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367 Deutsche Zahnärztliche Zeitschrift 59 (2004) 7 © Deutscher Ärzte-Verlag, Köln Wurzelkanalinstrumente aus Nickel- Titan und Nickelallergie – ein rele- vantes Problem? Stellt der Einsatz von Wurzelkanalinstrumenten aus Nickel-Titan insbesonde- re unter Berücksichtigung einer möglichen Instrumentenfraktur bei Patien- ten mit bekannter Nickelallergie ein Risiko dar? Nickel-Titan-Legierungen (Nitinol) bestehen zu annähernd gleichen Teilen aus Nickel und Titan. Bei der zunehmenden Inzidenz von Allergien gegen- über nickelhaltigen Konsumprodukten oder Modeschmuck [1] muss somit eine Legierung, die zu etwa 50 m% Nickel enthält, hinsichtlich ihres aller- genen Potenzials bewertet werden. Es ist bekannt, dass Nickel die Mitose humaner Fibroblasten hemmt [1,2]. Da- her wurde in der Vergangenheit bereits gefordert, dass sämtliche nickelhalti- gen Produkte, die in direkten Hautkontakt kommen können, maximal einen Nickelanteil von 1 ppm aufweisen sollen [1]. Zwar liegen derzeit nur wenige Studien zur Bewertung der Biokompatibilität von Nickel-Titan-Legierungen vor, aber diese lassen übereinstimmend folgen- de Rückschlüsse zu: Nitinol hemmt im Gegensatz zu Nickel die Mitose humaner Fibroblasten nicht [2]. Die Autoren folgern, dass diese Legierungen als äußerst biokompati- bel einzustufen sind. In einer umfassenden Studie erwies sich die Nickel-Titan-Legierung weder als allergen, noch als zytotoxisch und auch nicht als genotoxisch [4]. Diese positi- ven biologischen Eigenschaften werden von den Autoren auf die nur minima- le Abgabe von Ionen aus der Legierung und die ausgezeichnete Korrosionsre- sistenz zurückgeführt. Diese Beobachtungen stehen in Übereinstimmung mit einer weiteren Arbeit [3], in der ebenfalls eine exzellente Biokompatibilität und eine ausgeprägte Korrosionsresistenz des Nitinols nachgewiesen wurde. Da Nickel im Nitinol chemisch an Titan gebunden ist, wird die Möglichkeit, dass selbst bei beste- hender Nickelallergie eine vom Nitinol ausgelöste allergische Reaktion zu er- warten ist, von den Autoren als extrem gering eingestuft. Nach den verfügbaren Berichten muss auch bei im Wurzelkanal verbleiben- den Instrumentenfragmenten nicht mit allergischen Reaktionen gerechnet werden. Eine Kontraindikation für die Anwendung von Nickel-Titan-Instru- menten liegt somit auch bei Patienten mit einer bekannten Nickelallergie nicht vor. 1. Basketter, D. A., Briatico-Vangosa, G., Kaestner, W., Lally, C., Bontinck, W. J.: Nickel, cobalt and chromium in consumer products: a role in allergic contact dermatitis? Contact Dermatitis 28, 15 (1993). 2. Putters, J. L., Kaulesar Sukul, D. M., de Zeeuw, G. R., Bijma, A., Besselink, P. A.: Comparative cell culture effects of shape memory metal (Nitinol), nickel and titanium: a biocompatibility estimation. Eur Surg Res 24, 378 (1992). 3. Ryhanen, J.: Biocompatibility evaluation of nickel-titanium shape memory metal alloy. PhD Thesis, Oulu, Finnland (1999); http://herkules.oulu.fi/isbn9514252217/ 4. Wever, D. J., Veldhuizen, A. G., Sanders, M. M., Schakenraad, J. M., van Horn, J. R.: Cytotoxic, allergic and genotoxic activity of a nickel-titanium alloy. Biomaterials 18, 1115 (1997). E. Schäfer, Münster Praxisletter Praxisletter Praxisletter Praxisletter Praxisletter Praxisletter Thema Fragestellung Hintergrund Bewertung Empfehlung Quellen Abbildung 1 Frakturiertes Nickel-Titan-Instrument im Wurzelka- nal (Rasterelektronenmikroskopische Aufnahme, Originalvergrößerung 40:1)

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367Deutsche Zahnärztliche Zeitschrift 59 (2004) 7 © Deutscher Ärzte-Verlag, Köln

Wurzelkanalinstrumente aus Nickel-Titan und Nickelallergie – ein rele-vantes Problem? Stellt der Einsatz von Wurzelkanalinstrumenten aus Nickel-Titan insbesonde-re unter Berücksichtigung einer möglichen Instrumentenfraktur bei Patien-ten mit bekannter Nickelallergie ein Risiko dar?

