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Zaha Hadid Architects | AIThesen Dezember | 1 ZAHA HADID ARCHITECTS PARAMETRIC TOWER RESEARCH Die AIThesen zu den Ausstellungen in den AIT-ArchitekturSalons Die Zeit ist reif | Der Parametrismus als Antwort Interview | Zaha Hadid & Patrik Schumacher im Gespräch Eine Frage an Zaha | Von Architekten, Journalisten und Kulturschaffenden Salonpartner Strähle: Räume! Ausgabe Dezember 2011 Das Medium der AIT-ArchitekturSalons

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Zaha Hadid Architects | AIThesen Dezember | 1

ZAHA HADID ARCHITECTSPARAMETRIC TOWER RESEARCHDie AIThesen zu den Ausstellungen in den AIT-ArchitekturSalonsDie Zeit ist reif | Der Parametrismus als Antwort

Interview | Zaha Hadid & Patrik Schumacher im Gespräch

Eine Frage an Zaha | Von Architekten, Journalisten und Kulturschaffenden

Salonpartner

Strähle: Räume!

Ausgabe Dezember 2011

Das Medium der AIT-ArchitekturSalons

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EDITORIAL AUSSTELLUNGLiebe Leserinnen, liebe Leser … Zaha Hadid Architects – Parametric Tower Research

ein bisschen ist es ja wie damals mit Helmut Kohl. Es gab seinerzeit junge Menschen, die hatten einfach noch nie einen anderen Bundeskanzler erlebt. Eine politische Welt ohne den Mann aus der Pfalz war schwer vorstellbar. Bei Zaha Hadid ist es ähnlich - und doch ganz anders. Auch sie dominiert bereits seit Jahrzehnten die internationale Architekturszene. Der Unterschied: Man wird ihrer deshalb nicht überdrüssig. Doch kann man solange als Avantgarde gelten? Sollte man dies? Oder geht jedes engagierte Büro einmal in den gesteuerten Sink� ug des lukrativen Mainstreams über, des routinierten, retardierend eingesetzten Leitmotivs, als Markenzeichen einer auf maximale Verwertbarkeit angelegten Architektur? Wer auf der folgenden Doppelseite verwundert das kartographisch übersetzte Oeuvre von Zaha Hadid Architects (ZHA) betrachtet, der stellt jedenfalls fest, dass die vermeintlich immer noch an kaum baubaren Visionen arbeitende Architektin inzwi-schen ein beeindruckendes Werkverzeichnis vorzuweisen hat, das wohl nur in Deutschland weitestgehend unbemerkt geblieben ist. Hier wird sie noch immer mit ihrem Feuerwehrhaus in Weil am Rhein identi� ziert – oder bestenfalls mit dem Phaeno in Wolfsburg. Tatsächlich ist Europas Mitte nicht unbedingt der geographische Schwerpunkt ihres Werkes. Dass ihre Visionen jedoch ebenso baubar wie durchgesetzt sind, zeigen ihre Werke - und dass Sie sich kaum auf dem Ruhm vergangener wilder Jahre ausruhen will, beweist das Engagement Ihres Büropartners Patrik Schumacher. Er hat das Bauen von ZHA auf ein stabiles und keineswegs nur gestalterisch architekturtheoretisches Fundament gesetzt. Sein „Parametrismus“ will mehr sein, als ein neuer Ismus, der seine Berechtigung aus den üblichen individuell-künstle-rischen oder den kultursoziologischen Rahmenbedingungen herleitet. Er leitet daraus auch entscheidende Veränderung im konstruktiven Bereich und der funktionalen Organisation von Gebäuden ab – und nimmt deshalb auch für den Parametrismus in Anspruch, eine nicht nur temporäre Erscheinung zu sein, sondern eine neue und globale Epoche.

Mit den Ausstellungen in den deutschen AIT-Architektursalons zeigen Zaha Hadid und Pa-trik Schumacher in Deutschland erstmals den aktuellen Stand ihres Werkes, erläutern den Parametrismus und stehen zur Diskussion bereit. Mit den Ausstellungen, Vernissagen und Finissagen über das Werk von Zaha Hadid Architects leiten die AIT-ArchitekturSalons das Jahr 2012 ein und setzen gleich einen der Höhepunkte. Wir freuen uns auf Ihr Kommen.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Dietmar Danner Kristina BachtChefredakteur & Verlagsleiter Kuratorin ArchitekturSalons

Titel: Entwurf für das Finanzzentrum von Peking | ZHA

Parametric Tower Research | ZHA

AIT-ArchitekturSalon KölnVernissage mit Werkvortrag 18. Januar 2012Workshop für Kinder 21. Januar 2012Finissage 08. März 2012Ausstellungsdauer: 16. Januar bis 08. März 2012

AIT-ArchitekturSalon MünchenVernissage 29. März 2012Ausstellungsdauer: 29. März 2012 bis 10. Mai 2012**Termin kann sich noch verschieben

AIT-ArchitekturSalon HamburgVernissage 24. Mai 2012Ausstellungsdauer: 24. Mai 2012 bis 19. Juli 2012**Termin kann sich noch verschieben

coming soon 2012

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Dreißig Jahre nach der Gründung des Büros Zaha Hadid Architects (ZHA) blickt man auf eine Vielzahl unterschiedlicher und anspruchsvoller Projekte weltweit. Das gedankliche Fundament dafür lieferte das bemerkenswerte architektur-theoretische Scha ̈en von Zaha Hadid und Patrik Schumacher.

GLOBAL PLAYER

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der Mannigfaltigkeit biologischer Lebensformen, die sich in der Evolution des Lebens herausgebildet haben, zugrunde lie-gen – jede innerhalb einer komplementären Umweltnische.

Der prinzipielle Körperbauplan des Proto-Turms umfasst die folgenden vier wesentlichen Subsysteme: Tragsystem (Skelett) / Fassadensystem (Hülle) / System der Nutz� ächen (Geschos-se) / Navigationssystem (Lu¬ räume, Aufzüge).

Die Unterscheidung dieser Subsysteme gliedert die Gestal-tungsforschung zum Proto-Turm. Es ist eines der grundle-genden Axiome dieses Forschungsprojekts, dass diese funk-tional de� nierten Subsysteme zu Beginn klar unterschieden werden. Der gesamte Proto-Turm ist ein komplexes Multi-System-Gebilde, wobei jedes Subsystem nach seiner eigenen Logik intern di ̈erenziert werden muss, und zwar sowohl ent-lang der vertikalen Achse, von innen nach außen und entlang seines Umfangs. Wir wollen eine vielschichtige Komplexität mit einem hohen Grad an gesetzmäßiger Di ̈erenzierung in-nerhalb jedes Subsystems au® auen und dann mittels spezi� -scher Korrelation zwischen den verschiedenen Subsystemen das gesamte Proto-System bilden. Jede interne Di ̈erenzie-rung der Subsysteme reagiert jeweils auf die Di ̈erenzierun-gen innerhalb der anderen Subsysteme. Zum Beispiel steht die Di ̈erenzierung des Tragwerks in Wechselbeziehung mit der Di ̈erenzierung der Hülle, und die Di ̈erenzierung des Sys-tems der Geschossplatten steht in Wechselbeziehung mit der Di ̈erenzierung des Navigationssystems mit seinen Lu¬ räu-men. Gleichzeitig werden Korrelationen zwischen Tragsystem und Navigationssystem de� niert. So entsteht eine Kaskade der Beziehungen und Anverwandlungen.

Anfangs wird jedes System begründet und di ̈erenziert ge-mäß seiner spezi� schen Logik. Zum Beispiel wird das struk-turelle Skelett entlang seiner vertikalen Achse di ̈erenziert gemäß der di ̈erentiellen Krä¬ everteilung, die aus den ver-

ZHA – wie in der Tat der Großteil der zeitgenössischen Avant-garde – hat sich lange gegen das Entwerfen von Hochhäusern gewehrt. Wann immer wir in die Höhe gehen mussten, bevor-zugten wir die Scheibe, die uns mehr Spielraum für räumli-che Manipulationen gab. Im Jahr 1994 haben wir erstmals ein Hochhaus entworfen – für ein Großprojekt in Manhat-tans 42. Straße. Wir vermieden Extrusionen, Wiederholun-gen und Vorhangfassaden, stattdessen schlugen wir einen vertikalen Stapel aus ineinander verschränkten Blöcken vor, die durch unterschiedliche Ober� ächenstrukturen und Zwischenräume di ̈erenziert wurden. Im Inneren setzten wir auf John Portmanns Konzept hoher Atrien, die im Hochhaus emporwachsen. Rückblickend erscheint unser 42nd Street-Hochhaus-Entwurf sowohl prophetisch als auch primitiv. Es war das erste Hochhaus-Design, das eine radikale Di ̈eren-zierung des Turms entlang der vertikalen Achse vorsah, und zwar sowohl auf der Außen- als auf der Innenseite. Portmanns Atrium-Konzept wurde zu einem rhythmisch bespielten Na-vigationsraum radikalisiert, der die Fahrt nach oben interes-sant gestaltete und Orientierung bot.

Unser Entwurf war primitiv in Bezug auf seinen Collage-Mo-dus der Di ̈erenzierung durch bloße Gegenüberstellungen. Zudem war die Einbindung in das städtische Umfeld nicht entwickelt. Wir haben diesen Wettbewerb verloren, und erst in der Folge der Terroranschläge vom 11. September 2001 unternahmen wir im Zusammenhang des internationalen Diskurses über ein neues Hochhaus am Ground Zero einen Neuanfang hinsichtlich der Untersuchungen zum Potenzial der Hochhaus-Typologie.

