assembl ies of God wurde eine pfingstli che
Laicnorganisation, die "Geschaftsleute des vollen Evangeliums"
(Full Gospel Business Men's Fellowship International) notwen-
dig, Der Heil igungs- und Evangelisat ionseifer der alteren Ge-
meinden lid~ nacho Man brauchte Spezialisten flir die Durch-
fuhrung des religiosen Programms und fing an, Prediger aus-
zubilden. Dadurch wurde die Frage der Gemeindeorganisation,
der Taufe, des Kinderunterrichtes aktuell , Die Fikt ion des all -gerneinen Priestertums wird zwar noch aufrechterhalten, aber
in den a lte ren Denominationen findet man e ine Mehrhe it von
Gottesdiens tbesuchern, die sidi die Gottesdienste anhoren, die
der Prediger mit einem kleinen Stab von vollamtlichen und
ehrenamtlidien Mitarbeitern durchfiihrt. Zwar bietet der
pfingstliche Gottesdienst in vielen Gemeinden die Moglichkeit
zur akt iven Te ilnahme durch Gebet, Zeugnis und Lied. Aber
die Betei ligung der Niditfunktionare am Gottesdiens t ist nicht
mehr in allen Denominationen selbs tverstandlidi. Von Zeit zu
Zei t bricht daber die Sehnsuch t nach dem pfingstli chen Idea l
wieder durch.
Typen der Pfingstbewegung
Theologisch kann man die Pfingstbewegung in folgende Typen
un terteilen:
a) Pfingstler, die einen zweistufigen Heilsweg lehren
Die zwei Stufen sind: Bekehrung (oder Wiedergeburt) und
Geistes taufe. Die Mehrheit der Organisationen gehort zu die-
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iSEDET
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sem Typ. Reprasentat iv sind d ie bri ri schen und amerikanisdien
Assemblies of God, die franzosischen Assemblees de Dieu die
italienischen Assemblee di Dio, die deutsche Arbeitsgemeins6af l:
der Christengemeinden, die britischen El im Pentecos ta l
Churches, die brasilianische Congregacao Crista do Brasil und
viele andere. Theologi sch gehorr auch die Mehrheit des pro-
testantischen Fliigels der Neo-Pfingstler in diese Kategorie.
b) P fin gs tl er , d ie e in en d re is tu fig en H e ils so eg Z eh re nDie drei Stufen sind: Bekehrung oder Wiedergeburt, Heiligung
und Geistestaufe. Reprasentativ sind hier die Church of God
(Cleveland) und ihre Missionsgemeinden (in Deutschland: Ge-
meinde Gottes), die Pentecostal Holiness Church und viele
mehr.
c) D ie " Je s us o n ly " Grup pe n
Diese akzeptieren nut eine Taufformel "auf den Namen jesu"
und werden - m. E. irrtiimlicherweise - von den ubrigen
Pfingstlern als Unitarier bezeichnet. Tarsachlich lehren sie so
etwas wie eine modali st ische Tr in itat sleh re . Wich tigs te Vert re-
ter dieser Gruppe sind die United Pentecostal Church, viele
de. schwarzen Pfingstkirchen in den USA (z. B. Pentecostal As-sembl ies of the World) und fast die gesamte indonesische Pf ings t-
bewegung.
d) P fin gs tle r m it einer qui i ker i schen, rejormierten, lu ther i schen
oder kathol i schen Lebre
Mit Ausnahrne del' kathclischen Pfingstler und der diaris-
matischen Bewegung innerhalb del' franzosisdien und deutschen
Orofikirdien, finder man diesen Typus nir;ht, wie man erwar-
ten wiirde, hauptsachlich unter den Neo-Pfingstlern. Irn Gegen-
teil, die uberwiegende Mehrheit del' protestantisdien Neo-
Pfingstler innerhalb der Grofikirchen gehoren zum Typus a).
Anderersei ts hat fast die gesamte di ilenische (k lass ische) Pfingst -
bewegung eine methodistische Lehre und der Christliche Ge-
meinsdiaflsverband Miilheim/Ruhr hat eine reformierte/luthe-
rische Lehre, Die Quakerpfingstler in den USA (das sind
pfingstliche Dcnominationen mit einer Quaker-Tradition; nicht
Quaker, innerhalb del' Gesell schaH del' Freunde, d ie ein Pfingst -
erlebnis gernacht haben) lehren quakerisdi.
S6
e) p fi ng stlic he D e no min atio n d es a po sto lis ch e n T yp s
Diese Gruppen haben die .Amter des Apostels und des Prophe-
t en inst itut ionali sier t. Urspri ingl ich sp ie lte d ie Prophetie in die-
sen Kirchen eine groGe Rolle und Propheten iibten oft kirchen-
leitende Funktionen aus. Die Theorie ist zwar (noch) nidit
geandert worden, in der Praxis sind aber diese Kirchen sehr vie!
weniger spontan geworden. Vertreter s ind die versmiedenen
Aposrol ischen Kirchen in Danemark , Frankreich, Deutschland
und Grofsbricannien und die Gemeinde fiir Urmristentum in
der Schweiz.
f) U na bh iin gig e P fin gs tk irc he n in A fr ik a
Einige diesel' Ki rchen gehen auf Konvertiten von Pfingstmissio-
naren zurlick (so z. B. die Zionisten in Siidafrika), andere (wie
die Aladura- und die Seraphim- und Cherubimkirchen in West -
afrika) hatten in del' Vergangenheit Beziehungen zu arnerika-
nischen und britisdien pfingstkirchen, andere wiederum (so die
Kimbanguisten im Kongo) gehoren historisch iiberhaupt nidrt
zur Pfingstbewegung. Aber alle konnen auf Grund phallomeno-
logischer Kategorien, auf Grund der Weise ihrer Spiritualitat
(Zungenreden, Gebet fiir die Kranken, Beteiligung aller an del'
Liturgie etc.) irgendwie zur Pfingstbewegung gerechnet werden.
