zur herkunft der habsburger

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Zur Herkunft der Habsburger. Von Aloys Sehalte. Als ich in Folge der Auffindung der Ottmarsheimer Urkunde begann mich mit der Geschichte der Habsburger zu beschäftigen, habe ich es grundsätzlich vermieden, in die Zeiten zurückzugehen, in denen nur hypothetische Schlüsse mehr zulässig sind. Es gab ja genug noch in den quellenreichen späteren Jahrhunderten zu erfor- schen und zu ergründen. Schon die Acta Murensia sind eine wenig solide Brücke; aber sie fuhren doch noch mit leidlicher Sicherheit über die dunklen Zeiten des elften und zwölften Jahrhunderts hinweg. Ich machte da Halt. Wer weiter hinaus will, der muss dürftiges, schlechtes Material zusammenraffen, bei dichtem Nebel sein Bauwerk mit den kühnsten Constructionen aufführen. Wer das beginnt, der darf sich nicht wundern, wenn sein Bauwerk keine oder nur geringe Tragkraft besitzt. Selten wird freilich dieselbe erprobt und so erfreut sich gar oft unverdienter Weise ein solches genealogisches .System' besonders in weiteren Kreisen, welche die Mangelhaftigkeit unseres mittelalterlichen Quellenmaterials nicht immer vor Augen haben, be- deutenden Ansehens. Zwei Voraussetzungen mussten meinem Ermessen nach zuerst erfüllt werden, ehe an eine nutzbringende Wiederholung genealogi- scher Forschungen gegangen werden konnnte 1 ). Die eine derselben: — eine letzte Absuchung elsässischer und nordschweizerischer Ar- chive — gebe ich heute als hoffnungslos auf; die andere — eine sorgfältige, von Vorurtheilen und Combinationsgelüsten freie Erfor- schung des Zusammenhangs und der Machtverhältnisse der elsässischen ') Vgl. meine Geschichte der Habeburger in den ersten drei Jahrhunderten, Innsbruck 1887 S. 1 (bez. diese Ztschr. VII S. 2). Brought to you by | New York University Bobst Library Technical Services Authenticated Download Date | 12/9/14 2:19 AM

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Page 1: Zur Herkunft der Habsburger

Zur Herkunft der Habsburger. Von

Aloys Sehalte.

Als ich in Folge der Auffindung der Ottmarsheimer Urkunde begann mich mit der Geschichte der Habsburger zu beschäftigen, habe ich es grundsätzlich vermieden, in die Zeiten zurückzugehen, in denen nur hypothetische Schlüsse mehr zulässig sind. Es gab ja genug noch in den quellenreichen späteren Jahrhunderten zu erfor-schen und zu ergründen. Schon die Acta Murensia sind eine wenig solide Brücke; aber sie fuhren doch noch mit leidlicher Sicherheit über die dunklen Zeiten des elften und zwölften Jahrhunderts hinweg. Ich machte da Halt. Wer weiter hinaus will, der muss dürftiges, schlechtes Material zusammenraffen, bei dichtem Nebel sein Bauwerk mit den kühnsten Constructionen aufführen. Wer das beginnt, der darf sich nicht wundern, wenn sein Bauwerk keine oder nur geringe Tragkraft besitzt. Selten wird freilich dieselbe erprobt und so erfreut sich gar oft unverdienter Weise ein solches genealogisches .System' besonders in weiteren Kreisen, welche die Mangelhaftigkeit unseres mittelalterlichen Quellenmaterials nicht immer vor Augen haben, be-deutenden Ansehens.

Zwei Voraussetzungen mussten meinem Ermessen nach zuerst erfüllt werden, ehe an eine nutzbringende Wiederholung genealogi-scher Forschungen gegangen werden konnnte1). Die eine derselben: — eine letzte Absuchung elsässischer und nordschweizerischer Ar-chive — gebe ich heute als hoffnungslos auf; die andere — eine sorgfältige, von Vorurtheilen und Combinationsgelüsten freie Erfor-schung des Zusammenhangs und der Machtverhältnisse der elsässischen

') Vgl. meine Geschichte der Habeburger in den ersten drei Jahrhunderten, Innsbruck 1887 S. 1 (bez. diese Ztschr. VII S. 2).