Unser Entwurf für einen neuen Ground-Zero-Turm sah ein Gebäude vor, das als ein Bündel mehrerer schlanker Röhren konzipiert war. Diese Kompositionsmethode war geeignet, den Turm mit der komplexen Geometrie und den Bewe-gungs� üssen des städtischen Umfeldes zu verbinden. Die Variation im Zusammenspiel der Röhren erzeugte eine Dif-ferenzierung des Hochhauses entlang der vertikalen Achse. Der modulierte Raum zwischen den Röhren wurde als Navi-gationsraum genutzt. Einige Jahre später wurde das Bündel-Konzept in unserem Entwurf für die Dancing Towers in Dubai erneut untersucht. Das Projekt sollte den Mittelpunkt einer Reihe von konzentrischen Ringen aus Hochhäusern an Du-bais Business Bay markieren. Hier interpretierten wir die ge-forderte Mischnutzung mithilfe von drei Türmen, die sich auf verschiedene Weise aneinander annähern und voneinander entfernen, zusammentre ̈en und sich trennen, um gleichzei-tig eine Groundlobby sowie eine Skylobby oberhalb des Mittel-punkts gemeinsam zu nutzen. Wiederum bestimmen Atrien dynamische Navigationsräume im Inneren. Dieses Bündel breitet sich in unterschiedliche Richtungen am Boden aus und scha ̄ zusätzliche Flächen sowie Verbindungen zum

DIE ZEIT IST REIFDer Parametrismus als Antwort. Von Patrik Schumacher

Kontext. Während dieses ehrgeizigste unserer Hochhauspro-jekte aufgeschoben wurde, wird unser erster gebauter Turm in diesem Jahr fertiggestellt: die Hauptverwaltung einer gro-ßen Reederei im Hafen von Marseilles.

ZHA realisiert derzeit weitere Türme in Mailand, Barcelona, Bilbao, Bratislava, Beijing und Singapur. Diese ersten Beispiele signalisieren, dass der Hochhaustypologie eine neue Vitali-tät gegeben werden kann. Von besonderem Interesse für uns ist dabei auch die umgekehrte Wirkung: Die technisch und ökonomisch anspruchsvolle Bauaufgabe Hochhaus wirkt disziplinierend sowohl auf unseren Stilanspruch als auch auf unsere parametrische Gestaltungsmethode. Hochhäu-ser erfordern ein höheres Maß an Präzision als horizontal ausgedehnte Gebäude sowie eine engere Einbeziehung aller Subsysteme. Dies verschiebt den Schwerpunkt weg von einer freien, spielerischen Entfaltung der räumlichen Formen hin zu einem ausgeprägten Sinn für kompakte, übergreifende Artikulation. Das bedeutet eine strenge, geometrische Ko-ordination aller Subsysteme und Komponenten, allerdings ohne in die Monotonie des Modernismus zurückzufallen.

Parallel zu den oben erwähnten, beau¬ ragten Hochhäusern hat ZHA ein Forschungsprojekt initiiert, die Parametric Proto-tower Research, die von unserer Computational-Design-For-schungsgruppe CODE betrieben wird1. Gleichzeitig wird eine verwandte Hochhaus-Forschungsarbeit am AA Design Re-search Lab durchgeführt. Die Forschungsagenda geht davon aus, dass es nicht länger Aufgabe der Architektur ist, individu-elle Gebäude als Reaktion auf einzigartige Grundstücke und Vorgaben zu gestalten. Was stattdessen gefordert wird, ist die Konzeption anpassungsfähiger, parametrischer Proto-Typen, die allgemeine topologische Schemata bei parametrisch spe-zi� zierbaren Standortbedingungen und Vorgaben intelligent variieren. Diese Proto-Designs können verglichen werden mit der kleinen Zahl von grundlegenden Körperbauplänen, die

ZHA – wie in der Tat der Großteil der zeitgenössischen

Avantgarde – hat sich lange gegen das Entwerfen von Hochhäusern gewehrt.

Der Parametrismus ist die Antwort der Architektur auf die Dynamik und Komplexität der postfordistischen, vernetzten Gesellschaft. Dieser neue Stil mit seinem Anspruch auf universale Relevanz findet weltweit mehr und mehr Anhänger. Im Gegensatz zu diesen neuen Entwicklungen scheint der Typus des Hochhauses noch im Fordismus festzustecken und sich dem aktuell notwendigen Komplexitätszuwachs zu verweigern. Hochhäuser werden noch immer primär von quantitati-ven Kriterien bestimmt. Ihr Volumen wird durch Extrusion geschaffen und der Innenraum ist nichts weiter als die Addition identischer Geschosse. Moderne Hochäuser sind vertikale Sackgassen, deren Böden durch einen Sockel abgetrennt sind. All dies geschieht aus Gründen der Wirtschaftlichkeit, und dennoch scheint die Zeit reif, die Hochhaustypologie neu anzugehen – mit den Konzepten und Ambitionen des Parametrismus.

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tikalen Eigengewichten sowie den horizontalen Windlasten resultiert. Die Hülle wird vorrangig entlang ihres Umfangs di ̈erenziert, gemäß ihrer di ̈erentiellen Exponiertheit gegenüber Umweltfaktoren wie Sonnenlicht, Temperatur, Wind usw. Allerdings wird die jeweilige innere Di ̈erenzie-rung des Subsystems dann im Weiteren überformt von ihrer Anpassung an die Di ̈erenzierungen der anderen Subsyste-me. Auf diese Weise akzentuieren die Subsysteme gegensei-tig ihre Di ̈erenzierung – sie bilden sich gegenseitig ab. Der Begri ̈ der Abbildung grei¬ hier in seiner Doppeldeutigkeit als Spiegelung und als mathematische Funktion: Die ma-thematische Abbildung soll hier anschaulich werden. Das ist ein wesentlicher Programmpunkt des Parametrismus.Der parametrische Turm ist komplex di ̈erenziert. Diese Komplexität/Di ̈erenzierung ist regelbestimmt. Sie basiert auf einer systematischen Reihe gesetzmäßiger Korrelationen, die zwischen den Elementen und Subsystemen de� niert sind. Diese Wechselbeziehungen stellen einen sichtbaren Zusam-menhang und eine Einheit über die verschiedenen Systeme her. Es ist das Gefühl der regelbestimmten Komplexität, die dieses Werk angleicht an organische Systeme, bei denen alle Formen das Ergebnis der interagierenden Krä¬ e sind. Genau wie organische Systeme können parametrische Kompositio-nen nicht einfach in unabhängige Teile zerlegt werden – ein bedeutender Punkt im Vergleich zum modernen Beharren auf der scharfen Trennung und der Gleichgültigkeit der Teile.

Die Grenze der Rationalität des Modernismus wird deutlich, wenn wir die moderne Typologie der Tragsysteme analysie-ren. Mit zunehmender Höhe und Schlankheit der Türme muss das Tragsystem auf die erhöhten Stabilitätsanforde-rungen reagieren. Die moderne Tragwerkslehre postuliert eine geordnete Reihe struktureller Systeme in Abhängigkeit von den Schlüsselparametern Höhe und Schlankheit. Auf der untersten Anforderungsstufe wird Stabilität mittels eines zentralen Kerns garantiert, dann mittels eines Kerns im Verbund mit Auslegerstützen und schließlich mittels einer tragenden Röhre. Das Problem ist, dass die A-priori-Annah-me eines homogenen, repetitiven Systems unhinterfragt vorausgesetzt ist. Die Möglichkeit der graduellen, internen Systemdi ̈erenzierung bleibt von den Überlegungen ausge-schlossen. Kontinuierliche Systemdi ̈erenzierung schien im Zeitalter der Fordistischen Massenproduktion undenkbar zu sein. Laut der modernen Tragwerkslehre soll ein Hochhaus bis zu einem gewissen Schlankheitsgrad ohne Röhrenwir-kung auskommen. Jenseits dieses Grenzwertes soll dann der gesamte Turm als Röhre konstruiert werden, durchgängig vom Boden bis zur Spitze. Dies ist o ̈ensichtlich unlogisch, irrational. Sobald wir den dogmatischen Ausschluss der Dif-ferenzierung überwinden, wird deutlich, dass die Röhren-wirkung nur am Boden des Hochhauses notwendig ist, wo die Momente am höchsten sind. Die angemessene, rationale Lösung der Aufgabe ist daher eine Systemdi ̈erenzierung der Turmstruktur entlang der vertikalen Achse. Das führt zu ei-nem „Phasenwechsel“ im Tragsystem des Turms.

Die von mir entwickelte Hochhaus-Forschung – sowohl bei ZHA als auch bei AADRL – geht von einer radikalen Prämis-se aus: Das Tragsystem des Proto-Hochhauses soll als Skelett (Netz) aus rein linearen Elementen gestaltet sein, dessen Sta-bilität nicht auf einen massiven Kern angewiesen ist. Es geht mir dabei darum, das Tragsystem in seiner Tragfunktion von allen anderen Systemen zu isolieren. Selbst die Geschosse soll-ten nicht als Teil des Tragsystems betrachtet werden. Sowohl das System der beziehbaren Flächen als auch das Navigati-onssystem sind damit von der Bürde befreit, zur Stabilität des Turms beitragen zu müssen. Der traditionelle Kern wird damit zur Disposition gestellt. Diese radikale These der Mono-funktionalität der Systeme ist entscheidend, um das stereoty-pe Turm-Schema aufzubrechen. Jedes System muss zunächst seine eigene, einzigartige Prägung in Übereinstimmung mit

Dancing Towers Dubai | ZHA

Parametric Tower Research | ZHA Parametric Tower Research | ZHA

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seiner exklusiven Funktionsverantwortlichkeit entwickeln. Das Skelett füllt das Volumen des Hochhauses mit einem strukturellen Netz. Die Aufzüge, Treppenhäuser und Roll-treppen dürfen danach durch die Lu¬ räume „� iegen“, die sie innerhalb des Skeletts vor� nden. Geschosse können in das Skelett „hineinfallen“. Ihre Anordnung hängt ab von der ge-wünschten Raumkon� guration. Das Geschoss-System „besie-delt“ gleichsam das Skelett nach seiner eigenen Logik sowie in Übereinstimmung mit den Erfordernissen des sich kontinu-ierlich verändernden Skelettzustands. Das Geschoss-System deutet also das Skelett als vorgegebenes Universum der Mög-lichkeiten mit spezi� schen Vorgaben und Freiheitsgraden. Es passt sich anhand von je zu de� nierenden Deutungsregeln an das Skelett an. Diese Dialektik funktionaler Di ̈erenzierung und korrelativer Adaptation erzeugt sowohl mehr Unabhän-gigkeit als auch mehr gegenseitige Abhängigkeit. Es scha ̄ auch ein neues, riesiges Universum an Möglichkeiten für kre-ative Hochhauslösungen. Das Projekt ist konzipiert als eine Korrelationskaskade, die ursprünglich unabhängige Subsys-teme vereinigt: Die Fassadenmuster-Artikulation korreliert mit dem Tragsystem, das wiederum mit der äußeren Form sowie mit den formabhängigen Lu¬ räumen im Inneren kor-reliert etc. Das Ergebnis ist eine tiefer angelegte Relationalität. Die funktionale Isolierung der Systeme erschließt mehr Frei-heitsgrade in allen Systemdimensionen. Der zweite Schritt der systeminternen, kontinuierlichen Di ̈erenzierung bringt sowohl technisch-funktionale Vorteilen, als auch Artikula-tions- und Orientierungsvorteile.