Unter einem anderen Gesichtspunkt kann man die Pfingstbewe-
gung aber nom anders einteilen. Man kann unterscheiden zwi-
schen der k lass i schen oder bistoriscben Pfingstbewegung und den
Neo-Pf i ngst l ern (Kilian McDonnell). McDonnell bezeichnet als
klassische oder historische Pfingstbewegung die pfingstlichen De-
nominationen. Neo-Pfingstler ist dann die Bezeidmung fUr die
diarismatische Erweckung in den Grom~irchen. Diese Unter-
scheidung ist vor allem in Europa und Amerika niitzlich, wah-
rend sie in Afrika zu ungenau ist.
P ro te sta ntis ch e N e o- Pfin gs tl er in U SA
Die bekannten Anfange der neuen eharismaeischen Bewegung
in den USA sind in einer Erweckung in van Nuys (Kalifornien)
zu suchen. Ein junges anglikanisches Ehepaar harte die Geistes-
taufe mit Zungenreden auf einer AHianzversammlung erlebt.
Von da an erstaunte es seinen anglikanischen Pfarrer durch
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regel rnai li ges Zehntengeben und betonte Mitarbe ir im Cemeinde-
leben, Der Pfarrer furchtete nur, daB die beiden in Gefahr snin-
den, fanatisch zu werden, Urn sie etwas zu crniichtern, machte
ex sie mit einem anderen Ehepaar bekannt. Aber diese erleb-
ten hierauf ebenfalls die Geistestaufe und so weiter 14. Durch
die "Geschafl:sleute des vollen Evangeliums", den Dienst von
Mr. "Pentecost" , David J. du Plessis, hat die Erweckung heute
samtlidie Kir chen in den Vereinigren Staaten erreicht, Der Sat-
t igungsgrad der Ausbrei tung i st noch nicht abzusehen,
Theolog isch leh ren die meisten eine Erf ah rung , d ie sie Geistes-
taufe nennen (meist, aber nicht immer, mit dem Zungenreden
verbunden). Die meisten, wenn auch nicht alle 15, ver tret en e ine
mehr oder weniger evangelikale Position. Aber aIle haben den
ausdnidclidien Wuosch, in ihren Kirchen zu bleiben und ver-
sudien, ihrer theologischen und liturgischen Tradition treu zu
blelben. Obschon die moisten von Ihnen politisch eher konser-
vat iv s ind, g ib t es auch bemerkenswert e pol iti sche Exper irnente
(Pulkingham in Houston, Texas), die sich in Zukunfl sehr wahl
als wir kliche Alter nativ e gegeniiber der f alschen Polarisation
zwischen Evangelikalen und Okumenikern in USA erweisen
konnten.
Protestantische Neo-Pfingstler in Europa
In England, Fr ankreich und Deutsch land existierte und existiert
c ine neo-pfingsr liche Bewegung innerha lb der Grof l.k irchel1 se it
1910 (I); nur hat man von ihr bislang keine Notiz genom-
men 10. Ihre Vertreter sind: Alexander A. "Boddy 17 (1854-
1930), ein anglikanisoher Pfarrer aus England, die Gebriider
Dalliere 18 au s Frankreich (reformierte Pfarr er ), die Gebriider
de Rougemont w aus der Sdrweiz (reformierte Pfarrer), Karl
Ecke20, e in luther is cher Pastor aus Deuts chland, C. A. Voget
(reforrnierter Pfarrer aus Deutschland), Jonathan Paul 21, ein
lutherischer Pfarrer au s Deu tschland und Grunder der deutsdienPfingstbewegung. Jonathan Paul wurde trotz seiner Bedeutung
fur die heutige Diskussion groEzugig ignoriert. Er war der
Grunder des Christlichen Gemeinschaf l:sverbandes Miilheirn /
Ruhr, einer pfingstliehen Organisation in Deutschland, die 50-
wohl pfingst liche Freikirchen, wie auch charismatische Gemeinde-
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gruppen in den Landeskirchen zu einer Organisation verband.
Diese deu tsche Pfingstgruppe praktizier te im ub rigen seit sedi-
zig Jahren Kinder- und Erwachsenentaufe. Sie sind keine Fun-
damentalisten, Es ist d aher kein Zufall , daE ihr Geschaf l:s fi ih-
rer , Chr ist ian Krust , a ls e rs ter Pf ingst le r zu e iner Vollve rs amrn-
lung des Okumenischen Rates der Ki rchen sprach 22.
