„zeitzeugen der pathologie berichten“ pilotstudie zur
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„Zeitzeugen der Pathologie berichten“
Pilotstudie zur Geschichte der Pathologen als soziale
Gruppe in der BRD und der DDR
August 2013
Dr. Nils M. Franke
Wissenschaftliches Büro Leipzig
www.rechercheauftrag.de
Im Auftrag des Bundesverband Deutscher Pathologen e. V.
Unterstützt von Dr. E. Schneider und Dr. J.-O. Habeck
2
Inhaltsverzeichnis
Einführung ...................................................................................................................................... 4
Methode ......................................................................................................................................... 6
Bausteine der Geschichte der Pathologie in Deutschland ................................................................ 8
1. Die Institutionalisierung der Pathologie in Deutschland ..................................................................... 8
1.1 Nebenaspekt A – Die Bakteriologie ................................................................................................. 13
1.2 Nebenaspekt B – Das Militär ........................................................................................................... 15
2. Pathologie – Strukturen des Berufstandes und des Faches bis zur Zeit des Nationalsozialismus . 16
2.1 Die Konstitutionspathologie ............................................................................................................ 18
2.2 Der Erste Weltkrieg ......................................................................................................................... 19
2.3 Die Weimarer Republik ................................................................................................................... 21
2.4 Der Übergang zum Nationalsozialismus .......................................................................................... 22
3. Pathologie in der DDR ............................................................................................................... 24
3.1 Die Deutsche Gesellschaft für Pathologie ....................................................................................... 25
3.2 Pathologie der SDAG Wismut .......................................................................................................... 28
3.3 Die Arbeitsgemeinschaft Morphologie ........................................................................................... 29
3.4 Die Bedeutung der SED für die Pathologie der DDR ....................................................................... 33
3.5 Widerstand in der Pathologie der DDR ........................................................................................... 33
4. Grundlinien der organisatorischen und wissenschaftlichen Entwicklung der Pathologie in der
BRD (und der DDR) ........................................................................................................................ 34
4.1 Methoden ........................................................................................................................................ 36
4.2 Veränderung bei der Zahl der Obduktionen ................................................................................... 37
4.3 Internationalisierung ....................................................................................................................... 38
4.4 Die Entwicklung einer vereinheitlichten, international anerkannten Nomenklatur ....................... 39
4.5 Der Rückgang der Bedeutung der Allgemeinen Pathologie ............................................................ 40
3
4.6 Der „Turn to Biopsie“ der deutschen Pathologie ............................................................................ 41
5. Exkurs: Institutionalisierung durch universitäre Ausbildung: Die Approbationsordnungen im
Zeichen der Pathologie .................................................................................................................. 46
6. Exkurs: Die historische Entwicklung des Obduktionsrechts in Deutschland ................................ 49
7. Literaturverzeichnis ................................................................................................................... 54
4
Einführung
Die deutsche Pathologie erlebt eine dynamische Entwicklung:
Viele junge Pathologen drängen in den Beruf, die Tätigkeit eines Pathologen hat sich
in den letzten 50 Jahren deutlich verändert, die Spezialisierung hat immer mehr
zugenommen – DDR-Pathologen haben sich in der sogenannten Alten
Bundesrepublik niedergelassen und umgekehrt sind West-Pathologen im Bereich der
ehemaligen DDR tätig.
Es zeigt sich hier eine Fülle von Veränderungen für die Rahmenbedingungen, unter
denen Pathologen arbeiten.
Daher ist es sinnvoll, in einer Rückschau zu versuchen, sinnstiftende Fragen zu
stellen, nach Antworten zu suchen und so Orientierung anzubieten.
Der Bundesverband Deutscher Pathologen e. V. hat durch seinen hohen
Mobilitätsgrad und seine vorzüglichen Beziehungen zu Pathologen, die nicht mehr
voll im Berufsleben stehen, die Möglichkeit, Zeitzeugen der letzten 70 Jahre
Pathologiegeschichte zu kontaktieren und von ihrer historischen Erfahrung zu
profitieren. Er hat damit Zugang zu wertvollem persönlichen Wissen, das an diese
Persönlichkeiten gebunden und nach ihrem Ableben kaum mehr zu rekonstruieren
ist.
Deshalb beruht diese Pilotstudie zur Geschichte der Pathologen als soziale Gruppe
in der Bundesrepublik Deutschland und der DDR in erster Linie auf
Zeitzeugeninterviews. Es stellten sich insgesamt zehn Personen zur Verfügung,
denen an diesem Ort in aller Form gedankt werden soll:
Herr Prof. Dr. R. Bässler,
Herr Prof. Dr. H. David,
Herrn Prof. Dr. G. Geiler,
Herr Prof. Dr. E. Grundmann,
Herr Prof. Dr. W. Kühne,
Herr Dr. W. Künzel,
Herr Prof. Dr. P. Meister,
Herr Dr. R. Rämsch,
5
Frau Prof. Dr. K. Sorger,
Herr Dr. J. Vetter.
Grundlage der Interviews war ein standardisierter Leitfaden für das Gespräch, um
einerseits Spielraum für die individuellen Antworten zu ermöglichen und andererseits
Vergleichbarkeit zu erzielen. Die Fragen wurden durch eine Kernarbeitsgruppe des
Bundesverbands Deutscher Pathologen e. V. unter Mitwirkung von Herrn Prof. Dr. R.
Meyermann, einem offenen, erweiterten Kreis von Interessierten und dem Historiker
Dr. Nils M. Franke erarbeitet.
Die Gespräche wurden auf Tonband aufgenommen und in der Folge verschriftlicht.
Die Gesprächspartner erhielten diese Ausführungen zur Korrektur und zur
Autorisierung. Die Texte sind dezidiert nicht für die Veröffentlichung gedacht. In den
beiliegenden Text sind sie inhaltlich und paraphrasiert eingeflossen.
Die Interviews mit Herrn Prof. Dr. R. Bässler, Herrn Prof. Dr. H. David,
Herrn Prof. Dr. E. Grundmann, Herrn Prof. Dr. P. Meister und Frau Prof. Dr. K.
Sorger wurden zudem auf Video mitgeschnitten und eine Zusammenfassung
angefertigt, die wesentliche Aussagen wiedergibt. Für die übrigen Gespräche
bestehen Tondokumente.
Der Bundesverband Deutscher Pathologen e. V. finanzierte fünf Interviews dieses
Projektes. Die anderen fünf Beiträge ergaben sich aus dem privaten und
dankenswerten Interesse und Engagement von Herrn Dr. E. Schneider und Herrn Dr.
J.-O. Habeck. Sie interessierten sich ausschließlich für Pathologen der DDR.
Interessant war, dass auch die Auswahl des Bundesverbands Deutscher Pathologen
e. V. auf Personen fiel, die bis auf Herrn Prof. Dr. P. Meister in Ostdeutschland bzw.
dem heutigen Russland geboren und teilweise auch in ihrer Heimat beruflich
sozialisiert wurden. Damit ergab sich zwangsläufig ein Schwerpunkt im deutsch-
deutschen Vergleich. Zukünftige Studien sollten mehr die rein westdeutsche
Perspektive berücksichtigen.
Am Ende dieser Einführung ist dem hochprofessionellen Team des Bundesverbands
Deutscher Pathologen e. V. um Herrn Prof. Dr. Schlake, insbesondere Frau Kempny
und Frau Lingelbach, zu danken. Herr Prof. Dr. Schlake ließ es sich zudem nicht
nehmen, das Interview mit Herrn Prof. Dr. Grundmann selbst zu führen.
6
Methode
Die Geschichtswissenschaft hat sich in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts
methodisch der Philosophie und der Soziologie geöffnet. Für die vorliegende Studie
wurde methodisch ein phänomenologischer Ansatz gewählt. Dabei werden keine
Wertungen vorgenommen, sondern der Ist-Zustand in der jeweiligen Zeit erhoben.
Das beinhaltet insbesondere den Vorteil, dass Fragen nach einem Besser oder
Schlechter, nach einer Rechtfertigung, insbesondere beim Übergang der Pathologie
aus dem Nationalsozialismus nach 1945 in die Bundesrepublik Deutschland/DDR
oder bei der „Reorganisation“ der ehemaligen DDR-Pathologie nach 1989, außen vor
blieben.
Gleichzeitig bietet der Ansatz einen Einblick in menschliches Verhalten in der
dialektischen Spannung von Individuum und Gesellschaft. Es ist z. B. fraglos, dass
Pathologen mit ihrer hohen Anzahl von privat wirtschaftenden niedergelassenen
Ärzten in der „alten Bundesrepublik“ eine soziale Gruppe mit anderen Kennzeichen
formten als Pathologen in der DDR, die mit wenigen Ausnahmen Angestellte waren –
um nur ein Kriterium zu nennen.
Soziale Strukturen haben tiefere Folgen, als den Meisten der Interviewten bewusst
war. So stellte sich z. B. die Frage nach Hierarchien im Berufsleben für die meisten
zunächst als lapidar dar, bei längerem Nachdenken kamen die Gesprächspartner
doch immer wieder auf diesen Aspekt zurück. Die historisch starke Stellung von
Ordinarien in der (west)deutschen Pathologie steht bzw. stand den traditionell
flachen Hierarchien in den USA oder der Schweiz, aber auch dem Kollektivgedanken
in der DDR gegenüber.
Flache Strukturen ermöglichen aber u. U. die Entfaltung von Forschungsleistungen
oder die Übernahme von Verantwortung Einzelner in höherem Maße. Die Frage nach
Strukturen in sozialen Gruppen lohnt sich also. Der methodische Hintergrund ist in
7
diesem Zusammenhang die von P. Berger und T. Luckmann unternommene Analyse
der Wirkung des gesellschaftlichen Umfelds auf menschliches Handeln.1
Diese Arbeit beschäftigt sich mit einer spezifischen Gruppe von Ärzten, dringt also in
ein Subuniversum gesellschaftlicher Realität ein. Sie untersucht die Programme, die
in der deutschen Gesellschaft entwickelt wurden, um die Frage nach der Ursache
von Krankheiten zu beantworten, und eine sich daraus entwickelnde Organisation,
also den Berufsstand sowie dessen sanktionsfähige Gestaltung seiner Interessen z.
B. im Obduktionsrecht. Um es konkret zu machen: Die Etablierung des ersten
Lehrstuhls für Pathologie in Würzburg 1849 folgte einem konkreten gesellschaftlichen
Problembewusstsein, zu dessen Lösung ein „Programm“ entwickelt wurde. Der
Lehrstuhl, der dann von R. Virchow zu einem Institut ausgebaut wurde, benötigte
Ressourcen in Form eines Gebäudes, von Personal, eines Budgets usw.
(Organisation) und hatte das Interesse, Leichen zur Obduktion zu erhalten. Dieses
wissenschaftliche Interesse und die damit verbundenen praktikablen Ergebnisse für
die Gesellschaft führten in der Geschichte der Pathologie zu einer gesetzlichen
Regelung im Obduktionsrecht (Sanktionsfähigkeit). Hat eine soziale Gruppe diese
sanktionsfähige Institutionalisierung ihres als von ihnen und von anderen als legitim
angesehenen Interesses verankert, dann hat sie - soziologisch gesehen - eine starke
gesellschaftliche Stellung erreicht.
Diese wenigen Ausführungen sollen als methodologischer Hinweis genügen, aber
deutlich machen, dass die Arbeit nicht ein bloßes Zitieren von historischen
Ereignissen darstellt. Für die Untersuchung derartiger gesellschaftlicher Subuniversa
eignet sich besonders die wissenssoziologische Basis von A. Schütz und T.
Luckmann, die hier angewendet wird, die aber der darin nicht geschulte Leser nicht
bemerken wird, um eine Theorielastigkeit der Ausführungen zu vermeiden.2
Ausgangspunkte der Betrachtung waren des Weiteren die Funktionen der
Geschichtswissenschaft: Die Analyse von Vorgängen mit dem Ziel der
wissenschaftlichen Auswertung; die archivierende Wirkung von historischen Quellen,
hier insbesondere der Aussagen der Zeitzeugen; die legitimierende Funktion, um 1 P. Berger, T. Luckmann: Die gesellschaftliche Konstruktion der Wirklichkeit. Eine Theorie der Wissenssoziologie. (21. Aufl.) Frankfurt am Main 2007. 2 A. Schütz und T. Luckmann: Strukturen der Lebenswelt. Frankfurt a. Main 1979.
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dem Bundesverband Deutscher Pathologen e. V. die Deutungshoheit über die
eigene Geschichte zu erhalten; die Kommunikationsfunktion, die durch die
Auseinandersetzung mit dem Herkommen u. a. Identität schafft; und nicht zuletzt die
unterhaltende Wirkung von Erzählungen, die auch dem Wissenschaftlichen das
Menschliche lässt. Außerdem wurde nicht übersehen, dass die Ergebnisse dieser
Studie zur Öffentlichkeitsarbeit des Bundesverbands nutzbar sein sollen.
BausteinederGeschichtederPathologieinDeutschland
1.DieInstitutionalisierungderPathologieinDeutschland
Grundsätzlich kann eine Pilotstudie keine umfassende Geschichte der Pathologie
leisten. Es geht vielmehr darum, wichtige Persönlichkeiten, Ereignisse, Strukturen
und Weichenstellungen darzustellen und in ihrer Bedeutung hervorzuheben. Diese
müssen außerdem für die aktuellen Topoi der fachinternen Diskussion um die
Geschichte der Pathologie, die seit der „Reorganisation“ der DDR-Pathologie nach
1989 fraglos geführt wird, für die Auseinandersetzung mit anderen medizinischen
Fachdisziplinen und für die gesellschaftliche Sicht auf die Pathologie fruchtbar
gemacht werden.
Die Geschichte der Pathologie im Nationalsozialismus wurde absichtlich nur
oberflächlich aufgegriffen. Das Thema eignet sich nicht für eine Pilotstudie. Das
Verhalten Pathologen in dieser Zeit erreichte offenbar in manchen Fällen Grenzen,
die einer genauen Untersuchung bedürfen, bevor ein Urteil gefällt werden kann. Die
entstandene Lücke ist eine Aufforderung für ein notwendiges und umfangreicheres
Forschungsprojekt.
Der Ruf der deutschen Pathologie wurde durch Rudolf Virchow (1821-1902)
begründet. Seine Biographie ist breit erforscht, und er wurde angemessen
gewürdigt.3 Dass R. Virchow eine der großen Persönlichkeiten der zweiten Hälfte des
3 Vgl. z. B. aktuell L. H. Feddersen: Die Darstellung Rudolf Virchows in der Vossischen Zeitung im Zeitraum vom 1. Januar 1844 bis zum 31. Dezember 1865. Univ. Diss. Frankfurt (Oder), 2010. C. Andree: Rudolf Virchow: Vielseitigkeit, Genialität und Menschlichkeit - ein Lesebuch. Hildesheim, Zürich, New York 2009. C. Goschler: Rudolf Virchow: Mediziner – Anthropologe – Politiker. Köln, Weimar, Wien. 2009
9
19. Jahrhunderts war, ist unbestritten. Seine umfangreichen Interessen, seine
ungehemmte Forschungs- und Arbeitsleistung führten allerdings zu einem vielfältigen
Gesamtbild, das kein einheitliches, sondern unterschiedliche historische Urteile zur
Folge hatte. So äußert z. B. C.-R. Prüll, dass R. Virchow im Wesentlichen
Theoretiker blieb. Als „Vitalist“ habe er - seiner Meinung nach - in der Zelle eine
innere Kraft gesucht, die er als Lebenskraft, also als „das Leben per se“ identifizieren
konnte. Ihm sei es in der Konsequenz aus Sicht von C.-R. Prüll nicht gelungen, eine
auf den Erkenntnissen der Pathologie fußende selbstständige Behandlungspraxis
der Patienten zu erreichen, und so habe er bereits in den 1870er Jahren diesen
Ansatz nicht mehr weiter verfolgt. Seinem pathologischen Institut habe er immer
weniger Aufmerksamkeit geschenkt und auch der Ausbildung der Pathologen immer
weniger Energie gewidmet. Vielmehr habe er sich der Politik und am Ende seines
Lebens immer mehr der Anthropologie zugewandt.4 In T. Schnalkes Geschichte des
Instituts für Pathologie der Charité wird dagegen das übliche Bild des
Wissenschaftlers vermittelt, der mit Hilfe seiner Fachdisziplin die Medizin seiner Zeit
auf neue Grundlagen stellte und auch organisatorisch in Berlin absicherte: „Das
Institut entwickelte sich bis zu Virchows Tod 1902 zum Kernort für die Pathologie im
deutschen Sprachraum mit internationaler Ausstrahlung. Ein geordneter und im
Laufe der Jahre stark anschwellender Sektionsbetrieb bildete das innere Zentrum.“5
Fraglos hatte R. Virchow eine machtvolle Stellung. Er war nicht nur Professor für
Pathologische Anatomie und Allgemeine Pathologie, sondern auch Leiter der
Charité-Prosektur und des neuen Instituts. Damit vereinte er offiziell die theoretische
und die praktische Pathologie.6
C.-R. Prülls Urteil zu R. Virchow verwundert Fachkenner der Geschichte des 19.