Der dritte Schritt, die Methode der Korrelationen, ist zum einen technisch-funktional bedingt, im Sinne einer wech-selseitigen, technisch-funktionalen Anpassung der Systeme. Darüber hinaus geht es uns dabei aber auch wesentlich um das wechselseitige Verdeutlichen und Veranschaulichen der Systeme. Die Abbildungsbeziehungen bieten sichtbare An-haltspunkte, die zu systematischen Schlussfolgerungen über unsichtbare oder noch nicht sichtbare Aspekte des Gebäudes genutzt werden können. Das Gebilde ist hochgradig artiku-liert, mit einer hohen Informationsdichte.

Der Vorteil der Ent� echtung von Konstruktion und Verkehrs-strömen ist, dass die Verkehrssysteme nun zu einem Navi-gationssystem werden können, was visuelle Durchdringung und damit Orientierung bietet, statt in einem tragenden Kern eingeschlossen zu bleiben. Aufzüge können zu Panora-maaufzügen werden. Diese Möglichkeit der Navigation wird immer notwendiger, da der Turm nicht länger ein System der Wiederholung ist, bei dem alle Stockwerke das gleiche Pro-gramm bieten. Die Forschung unterstellt gemischt genutzte Hochhäuser, die viele unterschiedliche Veranstaltungsarten im gesamten Gebäude erlauben. Navigationsräume sind er-forderlich, um diese Vielfalt für den möglichen Nutzer erfahr-bar zu machen.

Eine De� nition der „Ordnung“ für moderne Architektur: Sehr allgemein ausgedrückt, kann Ordnung als das Gegenteil von Beliebigkeit verstanden werden. Diese sehr grundlegende De� nition ist mein Ausgangspunkt. Während traditionelle Vorstellungen von Ordnung von einer handvoll vorgefasster, idealer Muster oder Schemata ausgingen, zum Beispiel der Ordnung, die durch Raster, Proportionen und Symmetrien vorgegeben wird, sind zeitgenössische Vorstellungen von Ordnung viel o ̈ener im Hinblick auf den Mechanismus, der Beliebigkeit einschränken könnte. Diese Mechanismen sind eher bestimmt vom Au® au interner Abhängigkeitsverhält-nisse zwischen Teilen als von den Abhängigkeiten der Teile von externen Schemata.

Sowohl klassische als auch moderne Architekturen beschrän-ken sich auf Kompositionen, die eine Handvoll vorgefasster, identi� zierbarer Teile – geometrische Figuren wie Rechtecke

/ Würfel, Kreise / Zylinder / Halbkugeln und Dreiecke / Pris-men / Pyramiden – nach Maßgabe einfacher Beziehungen /Verfahren anordnen. Klassische Architektur nutzt Wiederho-lung, Symmetrie und Proportion. Die Moderne nutzt weniger Beschränkungen, ermöglicht Asymmetrie sowie gestreckte Proportionen ohne proportionale Koordination. Die Moder-ne erlaubt eine zunehmende Heterogenität innerhalb großer architektonischer Kon� gurationen wie institutionellen Ge-bäuden oder Ensembles. Normalerweise werden orthogonale Beziehungen durchweg eingehalten sowohl in der globalen Kon� guration als auch in all ihren Teilen und Details. Moder-nes Design funktioniert durch die Trennung von Teilen und indem es zulässt, dass jedes Teil eine unabhängige Morpholo-gie in Übereinstimmung mit seinen funktionalen Erforder-nissen entwickelt. Innerhalb jedes abgetrennten Einzelteils der Komposition wird Wiederholung angewendet. Um diesen Kompositionen ein gewisses Gefühl von umfassender Einheit zu geben, nutzt die Moderne das vage Konzept des dynami-schen Gleichgewichts.

Moderne Kompositionen sind o ̈ener als klassische Kompo-sitionen. In diesem Sinne können wir sagen, dass moderne Kompositionen weniger geordnet sind im Vergleich zu klas-sischen Kompositionen. Dieser Kurvenverlauf der abnehmen-den Ordnung durch die Beseitigung von Einschränkungen setzt sich fort mit der Postmoderne und dem Dekonstrukti-vismus. Dekonstruktivismus beseitigt die Voraussetzung der Orthogonalität und erlaubt neue Schritte – wie das Überlap-pen geometrischer Figuren und die gegenseitige Durchdrin-gung von unterschiedlichen Rastern – die beide das Reper-toire ausweiten und damit die Vorhersehbarkeit von Design verringern. Mit Vorhersehbarkeit meinen wir hier zwei mitei-nander verbundene Aspekte: erstens die Vorhersehbarkeit des Designverlaufs einerseits und zweitens die Fähigkeit durch das Hindurchbewegen zu antizipieren wie sich das Gebäude fortsetzt. Die Vorhersehbarkeit der Kon� guration beruht auf dem Grad der Artikulation des architektonischen Gebildes.

Wir können den folgenden Verlauf in der Stilgeschichte be-obachten: Die sukzessive Ausweitung des Gestaltungsreper-toires, die ein neuer Stil errungen hatte, musste mit einem Rückgang an Ordnung und damit Navigierbarkeit in der ge-bauten Umwelt bezahlt werden. Es stellt sich die Frage, ob die-ser Kompromiss unumgänglich ist oder ob es möglich ist, die notwendigen Zunahmen in der Vielfalt des architektonischen Gestaltungsrepertoires mit einer gleichzeitigen Zunahme an Ordnung zu verbinden.

Unsere These besagt, dass der Parametrismus gerüstet ist, die-sen simultanen Vormarsch von Vielseitigkeit und Ordnung zu vollbringen. Der Bezug auf Verständlichkeit/Navigier-barkeit ist notwendig, um das Konzept der Ordnung an eine funktionale Leistung zu binden. Allerdings verkompliziert

dies die Sache. Es verwandelt das Konzept der Ordnung von einer Kategorie, die lediglich eine objektive Eigenscha¬ einer architektonischen Kon� guration beschreibt, in eine Katego-rie, die eine Beziehung beschreibt, die zwischen einem ar-chitektonischen Artefakt und einem (sozialisierten) Nutzer/Betrachter besteht, der dieses Artefakt (Kon� guration) wahr-nimmt und (ho ̈entlich) begrei¬ . Das Konzept der Ordnung und Ordnungsgrade erhält dadurch einen objektiven und einen subjektiven Aspekt. Der objektive Aspekt ist Organi-sation innerhalb einer Kon� guration. Der subjektive Aspekt ist Artikulation innerhalb einer organisierten Kon� gurati-on,   d. h. inwieweit die Organisation von einer navigieren-den / betrachtenden Person wahrgenommen und verstanden  werden kann.

Im gleichen Maß, in dem Systemdi ̈erenzierungen artikuliert und ablesbar werden, trägt ihre Organisation zur Erstellung einer architektonischen Ordnung bei. Zum Beispiel liefert die visuelle Di ̈erenzierung des Skeletts Hinweise darauf, ob man sich innerhalb eines Gebäudes relativ weit oben oder unten be� ndet, oder die sichtbare Di ̈erenzierung des Sonnen-schutzes der Fassade entlang des Turmumfangs informiert über Himmelsrichtungen auch bei bedecktem Wetter oder bei Nacht. Wiederum: in dem Maße, in dem die Korrelation zwischen diesen beiden Subsystemen des Turms ablesbar ist, d. h. in dem Maße, in dem die Skelettdi ̈erenzierung durch die Fassade scheint oder darüber hinaus durch die Fassade betont und o ̈engelegt wird, in diesem Maße wird die Orga-nisation zur Ordnung überhöht. In diesem Fall werden die Subsysteme, die an den vorgegebenen Korrelationen beteiligt sind, tatsächlich zu gegenseitigen Abbildungen. Ein parame-trischer Entwurf verwandelt einen mehr oder weniger will-kürlichen Anfang in eine aufwendige, komplexe Ordnung, die mit dem Fortschritt des Entwurfs mehr und mehr zu einer Notwendigkeit wird. In dem Maße, in dem dieses zunehmend organisatorisch gestra ̄ e Netz der Korrelationen sich arti-kuliert und damit sichtbar wird, entsteht die Wirkung ehr-furchtein� ößender Eleganz.2

1Bei dieser Gruppe handelt es sich eher um eine wahre Forschergruppe als

um eine Arbeitsgruppe aus Spezialisten. Die wesentlichen Mitwirkenden

bei CODE sind u. a.: Nils Fischer, Shajay Bhooshan, Danilo Arsic, Suryansh

Chandra, Goswin Rothenthal, Michael Grau, Mostafa El Sayed. Die Turm-

Forschung wurde von Danilo Arsic betrieben.