Durch die Vcrmittlung von Arnold Bittlinger " ist in Deutsch-
land auch eine neuere diarismatische Bewegung in den Landes-
k irchen entstanden (seit den 60er Jahren ). Diese neuere deutschechar isma tis che Bewegung i st vermutl ich in der gesamten Pfingst -
bewegung die theologisch am deu tlichsten artikulierte. I hre Ver -
treter kennen die heutige excgetische Forschung und argumentie-
ren auf Grund der Einsichten von Hans Kiing, Nikos Nissiotis,
Ernst Kasernann und Eduard Schweizer. Sie lehren keine Gei-
stestaufe und konnen auch nicht irn engeren Sinne als evange-
Iikal bezeidmet werden, Unter Ihnen findet man auch katho-
lische 24 und orrhodoxe 25 Theologen.
Die br itischen Neo-Pfingstler folgen im grofsen und ganzen den
amerikanisdien Neo-Pfingstlern 26.
Ka tho l isd r e Neo - P fi ngs t le r s "
Neben den fr anz6sischen und deutschen Neo -Pfingstlern sind die
katholischen N eo-P fingstler th eologisch die interessan testen,
Da sie wenig bekannt sind und in Zukunfl: eine wichtige Schliis-
se lst el lung e innehrnen werden und da bereits katholische Pfingst-
g ruppen in den rneisten europaischen Lander n existieren, sollen
s ie hier e twas im e inzelnen dargest el lt werden.
Einer der artikuliertesten charismatischen Theolcgen ist der
Dominikaner Simon Tugwell aus Oxford. Er hat verschiedene
Med itationen flir d as britische Radio (BBC) produziert, Einmal
nahm er drei katholische Schwestern mit ins Studio, die gegen
Schlug der Meditation live in Zungen gesungen haben, was dem
BBe hunderte von Dankesschreiben eingebracht hat. Die Medi-tation wurde im Studio durch Gebet - und eben durch Medi-
tation - vorbereitet, Das konnten allerdings die Techniker nur
schwer verstehen. Sie wufsren die "Vergeudung" wertvoller
Studiozeit "lediglich fu r Medirationszwecke" nid rt zu schatzen,
Die Meditation wurde dann ex tempo re live gesendet.
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J t1 Vj ' l 'schi~dnen Verof fentlichungen verteid igte Tugwell d as
7.t1tlgtlm:cd (1, das er als "Hervorbringung von genu in en lin-
guIstbcht :n Phanomenen" bezeichne t. Dabei i st e s unwesentl ich,
o b diose Phanomene von den Zuhorern "al s wirkl iche Sprache
idcncifiziert werden konnen, Jedenfalls hat d as Zungenr eden
filr den Zungenredner kein e semantische Bedeutung im norma-
l en Sinn des Wor tes" 28.
Es ist auch keinesfalls idemisch mit "Beten im Geist", noch darf
es als "Go ttes Kindergarten" bezeichnet werden. "Gebet, daswir selber nicht vollig verstehen konnen, ist ein wesentlicher
Bestandteil d er christIichen Geber serf ahrung: Zungen reden ise
ein e hervorstehende Verleiblichung dieses Pr in zips"2o . Aber es
ist - von einem phanomenologisehen Gesichtspunkt aus -
zweideutig. Das bezieht sich abet - sagt Tugwell - auf alle
geistlichen Realitaten . Er betonr , daE das Neue Testament einen ,
der niche in Zungen redet, nicht unter Druck setzt, aber es
ermutigt diejenigen, die diese Gabe erhalten haben, zu einem
tieferen und reicheren christlichen Leben. Tugwell ist daher der
Meinung, daB das Zungenreden eine bestimrnte Rolle spielen
kann inner halb des ch ristlichen Lebens. "Dies bedeu tet k ein es-
falls, daJ1 wir die pfingstliche Interpretation des Phanomens zu
ubernehrnen haben, noch dag wir uns ihrer Religiosirar anpas-sen milB ten" 30.
Tugwell geht aber noch weieer und schreibt, da£!' "die pfingst-
liche Lehre, gemessen all Schrift und Theologie, nidrt aufrecht
erh alten werden kann" 31. Sie mu /} im Gegen teil einen Theo lo -
gen "a!armieren". Trotzdem halt er daran fest, daB "d ie Pfingst-
bewegung eine genuine Suche nach der ursprtinglichen, unver-
falschten Dotschafl: des Evangeliums darstellt, und das "nicht
in vernunfbigen Reden mensdilidier Weisheit, sondern in Er-
weisung des Geistes und der Kraft" (lKor2,4). "Auch dies ver-
langt legitimerweise die Aufmerksamkeit und Sympathie des
Theologen" 32, Er lelmt die Lehre ab, daf die Geistestaufe ein
Plus zum christlichen Glauben sei, "Mehr aIs fundamentales
Christentum kann nur weniger als das Evangelium sein" 33, So
kann er dann auch - im GefoIge einer gut-katholischen Tradi-
tion - das "Obernaturliche als die Erfiillung des Natiirlichen
sehen" 84,
Tugwell braudit Kategorien der mittelalterlichen Mystik urn
60
seine Spir itu alitat und diejenige seiner Fr eunde zu in ter pretie-
reno Mystik - sagt er - "ist nicht von Natur aus diristlich,
aber s ie kann christlich gemacht werden" 35. Er unterscheidet
zwischen Orakel und Prophetie, zwischen Idol und Ikon. "Ein
Idol ist ein Gott oder eine Offenbarung Gottes oder eine Erfah-
rung Gottes oder eine Lehre tiber Gott, die zu ,einem Ding an
sich' gemacht wird", Aber "Christus ist immer gro.i1el' als das,
wodu rch er sich uns mitteilt" 36. Prophetic und Ikone bewirken,
daB wir VOl' Gott entbloisr werden, daB unsere Masken und
~nse re Vorurte il e fal len" 37, wahrend Orakel und Idol immer
versuchen, sich Gottes zu bemachtigen und ihn in den Griff zu
bekommen.
