zur geschichte der isomerie der fumarsäure und der maleïnsäure;

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161 Zur Geschichte der Isoinerie der Fuxnarsaure und der Malei'nsaure ; von Richard Anschi!&ta. (Mittheilung am dem chemischen Institut der L'nivorsitlt Bonn.) Die Art der Isomerie, als deren Typus nian die Fumar- slure und Maleinslure betrachten kann, gewinnt immer mehr an Bedeutung seit man theils mit, theils ohne genugendc Grunde eine grofse Anzalil anderer isomeren Kohlenstoffver- bindungen in dieselbe Kategorit! zu rechnen bepinnt. Bei der scheitibaren Einfachheit der Zusammensetzuiig der Fumarslure und der Maleinsaure , ihrer nahen Verwandtschaft zu vielen organischen Verbindungen von gut bekannter Constitution, bei den merkwiirdigen Ucbergangen beider SIuren und einiger Derivate in einander, bei dem innigen Zusammenhang mil den isomeren Aepfelsiiuren, Weinsauren und den Kiirpern der Furfurangruppe bietet die Auffiildung einer durch Experimentc gestiitzten, befriedigenden Erkliirung der Isomerie der Pumar- und Maleinsaure eine Aufgabe dar, deren Losung von funda- mentaler Bedeutung fur die organische Clieinie zu werden verspricht. Ehe ich es daher unternehme, meine Ansichten uber diesen Gegenstand zu entwickeln, wird es zweckmifsig sein die wichtigsten zur Erklaruiig der Isomerie der Fumar- slure und der Maleinsaure in die WissenschaR eingefuhrten Hypothesen ubersichtlich zusammenzustellen und zu eriirtern. Mm kann diese Hypothesen in zwei Klassen eintheilen : erstelis in solche nach denen das Molecul der einen Siure als doppelt so grofs anzusehen ist nls das der anderen Saure, zweitens solclie nach denen beide SIiuren ein gleich grofses Molecul besitzen.

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161

Zur Geschichte der Isoinerie der Fuxnarsaure und der Malei'nsaure ;

von Richard Anschi!&ta. (Mittheilung am dem chemischen Institut der L'nivorsitlt Bonn.)

Die Art der Isomerie, als deren Typus nian die Fumar- slure und Maleinslure betrachten kann, gewinnt immer mehr an Bedeutung seit man theils m i t , theils ohne genugendc Grunde eine grofse Anzalil anderer isomeren Kohlenstoffver- bindungen in dieselbe Kategorit! zu rechnen bepinnt. Bei der scheitibaren Einfachheit der Zusammensetzuiig der Fumarslure und der Maleinsaure , ihrer nahen Verwandtschaft zu vielen organischen Verbindungen von gut bekannter Constitution, bei den merkwiirdigen Ucbergangen beider SIuren und einiger Derivate in einander, bei dem innigen Zusammenhang mil den isomeren Aepfelsiiuren, Weinsauren und den Kiirpern der Furfurangruppe bietet die Auffiildung einer durch Experimentc gestiitzten, befriedigenden Erkliirung der Isomerie der Pumar- und Maleinsaure eine Aufgabe dar, deren Losung von funda- mentaler Bedeutung fur die organische Clieinie zu werden verspricht. Ehe ich es daher unternehme, meine Ansichten uber diesen Gegenstand zu entwickeln, wird es zweckmifsig sein die wichtigsten zur Erklaruiig der Isomerie der Fumar- slure und der Maleinsaure in die WissenschaR eingefuhrten Hypothesen ubersichtlich zusammenzustellen und zu eriirtern.

M m kann diese Hypothesen in zwei Klassen eintheilen : erstelis in solche nach denen das Molecul der einen Siure als doppelt so grofs anzusehen ist nls das der anderen Saure, zweitens solclie nach denen beide SIiuren ein gleich grofses Molecul besitzen.

i 62 A n s c h u t e , zut Geschichte der Ismerie

Schon im Jahre 1838 sprach sich L ieb ig* ) in der ersten seiner klassischen Abhandlungen : ,,Ueber die Consti- tution der organischen Sauren" iiber das Verhlltnifs zwischen Fumar- und Maleinslure folgendermafsen aus : .Es ist m6g- lich, dafs die Equisetsaure (der damals gebrauchliche Name fiir Maleinsaure) C8H106 f 2aq. und die Fumarsaure CIHpOj + aq. ist, dafs also die Verwandlung der einen in die andere auf cine lhnliche Art vor sich geht, wie die der Cyanurslure in Cyanshure, wo sich bekanntlicli das Atom der einen in drei einfachere Atome der anderen spaltet.'l In Uebereinstim- mung mit dieser Auffassung ist E r I e n m e y e r's **) im Jahre 1870 mitgetheilte Vorstellung uber die miiglicherweise vor- kommende Bilduiig polymerer Modificationen bei Carbonsauren, er sagt : ,,Ich tialle es fur iiidglich und sogar fur sehr wahr- scheinlicti, dafs bei den Siuren ebenso wie bei deli Aldehytien - (lie Sauren sind ja nichts anderes als Hydroxyaldehyde - Polymerisirungen vorbommen , sowie dafs auch zwei oder mehrere Molecule verschiedener Siiuren zu grofseren cherni-

schela llloleculen zusamirieritreten kiinneii. llit dieser An- nahine liefse sich nicht nur die Margurinsiure, die Benzo+ zinirritslure (Elaidinslure ?) , sondern sogar die Traubensaure und vielleicht die Maleinshure , sowie noch viele andere eigenttiumliche Verlialtnisse , die wir an gewissen Sauren beobachten, erklaren oder verstehen."

Bei der grofsen Analogie, welche nach den grundlegenden Untersuchungen voii K e k u I I! ***j und yon Fi t t i g +) zwischen Mesaconshure und Funiarsaure einer- , Citraconsaure und Maleinsaure andcrerseits vorhandeii ist, darf man cine in Be-

*) Diese Annalen Pa, 168.

