zur toxikologie einiger für medizinische zwecke gebräuchlicher organischer lösungsmittel

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Uber die Isolierung von Lactucin und Lactucopikrin 145 Wasser des Milchsaftes sicher mehr als 0.6% Lactucin und 0.2% Lactucopikrin gellist sind. Da aber reines Lactucin in Wasser etwa 1 : 2000, reines Lactucopikrin 1 : 5000 loslich ist, so konnen beide Bitterstoffe im Milchsaft nicht echt gelost, sondern musscn durch besondere Losungsvermittler in Losung gehalten sein. Die Anwesen- heit kraftiger Losungsvermittler fur die Bigerstoffe macht es crklar- lich, da8 die nach der Koagulation des Milchsaftes durch Filtration erhaltene wa8rige Losung im Zerstaubungsverdampfer zu einem homogenen, sich in Wasser ohne Abscheidung der Bitterstoffe wieder losenden Pulver eingedampft werden kann. Weiter wird dadurch er- klarlich, da8 die Extraktion der Bitterstoffe mit organischen Losungs- mitteln auf so grof3e Schwierigkeiten stoat und die Neigung xur Schmierenbildung so stark ist. Es ist durchaus verstandlich, daD das isolierte schwer loslichc Lactucin weniger wirksam ist, als das in unserem Trockenpulver oder im Lactucarium enthaltene leicht losliche Lactucin. Unsere Vermutung, da8 es sich bei den Losungsvermittlern urn Kolloide handelt, wurde durch einen Dialyseversuch bestatigt. Wir losten etwas von unserem Trockenpulver in Wasser und unterwarfen die Losung der Dialyse. Beim Eindampfen des Dialysats erhielten wir ein fast rein weil3es Bitterstoffgemisch. Es hat also ahnlich wie bei der Trennung von Co-Ferment und Apo-Ferment durch Dialyse eine Trennung dcr niedermolekularen schwer loslichen Bitterstof fc von den hochmolekularen Losungsvermittlern stattgefunden. Diese sehr kraftig wirkenden Losungsvermittler miissen bei unseren Versuchen zu Analysenmethoden, welche in Analogie zu den Alkaloidbestimmungen im Apothekenlaboratorium durchgefuhrt wer- den konnen, ebenfalls eingehend studiert werden. Die naturlichen Losungsvermittler sind aber auch uber diese spezielle Aufgabe hinaus von so groDem allgemeinen Interesse, da8 wir ihnen besondere Auf- merksamkeit widmen werden. 865. Josef Scholz: Zur Toxikologie einiger fur medizinische Zwecke gebranchlicher organischer Liisnngsmittel. (Aus dem Pharmakologischen Laboratorium der 1. G. Farbenindustrie Aktien- gesellschaft, We& Elberfeld.) Eingegangen im Marz 1939. Bei der praktischen Anwendung von Arzneimitteln ergibt sich haufig die Forderung, sie in geloster Form zur Verfiigung zu haben, schon aus auDeren Griinden. Besonders gern benutzt man auch fur Medikamente, die in fraktionierten und individuellen Dosen einge- nommen werden sollen, die Losung als Art der Zubereitung. Die

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Page 1: Zur Toxikologie einiger für medizinische Zwecke gebräuchlicher organischer Lösungsmittel

Uber die Isolierung von Lactucin und Lactucopikrin 145

Wasser des Milchsaftes sicher mehr als 0.6% Lactucin und 0.2% Lactucopikrin gellist sind. Da aber reines Lactucin in Wasser etwa 1 : 2000, reines Lactucopikrin 1 : 5000 loslich ist, so konnen beide Bitterstoffe im Milchsaft nicht echt gelost, sondern musscn durch besondere Losungsvermittler in Losung gehalten sein. Die Anwesen- heit kraftiger Losungsvermittler fur die Bigerstoffe macht es crklar- lich, da8 die nach der Koagulation des Milchsaftes durch Filtration erhaltene wa8rige Losung im Zerstaubungsverdampfer zu einem homogenen, sich in Wasser ohne Abscheidung der Bitterstoffe wieder losenden Pulver eingedampft werden kann. Weiter wird dadurch er- klarlich, da8 die Extraktion der Bitterstoffe mit organischen Losungs- mitteln auf so grof3e Schwierigkeiten stoat und die Neigung xur Schmierenbildung so stark ist.

Es ist durchaus verstandlich, daD das isolierte schwer loslichc Lactucin weniger wirksam ist, als das in unserem Trockenpulver oder im Lactucarium enthaltene leicht losliche Lactucin.

Unsere Vermutung, da8 es sich bei den Losungsvermittlern urn Kolloide handelt, wurde durch einen Dialyseversuch bestatigt. Wir losten etwas von unserem Trockenpulver in Wasser und unterwarfen die Losung der Dialyse. Beim Eindampfen des Dialysats erhielten wir ein fast rein weil3es Bitterstoffgemisch. Es hat also ahnlich wie bei der Trennung von Co-Ferment und Apo-Ferment durch Dialyse eine Trennung dcr niedermolekularen schwer loslichen Bitterstof fc von den hochmolekularen Losungsvermittlern stattgefunden.

Diese sehr kraftig wirkenden Losungsvermittler miissen bei unseren Versuchen zu Analysenmethoden, welche in Analogie zu den Alkaloidbestimmungen im Apothekenlaboratorium durchgefuhrt wer- den konnen, ebenfalls eingehend studiert werden. Die naturlichen Losungsvermittler sind aber auch uber diese spezielle Aufgabe hinaus von so groDem allgemeinen Interesse, da8 wir ihnen besondere Auf- merksamkeit widmen werden.

865. Josef Scholz:

Zur Toxikologie einiger fur medizinische Zwecke gebranchlicher organischer Liisnngsmittel.

(Aus dem Pharmakologischen Laboratorium der 1. G. Farbenindustrie Aktien- gesellschaft, We& Elberfeld.)

Eingegangen im Marz 1939.

Bei der praktischen Anwendung von Arzneimitteln ergibt sich haufig die Forderung, sie in geloster Form zur Verfiigung zu haben, schon aus auDeren Griinden. Besonders gern benutzt man auch fur Medikamente, die in fraktionierten und individuellen Dosen einge- nommen werden sollen, die Losung als Art der Zubereitung. Die

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146 J o s e t S c h o l z

Dosierung ist tlann bequemer und einfacher dadurch, daD das Vo- lumen des wirksamen Stoffes fast beliebig vergroDert werden kann und dabei yon vornherein absolute Homogenitat gewahrleistet ist. Tcilungsfehler werclen so verringert und iiberdies die Teilung durch lcicht zugiingliche RaummaBe ermoglicht.

Von clcr moderncn Arzneimitteltherapie wird aber die Form tier Losung dcswegen haufig gefordert, weil dadurch der fur die Wirksamkeit Yicler Medikamente ausschlaggebende Faktor ,,Resorp- tion" zu eincr bekannten oder wenigstens schiitzbaren GroBe wird. 1:s ist dann nicht nur der Applikationsmodus der Injektion iiber- haupt moglich, sondern damit auch durch geeignete Wahl von Qrt rmd Art der Injektion eine berechenbare Variation des Resorptions- taktors. Die Art des verwendeten Losungsmittels, z. B. 01 oder tVasser, ern-eitcrt cntsprechend diese Variationsbreite.

So gcwinnt auch eine Vielzahl von synthetischen Mitteln, die auf ( h i n d eincs anderen Bestrebens der modernen Therapie, nlmlicfi lrzneimittel von moglichst definigrter und elektiver Wirkung an-

7uwcnder1, geschaffen wurde, erst dann an praktischem Wert, wenti \ic in geliister Form anwendbar ist. Von sehr vielen Stoffen dieser -\rt sind aber wasserige Losungen nicht herstellbar oder, was ebenso wichtig ist, nicht haltbar. So kommt es, daB die Frage der Ver- wendungsmoglichkeit organischer Losungsmittel fur pharmazeutischc Zw-ecke heute cin wcsentliches Problem in der modernen Heilstoff- c%rzeugung wurde. Die in der Chemie iiblichen Losungsmittel, wie .Ilkohole, Ather, Chloroform u. dgl. sind dem Organismus gegeniiber L U wenig indifferent, um fiir den Zweck in Betracht zu kommen. Kur cine bescheidene Zahl aus der Fiille der organischen Losungsmittel ist dafiir brauchbar. Die eingehende Kenntnis der toxikologischen Eigcnschaftcn ist jedoch Voraussetzung fur ihre Verwendung. Im folgenden sci einc Gbersicht uber die uns teils aus der Literatur be- kannten, tcils aus eigenen Versuchen gewonnenen Daten und Er- g.ebnissm 7us;:nimenqestellt.