Jahrhunderts jedoch nicht. Der fast alle wissenschaftliche Disziplinen umfassende
Diskurs über die Frage „Was ist Leben?“ ist das zentrale Thema, seit Charles Darwin
seine Publikation „Über die Entstehung der Arten“ 1859 veröffentlichte. Die bereits
seit der Französischen Revolution 1789 erschütterte Stellung der Kirche und ihrer
4 C.-R. Prüll: Medizin am Toten oder am Lebenden? Pathologie in Berlin und in London. 1900 -1945. (Veröffentlichungen der GUW Bd. 5). Basel 2003. S. 428/429 5 T. Schnalke: Zurück ins Leben. Eine Geschichte des Instituts für Pathologie der Charité. In: I. Atzl, V. Hess, T. Schnalke (Hrsg.): Zeitzeugen Charité. Arbeitswelten des Instituts für Pathologie 1952-2005. (Das medizinische Berlin – Historische Beihefte der Charité – Annalen Bd. 2). Münster 2006. S. 13. G. Dohm spricht sogar von einem weltweiten Vorbild. G. Dhom: Geschichte der Histopathologie. Berlin, Heidelberg, New York 2001. S. 3 6 T. Schnalke: Zurück ins Leben. Eine Geschichte des Instituts für Pathologie der Charité. S. 13.
10
Erklärung für die Entstehung der Welt wurde durch das genannte Werk endgültig in
Frage gestellt. Die darauffolgenden Diskussionen erfassten fast die gesamte
wissenschaftliche Welt.7 Eine Persönlichkeit im Range R. Virchows konnte sich
dieser nicht entziehen bzw. war durch seine Frage nach Herkunft, Verlauf und
Wirkung von Krankheiten und noch mehr durch seine Zellularpathologie, in der er
den Blick fest auf den scheinbar zentralen Baustein des Körpers richtete, direkt
eingebunden. Mit der von C.-R. Prüll vorgenommenen Charakterisierung als Vitalist
lässt sich R. Virchow eindeutig der Gruppe von Wissenschaftlern zuordnen, die in der
Zelle einen „göttlichen“ Lebensfunken vermuteten und die den sogenannten
„Mechanisten“ gegenüberstanden, die sich vor allem auf Iwan P. Pawlow (1849-
1936) stützten. Diese Gruppe argumentierte, dass das Leben sich vor allem in
Reaktion auf die Umwelt ausbilde, und stand damit der Theorie Charles Darwins
nahe.
Diese theoretische Differenz ist auch als ein wesentlicher Bestandteil der Geschichte
der Pathologie in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts festzuhalten, die sich z. B. in
der Unterscheidung des morphologischen vom physiologischen Ansatz niederschlug.
C-R. Prüll führt z. B. korrekt aus, dass R. Virchow die Dominanz des
morphologischen Gedankens durch die Kombination aus dem Einsatz des
Mikroskops, der Benutzung naturwissenschaftlicher Methoden und der daraus
resultierenden theoretischen Grundlage der Zellularpathologie festigte. Aber: „Die
Entwicklung einer pathologischen Physiologie mit Hilfe des Ausbaus einer
experimentellen Pathologie hatte er nicht erreicht. Genau dieses Ziel verfolgte
Ludwig Aschoff (1866-1942), und er konnte tatsächlich einer Dynamisierung der eher
statischen Betrachtungsweise des morphologischen Substrates sehr nahe kommen.
Dies wird an den Forschungen zum Reizleitungssystem des Herzens deutlich, die er
zusammen mit seinem Schüler Sunao Tawara (1873-1952) durchführte.“8
Dieser scheinbar nebensächliche, aber in Wirklichkeit sehr zentrale Hintergrund
bietet eine gute Erklärung für ein wichtiges Strukturmerkmal der deutschen
Pathologie, dessen Auswirkung mannigfaltig war: Die im Gegensatz zur anglo-
7 Vgl. dazu z. B. F. Mildenberger: Umwelt als Vision. Leben und Werk von Uexkülls (1864-1944). (Sudhoffs Archiv Heft 56). Stuttgart 2007. Der Autor gibt die Diskussion und ihre Schulen umfassend wieder. 8 C.-R. Prüll (Hrsg.): Die Sektion als letzter Dienst am Vaterland. Die deutsche „Kriegspathologie“ im Ersten Weltkrieg. In: W. U. Eckart, C. Gradmann (Hrsg.): Die Medizin und der Erste Weltkrieg. (Neuere Medizin- und Wissenschaftsgeschichte Bd. 3). Pfaffenweiler 1996. S. 165
11
amerikanischen Tradition bis 1945 vorherrschende hohe Theorielastigkeit und die
überproportionale Bedeutung der forschenden Ordinarien.
R. Virchow leitete mit der Gründung und dem Ausbau der überragenden Bedeutung
des Pathologischen Instituts der Charité eine Entwicklung ein, die seine Ausrichtung
der Pathologie letztlich programmtisch und organisatorisch institutionalisierte.
Ein Prozess, der in den 1840er Jahren in Deutschland begonnen hatte. Auf erste
wichtige Erkenntnisse in der Barockzeit - Theophile Bonnet (1620-1689), Giovanni B.
Morgagni (1682-1771) u. a. – aufbauend, gelang es der Pathologie offenbar zuerst in
Wien unter der tatkräftigen Mithilfe von Carl von Rokitansky (1804-1878), die
akademische Gleichberechtigung zu anderen Disziplinen zu verankern.9 Ab 1856
kann von einer in den Universitäten bestehenden pathologischen Routine
gesprochen werden. Dazu gehörte die Durchführung von Sektionen, um die
Todesursache festzustellen, und die Erstellung statistischer Daten, um Krankheiten
zu bekämpfen oder ihnen vorzubeugen. Ab 1900 geschah dies auch
außeruniversitär.10
Ab Mitte des 19. Jahrhunderts arbeitete R. Virchow unablässig am
Führungsanspruch der deutschen Pathologie. Als erster Lehrstuhlinhaber für
Pathologie im Deutschen Reich, konkret in Würzburg 1849 bis 1856, bereitete er
bereits die Hinwendung zur Zellularpathologie vor und fasste sie dann 1857 in
seinem bekannten Grundlagenwerk, der „Cellularpathologie“ zusammen.11 Bei seiner
Rückkehr nach Berlin konnte er die Bedingungen seiner Anstellung mehr oder
minder diktieren und die oben genannte Funktionsvielfalt ausbauen.
Er verfügte in der neugebauten Pathologie über Sektionssäle, Sammlungsräume,
eine ausbaufähige Bibliothek, einen Hörsaal, Räume mit Mikroskopen und ein
chemisches Labor. Rund 1000 Sektionen jährlich ermöglichten morphologische
Vergleiche, die peinlich genau dokumentiert wurden und z. B. die Krebskrankheit
immer deutlicher erkennbar machten. 1888 wurde zudem eine Bakteriologische
Abteilung errichtet. Das am 27. Juni 1899 eröffnete Museum präsentierte 22 000
Präparate auf einer Fläche von 2000 Quadratmetern und diente der Information der
Öffentlichkeit wie der akademischen Ausbildung. 1897 wurde zudem die Deutsche
9 A. Bauer: Die Krankheitslehre auf dem Weg zur Naturwissenschaftlichen Morphologie. Pathologie auf der Versammlung Deutscher Naturforscher und Ärzte von 1872-1882. Stuttgart 1989. S. 17-18 10 Ebenda S. 17-18 11 C.-R. Prüll (Hrsg.): Die Sektion als letzter Dienst am Vaterland. S. 159
12
Pathologische Gesellschaft gegründet und damit der wissenschaftliche Austausch
gesichert.12 Allerdings bedeutete dies auch eine Distinktion, also einen sichtbaren
Abstand zu anderen medizinischen Disziplinen.
Die Schüler von R. Virchow begründeten wichtige Zweige der Pathologie.
- Felix Hoppe-Seyler (1825-1895) leistete die Grundlage für die pathologische Chemie; - Felix von Recklinghausen (1833-1910) untersuchte die Ultrastrukturen der kleinsten Lymphgefäße und entdeckte die Neurofibromatose. - Oskar Liebreich (1839-1908) entdeckte die Möglichkeiten des Chloralhydrats. - Ernst Leopold Salkowski (1844-1923) gelang es Körpersubstanzen, die von hohem medizinischem Interesse waren, zu identifizieren. - Edwin Klebs (1834-1913) entwickelte eine Therapie der Tuberkulose. - Julius Cohnheim (1839 -1884) beobachtete das Eindringen der weißen
Blutkörperchen aus Gefäßen in entzündetes Gewebe. 13
Ein weiteres, für die Geschichte der Pathologie wichtiges Kriterium war die
Internationalisierung, und zwar sowohl des Lehrbetriebes als auch des
wissenschaftlichen Austausches. Im Studienjahr 1908/1909 waren allein im Bereich
der Sektion, der histologischen Abteilung und im Museum von 69 Personen 7
Japaner, 4 Italiener, 3 Russen, 1 Amerikaner (USA), 1 Brasilianer und 1 Grieche.14
Sicher spielt auch der Gedanke eine Rolle, das deutsche Ansehen im Ausland durch
eine hervorragende Leistung der Pathologie zu heben. Andere Nationen sollten
beeindruckt werden. 15 Das Institut für Pathologie der Charité hatte folglich von
Beginn an einen internationalen Bezug, den die deutsche Pathologie - bis auf die Zeit
des Nationalsozialismus - immerfort behielt.
12 A. Bauer: Die Krankheitslehre auf dem Weg zur Naturwissenschaftlichen Morphologie. S. 17-18 13 T. Schnalke: Zurück ins Leben. Eine Geschichte des Instituts für Pathologie der Charité. S. 12-14 14 Ebenda S. 17 15 C.-R. Prüll: Medizin am Toten oder am Lebenden? S. 163
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Aus historischer und soziologischer Sicht haben wir es folglich am Ende des 19.
Jahrhunderts aus folgenden Gründen mit der zentralen Institutionalisierungsphase
der Pathologie in Deutschland zu tun:
1. Der preußische Staat gestand dieser Disziplin eine Bedeutung zu, die die Ausgabe
hoher finanzieller Mittel rechtfertigte (Organisation, Legitimation).
2. Das Pathologische Institut der Charité war aufgrund seiner Ausstattung und damit
aufgrund seiner personellen und technischen Möglichkeiten die in Deutschland
stärkste Einrichtung (Organisation).
3. Programmatisch setzte sich die Zellularpathologie durch (Programm).
4. Sie wurde durch R. Virchow bzw. durch seine Schüler in gesamt Deutschland
vertreten (Etablierung der sozialen Gruppe der Pathologen in Deutschland).
5. Die Pathologie als Wissenschaft wurde auch der Öffentlichkeit als eigenständiges
Fach dargestellt (soziale Distinktion und Legitimation durch eigenständige Leistung).
6. Die Lehre des akademischen Fachs wurde organisiert (Sicherung der
Institutionalisierung, Legitimation).
7. Die deutsche Pathologie war international führend.
Zwei wichtige Nebenaspekte seien diesen Kriterien noch hinzugefügt.
1.1NebenaspektA–DieBakteriologie
Während der Industrialisierung (etwa 1850 bis 1890) entstanden zahlreiche
Großstädte. Ihr Wachstum war in kurzer Zeit so immens, dass sich völlig neue
Probleme im Bereich der Gesundheitsvorsorge der Bevölkerung stellten. Die Zahlen
einiger Stadtteile von Berlin mögen dies verdeutlichen:
1875 zählte Charlottenburg erst 25 847 Einwohner, vor 1900 dagegen bereits 132
377 und konnte als Großstadt gelten. Es unterstrich durch ein Anwachsen auf 305
978 Einwohner bis 1910 diesen Anspruch. Lichtenberg hatte 1875 genau 15 091
14
Einwohner, 1910 eine Bevölkerung von 133 141. Und Spandau verzeichnete 1875
lediglich 27 508 Einwohner, 1910 aber bereits 84 855 Einwohner.16
Auf die entsprechenden sanitären Herausforderungen des engen Zusammenlebens
ist 1876 die Gründung des Kaiserlichen Gesundheitsamtes – des Vorläufers des
Bundesgesundheitsamts – zurückzuführen, das erst im Zusammenhang mit der
Debatte und Verabschiedung des Reichsimpfgesetzes von 1874 politisch
durchsetzbar wurde.17
R. Virchow engagierte sich wissenschaftlich und als Politiker besonders im Bereich
der Hygiene. 1848 untersuchte er im Auftrag der Regierung eine Typhusepidemie in
Oberschlesien. Er trug wesentlich zur Schaffung einer unterirdischen Kanalisation in
Berlin bei.18 D. h. die Pathologie bildete in ihrer Geschichte immer wieder die
Grundlage – die Qualitätssicherung sauberen Wassers in Städten ist hier nur ein
Beispiel – für die Lösung gesamtgesellschaftlicher Problemfelder. Dabei regte sie
nicht nur an, sondern übernahm teilweise auch eine Kontrollfunktion. Wie bereits
oben erwähnt, wurde 1888 am Institut für Pathologie der Charité in Berlin eine
Bakteriologische Abteilung errichtet. Diese Tradition wurde für viele Einrichtungen
grundlegend und teilweise auch über Jahrzehnte fortgeführt, wie z. B. im wasser-,
aber auch industriereichen Chemnitz, wo die Pathologie 1906 dezidiert als
Pathologisch-Hygienisches Institut (PHI) am Krankenhaus Chemnitz eröffnet wurde
und erst 1946 entsprechende Aufgaben an die Kommune abgab.19 Die folgende
Tabelle stellt die Bedeutung der Bakteriologie in diesem Institut deutlich dar:
Jahr Sektionen Histol. Untersuchungen Mikrobiol. Untersuchungen
1900 514 144 360
1913 999 185 14453
16 Vgl. dazu H. Herzfeld: Allgemeine Entwicklung und politische Geschichte. In. H. Herzfeld, G. Heinrich: Berlin und die Provinz Brandenburg im 19. und 20. Jahrhundert. (Veröffentlichungen der Historischen Kommission zu Berlin beim Friedrich-Meinecke-Institut der Universität Berlin Bd. 25/Geschichte von Brandenburg und Berlin Bd. 3). Berlin 1968. S. 93-98/103/104 17 M. Stürzbecher: 100 Jahre Forschung für die Gesundheit. Vom Kaiserlichen Gesundheitsamt zum Bundesgesundheitsamt. In: Die Berliner Ärztekammer. 13. Jg. (1976), H. 4. S. 147-154 18 D. Glatzer, R. Glatzer: Berliner Leben 1900 – 1914. Eine historische Reportage aus Erinnerungen und Berichten. Bd. 2 Berlin 1986. S. 614/ R. Vierhaus (Hrsg.): Deutsche Biographische Enzyklopedie. Bd. 10. Thies-Zymalkowski. 2. Aufl. München 2008. S. 257 19 W. Künzel: Das Pathologisch-Hygienische Institut Chemnitz und seine Leiter von 1898 bis 1998. Der Pathologe 20 (1999) Heft 3. S. 200-202
15
1928 1173 1044 32171
1936 1410 3432 70 17320
Wissenschaftspolitisch ist diese Entwicklung ein Beispiel dafür, wie sich eine andere
Disziplin zeitweise in die Pathologie integrierte bzw. auch wieder entfernte. Ein
Vorgang, der z. B. auch für die Zytologie zutrifft.21
1.2NebenaspektB–DasMilitär
Nicht übersehen werden darf, dass R. Virchow seine exzellente Ausbildung an der
Pépinière als der zentralen Ausbildungsakademie der Militärärzte erhielt.22 Das
Militär hatte aufgrund seiner Verluste in Kriegszeiten bzw. der Versorgung von
Verletzten, der Frage nach der Effektivität der Waffen und aus weiteren Gründen ein
gesteigertes Interesse an der Pathologie.23 Im Berliner St. Hedwigs-Krankenhaus
bestand zu Beginn des 20. Jahrhunderts eine kriegspathologische Sammlung, die
internationale Aufmerksamkeit und Anerkennung fand.24 Im weiteren Verlauf der
Studie wird deutlich werden, dass eine spezielle Kriegspathologie im Ersten
Weltkrieg entwickelt wurde und dass auch das Armed Forces Institute of Pathology in
den USA Einfluss auf die Entwicklung in der Bundesrepublik Deutschland nahm.