Tugwell weif n atiir lich auch , d aB im Inter esse unseres geistig en
Cleichgewichr es wir mit Namen und Definitionen (auch ein e Art
Idol) zu hantieren haben; abel' sie beschreiben die "Sache mit
Gott" nie adaquat . Ers t wenn wir zu den Uberwindern geho-
ren werden, wird es zur Deckung zwischen der Wirklichkeit
der Go tteserfah rung und der en Beschr eibung kommen (Apk2, 17 ),
Zwischen chr is tl iche r und nichtchri st liche r Myst ik , zwischen Ora -
kel und Prophetie, zwischen Idol und Ikone gibt es keine pha-
nomeno logische, sondern nur eine signifikative Differ enz. Von
aufsen betr achtet mogen sie sich gleichen wie ein Ei dem andern.Erst durch ihre Funkrion, wenn sie z. B . einen Raum der Frei-
heit schaffen, werden sie christlich. Daraus zieht Tugwell den
Schlufl, daB es in ein er charismatischen Versammlung Fr eiheit
zum Zungenreden und freien Gebet geben muE, aber audi Frei-
heit, sich solcher Frdmmigkeit zu enthalten, ohne sein Gesicht
zu verlieren.
Daraus kann man den erstaunlichen SchluB ziehen, daB der
Dominikaner Tugwell bis jetzt das " evangelischste" Charisma-
verstandnis entwickelt hat, ein Charismaverstiindnis, das sich
auf die Vielfalt und Freiheit des Geistes griindet, ein Gedanke
der gleichzeitig auch von anderen protestantischen und katho-
lischen Theologen ausgedriickt wurde. Einer von ihnen,
G, Hasenhiitrl+', ein Schuler von Hans Kling, beschreibt das
Charisma als "Ordnungsprinzip der Kirche". Hasenhiittl, der
sein Buch denen widmet, "die die Kirche Christi verlassen wol-
len oder verlassen haben", arbeitet auf Grund einer sorg faltig en
Exegese und in Kenntnis der okumenischen Studie "Die Kirche
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fiir andere" in Richtung auf eine bemerkenswerte Neuorientie-
rung der kirchlichen Strukturen, die, nach ihm, vorn Charisma
her (und niche umgekehrt!) konzipiert werden miissen. Aber in
s~inem Buch erwahnt er nirgends die katholischen Pnngstler,
die gutes Anschauungsmaterial fur seine wissenschaf l:liche Unter-
sudrung l iefern wi irden. Das Gesprach zwischen denen, die l ibel'
den Geist nachdenken, und denen, die ihn erfahren und horen
in ihren charismatischen Gebetsstunden, hat bis jetzt noch nidit
stattgefunden.
Die okumenische Bedeutung der katholischen Pfingstbewegung
1. Die Gebetsstunden der katholischen Pfingstler haben die be-
liebte Theorie widerlegt, die die diarismatisdien Ausbruche als
Er satzre ligion der wirt sdiafl lich und kulture ll Benadi te il igten
sieht. Es sind nicht die Ungebildeten, sondern die Intellekruel-
len, nidit die Unkritisdien, sondern die kritischen Excgeten,
nidit frustrierre Puritaner, sondern normale Christen, die an
diesel) Zusammenktinfl:en teilnahmen. Sie reden nicht nut in
Zungen, sie organisieren Diskussionen iiber theologische und
soziale Problems: sie singen nichr nur Lieder, sie komponieren
neue Lieder; es wird niche nur gebetet an ihren Zusammen-klil1ften, sondern auch gegessen, getrunken und geraucht30. Es
ist moglich, zu lachen und zu weinen, in die Hande zu klatsdien
- aber auch hinauszugehen (ohne das Gesicht zu verlieren),
wenn einern dieser Stll nicht zusagt 40, Del' Jesui t Sudbrack 41
stellt darum die pfingstliche Frdmmigkeit in Zusammenharig
mit Harvey Cox' "Fest der Narren", Dabei sind bei diesen
religi6sen Zusamluellkiinl1en politische und soziale Themen
gerade nidit ausgeschlossen, "Die Gebetsversammlung ist nicht
Selbstzweck, sondern Instrument zum Aufbau einer mundigen
Christengemeinde" 42. Seit Herbst 1971 experimentiert man mit
kornrnuneahnlichen "communities" 43.
