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Wo bitte geht es zur Plattform?Spät, aber gewaltig hat die Digitalisierung die Logistik erfasst. Start-ups
wie FreightHub wollen mit Algorithmen und einer Transparenzoffensive den Welthandel revolutionieren. Etablierte Speditionen wie TCI wappnen
sich – und kombinieren Erfahrung mit Datenpower
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buchbare Angebot vor“, sagt Wax. Bei der analogen
Konkurrenz dauere das mitunter Tage. Ein Dutzend
Abstimmungsschritte seien für die Buchung eines
Containers in der Branche nicht unüblich.
Smarte Mobilitäts- und Reiseplattformen
wie Airbnb oder Blablacar haben sich bei Privat-
leuten in Windeseile durchgesetzt. Jetzt erobert
der Plattformgedanke auch die Businesswelt. In
der Logistikwirtschaft beginnt ein Kampf um die
Kundenschnittstelle. Säcke schleppen und Con-
tainer verladen – das kann freilich auch noch
kein Algorithmus. Doch FreightHub will mehr
leisten als eine simple IT-Vergleichsplattform.
„Wir kümmern uns auch um alle Formalitäten von
Zollbescheinigungen bis Versicherungen“, sagt
Wax. Wie eine normale Spedition – nur beque-
mer, schneller und transparenter. Kassiert
Containerterminal Altenwerder, hier werden
die richtig großen Pötte gelöscht. Wer in der
deutschen Seefracht Rang und Namen ha-
ben will, arbeitet traditionell in Hamburg. Jeder?
Nicht ganz: Michael Wax fi ndet, dass sich auch
mitten in Ostberlin ein großes Rad in der Logistik
drehen lässt. Wax hat seinen Firmensitz im ange-
sagten Kollwitzkiez, dort, wo das Herz der Inter-
netwirtschaft pocht.
Als Co-Gesellschafter baut Wax gemeinsam mit
Ferry Heilemann und Erik Muttersbach seit März
2016 die volldigitale Spedition FreightHub auf. Wer
einen Container von Schanghai nach Pforzheim
verfrachten will, bekommt per Mausklick rund
150 Optionen aufgezeigt – papierlos und präzise.
Preise, Laufzeiten und Transportdetails werden
in einer Matrix verglichen. „In Sekunden liegt das
ThesenOrganisation: In der Logistikbranche
arbeiten Speditionen oft hoch
spezialisiert als Mittler zwischen
Herstellern und Kunden. Hier setzen
neue Start-ups an.
Plattform: Airbnb oder Blablacar
haben es in anderen Branchen
vorgemacht, jetzt läuft der Wettbe-
werb um die Transformation der
Logistik. Zahlreiche Digitalisierer
bringen sich in Stellung. FO
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werden marktübliche fünf bis 20 Prozent des
Auftragsvolumens. Um Echtzeitangebote zu ge-
nerieren, hat FreightHub einen Algorithmus zur
Routenoptimierung programmiert. Der greift auf
eine Datenbank zu, die stets aktualisierte Fracht-
raten der großen Carrier enthält. Im Schatten
des Fernsehturms am Alex fi ndet das Start-up
die nötigen Softwareentwickler. Doch nicht nur
IT-Profi s, auch sachkundige Speditionskauf leute
heuert man für die Mission: „Wir wollen eine
der Top-20-Speditionen weltweit werden“, sagt
FreightHub-CEO Heilemann, „und dabei kommt
es darauf an, Digitalisierung mit persönlichem
Kundenkontakt zu verbinden.“
Start-ups werden gefährlich
Was angesichts von 550 Unternehmenskunden
und 70 Mitarbeitern verwegen klingt, ist für Burk-
hard Schwenker, einen der namhaften Investoren,
eine gut begründete Hoffnung: „FreightHub hat
das Potenzial, die Linienschifffahrt aufzubrechen“,
sagt der frühere Geschäftsführer von Roland Ber-
ger. Schwenker trug neben VC-Fonds wie Global
Founders Capital oder Cherry Ventures zur ersten
Finanzierung in Höhe von insgesamt drei Millionen
US-Dollar bei. Der Kick der Digitalspedition: Keine
eigenen Vermögenswerte binden das Kapital, der
Fokus liegt auf Kundenzufriedenheit. „Preisbre-
cher wollen wir nicht sein“, sagt Wax bestimmt. Die
Strategie heiße nicht billig, sondern besser. „Die
Start-ups können zu einer realistischen Gefahr für
die etablierten Anbieter werden, wenn die nicht
rechtzeitig auf die digitalen Geschäftsmodelle
reagieren“, sagt Joris D’Incà, Partner der Manage-
mentberatung Oliver Wyman, der die Transfor-
mation des Speditionsgeschäfts analysiert. „Wir
erleben eine Beschleunigung in den letzten drei
Jahren.“ Weltweit werde alle fünf Tage ein neues
Logistik-Start-up gegründet, in Deutschland zählt
D’Incà rund 30 vielversprechende Firmen.