20 Ebenda S. 202 21 Interview Prof. Dr. Geiler 22 R. Vierhaus (Hrsg.): Deutsche Biographische Enzyklopedie. Bd. 10. Thies-Zymalkowski. 2. Aufl. München 2008. S. 257/258. S. 257 23 Vgl. das Armed_Forces_Institute_of_Pathology in den USA. http://en.wikipedia.org/wiki/Armed_Forces_Institute_of_Pathology 24 C.-R. Prüll: Medizin am Toten oder am Lebenden? Pathologie in Berlin und in London. 1900-1945. (Veröffentlichungen der GUW Bd. 5). Basel 2003. S. 169
16
2.Pathologie–StrukturendesBerufstandesunddesFachesbiszurZeitdesNationalsozialismus
Zum Erbe R. Virchows gehörte auch der Anspruch auf die Führungsfunktion der
Pathologie in der Medizin. Der Sektionssaal war der Ort, an dem der Erfolg oder der
Misserfolg der klinischen Diagnose entschieden werden konnte: <<Pathologica
locuta, causa finita>>:25 Mit diesem Befund mussten sich die Kliniker abfinden. Hier
liegt der oberflächlichere Grund für das in dieser Arbeit immer wieder aufscheinende
spannungsreiche Verhältnis zwischen Klinikern und Pathologen.
Der tiefere Grund findet sich dagegen in dem bereits oben angeführten Anspruch, mit
dem Mikroskop ein Instrument und mit dem Vergleich eine Methode einzusetzen, die
es erlauben, über den Gestaltwechsel der Zelle als angenommener zentrale
Bestandteil des Lebens hin zu einem krankhaften Zustand dem innersten Wesen des
Lebens auf der Spur zu sein. Dieser programmatische metaphysische Aspekt der
Pathologie in Deutschland ist ein wichtiges Kriterium, um zu verstehen, warum sie
sich in diesem Land weniger praxisnah orientierte und warum sie sich nach und nach
gegen andere Disziplinen abschirmte.26 Die Bedeutung des Vorbilds Johann Wolfang
von Goethe (1749-1832) als Naturforscher und -philosoph und als
fächerübergreifender „ganzheitlicher“ Denker für die Wissenschaftler bis nach 1945
darf in keiner Form unterschätzt werden. Er hatte den Begriff der Morphologie
geschaffen, ihn mit der dynamischen Veränderung der Metamorphose verbunden
und wollte damit „… die Morphologie als eine Denkungsart zur Erfassung
biologischer Urphänomene, des Werdens, Seins und Vergehens, verstanden
wissen.“27 Ähnliches galt für Alexander von Humboldt (1769-1859) als einem der
letzten Universalgelehrten. Die Morphologie stand daher im Mittelpunkt der
Pathologie.
25 H.-W. Altmann: Pathologie in Deutschland. Ahnung und Gegenwart. In: Der Pathologe. 1986 Heft 7. S. 129 26 Ebenda S. 129 27 H. W. Altmann: Die Pathologie an der Schwelle des neuen Jahrhunderts. Würzburger Medizinhistorische Mitteilungen (1990). Heft 8. S. 352 /Vgl. auch R. Virchow: Goethe als Naturforscher und in besonderer Beziehung auf Schiller. Eine Rede von Rudolf Virchow. Berlin 1861.
17
Wissenschaftler am Ende des 19. und des beginnenden 20. Jahrhunderts eiferten
diesem Vorbild nach. R. Virchow erarbeitete ebenfalls eine umfassende Theorie und
formulierte die Pathologie als eine „medizinische Integralwissenschaft“.28 Eine
umfassende naturphilosophische Begründung war damals für diesen Anspruch
Voraussetzung.29 U. Lampert verweist in diesem Zusammenhang u. a. auf eine
intensive Auseinandersetzung zwischen L. Aschoff und Gustav Ricker (1870-1948).
Während Ersterer eine „…klinisch-teleologisch-beschreibende Denkart…“ vertrat und
diese von der naturwissenschaftlich-analytischen Methode getrennt sehen wollte –
also sozusagen ein metaphysischer Überbau, der für spekulative und ideologische
Argumentationen anfällig war – lehnte G. Ricker die naturphilosophischen Anteile in
der Pathologie ab und wollte nur naturwissenschaftliche Ergebnisse gelten lassen.
Die deutschen Pathologen unterstützten mehrheitlich den Ansatz von L. Aschoff.30
Die Forderung nach einer Integralwissenschaft führte zu der Frage, welche anderen,
insbesondere medizinischen wissenschaftlichen Disziplinen der Pathologie direkt
zugehörig sein sollten und welche Zweige ihr nur peripher dienstbar waren. U.
Lampert weist darauf hin, dass sich in der Folge die Bereiche Bakteriologie,
Serologie, Immunologie, Neuro- und Gynäkopathologie als Spezialgebiete
abspalteten, sich trotz des Widerstandes der pathologischen Anatomen
institutionalisierten und zum Hauptfach nur noch in einem losen Kontext standen.31
C.-R. Prüll bemerkt: „Damit wurde das festgefügte Weltbild der verschiedenen
morphologischen Organsysteme, das im 19. Jahrhundert entworfen worden war,
relativiert.“32
Der Autor unterstreicht, dass R. Virchow zwar Interesse an physiologischen
Prozessen hatte, doch der Kern seiner Methode bezog sich auf den Vergleich von
28 C.-R. Prüll: Medizin am Toten oder am Lebenden? Pathologie in Berlin und in London. 1900-1945. S. 161 29 Vgl. U. Lampert: Die Pathologische Anatomie in der Zeit des Nationalsozialismus unter besonderer Beachtung der Rolle einiger Fachvertreter an deutschen Universitäten. Dissertation. Leipzig, 1991. S. 14-16 30 Ebenda. U. Lampert zitiert auf S. 19 in diesem Zusammenhang L. Aschoff mit den Worten: <<In allen Gebieten der Naturwissenschaften spielt die Ganzheitsbetrachtung als sinnsuchende oder teleologische mit hinein. Die Ganzheitsbetrachtung kann als naturbildende oder naturphilosophische bezeichnet werden.>>. U. Lampert: Die Pathologische Anatomie in der Zeit des Nationalsozialismus unter besonderer Beachtung der Rolle einiger Fachvertreter an deutschen Universitäten. S. 19 31 Ebenda S. 17 32 C.-R. Prüll: Medizin am Toten oder am Lebenden? Pathologie in Berlin und in London. S. 430
18
Zell- und Gewebeproben unter dem Mikroskop, also auf eine sehr lokale und
statische Betrachtungsweise.33
C.-R. Prüll urteilt: „Virchows Nachfolger betrieben die Umsetzung des
morphologischen Gedankens einerseits aus Verpflichtung – die traditionelle
Ausrichtung des Faches sollte gepflegt werden – andererseits aber auch aus voller
innerer Überzeugung.“34
Durch die prägende Bedeutung R. Virchows und des Pathologischen Instituts der
Charité war für die Zukunft gesichert, dass die Pathologie weiterhin im Kern auf der
morphologischen Methode beruhe und die Auseinandersetzung mit physiologischen
Prozessen eine geringere Rolle spielen würde.
Am Beispiel des Pathologischen Instituts der Charité kann diese Entwicklung gut
verdeutlicht werden. Johannes Orth (1847-1923), ehemaliger Assistent von R.
Virchow und Ordinarius für Pathologie in Göttingen, übernahm nach dem Tod von R.
Virchow an der Charité die Aufgabe, dessen Auffassung von Pathologie
weiterzuführen bzw. sie auch weiterzuentwickeln. Es kam unter seiner Leitung
einerseits zu einer Stärkung der pathologisch-physiologischen Sichtweise, die in ihrer
Leistungsfähigkeit auf experimentellem Weg erkundet wurde. Mit der Folge, dass
eine immer stärkere Spezialisierung einzelner Bereiche eintrat, wie sie oben
angedeutet wurde. 35 Trotzdem stand auch für ihn die morphologische Pathologie im
Zentrum.36
2.1DieKonstitutionspathologie
Die Pathologie reagierte im ersten Dezennium des 20. Jahrhunderts auf die Gefahr,
ihren Anspruch einer Integralwissenschaft nicht mehr aufrecht erhalten zu können,
mit einer weiteren programmatischen Wendung: mit der Theorie des
„Konstitutionalismus“, der die morphologischen Erkenntnisse mit physiologischen
koppeln sollte. Krankheit sollte durch die Untersuchung der Gesamtverfassung
33 Ebenda S. 430/431 34 Ebenda S. 169 35 T. Schnalke: Zurück ins Leben. Eine Geschichte des Instituts für Pathologie der Charité. S. 16-17 T. Schnalke führt auch die Hygiene und die Bakteriologie an. Dies mag für das Institut für Pathologie der Charité richtig sein, doch nicht für jedes Institut wie z. B. die Entwicklung des Chemnitzer Instituts zeigt. 36 C.-R. Prüll: Medizin am Toten oder am Lebenden? S. 180
19
(Konstitution) erklärbar werden. Spezifische körperliche Konstitutionen sollten als
Krankheitsursachen identifiziert werden. Damit kamen morphologische
Voraussetzungen und physiologische Prozesse gleichermaßen in Betracht.
Allerdings bezog sich der Begriff der Konstitution auf das Verhältnis des Menschen
zur Umwelt bzw. auf die Anlagen des Organismus, d. h. auf sein Erbgut.37 Ludwig
Aschoff (1866-1942) der nach Meinung von C.- R. Prüll einflussreichste Pathologe in
der Nachfolge R. Virchows, hat diesen Ansatz klar vertreten.38
C.-R. Prüll führt den Ansatz der Konstitutionspathologie auch auf den scharfen
Diskurs um das Wesen der Krankheiten zwischen R. Virchow und Robert Koch
(1843-1910) zurück. Während die Schule um Letzteren die Bakterien für die zentrale
Ursache hielten, also den Angriff auf den Körper von außen, vertrat erstere auf
Grundlage der Zellularpathologie die Ansicht, dass das Krankheitsgeschehen im
Zentrum des Interesses stehen musste, also die inneren Vorgänge. L. Aschoff
erweiterte diese Perspektive und wollte über die ganzheitliche Erforschung der
Gesamtkonstitution des menschlichen Körpers die Ursachen der Krankheiten
erkunden.39
Zu berücksichtigen ist dabei, dass L. Aschoff 1905 zu rassenhygienischen Theorien
neigte und sich in Freiburg in der von Alfred Ploetz (1860-1940) und Richard
Thunwald (1869-1954) 1905 gegründeten Gesellschaft für Rassenhygiene
engagierte. Dieser Kontext zeigt, wie ideologieanfällig der Konstitutionalismus war.40
Der Ansatz wurde im Ersten Weltkrieg weiter verfolgt, allerdings trat zunächst aus
rein pragmatischen Gründen wieder der morphologische Ansatz in den Vordergrund.
Denn die Pathologen hatten alle Hände voll zu tun, die massenhaft gefallenen
Soldaten zu obduzieren.
2.2DerErsteWeltkrieg
37 Ebenda S. 178-180 38 C.-R. Prüll: Traditions of Pathology in Western Europe. Theories, Institutions and their Cultural Settings. In: C.-R. Prüll: Traditions of Pathology in Western Europe. Theories, Institutions and their Cultural Settings. Herbholzheim 2003. S. 9-21 39 C.-R. Prüll (Hrsg.): Die Sektion als letzter Dienst am Vaterland. Die deutsche „Kriegspathologie“ im Ersten Weltkrieg. In: W. U. Eckart, C. Gradmann (Hrsg.): Die Medizin und der Erste Weltkrieg. (Neuere Medizin- und Wissenschaftsgeschichte Bd. 3). Pfaffenweiler 1996. S. 160-163 40 E. Klee: Deutsche Medizin im Dritten Reich. Karrieren vor und nach 1945. 2. Aufl. Frankfurt a. Main 2001. S. 26
20
Der Erste Weltkrieg wurde aus wissenschaftlicher Perspektive z. B. von R. Roessle
oder L. Aschoff als Chance gesehen, durch die hohe Zahl der zur Verfügung
stehenden Leichen die Pathologie weiterzuentwickeln: „Eine wesentliche
Bereicherung unserer Kenntnisse von der Norm innerer Organe brachte der
Weltkrieg und die Errichtung der Feld- und Heimatprosekturen des Heeres. Auch hier
hat der eine von uns (Rö.) seit Beginn des Krieges sein Augenmerk auf geeignete
Fälle gerichtet (1916) und systematische Untersuchungen angestellt, aus denen
einige Ergebnisse schon 1919 mitgeteilt worden sind. ASCHOFF hat in einer
programmatischen Rede über die Aufgaben der Kriegspathologie (1916) die
Aufgabe, eine genügend sichere Unterlage für die Konstitutionslehre zu schaffen,
geradezu als fast wichtigstes Ziel der Kriegspathologie bezeichnet.“
(Hervorhebungen im Text im Original – Anmerkung Franke).41
L. Aschoff gelang es, die pathologische Tätigkeit in die Kriegssanitätsordnung
einzuführen und damit eine weitere organisatorische Institutionalisierung
vorzunehmen. Bis 1916 wurden jeder Armee ein Pathologe sowie ein Assistent
zugeordnet, die von der Heimat aus fachlich unterstützt wurden. „Die
kriegspathologischen Aktivitäten waren also nicht auf eine kleine Anzahl Pathologen
beschränkt, sondern wurden vielmehr von allen Fachvertretern des Reiches
getragen.“42 Insgesamt waren 21 Armeepathologen, die direkt bei der kämpfenden
Truppe anwesend waren, und 30 Fachärzte in der Heimat, davon 15 Professoren
und 6 Privatdozenten, in diesem Rahmen tätig. Die pathologisch-anatomische
Zielsetzung bestand in der Erforschung von Todesursachen, die in Friedenszeiten
selten waren oder nicht auftraten (Tetanus, Gasbrand) oder Seuchen wie Malaria.
Theoretisch wollte L. Aschoff die Situation zur Fundierung der
Konstitutionspathologie nutzen. Auf dieser theoretischen Ebene stand jedoch nicht
der an einer langen Krankheit gestorbene Mensch im Zentrum, sondern der gerade
durch Kriegseinwirkung gefallene Soldat im besten Mannesalter. L. Aschoff hatte das
Ziel, möglichst viele Daten über die „normale physische Konstitution“ des Soldaten
bzw. deren Fähigkeit, sich an die Kriegssituation anzupassen, zu sammeln. Diese
Daten sollten archiviert und nach dem Krieg ausgewertet werden. Als Resultat lagen
41 R. Roessle, F. Roulet: Mass und Zahl. (Pathologie und Klinik Bd. 5). Berlin, Wien 1932. S. 2. 42 C.-R. Prüll (Hrsg.): Die Sektion als letzter Dienst am Vaterland. Die deutsche „Kriegspathologie“ im Ersten Weltkrieg. In: W. U. Eckart, C. Gradmann (Hrsg.): Die Medizin und der Erste Weltkrieg. (Neuere Medizin- und Wissenschaftsgeschichte Bd. 3). Pfaffenweiler 1996. S. 159
21
1918 etwa 16 000 Protokolle von der Front und ungefähr 25 000 Protokolle, die von
Autopsien von Soldaten in Deutschland stammten, vor.43
C.-R. Prüll übt deutliche Kritik an der von L. Aschoff beeinflussten „Kriegspathologie“.