2. Die katholische Pfingstbewegung hat eine okumenische Dy-
narnik entwickelt, die zwar auf dem Hintergrund des Zweiten
Vatikanischen Konzils erst moglidi wurde, dieses abel' in den
Erlcbnishorizone de r lokalen Gemeinde rl ickte. t lkumene wird
in diesen Gruppen nicht nul' diskutierr, sondern - bis ins
Finanziel]e hinein - erlebr, Die Katholiken geben zu, daf diese
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Erweckungsbewegung ihre Wurzeln au!!erhalb del ' katholischen
Kirche hat. Obschon O'Connor keinen Zweifel an seiner g~t
kathol ischen Theologie aufkommen laBt, antwortet er auf die
Frage, ob es denkbar sei, da!! del' Heilige Geist in den hisco-
rischen Pfingstkirchen mehr am Werk sei als in jener Kirche,
d ie i rn allgemeinen als d ie einzig authent ische Kirche betrach te t
wird, folgendermafsen: "Das konnte Gottes Weise sein, seine
souverane Herrschafl zu demonstrieren und zu zeigen, daf alle
Institutionen und Hierarchien auf Erden, sogar in del' Kirche,
nidus als Werkzeuge und Diener sind ... Wir muiiten daran
erinnert werden, dag Gottes Handeln das Handeln der Kirche
transzendiert ... " H.3. Irn Gegensatz zu der p:6ngstlichen Erweckung vor 60 Jah-
ren innerhalb den protestantischen Kirchen und der gelegent-
lichen gesell sdiafl lichen und rheolog ischen Disquali fizierung der
neueren charisrnarisdien Bewegung in den protestantischen
Kirchen heure, hat die Bischofskonferenz der kathol isd ien Kirche
in den Vereinigten Staaren der neuen Bewegung gegeni.iber eine
freundliche Stellung eingenommen und erklarr: Die Bewegung
hat theologisch legitime Griinde fUr ihre Existenz und steht auf
einer soliden biblischen Grundlage, Obsehon da und dort MiB-
brauche vorkornmen, solI die Bewegung als ganzes nicht gehin-den werden. "Kluge Priester" sollen die Gruppen begleiten und
Ihnen helfen, den Impetus, den sie von den historisdien Pfingst-
kirdien erhalten haben, zu bewahren, ohne deren Fehler zu
ubernehmen v Begreiflidi spottet ein Kritiker der Bewegung,
da!! den Bisehofen 40 "domestiziette Charismatiker" lieber sind
OIlsdie revolutionaren Berrigans 47. Ein guter Kenner der poli-
t isehen und kirchl ichen Szene ist a llerdings der Meinung, daf die
charismatisdien Gruppen und politische Bewegungen wie zum
Beispiel "Bladt Power" nidit als Opponenten, sondern als "Be-
wegungen des sozialen Wandels" zu betraditen sind 48.
II. Der Beitrag der Pfingstbewegung fur die allgemeine Kirche
Neben den o: ff ens icht lichen Gaben, welche die pf ings tl iche From-
migkeit zu der allgemeinen Kirche beizutragen hat (Teilnahme
alIer an der Li turg ic , e ine spoman enrs tehende Li turg ie 49, Enga-
gement der Gesamtperson im Gottesdienst) und neben der schon
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I iJllll! 11 kumenischen Bedeutung der pfingstlichen From-
lIli k r . i L , 1 nn man in der Pfingstbewegung eine widitige poten-
o j 11·Alternative ftir die Theorie des sozialen Handelns und fur
di Methode des Theologisierens entdecken.
Ich beginne mit dem pfingstlichen Beitrag fu r eine Alternative
des Theologisierens 50. Trotz der bedeutenden Lehrunterschiede
gibt es in der Pfingstbewegung so etwas wie e in wel twei tes
Zusammengehorigkeitsgeflihl. Das hei£t: die pfingstliche
»oikoumene" griindet sich niche auf eine gedruckre und defi-
nierte Lehre, sondern auf eine gemeinsame Erfahrung, ins-
besondere auf eine gerneinsame Weise der Kommunikation, die
aile Schranken der Bildung, der Hautfarbe, der Klasse und der
Nationalitat iiberwinder u. Wer diese Moglidikeit ernst nimmt,
entdeckt in ihr cine Weise des Theologisierens in einer miind-
l i chen Kultur, in der das Medium der Komrnunikation - ahn-
lich wie in biblischen Zeiten - nidit die Definition ist , son-
dern die Besdireibung, nicht die These, sondern der Tanz, nidir
die Lehre, sondern das Lied, nicht das gelehrte Buch, sondern
die Geschichte und das Gleichnis, nicht die summa theologies,
sondern das Zeugnis, usw. Wer bestreitet, daf man in diesen
Kategorien anstandig Theologie betreiben kann, mu£ bewei-
sen, daB die Bibel kein theologisches Buch isr. Un sere Weisedes Theologisierens isr nocwendigerweise durch unsere euro-
paischen Kulturmedien bestimmt. Es gibt aber gleidrwertige
Formen des Theologisierens in anderen Kulturen. Die Pfingst-
bewegung bieter uns Elemente und Rohmaterialien fur solche
alternativen Meehoden an. Wie dies im einzelnenaussiehr habe
ich andernorts ausgefUhrt52 • Eines ist jedoch sicher: Wenn die