**) Ber. d. deutsch. chem. Ges. 8, 342 Born. ***) Diese Annalen Suppl. 1, 129, 336; a, 8b. t) Dasefbst 188, 42; l B 6 , 56, 169.

der Yumarsaure utid der Maleinsiiure. i 63

treff der Natur der einen dieser Siuren ausgesprochene Hypo- these auch auf die analoge ubertragen. Ich erwahne daher, dafs 1875 H e n r y *) fur die Mesaconsaure unter anderem die Ansicht in Betracht zog, sie sei vielleicht eine polymere Modification der Citraconsaure. Schlrfer betonte ein Jahr spiter M a r k o w n i k o f f **) die Auffassung der Mesaconsaure els polymere Citraconsaure. Auch ilin veranlafst hierzu, wie H e n r y, der im Vergleich zu dernjenigen der Isorneren hoch- liegende Schmelzpunkt der Mesaconsaure, ferner die Umwand- lung der Citracoosaure in Mesaconsaure durch Erhitzen init Salpetersiiure, Chlorwasserstoff- und Jodwasserstoffsaure. In Uebereinstimmung mit Mark o w n i k o f f 's Ansicht uber die Natur der Mesaconsaure theilte E r I e n m e y e r ***) vor einigen Monaten mit, dafs er - entgegen seiner fruheren Neinung - die Fumarsaure als die polymere Maleinslure und als analog der Traubensaure constituirt auffasse : ,,Die Traubensaure ist ,,gewXs ein solches Doppelmolecul aus Rechts- und Links- ,,weinsaure , die Fumarsaure gewif's aus zwei Moleculen ,,MaleInsaure zusammengesetzt :

HO.OC CO.0H HO.0C CO.OH I I I I

HO.HC CH.OH HC CH I I II 11

HO.HC CH.OH HC CH I

HO . &C. I OH HO . )COH Traubensllure. Fumarsllure."

.In der That hat diese Vorstellung oder einc iihnliche menches fur sich. Vor einigen Jahren zeigteri nlmlich K e k u 1 k und ich $), dafs zmischcn Traubensiiure und Fumar-

*) Bull, 800. chim. a8, 353. "*) Diem Annalen lea, 356.

***) Ber. d. deutsch. chem. Gee. lS, 1937.

f) Ber. d. deutsch. chem. Gee. 18, 2150; 14, 713, vgl. Tanatar dnselbst lb, 2293; 18, 159, 1383; K e k u l 8 , diese Annalen 113, 124; daselbst Suppl. 1, 375; Perkin und Duppa , da-

i 64 A n s c h ii t a , zur Geschichte d e r Isomeric

saure einerseits, inactiver Weinsaure und Maleinslure anderer- seits ein genetischer Zusammenhang besteht , indem Fumar- saure und Maleinsaure bei der Oxydation mil Kaliumperman- gaiiat in Traubensiiure beziehungswcise inactive Weinsaure ubergehen. Am Ende unserer zweiten Abhandlung zogen wir aus diesen Thatsaclien Folgenden Schlufs : ,,Es kijnnte ,,vielleicht die Ursaclie der Isomerie der Fumarsaure und der ,,Maleinsiiure derselben Art sein , wie die der Traubensiure ,,und inactiven Weinsiiure. Dann sollten aufser dcr inactivcn ,,noch zwei active Modificationen der Maleinslure existiren, ,,die durch Spaltung der Fumarsiiure miifsten erlialten werden ,,kBnnen.(' Ich fiige hinzu, dafs die zalilreichen Versuche, die Fumarsiiure in optisch active Componenten nach den in andwen Fillen bewiihrlen Methodcn zu zerlegen , erfolglos geblieben sind.

So nahe indesscn durch das Resultat der Oxydation dcr Schlufs gelegt ist die Funiarsiiure RIS aus Reclits- und Links- weitisaure zusamtnengesetzt anzunehnien, so ist er doch kcine nothwendigc Folgerung, j a er warde sogar unberechtigt er- scheinen, wenn inan die v a n t 'H o f f - L e B e I 'sche Theorie ") als riclrtig anrimmt. Nach dieser Theorie sind Formeln fiir Funiarsiiure und f\ir Maleinshe abgeleitet worden , nach welclien beide Sauren nur verschieden sind durch die riium- liche Lagcrung der mit jeder der beiden CH-Gruppen ver- bundencn COOH-Gruppen. Stimmt man dieser Auffassung zu, so wire die Endscheidung der Frage nach der Lmnerie

eelbst Il?, 130; P a s t o u r , daselbst Buppl. 8, 242 Anm.; J u n g f l o i s c h , Bull. noc. chim. IB, 60, 194; 41, 214, 226; W y r o u b o f f , daselbst 41, 210; Pasteur', daeelbst 41, 215; A n s c h u t z , diese Annalen tS6, 191.

*) Le B e l , Bull. soc. chim. t a , 337; 8 3 , 300, v a n t ' H o f f , Lagorung der htomo im Raume bearboitet von F. H e r m a n u , Brauuschwoig 1877, S. 13, 21, 29.

der Fumarsaure und der Mnlei'nscYure. 165

der Funiarsiiure und der Maleinsaure auf ein der experimen- tellen Forscliung noch kaum zugangliches Gebiet verlegt. Dabei mufs es aaffallend erscheinen, dafs die geringe Ver- schiedenheit in der riiunrlichen Lage der COOH-Gruppen eine so weit gehende Verschiedenheit der Eigenschaflen verur- sachen soll, wie sie thatsachlich die Fumarsaure und die Maleinslure zeigen.

Um es noch einmal zu wiederholen : Der von K e k u 1 e und mir nachgewiesene genetische Zusammenhang der Fumar- saure und Traubensaure bildet zur Zeit die einzige thatsach- liche Grundlage fiir die Annahme, der Fumarsiiure ein doppelt so grofses Molecul als der Maleinslure zuzuschreiben. Die E r I e n m e y e r 'schen Formeln f l r Traubensaure und Fumar- saure xeigen eine M6glichkeit +heinbar abnorme Isomerie- fdle und sonstiges scheinbar abnormes Verhalten von Carbon- sauren chemisch zu erkliiren", ohne dafs bis jetzt ein experi- menteller Reweis fur die Richtigkeit dieser Erklarung vorliegt. Die v a n t '11 o f f - L e B e 1 'sche Theorie, rnit der die Annahme der Existenz einer Rechts- und Linksnialeinsaure im Wider- spruch steht, giebt dagegen auch fur die Fumarsaure die eiiifache Pormel und sieht den Grund der Verschiedenheit der Fumar- und Maleinssure, denen die gemeinsame chemische

CH . COOH CH. COOH

Forniel : I I zukommt , in der verschiedenen rium-

lichen Lagerung der COOH-Gruppen. Ich wende mich nun zu den anderen Hypothesen, nach

welchen die Fumarsiiure und die Maleinsaure ein gleich grofses cheniisches Molecul besitzen und die Verschiedenheit der Eigenschaften beider Siiuren auf die verschiedenartige Bindung der in h e m Molecul jeder Saure enthaltenen gleich grofsen Anzahl von Atome zurlckgefuhrt wird.

Xunachst soll das Hauptargument fur die einfache und

166 A n s c h ii t z, zur Osechichte der Isom&

gleiche Moleculargriifse beider Siiuren auf seine Stichhaltigkeit untersucht werdcn.