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und benachbarten Geschlechter — ist inzwischen zum Theil erfallt. Die Arbeiten von Gisi haben hier manche Aufklärung gebracht1).

Von ihm und Krüger wurde nun jüngst unabhängig von einan-der der Versach gemacht, die Geschichte der Habsbarger auch über die Zeit Guntrams hinaus zu verfolgen2). Beide gelangen trotz Ab-weichungen im Einzelnen in der Hauptsache zu denselben Ergeb-nissen: nach Beiden sind Zähringer uud Habsburger eines Stammes, gehen Beide auf die elsässischen Nordgaugrafen zurück, deren Nach-kommenschaft auch im Eisass in den Grafen von Egisheim fortblühte. In letzter Linie würden alle diese vou den alten Herzögen des Elsasses, den Etichoniden, abstammen. Es wäre das ein Ergebniss, welches, wenn richtig, berechtigtes Aufseben machen würde.

Es liegt mir fern, eine durchgehende Kritik der beiden Arbeiten, welche ich Punkt für Punkt nachprüfen müsste, zu geben, besonders den Zusammenhang der Zähringer und Habsburger möchte ich aus dem Spiele l a s s e n — nur auf den Angelpunkt der ganzen Unter-suchung möchte ich eingehen und zeigen, dass in diesem beide Ver-fasser höchstwahrscheinlich irren, dass ihr Hauptbeweis hinfällig ist.

Guntram den Reichen, den die Acta Murensia an die Spitze ihrer Genealogie der Habsburger stellen, mit jenem Grafen Guntram, der im Jahre 952 wegen Hochverraths verurtheilt wurde, zu identificiren, lag sehr nahe und es ist dies auch schon oft genug geschehen. Aber damit war noch nicht viel geleistet, wenn es nicht gelang, diesen Grafen Gun-tram einem bestimmten Geschlechte zuzuweisen; und das gethan zu haben, ist ein unleugbares Verdienst von Gisi und Krüger. Ihr Nach-weis, dass Guntram der Sohn des elsässischen Nordgaugrafen Hugo war, ist nicht allein blendend, sondern auch wohl sicher. Anders steht es mit dem Erweis der Identität der beiden Guntrame, für den sie neue Momente in's Feld führen konnten, seitdem die Ottmarsheimer Urkunde uns gelehrt hat, bei den Habsburgern auch auf das Eisass und den Breisgau ein aufmerksames Auge zu richten. Gleichheit der Besitzungen des Grafen Guntram's um 952 und der Habsburger in späterer Zeit ist das schwerwiegendste Beweismittel, welches ange-führt wird. Aber ist dieser Vergleich der Besitzungen überhaupt zu ziehen? Wenn von einem Geschlechte ein Kloster gegründet und dotirt wird, so beweisen viele Beispiele, dass das dem Kloster gegebene

') Bes. Guntramnue comes m Forschungen z. deutsch. Geschichte 26, 287 ff. «) K r ü g e r , Zur Herkunft der Habsburger. Jahrbuch f. Schweiz. Geschichte 18, 499—554 u. G i s i , Der Ursprung der Häuser Zähringen und Habsburg. An-zeiger für schweiz. Geschichte 1888 nr. 5 u. G. ') Ebenso lasee ich Wider-spruch gegen einzelne Behauptungen ganz bei Seite.