,I. A1 e 11 r m e r t i g e a 1 i p h a t i s c h e A 1 k o h o 1 e.

1. C;ly z e r i n : CH~(OH).CM(OH).CH~(OFI). Glyzcrili ist hckanntlich eine farblose und geruchlose Flussigkeit -,on

hoher Viskositiit niit iusgesprochen sii5em Geschmack. Es ist stark hygrosko- pisch, in allen Verhiiltnissen mit Wasser mischbar und unloslich in U1 und Lipoiden. Technisch H ird es als wasseranziehendes Agens, z. B. fur Druckfarben, m r Peuchthaltung von Tabak, benutzt. Medizinisch wird es in groBem Um- fang fur aufierliche Zwecke als Zusatz f i r Salben und Einreibemittel ge- braucht; inneriich efiloffelweise bei Nierensteinkoliken sowie als Klysma. Es besitzt einc gev, isse l)csinfcktionswirkung und wirkt auf verschiedene Fer- mente hemincnd, daher seine Verwendung als Konservierungsmittel.

Uber die pharmakologische Wirkung des Glyzerins cxistiert eine Fulle alterer Literatur (ausf. cit. bei H o u b e n ) (l) , aus der wir ent- nehmen, daiS bcim Saugetier (Iiund) Dosen von 12 bis 15 g pro kg totl- lieh wirkcn. Fine husnahme scheint das Pferd zu machen, das schon nach 1 ccm, kg bei order Verabreichung unter Temperaturerhohung,

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Toxikologie gebrluchlicher organischer Liisungsiiiittel 147

Krampfen, Himaturie usw. eingeht. I i n ubrigen sci hicr im wcscnt- lichen nur auf die neuerc Literatur eingegangen.

Als Bestandteil der Neutralfette ist das Glyzerin zwar nicht kiirperfremd, besitzt abcr doch eine gewisse Giftigkeit. Als Dosis letalis minima. (D. 1. in.)*) fiir die Maus fanden wir in ccmikg:

per 0 5 subkutan i 11 tr avcniis 11.3 7.0 5.0

Diese Daten beziehen sich auf das Konxiitrat und wurclcn gewoniicn durch Applikation von 20 %igem (Vol. %) Glyzerin parentcral untl von 50%igem per 0s. S c h u b e l ( 2 ) gibt fiir die Maus als D.1.m. 2.5 ccmlkg des Konzentrates an. B r a u n und C a r t 1 a n d (3) fanden als D.l.m. fur die Ratte intramuskular '7.6 ccmikg und subkutan 15.1 ccm/kg. Die Giftigkeit des Glyzerins hangt weitgchend von dcr Konzentration, die verabfolgt wurde, ah. Dieser Umstand zcigt sich vor allem bei den chronischen Versuchen bzw. im Hinblick auf die Nebenwirkungen. V. J o h n s o n , C a r l s o n und A. J o h n s o n ( 4 ) stellten ausgedehnte Vcrsuche an Ratten und Hunden an. indeni sic bei ihren Tieren einc Normaldiiit vcrabfolgtcn und cincn Tcil der Kohlehydrate durch Glyzerin ersetzten. Es zcigte sich hierbci kein Unterschied im Verhaltcn und Wachstum der Tiere. Durch Zugabc drofierer Dosen konnten sie sogar cine vermehrte Gcwichtszunahmc Feststellen. Junge Hunde, die 9 g Glyzerin pro kg tiiglich fast ein Jahr lang erhielten, zeigten keine Veranderungen, auch nicht dcs Blutbildes. Zu ahnlichen Resultaten kommt H o 1 c k (5), der 4l/2 Mo- nate alten Ratten zu einer Standardditat 20 % Glyzcrin wrabfolgte und keinen Unterschied in der Gewichtszunahme gegenuber den Kon- trollen feststellcn konnte. Die lokale Vertraglichkeit des konzen- trierten Glyzerins ist wegen seiner stark wnsseranziehenden Wirkung schlecht, dagegen werden bis zu 30%ige Losungen ohne Sl-mptome rertragen.

Bezuglich der Wirkung des Glyzerins auf das Blut kommen die verschiedenen Untersucher zu verschiedenen Meinungcn, indem die einen Hamolyse und damit Hamoglobinuric beobachten, die an- deren das nicht bestatigen konnen. Vor allem nach neueren Ar- beiten (J o h n s o n und M. (4), S c h ii b e 1) ( 2 ) hangt die hamo- lytische Eigenschaft des Glyzerins sehr wesentlich von der Konzcn- tration und naturlich auch von der GroBe der applizierten Dosis ab. So beobachtet man Hamoglobinurie bei parenteraler Verabreichung grofier Dosen des konzentrierten Produktcs, dagegcn vie1 seltencr bzw. gar nicht bei oraler Applikation. J o h n s o n u. A l . (4) beobach- teten bei 14 iungen Leuten, die 50 Tage lang taglich 110 g Glyzcrin zusammen mit etwas Orangensaft zu bzw. nach den LMahlzeiten ein- nahmen, keinerlei Hamoglobinurie und auch keine Ausscheidung von EiweiB. Als hervorstechende Eigenschaft kommt dem Glyzerin einc

*) Die Ermittlung der D.l.m. erfolgte so, daO zuerst durch Verabfolgung steigender Dosen die uberhaupt todliche Menge ermittelt wurde und dann an Tiergruppen von meist 20 Stuck die Dosis bestimmt wurde, die durch- schnittlich 60% der Tiere totete.

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ausgesprochene Diuresewirkung zu. Schon 1 ccmikg intravenos in -38%iger Losung fuhrt nach S c h u b e 1 beim Tier fast augenblicklich zu einer mehrere Stunden dauernden Diuresesteigerung. Bei oraler Verabreichung tritt derselbe Effekt erst bei der vierfachen Dosis ein. J o h n s o n u. M. (4) konnten bei den oben zitierten Versuchen am Menschen jedoch eine diuretische Wirkung nicht nachweisen. Ebenso waren Grundumsatz, Harnsaureausscheidung, Korpertemperatur und Blutbild bei ihren Versuchspersonen vollkommen unverandert.

Die Wirkung letaler Dosen au8ert sich nach P l o s z (6) in Tachykardie, Erbrechen und Krampfen. Nach S c h u b e 1 (2) kommt es bei der Katze nach der intravenosen Gabe von 0.5 bis 1.0 ccm pro kg des reinen Glyzerins zu einer kurz dauernden Blutdrucksenkung entsprechend der Injektionsdauer. Danach steigt jedoch der Blut- druck um etwa 40 mm uber die Norm. S c h u b e 1 erklart diesen Blut- druckanstieg mit dem Auftreten einer hydramischen Plethora. Das Schicksal des Glyzerins im Korper ist so, da8 ein Teil ausgeschiedcn wird (P 1 o s z (6) u. a.), der Rest verbrannt bzw. zur Glykogenbildung herangezogen wird (L u c h s i n g e r (7), C a t r o n und L e w i s) (8). Aus diesem Grunde wirkt es noch als Nahrstoff.

Das Vergiftungsbild ist charakterisiert durch schwere Krampfc, die sehr lange dauern konnen, bis endlich der Tod eintritt. Nach S c h u b e l(2) handelte es sich hierbei um eine reine muskulare Uber- crregbarkeit. Irgendwelche Veranderungen an den Organen treten nach den neueren Untersuchungen (J o h n s o n und M.) (4) auch bei langerer Darreichung nicht auf.

Z u s a m m e n f a s s e n d laDt sich sagen, da8 die als Giftwirkung zu bezeichnende Eigenschaf t des Glyzerins auf seinem groaen Wasseranziehungsvermogen beruht. Sehr auffallig ist die relativ droBe akute Giftigkeit. Im Gegensatz dazu steht die gute Vertraglich- keit bis zu fast subletalen Dosen im chronischen Versuch. Dies be- ruht darauf, da8 das Glyzerin vom Organismus einerseits rasch aus- geschieden bzw. verwertet wird. Andererseits verursacht es keine Organschaden, sondern kann hochstens zu Storungen im Wasserhaus- halt Anla8 geben. Dies bedeutet fur die Praxis, da8 es fur den Menschen vollkommen harmlos ist. Es kann in keiner Weise zu gefahrlichen Nebenerscheinungen fuhren, wenn es in einer Verdiin- nung verabfolgt wird, die 30% nicht iibersteigt. Bis zu dieser Kon- fentration ist es auch lokal ohne weiteres vertriiglich.

