zur frage der augenmuskelwirkung bei der entstehung der netzhautablösung

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(Aus der St~dtischen Augenklinik Dortmund. -- Prof. Dr. Martin Barrels.) Zur Frage der Augenmuskelwirkung bei der Entstehung der Netzhautabliisung. Von Prof. Dr. Martin Bartels. Best hat in seinem Aufsatz 1 zu der viel erSrterten Frage der Ent- stehung der Netzhautrisse einen neuen Beitrag geliefert. Seine Arbeit ist augenscheinlich ohne Kenntnis meines letzten Aufsatzes fiber diese Frage ~ geschrieben. In seinem Aulsatz beseh/~ftigt sieh Best ausfiihEieh mit meiner Theorie, dab bei der Entstehung der temporalen Risse oben nine Wirkung des Obliquus sup. in Betraeht k£me. Er stellt sin in Abrede. Auf die Begriindung seiner Ablehnung mSehte ieh deshalb kurz eingehen, aber ausffihrlieher wie in meiner eben erwi~hnten Arbeit auf gewisse Punkte. Best schreibt: DaB der Zug nines ~uBeren Augenmuskels auf die darunter liegende Aderhaut oder Netzbaut irgendwie zeirend wirken sollte, ist anatomiscb und physiologisch so gut win ausgeschlossen. Die Einstrahlung der Muskelsehnen in die Sklera ist so allm/ih]ieh, dal3 eine 5rtlich umschriebene Zugdegeneration fast unmSglich ist. Ferner wirken entgegen die Verflechtung des Sehnervenansatzes mit den Skleralbalken naeh allen Riehtungen, die Dickenzunahme der Sklera bei Einstrahlung der Sehne und vor allem die groBe Zugfestigkeit der Sklera." Eine Zug- wirkung auf die Netzhaut lehnt Best ab, eine Druckwirkung gibt er zu. Er schreibt welter: Ftir die Entstehung der NetzhautablSsung sind Zug- und I)ruckwirkung der £uBeren Augenmuskelu ohne Bedeutung. H~tten sin eine solche, so mfigten die Punkte entspreehend dem Ansatz der vier g'eraden Augenmuskeln bei Beginn yon AblSsung und Rig bevorzugt sein, was nicht der Fall ist. Da die beiden sehr/~gen Augenmuskeln sehw/~cher sind, kommen sin erst recht nieht in Frage." Ich gehe unten darauf n/~her ein, dab nicht nur die Kraft, sondern auch die Art des Ansatzes wichtig ist. Weiter bespricht Best dann Kriickmanns Begriin- dung der Zugwirkung und meint wieder: ,,Gegen nine ursiiehliche Be- ziehung spricht unbedingt, dab die Zugwirkung des Muskelchen nieht entfernt diejenige des Externus und Internus erreieht, zu deren Ansatz doeh keine RiBh£ufigkeit gehSrt, ganz abgesehen yon der ganz unwahr- seheinliehen ~bertragung nines 6rtliehen Zuges an der starren Sklera auf die inneren Augenhiiute. Die Netzhaut hat ja gar keine anatomisehe Verbindung mit tier Sklera und auBerdem liegt das Polster der Aderhaut dazwischen." z Best: Graefes Arch. 144, 6 5 3 . - ~ Bartels: Graefes Arch. 143, 169.

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(Aus der St~dtischen Augenklinik Dortmund. -- Prof. Dr. Martin Barrels.)

Zur Frage der Augenmuskelwirkung bei der Entstehung der Netzhautabliisung.

Von Prof. Dr. Martin Bartels.