Anders als bei B2C-Marktplätzen brauchen
Gründer in der Logistik jedoch viel längeren
Atem, sagt D’Incà. „Logistik hat viel mit Vertrauen
zu tun. Da übergibt man nicht jedem Newcomer
seine Ladung.“ Gleichwohl gewinne das Nutzer-
erlebnis auch im Profi bereich an Bedeutung.
Wer eine Container buchung über eine smarte
Benutzeroberfl äche anbiete, sei klar im Vorteil.
Deutschland ist zwar Standort global führender
Logistikunternehmen. Doch „in Europa landen nur
rund fünf Prozent der weltweiten Anschubfi nan-
zierung“, sagt D’Incà. Zum Problem könnte auch
werden, dass sich viele Logistiker aus dem Mittel-
stand nur zögerlich auf die Digitalisierer einließen.
Eric Heymann, Branchenexperte von Deutsche
Bank Research, ist sich sicher: Die großen Markt-
teilnehmer mit Weltruf sitzen fest im Sattel. Für
Angreifer sei auch die Komplexität eine nicht zu
unterschätzende Eintrittsbarriere: „Die Aufgaben
der Logistiker reichen oft weit in die Wertschöp-
fungsketten hinein. Da sind Kundenbeziehungen
schwer zu knacken“, sagt Heymann. Generell sei
die dynamische Branche ein lohnendes Wachs-
tumsfeld, für 2017 prognostiziert Heymann hier-
zulande vier bis fünf Prozent Umsatzplus wegen
des wieder fl orierenden Außenhandels.
Stetiges Wachstum, dieses Vorhaben löst Ralf
Nörtemann Jahr um Jahr ein. Auch weiß er, wie
es ist, ein Start-up-Unternehmer zu sein. In ei-
nem Hamburger Zweimannbüro begann er mit
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FreightHub: Offerten in EchtzeitDas Berliner Unternehmen versteht sich als digitale Frachtspedition für den globalen
Containertransport. In einem Hybridmodell kombiniert FreightHub die Funktionen
eines Vergleichsportals mit Leistungen einer Full-Service-Spedition. Den Fokus legt das
2016 gegründete Start-up auf Seefracht, bisher vornehmlich aus und nach Asien.
Eine Datenbank bündelt Frachtraten, Hafengebühren, Routen und Laufzeiten. Neben
dem Seriengründer Ferry Heilemann (CEO, Mitte) sind operativ die Mitgründer Erik
Muttersbach (CTO, links) und Michael Wax (COO) an Bord.
Was Gründer tunLogistik-Start-ups in Deutsch-
land, Österreich und der Schweiz
2016: Junge Unternehmen
drängen in ganz verschiedene
Geschäftsbereiche.
QUELLE: OLIVER-WYMAN-ANALYSE
Versand und Nachverfolgung
Robotics und autonome Lkw
Asset Management
Daten- und Analyselösung
Onlineplattformen
31 %
24 %
5 %
21 %
19 %
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einem Partner, Seetransporte abzuwickeln. Das
war 1989. Heute setzt der Überseespediteur rund
200 Millionen Euro um mit seiner TCI Transcontai-
ner International Holding. Und die Digitalisierung?