2. G l y k o l e * ) . a) A t h y 1 e n g 1 y k o l : (H0)CIL. CH,(OH).

Farb- und geruchlose Fliissigkeit mit bittersiiaem Geschmack, viskiis, stark hygroskopisch, in allen Verhaltnissen mit Wasser und den gebrauch- Iichsten organischen Liisungsmitteln mischbar, nicht brennbar. Die handels- ubliche Ware enthalt auBer Wasser gelegentlich die hoheren Homologen,

*) Dieser Abschnitt des Manuskriptes wurde bereits vor der Drucklegung teilweise von Herrn Prof. E. G r o S zur Verwendung in dem von ihm ver- faDten Abschnitt Glykole und Glykolderivate in ,,Toxikologie und Hygiene der technischen Losungsmittel" (9), herausgegeben von L e h m a n n und 1' 1 11 r y , zur Verfiigung gestellt.

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Toxikologie gebrauchlicher organischer Losungsmittel 149

Propylenglykol oder Butylenglykol. In der Technik wird es verwandt als Prostschutmittel fur Autokuhler, in der IKosmetik als Bestandteil von Ge- ruchsessenzen und Einreibemitteln (Sonnenbrandsalbe u. dgL).

Seine medizinische Anwendung fand es zuerst als Glyzerinersatx im Bereich von dessen Anwendungsgebiet (auflerlich (B a c h e m (10) und M e n d e l ) (11). Bei innerlichem Gebrauch hat sich das kthylenglykol als nicht ganz ungiftig erwiesen. Als D. 1. m. fanden wir fur die Maus nachfolgende Werte in ccm pro kg bei Verabreichung in 20%iger Losung:

per 0 s subkutan intravenos fruhere Versuche, techn. Produkt . . . . 5.0 5.0 5.0 neuere Versuche. techn. Produkt . . . . 5.5 4.5 4.5 neuere Versuche. frakt. dest. . . . . . . 9.0 6.5 5.5

Die D.l.m. fur die Ratte intramuskular liegt nach unseren fruheren Versuchen mit technischem Produkt bei 4.5 ccmlkg. Wilhfend wir fur das Kaninchen 2 ccrnkg per 0s als noch vertraglich fanden, ist dies fur die Katze die D.l.m. H a n z l i k , S e i d e n f e l d und J o h n s o n (12) fanden als D. 1. m. in ccmkg:

intramuskular intravenos Ratte . . . . . . . . . . . 6.0 3.8 Kaninchen . . . . . . . . 6.0 4.0

Nach P a g e (13) ist die todliche Grenzdosis bei intraperitonealer Applikation

fur das Kaninchen . . . . . 9.0ccmFg ( I )

Fur den Hund fand er 3.0 ccm/kg subkutan vertraglich. Per 0 s wurden 9 ccm, als 30%ige Losung gegeben, vom Hund ebenfalls ver- tragen. V o n O e t t i n g e n und J i r o u c h ( l 4 ) fanden als D. 1. m. fur die Maus 2.5 ccmkg. Die in der Literatur vie1 zitierten Versuche von B a c h e m (10) sind u. E. in dieser Hinsicht nicht verwertbar, da aus seinen hohen Vertraglichkeitsdosen u. E. zu schlief3en ist, daf3 B. ein nicht reines, womoglich stark wasser- und propylenglykol- haltiges Produkt in Handen hatte.

Uber die Giftigkeit des Xthylenglykols am Menschen wissen wir auf Grund zweier von H a n s e n (15) mitgeteilter Vergiftungs- falle sowie zweier weiterer im J. Amer. med. Ass. (15a) mitgeteilter Falle, da8 die todliche Grenzdosis etwa 100 ccm per 0s ist. H a n z - l i k , S e i d e n f e l d und J o h n s o n ( l 2 ) teilen mit, dai3 die intra- venose Gabe von 2 bzw. 3 ccm Xthylenglykol von 3 jungen Mannern ohne Symptome vertragen wurde. P a g e (13) hat im Selbstversuch 15 ccm mit Wasser verdiinntes Glykol eingenommen und keine Nebenwirkungen beobachtet.

Beziiglich der chronischen Giftigkeit stellten wir in eigenen Versuchen mit dem technischen Produkt fest, daf3 Kaninchen nach zweimaliger Verabreichung von 2 ccm (pro kg) taglich eingingen, ebenso nach 1 ccm taglich nach dem vierten Tag nach starken Durch- fallen. Bei subkutaner Verabreichung von 1 ccm trat bereits nach 2 Tagen der Tod ein. Intravenos wurde 1 ccm des Konzentrates

fur die Ratte . . . . . . . . 3.0ccm/kg.

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150 .f o s e f S c h o 1 z

tiiglich 3 Tsge lane ycrtragen; ebeiiso die 6malige Vcrabreichung \on 1 ccm einer 25%igen Losung taglich. Nach R e i d - H u n t (16) starben junge Ratten, die einc 5%igc Losung von Athylenglykol als Getrank bekamen, nach 2 bis 3 Tagen, solche, die eine l%ige Losung bekamen, innerhalb einer Woche. Zu ahnlichcn Resultaten kamcn I f a n z l i k , S e i d e n f e l d und J o h n s o n ( l 2 ) . Diese futterten ebenfalls mehrere Gruppeii von Ratten mit je einer 10%igen, .5%igen. 3 !% igen, 2 % igen, 1 %igen und 0.5 % igen Glykollosung bei eincr kon- staiitcn Staiidardkost und stellten fest, daii dlc Tiere, welche 10% GIykol crhieltcn, nach 3 Tagen, bei 5% nach 5 Tagen, bei 3% nach o Tagen und 2% nach 14 Tagen eingingen. Dagegen zeigteii die Kattcn. welchc 1 u/o und 0.5 % Glykol im Trinkwasser verabfolgt bekamen, innerhalb von 120 bis 130 Tagen keine Abwcichungen bzgl. Wachs- trim usw. gegeniiber den Kontrolltieren. Dicse Ticre hatten 2.2 bm-. 0.7 g Athylenglykol pro kg taglich erhalten.

Die lokale Vertraglichkeit des Athylenglykols ist relati\- schlecht. In eigcnen Versuchen fanden wir, da8 bei einer Injektion von 0.3 ccm in den Rattciischenkel ciiic ausgcdehiite Muskelschadigung mit cnt- ziindlicher Reaktion uiid Granulationsbildung auftrat. Bei der intra- venosen Injektion sahen wir am Kaninchen, da8 das Ohr, in dessen Raiidvcnc irijiziert wordcn war, jedesmal stark anschwoll. die Schwellung jcdoch nach 24 Stunden regelmiifiig wiedcr vollkommen verschwunden war. Nach H a n z 1 i k und M. reizt die subkutane und intramuskulare Injektion bcim Menschen etwas, die Beschwerden verschwinden aber bereits nach 5 bis 10 Minutcn. Sonstige Symptome traten nie auf. Sie betrachten die lokale Vertraglichkeit am Tier als rclativ gut.

Dem Blut gegenubcr verhalt sich Kthylenglykol nicht ganz in- different. So fand P a g e (13) weitgehende Hamolyse bei mit Glykol vergifteten Tieren. V o n 0 c t t i n g e n und J i r o u c h (14) stellten auch in vitro deutliche Hamolyse, jedoch keine Methamoglobin- bildung und keiiie Fallung der EiweiBkorper des Serums fest. H a n z - 1 i k u. M. (12) untersuchten die Kesistenz der Erythrozyten dcr bci ihren chronischen Versuchen (s. oben) verwendeten Ratten und fanden keine Verandcrung.

Bei der intravenosen Verabfolgung von Athylenglykol (1 ccm) kommt es am Hund zu einer deutlichen Blutdrucksenkuiig und eincr VergroBerung der Pulsamplitudc Nach P a g c (13) handclt es sich liicrbei urn cine zentrale Erreguiig des Vagus.