Mittheüungen X. 14 Brought to you by | New York University Bobst Library Technical Services

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Gebiet nun doch nicht dauernd dem Geschlechte entfremdet wurde. Man wollte ja das Kloster auch für das eigene Gebiet errichten, be-hielt sich also doch auch im Klosterbezirke Güter und Rechte vor; da die Stifter zudem meist die Vogtei behielten, fiel manches als Yogtgut wieder an ihre Nachkommen zurück. Man ist also berech-tigt, das Dotationsgut eines Klosters, zumal eines Frauenklosters, das naturgemäss der Vogtei gegenüber machtloser war, mit dem späteren Besitz des Stifterhauses zu vergleichen, wie ich es bei Ottmarsheim gethan habe. Ganz auders stellt sich aber das Argument zu vor-liegendem Falle. Da wäre zu vergleichen: das confiscirte, an fremde Klöster und Personen gegebeue Gut und der Besitz, späterer Ge-schlechter. Das confiscirte Gut kann aber im Besitze der Nachkom-men nur dann erscheinen, wenn entweder ]) eine Restitution des Be-straften oder seiner Erben stattgefunden oder wenn 2) die Beschlag-nahme nur auf einen Theil der Güter sich bezog, die dem Bestraften verbliebenen Güter zwischen jenen eingesprengt lagen. Beide An-nahmen sind aber durch die Quellen so gut wie ausgeschlossen.

Speciell Krüger's Annahme beruht auf der zweiten Voraussetzung, dass dem Grafen Guntram nur der Leheubesitz genommen wurde, sein Eigengut ihm und seinen Erben aber verblieb, uud dass Lehen und Eigengut durchweg gemischt lagen, so dass wir aus den Nachrichten über den confiscirten Lehenbesitz auch erfahren, wo das E i g e n g u t Guntrams gelegen.

Wie stellen sich aber die Urkunden zu dieser Annahme? Es sei gestattet, kurz die Quellenzeugnisse vorzuführen: 1. Kaiser Otto I. gab am 9. August 952 ,per interventum dilecti filii nostri Liutolfi' dem Kloster Einsiedeln .quendam locum Lielahe (Liel im Breisgau) nomi-natum, qui nobis de r a e b u s Gundrammi populari iudicio in regia rectaque venit vestituram.'1).

2. Ein Jahr später, am 11. Aug. 953, schenkte Otto an Lorsch ,per interventum dilecti fratris nostri Brunonis' . . . ,in proprium' , q u i c q u i d h e r e d e t i a r i i i u r i s Guntrammus h a b u i t in p a g o E l i s a z a s i t u m et in c o m i t a t u B e r n h a r d i c o m i t i s , nostre vero potestati ut subiaceret fiscatum, id est in villis Brümagad et in Mumenheim et in Grioz et in Walahon et in Bernnesheim et in Moresheim XXX hubas'2).

3. Einsiedeln erhielt 958 Januar 6 abermals aus dem confiscirten Gute eine Schenkung , quasdam res iuris nostri in ducatu Alamannico in comitatu Burchardi ducis Durgeuue nuncupate in villa Askinza

») Mon. Germ. DDO I 155. vestitura, investitura = Gewere. 2) DDO I, 106.

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t a l e m p r o p r i e t a t e m , qualem Gundranmus comes in ipso loco ob-tinuit sibique ob perfidiam sui reatus iusto iudicio publice in ius re-gium e[s]t diiudicata'1).

4. Wiederum verfloss ein Jahr, bis Otto aus dem beschlagnahmten Gute eine Schenkung machte. Er gab zu Walbeck (in Sachsen) am 14. April 959 seinem Getreuen Rudolf: ,quasdam res n o s t r a e p r o -p r i e t a t i s iure perpetuo in proprium donavimus in locis nominatis Cholumbra et Hitinheim, omnia ibi iure pertinentia et o m n i a q u a e Guntrammus in Hillisazaa.s p r o p r i e t a t i s visus est habere, e x c e p t o P r u o m a d cum sua pertinentia, omnia quae nobis ideo in ius pro-prietatis sunt redacta, quia ipse Guntramnus contra rem publicam nostrae regiae potestati rebelles extitit, et o m n i a u b i c u n q u e s i n t in c o m i t a t u in p a r t i b u s H i l l i s a z i a s Ruodolfo, ut jus permaneat p r o p r i e t a t i s , donavimus'2).