Man pflegt liiiufig aus der Danipfdichte eines fliichtigeo Abkominliiigs einer selbst riicht unzersetzt vergasbaren Sub- stanz nicht nur Schlusse auf die Woleculargrofse des Ab- k6nimlings, sondern auch der Substanz selbst irn feesten Zu- stand zu ziclicn. So haben liii bii e r und Sch r e i b e r *) gezeigt, dafs die Dampfdichle des Fumarsaureathyliithers und die Dampfdichte des Maleinskureanhydrids der einfaclien Formel beider Sulmtanzen entspriclit und sie liahen daraus gefolgert dafs auch die feste Fumarsaure und die Maleinsaure die gleiche, der einfachen Formel : C4H404 entsprechende Mole- culargrofse besitzen mussen. Es liegt auf der Hand, dafs ein derartiger Schlurs im Grunde geiiommen unberechtigt ist und urn dies zu demonstriren scliien mir bei dem genetischen Zu- sarnrnenhang zwischeri Traubensiiure und Furnarslure ein Traubensaureather das geeignetste Versuchsobject. Eine von meinem Freunde B e n n e r t auf meinen Wunsch ausgefiihrte Dampfdichtebestiininung nach H o f i n a n n des Treubensiure- ithylathers **) zeigte, dafs die Dainpfdichte dieses Aethers zu der einfachen Formel : CRH1,OG fuhrt. Dieses Resultat war fur inich nicht iiberrdschend, da Traubensiiure- und Rechtsweinsaureither mit dern gleichen Alkoholradical unter gleichen Druckverhaltnissen gleiche Siedepunkte besitzen. Ferrier stellte ich den Linksweinsiuremetliylather dar und bewies, dafs er sich iiiit der gleichen Cewiclitsrnenge Rechts- wcinsaurernethyliither zu der doppelten Gewichtsmengt: Trauben- siiuremethyliither vereinigle. Marl i n u b folglich annehmen, dafs bei dem Erliitzen auf den Siedepunkt auch unter ver-

*) Zeitschr. f . Chem. N. F. ?, 712; vgl. I I i i b n o r , Ber. d. deutach. chem. Ges. 14, 210.

**) A u s c h u t z , deselbst I@, 1399.

der Fumarsaure und der Maleznsiiure. i 67

mindertem Druck die Trauhensiureather zerfallen in Rechts- und Linksweinsaureather , die sich bei der Ahkuhlung der Dampfe wieder zu Traubensiureather vereinigen. Bei deni genetischen Zusammenhang zwischen Traubensaure und Fumar- saure ist demnach die auf die einfache Formel C8HIYOI stimmende Dampfdichte des Fumarsiureiithers ganz sicher kein endgiiltiger Beweis fur die einfache Formel dieses Aethers und der Funiarsaure selbst, also such kein Argument gegen die Annahme der verdoppellen Formd *).

Man nimmt seither allgemein a n , (Ids die sauren Eigen- schafien der Fumar- und Maleinsiiurct durch das Vorhanden- sein von zwei Carboxylgruppen verursacht sind. Die nachst- liegenden Formeln, in denen die Isonierie der beiden Sauren ihren Ausdruck fande, waren alsdann die folgenden :

AOOH CH 11 . COOH fW00E CH . COOH CH, Fumarsiiure blalcinsllnre

oder umgekehrt. Diese frther von V. v. Ri c 11 t e r **) und Anderen bevorzugte Auffassung hat man wohl allgemein auf- gegeben, weil sie mit dem Verhalten und den einfachsten Umwandlungen der Sauren nicht im Einklang steht. Ich erinnere nur an die Bildung derselben und zwar der Aethylen- bernsteinsaure aus beiden Sauren, an die Nichtabspaltung yon Kohlensaure bei dem Erhitzeii sowohl der Fumar- als der Maleinsaure. Das Alles ist so of? erBrtert worden, dafs es ____._

Ich will beiliiufig bemerken, dab ich eine Reihe von Dampf- dichtebestimmuugen nach A. W. H o f mann ' s Metbode von ver- schicdenen Aothern der Fumar- und Male'iualiure, der Mesacon- und C i t r acodure im Bonner chemischen Institut ausfiihren liefa. Die alle auf dio ainfachen Formeln stimmenden Versuchsresultate sollon bei einer ktinftigen Oelegenhoit ausfuhrlich veriiffentlicht werden, ebenso die Versuche zur Reduction der Aether.

Zeitschr. f. Chom. N. F. 4, 453.

AnSCht.itS.

168 A n s c h ii t z , zur Gescha'chte der Isomerie

mir uberflussig erscheint , darauf noch einmal einzugehen. Vorzugsweise um die Bildung der Aetliylenbernsteinslure bei der Reduction beider Siiuren zu erklaren schlug K e k u I i: *) vor in einer der Sauren und zwar in der Maleinslure ein Kohlenstoffatom mit zwei freien Valenzen anzunehmen. Setzt inan sich uber die Bedenken hinweg, welche der Annalime zweiwerthiger Kohlenstoffatome in organischen Verbindungen entgegenstehen, so lilht sich nicht leugnen, dafs, wie P i t t i g +*) vor etwa zehn Jahren gezeigt hat, eine grofse Anzahl Reactionen der Fumar- und laleinsiiure sich mit der ,,Lucken- formel der Maleinsauru" sehr einfach und elegant erklaren lassen. Die nachfolgeiiden Formeln fijr Fumar- und Malein- siure :

CH . COOH II I CH . COOH CH,COOH Fumarsiiure Male'insiiure

halt F i t t i g ***) lieute noch fur den geeignetsten Ausdruck fur die Constitution der beiden Sauren. B ei 1 s t e i n +) ist der- selben Ansiclit und gewifs die ineisten anderen Chemiker ebenfalls. Fragen wir uns : warum wird dcr Maleinsiure und nicht der Fumarslure die Luckenformel zugeschrieben , so wird die Antwort ganz im Sinne R o c h led er ' s #), der den Ausdruck ,,Ilckenhafte Verhindungen" in die Wissen- schaft eingefuhrt hat, ausfallen : Die Maleinsiure addirt leichter Brom als die Fumarsaure. K e k u I C; und S w a r t s +++) drircktm

=C . COOH

*) Dieso Annalen Buppl. a, 111; Zeitschr. f. Chem. 0 , 12, vgl. K o l b e , daselbst6, 1 8 ; E r l e n m e y e r , daselbst 6, 21; C l n u s , theoretische Betrachtungen und deren Anwendung zur Syetcmatik dcr organisclion Chemie, Freiburg i. B. 1867, 200.

**) Diem Annalen 168, 100; Ber. d. dentach. chem. Ges. 10, 518.

***) Lehrh. der org. Chem. 1887, 276 Anm. f) Handb. der org. Chem. 1886, 1, 616.

tt) Zoitschr. f. Chein. V, 261.

ttt) Daselbst N. F. S, 651.

der Fumarsb'tcre und der Mnlefnsaure. i 69

sich ain Schlusse einer Abhandlung : .[:eber die Cotistitution der Itaconsaure, CitraconsCiure und Mesaconslure' folgender- mafsen uber diesen Punkt aus : ,,)ran wird z. B. die Fumar- ,s(iurc als der Mesaconsaure analog und folglich als die walire ,Homologe der Dlesaconsaure anselien ; in der Naleinsaure ,degegen wird man freie Verwaiidtschaften annehmen und ,man weifs in der That, dafs sie leichter additionelle Verbin- ,dungen erzeugt, als die mil ihr isotnerc Fumarsaure."