M7ir sahcn nach intravenosen Gaben von Doseii bis zu 1 ccm’Ticr beim Kanincheii cine starke Blutdrucksenkung (30 his 40 min lHg), ebcnso bei der Katze, hier aber in geringerem MaBc.

A d Crund seiner Lipoidloslichkeit kommt dcm Athylenglykol auch eine gewissc iiarkotischc Wirkung zu. Der Vertcilungskoeffi- nient 01-Wasser betragt 0.5.

Das Hauptvergiftungssymptom ist eina schwere Nierenschadi- gung im Sinne einer akuten Nephrosc, die bald zur vollkommencn Anurie fiihrt. Sub fincni kommt es zur Absonderung von blutigem 1-larn. Das Vergiftungsbild am Menschen ist aus den bereits oben Liticrtcn Vcrgiftungsfiillen (H a n s e n (15), J. Amer. mect. Ass. ) f l5a)

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Toxikologie gebrauchlicher organischer Losungsmiitil 15 1

bekannt. Beide Male. handelt es sich um je 2 junge Leute, die etwa 200 ccm eines aus Athylenglykol bestehenden Gefrierschutzmittels getrunken hatten. Es trat zunachst ein schwerer Rauschzustand mit folgender schwerer Benommenheit auf. Dieser Zustand entwickeltc sich innerhalb 12 Stunden nach der Einverleibung des Glykols. Bei den anderen aus Amerika gemeldeten Fallen trat unter weitercr Ver- schlimmcrunc des Zustandes rasche Atmung, kalte TIaut, gcringc Zyanose und Erbrechcn - nach extremer Prostration der Tod cin. In den von 13 a n s e n (15) mitgeteilten Fallen konnten die beiden jungen Leute durch Nierendekapsulation gerettet werden. Es wurdc schwerste hamorrhagische Nephrose festgestellt.

Diesc schwere Nierenschadigung ist auch im Tiervcrsuch zu be- obachten. So fand auch R e i d - H u n t (16) bei seinem crol3en Ticr- material regelmaf3ig Parenchymschwund, Narbenbildungetl und Kri- stallablagerungen in der Niere. H a n z 1 i k und M. (12) fanden bci ihren oben erwiihntcn chronischen Versuchen bei den mit 1 %iger Glykollosung gefutterten Ratten ebenfalls ausgcdehntc Calculi und Degeneration der Harnkanalchen.

Als Ursache der Nierenschadigung ware nach R e i d - H 11 n t (16 ) dic Oxalsaurebildung aus dem Athylenglykol ansuschen. -4us den vor allem von P o h l(17) mitgeteilten Versuchen am Hund geht der Abbau des Athylenglykols zweifellos ubcr die Osidsliurc. Bei groBen Doscn von Athglcnglykol sah er einen Anstieg der Oxalsaureausschei- dung, ein Befund, der auch von M a y e r (18) und von D a k i n (19) am Kaninchen und von B a c h e m (10) am IHund untl am Menschcn bcobachtet wurde, schon nach Dosen von 1 his 2 glkg. Die ausge- schiedene Oxalsauremenge erreicht his zu 3 % des theoretischen Wertes. Die Oxalsaurebildung reicht aber jedenfalls nicht aus, den Kalziumspiegel des Blutes zu beeinflussen. Untersuchungen von D i 11 e (20) zeigten, daR nach Einverleibung von 3 his 5 ccmlkg i. v. bcim Kaninchen keine groneren Schwankungen des Blutkalkspiegels auftreten als physiologischerweise auf Grund der Nahrungsschwan- kungcn. Nach M a y e r (18) muB man sich das Schicksal des Athylen- glykols im Organismus so vorstellen, daB zunachst eine Oxydation xu Glykolsaure erfolgt, die dann weiter ZLI Oxalsaure oxydiert wird. Diese kann entweder weiter oxydiert werden zu CO? und HzO (D a k i n) (19) bzw. zum mindesten teilwcise ausgcschicdeii werden. Eine Umwandlung des Xthylenglykols in Zucker oder dgl. tritt - nach den Versuchen von P a g e (13) am phlorhizin-vergifteten Hunt1 nicht ein, was auch von V e 1 t m a n n (21) bestatigt wird. Anderer- seits wird das Athylenglykol auch nicht, wie es fur das Propylen- glykol nachgewiesen wurde, an Glukuronsaure gepaart ausgeschieden (M i u r a) (22). Jnteressant ist noch der Befund von R e i d - H u n t (16), daB die Giftigkeit des Athylenglykols bei Unterernahrungszustanden gemisser Atiologie (Vit. A-Mangel) erheblich erhoht sein kann.

b) P r o p y l e n g l y k o l - 1 , 2 : (I-IO)CH?.CH(OIH).CI-I~. Seine physikaiischen Eigenschaften entsprechen im grof3en und

ganzcn denen des Athylenglykols, weswegen es zuerst von R e i d -

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H u n t (16) als Ersatz fur das zuerst verwandte Athylenglykol fur medizinische Zwecke empfohlen wurde. In eigenen Versuchen fan- den wir als D. 1. m. fur die Maus folgende Werte in ccmkg:

per 0 s subkutan intraveniis fruhere Versuche . . . . . . - 15.0 9.0

amerikanisch (Carbon Carbidge) . 22.5 17.5 12.5 frakt. Dest. . . . . . . . . . 17.5 17.5 12.5

Des weiteren fanden wir in fruheren Versuchen, allerdings mit einem technischen Produkt, das moglicherweise stark verunreinigt war, dai3 yon Kaninchen 10 ccmkg sowohl per 0s wie subkutan vertragen wer- den. Auf eine Dosis von 5 ccm/kg als 20%ige Losung zeigte sich bei der Katze nach intravenoser Gabe vorubergehende Dyspnoe und Seitenlage. Das Tier war jedoch nach einer Stunde wieder normal. Vom Hund wurden 8 ccmkg per 0s vertragen. B r a u n und C a r t - 1 a n d (3) fanden als D. 1. m. in ccmkg bei der Ratte:

neuere Versuche techn. Prod. . . 22.5 17.5 12.5

intramuskular subkutan Propylenglykol . . . . . . . 15.7 23.1 Glyzerin . . . . . . . . . . 7.6 15.1

Es wird also nahezu das Doppelte an Propylenglykol wie an Glyzerin vertragen. S e i d e n f e l d und H a n z l i k ( 2 3 ) fanden als D. 1. m. in ccm/kg:

intramuskular wbkutan Ratte . . . . . . . . . . . 14.0 16.0 Kaninchen . . . . . . . . . 7.0 5.0

Fur die Katze fanden sie 4.5 g k g als vertragliche Dosis. W e a t h e r b y und H a a g (24) kommen auf Grund ihrer Ver-

suche an einem groBeren Tiermaterial zu folgenden Werten in g/kg: intravenos intramuskuliir subkutan per 0 s

Ratte . . . . . . 6.8 14.0 22.5 33.5 Kaninchen . . . . 6.5

Die Resorptionsverhaltnisse sind also fur die Vertraglichkeit sehr ausschlaggebend.

Auch beziiglich seiner chronischen Giftigkeit liegt das Propylen- glykol erheblich gunstiger als das Xthylenglykol. Von unsern eigenen chronischen Versuchen sei hier abgesehen, da sie, wie gesagt, mit einem moglicherweise verunreinigten Produkt ausgefuhrt worden waren. Aus demselben Grund haben wir Daten aus der Literatur, die u. E. mittels eines stark athylenglykolhaltigen Produktes gewonnen wurden, hier nicht berucksichtigt.

B r a u n und C a r t 1 a n d (3) haben in Serienversuchen eine Dosis bis zu 8 ccmikg taglich, 50mal gegeben, vom Kaninchen vertraglich gefunden. S e i d e n f e 1 d und H a n z 1 i k (23) futterten junge Ratten 140 Tage lang bei sonst konstanten Bedingungen mit je 10%iger, 5 % iger, 2 % iger und 1 % iger Propylenglykollosung als Trinkwasser und fanden keinen Unterschied im Verhalten von Wachstum und

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Toxikologie gebriuchlicher organischer Losungsmittel 153

Gewichtszunahme gegenuber Kontrolltieren. Die Tiere hatten als durchschnittliche tagliche Dosis in g pro kg 13.2 bzw. 7.7, 3.68 bzw. 1.6 erhalten. Versuche mit hoheren Konzentrationen scheiterten daran, dab die Tiere die Losung nicht tranken. R e i d - H u n t (16) fand eine ahnliche gute Vertraglichkeit. Von G r a b (unveroffentlichte Ver- suche) durchgefuhrte Reihenversuche an Ratten zeigten, dal3 die Tiere tagliche Dosen bis zu mehr als 2.6 g/kg innerhalb eines Zeit- raumes von uber 40 Tagen gut vertrugen. Diese Versuche sind des- halb wichtig, weil es sich hierbei zum Teil um sehr junge Tiere ge- handelt hat.