„Steht bei mir seit sechs Jahren auf der Agenda“,
sagt der geschäftsführende Gesellschafter.
Wer mit Nörtemann spricht, merkt rasch: Der
Mann macht sich Gedanken um die Risiken einer
digitalisierten Gesellschaft. Doch er ist entschlos-
sen, für TCI und für seine 250 Mitarbeiter eine si-
chere Fahrrinne zu fi nden. An den Rand gedrängt
von Digitalplattformen? Er jedenfalls nicht.
Komplexität und Erfahrung
Veränderungsbereit ist Nörtemann von jeher. „Ich
ziehe hier alle zwei Jahre den Laden auf links“, sagt
er gut gelaunt. Ein Prozessoptimierer, der einst im
Analogen startete – und heute intern alles auto-
matisiert, digitalisiert und damit rationalisiert,
was sich anbietet. Stagnation sei tödlich, seine
Mitarbeiter hingegen brauchten die fortschrei-
tende Rationalisierung nicht zu fürchten. Er ver-
spricht: „Wir werden durch Digitalisierung keine
Arbeitsplätze aufgeben. Wir füllen stattdessen
mehr Aufträge ins System ein.“ So münzt er Digital-
prozesse um in Wachstum. Und das ist nötig, um
dem Preisverfall zu entkommen.
Der 62-Jährige klingt trotzdem nicht eupho-
risch, wenn er an das große Ganze denkt: „Ich
habe Universitäten besucht, mir vieles zur digi-
talen Transformation angehört. Mein Eindruck:
Keine Fakultät ist sich bisher im Klaren, was die
Digitalisierung für unsere Welt im Ganzen schon
bald bedeuten wird.“ Nörtemann warnt vor tief
greifenden Folgen. „Was machen wir mit den über-
all frei werdenden Arbeitskräften? Tragen die Digi-
talisierer Verantwortung für die Menschen? Wer
zahlt künftig die Steuern? Da ist einiges nicht zu
Ende gedacht.“
Im eigenen Betrieb zerstreut er die Sorgen.
Komplexität braucht Erfahrung – und Echtzeit ist
kein Hexenwerk: „Wir geben schon lange die Quo-
tierungen digital an unsere Kunden, 24/7“, sagt
Nörtemann. Manchem mit Spielgeld gefütterten
Durchstarter der Plattformökonomie begegnet er
mit Skepsis. Einige Anfragen hat er bereits kopf-
schüttelnd abgelehnt: „Eine Kooperation mit ei-
nem Digitalisierer ist nur vernünftig, solange man
selbst nicht zum Sklaven dieser Plattform wird.
Wir erstellen schließlich das Produkt. Und ver-
markten kann ich es noch selber, besten Dank. Es
gibt keinen Grund, warum auch bisher analoge
Unternehmen nicht digitalisieren können.“
Ralf Nörtemann kennt seine eigenen Stärken.
Margen schöpft er aus Prozessschärfungen, nicht
aus Intransparenz: „Digitalisierung wird eine
Offenlegung der Marktverhältnisse zu jeder Se-
kunde möglich machen. Und das ist für uns ein
Vorteil.“ Denn er weiß: „Treue Kunden arbeiten
mit uns, weil sie wissen, dass sie nicht über den
Tisch gezogen werden.“
STEFAN MERX
Alle fünf Tage ein neues Logistik-Start-up
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TCI-Gruppe: Know-how weltweitOb superleichte Airbus-Flügelteile, Schwerstladungen für die Industrie
oder Supply Chain Management aus Asien: Die Hamburger Full-Service-
Spedition TCI, gegründet 1989 von Ralf Nörtemann, kümmert sich um
Industrietransporte von Tür zu Tür. Allein in China hat Nörtemann vier
Niederlassungen. Die vier Unternehmen der Gruppe, darunter der Lager-
und Verpackungs spezialist HLS, bringen es mit 250 Mitarbeitern auf 200
Millionen Euro Umsatz. Großen Wert legt Nörtemann auf Ausbildung und Führung. Sein
Credo: „Wer sich behaupten will, muss seine Mitarbeiter anständig behandeln.“
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