Best hat in seinem Aufsatz 1 zu der viel erSrterten Frage der Ent- stehung der Netzhautrisse einen neuen Beitrag geliefert. Seine Arbeit ist augenscheinlich ohne Kenntnis meines letzten Aufsatzes fiber diese Frage ~ geschrieben. In seinem Aulsatz beseh/~ftigt sieh Best ausfiihEieh mit meiner Theorie, dab bei der Entstehung der temporalen Risse oben nine Wirkung des Obliquus sup. in Betraeht k£me. Er stellt sin in Abrede. Auf die Begriindung seiner Ablehnung mSehte ieh deshalb kurz eingehen, aber ausffihrlieher wie in meiner eben erwi~hnten Arbeit auf gewisse Punkte. Best schreibt: DaB der Zug nines ~uBeren Augenmuskels auf

die darunter liegende Aderhaut oder Netzbaut irgendwie zeirend wirken sollte, ist anatomiscb und physiologisch so gut win ausgeschlossen. Die Einstrahlung der Muskelsehnen in die Sklera ist so allm/ih]ieh, dal3 eine 5rtlich umschriebene Zugdegeneration fast unmSglich ist. Ferner wirken entgegen die Verflechtung des Sehnervenansatzes mit den Skleralbalken naeh allen Riehtungen, die Dickenzunahme der Sklera bei Einstrahlung der Sehne und vor allem die groBe Zugfestigkeit der Sklera." Eine Zug- wirkung auf die Netzhaut lehnt Best ab, eine Druckwirkung gibt er zu. Er schreibt welter: Ftir die Entstehung der NetzhautablSsung sind Zug- und I)ruckwirkung der £uBeren Augenmuskelu ohne Bedeutung. H~tten sin eine solche, so mfigten die Punkte entspreehend dem Ansatz der vier g'eraden Augenmuskeln bei Beginn yon AblSsung und Rig bevorzugt sein, was nicht der Fall ist. Da die beiden sehr/~gen Augenmuskeln sehw/~cher sind, kommen sin erst recht nieht in Frage." Ich gehe unten darauf n/~her ein, dab nicht nur die Kraft, sondern auch die Art des Ansatzes wichtig ist. Weiter bespricht Best dann Kriickmanns Begriin- dung der Zugwirkung und meint wieder: ,,Gegen nine ursiiehliche Be- ziehung spricht unbedingt, dab die Zugwirkung des Muskelchen nieht entfernt diejenige des Externus und Internus erreieht, zu deren Ansatz doeh keine RiBh£ufigkeit gehSrt, ganz abgesehen yon der ganz unwahr- seheinliehen ~bertragung nines 6rtliehen Zuges an der starren Sklera auf die inneren Augenhiiute. Die Netzhaut hat ja gar keine anatomisehe Verbindung mit tier Sklera und auBerdem liegt das Polster der Aderhaut dazwischen."

z Best: Graefes Arch. 144, 653 . - ~ Bartels: Graefes Arch. 143, 169.

390 ~I~r~m B~rtels:

Also Best vergleieht dig Wirkung des Ansatzes des Obliquus sup. beim Muskelzug mit dem der Wirkung der Ans/itze der Reeti, die doeh viel kr/~ftiger seien. Mit l%eeht ffikrt er selbst sehon einen Einwand an, den ieh maehen wiirde dab n~mlieh die Obliquui sick weir riiekw/~rts ansetzen gegentiber gut funktionierender Netzhaut, w/~hrend dig Reeti gegeniiber der Ora endeten. Ieh finde Best hat aueh diesen Einwand nieht entkr/i.ftet. Er meint, der Einwand sei naeh den Messungen yon Fuchs, Merkel und Kallius nieht stiehhaltig, da die Ansatzlinien der geraden Augenmuskeln aueh sehon liehtempfindliehen Stellen der Netzhaut entspr~ehen. Man mtil3te also ~ueh bei diesen eine Wirkung an ihren Ansatzstellen auf die Netzhaut annehmen, was aber dem Orte der Risse nieht entspr~ehe." Hierzu ist folgendes zu sagen:

Ein Vergleieh der Ans/itze in dieser Beziehung ist nieht mSglieh. Man braueht sieh nut einmal die Zeiehnungen der Ans/~tze auf einem Schema, z .B. bei Eisler (Kleines Handbueh der Ophthalmologie) anzusehen. Gewil3 ist die Zugkraft des Obliquus wohl geringer wie die der Reeti, aber sie muir ganz anders auf dig Sklera und deshalb aueh, wie wir sehen werden, auf die darunterliegenden H~ute (Aderhaut und Netzhaut) wirken. Die Reeti wirken symmetriseh oder fast symmetriseh auf die Bulbuswand, die Obliqui gemS[3 ihrem sehr~gen Ansatz unsymmetriseh. Das wird sieh bei ~nderung der Statistik und Form des Auges, z .B. im Alter und bei Myopen (8. meinen Aufsatz a) noeh st/~rker auswirken. Der Vergleieh der Wirkung des Obliquus sup. mit einem der geraden Augenmuskeln auf die Netzhaut ist aber aueh aus weiteren Grfinden nieht mSgtieh. Setbst wenn wir annehmen, wa, s unwahrseheinlieh ist (s. Lmten), die Reetians~tze entspr~ehen noeh ganz peripheren tieht- empfindliehen Netzkautsehiehten, so w~re digs doeh hSehstens aueh naeh Bests auf Briickner (1909) gestiitzten Angaben 1--2 ram, denn naeh Eisler 2 ist die Grenze zwisehen Pars caeca und Pars optiea der Netz- haut nasal 4,6 mm vom Kammerwinkel. temporal 5,6 mm entfernt. Naeh Scullieas neueren Angaben (1925 8. Eisler) liegt abet die optisehe Grenze 7 mm hinter der 0ra. Der Abstand der Mitte des Ansatzes des 0bliquus sup. vom Hornhautrand betr~g~ 16 mm naeh Krause, um 17,9 mm naeh Merkel! Da der Ansatz des Obl. sup. 10 mm naeh Eisler breit ist (naeh meinen Erfahrungen am Lebenden bei Netzhautoperationen manehmal breiter) so liegt das vordere Ende des Ansatzes der Obliquus- Sehne t l mm yore Hornhautrand und das hintere Ende naeh Eisler 8 mm yore hinteren Augenpol. Die Ans/itze der Reeti liegen 4,9--7,2 m m yore Limbus. Der Ansatz des Obliquus an ganz anderen Stellen und in ganz anderer Art, also die ganze Obliquussehne sitzt im Bereieh der lieht- empfindliehen lX~etzhaut. Ein Vergleieh mit dem Ansatz tier Reeti ist also nieht mSglieh. I)abei ist die Zugwirkung des Obliqtms so: ,dal] die