Die experimentelle Pathologie, die physiologische Erkenntnisse erbringen sollte, wie
auch die Zusammenarbeit mit der klinischen Diagnostik wurden zurückgestellt.
C.-R. Prüll urteilt: „Denn nicht zuletzt die theoretische Ausrichtung bedingte einen
Rückgriff der Kriegspathologie auf den morphologischen Gedanken, der zwar immer
wichtig geblieben war, der aber auf der anderen Seite einer Erweiterung zur
dynamisch physiologischen Sehweise harrte. Im Grunde genommen konnte nur
diese Erweiterung in den Augen der Fachvertreter in therapeutische Erfolge
umgesetzt werden. Daher ist die Dominanz der statischen Morphologie und die
Dominanz der weitestgehend ohne unterstützende tierexperimentellen
Untersuchungen und Laboranalysen vorgenommenen Leichenöffnung nicht nur als
Rückgriff, sondern geradezu als Rückschritt zu bezeichnen.“44
2.3DieWeimarerRepublik
Zivilisationskritik, die massiven Zweifel an den Naturwissenschaften und ihren
scheinbar objektiven Methoden, die Neubewertung von subjektiven Eigenschaften
wie Intuition und Erlebnisfähigkeit bedeuteten für die Medizin nach dem Ersten
Weltkrieg eine Herausforderung, sich dem Diskurs um eine erneuerte, „ganzheitliche
Medizin“ stellen zum müssen. C.-R. Prüll vermerkt: „Die innere Disposition des
Menschen, sein Erbgut und die Verunsicherung über den Fortbestand Deutschlands
standen nach dem Aderlass des Ersten Weltkrieges im Zentrum des medizinischen
Interesses.“ 45
H. Lubarsch sah zudem die Freiheit des Ärztestandes durch die Auswirkungen der
Industrialisierung bedroht.46 Nachteilige Umwelteinflüsse wurden als verantwortlich
für die Schädigung des Erbgutes angesehen. Die Pathologie sollte sie nachweisen
und damit Indikatoren erbringen, wie ein Beitrag zur ganzheitlichen Stärkung der
43 Ebenda S. 160-163 44 Ebenda S. 181/182 45 C.-R. Prüll: Medizin am Toten oder am Lebenden? S. 182 46 O. Lubarsch: Um die Freiheit des Ärztestandes. In: Ärztliches Vereinsblatt H. 53 (1924). Spalte 373 f.
22
Konstitution erreicht werden könne. Eine reine Organpathologie, die lokale Elemente
des Körpers untersuchte, wurde nun abgelehnt.47
Aus dieser Gemengelage war der Weg zu einem engeren Anschluss an
rassenhygienische Vorstellungen zur Reinerhaltung des Erbgutes und an
geodeterministische Vorstellungen, in der die Umwelt eine konstituierende Stellung
für die innere Gestaltung des Menschen spielte, nicht all zu weit. Beides wurde von
den Nationalsozialisten mit dem Schlagwort „Blut und Boden“ vertreten. Zudem
traten sie scheinbar gegen die Industrialisierung und ihre Auswirkungen auf,
sprachen vom Niedergang des Abendlandes und stellten das Wohl der
Volksgemeinschaft in das Zentrum ihrer Argumentation.
1926 wurde auf der Jahrestagung der Deutschen Pathologischen Gesellschaft von
einer <<…trostlosen Abnahme des morphologischen Bedürfnisses.>> gesprochen.48
Aus organisatorischer Sicht ist zu erwähnen, dass ab 1921 bis 1934 die
„Wirtschaftliche Vereinigung selbstständiger pathologischer-anatomischer
Prosektoren“ als eine gesellschaftliche Standesvertretung tätig wurde. 1934 erfolgte
jedoch die Auflösung.49
2.4DerÜbergangzumNationalsozialismus
Nahm die Pathomorphologie am Ende des 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts
in der Medizin noch eine überragende Position ein, so verlor sie im Weiteren Stück
für Stück diese Bedeutung, wie O. Lubarsch (1860 – 1933) kurz vor dem Ende seiner
beruflichen Tätigkeit als Nachfolger von J. Orth in seinem ersten Band des
„Handbuch der speziellen pathologischen Anatomie und Histologie“ vermerkte.50
Er selbst ging 1928 in den Ruhestand und wurde von einem Schüler L. Aschoffs
abgelöst. Julius Wätjen (1883-1968) übernahm allerdings nur kurz kommissarisch die
Leitung des Instituts für Pathologie der Charité. Trotzdem erfolgten durch ihn
47 Ebenda 48 Zitiert nach U. Lampert: Die Pathologische Anatomie in der Zeit des Nationalsozialismus unter besonderer Beachtung der Rolle einiger Fachvertreter an deutschen Universitäten. S. 18 49 Bericht über die Wiederherstellung der „Wirtschaftlichen Vereinigung Deutscher Pathologen “ in Kiel am 7.6.1949. Sitzung im Pathologischen Institut Kiel am 7.6.1949, 17 Uhr. Archiv des Bundesverbands Deutscher Pathologen e. V. (ohne Signatur). S. 1 50 F. Henke, O. Lubarsch (Hrsg.): Handbuch der speziellen pathologischen Anatomie und Histologie. Bd. 1. Berlin 1926. S. V
23
signifikante Änderungen. Er beendete die bisherige Autonomie der bakteriologischen
Abteilung und der Abteilung für experimentelle Biologie. Nur die chemische Abteilung
blieb selbstständig. Auch die Stelle des Kustos des Museums wurde nicht mehr
besetzt. So war die Einrichtung geschwächt, als Robert Roessle (1876 -1956) 1929
die Nachfolge antrat. Im Institut für Pathologie der Charité löste er die
Laborwissenschaftliche Abteilung auf und begrenzte das Fachgebiet. R. Roessle
vertrat eine national-konservative Haltung, rassistische Ideen und sympathisierte mit
der NSDAP, wenn er auch kein Mitglied wurde. Er stellte sich dem Ende der Karriere
von acht Ärzten und Wissenschaftlern aufgrund von rassistischen und politischen
Gründen im Institut für Pathologie der Charité nicht entgegen.51 R. Roessle war
Mitherausgeber der „Zeitschrift für menschliche Vererbung und Konstitutionslehre“,
und gehört dem Beirat der 1942 gegründeten „Deutschen Gesellschaft für
Konstitutionsforschung“ an. Am 18.8.1942 wurde er von Adolf Hitler (1889-1945) in
den Wissenschaftlichen Senat des Heeressanitätswesens berufen. Im Bereich der
Luftwaffenforschung arbeitete er an Untersuchungen zu pathologisch-anatomischen
Veränderungen und Auswirkungen bei Druckluftabfall oder Schäden von
Luftstößen.52 1944 wurde er außerdem in den Beirat des Bevollmächtigten für das
Gesundheitswesen Karl Brand (1904-1948) berufen. In der DDR ging seine Karriere
fast ungebrochen an der Humboldt-Universität weiter, und er erhielt den
Nationalpreis der DDR.53
R. Roessle verband die Konstitutionspathologie mit der nationalsozialistischen
Rassenhygiene und der Erblehre. Aber auch sein Ansatz fußte auf der
morphologischen Methode im Sinne R. Virchows.54
51 T. Schnalke: Zurück ins Leben. Eine Geschichte des Instituts für Pathologie der Charité. S. 18 52 Ernst Klee: Das Personenlexikon zum Dritten Reich: Wer war was vor und nach 1945? Darmstadt 2003. S. 503 53 Ebenda S. 503. Auffallend ist die Veränderung der Orthographie des Namens. Gemeinhin ist die Person unter Robert Rössle zu finden, doch E. Klee schreibt ihn als R. Roessle. Eine Verwechslung ist ausgeschlossen. Es wäre zu überprüfen, ob – wie in vielen Fällen – auch Robert Roessle die Schreibweise seines Namens nach 1945 änderte. In der 1932 erschienenen Publikation „Mass und Zahl“ schrieb sich Robert Roessle selbst mit „oe“. Vgl. R. Roessle, F. Roulet: Mass und Zahl. Berlin, Wien 1932. 54 C.-R. Prüll: Medizin am Toten oder am Lebenden? Pathologie in Berlin und in London. S. 432
24
3.PathologieinderDDR
Nach 1945 befand sich die Ärzteschaft in einer ambivalenten Situation. Der erste der
Nürnberger Prozesse beschäftigte sich mit den Verbrechen gegen die Menschlichkeit
seitens dieses Berufsstandes, so dass von einer deutlichen Belastung zu sprechen
ist. Andererseits wurden diese Prozesse in Deutschland entweder wenig, oder als
„Siegerjustiz“ wahrgenommen.55 Zudem benötigte die Gesellschaft nach wie vor
Ärzte, konnte also nicht auf sie verzichten.
In Bezug auf die Pathologie ist festzustellen, dass sich unter den 23 Angeklagten des
ersten der Nürnberger Prozesse kein Pathologe befand.56 Inwieweit von einer
besonderen gesellschaftlichen Belastung durch die Vergangenheit dieses
Berufszweiges nach 1945 gesprochen werden kann, bedarf einer gesonderten
Untersuchung.
Dies war offenbar in Westdeutschland einfacher möglich als in der SBZ. Dort wurde
das Ziel verfolgt, den Arztberuf zu „entbürgerlichen.“ Das wurde zwar nicht immer
erreicht – z. B. stammt Herr Prof. David aus einer Arztfamilie, aber er erhielt aufgrund
seiner besonderen Leistungen eine entsprechende schulische Ausbildung und blieb
auch aufgrund dieser Tatsache dem System der DDR treu –, aber es wurden in
erster Linie Söhne und Töchter aus Arbeiterfamilien bevorzugt. So führte z. B. Herr
Dr. Vetter im Interview aus, dass er aufgrund seiner Herkunft – der Vater war
Bergmann, die Mutter Hausfrau – sicher nicht den Beruf des Arztes eingeschlagen
hätte, dass er dazu aber in der DDR die Möglichkeit erhielt.57
Das zeigt, dass die Entwicklung hin zu zwei deutschen Staaten aus historischer Sicht
die Chance bietet, die Entwicklung des Berufsstands der Pathologen unter zwei
unterschiedlichen politischen und gesellschaftlichen Systemen zu untersuchen und
55 H. Krösche: Das Interesse der deutschen Nachkriegsöffentlichkeit am Nürnberger Prozess gegen die Hauptkriegsverbrecher 1945/46. In: J. Osterloh, C. Vollnhals: NS-Prozesse und deutsche Öffentlichkeit. (Schriften des Hannah-Ahrendt-Instituts für Totalitarismusforschung. Bd. 45). Göttingen 2011. S. 96-98. 56 vgl. Ernst Klee: Das Personenlexikon zum Dritten Reich: Wer war was vor und nach 1945? 57 Interview Prof. Dr. David und Dr. Vetter
25
sie zu vergleichen. Dabei gingen beide in Bezug auf das Personal, die
wissenschaftlichen Konzepte und auch der finanziellen Ausstattung von dem
gleichen Zustand aus. Es ergeben sich also die Möglichkeiten eines Vergleichs - dem
geisteswissenschaftlichen Äquivalent des naturwissenschaftlichen Experiments.
3.1DieDeutscheGesellschaftfürPathologie
Die Deutsche Pathologische Gesellschaft als gesamtdeutsche Vertretung der
Pathologen musste zwangsläufig bei der Bildung der Bundesrepublik Deutschland
und der DDR mit Fragen nach ihrer Repräsentanz rechnen. Sie konnte zunächst ihre
Tätigkeit unter dem neuen Namen „Deutsche Gesellschaft für Pathologie“ 1948 in
Form ihrer 32. Tagung unter dem Vorsitz von Prof. Arnold Lauche (1890-1959) im
Pathologischen Institut in Dortmund wieder aufnehmen. Mit der Wahl ihres
Tagungsortes, der weitgehend zerstört war, sollte auch symbolisch verdeutlicht
werden, dass die Grundmauern der Disziplin neu aufgebaut werden mussten.58
Gleiches trifft übrigens auf das Pathologische Institut in Chemnitz zu. 1945 wurde es
durch einen Bombenangriff der Alliierten zerstört.59 So waren in beiden Teilen
Deutschlands viele Institute erst wieder baulich in einen Zustand zu versetzen, der
eine normale Arbeit ermöglichte.
Die Deutsche Pathologische Gesellschaft schloss sofort wieder an ihre internationale
Ausrichtung an. Das war zunächst zwar auf die deutschsprachigen Länder begrenzt,
doch schlossen sich sofort österreichische und schweizer Kollegen an.60
Die 1921 gegründete und 1934 aufgelöste „Wirtschaftliche Vereinigung
selbstständiger pathologischer-anatomischer Prosektoren“ wurde am 7.6.1949 am
Pathologischen Institut in Kiel neu gegründet.61 Auf diese Weise konnte die bewährte
Arbeitsteilung zwischen der eher wissenschaftlich ausgerichteten Gesellschaft und
der mehr auf standespolitische Fragen orientierten Wirtschaftlichen Vereinigung
58 G. Dhom: 100 Jahre Deutsche Gesellschaft für Pathologie. S. 14. Zu A. Lauche vgl. Ernst Klee: Das Personenlexikon zum Dritten Reich: wer war was vor und nach 1945? S. 358 59 W. Künzel: Das Pathologisch-Hygienische Institut Chemnitz und seine Leiter von 1898 bis 1998. S. 201 60 G. Dhom: 100 Jahre Deutsche Gesellschaft für Pathologie. S. 14. 61 Bericht über die Wiederherstellung der „Wirtschaftlichen Vereinigung Deutscher Pathologen “ in Kiel am 7.6.1949. Sitzung im Pathologischen Institut Kiel am 7.6.1949, 17 Uhr. Archiv des Bundesverbands Deutscher Pathologen e. V. (ohne Signatur). S. 1
26
weitergeführt werden. Eine Differenz, die in der DDR nicht vorhanden war. Dort
übernahm die Gesellschaft für Pathologie der DDR nach ihrer Gründung beide
Funktionen.62
Während die strukturellen und personellen Kontinuität in der ab 1949 bestehenden
Bundesrepublik relativ hoch waren, leitete die DDR den Versuch eines
organisatorischen Neuaufbaus ein. Dieser sollte in der Pathologie „von unten“
erfolgen.
Marschall Wassili Danilowitsch Sokolowski (1897-1969), Oberster Chef der
Sowjetischen Militäradministration in Deutschland und Oberkommandierender der
Gruppe der Sowjetischen Streitkräfte in Deutschland, ordnete am 21. Mai 1947 im
Befehl Nr. 124 die Organisation deutscher wissenschaftlicher medizinischer
Gesellschaften an. Der Befehl enthielt ein Rahmenstatut mit der Zielsetzung, den
inneren demokratischen Aufbau der Gesellschaften zu sichern und die Rechte und
Pflichten der Vorstände und Bedingungen zur Mitgliedschaft zu klären.63 Bei der
Bildung von Gesellschaften orientierte man sich an Fachrichtungen (z. B. Chirurgie,
Gynäkologie, Innere Medizin). Sie sollten durch die entsprechenden
Verwaltungsabteilungen für das Gesundheitswesen unterstützt und kontrolliert
werden.64 Bis 1949 erfolgte die Bildung von 46 regionalen Gesellschaften, darunter
auch die der Gesellschaft für Pathologie der Universität Berlin. Filialgesellschaften
entstanden dort, wo es mehr als 25 Fachärzte in einem Fachgebiet gab. 65 1949
bestanden in der SBZ 46 Gesellschaften der folgender Fachgebiete: 6 G. f. Chirurgie,
6 G. f. Gynäkologie und Geburtshilfe, 5 G. f. Ophthalmologie, 5 G. f. Oto-Rhino-
Laryngologie, 4 G. f. Psychiatrie und Neurologie, 3 G. f. Innere Medizin, 3 G. f.