Nickel-Titan-Legierungen (Nitinol) bestehen zu annähernd gleichen Teilenaus Nickel und Titan. Bei der zunehmenden Inzidenz von Allergien gegen-über nickelhaltigen Konsumprodukten oder Modeschmuck [1] muss somiteine Legierung, die zu etwa 50 m% Nickel enthält, hinsichtlich ihres aller-genen Potenzials bewertet werden.

Es ist bekannt, dass Nickel die Mitose humaner Fibroblasten hemmt [1,2]. Da-her wurde in der Vergangenheit bereits gefordert, dass sämtliche nickelhalti-gen Produkte, die in direkten Hautkontakt kommen können, maximal einenNickelanteil von 1 ppm aufweisen sollen [1].

Zwar liegen derzeit nur wenige Studien zur Bewertung der Biokompatibilitätvon Nickel-Titan-Legierungen vor, aber diese lassen übereinstimmend folgen-de Rückschlüsse zu:

Nitinol hemmt im Gegensatz zu Nickel die Mitose humaner Fibroblastennicht [2]. Die Autoren folgern, dass diese Legierungen als äußerst biokompati-bel einzustufen sind.

In einer umfassenden Studie erwies sich die Nickel-Titan-Legierung weder alsallergen, noch als zytotoxisch und auch nicht als genotoxisch [4]. Diese positi-ven biologischen Eigenschaften werden von den Autoren auf die nur minima-le Abgabe von Ionen aus der Legierung und die ausgezeichnete Korrosionsre-sistenz zurückgeführt.

Diese Beobachtungen stehen in Übereinstimmung mit einer weiteren Arbeit[3], in der ebenfalls eine exzellente Biokompatibilität und eine ausgeprägteKorrosionsresistenz des Nitinols nachgewiesen wurde. Da Nickel im Nitinolchemisch an Titan gebunden ist, wird die Möglichkeit, dass selbst bei beste-hender Nickelallergie eine vom Nitinol ausgelöste allergische Reaktion zu er-warten ist, von den Autoren als extrem gering eingestuft.

Nach den verfügbaren Berichten muss auch bei im Wurzelkanal verbleiben-den Instrumentenfragmenten nicht mit allergischen Reaktionen gerechnetwerden. Eine Kontraindikation für die Anwendung von Nickel-Titan-Instru-menten liegt somit auch bei Patienten mit einer bekannten Nickelallergienicht vor.

1. Basketter, D. A., Briatico-Vangosa, G., Kaestner, W., Lally, C., Bontinck, W. J.: Nickel, cobalt andchromium in consumer products: a role in allergic contact dermatitis? Contact Dermatitis 28,15 (1993).

2. Putters, J. L., Kaulesar Sukul, D. M., de Zeeuw, G. R., Bijma, A., Besselink, P. A.: Comparativecell culture effects of shape memory metal (Nitinol), nickel and titanium: a biocompatibilityestimation. Eur Surg Res 24, 378 (1992).

3. Ryhanen, J.: Biocompatibility evaluation of nickel-titanium shape memory metal alloy. PhDThesis, Oulu, Finnland (1999); http://herkules.oulu.fi/isbn9514252217/

4. Wever, D. J., Veldhuizen, A. G., Sanders, M. M., Schakenraad, J. M., van Horn, J. R.: Cytotoxic,allergic and genotoxic activity of a nickel-titanium alloy. Biomaterials 18, 1115 (1997).

E. Schäfer, Münster

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Abbildung 1 Frakturiertes Nickel-Titan-Instrument im Wurzelka-nal (Rasterelektronenmikroskopische Aufnahme,Originalvergrößerung 40:1)