Abgesehen davon, dafs bei der Fumarsaure die langsame Bromaddition wesentlich von der schweren L6slichkeit der Fumarsaure und ihres Bromadditionsproductes verursacht wird, addiren die Fumarsiureather so leicht Brom, wie irgetid eine nialei'iisaureverbindunb3. *). tlierniit fiillt die wesentlichste Ver-

=c. COOll ~ t l o C O O H

anlassung fur die Maleirtsaure, die Formel : zu

bevorzugen, weg und ich glaube, dafs meine vor Jahren ausgesprochene Behauptung, man k6nne niit gleich gutem

=CCOOH Crund der Fumarsaure die Formel : I und der

CH,COOH CH . COOH

Maleinsiure die Formel : II beilegen , vollkomrnen C H . COOH

gerechtfertigt war. Eiiier der Hnnpteinwande gegcn die Liickenformel, einerlei

fiir welche der beidttn Siiuren mati sie anwendet, ist die Bil- dung von Traubensiiure und inactiver Weinsaure aus Pumar- saure beziehungsweise Maleinsaure. Diese Thatsachen sprechen

dafiir, dds in beideii Sauren die II -Gruppe vorlianden ist.

Zu derselhen Annahme fuhrt die Spaltung der S iuren bei der Electrolyse **), sowie das Resultat der Bestiiomung der Mole-

CH

CH

*) A n s c h i i t z , Ber. d. deutsch. chem. Ges. 12, 2282; 10, 1887. *a) K e k u l d , diem Annalen lS1, 87.

Annrlen der Chemle 230. Bd. i2

i 70 A n s c h ii t z , zur Geschichte der Isomerie

cularrefraction *) ihrer Aether. Nimmt inan aber in beiden CH

CH Sauren die ti -Gruppe an und schreibt ihnen gleiclie Mole-

culargrgfse zu, so mufs die Verschiedenheit der Eigenschaften, wenn niaii nicht zu der v a n t ' t loff-Le Bel'sclien llypo- these seine Zuflucht nehmen will, in den Bindungsvertilltiiissen der Sauerstoffatoine und Hydroxyle begriindet sein. Allcr- dings mufi man alsdarin die Ansicht, dafs in dern Molecul jeder der beiden SPuren zwei Carboxyle vorliariden sind, fallen lassen, was zu folgenden drei der Theorie nacli denk- baren Forinelausdrucken fiihrt :

CHC OH .OH \' CH . COOLI CHC:/OH jl v..

C H G O I c/' /YOl

' 11. 1) >o ; 111. . , 0,:;0. I ' I* II

CH . COOH

Die Miiglichkeit dieses Auswegs aus den1 Dilemma, in welchern sich die organische Chernie gegenuber dcr Isomerie der Fuinarsaure und der Nalei'nsaure befindet , ist sttither unbeachtet geblieben, aber sie ist bereits zweinial ineiiies Wissens geiufsert worden, wenn aucli nur verinuthungsweise und ohne allc und jede Regrundung. Da icli irn Nachfolgenden versuchen will zu bewaserc, dafs der Fumarsiure die Formel I, der Maleinsaure wahrsclieiiilich die Formel 11 beigelegt werden m u k , so setzo icli die yon W. H. P e r k i II und yon W. R o s e r lierriihrenden Aiideutungen w6rtlich hierlicr.

*) G l a d s t o n e , Ber. d. deutscb. chem. Qes. 14, 2544; I tr i ih l , daeelbst 14, 2736; K a n n o n i k o f f , Journ. prakt. (:hem. N. F. Sa, 500. - Auf m e h e Vuranlwsung bat llerr C. K n o p s dio Bestimmung der Molecularrefraction VOII zusanlme11 12 Aethorn der Maleinsiiure und F u m a d u r e , der CitracousPure, Mesacon- slum und Itncoiislure Zuni Gegeustaud einer oingehondou Expe- nmeutaluntersuchung gemacht , deren Bosultato mit dom be- weisonden Zablenmaterial nlchstens veriiffuutlicht wcrdun sollull.

-

dnschiilz.

der Fumarsaure und der Maleinsawe. 171

W. H. P e r k i n sen. *) fand uiiter anderem, dafs die FumarsBure tnit Acetylchlorid dasselbe Anhydrid liefert wie Maleinsawe und knupft hieran folgetide Beinerkung :

,,Durch alle diese Beweisgriinde ist man, wie es den ,Anschein hat, zu dem betnerkenswerthen Factum gelangt, ,,dafs es nur ein Anhydrid fur Malein- und Fumarsiure, nur ,,ein Anhydrid fur Citracon- und Mesaconsiiure und nur ein ,,Anhydrid fijr a- und fl-Cumarsiure giebt.'

,,Worauf konnen aber dann die lsomerien dieser Siiuren ,,beruhen, wenn es nicht in dem Stellungsunterschied ihrer ,,Hydroxylgruppen zu den Radicaleti liegt '?'

Weit bestiinmter hufsert sich W. R o s e r **) : ,,Die lsomerie der beiden Diphenyldicarbonsauren , der

,,Di~he7lyZbernsleinsiiu,.en, welche R e i m e r (Ber. d. deutsch. ,,them. Gcs. 14, 1802) aus Stilbendicarbonsiiure erhielt und ,,welchc beim Behandeln n i t Salzsaure resp. Baryt in einander ,,iibergehen, firidet in den folgenden Formeln eine einfache ,,Erklarung :

,CfI CBH,CH. C, 011 C,H,. CH . COOH

C,H,. CH I COOH

,,Die entsprechenden Beziehungen der Malefnnaaurs und ,,Fumarsaure und der Cumarsauren kann man vielleicht am ,,einfachsten durcli analoge Formeln darstellen."

i wid 3) 1) i >o COHaCLI I CO

R o s e r fugt hinzu : ,,Wenti die Phtalviiureuther analog der ersten Formel

,,constituirt sind, also z. B. :

*) Ber. d. deutsch. chem. Ges. 1.1, 2546.

**) Daselbst 16, 2347.

12 *

i 72

.so ist deren glatte Bildungsweise aus Phtalylchlorid leicht ,,verstandlich, andercrseits ist dann aber die miigliche Existenz ,,einer weiteren isomeren Phtalslure und auch Bernsteinslure ,, angezeigt.'

Hieraus wird crsichtlich, wie sehr R o s e r's Anscliauiingen von der Erkenntnifs, das Phtalslurechlorid sei unsyinmetriscli constituirt, beeinflufst worden sind und icli will daher tin die wichtigsten Grunde fur unsere jetzige Ansicht von der Con- stitution des Yhtalsaureclilorides erinnern.