2Siehe: Patrik Schumacher, Arguing for Elegance, in: Elegance, AD (Ar-

chitectural Design), January/February 2007, Herausgeber: Helen Castle,

Gastherausgeber: Ali Rahim & Hina Jamelle

Der Vorteil der Ent� echtung von Konstruktion und

Verkehrsströmen ist, dass die Verkehrssysteme nun zu

einem Navigationssystem werden können.

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DD: Schlägt man bei Wikipedia Parametrismus (Parame-tricism) nach, so � ndet sich dort immer noch eine Erläu-terung über das „Erzeugen von Geometrien mithilfe von Parametern.“ Ist es Ihr Ehrgeiz, den von Ihnen ausgeru-fenen architektonischen Parametrismus eines Tages bei Wikipedia auf Platz eins zu positionieren?

ZHA: Obwohl ich den Artikel nicht geschrieben habe, enthält der englische Wikipedia-Artikel zu „Parametri-cism“ viele meiner Thesen. Das macht Mut. Aber Wiki-pedia ist mir weniger wichtig als die Expertendiskussion innerhalb des Architekturdiskurses.

DD: Nach dem vorläu� gen Ende der Moderne in den 80ern und dem Aus für die Postmoderne nur wenig später glaubte man schon an ein Ende aller „Ismen“. Sie fordern seit Jahren mit viel Einsatz in der ö¡ entlichen Debatte den Parametrismus als neue globale Stilrichtung. Ist dies in einer heterogenen Welt noch zeitgemäß?

ZHA: Ein guter Teil der Heterogenität der Welt, von der Sie sprechen, ist meiner Einschätzung nach eher

INTERVIEWZaha Hadid & Patrik Schumacher (ZHA) im Gespräch

Zaha Hadid | Simone Cecchett Patrik Schumacher | Alex Telfer

Die Architektur des  21. Jahrhunderts ist dezidiert

eine Weltarchitektur.

DD: Zu den aktuellsten und weltweit am he¤ igsten disku-tierten Themen gehört derzeit die Forderung nach „nachhal-tiger Architektur“, die sich entsprechender Konstruktionen und Materialien bedient. Inwiefern bietet Ihr Parametrismus darauf Antworten?

ZHA: Der Parametrismus ist seinen Prinzipien und Metho-den nach kongenial in Bezug auf das Programm einer nach-haltigen Architektur. Die parametrische Adaptionsfähigkeit des Parametrismus lässt sich insbesondere auch auf regional und saisonal variierende Klimaparameter anwenden. Wir postulieren eine morphologische und tektonische Di ̈eren-

ein temporäres Phänomen des Epochenumbruchs als eine permanente Eigenscha¬ der Welt von heute und morgen. Der Rest an permanenter Heterogenität kann von der erhöhten, inhärenten Vielgestaltigkeit des Parametrismus absorbiert und produktiv verar-beitet werden. Die Kohärenz des Parametrismus ist eine Kohärenz der abstrakten Prinzipien und Wer-te und nicht eine formale Gleichmacherei. Im Bann der Prinzipien des Parametrismus erö ̈ nen sich neue, bisher ungeahnte Freiheitsgrade der Gestaltung und damit auch die Möglichkeit vieler weiterer subsidiärer Stile innerhalb des epochalen Stils des Parametrismus.

In Zeiten gelegentlicher Orientierungslosigkeit machen Zaha Hadid und ihr Büropartner Patrik Schumacher deut-lich, dass es auch anders geht. Mit ihrer Theorie des Parametrismus formulieren sie einen umfassenden und opti-mistischen Gestaltungsansatz. Im Gespräch mit Dr. Dietmar Danner verdeutlichen sie ihren Standpunkt und zei-gen die Beziehungen zwischen den Megatrends Globalisierung und Ökologisierung und dem neuen Stil des Parametrismus auf.

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Frei Otto war der einzige echte Vorreiter

des Parametrismus.

zierung von urbanen und architektonischen Strukturen in Abhängigkeit von klimatisch-energetischen Parametern. Statt mit e² zienteren Maschinen unter der Haube arbeiten wir mit der adaptiven Modulation der urbanen und architek-tonischen Form. Wir lernen dabei von den vorindustriellen Baustrukturen der Welt, die evolutionär eine erstaunliche baulich-materielle Klimaintelligenz entwickelt hatten, be-vor mechanische Systeme diese Subtilitäten vom Markt feg-ten. Das heißt wir privilegieren passive Systeme. Die haben auch den großen Vorteil, dass diese Systeme und Parameter die Architektur morphologisch gesetzmässig weiter di ̈e-renzieren und damit die Lesbarkeit und Navigierbarkeit der gebauten Umwelt erheblich steigern. Der Parametrismus ist in der Lage, diese verschüttete Intelligenz auf wissenscha¬ -licher Basis wiederzugewinnen und auf neue, subtile Weise gestalterisch zu verwerten, nicht zuletzt auch im Sinne einer neuen, hoch artikulierten, architektonischen Ordnung.

DD: Lassen sich Herausforderungen wie „kultureller Regiona-lismus“ in den Parametrismus integrieren? Oder hat der Para-metrismus bewusst einen absoluten und globalen Anspruch?

ZHA: Die Möglichkeit von Regionalismen ist im Paramet-rismus von vornherein mitgedacht. Regionale Variation ist Programm. Das stellt den Anspruch auf globale Relevanz nicht in Frage. Die parametrische Adaptionsfähigkeit des Parametrismus gilt für Kultur und Klima. Das heißt aber nicht, dass in den Regionen alles beim Alten bleiben kann. Die Architektur des 21. Jahrhunderts ist (mehr noch als die Architektur des 20. Jahrhunderts) dezidiert eine Weltarchi-tektur. Jeder beobachtet jeden. Parametrismus ist revolu-tionäre Erneuerung der Weltarchitektur nach abstrakten, universal gültigen Prinzipien im Sinne der Prinzipien der Di ̈ erenziering und Korrelation. Das schließt eine er-höhte Sensitivität in Bezug auf diverse Kontexte ein. Nur wenn man glaubt, dass manche Regionen absolut und aus-nahmslos rückständig sind, kann man glauben, dass dort der Parametrismus unangebracht ist. Meine Erfahrung ist aber, dass in allen Teilen der globalisierten Weltgesellscha¬ (progressive) Aspekte der post-fordistischen, vernetzten Gesellscha¬ zu � nden sind und deshalb keine Ecke der Welt vom Fortschritt der globalen Best Practice, die der Pa-rametrismus in der Architektur darstellt, ausgeschlossen werden sollte. Der Iran ist ein gutes Beispiel dafür. Die he-ranwachsende Generation von iranischen Architekten hat sich zu einem guten Teil dem Forschungsprogramm des Parametrismus verschrieben.

DD: Einige Kritiker warfen Ihnen in der Vergangenheit vor, die Baugeschichte zu verkürzen und o¡ ensichtliche Vorläufer wie Mendelsohn oder Scharoun zu ignorieren? Haben Sie diese übersehen – oder sehen Sie sich nicht in dieser baugeschicht-lichen Abfolge?

ZHA: Mendelsohn und Scharoun sind wichtige Referenz-punkte. Das Gleiche gilt für Niemeyer. Man muss allerdings zwischen Regel und Ausnahme unterscheiden, wenn man epochale Stile de� nieren will. Scharouns Werk war eine Aus-nahme, die den Dekonstruktivismus (nicht aber den Para-metrismus) antizipiert hatte. Frei Otto war der einzige echte Vorreiter des Parametrismus.

DD: Sie beklagen, dass sich Hochhäuser noch immer der konzeptionellen Weiterentwicklung verweigern und nach rein quantitativen (also wirtscha¤ lichen) Gesichtspunkten entworfen und bewertet werden. Hochhäuser zählen tatsäch-lich zu den teuersten und zugleich kommerziellsten Bauten. Handelt es sich hier nicht um den falschen, weil schwierigsten Ansatz, Ihre Parametrische Architektur in der Praxis zu erpro-ben? Wären ö¡ entliche Bauten wie Museen oder Konzerthäu-ser nicht geeigneter?

ZHA: Nein, dieses Projekt zeigt Möglichkeiten auf, die wir auf parametristischer Grundlage weiterentwickeln wollen. Das Gleiche gilt für Fosters Entwurf der Hong Kong and Shang-hai Bank sowie für seinen Entwurf für Swiss Re in London. John Portmans fantastische Atrien sind gleichfalls wichtige Referenzpunkte unserer Hochhausforschung. Wir wollen allerdings noch mehr Komplexität, mehr Di ̈erenzierung und eine Intensivierung der internen und externen Bezie-hungen. Alles soll mit allem kommunizieren.

DD: Sie erforschen unter anderem völlig neue Konstrukti-onsweisen für Hochhäuser und kommen zum Ergebnis, die traditionellen Hochhauskerne durch Skelette abzulösen, Konstruktion und Zirkulation wieder zu trennen. Ergibt sich dadurch eine Einschränkung im ewigen Wettstreit um das höchste Gebäude?

ZHA: Das mag sein. Dieser Wettlauf interessiert uns aller-dings auch gar nicht. Das hat mit Architektur nichts zu tun.

DD: Der entscheidende Vorteil Ihrer Grundlagenforschungen im Hochhausbau ist die wiedergewonnene gestalterische Frei-heit. Wofür soll diese Freiheit genutzt werden? Geht es Ihnen ausschließlich um Ästhetik?

ZHA: Ästhetik ist wichtig, aber es geht uns keinesfalls nur um Ästhetik. Letztendlich kann es in der Architektur nur um die Ordnung von Lebensprozessen gehen. Ästhetik ist insofern involviert, als es sich bei diesen Lebensprozes-sen immer im Wesentlichen um gesellscha¬ liche Kom-munikation handelt. Architektur rahmt soziale Kommu-

nikation und ist selber eine Form von Kommunikation. Als solchefunktioniert sie mittels ihrer Ästhetik, d. h. mittels ihrer Sichtbarkeit, Lesbarkeit, Atmosphäre und Attraktivität.