5. Zehn Jahre endlich nach dem Urtheile, am 21. Febr. 962, erhielt aus dem confiscirten Gute Bischof Konrad von Konstanz bez. die dortigen Kanoniker: ,in p r o p r i u m ' ,talem p r o p r i e t a t e m , qualem visus est habere Cuntramnus comes in pago Prisecgeuue in comitatu Pirihtilonis in locis denominatis Puckinga, Uringa, Muron' ,ut ipse prqmemoratus habere dinoscebatur Guntramnus, antea quam in no-strum regium ius in nostro palacio Augustburc iudicata faissent pro ipsius commissu13).

Zu diesen Urkunden kommt dann noch ein jüngeres, aber nicht minder wichtiges Zeugniss. Es ist eine Urkunde König Heinrichs vom 17. Juni 1004, worin er dem Kl. Einsiedeln bestätigt und voll-ständig schenkt ,quandam curtem r e g i i q u o n d a m j u r i s . . . cum omnibus ad eandem curtem, quae Riegol dicitur, juste et legaliter pertinentibus in ducatu Allemannico in comitatu Brisichgowe sub nominatis his locis Endinga, Wenelinga, Chenzinga, Deninga, Burc-heim, Baldinga et caetera loca ad praefatam curtem Riegol pertinen-tia . . . sicuti quondam Guntramus visus est habere in s u a i n v e s t i -t u r a , quando ob reatum regiae infedilitatis publica sententia con-victus extitit et o m n i s e j u s p r o p r i e t a s justo judicio in regalem munificentiam et potestatem legaliter dijudicata est'4).

') DDO I, 189. *) DDO I, 201. ·) DO I. 286. «) Herrgott Gen. Habsb. II nr. 157. Ueber den Erwerb des Hofes Riegel und seiner Znbehör iet zu vergleichen DDO II 24 (972 August 14). Die Vergebung von Riegel erfolgte also vor 972. Vgl. auch die Angaben Tschudi's ,ex libro vitae Ein-sidlensi' η. b. W. bei v. Wyss Jahrb. f. Schweiz, tieech. X, 847 u. 851. Die Be-zeichnung Riegele als Königshof ist irreführend. Wenn es heisst curtis r e g i i q u o n d a m i u r i s , so kann sich dieser Ausdruck ebenso auf den königlichen

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Ich meine, in all' diesen Urkunden ist es deutlich genug ausge-sprochen, dass es das E i g e n t h u m Guntrams war, was durch Ge-richtsspruch dem Könige zufiel. Und zwar ist es nicht ein T h e i l des Guntram'schen Eigenbesitzes, sondern dieser v o l l s t ä n d i g . Die beiden Schenkungen an Lorsch und Rudolf gaben a l l e s dahin, was Guntram einst i m E i s a s s besessen; das jüngere, aber dennoch wohl zuverlässige Zeugniss der Urkunde Heinrichs II. sagt es dann glatt heraus, dass a l l e r E i g e n b e s i t z Guntrams confiscirt wurde.

Mit den Sätzen, „dass die Güterentziehung sich jedenfalls nur auf Guntrams Lehen bezog, so dass sein Eigengut unberührt davon blieb," und: «Aus der Bezeichnung ,hereditarii juris ' darf man nicht auf Eigengut schliessen, auch die Lehen erbten j a fort, wenn nicht Ausnahmefälle e intra ten, · glaubte Krüger alle Bedenken gegen seine Ansicht zerstreut zu haben. Ich meine, es sei aber s e i n e Pflicht ge-wesen, nachzuweisen, dass in Urkunden Otto's I. proprietas, proprium, jus hereditarium als , Lehen · aufzufassen sei, nicht in dem gewöhn-lichen Sinne als Allod1). Nun ist die Zahl Ottonischer Urkunden, welche über Confiscationen handeln, sehr zahlreich, in allen ist gleich-massig von .p rop r ium, ' .p ropr ie tas , ' „hereditas* die Rede, nirgends bietet sich die Nothwendigkeit, den Sinn von , Lehen1 einzuschieben i