Bekanntlich wies H e s s e r t *) zuerst nacli, dafs die bei der Heduction des Yhtalylchlorides entstehentle Verbindung nicht, wie inan friiher annahm, dt!r Dialdehyd dcr o-Phtalsaure, sondern das innere Anhydrid der o-Alkoholcarbonsaure :

A n s c h ii t z , zur Oeschichte der Isomerie

)[I] CHSOH W I

lI21COOH ist, dem er den Nimen I'htalid und die Constitutionsformel :

heilegte. Der Huckschlurs, den Generator des Phtalids, das Phtalylchlorid, als Dichlorphtalid aufzufassen , lag nahe und fand eine hreitere Unterlagc, R I S v. B a e y e r **) zeigte, (Ids das aus Phtalylchloriir, Benzol und Aluminiumchlorid erhaltene Phtalophenon ein l'riyhe~iylmethauabkiirnmling ist und zwar Diphenylphtalid :

Ausgchend von der Voraussetzung, die I'htalsaure enthalte zwei Carhoxyle, ihr Silbersalz lieferte dernnach symmetrische

*) Ber. d. doutsch. cliem. Ges. 10, 1445; 11, 237. **) Diem Annalen ZW3, 50.

der FumnrsBure und der Maleinsaure. i 73

Aether , versuchte G r a e b e *) oh nicht vielleicht aus dem Plitalylchlorid die isomeren unsymmetrischen Aether zu er- halten waren. Bci der Phtalsaure selbst gelangte G r a e b e nicht sicher zu dem gewiiiischten Resultat, wohl aber bei der Tetrachlorphtalslure, deren Silbcrsalz ihm mit Jodiithyl einen bei 600 schmelzenden Aethylatlier lieferte, wiihrend aus dem Tetrachlorphtalylchlorid mil Natriumiithylat der bei i24O schmelzende isomere Aethyliither entstand. G r a e b e zieht hieraus den Schlufs : ,Es ist hier wohl keiiie andere Erkla- ,rung miiglich als die, dafs der orsten Verbindung die Formel :

,,zukommt und die zweite folgende Constitution besitzt : C(OCSH6h

C6H,/ >O .' 1 co

Einen Riickschlufs auf die MBglichkeit der Existenz zweier isomeren Tetrachlorphtalsluren machte G r a e b e nicht , dazu fehlte damals jedc experirnentelle Grundlage. Auch is1 die Ivleinung, in cincr Diearbonsaure miifsten nothwendig zwei Carboxylgruppen vorhanden sein , zu fest eingewurzelt, als dafs Formeln wie die folgende :

/OH C, otl C,CI, >o

ICO

fur die denkbare isomere Tetrachlorphtalsaure ohne zwingende Beweisgriinde auf Zustimmung zu rechnen hatten. Ferner bot es fur das Verstlndnirs keinerlei Schwierigkeiten , die

Urnwandlung des Chlorides : C6tl,- >O in die Saure : \ \ I 1 CCIP

' [2J co

*) Ber. d. deutsch. chem. &a. 16, 860.

i 74 A n s c h ii t 2, zur Qeschichte der Isomerie

c6H4];; ;;;; und die umgekehrte Reaction naturlich zu

finden. Der Boden fur die Auffassung mancher Ketoncarbonsduren

als Oxylactone wiirde jedoch kiirzlich geebnet durch die wichtige Entdeckung der Acetylliivulinsluro von Bred t *). Nach den Versuchen von B r e d t bin ich nicht mehr irn Zweifel daruber, dab die Liivulinsaure als y-Oxyvrtlerolacton anzusehen ist. Icli stelle die alte und die neue Formel der Lavulinslure neben einander :

clr, (:I1,cocEIs CII,C/OH

I. ! f 11. I ,>o . CLI,COOH ClI,C=O

B r e d t zeigte ferner , dars die IAvulinsiiure nicht allein steht, sondern dafs wahrscheinlich eine ganze Anzalil y-Keton- sauren analog constituirt sind. Dicse Erfahriing erweitert unsere Ansichten uber die Natur der y-Oxyketonsauren wesentlich. Die Theorie liirst offenbar zwei Reilien isomerer Verbindungen voraussehen , y-Ketonsiiuren und ihneii cnt- sprechende y-Oxylactone. Zweifellos sind die init den u-, 8-, y-Kohlenstoffatomen verbundenea Atome oder Atoni- gruppen von grofstem Einllufs auf die Leichtigkeit mit der die Lactonbildung erfolgt und es mufs spateren Forschungeli vorhehalten bleiben zu lehren, in welchen Flllcn die y-lieton- saure, in welchen das entsprechende y-Oxylacton am bestin- digsten ist und wann beide isomeren Verbindungen zu existiren verm6gen **). Dehnt man diese Betrachtungen von den

") Dieeo Annalen 286, 225.

**) Vergleicht man die Llvulimiiure niit der Bermtoinsnure, so wird man dazu gefiilirt, d a h es vielleicht bei der ungeslttigten IAvulinslture eher wio bei der Llvulinsllure solbst moglich if&, die leidon ieomoren Modificationeu, diu der Fumarslure und der

der Fumarsuure und der MaZei'nRaure. i 75

y-Ketonsauren auf die y-Dicarbonsluren aus, wie dies B r e d t schon andeutungsweise am Schlusse seiner eben citirten Ab- handlung gethan hat, so stiinden isomere y-Dioxylactone zn den y-Dicarbonsluren m dem analogen Verhaltnifs wie y-Oxy- lactone zu den y-Ketonsauren. In den y-Dioxylactonformeln befinden sich allerdings zwei Hydroxylgruppen an demselben Kohlenstofftitom; allein dies ist auch bei dem Chloralhydrat, der Dlesoxalslure, der Dioxyweinsaure und anderen Verbin- dungen der Fall, bei denen dieses Kohlenstoffatom wie in der neuen Dfalei'nslureformel mit stark negativen Gruppen ver- bunden ist.

Ich will nun einmal annehmen, wir verm6chten es in der ungesittigten Llvulinsiiure, die wahrscheinlich in L. W o 1 f f 's sogenannter Acetacrylsaure vorliegt , also in der SIure , die sich zur Liivulinsiiure verhielte wie Aethylen zu Aethan :

,CH,

I >o 5

CH . C/ OH

CH . C=O

die CH3-Gruppe gegen Hydroxyl auszutauschen , sn wurde eine Saure von der Forinel :

,OH CH . C, OH 1: >o CH . C=O

entstehen. Diese Saure miifste, wie nian sieht, Maleinslure win , wenn der Dlaleinsaure in der That die neue Formel zukiinie.