Uber Giftwirkung am Menschen ist nichts bekannt. Nach einer Mitteilung von A l b r i g h t , B u t l e r und B l o o m b e r g ( 2 5 ) erhielt ein rachitischer 16iahriger Junge 6 Monate lang Drisdol, das als Losungsmittel Propylenglykol enthalt, und zwar 4l12 Monate lang taglich 15ccm und dann sogar die doppelte Dosis, die nach einge- tretener Wirkung langsam verringert wurde. Das Kind zeigte keinerlei dem Propylenglykol zur Last zu legende Storungen.

Die lokale Vertraglichkeit ist nach eigenen Versuchen relativ gut. Unter einer grol3en Reihe von Losungsmitteln war es unter den best- vertraglichen. In Quaddelversuchen zeigte sich eine Spur Rotung. Die Injektion am Rattenschenkel war reizlos. Nach S e i d e n f e 1 d und H a n z l i k (23) wird es vom Menschen intramuskular gut ver- tragen. Im Vergleichsversuch, fanden sie es zwischen Glyzerin, das starker reizt, und Athylenglykol stehend.

Eine Schadigung der Organe scheint nach den zahlreichen in der Literatur veroffentlichten Versuchen nicht in nennenswertem Grad aufzutreten. Nur bei sehr hohen Dosen kommt es zu einer Hyperamie der Nieren und der Organe. Auch bei relativ groBen Dosen treten keine pathologischen Bestandteile im Harn auf, vor allem kein Hamoglobin (L e h m a n n und N e w m a n) (26). Nach diesen Unter- suchern wird das Propylenglykol sehr rasch vom Magendarmkanal aufgenommen, von wo aus es sich rasch auf die Gewebe verteilt. Seine narkotische Wirkung entspricht etwa ein Drittel der des Athylalkohols.

Die Blutdruckwirkung ist gering. Wir fanden, dal3 der Blutdruck an der Katze von Dosen bis zu 1 ccm pro Tier i. v. kaum beeinfluat wird, wobei das Kaninchen mit einer fluchtigen Senkung reagiert. Ein Unterschied zwischen einem besonders reinen und einem tech- nischen Produkt war nicht zu sehen. Nach S e i d e n f e 1 d und H a n z 1 i k (23) kommt es nach 5 ccm pro Tier i. v. bei der Katze zu einer kurzdauernden Blutdrucksenkung, das Herz bleibt regular, die Atmung wird etwas vertieft.

Der Ausscheidungsmechanismus des Propylenglykols ist von dem des Hthylenglykols prinzipiell verschieden. M i u r a (22) und auch N e u b a u e r (27) wiesen nach, daB es sich mit Glukuronsaure paaren kann. Nach L e h m a n n und N e w m a n (26) ist anzunehmen, daiS im Organismus stets eine konstante, von der Dosis unabhangige Menge zerstort wird. Sie fanden ferner, da8 bei ihren Versuchen etwa 45% der Gesamtdosis im Harn ausgeschieden wurden. Als Oxydationsprodukte des Propylenglykols kommen in Frage: Brenz-

Archiv und Rerichte 1939 11

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traubensaure und Milchsaure, beides Substanzen, die korpereigen sind. Auf Grund des Studiums der Toxizitat der verschiedenen Glykole, die den 1,2-Propylenglykolen verwandt sind, kamen wir zu der Auffassung, deren Richtigkeit auch im folgenden noch eingehen- der belegt werden soll, da8 die geringe Giftigkeit des 1,2-Propylen- glykols, d. h. seine leichte Eliminierbarkeit durch den Organismus auf seiner chemischen Konstitution beruht. Die OH-Gruppe in 2-Stellung bedingt eine Auflockerung des Molekuls. Es ist dadurch leicht den chemischen Operationen des Organismus zuganglich. Daher auch die von R e i d - H u n t (16) festgestellte Tatsache, da8 Tiere, deren Leber und Nieren durch Gifte stark geschadigt worden waren, grol3e Mengen Propylenglykol gut vertragen.

Diese und auch die genannten Angaben in der Literatur uber Propylenglykol beziehen sich auf den 1,2-Alkohol. Wir haben nun auch das

1 , 3 - P r o p y l e n g l y k o 1 : (0H)CHz. CHZ . CHz(0H) hinsichtlich seiner Toxizitat untersucht und fanden als D. 1. m. bei der Maus als 20%ige Losung gegeben) in ccmlkg:

per 0 s oubkutan intravenos 6.0 5.0 5.0

Es ist also etwa dreimal so giftig wie sein Isomeres. Die Giftigkeit hangt also insofern von der Stellung der Alkoholgruppen ab, als nun zum mindesten der oxydative Abbau erschwert ist. Wieweit die son- stige Eliminationsfahigkeit dadurch gestort ist, steht nicht fest. Wir untersuchten deshalb in dieser Reihe als weiteren Korper das

2 , 3 - B u t y l e n g l y k o 1 CH3. CH(0H). CH(0H). CHs. Man konnte das l,2-Propylenglykol als ein Athylenglykol be-

trachten, dessen eine Seite durch eine CHs-Gruppe geschlossen ist. Bei dem 2d-Butylenglykol, als beiderseits methyliert, sollte dann eine weitere Entgiftung eintreten. Das ist jedoch nicht der Fall. Als D. 1. m. bei der Maus stellten wir namlich fest:

per 0s subkutan intravenos 9.0 ccm 9.0 ccm 6.0 ccmkg

Die fiinfmalige Verabreichung von taglich je 2 ccm/kg i. v. wurde von Es trat keine Eiweiilausscheidung, Kaninchen ohne Symptome vertragen.

jedoch eine geringe Anamie und Leukozytose auf. Das entsprechende extreme Homologe ist das

1 , 4 - B u t y l e n g 1 y k o 1 : (OH)CHz. CHI. CHZ. CHa(0H) Hierfur ermittelten wir ebenfalls die todliche Dosis bei der Maus

(in lQ%iger Losung) und fanden in ccmFg: per 0 s subkutan intravenos 1.5 1.5 1.2

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Tosikologie gebrauchlicher organischer Losungsmittel 155

Die Giftigkeit dieses Glykols ist gegeniiber der der iibrigen erstaun- lich hoch. Sie hangt aber offenbar nicht von der Bildung toxischer Oxydationsprodukte ab, denn hier wurde die relativ harmlose Bern- steinsaure als Endprodukt entstehen. Die Toxizitat der Glykole nimmt daher noch in der Weise zu, als ihre Oxydationsfahigkeit ab- nimmt. Diese ist bekanntlich bei benachbarten OH-Gruppen am grol3ten und verringert sich u. a. mit der VergroBerung ihres Abstandes. .-____-.

Athylenglykol. . . . 1,2-Propylenglykol .

- _ _

1,3-Propylenglykol .

2.3-Butylenglykol . .

1,4-Butylenglykol. .