DD: Sie beschreiben in Ihrem Grundlagentext das Verhältnis von Ordnung und gleichzeitiger Vielseitigkeit. Und Sie merken an, dass der sozialisierte Nutzer diese Bauten „(ho¡ entlich)“ begrei¤ . Ist die architektonische Ordnung bereits abgekoppelt vom Nutzer und seinen Möglichkeiten, diese auch im nichtso-zialisierten Zustand zu begreifen, oder vollzieht die Architektur lediglich eine Entwicklung nach, die in der breiten Massenkul-tur des Internets schon längst gelebt wird.

ZHA: In meinem Buch und theoretischen Hauptwerk „The Autopoiesis of Architecture“ schlage ich vor, dass die Archi-tektur – verstanden als akademische Diziplin und Profes-sion – sich mit neuen theoretischen Ressourcen aufrüsten sollte, und zwar entlang der drei Dimensionen von Organi-sation, Phänomenologie und Semiologie. Dem entspricht die Tatsache, dass Architektur in dreifacher Hinsicht für und mit uns funktionieren muss: für uns als sich durch den Raum bewegende Körper, für uns als wahrnehmende Sub-jekte und für uns als sozialisierte, kommunikative Akteure. Ordnung involviert mehr als nur die physische Organisation von Körpern. Es muss Artikulation hinzukommen, sowohl phänomenologische als auch semiologische Artikulation. Deshalb lässt sich in meinem System die architektonische

ZHA: In der Tat, Museen (insbesondere Museen für Gegen-wartskunst) und ö ̈entliche Kulturbauten generell sind aufgrund mehrerer Gesichtspunkte ideale Vehikel für die experimentelle Erarbeitung und Verbreitung neuer Archi-tekturstile. Ö ̈entliche Kulturbauten erreichen meist hö-here Budgets als kommerzielle Projekte. Kunstbauten sind o¬ freier in ihren Anforderungen als andere Bauten. Dazu kommt eine positive Erwartungshaltung und Neugier in der Ö ̈entlichkeit. Ein ö ̈entlicher Kulturbau ist eine gute Gele-genheiten für Architektur mit Manifestcharakter. Hier wird architektonische Innovation erwartet, wahrgenommen und diskutiert. Kulturbauten sind deshalb für die Architektur be-sonders wichtig und als Einstieg in die Verwirklichung von neuen Stilen besonders geeignet. Dabei kann es allerdings nicht bleiben, wenn es um die Möglichkeit eines epochalen Stils geht. Da der Anspruch des Parametrismus nicht nur global, sondern auch universal ist – muss der Stil seine Vor-teile und potenzielle Überlegenheit in allen Gebäudekatego-rien und für alle Lebensbereiche unter Beweis stellen. Das inkludiert auch die Kategorie des Hochhauses.

DD: Schon vor Jahren versuchte Foster, die traditionelle Hoch-hausstruktur aufzulösen. In Deutschland am bekanntesten sind die Himmelsgärten des Commerzbank-Turms in Frank-furt – in dem durchaus völlig neue innenräumlichen Or-ganisationen erprobt wurden. Ist dieser Foster-Versuch für Sie gescheitert?

Ordnung nicht vom Nutzer abkoppeln. Der Nutzer ist immer vorausgesetzt, sowohl als (vor-sozialisiertes) wahrnehmen-des Subjekt als auch als sozialisierter Akteur. Au ̈ älligkeit für unsere Wahrnehmungskapazität ist Voraussetzung für Lesbarkeit. Sozialisierung in Hinsicht auf semiotische Deu-tungssysteme muss in allen komplexeren Gebilden hinzu-kommen.

DD: Ihr Parametrismus habe das Zeug dazu – sagen Sie – eine neue „architektonische Ordnung“ entstehen zu lassen. Verab-schieden Sie sich damit endgültig von der einstigen Rolle in der einsamen Avantgarde?

ZHA: Die Ambition kann nicht ausbleiben. Eine Avantgarde, die nicht den Mainstream erobern kann oder will, ist keine Avantgarde. Ohne Nachhut keine Vorhut.

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12 | AIThesen Dezember | Zaha Hadid Architects

EINE FRAGE AN ZAHA Von Architekten, Journalisten und Kulturschaffenden

„Welche Frage würden Sie Zaha Hadid stellen, wenn sich Ihnen eine Möglich-keit bieten würde?“ Für diese Ausgabe der AIThesen haben wir elf ausgewähl-ten Persönlichkeiten die Möglichkeit ge-geben, ihre persönliche „Frage an Zaha“ zu formulieren. Nicht alle Fragen wurden direkt beantwortet. Indirekt geschah dies jedoch durchaus. Deshalb empfehlen wir die Lektüre dieser Antworten und bedan-ken uns bei allen Fragestellern.

verschiedenen Blickwinkeln eine komplexe Sicht entsteht. Unsere Wahrnehmung lässt sich nicht festlegen – wir sehen die Welt aus verschiedensten Perspektiven und niemals von einem einzelnen Standpunkt aus!

Eine Aufgabe, die ich mir selbst gestellt habe, war die Wei-terführung des unbeendeten Projekts der Moderne, indem ich die Methoden der frühen Avantgarden wie Schichtung und Fragmentierung, radikalisiert habe. Meine Arbeit betraf vor allem die Aktivierung der Erdgeschosszone. Diese besitzt das größte städtische Potential, wurde aber von der tradi-tionellen Architektur vernachlässigt. Es ist von entschei-dender Bedeutung die Erdgeschossebene zu ö ̈ nen und zu erweitern. Dies geschieht mit dem Konzept der künstli-chen Landscha¬ , dass die Erdgeschossebene mit Aktivitäten durchdringt ohne das die � ießende und nahtlose städtische Geometrie zerstört wird.

Ich bin fasziniert von den Ideen der ersten Modernen. Neh-men wir zum Beispiel die neo-corbusianischen Scheiben und Blöcke der Tecton Gruppe in London. Sie sind großmaß-stäblich Fragmente einer unbeendeten Intervention, welche die bestehende Stadt ersetzen sollte. Das Unvollendete inte-ressiert mich daran. Sie stehen für den Beginn der Idee, wie die Geometrie der Stadt die städtischen Aktivitäten durch Straßen und Hausform vorgibt. Der Modernismus hat das Erdgeschossniveau durch dessen Aufstockung den Scha-fen preisgegeben. Wir müssen zurück auf die Erde, müssen sie studieren, müssen lernen, wie wir sie als Erlebnisraum gestalten und dies nicht nur in formaler, sondern auch in programmatischer Hinsicht. In meinen Experimenten habe ich versucht, durch die Setzung umfangreicher, program-matischer Strukturen diesen Raum zu nutzen und die Bar-rierenfunktion abzubauen. Von meinen ersten Projekten an der Architectural Association bis zu den Projekten an de-nen wir heute arbeiten – Hochhäuser, ö ̈entliche Bauten, Wohnanlagen – ist die Beziehung zum Bodenniveau wichtig geblieben. Das Konzept der Fragmentierung und die Ideen von Abstraktion und (Auf-)Sprengung waren entscheidend für meine Arbeit, in der wir die Konzepte der Wiederholung und Massenproduktion dekonstruiert haben. Nicht nur das Brechen der Regeln war entscheidend, sondern das Verlas-sen der Gesetzmäßigkeiten von Wiederholung und Massen-produktion, die wir von der Moderne und ihren Vorläufern übernommen haben.

Was � üstert Ihnen die Stadt am Abend zu?Prof. Dr. Elisabeth Merk, Stadtbaudirektorin München

Ich denke, dass in den vergangenen Jahren eine negative Entwicklung hin zu abgeschirmten, privatisierten Berei-chen innerhalb der Stadt erfolgte. Allerdings versuchen die Menschen seit mehr als 300 Jahren auf unterschiedlichen Wegen, durch das Scha ̈en von Parks und ö ̈entlich zugäng-licher Bereiche, die jedermann ermöglichen sie zu besetzen, die Stadt zu ö ̈ nen, sie poröser und zugänglicher zu machen. Geschlossene Bereiche – ähnlich dem Kreml – zu errichten ist ein Rückschritt. Wir müssen darauf reagieren, denn diese

Ihre frühen Entwürfe leiteten sich aus bemerkenswerten Zeichnungen ab und haben in vielerlei Hinsicht die digitale Revolution mit ihren überdehnten Pers-pektiven und den mit Zeitra� eraufnah-men vergleichbaren, gefrorenen Einstel-lungen vorweggenommen. Ihr Büro hat das Digitale in den letzten 20 Jahren mehr und mehr für sich vereinnahmt – hat der gerade statt� ndende Durchbruch der pa-rametrischen Entwurfswerkzeuge Ihre Architektur von den herrschenden Be-schränkungen hinsichtlich der Komple-xität und Baubarkeit befreit?Tobias Walliser, LAVA, Stuttgart

Meine eigene Arbeit wurde zu Beginn von der frühen russi-schen Avantgarde inspiriert, besonders beschä¬ igte mich das Werk Kasimir Malewitschs. Seine Arbeit machte aus der Abstraktion ein investigatives Prinzip, das kreatives Arbeiten antreibt und zu verschlossenen Sphären vordrin-gen lässt. Er war ein Vorreiter der Abstraktion und durch seine bahnbrechenden tektonischen Skulpturen auch im Verknüpfen von abstrakter Kunst und Architektur. Jedoch waren seine Skulpturen in ihrer geometrischen Erscheinung nicht in dem Maße frei wie seine Malerei. Sie blieben in den strikten, orthogonalen Prinzipien der Verbindung kubischer Körper und Flächen stecken. Diese kubistischen Einschrän-kungen sind für die moderne Architektur in Russland und auch sonst charakteristisch.