Dermatologie, 3 G. f. Zahnheilkunde, 2 G. f. Pharmazie, 2 G. f. Theoretische Medizin
und Grenzgebiete, 2 G. f. Innere Medizin und Pädiatrie, 1 G. f. Pädiatrie, 1 G. f.
Pathologie, 1 G. f. Innere Medizin, Neurologie, Pädiatrie, 1 G. f. Hygiene, 1 G. f.
62 Interview Prof. Dr. David 63 M. Loppar: Zur Geschichte der Gesellschaft für Pathologie der DDR. (Dissertation). Cottbus 1988. S. 15 64 M. H. Bouslouk: Die Medizinisch-wissenschaftliche Gesellschaft für Zahnheilkunde an der Friedrich-Schiller-Universität Jena (1951 – 1994). Dissertation zur Erlangung des akademischen Grades doctor medicinae dentariae (Dr. med. dent.). vorgelegt dem Rat der Medizinischen Fakultät der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Berlin 2006. S. 12. 65 M. Loppar: Zur Geschichte der Gesellschaft für Pathologie der DDR. (Dissertation). S. 16
27
Medizin und Biologie.66 Diese Einschätzung von M. H. Bouslouk ist zu ergänzen: Im
Raum Halle-Leipzig-Jena begann bereits vorher Prof. Walther Fischer (1882-1969)
die Vertreter der Disziplin zu organisieren und gründete die „Jenaer medizinische
Gesellschaft für theoretische Medizin“. Ab 1952 veröffentlichten ihre Mitglieder
Beiträge im „Zentralblatt für Pathologie“.67 Deutlich wird, dass die Pathologie sich in
der DDR zunächst quantitativ weniger ausgeprägt als die meisten anderen
Disziplinen entwickelte.
1950 erfolgte die Gründung des „Ministeriums für Gesundheitswesen“ der DDR. M.
Loppar vermerkt: „Das Ministerium konzentrierte in seinen Gründungsjahren seine
Anstrengungen besonders auf die Anleitung, Durchführung und Kontrolle von
Kongressen der verschiedensten medizinischen Fachgebiete der DDR.“ 68
Der Aufbau der Gesellschaft in der DDR wurde in den 1950er Jahren durch den
Volksaufstand vom 17. Juni 1953 und durch die Ungarn-Krise 1956 belastet.
Trotzdem darf nicht übersehen werden, dass vielen Menschen der Sozialismus als
Alternative nach der offenbar wirtschaftlich und politisch gescheiterten Weimarer
Republik und den Erfahrungen des Nationalsozialismus realistisch und legitim
erschien. Außerdem kam es auch zu einer gewissen wirtschaftlichen Stabilität,
flankiert von sozialen Maßnahmen wie Lohnerhöhungen und sozialem
Wohnungsbau. Und es bestand nach wie vor Reisefreiheit.69
Ärzte hatten jedoch vier Hürden zu bewältigen: Erstens galten sie als eine
bürgerliche Berufsgruppe und zweitens wurde der Unterschied im Lohnniveau zu
dem der Westsektoren immer größer, da sie in der DDR lediglich den Verdienst eines
Facharbeiters erhielten.70 Ob die Lohndifferenz allerdings auch den Pathologen stark
zusetzte, bedarf einer gesonderten Untersuchung. Prof. Meister gab in seinem
66 M. H. Bouslouk: Die Medizinisch-wissenschaftliche Gesellschaft für Zahnheilkunde an der Friedrich-Schiller-Universität Jena (1951 – 1994). Dissertation zur Erlangung des akademischen Grades doctor medicinae dentariae (Dr. med. dent.). Vorgelegt dem Rat der Medizinischen Fakultät der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Berlin 2006. S. 12 67 M. Loppar: Zur Geschichte der Gesellschaft für Pathologie der DDR. (Dissertation). Cottbus 1988. S. 16. Vgl. zu Walther Fischer http://cpr.uni-rostock.de/metadata/cpr_professor_000000001175 68 Ebenda 69 Vgl. Nils M. Franke: Verstrickungen: Der FDGB-Leipzig im Spannungsfeld von SED und Staatssicherheit. 1946 – 1989. Leipzig 1999. S. 27/28 70 Interview Prof. Dr. David/G. Bailey: Hintergründe und Fakten. In: H. Timmermann: 1961 – Mauerbau und Außenpolitik. (Dokumente und Schriften der Europäischen Akademie Otzenhausen. Bd. 102). Münster 2002. S. 133-142 S. 136
28
Interview an, dass er, als er 1963 wieder in Deutschland als Medizinalassistent
arbeitete, etwa 800 DM verdiente. Eine Summe, die auch unter den damaligen
Verhältnissen als gering anzusehen war.71
Der dritte Punkt war jedoch die bis Ende der 1950er Jahre nicht zufrieden stellende
gesellschaftliche Vertretung. Wie dargestellt bestand z. B. für die Pathologen immer
noch keine eigene Gesellschaft auf Landesebene.
Und viertens wurde durch eine Meldeverordnung für Ärzte am 1.10. 1949 die
Zugehörigkeit zur NSDAP und ihren Gliederungen von staatlicher Seite kontrolliert.72
Diese vier Punkte haben sicher dazu beigetragen, dass es sukzessive zu einer
Abwanderung von Ärzten in die Westsektoren kam. G. Bailey gibt an, dass allein
1960 698 Ärzte der DDR den Rücken kehrten. Von 1955 bis 1960 waren es etwa
3100, d.h. etwa 20% der Mediziner, die 1949 im sowjetischen Sektor ansässig
waren. Kein Wunder, dass Prof. H. David diese Entwicklung als bedrohlich für das
DDR-Gesundheitswesen schildert.73
Ende der 1950er Jahre reagierte die Staatsführung: „Die politische Situation im
Gesundheitswesen war für die Ärztekommission beim Politbüro des ZK der SED
Anlaß, 1958 und 1959 Empfehlungen zur Gründung von DDR-Fachverbänden zu
geben.“74 Und die SED unterstrich auf ihrem V. Parteitag 1958 die „wachsende Rolle
von Wissenschaft und Technik für die Forschungsarbeit und für den Aufbau eines
sozialistischen Gesundheitswesen“.75
3.2PathologiederSDAGWismut
Zu diesem Zeitpunkt gab aber auch Sonderentwicklungen wie die Pathologie der
SDAG Wismut. In der Wismut arbeiteten etwa 100 000 Menschen. Insgesamt wurden
pro Jahr etwa 1000 Obduktionen durchgeführt.
71 Interview Prof. Dr. Meister 72 Bekanntmachung der neuen Fassung der Meldeverordnung für Ärzte. In: Gesetzblatt der Deutschen Demokratischen Republik. Jg. 1949. Berlin 1949. S. 40-42. §4 73 Interview Prof. Dr. David/G. Bailey: Hintergründe und Fakten. In: H. Timmermann (Hrsg.): 1961 – Mauerbau und Außenpolitik. (Dokumente und Schriften der Europäischen Akademie Otzenhausen. Bd. 102). Münster 2002. S. 136 74 M. Loppar: Zur Geschichte der Gesellschaft für Pathologie der DDR. S. 20 75 Ebenda
29
Anlass für die Einrichtung der Pathologie der SDAG Wismut im Jahr 1957 war der
Eindruck, dass die medizinische Betreuung der Arbeiter gesichert und verbessert
werden musste und daher eine zentrale Einrichtung notwendig sei. Die Pathologie
wurde hier zentralisiert und war dann Anlaufstelle für alle anderen Bereiche des
Gesundheitswesens der Wismut. Auch die Außensektionen wurden von dort aus
organisiert. Außenbereiche waren z. B. Hellabrunn, Gera, Schlema (Frauenklinik),
Schwarzenberg, Schneeberg, dazu einige Sanatorien und ambulante Einrichtungen
wie die Wismut-Polykliniken.
Ziel war es, Berufskrankheiten wie die Ellbogenkrankheit oder die Anfälligkeit für
Lungenkrebs zu vermindern, zum Beispiel durch die Einrichtung einer besseren
Belüftung. Es wurden aber auch Nebenleistungen erbracht, wie die Mitarbeit in einer
Kommission zur Senkung der Säuglingssterblichkeit.
Die Organisation war straff und effektiv. Zu ihr gehörten optische, histologische,
später auch zytologische, mikrobiologische Einheiten und eine Tierpathologie, eine
Fotoabteilung, eine Bibliothek und das Sekretariat.
Das Institut wuchs in der Zeit der DDR. 1959 hatte es etwa 20 bis 30 Mitarbeiter,
1989 etwa 65.
Neben dem Pathologischen Institut der Wismut bestand noch ein
Arbeitshygienisches Zentrum. Das Institut arbeitete mit dem Zentrum zusammen und
hielt jedes Vierteljahr eine Arbeitsbesprechung ab. Hier wurde versucht, die
Erkenntnisse, die in der Pathologie erworben wurden, in konkrete Maßnahmen zur
Verbesserung der Arbeitsbedingungen umzusetzen.
Zu den russischen Besatzungstruppen hatte das Institut wenig Kontakt, die
Leitungsstrukturen der Wismut dagegen viel. Es gab allerdings Verschlusssachen,
besonders über die Art und die Quantität der Karzinome der Lunge, die im
Zusammenhang mit der Strahlenbelastung auftraten, und die Generaldirektion
verfügte über ein besonderes strahlentechnisches Labor.
3.3DieArbeitsgemeinschaftMorphologie
1960 wurde unter dem Vorsitz von Prof. L. H. Kettler (1910-1976) in Berlin eine
Arbeitsgemeinschaft Morphologie gegründet. Hier waren vor allem Vertreter der
Anatomie, der Pathologie und der Gerichtsmedizin versammelt.
30
Im gleichen Jahr erfolgte die Bildung der Gesellschaft für experimentelle Medizin,
einer Dachgesellschaft, der sich die AG Morphologie anschloss. Die
Dachgesellschaft berief einen Beirat für das Fach Morphologie, der sich seinerseits
aus Vertretern der Disziplinen von Anatomie, Zell- und Gewebezüchtung,
Topochemie, Elektronenmikroskopie, Pathologie und Neuropathologie
zusammensetzte. Liest man die Namen der dort anwesenden Pathologen, so fehlt
kaum eine der für die DDR einflussreichen Personen: Es waren die Herren Kettler,
Holle, Matthias, Möbius, Simon, Geiler, Bahrmann, Bauke, Bienengräber, David,
Ditscherlein, Dominok, Ebert, Güthert Haupt, Hecht, Hegewald, Jänisch, Lunzenauer,
Martin, Münch, Rahn, Roschlau, Röse, Sajkiewicz, Tennstedt, Thierbach, Waldmann,
Wohlgemuth, Zimmer und Zschoch. 76
Die AG Morphologie existierte bis 1966, dann teilte sie sich 1966/67 in
Fachgesellschaften für Anatomie, Pathologie, Gerichtsmedizin, Zell- und
Gewebezüchtung, Topochemie und Elektronenmikroskopie auf. In einer am
15.4.1967 stattfindenden außerordentlichen Mitgliederversammlung wurde die
Gründung einer eigenen Gesellschaft für Morphologie beschlossen. Damit endete die
enge Bindung an die Deutsche Gesellschaft für Pathologie der Bundesrepublik
Deutschland, und die eigenständige Entwicklung der Pathologie in der DDR
begann.77
Bereits 1960 konnten nicht mehr alle Kollegen aus der DDR an der Jahrestagung der
Deutschen Gesellschaft für Pathologie teilnehmen und ab 1961 niemand mehr. Der
Kontakt über die innerdeutsche Grenze war – so G. Dhom - danach kaum mehr
vorhanden.78
Von Seiten Herrn Prof. Davids wird dieses Urteil weniger scharf gefällt. Er als
„Reisekader“ führte aus: „Die Bundesrepublik Deutschland besaß einen
Sonderstatus. Es bestand ein Vertrag zwischen den beiden zuständigen deutsch-
deutschen Ministerien, indem die Bundesrepublik Deutschland jedes Jahr die
Finanzen für den Besuch von 50 Wissenschaftlern im Sinne von Reisekosten
übernahm. Dabei war die Pathologie allerdings schon aufgrund ihrer geringen Anzahl
76 M. Loppar: Zur Geschichte der Gesellschaft für Pathologie der DDR. S. 23 77 Ebenda. S.17-19/23 78 G. Dhom: 100 Jahre Deutsche Gesellschaft für Pathologie. (Pathologe Jg. 18/1997 Supplement). S. 15
31
im Vergleich zu anderen medizinischen Disziplinen kaum beteiligt. Meist zwei bis drei
Vertreter durften ins Ausland reisen, darunter auch oft der Vorsitzende.“79
Frau Prof. Sorger stellte diesen Vorgang folgendermaßen dar: Wollte man zu
Kongressen in das westlich Ausland reisen, mussten Vorschläge eingereicht werden.
Dann kam eine Liste mit Namen zurück, wobei nun oft Funktionäre die
Reiseerlaubnis bekamen, die lediglich eine „offizielle“ Bedeutung hatten, weniger
eine fachliche. Damit wurde nach Meinung von Frau Prof. Sorger auch ihre fachliche
Entwicklung beschränkt und insbesondere ihr wissenschaftliches Vorankommen
beeinträchtigt.80
Für Frau Prof. Sorger waren der fehlende Kontakt und der damit verbundene
wissenschaftliche Brain-drain einer der Gründe für ihren Ausreiseversuch aus der
DDR.81
Die Gesellschaft der Pathologie der DDR veranstalte ebenfalls internationale
Tagungen. Sie lud Experten ein, die aber möglichst nicht aus der Bundesrepublik
Deutschland kommen sollten. Trotzdem bemühte man sich auch von dort die
bedeutendsten Fachvertreter zu Tagungen oder den Schweriner Symposien
einzuladen.
Der Proporz zwischen sozialistischen und nicht-sozialistischen Teilnehmern musste
gewahrt bleiben.
Die Finanzen wurden ausschließlich vom Generalsekretariat für medizinisch-
wissenschaftliche Gesellschaften - d. h. vom zuständigen Ministerium - bereitgestellt.
Die Konzeption, der Finanzplan und der Inhalt wie auch die Einladungsliste mussten
abgestimmt werden.82
Am 7.5.1969 beschloss der Ministerrat der DDR die Grundsätze für die Tätigkeit der
wissenschaftlichen Gesellschaften der DDR und ordnete die medizinischen Gremien
dem Ministerium für Gesundheit zu. Der am 21.8.1969 geschaffene
Koordinierungsrat der medizinisch-wissenschaftlichen Gesellschaften bestand bis
79 Interview Prof. Dr. David 80 Interview Prof. Dr. Sorger 81 Ebenda 82 Interview Prof. Dr. David
32
1989, beriet den Minister für Gesundheit der DDR und organisierte und kontrollierte
die Tätigkeit der Gremien. Ihm nachgeordnet waren der Vizepräsident, die
Gesamtheit der Sekretäre der medizinisch wissenschaftlichen Gesellschaften und ein
Vertreter der Akademie für ärztliche Fortbildung. Die eigentliche Operationszentrale
war das Generalsekretariat der medizinisch-wissenschaftlichen Gesellschaften. Es
half dem Koordinierungsrat bei der Umsetzung der Beschlüsse. 83 M. Loppar
bemerkt: „Es hat das Kontrollrecht über alle Gesellschaften und leitet die Erarbeitung
der wissenschaftlich politischen Aufgabenstellungen, insbesondere für Tagungen im
In- und Ausland, die Gestaltung der Beziehungen zum sozialistischen Ausland, die
Unterstützung der Publikationsorgane und die Entlastung der Wissenschaftler von
organisatorischen Aufgaben bei der Vorbereitung von Tagungen.“84 Dazu wurden vor
allem die Sommerfelder Kolloquien durchgeführt. Ziel der medizinisch
wissenschaftlichen Gesellschaften war auch die Bildung der „sozialistischen
Persönlichkeit“, die Erweiterung der Fachkenntnisse, die Aus- und Fortbildung von
moralischen und ethischen Kenntnissen und die Information über die Wissenschafts-
und Gesundheitspolitik der DDR und deren Verwirklichung. Generalsekretäre waren
die Professoren und ZK-Mitglieder Manfred Banaschak (1960-1978), K. Hecht (1978-
1986) und Scheuner (1986-…).85
Die Gesellschaft für Pathologie der DDR unterlag der Zuständigkeit des
Gesundheitsministeriums, die Universitätsinstitute aber dem Ministerium für Hoch-
und Fachschulwesen. Hinzugezogen werden musste in manchen Fragen auch das
Ministerium für Wissenschaft und Technik. Ein weiterer Akteur der DDR-Pathologie
war die Akademie der Wissenschaften.86
Die Organisation des wissenschaftlichen Fortschrittes entwickelte sich in der DDR
sukzessive. In einer ersten Phase konnten die Wissenschaftler Konzepte einreichen.