Theologie universal sein will (und sie muE es per definitionem
sein wollenl), dann muB sie die Besdirankungen einer sdirifl-
lichen Kultur i iberwinden t N ur eine Weise der Theologie, die
das Gleichnis, den Tanz, das Lied, die Pantomime als gleich-
berechtigtes Medium der theologischen Kommunikation aner-
kennt, kann das Pradikat "okumenisch" und "universal" fiir
sich in Anspruch nehmen, Das okumenische Problem der Zu-
kunf wird niche die Diskussion zwischen Katholiken und Pro-
testanten seirr (von einern internationalen Gesichtspunkt aus
gesehen ist das ein Nebenproblem), sondern die Frage, ob ein
Gesprach zwischen schrifllichen und mlindlichen Theologen start-
64
finden wird oder nicht5S• Das Problem wird verscharfl durch
die Tatsache, daB die meisten miindlidien Theologen (nicht aIle)
arm und schwarz und die meisten sdirifllidien Theologen (nicht
aIle) wei£ und reich sind. Mir scheint, daf die kulturellen Dif-
ferenzen in dieser Fronrstellung so gewichtig sind wie die wirt-
schaf!:lichen. Da ein grofser Teil der Pfingstbewegung (nicht die
ganze Bewegung, einige der alteren Denominationen haben sich
ihrer christlichen Umgebung angepaiit und sind "gezahmt"
worden) zu dieser rniindlichen Kultur gehorr, nimmt sie in die-
sem Dialog eine wich tige Schl iis se lstel lung ein. Das erklar t i ibri -
gens auch, warum die unabhangigen Pfingstkirchen (nicht die
von Missionaren abhangigen pfingstlichen Missionskirchen; diese
haben dieselben Probleme wie die Iibrigen Missionskirchen)
keine Schwierigkeiten haben, ihre eigenen Programme zu finan-
zieren und ihre Pastoren auszub ilden. Sie haben den Import
fremdland ischer und viel zu kosr sp ie liger Kirchenorganisa tio-
nen und eine akademisdie Pastorenausbildung abgelehnt. Da-
gegen erfanden sie ihr eigenes Ausbildungsprogramm, die Aus-
bildung "en la calle" (auf del' Straile), wie die Chilenen sagen,
das heilit eine theologische Ausbildung in der Situation, in dem
Milieu, in dem sie leben, und ohne sie ihrem weltlichen Bror-
erwerb zu entfremden,Die Konsequenzen Jfir Entsoidelungsprogramme sind erst von
ganz wenigen Leuten gesehen worden, obschon die Resultate
jedermann sichtbar sind. Das Selbsthilfe-Programm der Kim-
banguisten im Kongo &4 oder der Ind ianerpfingst ler in Mexiko 55
mag in den Augen eines Exper ten der UNO oder von "Brot flir
die Welt" primitiv erscheinen, Aber der Vorteil ist, daB sie es
selber finanzierc haben und nicht von Information, Experten
und Ersatzteilen aus dem Ausland abhangig sind. Wenn ein
Christ aus der Dritten Welt sich seiner Menschenwlirde bewulst
wird im Demokratisiemngsprozef des Gottesdienstes, so hat
das weitr eichende Konsequenzen fl ir seine sozia le und pol iri sdie
Alphabetisation. Diese sind widitiger als der Einflufs von soge-
nannten "pressure-groups", die ofl nichts anderes sind als eine
neue Form auslandischer Ideologie, die sich auf kleine Gruppen
aus dem Biirgerturn stiitzt, Die Revolution der letzteren ist meist
sowieso nur cine Papierrevolution und wird sich auf die Lange
als reaktionar erweisen, da sie mit .den uberwalrigenden tech-
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111,r !1 I I Miueln del' in ternen und ex ter nen Kolon ialmach te nicht
1 ' 4 , n l t U I · r i r n kar in .
III. Vnd ihre Schto iicben . .. ?
Die groBte Schwache del ' P fingstbewegung i st d ie Unwis senhei t
tib er das Po tential hin ter ih rer pluralistischen Frommigkeit, Die
Pfingstler waren bis jetzt nicht in der Lage, ihre Erfahrung
anders als in den sehr ungeeigneten Karegorien des Rationa-lismus des Ietzten jahrhunderrs darzustellen, Darurn sind ihre
Schriften - auBer wo sie beschreibend sind - so langweilig,
Anstatt eine th eologisdie Sp rache zu entwickeln, d ie ihr er Erfah -
rung entsprechen wiirde, liehen sie sich unsere theologische
Sprache, die fiir sie natiirlich eine Fremdsprache ist und die sie
immer weniger gut behertschen werden als die Experten.
Immerhin, auch hie r g ib t esAusnahmen.
Die Pfingstler versuchten seit jahrzehnten die Evangelikalen
flir ihre Sache zu gewinnen. Aber diese erwiesen sich bis jetzt
als die bockbeinigsten Widersacher der Pfingstbewegung. Die
moderne charisrnatische Bewegung hat gerade nicht d ie evan -
gelilcalen Kirchen erfaBt, sondern die durchschnirrlichen Ge-
meinden del' pro testantisdien und katholischen GroBkirchen .
Das sollee eig entlich d ie Pfingstler zu einer Knderung ihrer Poli-
tile veranlassen, 1hre Freunde finden sie nicht dart, wo sie sie
evtuarten.