~ _ _ ____-- I per 0 s subkutan ' intraveniis I I

I CHP- CH-CH, \ 22.5 1 17.5 I 12.5 OH OH I CHrCH2-CH2 1 6.0 1 5.0 I 5.0 OH OH i

CH3-CH-CH-CH3' 9.0 9.0 ~ 6.0 OH OH 1 I

CH2- CHrCH2-CH2 I 1.5 1 1.5 1 1.2 OH OH i

Die tabellarische Zusammenstellung zeigt beziiglich der Frage die eben skiz- chemische Konstitution und toxikologische Wirkun

1,2-Propylenglykol aus der Reihe herausfallt. Die letztbesprochenen Glykole haben weiter keine praktische Be-

deutung, da sie technisch zum Teil schwer herstellbar sind bzw. nicht als Neben- oder Zwischenprodukte anfallen und dadurch wenigstens vorlaufig nicht zuganglich sind. Neben den einfachen Glykolen inter- essieren in diesem Zusammenhang deren Ather, Azetate u. dgl. und die Polyglykole und deren Ather. Erstere haben praktische Bedeu- tung als technische Losungsmittel fur Lacke und ahnliche Venven- dungszwecke. Sie sind deshalb zum Teil eingehend von gewerbe- hygienischen Gesichtspunkten aus untersucht (v. 0 e t t i n g e n und J i r o u c h). Eine entsprechende Zusammenstellung findet sich bei G r o s s ( 9 ) (1. c.). Dasselbe gilt von den Polyglykolen und deren Ather usw. Aus dieser Gruppe sind als Losungsmittel fur pharma- zeutische Zwecke vorlaufig nur das Diathylenglykol und dessen Methyl- bzw. Athylather von einer gewissen Bedeutung. Die letzte- ren vorwiegend wegen ihrer etwas anderen Losungseigenschaften und ihrer Konsistenz bzw. ihrer geringeren Viskositat. Von den Athern des Diathylenglykols haben wir nur den Monomethylather eingehen- der untersucht. Die entsprechende Athylverbindung scheint jedoch toxikologisch nicht erheblich verschieden zu sein. Beziiglich dieser und entsprechender weiterer Verbindungen, die vorlaufig als Losungs- mittel fur Pharmazeutika nicht gebrauchlich sind und iiber die wir

zierten Verhaltnisse. Man sieht besonders deutlic fi , wie sehr das

1 i*

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auch keine weiteren eigenen Versuchsergebnisse vorliegen haben, gibt ebenfalls die Zusammenstellung von G r o s s Auskunft. Als weiterer Korper der Glykolreihe bleibt dann noch das Dioxan zu besprechen.

c) D i a t h y 1 c n g l y k o 1 : (fI0)CHZ. CEL . 0 . CIlr . CIL(0H). Farb- und geruchlosc Flussigkeit, etwas viskoser und mehr hygro-

skopisch als Athylenglykol. Von suBem Geschmack mit ausge- sprochen bitterem Naehgesehmack. Es ist mischbar mit Wasser, Alkoholen, Glykolen, Azeton, Chloroform, nicht dagegen mit Ather, Benzol, Toluol usw. Technisch hat es ebenfalls nur Interesse als Glyzcrinersatz.

Bezuglich seiner akutep Giftigkeit erscheint es besser als Athylenglykol. Von ihm werden etwa die doppelten Dosen als von dem letzteren vertragen. Eigene Versuche an der Maus zeigten fur die D. 1. m. folgende Werte in ccm/kg:

per 0s subkutan intraveniis frakt. dest. . . . . . 12.5 10.0 7.5 an der Ratte . . . . 9.0 10.0 10.0

In fruheren Versuchen wurden fur die intravenose Giftigkeit eben- falls 7.5 ccm/kg Maus festgestellt. Am Kaninchen trat nach 10 ccm pro kg einer 50%igen Losung nach schwerer Albuminurie der 'rod ein.

V o n O c t t i n g c n und J i r o u c h ( l 4 ) fanden als D. 1. m. in In chronischen Versuchen stellten schon H a a g

und A m b r o s e (28) fest, daf3 ein Zusatz von 3 bzw. 10 % Diathylen- glykol zum Trinkwasser fur Ratten in kurzer Zeit todlich wirken. H o 1 c k (5) bestatigt diesen Befund. K e s t e n , M u 1 i n o s und P o m e r a n t z (29) stellten fest, daB 3% (= 0.9 ccm taglich pro Ratte) im Trinkwasser 50% dcr Ratten innerhalb von 2 Monaten totet; 5% (= 1.5 ccm/Ratte taglich) toteten 25% der Tiere in einer Woehe.

Es besteht demnach ein groBer Unterschied zwischen der Giftig- keit bei einmaliger gegenuber der bei chronischer Anwcndung. Dies ist u. E. ein eindringlicher Hinweis darauf, da8 es nicht zulassig ist, auf Grund einer einfachcn Toxizitatsbestimmung eine Substanz fur harmlos zu erachten.

DaB das Diathylenglykol auch fur den Mensehen relativ giftig ist, zeigt das schreckliche Ungluek in U S A . Hier sind 93 Todesfalle vorgekommen, die einwandfrei auf den GenuB eines Elixiers, das zu 72 % Diathylenglykol als Losungsmittel enthielt, zuruckzufuhren sind.

Trotzdem die toxischen Eigenschaften des Diathylenglykols bekannt waren (nach den Untersuchungen von v o n 0 e t t i n g e n und J i r o u c h) (14), hatte es die Firma S. E. Massengill Comp., Bristol, Tennessy, zur Herstellun eines Sulfanilamid-Elixicrs als Losungsmittel benutzt. Durch das rasche un tatkraftige Eingreifen der American Medical Association konnte sofort nach Bekanntwerden der ersten Todesfalle weiteres Ungliick verhindert und durch sclfortige eingehende wissenschaftliche Untersuchung das Diathylenglykol als einzige Ursache der Vergiftungen festgestellt werden.

Die meist grippekranken Patienten hatten durchschnittlich 15 bis 200 g des Elixiers, also 10 bis 150 g Diathylenglykol eingenommen.

' ccmikg Maus 5.0.

d

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Als Symptome der Vergiftung traten meist am 2. bis 5. Tage neben schweren Allgemeinerscheinungen solche einer schweren Niereninsuffizienz auf, an der die Patienten schliefilich zugrunde gingen. Die Sektion zeigte ent- sprechend schwere Organveranderungen: Lungenodem, Hamorrhagien in den serosen Hauten und in den Schleimhauten des Magens und Darmes und vor allem eine ausgesprochene hiimorrhagische Nephritis (Naheres siehe bei T a e g e r) (30).

Es kommt also beim Menschen zu denselben Erscheinungen, wie sie schon im Tierexperiment gezeigt worden waren.

Nach v o n 0 e t t i n g e n und J i r o u c h (14) kann gelegentlich auch Methamoglobin auftreten. Die eigentliche Giftwirkung ist aber, wie beim Xthylenglykol, eine ausgesprochene Nierenschadigung. Nach C a n n o n (31) und nach H 01 c k (5) kommt es zu einer aus- gedehnten Zerstorung der Tubuli contorti, zu weiteren Parenchym- schadigungen der Niere und zu degenerativen Veranderungen der Leber. Als Hauptsymptom der Nierenschadigung tritt Anurie auf. Des weiteren sind Blutungen in Magen, Darm und Perikard zu beob- achten, nicht aber Oxalurie und Kalkeinlagerungen in der Niere. H o 1 c k (5) fand auch eine verminderte Fertilitat bei den mit 0.5% Diathylenglykol gefutterten Ratten. Fur die Giftwirkungen des Diathylenglykols wurde bis jetzt keine einwandfreie Erklarung ge- geben. Sie ist prinzipiell der des Athylenglykols ahnlich. Es kommt aber nicht zu einer Oxalurie und zu Ablagerungen von Kalziumoxalat. Auch die Dioxanvergiftung macht zwar ahnliche Schadigungen der Nieren, es tritt aber auch hier reichlich Oxalsaure auf. Interessant ist in diesem Zusammenhang auch die Beobachtung von H a n z 1 i c k, M e h r t e n s und S p a u i d i n g (32), da8 ,,Jodobismol" am wenigsten toxisch ist, wenn in Propylenglykol gelost; dagegen in Verbindung mit Diathylenglykol eine groBere Allgemeingiftigkeit besitzt als auch das in Athylenglykol geloste.

d) D i a t h y 1 e n g 1 y k o 1 m o n o m e t h y 1 a t h e r :

entspricht in seinen physikalischen Eigenschaften etwa dem Di- athylenglykol.

Beziiglich seiner akuten Giftigkeit kommt es allerdings dem Xthylenglykol nahe. In eigenen Versuchen fanden wir als D. 1. m. fur die Maus in ccm pro kg:

per 0s suhkutan intravenos

CHs . 0 . CHP . CH2.0 . CHI. CHz(0H)

Diathylenglykolmonomethylather, techn. . . 5.0 6.0 6.0 frakt. dest. . 8.0 6.0 8.5

fur die Ratte, frakt. dest. . . . . . . . . 6.0 6.0 7.5

Von der 50%igen Losung wurden vom Kaninchen 4 ccm/kg per 0s vertragen. 7 ccm/kg per 0s fuhrten zum Tode. Von der Katze wurden 2 ccm des konzentrierten Produktes intravenos vertragen.