Sie bekamen u. U. einen entsprechenden Auftrag, der haushaltsfinanziert war. Es
konnten keine Stellen beantragt werden, sondern nur finanzielle Mittel.
Dann wurde die Forschung in einer zweiten Phase strukturiert und nach und nach
Forschungsverbünde bzw. -projekte gebildet. Jede Einrichtung entwickelte ihr Profil 83 M. Loppar: Zur Geschichte der Gesellschaft für Pathologie der DDR. (Dissertation). S.17-19 84 Ebenda. S. 19 85 Ebenda 86 Interview Prof. Dr. David
33
wie z. B. Leipzig im Bereich der Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Der Vorteil war, dass
sie durch die Spezialisierung mehr Mitarbeiter oder technische Einrichtungen erhielt.
Das Geld insgesamt war allerdings knapp.
Eine profilbestimmende Institution der Charité war Ende der 1980er Jahre die
Pathologie.
Referenzzentren wie in der BRD wurden auch in der DDR nachgeahmt. Herrn Prof.
David erschien das aufgrund der Größe der DDR und der Anzahl der Pathologen
(280 bis 300) nicht sehr sinnvoll.87
3.4DieBedeutungderSEDfürdiePathologiederDDR
Rund 60% der Professoren der Charité waren in der SED. Da Mehrfachpositionen
besetzt wurden, konnten die Parteimitglieder über verschiedene Gremien hinweg
parteilich und außerparteilich Aktionen koordinieren.
Im Falle gleicher Kompetenz war es bei der Besetzung von Stellen eher
wahrscheinlich, dass das Parteimitglied vorgezogen wurde, aber nicht unbedingt
zwingend. Das hing auch vom Institut ab. Die Habilitation als eine wissenschaftliche
Leistung wurde aus politischen Gründen nie verboten, aber die Stellung eines
Professors konnte ohne politische Billigung nicht errungen werden. Das war eine
staatliche Funktion.88
3.5WiderstandinderPathologiederDDRPathologen, die sich widersetzten, verloren ihre Zukunftsaussichten oder wurden
versetzt.89
87 Interview Prof. Dr. David 88 Ebenda 89 Ebenda
34
4.GrundlinienderorganisatorischenundwissenschaftlichenEntwicklungderPathologieinderBRD(undderDDR)
Die wissenschaftlichen Grundlinien der Pathologie nach dem Zweiten Weltkrieg
auszuarbeiten, kann nur eine vertiefte Arbeit leisten. Das würde diese Pilotstudie
sprengen.
Allerdings gelang es durch die unabhängige Befragung der zehn ExpertInnen, die an
dieser Studie teilnahmen, ein überraschend geschlossenes Bild zu dieser Thematik
zu erarbeiten. Da sich unter den Interviewten auch Pathologen und eine Pathologin
mit international anerkanntem Rang befanden, haben die folgenden Ausführungen
einen nachvollziehbaren Wert, der eine Entwicklung beschreibt.
Grundsätzlich ist die wissenschaftliche Entwicklung der Pathologie in beiden
deutschen Staaten inhaltlich weitgehend gleich verlaufen.
Der Wissenstransfer wurde zwar durch die politischen Verhältnisse erschwert, aber
er fand statt. Es sind folgende Hauptdifferenzen auszumachen:
- Von fast allen befragten Interviewten wurde festgestellt, dass die Pathologie der
DDR dem Niveau der BRD folgte, wenn auch in den meisten Bereichen einige Jahre
versetzt. Die Dauer der Differenz wurde mit fünf bis zu 20 Jahren unterschiedlich
angegeben. Die Schätzungen sind natürlich subjektiv, ändern aber nichts am Trend
des Gesamtbefundes. Dass der Prozess zweiseitig verlief, also auch in der DDR
erfolgreich Forschung betrieben wurde, von deren Kenntnissen wiederum die
Pathologie der BRD profitierte, ist selbstverständlich.
Gründe für die genannte Verspätung waren insbesondere die komplizierte
Beschaffung der technischen Voraussetzungen für die Forschung (z. B. Apparate,
Chemikalien) und der schwierigere persönliche fachliche Austausch durch die
Reisebeschränkungen. Fachliche Literatur war zwar verfügbar, aber bekanntlich nur
schwierig zu vervielfältigen.90
90 Interview Prof. Dr. David/Prof. Dr. Sorger
35
- Die Zahl der Obduktionen blieb in der DDR aus den oben geschilderten Gründen
deutlich höher und ermöglichte eine sehr gute, wenn nicht bessere praktische
Ausbildung als in Westdeutschland. (Sorger etc.)
- Die Pathologie der DDR profitierte in geringerem Maße vom internationalen
Austausch. Sie besaß in den sozialistischen Ländern eine unangefochtene
Führungsfunktion, so dass diese eher ihre Entwicklung verfolgten und von ihr lernten.
- Die Pathologie der BRD besaß auf der wissenschaftlichen Ebene ebenfalls einen
starken Ruf, konnte aber auch an die moderne Entwicklung der Pathologie aus dem
anglo-amerikanischen Raum anschließen und von ihr profitieren.
Diese Differenzen sind als die Hauptunterschiede der wissenschaftlichen
Entwicklung der Pathologie der DDR und der BRD zu benennen.
Aus organisatorischer Sicht waren die Deutsche Gesellschaft für Pathologie e. V. und
die Wirtschaftliche Vereinigung Deutscher Pathologen e. V., der spätere
Bundesverband Deutscher Pathologen e. V., die wichtigsten gesellschaftlichen
Akteure der Pathologie in der BRD. Zunächst hatten sie auf politischer Ebene das
Bundesministerium des Inneren - und hier die Abteilung IV - als Ansprechpartner, bis
am 29. Januar 1962 das Bundesministerium für Gesundheitswesen (BMGes) als
selbständiges Ministerium eingerichtet wurde. Dies war eine Reaktion auf das
zunehmende Bedürfnis der Bevölkerung nach sozialpolitischen Maßnahmen. Am 11.
November 1969 erfolgte eine Neuordnung und Überführung in das
Bundesministerium für Jugend, Familie und Gesundheit. Es widmete sich u. a. der
Verbesserung des Krankenhauswesens (z. B. Krankenhauspflegegesetz), der
Ordnung des ärztlichen Berufsrechts (z. B. Bestallungsordnung für Ärzte), der
Hygiene und Seuchenbekämpfung, der Arzneimittelgesetzgebung usw.91 Weitere
Ansprechpartner waren das 1994 aufgelöste Bundesgesundheitsamt und die
91 Quelle: Bundesarchiv: http://startext.net-build.de:8080/barch/MidosaSEARCH/Bestaendeuebersicht/index.htm?search=Bundesministerium%20f%C3%BCr%20Gesundheitswesen&KontextFb=KontextFb&searchType=all&searchVolumes=all&highlight=true&vid=Bestaendeuebersicht&kid=B2E1FA9396AB418381D5FE06DF5ABB9D&uid=2F255F7C20F7492DBD37AC02737375A6&searchPos=6. Download 30.6.2012
36
Krankenkassen.92 Ein professionelles Lobbying seitens der Pathologen fand jedoch
erst in den 1990er Jahren statt.93
4.1Methoden
Die Pathologie ist wie andere Bereiche der Medizin in der Forschung stark abhängig
von neuen Methoden. Frau Prof. Sorger bemerkte: „Ich denke, Fortschritte in der
Medizin sind im hohen Maße abhängig von Fortschritten in der Methodik.“94
Herr Prof. Bässler führte aus: „Man sieht, wie im Verlauf von drei bis vier Jahrzehnten
eine Fülle von Methoden aus den Naturwissenschaften übergegriffen haben und
selektiv bei vielen Fragestellungen Anbindung finden konnten. Und sie dadurch die
Pathologie sehr bereichert haben.“95
Diese stete Verbindung mit den Naturwissenschaften und gleichzeitig mit den
klinischen Fragestellungen führte zur Modernisierung der Pathologie. Zwar blieben
Pathomorphologie und Pathohistologie bis heute die grundlegende Basis. Besonders
in der Sektionsarbeit wurden nach wie vor den jungen Assistenten in der Pathologie
die grundlegenden Kenntnisse des Faches vermittelt. Die Obduktion wurde
fachmännisch durchgeführt und die Ergebnisse wurden mit den zuständigen
Vorgesetzten und Klinikern diskutiert.
Bereits in den 1950er Jahren wurden aber auch neue Methoden eingeführt.
Aus der Rezeption der P.A.S. – Reaktion entwickelten sich eine Reihe anderer
Färbeverfahren, die bisher nicht bekannt waren. Das war der Beginn der
Bindegewebshistochemie, aus der dann weitere Erkenntnisse gewonnen wurden.
Nach und nach wuchsen die histochechemisch Methode und die histochemische
Beurteilung in das Fach der Pathologie hinein. Mitte der 1950er Jahre wurde zudem
in einigen Instituten die Elektronenmikroskopie eingeführt, so dass in den folgenden
Jahrzehnten dieser viel detailliertere Blick auf die Zellstrukturen eine neue Ära der
Zellpathologie einleitete.
92 Auf diese beiden Institutionen wird hier nicht weiter eingegangen, da dies den Rahmen der Arbeit sprengen würde. 93 Interview Prof. Dr. Grundmann 94 Interview Prof. Dr. Sorger 95 Interview Prof. Dr. Bässler
37
In den 1960er Jahren entwickelten sich daneben die Enzymhistochemie und die
Autoradiographie. Hinzu kamen die Zytophotometrie und die Histomorphometrie,
deren Untersuchungsergebnisse in die Experimentelle Pathologie gut einfügbar
waren. 96
Die Einführung der Zytologie aus den USA traf zunächst auf Widerstand, da sie von
den deutschen Pathologen als zu einfache Methode abgetan und die
Gewebediagnostik vorgezogen wurde.97
In den 1970er Jahren wurde die Pathologie immer mehr durch die
Immunhistochemie, die bis heute sehr bedeutsam ist, beeinflusst. Die
Molekularbiologie und ihre Techniken traten in den 1990er Jahren hinzu.98
Hier wird deutlich, wie stark der naturwissenschaftliche Fortschritt die Pathologie
veränderte. Eines ihrer zentralen Anliegen, nämlich ein verbessertes Verständnis
vom Wesen der Krankheiten, hat sie sich mühsam, aber stetig erarbeitet. Prof. Dr.
Bässler bemerkte: Die Phänomene seien natürlich gleich geblieben. Eine Angina sei
eine Angina. Nur habe man die Begriffe präzisiert und die Frühstadien des
Erkrankens würden besser erkannt. Und man wisse mehr über die Hintergründe. Des
Weiteren habe sich die Beurteilung des Krankheitsspektrums erweitert.99
4.2VeränderungbeiderZahlderObduktionen
Die beschriebene Veränderung der Methoden der Pathologie wurde flankiert durch
einen quantitativen Wandel des Verhältnisses von Histologie von Operations- und
Zellpräparaten zur Sektionsdichte. Letztere wurde deutlich reduziert und im
Gegenprinzip nahm die sehr differenzierte Patholo-Histologie deutlich mehr Raum
ein.100
Dabei wurde in dieser Arbeit mehrmals auf die deutlich höhere Sektionsdichte in der
DDR verwiesen, die sich in der Folge der Wiedervereinigung 1990 allerdings auf dem
Westniveau einpendelte.
96 Interview Prof. Dr. Grundmann, Prof. Dr. Bässler, Prof. Dr. David 97 Interview Prof. Dr. Grundmann 98 Interview Prof. Dr. Grundmann, Prof. Dr. Bässler, Prof. Dr. David 99 Interview Prof. Dr. Bässler 100 Interviews mit Prof. Dr. David, Prof. Dr. Bässler, Prof. Dr. Grundmann
38
4.3Internationalisierung
Die Internationalsierung der Pathologie in Westdeutschland führte zu ihrer Integration
in die anglo-amerikanische Forschung. Davon profitierte zeitversetzt auch die DDR.
Während und nach der Zeit des Nationalsozialismus bis in die 1950er Jahre war die
deutsche Pathologie vornehmlich auf sich konzentriert. Doch in dem US-
amerikanischen Sektor spielten Einrichtungen wie das Armed-Forces Institut eine
zunehmende Rolle. Hinzu kam die Zugänglichkeit zu US-amerikanischer
Fachliteratur.
Prof. Bässler bemerkte: „Wir nahmen an diesen vielfältigen Dingen teil, die uns diese
amerikanische Pathologie mit den zahlreichen Instituten und den oft ganz
ausgezeichneten Pathologen geboten haben und den Zugang zu den sehr schönen
Büchern, die dort erschienen waren. Man las zunehmend englisch, und das
bereicherte uns natürlich. Man öffnete sich diesen Dingen in einer anderen Weise,
wie wir das bislang gewohnt waren.“101
Ein Schlüssel für den zunehmenden Austausch zu der angloamerikanischen
Pathologie war die Gründung und das Wirken der Deutschen Abteilung der
Internationalen Akademie für Pathologie mit ihrer Geschäftsstelle in Bonn, die den
Pathologen bis heute praxisorientierte und wissenschaftlich fundierte Fort- und
Weiterbildung anbietet.102 Sie wurde 1964 von Prof. Dr. Herwig Hamperl (1899-
1976), Ordinarius für Pathologie in Bonn, sowie weiteren 19 deutschen Pathologen
begründet.103
Der angloamerikanische Einfluss erfolgte aber nicht abrupt, sondern nach und nach.
Wichtigster Faktor waren die internationalen Tagungen, wobei hier die aus
Deutschland emigrierten Pathologen jüdischen Glaubens aus den USA – nach
Auffassung von Herrn Prof. Grundmann – durch ihre besonders gute Lehre
auffielen.104 Diese Einschätzung könnte darauf zurückzuführen sein, dass diese
101 Interview Prof. Dr. Bässler 102 Interview Prof. Dr. Bässler, Prof. Dr. Grundmann, Prof. Dr. Meister 103 http://www.iap-bonn.de/open/language_id/1/action/standard%3Bdetail/menu/4/M/GXydEw. Download 30.8.2012. 104 Interview Prof. Dr. Bässler
39
Personen natürlich über die entsprechenden Sprachkenntnisse verfügten und
deshalb von der US-amerikanischen Seite entsandt wurden.
Auf europäischer Ebene wurde ab 1953/1954 deutschen Pathologen wieder der
Zugang zur Europäischen Gesellschaft für Pathologie für deutsche Pathologen
möglich.
Inoffiziell war es genauso wichtig, dass viele ausländische Pathologen nach
Deutschland kamen. So war in Japan die deutsche Pathologie durch L. Aschoff
besonders etabliert. Ab 1953 kamen z. B. die ersten japanischen Humboldtstudenten
an das Pathologische Institut in Freiburg. Ihre Zahl stieg immer weiter an, wobei auch
Italien, Spanien und die USA Studierende entsandten und Südamerikaner diese
Möglichkeit nutzten.
Andererseits galt: Wer etwas werden wollte, musste in die USA gehen. Hier war z. B.
das Wissen über die Tumordifferenzierung deutlich besser vertreten als in
Deutschland. Der Einfluss und der Austausch waren somit gegenseitig.105
4.4DieEntwicklungeinervereinheitlichten,internationalanerkanntenNomenklatur
Bereits R. Virchow hat – wie oben dargestellt – hohen Wert auf die
Obduktionsdokumentation gelegt. Ziel war das Festhalten des Befundes, um in
Zukunft auf ihn zurückgreifen und ihn vergleichen zu können. Die Dokumentation
erfolgte schriftlich und bildlich (Zeichnung, Photographie).