Meine Arbeit hat bei diesen einschränkenden Prinzipien angesetzt. Ich begann den gekrümmten und schwerelosen Raum der russischen Avantgardemalerei und Bildhauerei in eine mir eigene Architektursprache zu übersetzen. Ein Ergebnis meiner Faszination an der russischen Malerei war auch, dass ich die Malerei als Entwurfswerkzeug einsetzte. Sie wurde der erste Bereich räumlicher Intervention. Das traditionelle Wesen der Architekturzeichnung, das zur da-maligen Zeit vorhanden war, schränkte mich ein, und ich suchte nach einer neuen Möglichkeit der Darstellung. Ma-lewitschs Werk führte zu einer Phase des intensiven Expe-rimentierens, sowohl was die Form als auch die Bewegung

anging, was sich zu unserem Anspruch, eine neue Architek-tursprache zu kreieren, entwickelte. Für mich ist klar, dass die russischen Avantgardisten – im besonderen Malewitsch – auch Kenntnis von arabischen Kalligraphien hatten. Das, was man davon in heutigen Plänen wiedererkennt, ist eben-falls mit der Idee der Dekonstruktion und Fragmentierung des Raumes verbunden.

Während der Wirtscha¬ skrise der 1970er-Jahre, als kaum Arbeit für Architekten vorhanden war, haben wir sehr viele Zeichnungen produziert. Diese wurden als Papier- architektur kritisiert – als ob wir uns nicht mit der rea-len Welt auseinandersetzen wollten oder keine Ahnung von Hausbau hätten. Aber für uns war es eine wichtige Phase. Die 1970er-Jahre waren eine entscheidende Zeit unserer Untersuchungen und unterstützten die Entwick-lung der folgenden dreißig Jahre. Es ha¬ et dieser theore-tischen Arbeit aber ein gewisses Stigma an, da wir kaum etwas realisieren konnten – dies trübt eventuell die öf-fentliche Wahrnehmung. Dennoch war es eine fruchtba-re Arbeit und die Studien halfen, die erstaunlichen Fort-schritte in Architektur und Konstruktion heutzutage zu verwirklichen.

Im Jahre 2008 verö ̈entlichten wir das Konzept des Para-metrismus, das davon ausgeht, dass alle Elemente der Ar-chitektur in Zusammenhängen gestaltbar sind und sich durch computerbasiertes Arbeiten aneinander und an den Kontext anpassen lassen. Dies führt zu einer Verdich-tung der Beziehungen innerhalb des Gebäudes und dem umgebenden Kontext. Konzeptionell und formal ist der Parametrismus in der Lage, architektonische Neuerun-gen zu formulieren, die der postfordistischen Netzwerk-gesellscha¬ entsprechen.

Sie sind Pritzker-Preisträgerin, darüber hinaus vielfach ausgezeichnet und haben zuletzt den UNESCO-Preis „Künstlerin für Frieden“ erhalten. Gibt es eine UNESCO-Welterbestätte, mit der Sie sich gerne bau-lich auseinandersetzen würden? Welche wäre diese?Axel Streitberger, Stadtbaudirektor Köln

Diese Frage wurde nicht beantwortet.

Warum sind alle Ihre Konzeptionen auf der Flucht? Die Kra� der Bewegung Ihrer Bauwerke ist bestechend. Ist es das „pan-tha rei“ oder die „Emotion der Flucht“, die Sie inspiriert?Reiner Kresing, Kresings, Münster

Für mich war schon immer interessant zu sehen, wie die Bewegung die Architektur beein� usst. Ähnlich wie sich die Einzelbilder zu einem Film zusammensetzen und somit aus

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Entwicklung führt zum Phänomen der Gated Communi-ties, was eine sehr rückständige Form des Zusammenlebens darstellt.

Im Gegensatz zu früher nutzen wir die Stadt heute auf an-dere Art. Die Organisation hat sich durch den Verlust der homogenen Einwohnerstruktur geändert. Heute � ndet man in Städten eine Fülle von Lebensweisen und Ein� üs-sen, genauso wie eine veränderte Einstellung zum Leben. Die „eine“ Typologie ist verschwunden und ich denke, dass dieser Umstand die Art des Wohnens stark verändert hat. Als Architekt hat man es nun mit einer Vielzahl un-terschiedlicher Bauherren zu tun, die keine homogene Gruppe mehr darstellen und dies scha ̄ eine Vielzahl räumlicher Lösungen.

Heutzutage wollen die Menschen ein Raum-Erlebnis. Die Gebäude sollen nicht mehr nur aus einer Art von Räumen bestehen, sondern aus einer Ansammlung verschieden-artiger Räume. Es ist auch interessant zu sehen, wie sich Menschen heutzutage begegnen, wo sie sich niederlassen und wo sie sich in ö ̈entlichen Bereichen tre ̈en. Die Be-nutzungshierarchie der Räume hat sich aufgelöst. Kultu-relle und ö ̈entliche Bereich sind besonders wichtig für eine Stadt. Und das gilt auch für Hochhäuser, unabhängig davon, ob sie eine o ̈ ene Struktur haben oder nicht. Wich-tig sind auch verschiedenartige soziale Bereiche, in denen sich Menschen tre ̈ en und verlieren können und in denen Ereignisse statt� nden. Diese kulturellen Bereiche sind ent-scheidend und deshalb müssen sie von Städten gefördert werden. Gärten, Parks, Kunstbetriebe und Sportanlagen sind ausschlaggebende Faktoren, die städtisches Leben und Stadt überhaupt ermöglichen. Natürlich dürfen wir darüber hinaus das Wohnen, die Schulen, Büros und Ge-schä¬ shäuser nicht vergessen. Und dieser Umstand rückt hybride Strukturen in den Fokus. Die klassische Zonierung des Lebens – man lebt hier, arbeitet dort und vergnügt sich irgendwo ganz anders – muss überwunden werden.

In dem man die Funktionen an einem Ort überlagert, ver-ändert sich die Art, wie wir die Stadt wahrnehmen. Das verbindende Element sind dabei die „sozialen“ Räume. Egal, ob ein Opernhaus, eine Kultureinrichtung oder eine Tanzschule, diese Programme aktivieren die Erdgeschoss-ebene und sind, was ihre Wichtigkeit betont, für jedermann zugänglich. Dieser Schritt überwindet die Trennung der räumlichen Bereiche aus der Stadtplanung des 20. Jahr-hunderts.

Mich würde interessieren, wie Sie Ihre Entscheidung getro� en haben, Architek-tin zu werden. Gibt es einen bewussten Moment, der diese Entscheidung hervor-gerufen hat, oder ist es eine stetige Ent-wicklung gewesen?Christoph Monschein, Hollein Architekten, Wien

Für meine Entwicklung als Architektin waren die Ideale meiner Erziehung ausschlaggebend. Mein Vater war fort-schrittlich und weltgewandt und in meiner Heimat Bag-dad war damals ein starker Ein� uss der modernistischen Ideen zu spüren, was in den Gebäuden von Frank Lloyd Wright und Gio Ponti seinen Ausdruck fand, die beide dort gebaut hatten.

Wie in anderen Entwicklungsländern herrschte zur dama-ligen Zeit ein ungebrochener Glaube in den Fortschritt und ein Gefühl des Optimismus. Die 1960er-Jahre in denen ich aufwuchs, waren die Jahre der Staatengründungen, die

sich mit einem Glauben an die Architektur verbanden und dies nicht nur in der arabischen Welt, sondern ebenso in Südamerika und Asien. Man kann in dieser Wiederkehr des Städtischen Parallelen zur Situation Heute ausmachen. Die Ideale der damaligen Zeit – Veränderung, Befreiung und per-sönliche Freiheit waren maßgeblich für meine Entwicklung.

Die Generation meines Vaters brach ins Ausland auf. Er selbst studierte bei Fabian und Laskian an der London School of Economics und überall waren die sozialen Veränderungen spürbar, was auch für mich von Bedeutung war. Diese Dinge haben mich beein� usst, meine Erziehung war in jeder Hin-sicht prägend. In meiner Kindheit reist ich jeden Sommer mit meinen Eltern nach Europa und meinem Vater lag sehr daran, dass ich jedes Museum, jeden Palast und jede Kathed-rale, die erreichbar waren, erkundete. Einmal besuchten wir die große Moschee von Cordoba – für eine Siebenjährige der großartigste Raum überhaupt. Natürlich war es nur einer von vielen beeindruckenden Räumen, aber dieser hinterließ in mir den bleibendsten Eindruck.

Bevor ich nach London ging, studierte ich an der ameri-kanischen Universität von Beirut Mathematik, was mein Interesse an der Geometrie weckte. Ich begri ̈ , das eine Verbindung zwischen mathematischer Logik, Abstraktion und Architektur bestand. Geometrie und Architektur sind stark miteinander verknüp¬ , heute noch mehr als früher. Es dauerte dennoch bis zu meinem vierten Jahr an der Ar-chitectural Association bis ich mir im Klaren darüber war, auf was meine Arbeit hinauslaufen sollte. Aber dann wurde die Welt der Architektur für mich spannend und aufregend. Der wunderbare Alvin Boyarsky – der während meiner Zeit als Student und Lehrer der Architectural Association vor-stand – gab mir erstmals die Gelegenheit meine Ideen zu präsentieren. Und Rem Koolhaas und Elia Zenghelis waren wichtige Lehrer für mich. Ihr Wissen und Enthusiasmus befeuerten meinen Ehrgeiz, und sie zeigten mir, dass man den eigenen Ideen, mochten sie noch so absurd erscheinen, Glauben schenken sollte.

Friedrich Schiller hat Goethes Gedanken über Architektur 1795 wie folgt zusam-mengefasst: “Der schöne Architekt arbei-tet wie der Dichter für den Idealmenschen, der in keinem bestimmten, folglich auch keinem bedür� igen Zustand sich be� n-det, also sind alle architektonischen Wer-ke nur Annäherungen zu diesem Zweck.“

Sind Sie eine „schöne“ Architektin und ist Ihre Architektur Poesie? Wenn ja, wie weit nähert sich Ihre Architektur diesem von Goethe auch als „höchstem Zweck“ der Ar-chitektur bezeichneten Ideal?Prof. Dr. Klaus Jan-Philipp, Universität Stuttgart

Diese Frage wurde nicht beantwortet.