Die chronische Giftigkeit ist etwas gunstiger als beim Athylen- glykol. Nach einer taglichen Dosis von 4 ccm einer 50%igen Losung kam es beim Kaninchen nach drei Tagen zum Tode; lOmal2 ccm pro kg per 0s wurden jedoch ohne Syniptome vertragen. Von der Katze

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wurden 10 Injektionen von 1 ccm/kg. taglich in .W%iger Losung gut vertragen. Die intravenose Applikation scheint allerdings bei einer Dosis von 0.3 ccm von der Katze dauernd vertragen zu werden. Am Hund fiihrten tagliche Gaben von 0.35 ccm/kg per 0s nach 12 Tagen zum Tode unter Durchfallen und Abmagerungen. In einem chroni- schen Versuch erhielt ie ein Hund taglich 0.5 bzw. 1.0 ccm/kg einer sterilen 60 % igen Losung von Diathylenglykolmonomethylather i. m. Beide Tiere erhielten 150 Injektionen. Die Kontrollen von Gewicht, Temperatur, Harn- und Blutstatus zeigen nichts Pathologisches. Aus der Literatur ist uber diesen Stoff nichts bekannt.

Die lokale Vertraglichkeit des konzentrierten Produktes ist schlecht. Im Quaddelversuch ist noch nach Wochen Rotung bzw. Erweichung mit beginnender Demarkation festzustellen. Die intra- venose Injektion fiihrt nicht selten zu Thrombose der Vene, dagegen werden subkutan bis zu 30%ige, intramuskular bis zu 60%ige Losungen lokal glatt vertragen.

Zu den Losungsmitteln dieser Gruppe gehort auch noch das

e) 1 . 4 - D i o x a n :

Es ist eine farblose Flussigkeit mit einem leichten Geruch nach Butylalkohol und findet als Losungsmittel in der Lackindustrie Ver- wendung. Wegen seiner gewerblichen Verwendung wurde es bereits eingehend von F a i r l e y , L i n t o n and F o r d - M o o r e ( 3 3 ) sowie von Y a n t und Mitarbeitern (34), vor allem in Inhalationsversuchen untersucht, nachdem von v. 0 e t t i n g e n und J i r o u c h (14) be- reits seine Giftwirkung bei parenteraler Anwendung festgestellt worden war. Von diesen Autoren wurde die Toxizitat als sehr gunstig befunden, etwa dem Athylenglykol entsprechend. Sie fanden aber andererseits, da8 der Stoff nicht indifferent gegenuber dem peripheren Nervensystem ist, auf3erdem leicht Hamolyse und Methamoglobinbildung verursacht. D e N a v a s q u e z (35) fand fur das Dioxan oraler und intravenoser Verabreichung an Kaninchen und Katze, daf3 die todliche Dosis bei etwa 2 ccmlkg liegt, 1 ccm/kg wurde in allen Fallen uberlebt.

Er konnte bei seinen Versuchen eine allmahliche in Koma uber- gehende Schlafsucht beobachten, spater, d. h. nach etwa 2 Tagen, kam es dann zu den Zeichen einer typischen Nierenschadigung, die meist zum Tode fuhrte. D e N a v a s q u e z beschreibt als typischen Sektionsbefund: Starkste hydropische Degeneration der Niere sowie auch der Leber. In chronischen Versuchen, die G r o s s (9) anstellte, wurde eine lOmalige Verfutterung von 0.1 cem/kg von Meerschwein- chen und Kaninchen vertragen. Es konnte in diesen Fallen nur an- deutungsweise die charakteristische hydropische Veranderung der Leber festgestellt werden. Die typischen Sektionsbilder zeigten sich zum grofien Teil bei Dosen von 0.5 ccm/kg, welche die Tiere zum Teil 5-, 16- bzw. 20mal vertrugen, bis sie cingingen. Uber die Ver-

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giftung am Menschen wissen wir aus gewerblichen Vergiftungen (B a r b e r) (36) nach Inhalation von Dampfen, daD hier ebenfalls die Nieren- und Leberschadigungen im Vordergrund stehen. Diese Vergiftungsfalle sind aber in diesem Zusammenhang wenig auf- schlufireich, da (abgesehen vom Applikationsmodus) auch keine An- haltspunkte fur die GroBe der einverleibten Dosis gegeben sind. Be- merkenswert bei der Dioxanvergiftung ist, dai3 die im Vordergrunde stehende Nierenschadigung relativ spat in Erscheinung tritt. Da- durch erklart sich auch die scheinbare Harmlosigkeit auf Grund der akuten Toxizitat.

tl b e r s i c h t. Bei einer ubersichtsmafiigen Betrachtung der toxikologischen

Eigenschaften der beschriebenen Korper aus der Glykolreihe er- scheint zweifellos das 1.2-Propylenglykol als das brauchbarste. Es besitzt eine aufierordentlich geringe akute Giftigkeit und auch bei der chronischen Anwendung kommt es erst bei extremen Dosen zu relativ milden Vergiftungserscheinungen. So tritt insbesondere die fur diese Korperklasse als Vergiftungssymptom charakteristische Eigenschaft der Nierenschadigung bei Propylenglykol erst bei Dosen auf, die praktisch nicht in Frage kommen. Dieser Vorzug des Pro- pylenglykols, den es vor allem gegenuber dem Diathylen- und dem Athylenglykol besitzt, beruht in erster Linie auf den gunstigen Aus- scheidungsbedingungen. Ahnlich gunstige toxikologische Eigen- schaften weist auch der Diathylenglykolmonomethylather auf. Seine Giftigkeit ist zwar ahnlich wie die des Athylenglykols, er ist aber chronisch wahrscheinlich deswegen besser vertraglich, weil er keine so starke Nierenschadigung verursacht.

Die Giftwirkung der Glykole mochten wir auf Grund unserer Kenntnis der toxikologischen Eigenschaften im Gegensatz zu der fruheren Auffassung folgendermaBen erkken: Alle Korper dieser Gruppe haben als hervorstechende Eigenschaft ein starkes Wasser- anziehungsvermogen. Dam komm t ihr eigentumliches Verhalten tierischen Membranen gegenuber, die sie ohne weiteres durchdringen, wenigstens in Konzentrationen, wie sie innerhalb des Organismus auftreten. Diese Eigenschaften sind der Grund fur die sehr rasche und gleichmafiige Verteilung im Organismus. Andererseits werden aber durch die Beschlagnahme des Wassers in erster Linie allgemein die Ausscheidungsverhaltnisse verandert, d. h. die Leistungsfahigkeit der Nieren wird stark geschmalert. Insuffizienzerscheinungen von dieser Seite sind dementsprechend auch die ersten Vergiftungser- scheinungen. Die dann auftretende zellulare Organschadigung fuhrt zu einem Circulus vitiosus, der urn so schwerer durchbrochen wird, je langsamer die Elimination bzw. Unschadlichmachung des Glykols auf Grund seiner chemischen Konstitution moglich ist bzw. neue Mengen von auBen zugefuhrt werden. Dai3 diese Ansicht richtig ist, konnten wir an Hand der Giftigkeit der Isomeren und Derivate des Propylen- bzw. Butylenglykols zeigen. Auch die Diskrepanzen in

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der akuten und chronischen Giftigkeit sprechen sehr fur diese An- nahme. Die Vergiftungsbilder sind prinzipiell regelmaBig die einer Uramie und nicht die z. B. einer Oxalatvergiftung oder dgl. Wenn, wie z. B. bei der Athylenglykolvergiftung Oxalsaure auftritt, so geschieht dies nur in verschwindend kleinen Mengen, mit denen der Organis- mus leicht fertig wird. Die Tatsache, da8 die Oxalsaure nur in so geringen Quantitaten auftritt, spricht vielmehr dafur, da8 es offenbar nur schwer zu einer so weiten Oxydation des Glykols kommt. Andererseits mui3te dann mit wachsender Kohlenstoffzahl die Giftig- keit eher abnehmen, z. B. in der Reihe Athylenglykol -+ 1.3-Propylen- glykol-l-4-Butylenglykol, da die entsprechenden Oxydationsstufcn zur Malonslure bzw. Bernsteinsaure fuhren. Die Reihe der ent- sprechenden Dikarbonsauren verhalt sich aber toxikologisch gerade umgekehrt. Selbstverstandlich werden aber die verschiedenen Ab- bau- bzw. Oxydationsstufen auch ihrerseits noch einen Teil zu der chemischen Schadigung des Nierenapparates beitragen. Jedoch ist diese Art Giftwirkung u. E. erst eine sekundare, ebenso wie die entsprechenden ubrigen Organveranderungen (Leber).