Hier sind im Laufe des 20. Jahrhunderts drei Entwicklungen festzuhalten:
1. Die subjektive Beurteilung des Sachverhaltes wurde immer weiter zurückgedrängt:
Dies ist auf die immer besseren Verfahren zur technischen Abbildung, die auf
individuelle Zeichnungen verzichten kann, zurückzuführen.
2. Die immer effektiveren Kommunikationstechniken ermöglichten einen immer
besseren internationalen Austausch und damit einen Überblick über immer mehr
Untersuchungspräparate. Hinzu kommt die Prädominanz des Englischen als eine 105 Interview Prof. Dr. Grundmann
40
einheitliche wissenschaftliche Sprache ab 1945. Dies führte zu einer Normierung von
Begriffen, wie sie sich in Registern, z. B. dem Mama-Register niedergeschlagen
haben.106 Letzteres ist historisch konkret 1976 einzuordnen.107
Nicht unterschätzt werden darf außerdem der damit verbundene Austausch unter
den Pathologen. Zwar bestand er auch früher – so kannten sich in der Pathologie der
DDR eigentlich die meisten Vertreter der Disziplin108 -, aber die modernen
Kommunikationsmedien erleichtern dies deutlich.
3. Die Normierung des Beurteilungsprozesses.
Der subjektive Anteil an der Beurteilung des Befundes hat sich durch die Anwendung
der genannten naturwissenschaftlichen Methoden im Vergleich zu den 1950er
Jahren deutlich verringert. Der Befund wird mehr in die Objektivität der Sachverhalte
eingebunden.109
Dies ersetzt zwar nicht die spezifisch fachliche Einschätzung des Pathologen, die auf
einer hohen persönlichen Erfahrung beruht, unterstützt sie aber mehr als früher.
4.5DerRückgangderBedeutungderAllgemeinenPathologie
Der Bedeutungsverlust der Allgemeinen Pathologie wird in Fachkreisen beklagt. Als
Grund wird die Eigenschaft des Pathologen genannt, der aktuell als einziger Arzt im
Falle der Obduktion noch den gesamten Körper des Patienten begutachten kann,
während für die anderen Fachdisziplinen aufgrund ihrer Spezialisierung der
Gesamtzusammenhang des Krankheitsgeschehens verloren geht. Das zeigt sich in
der Praxis z. B. oft bei der Identifikation des Primärtumors.
Diese Auffassung beruht auf einem pragmatischen und damit reduzierten
Verständnis der Allgemeinen Pathologie. Es reflektiert lediglich und zu Recht
innerkörperliche Vorgänge, ohne eine metaphysische Theorie zu entwickeln. Diese
Auffassung bedeutet allerdings – wie oben ausgeführt – eine Differenz zur
Vergangenheit. Hier sei auf L. Aschoffs Worte verwiesen: <<In allen Gebieten der
106 Interview Prof. Dr. Bässler 107 Ebenda 108 Interview Prof. Dr. David 109 Interview Prof. Dr. Bässler
41
Naturwissenschaften spielt die Ganzheitsbetrachtung als sinnsuchende oder
teleologische mit hinein. Die Ganzheitsbetrachtung kann als naturbildende oder
naturphilosophische bezeichnet werden.>>110
Der Bedeutungsverlust der Allgemeinen Pathologie ist aus dieser Sicht auch auf den
zunehmenden Einfluss der Naturwissenschaften und ihren Anspruch auf Objektivität
zurückzuführen wie auch auf den Rückgang der ideologischen Komponenten in der
Wissenschaft per se.
Bei einem berechtigten Eintreten für eine Allgemeine Pathologie ist die Provenienz
der historische Begrifflichkeit zu beachten und die Abgrenzung zu verdeutlichen.
4.6Der„TurntoBiopsie“derdeutschenPathologie
Der Anstieg der Biopsien bei dem gleichzeitigen Rückgang der Obduktionen in der
DDR und der BRD zu einer der wichtigsten Veränderungen des Faches und des
Berufstandes geführt. Diese Veränderung trat in der BRD um 1970 und in der DDR
einige Jahre später zeitversetzt ein.
Die Entwicklung soll in dieser Arbeit mit dem Schlagwort des „Turn to Biopsie“
bezeichnet werden, weil sie einen der wichtigsten Einschnitte in der Geschichte der
deutschen, aber auch der internationalen Pathologie darstellte.111
Auswirkungen des so genannten „Turn to Biopsie“ sind:
1. Die Obduktionstätigkeit verlor weiter an Bedeutung.
2. Die Sonderstellung des Pathologen als „Richter“ über die Therapieerfolge
verringerte sich deutlich.
3. Der Pathologe fand besseren Anschluss an die Therapie.
4. Das Verhältnis zu den Klinikern wurde deutlich enger.
5. Die Verantwortung für das Genesen des Patienten stieg signifikant.
110 Zitiert nach U. Lampert: Die Pathologische Anatomie in der Zeit des Nationalsozialismus unter besonderer Beachtung der Rolle einiger Fachvertreter an deutschen Universitäten. S. 19 111 Alle Interviewpartner bestätigten dies.
42
6. Rechtliche Haftungsfragen wurden deutlich relevanter.
7. Das Fach wurde wissenschaftlich noch enger an die entsprechende Entwicklung
der Kliniker angebunden.
8. Die Allgemeinpathologie im Sinne eines metaphysischen theoretischen Überbaus
spielte nur noch eine geringe Rolle.
9. Das Einkommen der Pathologen stieg deutlich.
10. Die Tätigkeit als niedergelassener Pathologe war leichter möglich.
11. Durch die zunehmende Überalterung der Gesellschaft und die ansteigende
Bedeutung von Krebserkrankungen wurde die Nachfrage nach der pathologischen
Fachkenntnis deutlich größer.
Historisch gesehen stellt der „Turn to Biopsie“ einen Einschnitt in der Geschichte der
Pathologie dar. Bei der Einschätzung der Veränderungen fällt auf, dass er zu einer
Position des Pathologen führte, die in vielen Punkten Anknüpfungspunkte an die von
C.-R. Prüll beschriebene anglo-amerikanische Tradition findet.
Aus der Sicht der in dieser Pilotstudie ausgewerteten Literatur und gestützt
insbesondere auf die Interviews mit Herrn Prof. Meister und Herrn Prof. Grundmann
dürfte dies einer der wichtigsten Schlüsselfaktoren für die neueste Geschichte der
Pathologie in Westdeutschland gewesen sein.
Dies bedeutet im Fall Westdeutschlands insbesondere die fruchtbare
Auseinandersetzung mit der anglo-amerikanischen Tradition. Oder um an C.-R.
Prülls Ausführungen für die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts anzuschließen und sie
weiterzuführen: Den Anschluss und die Veränderung der typisch deutschen
Pathologie an die angloamerikanische Tradition mit ihrer pragmatisch-utilitaristischen
Ausrichtung unter Verlust des bisherigen Schwerpunkts in der theoretisch-
analytischen Richtung, weiter verschärft durch das Konzept der
Konstitutionspathologie.
Kennzeichen der deutschen Tradition waren nach C.-R. Prüll:
- Die Vorrangstellung des Sektionssaals;
43
- die Verortung der Pathologie vornehmlich an der Universität;
- die Einordnung der Befunde in die Virchowsche Zellularpathologie zur Analyse der
Krankengeschichte und der Krankheitsherde, um damit Ursachen und Entwicklungen
zu diagnostizieren;
- der Pathologe als Spezialist weitgehend ohne interdisziplinären Austausch;
- geringer oder fast kein Patientenkontakt seitens des Pathologen;
- geringer Kontakt zu den anderen medizinischen Disziplinen seitens des
Pathologen.
Hier ist in Bezug auf die Arbeiten von C.-R. Prüll kritisch anzumerken, dass er die
Entwicklung der deutschen Pathologie in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts vor
allem in Bezug auf die Charité und die großen, einflussreichen Pathologen wie L.
Aschoff verfolgt. Verallgemeinerungen auf die gesamte deutsche Pathologie – das
zeigen z. B. bereits die Erkenntnisse aus der Geschichte der Pathologie in Chemnitz 112 – dürften aber zu einem deutlich differenzierteren Bild führen.
Kennzeichen der anglo-amerikanischen Tradition waren:
- Die Vorrangstellung der Klinik;
- die Verortung mehr oder minder gleichermaßen im Labor, in der Klinik und im Sektionsraum;
- die Einordnung der Befunde in Bezug auf die individuelle Krankengeschichte des Patienten;
- der Pathologe hat hohen Kontakt zur Klinik und anderen Disziplinen;
- der Pathologe geht von dem erkrankten Patienten aus, prüft die Krankengeschichte und verifizierte diese durch den pathologischen Befund. Die theoretische Fundierung ist wichtig, aber zweitrangig.
- hoher Kontakt zu den Patienten;
- hoher Kontakt zu anderen medizinischen Disziplinen.113
112 Vgl. W. Künzel: Das Pathologisch-Hygienische Institut Chemnitz und seine Leiter von 1898 bis 1998. S. 200-213 113 C.-R. Prüll: Medizin am Toten oder am Lebenden? S. 425/426
44
Betrachtete man heute die Tätigkeit eines deutschen Pathologen, so ist sie eher in
der anglo-amerikanischen Tradition verortet.
Hintergrund und Katalysator dieser Entwicklung ist die seit den 1970er Jahren
ansteigende Bedeutung der Biopsien. Sie machen den Pathologen vorrangig zu
einem wichtigen Partner des Klinikers bei der aktuellen Behandlung des Patienten
mit der Folge eines dichten wechselseitigen und interdisziplinären Austausches, des
Nachrangs des Sektionsraumes und des Vorranges des lebenden Patienten. Auch
der Kontakt zu diesem scheint sich durch die Möglichkeiten der modernen
Kommunikationsmedien zu erhöhen.114 Die Vorrangstellung der Pathologie als dem
richtenden Fach fällt weitgehend weg und der Pathologe selbst steht in der Kritik der
Kliniker.115
Damit ist festzustellen, dass sich die deutsche Pathologie mit ihren fraglosen Stärken
in der BRD nach dem Zweiten Weltkrieg durch die wissenschaftliche Entwicklung an
die angloamerikanische Tradition anschloss bzw. eigene Leistungen zum
wissenschaftlichen Diskurs beitrug. Dass dabei die Besatzungsmächte der USA und
England, weniger Frankreich, ein maßgeblicher Einflussfaktor wurden, ist nicht zu
übersehen. Die Internationale Akademie für Pathologie war eine in diesem
Zusammenhang sehr wichtige Schaltstelle.
In Bezug auf die DDR stellte sich diese Entwicklung ambivalenter dar. Hier hatte das
Fach in den Ostblock-Staaten einen solchen Ruf, dass es weniger von dieser Seite
befruchtet wurde, als es selbst die dortige Entwicklung prägte.116 D. h. hier setzte
sich die klassische deutsche Tradition der Pathologie länger fort. Doch auch der Bau
der innerdeutschen Mauer konnte nicht den wissenschaftlichen Austausch mit der
zunehmend durch die anglo-amerikanische Tradition geprägten westdeutschen
Pathologie verhindern, so dass dieser Einfluss – wenn auch zeitversetzt – wirksam
wurde.
Mit der Wiedervereinigung der beiden deutschen Staaten hat er sich endgültig
durchgesetzt.
114 Für Letzteres verweise ich auf ein Gespräch mit Prof. Dr. Schlake 115 U. Lampert: Die Pathologische Anatomie in der Zeit des Nationalsozialismus unter besonderer Beachtung der Rolle einiger Fachvertreter an deutschen Universitäten. S. 18 116 Interview Prof. Dr. Sorger und Prof. Dr. David
45
Diese hier kurz skizzierte Entwicklung soll die Qualität der Pathologie in der DDR
bzw. in der BRD nicht bewerten. Sie ist rein deskriptiv. Insbesondere der offenbar
große Erfolg der in der Sektion hervorragend ausgebildeten Pathologen der DDR
nach 1989 macht deutlich, dass das Fach dort ein hohes Niveau hatte.
46
5. Exkurs: Institutionalisierung durch universitäre Ausbildung: DieApprobationsordnungenimZeichenderPathologie
Die medizinischen Ausbildungsordnungen bzw. Approbationsordnungen sind ein
wichtiger Indikator für die organisatorische Institutionalisierung des Faches und die
Abgrenzung zu anderen medizinischen Disziplinen. Zunächst wurde die Ausbildung
der Ärzte den einzelnen Hochschulen und Universitäten überlassen, bis erst 1869 in
der Reichsgewerbeordnung auch dieser Bereich unter staatlichen Einfluss geriet.117
Die große Bedeutung der Pathologie an der Wende des 19. zum 20. Jahrhundert
zeigt sich auch hier. Die „Prüfungsordnung für Aertzte“ vom 28. Mai 1901 führte
sieben Fächer auf, wobei die „Pathologische Anatomie und Pathologie“ Rang eins
einnahmen.
Der bereits oben angedeutete Bedeutungsverlust in den folgenden 20 Jahren wurde
auch in der am 11. August 1924 eingeführten ersten deutschen Facharztordnung
deutlich. Das Fach Pathologie war hier nicht mehr gesondert aufgeführt. Die
Facharztordnung legte keine Facharztprüfungen fest, sondern ein Ausschuss
beschloss über den Kandidaten anhand von Ausbildungsnachweisen.118 Pathologie
wurde im fünften Semester in Form der „allgemeinen und Wehrpathologie“ (5h), im
sechsten Semester als “spezielle Pathologie“ (5h), im siebten Semester als
pathologischer Demonstrationskurs (3h), im achten Semester als pathologisch-
histologisches Praktikum (4h) und im neunten Semester als Sektionskurs (2h)
gelehrt.119
Wirtschaftliche Fragen außerhalb der Universität wurden zu diesem Zeitpunkt vor
allem von der „Wirtschaftlichen Vereinigung selbstständiger pathologischer-
anatomischer Prosektoren“, die 1921 in Jena von Christian Georg Schmorl (1861-
1932) gegründet worden war, diskutiert. In den 1930er Jahren begann sich auch die
117 Prof. Dr. Dr. h. c. Putz: Medizinstudium, Promotion, Habilitation in Deutschland. http://www.mft-online.de/files/putz_flexner_2011.pdf. Downlowd 30.8.2012. S. 2 118 C.-R. Prüll: Medizin am Toten oder am Lebenden? S. 161-164 119 U. Lampert: Die Pathologische Anatomie in der Zeit des Nationalsozialismus unter besonderer Beachtung der Rolle einiger Fachvertreter an deutschen Universitäten. S. 37 Anmerkung: Die Dissertation wurde von Prof. Dr. A. Thom vom Karl-Sudhoff-Institut betreut und von Prof. Dr. A. Hecht als erster Gutachter beurteilt. Sie hebt sich aus geschichtswissenschaftlicher Sicht wohltuend von den meisten anderen Arbeiten zu diesem Thema ab.