da schenkt der König zu ,proprium' einem Kloster, also doch gewiss nicht als Lehen, was ein Rebell früher als ,proprium' besass, bis es durch Gerichtsspruch königliche ,proprietas' wurde8). Auch wusste ja die Kanzlei Otto's sehr wohl zwischen beneficiuni und proprium zu unterscheiden — da vergleiche man ζ. B. DDO I, 40 u. 114. Da heisst es ζ. B.: ,concessimus i n p r o p r i u m , quicquid . . tenuit b e n e -f i c i i . ' Ich meine, wer den Quellenzeugnissen nicht Gewalt an thun will, muss mit mir annehmen, dass auf dem Hoftage zu Augsburg Guntrams gesammtes Eigengut confiscirt wurde. Dass die Lehen da-mals auch wohl o h n e f o r m e l l e s U r t h e i l im Falle offener Re-bellion eingezogen wurden, ist ja bei der Stärke der königlichen Gewalt zu erklärlich. Gewiss fieleu sie aber zurück, wenn auch das Eigenthum confiscirt wurde. Es ist also wohl nicht zweifelhaft,

Besitz n a c h der Confiscation beziehen, wie darauf, dass Guntram den Hof als Lehen vom König besaes.

') Meine Ansiebt, dass es sich um Guntrams Eigengut handelt, theilt Waitz dtsch. Verfg. VI, 497 Anm. 1. ') Vgl. z. B. nr. 194 betr. Immo. 195 Engi-brand ,jure proprio.' 200 Wulfhard. 204 Ernust ,quicquid hereditarii juris'. 201 Hunald ,βο quod omnis hereditae et proprietas predicti Hunaldi nostre regie potestati in publico mallo iudicio scabineorum jure judicata est.' 218 Diotmar. 219 Derselbe. 226 Megingoz und Lantbert u. s. w.

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dass Guntram nach dem Augsburger Hoftage jeglichen Besitzes be-raubt war.

Es bliebe nun noch die Annahme möglich, dass er später resti-tuirt sei. Nun erfolgte die Vertheilung des confiscirten Gutes sehr langsam, noch 10 Jahre nach dem Urtheilspruch vergabte Kaiser Otto Theile dee Gutes. Wenn selbst in dieser Urkunde noch die Missethat Guntrams hervorgehoben wurde, so legt das wahrhaftig die Vermuthung nicht nahe, als habe inzwischen eine Begnadigung statt-gefunden. Und so weit die Besitzbestätigungen der Klöster es mög-lich machen, lässt sich erweisen, dass die Güter im Besitze der be-treffenden Klöster blieben1). Nirgendwo findet sich also für eine stattgehabte Begnadigung eine Andeutung.

Wir haben eine vou Krüger zuerst herangezogene Notiz unbe-achtet gelassen, müssen uns jetzt aber mit ihr auseinandersetzen. Es ist das eine Notiz, welche sich auf dem Rücken einer Bulle Leo's IX. für das von dessen Vorfahren gestiftete Kloster Altorf im Untereisass vorfand2). In ihrem nicht immer klaren Wortlaute ist unter anderem von der Schenkung des vierten Theiles der Kirche zu Dorlisheim die Rede, ,quam Guntramus filius Hugonis pro anime sue remedio tra-didit.1 Wäre dieser Guntram, wie Krüger annimmt, der Graf Gun-tram von 952, so wäre in der That entweder eine Restitution G.'s erfolgt oder er hätte trotz der Confiscation noch einiges behalten, da erst nach 952 die Gründung Altorfs fällt. Aber von diesem Guntram ist gar nicht die Rede. Der Guntramus filius Hugonis erscheint im Gegensatz zu quatuor seniores, und unter diesen 4 seniores sind die Gründer Altorfs: Graf Eberhard (II.) und Hugo (III.) vom Nordgau, nach Krüger Guntrams Bruder und Neffe. Eine einfache Erklärung der Notiz wird also darauf hinführen, den Gundramue filius Hugonis, wenn irgendwo, so als Sohn des allein in der Urkunde genannten Hugo, des Nordgaugrafen, einzureihen3). Also Guntram war jünger