1 Graefes Arch. 14~, 69. - - 9_ Eisler: Kleines Handbueh der Ophthatmologie, S. 133.

Augenmuskelwirkung bei der Ents~ehung der Netzh~ut~b15sung. 39I

schr/~g und lateral verl~ufende Drehachse mit dem vorderen Ende hSher steht wie mit dem hinteren" (Eisler). Es ist also wohl mSglioh dab der vordere ~nsa~z, der auch kr/~ftiger ist, mehr die Skler~ beansprucht. Es kommt ferner in Betracht, da[~ die rollende Komponente des Obliq.uus weniger i.n Ansprueh genommen wird im Leben, wohl nur bei sehr/iger Kopfstellung dutch Wirkung des Vestibularapparates. Meist werden woht die Obliqni, wie Lorento de Nd meint, den Bulbus ge~dssermaBen in seinen Angetn batten, damit die am meisten funktionierenden seitlichen geraden Augenmuskeln besser wirken kSnnen. Bei Seitenwendungen des Auges wird dann der vordere Ansatz der 0bliqaussehne kr/~ftiger beansprucht wie der hintere. St/indig wird wohl der Obl. sup. bei uns beim Senken des Blickes, also beim Nachsehen und der damit verbundenen Konvergens, l~o]lung und Senkung beansprucht. Aueh finder eine gewisse Gegen~4rkung beim Blick nach unten zwischen dem Ansatz des Rect. sup. und Obl: sup. statt, eta der eine hebt nnd der andere senkt. Nun leugnet Best iiberhaupt eine Zugwirkung des Obl. sup. auf die Netzhaut. Das ist mir unverst/~ndlich, denn, wenn ein Zug auf die Sklera wirkt, iibt er aueh einen EinfluI] auf die an der Sklera haftenden inneren Augenh/~ute aus. Am Lebenden konnte ich dieses leieht gelegentlich yon ~%tzhautopera- tionen gut zeigen. L/~ftt man nach Freilegung am isolierten Obl. sup. einen leichten Zug ausiiben und beobachtet die Gegend im aufrechten Bild, so geht natiirlich beim ieisesten Zug die Netzhaut mit. Also eine Zugwirkung des Obl. sup. ist mSglich. Am gesunden Auge maeht sie natfirlieh nichts aus. Wie steht es aber, wenn der GlaskSrper an einer Stelle der Netzhaut und gerade in der Gegend des Obl. sup.-Ansatzes lest an der Netzhaut halter ? Best hat ja mit Recht die unregelm/il~ige Haftung des GlaskSrpers an der Netzhaut ffir die Rif3entstehung wesent- lich verantwortlich gemaeht, was wohl die meisten Forscher jetzt an- nehmen. Es ist bekannt , dab temporal oben auch vorwiegend Ver/~nde- rungen der Netzhaut mit Cystenbildung vorkommen. KSnnte da nicht leieht eine Cyste einreil~en und welter eine Netzhautspaltung, wie ich sie besehrieb, oder ein Sehichtloeh, ~4e Vogt sie darstdlt , sich bilden, wenn auf der einen Seite beim Zug am Obliquus-Ansatz die Netzhaut mi~ nach oben bzw. sehr~g seittich gezogen wird und andererseits infolge einer Anhaftung des GlaskSrpers dieser sohon infolge der Schwere nach nnten zieht ? (S. Abb. 10 meiner Arbeit L) Es ist doeh merkwiirdig, wieviel AblSsungen gerade morgens beim Aufstehen sigh einstellen. Es geniigt bei der an und ffir "sich sehon zarten Netzhaut ehl geringer Zug und um so mehr bei einer degenerierten, um einen Ri$ herbeizufiihren. Natiirlieh kann sieh kein Vacuum bilden aber sin Rift quer zum Faserverlauf. Falls keine Cyste vorhanden ist kSnnte dann vom Rift aus Fliissigkeit unter die nun weniger Adh~renzwiderstand leistende Netzhaut gelangen and so die Ablatio herbeiffikren. Der Ri$ wiirde noeh erleichtert, wenn

1 Graefes Arch. 148, 69.

392 Martin Bart.els: AugenmuskelwM~ung.

auch die von mir 1 geschflderte Gef~ggabel einen elas~ischen Zug nach dem Opticus zu ausabt und die normMerweise schon stgrkere Adhgrenz des Glask6rpers im Gebiet der Ora limbusw~rts. Ein wei*erer Einflug wgre die ver~nderte Statik des Bulbus.

Natfirlieh sind dies Mles Theorien, die sioh auf mehr oder weniger siehere Ta~sachen griinden. Eine Tatsache, die Best leugnet, besteht aber sieher, n£mlich, dag sich im Gebiet des Obliquusansatzes vorwiegend die t~isse finden. Wenn man bald 1000 Net.zhautoperationen ausgefiihrt hat, kann man an dieser Tatsache nieht zweifeln. Best ffihrt dagegen an, dab in den yon Arru~a und Gonin gegebenen sehematisehen Zeiehnungen keine H£tffung fiber den Ans/~tzen der sehiefen Augenmuskehl sieh fa, nden. )gun das wtirde in unseren Schemata, (s. Zeiehnung 3 und 4 meiner Arbeit,) aueh nieht genau stimmen. Es sind eben Schemata. So genau wit aueh jeden Fall im aufreehten Bild zeiehnen, darum haben wir uns bei der Zeiehnung nieht gek/immert. Aber bei der Operation ~drd der Rig auf der Sklera diathermisch oder mit Elektrolyse genau bes%immt und dann lag er eben am h~ufigsten in der Gegend des 0bliquusansatzes. Dadureh wnrden wir oft bei der dia~hermisehen Umgrenzung des Rig- randes und des Rigversehlusses gestSrt. Ob meine Erkl~rung des Zu- sammentreffens yon Obl. sup.-Ansatz und NetzhautriSstelle zutrifft, ist sine andere Frage, an dieser Tatsaehe, die ieh so oft meinen Assistenten demonstrieren konnte, ist nieht zu zweifeln. Vielleieht gibt ein anderer eine bessere Erkl/~rung.

Graefes Arch. 143.