Welche Bilder der Stadt und ihrer Archi-tektur sind Ihnen bei den Besuchen in Rom als Kind in Erinnerung geblieben und haben vielleicht sogar Ihr Architek-turstudium beein� usst?Sebastian Redecke, Bauwelt

Ich halte die Porosität für die eindrücklichste Erfahrung. Diese Stadt ist voller vielfältiger Schichten und unerwarte-

ter Schätze. Man kann eine Menge vom Rhythmus und der Energie dieser organisch gewachsenen Städte lernen. Städ-te brauchen Orte, an denen sich Dinge ausdehnen und zu-sammenziehen können. Ich bin überzeugt, dass man etwas scha ̈en muss, das dieses organische Wachstum ermöglicht. Ich denke auch nicht, dass Städte wie zum Beispiel Venedig nicht mehr weiter wachsen und unverändert bleiben sollten. Es ist wichtig, auf eine zeitgemäße Art gestalterisch tätig zu werden, allerdings muss man sehr exakt dabei vorgehen. Bei der spannenden Arbeit am MAXXI (Museo nazionale delle arti del XXI secolo) in Rom stellten wir fest, dass die Verbin-dung zu unserer eigentlichen Arbeitsweise spürbar wurde. Diese Stadt besteht aus unzähligen Schichten architektoni-scher Entwicklung, die sich aus dem Kontext heraus entwi-ckelt haben. In diesem Sinne prägte der römische Kontext den Entwurf für das MAXXI. Diese Verbindung zwischen dem Bestehenden und unserem Entwurf schuf den Raum für die Überlagerungen, Schichtungen und die organische Erscheinung des MAXXI – ein Umstand der den Erfolg des Konzepts erklärbar macht. Dies ist jedoch in keiner Hinsicht ein willkürlicher Ansatz, vielmehr ist das MAXXI ein Urban Gra¤ , etwas, das sich wie eine zweite Haut über das Grund-stück legt. Dieser Ort hat uns in der Tat befreit.

Ein häu� g vorkommender Begri� in Zu-sammenhang mit Ihrer Arbeit ist das „Digital design“. Nützen sie diese Technik vorwiegend zur baulichen Umsetzung Ihrer expressiven „top down“ Entwürfe oder gibt es Ihrerseits auch Ansätze zum „bottom up“ Entwurfsprozess im Sinne Nicholas Negropontes „ so� architecture machine“?Martin Haller, Caramel Architekten, Wien

Diese Frage wurde nicht beantwortet.

Ist das nicht irgendwann ermüdend, im-mer den rechten Winkel zu bekämpfen? Woher nehmen Sie Ihre Kra� für diesen Kampf?Mike Meiré, Meiré und Meiré, Köln

Ich bin davon überzeugt, dass Architektur eine Möglichkeit bietet, soziale Sachverhalte zu thematisieren. Die Gesell-scha¬ verändert sich stetig – und ebenso müssen unsere Bauten neue Aspekte antizipieren, um die Bedürfnisse der Nutzer zu befriedigen. Die gesteigerte soziale Komplexität stellt die wichtigste Neuerung unserer Zeit dar und dies sollte auch in der Architektur ihren Niederschlag � nden. Wir müssen die orthogonale und repetitive Architektur und Stadtplanung des 19. und 20. Jahrhunderts überwin-den und Gebäude scha ̈en, die der Komplexität und den Ansprüchen der heutigen Gesellscha¬ entsprechen. Das Zusammenführen verschiedener Notwendigkeiten in einer Lösung hat meine Arbeit radikalisiert, eine Nicht-Euklidi-sche-Geometrie entstehen lassen. Man fragt mich: „Wieso sehen wir keine geraden Linien, wieso keine 90° Winkel?“ Und ich entgegne, dass das Leben nicht in ein Raster passt. Es kann spannend sein, ein Raster über ein Gelände zu legen, aber eine Landscha¬ ist nicht eben und regelmäßig. Und Menschen emp� nden gerade diese Orte als natürlich und entspannend. Man kann das in Architektur und insbeson-dere auf ö ̈entliche Gebäude übertragen, in denen die Be-wegung von einem Ort zum anderen und das Zurecht� nden innerhalb des Gebäudes eine große Rolle spielt. Ö ̈entliche Gebäude müssen nicht mehr wie in vergangenen Jahrhun-

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BMW ZENTRALGEBÄUDEInnenansicht des Zentralgebäudes | © BMW AG

Ort: Leipzig / Bauzeit: 2001 – 2005 / Bauherr: BMW AG / Fläche: 25.000 m²

WERKSCHAU Ausgewählte Projekte in Deutschland

Feuerwehrhaus, Zaha Hadid | Olivo Barbieri © Vitra

VITRA FEUERWACHEOrt: Weil am Rhein / Vitra Campus / Bauzeit: 1991 – 1993 / Bauherr: Vitra International AG / Fläche: 852 m²

PHAENO SCIENCE CENTEROrt: Wolfsburg / Bauzeit: 2000 – 2005 / Bauherr: Neulandgesellscha¬ mbH im Au¬ rag der Stadt Wolfsburg / Fläche: 27.000 m²

Phaeno | Clemens Ortmeyer © phaeno

Mit der Fertigstellung der Feuerwache für den Campus der Firma Vitra im Jahre 1993 manifestierten sich die Ideen Zaha Hadids zum ersten Mal in gebauter Architektur. Auch wenn die Stimmen, die der Architektin ihre Unbaubarkeit vorwarfen, nie komplett verstummten, bildete dieser Bau den Auftakt zu einer beispiellosen Serie aufsehenerregender Projekte rund um den Globus.

derten linear strukturiert sein, der moderne ö ̈entliche Raum ist nicht mehr strikt an einzelne Gebäude und Räu-me innerhalb dieser gebunden. Die Gliederung der Formen wird verräumlicht und ihr Inneres durchlässig. Der Raum � ießt von Innen nach Aussen und durchdringt alles. Unsere Architektur gestaltet den Raum durch die Verbindung von Volumina und Ebenen in der dritten Dimension.

Heutzutage hat die Gesellscha¬ einen neuen Grad der Komplexität erreicht, der nicht mehr einer Anordnung in orthogonalen Blöcken entspricht. In dieser Konsequenz ar-beitet unsere Architektur mit neuen Konzepten, Logiken und Methoden. Der eine Raum wird durch ein sich ständig veränderndes Feld ersetzt.

Dear Zaha, we‘d like to meet you again. Do you have time for a lecture at the Stuttgart State Academy of Art and Design next to the famous Weißenhofsiedlung next yearMark Blaschitz, Splitterwerk, Graz

Diese Frage wurde nicht beantwortet.

Ihre gebauten Körper er� nden Sie selber – gibt es Vorbilder? Aus welcher Quelle spei-sen Sie Ihre Lust? Ist es die erotische Liebe zum Menschen oder zum Objekt?Jan Störmer, Störmer und Partner, Hamburg

Ich erinnere mich daran, dass es für mich eine einschnei-dende Erfahrung war, als ich damals vor Christos verhüll-tem Reichstag in Berlin stand. Tausende Menschen sangen und tanzten, sie hatten sich versammelt, um die Verhüllung dieses Gebäudes zu beobachten, weil es so außergewöhn-lich war. Damals wurde mir bewusst, dass die Menschen durchaus empfänglich für andersartige Konzepte sind. Es war ein außergewöhnliches Ereignis von entscheidender Bedeutung, denn man war nicht nur von der Idee der Ver-hüllung begeistert, sondern auch davon wie es geschah und wie man aus etwas Vertrautem etwas Neuartiges entstehen lassen konnte – das schien den Menschen davor nicht be-wusst gewesen zu sein.

Mein Ziel war immer, einen � ießenden, ebenenübergrei-fenden Raum zu scha ̈en. Wie ich vorhin bereits erwähnte ,begann es mit der Abstraktion, der Gegenüberstellung und der Überlagerung, die wir auf Fläche und Volumen über-trugen. Es hat uns geholfen, dass wir begannen, mit sehr umfangreichen Programmen zu arbeiten - wir wollten weg von den Scheiben und Türmen mit den aufgeständerten Erdgeschossen und die Architektur als Landscha¬ denken. Eine künstliche Landscha¬ , die den Boden berührt, ohne ihr Programm und die Verbindungen innerhalb zu unterbre-chen, die ultimative Au� ösung der festen Grenzen.

Ein Großteil unserer Arbeit gründet auf unserer zeichneri-schen Arbeit, beein� usst von Abstraktion, Geologie, Topo-graphie und Archäologie. In letzter Zeit untersuchen wir in unserer Arbeit organische Formen, Zellen und den inneren Au® au der Dinge, mit den Mitteln der Geometrie. Die Wis-senscha¬ ist für uns eine ergiebige Inspirationsquelle, vor allem die Idee von Komplexität und Selbstorganisation, aus Physik und Biologie, die uns neue Wege aufgezeigt hat. Es hat uns sehr geholfen, diese Ideen zeichnerisch zu verarbeiten. Frei Ottos Form� ndungsprozesse waren Teil dieser Revolution der Wissenscha¬ .

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Zaha Hadid Architects | AIThesen Dezember | 15

Die Branche der Büromöbelhersteller – und Trennwandsys-teme zählen wir hier einfach mal dazu – wird immer über-sichtlicher. Denn die Internationalen Konzerne verleiben sich stetig neue Marken ein. „Konzentration“ nennt sich die-ser Prozess. Was bleibt, sind wenige global agierende „ganz Große“ und einige national oder europäisch ausgerichtete „Mittelgroße“. Gerade diese sind es jedoch, die in architekto-nisch anspruchsvollen Projekten ihre wirklichen Stärken aus-spielen. Und Strähle gehört hier zu den Vorzeige� rmen – mit einem fast schon an ein Alleinstellungsmerkmal grenzenden Vertrauensvorschuss bei Architekten. Ein solches Vertrauen läßt sich indes nicht erkaufen. Es muss in langer Arbeit auf-gebaut und in vielen persönlichen Kontakten immer wieder aufs Neue bewiesen und vertie¬ werden.