Umgekehrt ware es daher ein sehr starkes Argument fiir die neue Maleinslureformel, wenn wir aus der ungesittigten Livulinsiiure die Maleinslure auf dern angedeuteten Wege

MaloPndure entaprechen, festzuhalten. Wie mir Herr Dr. Bred t mitgetheilt bat, ist er seit llingerer Zeit mit Versuchen in diaser Richtung beschgftigt. Amchiitz.

i 76 A n s c h ii t z , zur Geschichte der I s m e t i e

gewinnen wiirden. Diese letzlere Reaction ist in der That vor einigeii Jahren meiner Meinung nach verwirklicht worden.

Ke ku16 und S t r e c k e r *) zetglen niimlich, dafs die Trichlorphenom~lsiure nichts anderes ist als eine ungesiittigte Lavulinsiure , in welclier die Wasserstoffatome der Methyl- gruppe durch drei Chloratome ersctzt sintl. Die Trichlor- phenornalsiiure hat aber aller Bcsclireibung nacli die Eigen- schaften eines Lactons in vie1 hoherem Make als die Livulin- siiure ; sie besitzt einen angenehmen Geroch und is1 mit den Wasserdiinipfen fluchlig. Es liefse sich dalrer der K e k u 1 i!- S t r c c k e r 'schen Aull'assrrng der Trichlorphenorna1s;ure eine Formel gegeiiuber stellen, nacli dcr die Triclilorplierioinalsiiure als das niit der $-Trichloracetylacrylsiiurc isomere y-Oxylacton erscheint :

~ i c h l o r ~ l i e n o m a l t ~ u r e :

CHCO . CCI, CH. C,OH

CHCOOEI nlto Formel nouo Formel.

,CCI.

1 , )O CH . C=O

II

Rehandelt man die Trichlorphenornalsaure init Barytwasser, so eiitslelit in der That, wie K e k u l 6 und S t r e c k e r gezeigt haben, neben Chloroform maleinsaures Baryum meiner Ansicht gemafs nach folgender Gleicliung :

CCI, o\ CH . C,<OH CHC( 0, "* ]I >O + Ba(OH), = I/ >O + CCI,H + HtO. CH . C=O c L I c = o

Diese und die aiideren lieactionen der Trichlorphenomal- saure stelitm alle mil der von mir vorgeschlagenen Formel fiir diese Sluru irn Einkbng.

") Diem Annalon B 8 8 , 170.

der Fumarsaure und der Malefnsaure. 177

In vollkornmener Uebereinstiinmung mil dieser Auffassung der Spaltung der Trichlorphenoinalslure mit Alkalien und Erdalkalien befinden sich die Resultatc dcr werthvollen Unter- suchungen von H i 11 und S a ng e r *) : ,,Ueber Broinbrenz- schleimsauren". Als primare Producte der Umwandlung dieser Siiureti entstehcn namlich ebenfalls durctiglngig Abktiinmlinge der Maleinsaure und nicht der Furnarsaure. In alien gebromten Brenzschleiinsaiircn ist der ,,AethylenoxydsauerstoP schon in derjeiiigen Bindung vorhanden, welche die y-Dioxylactonformel der laleins8ure verlangt. Es wiirde mich zu weit fiihrcn, wenn icli von dieser Maleiiisiiureformel ausgehend eine Intcr- pretHtion der znhlreichen Yersuclie von H i 11 und S a n g e r *) unternclimen wollte ; ich will micli damit begnugen auf einen Punkt aufmerksam zu machen.

In der lucochlor- und der Mucobromsaure hat man friiher Suhstitutionsproducte des Ilalbaldehyds der Fuinarsaure, neuerdings solche des Halbaldehyds der Xaleinsaure vor sich zu haben geglaubt. Es ist mir indessen kaum zweifelhafl, dafs diese Substanzen analog der Llvulinsiure urid Malein- saure in folgeiider Art zu formulircn siiid :

n H H CBr($OH CClC5OH CCI . ($0. COCH, 1; )o I j )o ;; >o cBrC=<) CCIC=O CCI . c=o

Die von J a c k s o n und H i 11 **) dargestellte , offenbar der Acetylllvulinsaure analoge Acetylverbindung der Muco- chlorsaure spricht fur die Richtigkeit dieser Formeln, nach denen es selbstverstandlicli ist, dafs die genannten Substanzen nicht das Verhalten von Aldeliyden zeigen.

Die Maleinslure ist demriach als Abktimmling des Lactons

hfucobroms&ure Mucochlorslturo AcetylmucochlorsLure.

*) Diem Annalen 28b, 42.

**) Americ. chem. Journ. 8, 46.

i 78 A n s c k i i t z, zur Qeschichte der Isomerie

der y-Oxycrotonslure anzusehen , als das y-Dioxylacton dieser Slure. Denkt man sich in der Mucobrorn- oder Illuco- chlorsiiure die beiden Halogenatorne durcli zwei Wasserstoff- atorne ersetzt, so hat man das Monoxylacton der y-Oxycro- tonsiiurc, welches vielleicht in dern sogenannlen ,,Halbaldehyd der Fumarsiiure" *) vorliegt. Iler Zusammtmhang dieser Substaneen wird durch folgende Formelschemata veranschau- licht :

CHCH(Ol1) C€IC(OII), I >o .

CH . CO CHIC0 CHCO

Wenn die Illaleirisaure in der That ein y-I)ioxylactoii ist, so sollte es nidglicli sein den Lactonring dcr Maleinslure aufzuspalten. Gclirigt es alsdann das durch die Spalturig entstandene Carboxyl zu erhalten und an dem 7-Kohlenstolf- atom ein Carboxyl zu bilden, so mul'ste diese Slure Fumar- saure sein. Sol1 cine derartige Heaction fur die Constitution der liuniarsiure etwas beweiseri, so miisseri naliirlich die Reagentien ausgeschlossen wertleri , durch wclche die freie Dlaleinshure in Furntirsaure iibergetit. In der vorhergehenden Abhandlung von Herrn W i r t z uiid niir ist die experimentelle Losung dieses Probleiris beschriebeii und ich will im Nach- folgenden die Versuchsresultate erijrterii.