Im Hinblick auf die Frage der Verwendbarkeit der Glykole als Losungsmittel fur medizinische Zwecke spielen aber andererseits die erwahnten Eigenschaften eine gunstige Rolle. Dadurch, da8 die Glykole den osmotischen Gesetzen nicht ohne weiteres unterliegen und sich in jedem Verhaltnis mit Wasser mischen, kommt es zu einer raschen Resorption auch der darin gelosten Arzneimittel. Die Einstellung irgendwelcher Konzentrationsgleichgewichte, die sich einer raschen Resorption wesentlich hemmend entgegenstellen kann (beispielsweise olige Losung), tritt nicht in Erscheinung. So erreicht man auch ein Eindringen geloster Arzneistoffe in Zellverbande, wie es in einfacher wasseriger Losung nicht moglich ist. Man spricht daher von einer ,,Vehikelwirkung" dcr Glykole. 'Dadurch, da8 die Giftigkeit der cinzelnen Stoffe aus dieser Keihe so stark voneinander verschieden ist, kommt es, da8 ihre Brauchbarkeit sehr wesentlich vom Reinheitsgrad abhangt. Wir haben absichtlich aus diesem Grunde auch stets die Daten bzgl. der Giftigkeit technischer Produkte mit aufgefuhrt und denen durch fraktionierte Destillation gereinigter Substanzen gegeniibergestellt. Als besonders giftige Komponenten konnen die Glykole vor allem die hoheren Ather enthalten, so z. B. den Butylather des Athylenglykols. Dieser ist nach v o n 0 e t t i n - g e n und J i r o u c h (14) 5mal so giftig wie das Athylenglykol und besitzt alle unangenehmen Eigenschaften des Glykols in erhohtem Mafie, indem er sehr stark reizend auf das gesamte Nervensystem wirkt, aufierdem eine ausgesprochene Herzwirkung aufweist, des weiteren stark hamolysierend und methamoglobinbildend wirkt. Der Anwendungsmoglichkeit der Glykole ist aber auf Grund des Um- standes, da8 sie eben nicht fur alle Substanzen Losungsmittel dar- stellen, Schranken gesetzt. Von weiteren organischen Losungsmitteln, die fur unsere Zwecke in Frage kommen, seien daher noch die folgenden beschrieben:

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Toxikologie gebrauchlicher organischer Losungsmittel 161

B. A l i p h a t i s c h e A m i n e . a) N - M e t h y 1 a z e t a m i d : CHs . CO . NH . CH3

ist ein bei Zimmertemperatur fester Korper (Schmp. 28O), sehr hygro- skopisch. Uber eine Verwendung dieses Stoffes als Losungsmittel in der Technik ist nichts bekannt.

Seine akute Giftigkeit entspricht etwa der des Athylenglykols. In eigenen Versuchen konnten wir als D. 1. m. fur die Maus in ccmlkg feststellen:

per 0s subkutan intraven6s 5.5 4.5 3.5

In chronischen Versuchen fanden wir, daB von Miiusen bei intra- venoser Gabe als 30%ige Losung eine tagliche Dosis von 0.8 glkg und eine ebensolche von 1.5 g/kg 9 Tage lang gut vertragen wird. Bei einer Dosis von 3.3 g/kg gingen die Tiere jedoch am 3., 5. bzw. 8. Tage ein. Eine tagliche Dosis von 0.5 g/kg per 0s wurde von der Maus 12 Tage lang vertragen.

Die lokale Vertraglichkeit des konzentrierten Produktes ist relativ schlecht. Im Quaddelversuch fanden wir, da8 die 80%ige Losung leichte Rotung und Schwellung verursacht und zur Schorf- bildung und Erweichung fuhrt.

Aus der Literatur sind lediglich vergleichende Versuche einiger N-Methylamid-Verbindungen bekannt. M a c h t u. D ’ A b e 1 i n o (37) stellten eine homologe Reihe von N-Methylamiden her und unter- suchten sie eingehend pharmakologisch. Sie fanden, daB 5 bis 20 mg aIs todliche Dosis fiir die Maus gelten, und dal3 die Giftigkeit mit dem Molekulargewicht zunimmt. An der Katze fuhrten 10 bis 20mg zu einer ausgesprochenen Blutdrucksenkung und Verminderung der Atmung. Fur die hoheren Homologen fanden sie eine ausgesprochene lokale anasthetische Wirkung. Sie untersuchten in derselben Weise auch die Athanolamide und fanden, da8 diese Reihe weniger giftig sei als die Methylreihe, sich sonst aber ahnlich verhalte, den hoheren Homologen jedoch keine lokalaniisthetische Wirkung zukomme.

In eigenen Versuchen konnten wir feststellen, daB das N-Methyl- azetamid eine gewisqe narkotische Wirkung besitzt, die jedoch nur bei subletalen Dosen zu beobachten ist. 3 ccm/kg subkutan hatten an der Katze keinen EinfluB auf die Korpertemperatur.

Die 1okale.Vertraglichkeit ist nicht so gut wie die dcr Glykole.

b) N - A t h y 1 a z e t a m i d : CH,. CO . NET. GHs. Nach unseren Versuchen liegt die kleinste todliche Dosis fur

die Maus ebenfalls bei etwa 5 ccmjkg. Im chronischen Versuch trat beim Kaninchen nach 9maliger Ver-

fiitterung von 1 ccm/kg der Tod auf; ebenso nach 2- bzw. 3maliger Verfutterung von 2 ccmlkg. Bei diesen Kaninchen wurde eine Ver- fettung der Leber und eine krankhafte Veranderung der Nieren festgestellt.

hrchir URCI Rerichtc iTE 12

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162 J o s e f S c h o l z

C. E s t e r d e r B e n z o l r e i h c . Von diesen kommt seiner relativ guten ortlichen Vertraglichkeht

weken das B e n z y 1 a z e t a t : CHs . CO . 0. CH2. CeHn

hauptsachlich in Betracht. Es ist eine farblose Flussigkeit von starkem angenehmem Geruch.

In eigenen Versuchen konnten wir als D.1. m. fur die Ratte subkutan 3 g/kg feststellen.

Nach F 1 u r y und W i r t h (38) ist die D. 1. m. fur Kaninchen und Meerschweinchen subkutan 3.0 g k g und 4 bis 5 g/kg per 0s. In Respirationsversuchen mit dem dampfformigen Produkt fanden sie eine relativ gute Vertraglichkeit fur Konzentrationen von etwa 1 mg/Liter, bei einer 7maligen Einwirkung von 8 bis 9 Stunden taglich. Abgesehen von geringen Reizerscheinungen am Respirationstrakt und einer gewissen narkotischen Wirkung konnten sie aui3er einer Hyperamie der Nieren keine wesentlichen Organveranderungen fest- stellen. G r u b e r (39) fand eine ausgesprochene diuretische Wirkung des Benzylazetats im Tierversuch.

U b e r s i c h t. Die toxikologischen Eigenschaften der letztgenannten Korper

zeigen, da8 sie im allgemeinen toxischer sind als die Korper der Glykolreihe. Sie kommen aber in erster Linie nur fur die intramusku- lare Injektion in Frage, so da8 ihre Dosierung von vornherein so weit begrenzt ist, daf3 kaum toxische Mengen einverleibt werden konnen. Auch fur diese Korper gilt naturlich, was schon weiter oben fur die Glykole hervorgehoben wurde, da8 sie nur in reiner Form angewandt werden diirfen.

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865. F. Biedebsch:

Ubcr LupeoL (IV. Mittellung)

(Aus dem E’harmazeutischen Institut der Johann-Wolfgang-Goethe-Universitit, Frankfurt a. M.)

Eingegangen am 9. Man 1939.

Vor einiger Zeit wurde von D i e t e r 1 e und B i e d e ba c h l) kurz mitgeteilt, daf3 sich bei der Oxydation von Lupeolazetat eine nicht einheitliche Saurefraktion gewinnen lafit, die noch die Azetoxy- gruppe enthalt und sich durch ihr schwerlosliches Alkalisalz aus- zeichnet. Diese Sauren sind auch yon H e i 1 b r o n, K e n n e d y

I) Arch. Pharmaz. Ber. Dtsch. Pharmaz. Ges. 276, 312 (1938). 12’