47
Deutsche Pathologische Gesellschaft e. V, die sich bis dahin als rein
wissenschaftliche Einrichtung sah, nach und nach mit Fragen der Standespolitik, der
Lehre und Ausbildung und der Dienstleistung zu beschäftigen.120 Die „Wirtschaftliche
Vereinigung selbstständiger pathologischer-anatomischer Prosektoren“ wurde 1934
aufgelöst.121 Die Bestallungsordnung von 1939 war sicher von der bestehenden
angespannten außenpolitischen Lage beeinflusst, da die Einführung eines
Krankenpflegepraktikums von sechs Monaten, ein sechsmonatiger Fabriks-
/Landdienst wie auch eine sechswöchige Famulatur die ärztliche Arbeitskraft bereits
während der Ausbildung dienstbar machte.122
Der inhaltliche Einfluss des Nationalsozialismus auf die Ärzteschaft und damit auch
auf die Pathologie kann hier abgelesen werden: Prüfungsfächer waren nun auch die
„Rassenhygiene“, die Vererbungslehre und die „soziale Hygiene“. Vorlesungsinhalte
der Vorklinik wurden Wehrchemie, Wehrphysik, Luftfahrtmedizin, Vererbungslehre
und „Rassenkunde“ sowie Bevölkerungspolitik. In der Klinik wurde Wehrpathologie,
Wehrpharma- und – toxikologie, menschliche Erblehre, „Rassenhygiene“ und
„Wehrhygiene“ gelehrt. Die klinischen Praktika unterrichteten auch die
„Wehrpsychiatrie“ und „Wehrpsychologie“.123
1940 wurde die Ausbildungsliste zum Facharzt um die pathologische Anatomie
ergänzt, was ihre gehobene Stellung unter den Nationalsozialisten verdeutlicht. 124 Es
waren vier Jahre Ausbildung vorzuweisen, darunter ein Jahr im Bereich einer
allgemeinärztlichen Tätigkeit.125 In der ärztlichen Prüfung war das erste Prüfungsfach
von 19 die Pathologische Anatomie und allgemeine Pathologie, das dritte Fach die
pathologische Physiologie.126
120 G. Dhom: 100 Jahre Deutsche Gesellschaft für Pathologie. S. 5 121 Bericht über die Wiederherstellung der „Wirtschaftlichen Vereinigung Deutscher Pathologen “ in Kiel am 7.6.1949. Sitzung im Pathologischen Institut Kiel am 7.6.1949, 17 Uhr. Archiv des Bundesverbands Deutscher Pathologen e. V. (ohne Signatur). S. 1 122 Prof. Dr. Dr. h. c. Putz: Medizinstudium, Promotion, Habilitation in Deutschland. http://www.mft-online.de/files/putz_flexner_2011.pdf. Downlowd 30.8.2012. S. 3 123 A. Böcker: Die Geschichte des Instituts für medizinische und pharmazeutische Prüfungsfragen im Rahmen des medizinischen Prüfungssystems im internationalen Vergleich. Inaugural-Dissertation zur Erlangung des Doktorgrades der Hohen Medizinischen Fakultät Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn. Bonn 2001. S. 19 124 C.-R. Prüll: Medizin am Toten oder am Lebenden? S. 161-164 125 U. Lampert: Die Pathologische Anatomie in der Zeit des Nationalsozialismus unter besonderer Beachtung der Rolle einiger Fachvertreter an deutschen Universitäten. S. 41 126 Fünfte Verordnung zur Durchführung und Ergänzung der Reichsärzteordnung (Bestallungsordnung für Ärzte). In: RGBl vom 17.7.1939. Teil 1. §48/50. S. S. 1280/1281
48
Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges wurde 1953 eine neue Bestallungsordnung
erlassen. Alle oben genannten nationalsozialistischen Prüfungsinhalte wurden
gestrichen.127 Die Pathologie war aber nach wie vor Prüfungsfach und stand von 12
Fächern immer noch an Platz eins mit der Bezeichnung „Pathologische Anatomie
und allgemeine Pathologie“. 1953 wurde die Prüfungszeit von einem auf zwei Tage
verlängert und die Vorgabe verankert, dass nicht nur mikroskopische, sondern auch
makroskopische Befunde darzustellen seien.128
Ab dann wurden in der BRD aber auch immer wieder die Frage eines Facharztes für
Pathologie und die Voraussetzungen seiner Ausbildung diskutiert – allerdings ohne
greifbares Ergebnis. Erst 1965 setzte die Deutsche Gesellschaft für Pathologie eine
entsprechende Kommission ein.129
Im Jahre 1968 wurde in der BRD die Facharztordnung von 1924 überarbeitet und
durch eine Weiterbildungsordnung ersetzt. Sie führte nicht nur die Facharztgebiete
auf, sondern auch die jeweiligen Teilgebiete. Es bestanden 19 Fachgebiete, Platz 20
nahm die Allgemeinmedizin ein. Die Pathologische Anatomie wurde unter dem
Begriff Pathologie wieder aufgenommen.130
Das Zentrale Mainzer Prüfungsinstitut erarbeitete in der Folge einen Lernzielkatalog.
131 In der Weiterbildungsordnung des Jahres 1976, die die bisherige Entwicklung
nicht evolutionär fortführte, sondern eine völlige Neugestaltung darstellte, waren 26
Gebiete ärztlicher Tätigkeit ausgewiesen. Hinzu kamen 15 Teilgebiete und 15
Zusatzbezeichnungen.
Die Weiterbildungsordnung aus dem Jahr 1987 führte die Neuropathologie ein, galt
aber nur zwei Jahre über die Wiedervereinigung der BRD und der Deutschen
Demokratischen Republik hinaus. Sie wurde aufgrund des neuen Rechtsrahmens,
der fachlichen Weiterentwicklung und der Versorgungsansprüche der Bevölkerung
1992 ersetzt. Die neue Weiterbildungsordnung beinhaltete 41 Gebiete, 18
Schwerpunkte, 22 Zusatzbezeichnungen und eine Reihe von
127 A. Böcker: Die Geschichte des Instituts für medizinische und pharmazeutische Prüfungsfragen im Rahmen des medizinischen Prüfungssystems im internationalen Vergleich. S. 19 128 Bestallungsordnung für Ärzte. In: BGBl vom 17.7.1953. Nr. 60. Bonn 17. Sept. 1953. §44/45. S. 1339. 129 G. Dhom: 100 Jahre Deutsche Gesellschaft für Pathologie. S. 5 130 C.-R. Prüll: Medizin am Toten oder am Lebenden? S. 161-164 131 G. Dhom: 100 Jahre Deutsche Gesellschaft für Pathologie. S. 5
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Fachkundebezeichnungen. Diese hohe Differenzierung erwies sich allerdings als
unpraktikabel und wurde 2003 auf nur noch 32 Gebiete eingeschränkt.132
Die Gründung der Deutschen Abteilung der Internationalen Akademie für Pathologie
erfolgte 1964, die die bundesdeutsche Pathologie strukturell an den internationalen
wissenschaftlichen Austausch der Fachdisziplin anschloss. Sie nahm deutlichen
Einfluss auf die Weiterbildung der Pathologen mit dem Ziel der Praxisorientierung
und der wissenschaftlichen Fundierung und hatte nach G. Dohm eine große Wirkung
auf die deutschen Pathologen z. B. in Form der Durchführung von Schnittseminaren,
Symposien und Tutorials.133
6. Exkurs: Die historische Entwicklung des Obduktionsrechts inDeutschland
Die Stellung der Pathologie zeigt sich u. a. auch in der rechtlichen Umsetzung ihrer
Interessen, in einer sanktionsfähigen Institutionalisierung. Der Kern war in der
Geschichte der Pathologie der mögliche und gesetzlich abgesicherte Zugriff auf
Leichen. Letzterer musste rechtlich geregelt werden. Somit wurde das
Obduktionsrecht und seine Ausgestaltung ein wichtiger Indikator für die Stellung des
Pathologen in beruflicher, wirtschaftlicher, aber auch gesellschaftlicher Hinsicht. Das
gilt bis heute.
Der Beruf des Pathologen ist zwar seit mehreren Jahrzehnten deutlich weniger als in
der Vergangenheit mit der Sektion verbunden, aber trotzdem ist sie nach wie vor ein
wichtiger Bestandteil der Qualitätskontrolle der klinischen Diagnose, dient dem
wissenschaftlichen Fortschritt, der Lehre und ist für die Entdeckung neuer
Krankheiten von besonderer Bedeutung.134 Alle Interviewten dieser Pilotstudie haben
dieses Urteil geteilt. Ebenso einhellig wurde der deutliche Rückgang der Sektionen
132 C.-R. Prüll: Medizin am Toten oder am Lebenden? S. 161-164 133 Interview Prof. Dr. Meister/ G. Dhom: 100 Jahre Deutsche Gesellschaft für Pathologie. S. 5 134 W.-W. Höpker, S. Wagner: Qualitätssicherung. Die klinische Obduktion. Eine nicht verzichtbare Maßnahme einer Medizin im Wandel Deutsches Ärzteblatt 95, Heft 25, 19. Juni 1998. A 1597-1600. S. 1597
50
beklagt wie auch die damit verbundene geringe Aussagefähigkeit von
Todesfallstatistiken.
Aus historischer Sicht fällt auf, dass in beiden deutschen Staaten der Verlauf der
Obduktionsrechtssetzung unterschiedlich verlief. Während in der zentralistischen
DDR die Sektion einheitlich geregelt war, beruht die Entwicklung in der BRD nach
1945 nicht auf Bundes-, sondern auf Länderrecht. Damit verfügen die einzelnen
Bundesländer über unterschiedliche Regelungen. Ein Blick in die aktuelle Rechtslage
zeigt dies deutlich. Während Baden-Württemberg durch das „Gesetz über das
Friedhofs- und Leichenwesen (Bestattungsgesetz)“ die Sektion streng reglementiert
– lediglich bei einem unnatürlichen Tod oder bei der Leiche eines Unbekannten kann
die außergerichtliche Leichenöffnung nach §28 des genannten Gesetzes erfolgen –
besitzt Berlin ein eigenständiges Sektionsgesetz, das es 1996 als erstes Bundesland
in der Bundesrepublik erließ und das die Sektion unter mehreren Aspekten zulässt.
Voraussetzung ist aber die vorliegende Zustimmung des Verstorbenen oder seiner
Angehörigen, die Notwendigkeit der Bestimmung der Todesursache oder die
Überprüfung der Diagnose oder der Therapie (Qualitätskontrolle), das
wissenschaftliche Interesse und die rechtliche (Ansprüche) oder gesundheitliche
Fürsorge (Erbkrankheiten) für die Hinterbliebenen. Sie ist nicht vollziehbar, wenn sie
dem Willen des Verstorbenen oder seiner Angehörigen widerspricht, wobei diese
auch weltanschauliche oder Glaubensgründe anführen können. Als
einspruchsberechtigt gelten auch Partner einer dauerhaften Lebensgemeinschaft.135
Schleswig-Holstein hat die Berliner Regelungen in ähnlicher Form in das „Gesetz
über das Leichen-, Bestattungs- und Friedhofswesen (Bestattungsgesetz)“
übernommen, setzt allerdings die schriftliche Einwilligung des Verstorbenen oder falls
diese nicht vorliegt, die der Angehörigen voraus.136
Wenige Bundesländer besitzen keine Regelung für die klinische Sektion. Sie berufen
sich dabei auf ein Bundesgesetz, das „Gesetz über die Spende, Entnahme und
Übertragung von Organen (Transplantationsgesetz)“ vom
135 H. Deinert, W. Jegust: Todesfall- und Bestattungsrecht. Sammlung bundes- und landesrechtlicher Bestimmungen. 2. Aufl. Köln 2005. S. 284, 378-380, 577/578 136 Ebenda
51
1. Dezember 1997. Auch hier sind die Rechte des Verstorbenen oder der
Angehörigen ausschlaggebend.137
Diese Beispiele mögen genügen, um zu verdeutlichen, dass die rechtliche Stellung
des Individuums gegenüber dem staatlichen Zugriff auf seinen Körper in der von den
Anglo-Amerikanern beeinflussten bundesdeutschen Tradition deutlich stärker ist, als
sie in der totalitären DDR war.
Es ist zu berücksichtigen, dass die moderne demokratische Tradition ausgehend von
England ihren zentralen Inhalt in der Begrenzung der staatlichen Macht gegenüber
dem Individuum und seinen Rechten fand. Die so genannte „Habeas corpus Akte“
von 1679 bietet sich in unserem Kontext als gutes Beispiel an. Sie hat ihren Namen
von den ersten beiden Worten des Haftbefehls, mit denen die Büttel des englischen
Königs eine Person jederzeit festsetzen konnten, um sie einer Befragung oder einer
Anklage zu unterziehen. 1679 nahm das englische Parlament König Karl II (1630-
1685) dieses Instrument der staatlichen Macht aus der Hand und verpflichtete ihn auf
einen rechtsstaatlichen Umgang mit Gefangenen. Dieser wurde übrigens 1816 auf
Jugendliche und Geisteskranke ausgedehnt.138 Der für die Entwicklung der
englischen Demokratie so wichtige Schritt mag als Hinweis genügen, um zu
verdeutlichen, dass die nach 1945 auch in Westdeutschland eingeführte
demokratische Rechtsauffassung ihren Kern in der Zurückweisung des Zugriffsrechts
des Staates hatte. Eine große Herausforderung für die Bevölkerung nach 12 Jahren
Entrechtung im Nationalsozialismus.
Es ist ebenso nicht verwunderlich, dass in der totalitären Staatsauffassung der DDR
dieser Bruch nicht stattfand. Dort legte das Obduktionsrecht in §8 der „Anordnung
über die ärztliche Leichenschau“ vom 4.12.1978 fest, dass jeder obduziert wurde,
- dessen Todesursache unklar war,
- der tot geboren wurden,
- der das 17. Lebensjahr nicht erreichten,
- der unbekannt verstorben waren,
137 Vgl. http://www.gesetze-im-internet.de/bundesrecht/tpg/gesamt.pdf . (Download 26.8.2012). §3 und §4 138 K. Fuchs, H. Raab. dtv-Wörterbuch zur Geschichte. Bd. 1. A-K. 7. Aufl. München 1990. S. 312
52
- bei dem die Angehörigen den Wunsch nach einer Obduktion äußerten,
- der unter einer Krankheit litt, die meldepflichtig war,
- der an einer Berufskrankheit litt,
- der eine meldepflichtige Geschwulstkrankheit aufwies,
- der vier Wochen vor dem Tod noch eine Schutzimpfung erhalten hatten,
- der ein transplantiertes Organ oder ein Organteil besaß,
- dessen Obduktion wissenschaftlich begründet werden konnte,
- der einen Herzschrittmacher besaß,
und darüber hinaus noch verstorbenen Schwangere, Gebärende oder
Wöchnerinnen, die sechs Monate nach der Entbindung verstarben.139
Dazu konnten gemäß §9 Abs. 4 der Minister für Gesundheitswesen, die Bezirks- und
Kreisärzte und die von diesen angewiesenen Ärzte in jedem Fall die Leichenöffnung
anordnen. Diese wurde dann von einem Pathologen oder einem Gerichtsmediziner
vorgenommen.140
Prof. David meinte im Interview, dass im Grunde jede Leiche in der DDR seziert
werden konnte, da man jederzeit wissenschaftliche Gründe anführen konnte.141
Aus der bisherigen Darstellung können folgende Schlüsse gezogen werden:
- Die Stellung der Pathologie in der BRD wurde durch die rechtliche Regelung der
Obduktion deutlich beschränkt, während der gesetzliche Rahmen in der DDR diese
eher förderte.
- Betrachtet man die rechtliche Stellung des Verstorbenen selbst bzw. die der
Angehörigen, so fallen die Differenzen deutlich ins Auge: Hier die traditionelle
rechtlich abgesicherte Selbstbestimmung des Individuums in der anglo-
amerikanischer Tradition, dort der durch den Verweis auf das Allgemeinwohl
139 Anordnung über ärztliche Leichenschau vom 4. Dezember 1978. In: GBl. der Deutschen Demokratischen Republik. Teil I Nr. 1. S. 4-8. §8 140 Ebenda §9 Abs.4 141 Interview Prof. Dr. David.
53
legitimierte Zugriff des Staates. Dieser kulturelle Faktor ist aus unserer Sicht einer
der entscheidenden Auslöser für den Rückgang der Sektionsdichte nach dem
Zweiten Weltkrieg in Westdeutschland und nach der Wiedervereinigung 1990 auch in
Ostdeutschland.142
Herr Prof. Bässler sprach in diesem Zusammenhang von mangelnder Aufklärung und
einem mangelnden Verständnis der Öffentlichkeit für die Notwendigkeit der
Obduktion.143 Dies ist sicher eine korrekte Zustandsbeschreibung. Doch die dahinter
stehenden Gründe sind auch kulturell fundiert. Eine Neuregelung des
Obduktionsrechts, um eine erhöhte Sektionsdichte zu erreichen, kann im Augenblick
nur mit einer umfassenden Öffentlichkeitsarbeit, nicht aber allein durch gesetzliche
Regelungen erreicht werden. Denn das Recht auf die Selbstbestimmung über den
eigenen Körpers ist ein Grundbaustein des demokratischen Rechtssystems.
142 Es ist wahrscheinlich kein Zufall, dass das erste umfassende Sektionsgesetz der Bundesrepublik Deutschland in der Stadt, in der beide Rechtsauffassungen direkt aufeinander trafen und vereinheitlicht werden mussten, also in Berlin, erlassen wurde. 143 Interview Prof. Dr. Bässler
54
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