Erhitzt man Malei'nsaurc.aritiydrid iriit Anilin, so entsteht neben detn Anil der Phenylasparaairislure das Anil der Maleinsaure, dem cine der beiden Forrneln zukommen inufs :

I. ;I >o ; 11. I i \NC,H,. CH . CNCeH, CH . CO

CH . CO 613. c6 Jetlenfalls kann man das lalei'naoil als Abkiinimling des

Maleinsaureanhydrids betrachten. Bei der Behandlung des Maleinanils mit Amnioiiiak oder Lesser rnit Barytwasser werden

*) L i m p r i c h t , dime Annalon 166, 285.

der Furnatsiiure und der Maleinsaure. 179

Salze der Anilsaure erhalten , welche, einerlei ob dem Anil die Formel I oder I1 zukommt , folgende Constitutionsformel besitzt :

CH. CONHCJI, I1 CH . C'OOH

Der Ring in der Maleinsaure ist gespalten, eine Carboxyl- gruppe entstanden und es handelt sich nun darum den Anilinrest durch den Hydroxylrest zu ersetzen. Dies gelingt unschwer durch Verseifen mit alkoholischcm Kali und das Verseifungsproduct ist in der That nichts anderes als Fumar- saure. Die aus dein Maleinanil erhaltene Anilsaure mufs demnach als Abk6mmling der Furnarsaure betrachtet und als Fumaranilsaure bezeichnet werden , denn unter den einge- haltenen Reactionsbedingungen ist nach den bisherigen Erfah- rungen eine Uinwandlung von primar entstandener Maleinsiure in Fumarslurt? ausgeschlossen. In der Funiarsaure sind folg- lich sehr wahrscheinlich zwei Carboxylgruppen vorhanden, wofur auch die von C I a i s e n und T ti o m s o n *) ausgefiihrte Synthese der Fumarsiiure spricht.

In Uebereinstimmung mit diesen Resultaten stehen die Versuche yon 0 s t w a I d **) fiber die electrische Leitungs- fahigkeit der Fumarsaure und der Maleinslure, der Mesacon- saure und der Citraconsaure. 0 s t \v a I d freilich sieht in seinen Versuchen Argumente zu Guiisten der friiheren K e k u I 6 - S w a r t s - F i t t i g 'schen Formeln fiir Maleinsaure und Citraconsaure. Aber O s t w a1 d macht selbst auf die Aehnlichkeit im Verlialten der Maleinslure mit der phosphorigen und selenigen Saure aufmerksam, cine Aehnlichkeit, welche, wie mir 0 s t w a 1 d wohl gerne zugeben wird , mehr hervor- tritt unter Annahme der Dioxylactonformel fiir Rlaleinsaure

*) Diese Annalen SIS, 169.

**) Journ. prakt. Chem. N. F. 88, 362

180 A n a c h u t z , ZUT Ceschichte der Isomerie

als unter Annahrne irgend eines der fruher vorgesclilagenen Ausdriicke. Jetzt, nachdem durch das Slutliurri chemischer Unisetzungen die Constitution der Maleinslurtt his zu einem gewisseii Grad feslgestellt zu sein scheinl, konnte die Unter- sucliung der electrischeri Leilungsfahigkeit allerdings ein selir werthvolles lliilfsniittel zur Bestimrnung der Constilutioa tier organischen Dicarbonsiiiiren werden.

Am Sclilusse rneiner zur Begrundung der Dioxylwlon- forinel fur Maleinslure und der Dicarboxylfortricl fur Fumar- saure angestellten Iktrachtungen angelangt , rriiichte ich rioch auf einige der wiclitigsten Folgerungeri aus dieser Ansiclit hinweisen.

Da die Funiarsbure und die Illaleinsiiure bei der Oxyda- tion in Traubensiure beziehungsweise inactive Weinslure ubergehen , so ist sehr wahrscheiniich die Traubensaure als Carboxylsbure , die inactive Weinsiiuro als Dioxylacton auf- zufassen. Bei der grofsen Analogie der Futnarslure und Maleinslure rnit Mesaconsiiurc beziehuagsweise CitraconsCure miissen die sich entsprcchenden Sauren analog constituirt sein, was zu folgenden Formeln fuhrt :

CH&. COOH CH, . C . C(OH), Cl i .C(OH)s )O oder I )o

II CH . CO CH,C . CO i i

CU . COOH Mesaconallure Citracousliure.

Die Citraconsaure konnte man demgemafs bezeichrien als das Dioxylactoii dcr 7-0xy-n- oder ~-Oxy-j3-niettiylcrolon- slure. Die Theorie Iaht zwei isomere Modificationen der Citraconsiure voraussehen und ich mufs es zur Zeit unent- schieden lassen, welche dieser Modificationen in der bekanriten Citraconslure vorliegt. Die Monosubstilutionsproducte und die Halogeneddilionsproducte der SIiureri sind ganz analog zu forniulireri z. B. :

drr Fumarsaure und der Mnleinsaure. iei

CBr . C(OH), li >O oder I/ ;O CH . CO

CH . C!OH),

CBr . CO

. \ CHCOOH

CBr COOH Nonobromfumarsiure Monobrommaleins(Lure.

CHBrCOOH CHBrC(OH),

CHBrCOOFI

/I

~ ?O CHBrd!

i gew. DibrombernsteinsNure Isodibrombernsteinslure.

Die Neigung zu der Anhydridbildung wlclist bei den un- gesattigten Sauren durch Eintritt von Alkylresten oder Halo- genatomen an Stelle von Wasserstoff der an den doppelt gebundenen Kohlenstoffatomen steht, wie das Verhalten der Dibrommaleinslure und der Bromcitraconslure zeigt.

Es wird jetzt leicht verstiindlich , warum die Malei'nsaure und die Fumarsiiure, die lonobroinmaleinsiiure und die Mono- bronifumarslure, die Citraconsaure und dic Mesaconsaure n u r j e ein gemcinsames Anhydrid zu bilden und warum Malein- saure und Citraconsaure so vie1 leichter als Fuinarsaure und Mesaconsaure in diese Anhydride iiberzugehen verincgen. Andererseits ist die Verschiedeiiheit der Salze , Aether und Chloride der Sluren ebenso einfach zu erklaren.

Unter Zugrundelegung der Dioxylactonformel fir Malein- saure kann man sich zuin ersten nIal eine befriedigende Vor- stellung voii der Umwandlung der Maleinsaure in Funiarsaure mittelst Mineralsiiuren niachen, walirend die Uinwandlung der Maleinsiiurelther in Fuinarsaureather neuer Versuche bedarf um die vorliufig fehleriden Anhaltspunkte fur eine geniigende Interpretation zu gewiniien *). Auf den ersten Blick scheint

*) Her. d. deutech. chem. Gos. 11, 1644; 11, 2280. - Ich hahe meiue daiiialigen Eeobachtungeii indessen woiter verfolgt und gefunden, dafs die Uruwandlung eine gewisse Gronze nicht zu iiberschreiten scheint, d. h. dafs zmar bei waitcm der grijhte Theil, aber doch nicht die gauze zu einem Versuch nngowondte Menge des blale'insaureILthers in den entsprechenden Fumar- saureether iibergeht. Eine Trennuug der Aether selbst bietet uniiberwindliclie Schwierigkciten nnd nur weil es mir gelungen

_- -. .