') Für das, was 959 an Rudolf, dann von ihm. an das El. Peterlingen kam, vgl. die Bestätigungen von 973, 986, 997, 1008, 1024 u. 1027 (Krüger S. 517). Betr. Einsiedeln vgl. die Zusammenstellung hei Krüger p. 518. Der an Konstanz gekommene Besitz in Puckinga, Uringa, Muron erscheint vollends noch in der Bestätigungsurkunde von 1155 Stumpf S730 (ζ. B. Dümgi Beg. Bad. nr. 92.) ,curtis in Muren cum aecclesia curtim in Buggingen cum aecclesia, curtim in Vringen.' Das Material zur Gesch. von Lorsch ist mir im Moment nicht zur Hand. 2) Schöpflin Als. dipl. I, 165 Anm. c. ') Die Notiz dürfte erst den Zeiten des Strassb. Bischofs Wernher II. angehören, welcher von 1065 bis 77 regierte; nicht Wernhers I, 1002—1027. Es ist nämlich von einer con-aecratio templi und der Weihe des St. Ciriakealtares durch Bischof Wernher die Rede. Nun fasste Leo IX. aber die Gründungsgeschichte in der Bulle zusammen,

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als diese beiden, gehört also schon in's 11. Jahrhundert, kann mit dem Guntram von 952 nicht identisch sein.

Gisi begegnet einem andern Einwand. Man hat früher gegen die Identität der beiden Guntram in's Feld geführt, dass dann ja die Nachkommen eines Rebellen in der Person Bischof Wernhers von Strassburg bald wieder emporgekommen seien, was sehr unwahr-scheinlich wäre. Darin hat nun Gisi freilich unzweifelhaft recht, dass in den Stürmen des 10. und 11. Jahrhunderts oft genug Rebellen wieder zu Ehren gekommen sind, wenn seine Beispiele auch schlecht gewählt sind1). Bei Guntram sind wir aber zu der Annahme gezwungen, dass eine Begnadigung und Restitution mindestens in den ersten 10 Jahren nicht stattfand. Eine volle Restitution ist überhaupt ausgeschlossen. Was an die Klöster gekommen war, verblieb diesen.

Ich sehe also keine Berechtigung, wie man den Besitz Guntrams mit dem der späteren Habsburger vergleichen kann. Was wir von Guntrams Besitz kennen, war in den Händen der Klöster. Und auf diesem irrigen Vergleich beruht im Wesentlichen die Genealogie der Habsburger, wie sie Krüger und Gisi erweisen wollen.

Und doch trotz alledem ist es möglich, die Identität der beiden Guntrame zu verfechten, freilich nur als eine sehr, sehr gewagte Hypothese.

Der Urtheilspruch von 952 machte an den Grenzen des deutschen Reiches Halt, wirkte nicht nach Burgund hinüber. Ward Guntram auch in Deutschland alles genommen, so blieb er in Burgund — also damals auch im Aargau'— dennoch ungestört. Es kann ja sein, dass Guntram nach 952 dorthin sich zurückzog, er der Elsässer ganz

auf welche eben unsere Notiz geschrieben ist: Diese Bulle wei.--s aber nur von einer ecclesiola b. Bartholomaei et Gregorii, welcheBischof Erchenbold weihte. Nach den Notizen über den Aufenthalt Papst Leo's IX. in Altorf brachte erst dieser die Reliquien des h. Cyriaks mit. Jene Bulle bietet j a überhaupt eine kurze Grün-dungsgeschichte und es ist naturgemäss, dass auf ihrem Rücken ein Eintrag ge-macht wurde, der über die spätere Weihe dor neuen Kirche durch Wernher Ii. berichtet. Für die Zeit der Schenkung Guntrams erweitert sich also der Spiel-raum bedeutend. TJeber Altorf vgl. meine Ausführungen. Straaab. Studien II, 78 ff. »Papst Leo IX. und die elsässischen Kirchen* und das dort angeführte Material.