Strähle (der echte Schwabe – und damit auch der Autor dieser Zeilen – spricht den Firmennamen mit drei kehligen und auf-einanderfolgenden „ä“ aus), ist ein durchaus landestypisches Unternehmen. Vor 100 Jahren vom Großvater des jetzigen Inhabers als Schreinerei gegründet, wurde es in der dritten Generation in einen industriellen Maßstab überführt und durch bahnbrechende Er� ndungen zu dem, was man heut-zutage als Innovationsführer bezeichnet. Werner Strähle ent-wickelte zuerst eine modulare und versetzbare Systemwand auf Basis von Holzrahmenelementen. Diese „Strähle-Wand“ wurde zum Verkaufsschlager. 1986 wurde dann sein aus ei-nem Stück gewalztes Stahlpro� l patentiert – das Kernelement der neuen Systemwand, die mit verschiedensten einzuhän-genden Modulen jedem organisatorischen, funktionalen und architektonischen Anspruch angepasst werden kann. Heute sind Strähle-Wände regelrechte Hightech-Produkte und werden im Zuge integraler Gebäudeplanung immer mehr zu Trägern von Gebäudetechnik. Die Namen der Ar-chitekturbüros, mit denen Strähle zusammenarbeitet, sind beeindruckend, die Liste der Referenzen ist lang. Allein ent-scheidend sind jedoch nicht die modernen Fertigungsstätten im Stuttgarter Umland und in der Berliner Peripherie oder die neu erö ̈ nete Trennwand-Ausstellung am Firmensitz in Waiblingen. Beeindruckend ist auch der Umgang, den Werner

STRÄHLE: RÄUME!Salonpartner – diese Unternehmen engagieren sich für die Baukultur, Teil 2

Ada | Strähle Raumsysteme

Paul, Werner und Florian Strähle

Eine Trennwand ist keineswegs eine simple Angelegenheit, sondern Vertrauenssache – und deshalb setzen Architekten gerne auf jenen schwäbischen Mittelständler, der seine Archi-tekturkompetenz seit vielen Jahren in zahlreichen Bürohausprojekten beweist. Seit der Gründung der AIT-ArchitekturSalons ist das Unternehmen auch Partner von Deutschlands großer Architekturgalerie. An dieser Stelle porträtieren wir mit der Strähle Raum-Systeme GmbH ein ganz und gar ungewöhnliches Unternehmen.

Strähle mit Partnern und Kunden p� egt. Die „gute und fai-re Zusammenarbeit“ beschere dem Unternehmen nicht nur immer wiederkehrende Au¬ raggeber, sondern rege auch die Innovationsprozesse in seinem Unternehmen an.

Die seit Jahrzehnten kultivierte Fähigkeit, Architektur nicht nur mit Produkten auszustatten, sondern „mit zu denken“ macht Strähle aus. Die daraus entstehenden Anforderungen werden innerhalb der verschiedenen, miteinander kompatib-len Modulsysteme gelöst oder in Sonderentwicklungen. Diese Kernkompetenzen des Unternehmens wurden auf Dauer gesi-chert, denn die nächste Generation ist schon aktiv. Der ältere Sohn, Paul Strähle, Architekt mit fünf Londoner Berufsjahren, ist seit 2009 Mit-Geschä¬ sführer, der jüngere Sohn, Florian, verantwortet als Betriebswirt das Marketing. Die oben beschriebenen Eigenscha¬ en der Strähle-Wände können in den AIT-ArchitekturSalons überprü¬ werden. Denn in den Produktausstellungen sind die modernsten Trennwandlösungen zu sehen. Und wer die Strähles oder de-ren kompetente Mitarbeiter persönlich kennenlernen möch-te, der hat dazu bei vielen Veranstaltungen in den AIT-Salons die Gelegenheit. von Dietmar Danner

Salon-Partner im Gespräch Zahlreiche Unternehmen unterstützen die AIT-Archi-tekturSalons als verlässliche Partner und beweisen damit, dass ihnen an der dauerha� en Förderung der Baukultur gelegen ist. An dieser Stelle in den AIThesen präsentieren wir diese Marken. Dieses Mal führen wir unser Gespräch mit Werner Strähle (WS) von Strähle Raumsysteme .

Als architektura ̄ ner Trennwandhersteller sind Sie näher an der Gegenwartsarchitektur als viele andere Unternehmen. Schla-gen neue Gestaltungsansätze im Hochbau immer auch auf den Innenraum durch? Oder kommen diese bei den Anforderun-gen an die Trennwände nur noch in abgeschwächter Form an?

Rasterteilungen. Diese Formensprache wird auf die Innen-wandsysteme übertragen, d. h. sehr viele Flurtrennwände sind als Ganzglaslösungen gefordert, � ligrane Türzargen usw. Die Zwischenwände werden häu� g durch Glasschwertanschlüsse auch transparent an die Fassade angeschlossen, auf der ande-ren Seite ebenso durch Glasschwertanschlüsse transparent an die Flurtrennwand.Die Innengestaltung der Büroräume soll eine großzügige Of-fenheit vermitteln, teilweise auch durch o ̈ene Spaceberei-che, die nicht durch Raum- oder Wandsysteme mit Raum- und Türelementen unterteilt werden, sondern durch Wandschei-ben, die o ̈ene Zonen zu den Fluren scha ̈en.

Trennwände werden immer mehr zu Trägern von Haus- und Elektrotechnik. Wann wird diese Tendenz ihren Höhepunkt erreichen?

WS: In gleicher Weise hat sich der Anspruch an die multifunk-tionalen Eigenscha¬ en der Wandsysteme deutlich erhöht. Zusätzlich zu den bestehenden Forderungen an Schall- und Brandschutz werden heute in die Wandsysteme vor allem Ab-sorptionselemente integriert, um die akustische Be� ndlich-keit zu verbessern, aber auch Klimasysteme oder integrierte Beleuchtungs� ächen werden gefordert. Gerade im Hinblick auf Akustik und Absorption werden die Anforderungen an die Wandsysteme erhöht, da Absorber� ächen in den Trennwand-� ächen angenehmer wahrgenommen werden als abgehängte Deckensegel und ähnliche zusätzliche Absorptionsmaßnah-men. Auch im Hinblick auf den Schallschutz werden bei ver-glasten Systemen die Anforderungen etwas reduziert.

Es ist festzustellen, dass diese neue Gestaltungstransparenz ganz wesentlich dazu beiträgt, dass solche Gebäude besser nutzbar und vermietbar sind als ältere Gebäude, die diese Helligkeit und Transparenz nicht bieten. Das wiederum hat zur Folge, dass bestehende Bürogebäude im Inneren saniert werden müssen. Im Hinblick auf unseren Tätigkeitsbereich ist es eine erfreuliche Entwicklung, dass auch in Bestandsgebäu-den neue, weiterentwickelte und transparente Trennwandsys-teme eingebaut werden.

Sie sind auf dem Weg in die Internationalisierung. Sind kom-plexe Trennwandsysteme für jede Architektur und jeden Markt geeignet oder suchen Sie kün¤ ig auch lokal angepasste Lösungen?

WS: Im Hinblick auf die Internationalisierung stellen wir fest, dass der qualitative Anspruch an die Wandsysteme sich euro-paweit erhöht hat. Früher war es so, dass qualitativ hochwer-tige Systeme vor allem in Deutschland, Österreich und der Schweiz eingesetzt wurden. Wir stellen nun fest, dass gerade auch in anderen europäischen Ländern wie Großbritannien, Frankreich, Luxemburg, Italien, Niederlande usw. der An-spruch an eine höhere Qualität besteht. Dies wiederum bie-tet Chancen für Hersteller, wie wir es sind, dass höherwertige Systeme auch zum Einsatz kommen und auch entsprechend geschätzt werden. Es schließt jedoch nicht aus, dass lokal angepasste Lösungen in einer soliden Grundkonstruktion mit reduzierten Eigenscha¬ en ebenfalls gefordert werden.

WS: Wir stellen fest, dass die neuen Gestaltungsansätze im Hochbau sich auch im Innenausbau ganz deutlich durchset-zen. Bei der Gestaltung der Fassade wird größtmögliche Trans-parenz bevorzugt, d. h. großzügige Fenster� ächen, großzügige

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Die sind ein Supplement der und erscheinen unregelmäßig.

Architektur Innenarchitektur Technischer Ausbau

1890 gegründet als „Innen-Dekoration“,

bis 1979 „Architektur und Wohnwelt“ – 119. Jahrgang

Herausgeber:

Dipl.-Kfm. Karl-Heinz Weinbrenner

Dipl.-Kfm. Claudia Weinbrenner-Seibt

Verlagsleitung:

Dr.-Ing. Dietmar Danner

Redaktion:

Dr.-Ing. Dietmar Danner (DD),

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FOKUSGestaltungsanspruch bis ins Detail

GLACE COLLECTIONIn einer kompletten Schmuckserie ver-schmilzt die Klarheit und Reinheit von Swarowski Kristallen mit einer organischen Hülle zu einem neuen Ganzen.

MELISSAMittels Rapid Prototyping und avancier-tem 3-D-Druckverfahren entstand diese Neuinterpretation des Frauenschuhs.

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Auch in kleinem Maßstab lässt sich die Idee des Parametrismus umsetzen. Zusätzlich nehmen die Projekte dieser Seite auch die neuen Möglichkeiten der Architekturproduktion vorweg. So sind avancierte 3-D-Druckverfahren und Rapid Prototyping zwar schon fest im Vokabular des computerbasier-ten Entwerfens verankert, doch steht der Maßstabssprung in den alltäg-lichen gebauten Raum bis jetzt noch aus.

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