Erstaunlicherweise ist die Geistleh re der schwierigste Punkt der
pfingstlichen Theologie. Im Gegensatz zu dem, was man erwar-
ten wiird e, h aben sie bis jetzt k ein e Pneumato logie entwickelt,
d ie ihrer Erfahrung ent sprechen wi ircl e. D ie pneumatologischen
Arbeiten von Eduard Schweizer, Ernst Kasemann, Hans KUng
und anderen stelien der pfingstlichen Erfahrung naher als die
Arbeiten der Pfingstler selber, Wie oben gezeigt wurde, kann
die pfing stliche Lehre der Geistestauf e als eine Moglichke it der
Besch reibung del' Geistwirkung verstanden werden ( aber inner-
halb des pluralistischen Rahrnens des Neuen Testaments gibt es
noch andere). Im allgerneinen verabsolutieren die Pfingstler
die lukanische Pneumatologie und machen sie 2U der neutesta-
mentl id ien Pneurnatologie , Das sreht abe r im Gegensa tz 2U ihrer
e igenen Erfahrung. Die Mehrhei t der chi leni schen Pfingstpredi-
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ger redet nicht in Zungen. In den meisten Pfingstgemeinden
sp richt die Halfle der Glieder nicht in Zungen. Daf eine
pfing stliche Lehr e von der Geistestau fe h ier unerhorte Sd rwie-
rigkeiten und geistliche Note schaffi, ist klar, ganz zu schwei-
gen von den Schwierigkeiten, die im Verhaltnis zu anderen
Kirchen entstehen.
Die beste Kritik an der Pfingstbewegung stamrnt m. E. von
einem Lehrer der klassischen Pfingstb ewegung seIber. Es ist d er
britische langjahrige Leiter der Assemblies of God, Donald
Gee (1891-1966)50. Er schrieb schon 1962 den Neo-Pfingst-
lern ins Stammbuch: "Viele von Ihnen sind ausgebildete Theo-
logen mit gutem akademischen Hintergrund, Werden Sie, n ach-
dem Sie nun d ie geistlichen Gaben geschmeckr haben, nicht Fana-
tisch in der Ablehnung einer ihre Grenzen kennenden Wissen-
schaft (consecrated scholarship). Der Geist der Wahrheit soIl
Sie entzunden, Einige von uns haben in unserer Torheit Unwis-
senheit verherrlicht" 07. Wer sich fiir eine detaillierte Kririk an
der P fingstbewegung (klass is che und Neo-Pfingsr ler ) int eres si er t
s ei nachdri .ickl ich auf das Lebenswerk dieses auBerordent li chen
pfingstlichen Lehrers hingewiesen. Meines Erachtens hat die
Pfing stb ewegung die besonnene Kritik dieses Mannes nicht ernst
genommen, was sich zum Beispiel darin zeigt, daB die meistenseiner kritischen Schriften nicht nachgedruckt und nicht iiber-
setzt wurden. Und das ist schade.
Wichtige Begri/fe
klassische oder historische Pfingstbewegung
Pfingstler , die in p fingstlichen Denominationen o rganisiert sind,
wie z. B . d ie Assemblies o f God und andere
No- Pfingstler
Pf ings tl er , d ie zu e iner pro test anti schen oder katholi schen GroJ3-
kirche gehoren
Geistestaufe
Ein relig ioses Krisiserlebn is, zeitlich und sachlidi ver schieden
von der Bekehrung, meist, abet nicht immer erkennbar am
Zungenreden
Eine meditative, nicht-rationale Form des Gebets, von Nicht-
eingeweihten oft als ekstatisch bezeichnet, von Paulus sehr
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gescharzr in seinem privaten Gebetsleben ( lKor14,4,39) , aber
flir den gottesdienstlichen Gebrauch bestimmten Regeln unter-
worfen ( lKor14,27) . Es hor t s ichungefahr so an, wie ein Radio-
sender , dessen Sprache der Zuhore r nicht versteht. Ob es sich
urn wirkliche Sprachen handelt oder nicht ist kontrovers.
Anmerkungen
1Einige der Standardwerke; Walter J. Hollenweger, Enthusiastisches
Christentum, Die Pfingstbewegung in Geschichte und Gegenwart,Wllppert~l 1969 (im Folgenden zitierr als: PGG) ~ Nils Bloch-
~0~1l , !he Pentecostal Movement . It s o rigin, development , anddistinctive character, London 1964 ~ B. R. Wilson, Sects and
Society, London 1961 - John T. Nichol, Pentecostalism, New
York 1966; Pla in field, N.J. , 1972 - Vinson Synan, The Hol iness
Pentecos ta l Movement in the Uni ted Sta tes, Grand Rapids , Mich. ,
1971 - Arthur Sundstedt, Pingstvackelsen - dess uppkornst och
forsca. utvecklingskede, 5 Bde geplant, Normans Forlag 1969 ff. -Paul Fleisch, Die Pfingstbewegung in Deutschland, Ihr Wesen und
ilire Geschichte in f i:infzig [ahren, Hannover 1957 - W, J, Hollen-
weger (Hsg.), Die Pfingstkirchen, Selbstdarstellungen, Dokumente,
Komrnentare , Stut tgart 1972 - Vgl . auch die versch iedenen Aus-
gaben von K, Hucten, Seher, Grubler, Enthusiasten, Stuttgart.