I82 A n s c h ii t z , zut Beschichte dw Isornerie

allerdings ein Widerspruch darin zu liegen, dafs init Salzsaure aus den1 Lacton Maleinsiiure die Fumarsiure wird , wahrend sonst umgekehrt wasserige Siilzsiure bei Oxysiuren die Lac- tonbildunp: befikdert, aber der Widerspruch ist nur ein schein- barer. Analog wit? bei aiidereri Lactonen wird Salzsiurc aucli deri Lactonring der Maleinssure zu spalten vermiigen, das Chlor tritt bei der Maleinsiure an dasselbc Kohlenstoff- atom an dem die zwei llydroxylyruppen stehen. Diescs Chloratoni ha t daher die filliipliclrkeit entwedcr mit dem Was- serstoff des benacliharten Hydroxyls oder mit den1 Wasser- stoff des in y-Stellung befindlichen Curboxyls Salzslure abzu- spalten. Das erstere Bndet statt urid nach folgcnder Gleichung entsteht die Fumarsiiure :

CK . COOH

!I CIl . COOH

/ OH CH . C-OH

CH . COOH 'c1 - HCl =

Danach ist die Bildung tlerselbcn Monobrotnbernsteinsilure bei der Einwirkung von Bromwasserstoff auf Fumarsaure und auf Maleinsaure eine nothwendige Folge des Verhaltuns der Halogenwasserstoffsiuren uberhaupt gegcn Maleinslure.

Die Resultate der physikaliscli-chemiselien Untersuchungen iiber Fumarsaure und Maleinsaure, uber Fumarsaure- und Maleinsiiurciitlier stelien niit den von rnir begrundeten Forrneln fur diese Substunzen besser im Einklang als mit irgend eint:r der friiheren Hypothesea und es wird sicli gewifs einpfehlen die physikalischen Eigenschaften Lei Speculationen uber die Constitulion organischer Verbindungen iiiehr in Reclinung zu ziehen, als es bislicr in1 Allgenieiiien zu gesclieheii pflegt.

ist eine suf die Eigenschaften der Isaryumsalze bogrnndcte Trennungsmetkode der Male'iusllurc auch YOU vie1 Fumaraiiure nufzufiudon, ho5e ich, die Untersuchungeii zu Ende fuhreu zu kiinuen. Amschii(s.

der Fumarsaure und der iCfaleinine&we. i 83

Besonders mbchte ich weiter hervorheben , dafs durch Annahine der Dioxylactonfortnel fur Maleinsiure die v an t 'H o f f - L e B e I 'sche Maleinsiiureformel beseitigt werden wurde. Die v a n t 'H o f f - L e B e I'sche Erklarung des Zusarnmen- hanges der Fumarslure mit der Traubensaure wird dagegen durch die neue Maleinslureformel nicht beriihrt. Die Isornerie der Funiar- und Maleinsaure selbst steigt allerdings aus dem Gebiet der geometrischen lsoinerie in das der ganz gewolin- lichen Isoinerie herab. Ich habe es unter diesen Verhaltnissen verrneiden konnen, auf den von J l i c tl a e 1 eingefuhrten Begriff der Alloisotnerie niiher einzugehcn.

Uiiter den oben erorterten Umwandlungen der Futnar- saure und Malelnsiiure habe ich die Bildung der gleichen Bernsteinsaure aus beiden Siiuren nicht erwiihnt, nicht etwa weil ich es far schwierig hielt auf Grund der von mir ver- theidigten Fornieln fur Fumar- und Rlaleinsaure eine plausibele Erklarung dicser Thatsache zu gebeii, sondern weil es mir zweifelhaft erscheint, ob wir in der bekannten Bernsteinsiure eine Dicarboxylsaure oder ein Dioxylacton vor uns haben und miiglicherweise die zur Zeit fehlende Modification noch aufgefunden werdcn konnte. Uebrigens bin ich angesicllts des offenbaren Einflusses, den die an den a- und $-Kohlen- stoflatomen stehenden Atome und Atomgruppen auf das Verhnlterr der beiden Hydroxylgruppen ausiiben, weit eritfernt dawn anzunehmen, dafs von jeder y-Dicarbonsaure die der Fumarsaure und die der Maleinsiiure entsprechenden isomeren Modificationen isolirt werden kbnnen.

Diese Betrachtungen zeigen, dafs unter den experirncntell sicher gestellten Bildungsweisen und Umwandlungsreactionen der Funiarslure und der Maleinslure keine enthalten ist, durch welche die Annahme der Dioxylactonformel fur Malein- siiure widersinnig crschiene. Ich wage sogar zu behaupten, dab man auf Grund der fruheren Ansichten fiber die Isornerie

184 A n ~ c h i t t e , zur Geschichte der lsornerie u. J. w .

der FumarsSiure und der llaleinsiure die Notliwendigkeit des Verlaufes der von mir als Bcweisniaterid benutzten Reactionen : Bildung von MaleinsSiure aus Trichlorplicnornalsaure , Bildung der gebroniten llaleinsaureabk6iiimlin~c aus den gebromten Furfuranderivatcri , Bildung der Furriarsaure aus Maleiiianil gar nicht oder nur mil HuIfe wenig wahrscheinlicher Annahmen einzusehen vermag.

Es liegt nahe die sicli aus der Dioxylactonforrnel fur laleinsaure ergebendcn Folgerungen weit niehr zii verallge- meinern als dies in der vorliegeriden Abhandlurig geschehen ist , sie vor allem wenigsteris auszudehnen auf dittjenigen isomeren l'aare von Dicarbonsiiuren, die cihnliche Unterschiedc im Verhalten zu zeigeii sclieineii wie Furear- und MaleiiisSiure. lcli habe dies unterlassen, weil mir die Frage, ob die lsomerie zweier solcher Dicarbonsiuren auf dcrselben IJrsache berulit, wie bei der Fuiriarsaure und der Maltfinsiiure, zuvor einer neuen experirrientcllen Behandlung bediirflig zu sein scheint. Sclioii seit ciniger Zeit sintl cine Reihe dcrartiger ver- gleiclieiidcii Versuclie Ober die isornereri Caniphersauren, Dimettiylberiisteinsiiuren, 1)iplienylberiisteiiisiiuren u. s. w. irri hiesigen cheniischen lnstitut ini Garig. Vor allern intercssirteri inich die Diphenylbernsteinsiuren , deren Bcarbeitung ich ebenso wie die des Diphcriylrrialei'ris~ureaiiliydrids in Cemein- scliaft rnit Herrn B e n d i x aufgeiiolnrnen habe. Sollte niinilicli in der That die lsornerie der beideii Diytienylbernsteiris.' nureti auf demselbcn Grund beruhon, wie die der Furnarsiture und Maleinslure, so ware damit beuriesen, dars die Verschiedenheit der Furnar- urid Maleinsiiure unrnijglich tlarauf zurfickzufiihreri ist, dafs die ciiie Siiurc ein KohlonstoITtttoin niit zwei freieri Allinitiiten entlidt , denn diese Art der Interpretation ist fur die Diylienylbernsteinsiiureii ausgosclilosserr.

B o n t i , den 20. Miirz 1W7.