') Die Nachricht über die Amtsentsetzung des Markgrafen Thiedvich von der Nordmark ist ganz unglaubwürdig. Vgl. Giesebrecbt, Gesch. d. deutschen Kaiserzeit I, 4. S. 848. Es iat zudem von einer Confiscation des Eigeugute gar nicht die Rede. Der spätere Schwabenherzog Ernst war allerdings zum Tode verurtheilt, dieses Urtheil wird aber sofort in eine gelinde Strafe nach des Kö-nigs Gefallen geändert. Thietmavi chron. M. G. SS. III, S00. Von oinnv Con-fiscation des Eigenguts ist auch da gar nicht die Hede.

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zum Aargauer ward, dass dann von dort aus das Geschlecht wieder in die alten Gegenden vordrang, sei es durch s p ä t e r e Restitution einzelner Güter oder durch Erbschaft u. s. w. Vielleicht fanden die Söhne Guntrams ja bald am kaiserlichen Hofe Gnade. Diese r A n n a h m e stehen wenig-stens keine ausdrücklichen Quellenzeugnisse entgegen. Das habsbur-gische „Eigen·, wie es im Urbarbuch beschrieben ist, liegt ja ganz in dem Winkel vou Aar und Reuss im damals burgundischen Aargau, der sich wie ein Keil zwischen die deutschen Gaue Thurgau und Frickgau schiebt — und das Stammgut des Klosters Muri liegt ja auch fast ausnahmslos im Aargau1). E r w e i s e n lässt sich aber diese Hypothese nicht. Ihr Fundament ist nichts anders als die Gleichheit der Namen.

Will man sie also annehmeu, dann wären allerdings die Habs-burger Nai hkommen der elsässischeu Nordgaugrafen und mit einiger Wahrscheinlichkeit auch der alten Herzöge des Elsasses. Wer aber eine solche Hypothese aufstellt, der darf nicht vergessen, es seinen Lesern deutlich zu sagen, dass Vermuthungen, Combinationen, Wahr-scheinlichkeitsbeweise die Balken sind, aus denen das Gerüste gezim-mert ist. Und unter dieser Voraussetzung will ich auf der folgenden Seite den (in einigen Punkten von Krüger abweichenden) Stamm-baum, wie er sich aus Gisi's Aufsatz ergiebt, beisetzen. Bemerkt sei noch, dass Krüger als Gemahlin Guntrams: ,N. Erbin von Windisch4

einsetzt. Eine solche Annahme würde es ja erklärlich machen, dass das „ Eigen' um Windisch und Altenburg an den Sohn elsässischer Grafen kam2).

') Vgl. die bez. Stellen der Acta Murensia und die Kiem'sche Karte. s) Den freien Raum möchte ich dazu benutzen, einen schweren Fehler zu ver-bessern. Mit Schöpflin fasste ich S. 77 der Sonderausgabe ( = ΥΙΠ. 517), das in Urkunde v. 1184 genannte Huningen als das eis. Hüningen; es ist aber das wirt. Dorf Heiningen. Damit fallen alle Schlüsse, die ich dort u. S. 185 ( = VHI, 574) daraus gezogen. Der Graf Adalbert ist kein Habsburger. Noch bemerke ich gegenüber dem Recensenten meiner Studien in der hist. Ztschft (61, S26) Herrn Prof. Dr. Loserth in Czernowitz, dass dieser entweder nur Stücklein meiner Ar-beit gelesen oder vorher in seiner stillen Kammer dasselbe, was ich mit vieler Mühe fesestellte, gefunden haben muss, ohne es der Mühe werth zu finden, der Mitwelt seine Ergebnisse mitzutheilen. Sonst hätte ihm doch mehr als »neu* und »beachtenswerth·, vielleicht auch der Widerlegung bedürftig erscheinen müssen, als die z. Th. nebensächlichen Punkte, welche er jeweils aus den ersten Seiten der einzelnen Studien herausgefischt hat. Ihn hat die Geschichte der äl-teren Habsburger offenbar ebenso wenig interessirt, wie mich etwa die Local· geschiehte der Bukowina oder Böhmens. Ueber dahin gehörige Bücher erlaube ich mir aber kein Urtheil, zumal wenn ich sie nicht las.

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