2 Es gab pfingsclich? Ausbri iche in den USA schon vor Los Angeles
(Charles Parham In Topeka und die Anfange der Church of GodCleveland). Jecloch gehen - mit Ausnahme der versdiiedenen
Churches of God - fast alle Pfingstgruppen in den USA auf dieLos-Angeles-Erweckung zuriick,
3 Ein besonderes Kapite], das hier nicht behandelt werden kann
sind die schwarzen Pfingstler in den USA. VgI. dazu V. Synan:
a.a.O., passim. - W. J . Hollenweger , Black Pentecostal Concept
(Concept, juni 1970, aRK, GenE) - Ders., Pfingsten zwischen
sdrwarz und weiLl ( in Vorbereitung) - PGG, passim - A. M. Bra-
z~er, ~lack Self-Dete~mil1at}on. The Story of the Woodlawn Orga-mzat ion , Grand Rapids, Mich. , 1969 - Luther P.Gerlach und Vir-
ginia H. Hine, People, Power, Change. Movements of Social Trans-
formation. Indianapolis und New York, 1970 - W.]. Hollen-
weger , Ein Drache £liegt gegen den Wind. Amerikanische Pfingst-
bewegung und Black Power, Ev. Kornmentare 5/5, Mai 1972271-275. '
4 Beste Interpretation der schwier igen Quellenlage in Bloch-Hoell,
a.a.O., S. 38, Anm. 99. Quellen in Hollenweger , Black PentecostalConcept.
o~ ie statistisdie Unsicherheit geht niche nur darauf zurilck, daB
viele ~fingstde~on:inatiDnen kein Interesse an einer genauen Zdh-
lung ihrer Mitglieder haben, sondern auch darauf, daf viele
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Pfingstkirchen unbekannt sind, da sie keine Beziehungen zu inter-
national en Missionsgesellschaf l:en haben. Ferner sind sich die For-
scher jeweil s n icht klar dari iber, welche religiosen Gruppen zur
Pfingstbewegung zu zahlen sind. Ich habe vorgeschlagen, eine
Gruppe "pfingst liche" zu nennen, wenn si e zum mindesten zwei
zeitl ich und sachlich verschiedene Krisiserlebnisse im Leben eines
Glaubigen Iehrt , und das zweite me ist - aber nicht immer -
durch das Zungenreden srkennbar i st, Ich bin aber n icht sehr kon-
sequent gewesen in der Anwendung dieser Defini tion, da einige
der inreressantes ten Pfingst ler (Simon Tugwell , Jonathan Paul ,
Louis Dalliere und andere), die normalerweise zurPfingstbewegung
gezahlt werden, dieser Definition nicht entspredien.
6 Alexander A. Boddy , "Dber Land und Meer" , PfingstgruBe 5/8,
24.11,1912, S. 63. Es handelt sich urn eine Ubersetzung aus der
br it ischen Pf ings tzei tsd iri fl »Confidence", die ich b is je tzr nich t
auffinden konnte.
7 Frank Bartlernan, What Really Happened at «Azusa Street"? (Hsg.
John Walker), Los Angeles, 1962, S. 29 - Die deutsche Uberset-
zung ist unvollscandig und gelegentlich unverseandlich: HAuch die
, schwarze Linie' war im Blute jesu abgewaschen" (Frank Bart le-
man, Wie Pfingsten nach Los Angeles kam, Leonberg!Wiirtt., 0.].,
S.51),
8 Vgl. die Aussage des deutschen Pfingstpredigers Christian Kruse an
der Vier ten Vollversamrn lung des tJRK in Uppsala: "Die Pfingst -
bewegung , , . ha t im Anfang gehoff i, e ine okumenisdie Bewegung
zu worden. Diese Hof fnung hat sich niche erful lr" . Chr . Krust , Die
Pfingstkirchen und die okurnenische Bewegung, in: N. Goodall und
W. Miiller-Rdmheld (Hsg.), Bericht aus Uppsala 1968. Offizieller
Bericht iiber die Vierte Vollversammlung des aRK, Genf 1968,
S,361.
oA. Reichenbach, Sind wir deshalb eine Sekte? VerheiBung des
Vaters (Zurich) 55/10, Okt, 1972, S.5.
10 E. S. Will iams , Forty-Five Year s of Pen tecostal Revival, Pente-
costal Evangel (Springfield, Mo.) 1945, 19.8,1951, S,3-4.
11 G. G, Kulbeck, What God Hath Wrought. A History of the Pente-
costal Assemblies of Canada, Toronto 1958, S.24.
12 PGG, S. 216-230 - W. J. Hollenweger, "Touch" and" Think" the
Spir it. Some aspects of the European chari smat ic movement (in
einern von Russ Spittler herauszugebenden Buch, Plainfield, N.J.,
1973/74) - Christian Krust, 50 Jahre deutsche Pflngstbewegung
Mi.ilheimer Richtung, Altdorf 1958 - Ders., Was wit glauben,
lehren und bekennen, Altdorf 1963 - Wolfgang Failing, Neue
charismatische Bewegung in den Landeskirchen, in: W. J.Hollen-
weger (Hsg.), Die Pfingstkirchen, S. 131-145.
13 Ein Beispiel aus ji. ingster Zeit ist die Jesus-Bewegung. Die meisten
ihrer Fuhrer in USA und Europa kornmen aus der Pfingstbewe-
gung, Beste Darstellung: R. M. Enroth, E. E.Ericson, C. B. Peters,
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