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IV 2 von 30 AfD und Populismus Demokratie und politisches System • Beitrag 24 34 RAAbits Politik • Berufliche Schulen • März 2015 Fachliche Hinweise Besonders nah am Volk oder demagogisch? – Zum Begriff „Populist“ Die Bezeichnung „Populist“ wird in politischen Diskussionen gerne zur Abwertung oder Verun- glimpfung des Gegners verwendet. Ursprünglich leitet sich dieser Begriff vom lateinischen Wort „populus“ für Volk ab. Im antiken Rom gab es Politiker, sogenannte „Popularen“, deren wichtigstes Ziel es war, die Not der Armen zu lindern. Heute bezeichnet man jemanden als Populisten, der sich besonders volksnah gibt, indem er beispielsweise Meinungen und Ängste der Bevölkerung auf- greift. In dieser Bezeichnung schwingt in der Regel der Vorwurf mit, er dramatisiere die Lage mit der Absicht, auf diese Weise die Gunst des Volkes bzw. der Massen zu gewinnen. Auch in der griechischen Antike gab es besonders volksnahe Politiker. Sie wurden „Demagogen“ genannt. Diese Bezeichnung zielte ursprünglich auf deren besondere Fähigkeiten in der Redekunst ab, wird aber heute eher im Sinne von „Volksverführer“ verwendet. Die Begriffe „Populist“ und „Demagoge“ haben heute in der Regel beide eine abwertende Bedeutung. Während die Bezeich- nung „Demagoge“ impliziert, dass diese durch ihre besonderen rhetorischen Fähigkeiten das Volk in eine bestimmte Richtung lenken bzw. verführen wollen, steht der Begriff „Populist“ dafür, die Ängste des Volkes für seine Zwecke zu nutzen. Gesellschaftliche Krisen und Populismus In zahlreichen europäischen Ländern gibt es populistische Parteien. Wie lässt sich ihr Erfolg erklä- ren? Es gibt gesellschaftliche und politische Rahmenbedingungen, die Populismus begünstigen. So weisen Soziologen wie Wilhelm Heitmeyer, Heinz Bude und andere darauf hin, dass Populismus als Reaktion auf gesellschaftliche Krisen, auf die Bürgerferne abgeschotteter Eliten und die vermeintli- che Alternativlosigkeit der Volksparteien entsteht. In der Regel greifen Populisten die Themen auf, die in der öffentlichen Diskussion vernachlässigt wurden. Sie bringen dabei auch tabuisierte oder unliebsame Positionen zum Ausdruck, die meist den Nerv größerer Bevölkerungsgruppen treffen. Auch der Erfolg der neu gegründeten Alternative für Deutschland (AfD) lässt sich so erklären. Vieles von dem, was der Wirtschaftsprofessor und Mitgründer der AfD Bernd Lucke zum Thema Euro und EU sagt, deckt sich mit europakritischen Mahnungen, die seit Jahren im wissenschaftli- chen und publizistischen Diskurs formuliert werden: der Euro funktioniere nicht; die EU reguliere zu viel; das Projekt einer politischen Union bringe für Deutschland mehr Nachteile als Vorteile. Die deutlich ablehnende Haltung der AfD in der Europa-Debatte stellt für die bisher im Bundestag vertre- tenen Parteien eine Herausforderung dar, die sich nicht einfach wegwünschen lässt. Wer sich dieser Herausforderung stellen will, muss schwierige Fragen angehen, wie beispielsweise: In welche Rich- tung steuert das Projekt Europa? Warum ist der Nationalismus, den Bernd Luck, Geert Wilders und andere vertreten, wieder so populär? Es hilft nicht weiter, unangenehme Kritiker oder Populisten einfach zu verteufeln – das fördert letztlich nur das „Wir-gegen-die-da-oben“-Gefühl. Nicht zuletzt der Wahlerfolg der AfD zwingt die politische Konkurrenz dazu, sich mit ihr argumentativ auseinan- der zu setzen. Auch wenn die AfD bei den letzten Bundestagswahlen im September 2013 knapp an der Fünf-Prozent-Hürde gescheitert ist, erzielte sie bei der Europawahl 2014 ein sehr gutes Ergebnis (7,1 Prozent). Sie ist damit nun für die nächsten fünf Jahre im Europaparlament vertreten. AfD und Pegida – der Richtungsstreit ist entbrannt Innerhalb der AfD sind insbesondere die Führungsstruktur und die politische Ausrichtung umstrit- ten. Die Positionierung gegenüber der Pegida-Bewegung gestaltet sich als äußerst schwierig. Nicht zuletzt, weil die anti-islamische Pegida-Bewegung („Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes“) sich selbst gerade in einem Zerfalls- bzw. Spaltungsprozess befindet, dessen Ergebnis aktuell noch nicht abzusehen ist. Deutlich ist aber auf jeden Fall, dass es innerhalb der AfD sehr unterschiedliche Haltungen dazu gibt. Während der Parteichef Bernd Lucke islamfeindliche Stellungnahmen kritisiert, bezeichnete der Brandenburger Fraktionschef Alexander Gauland im Januar 2015 Pegida als „natürlichen Verbündeten der AfD“ (zitiert in: „Erledigt“ oder nicht. Die AfD ringt um den Umgang mit der zerstrittenen Pegida, in: Süddeutsche Zeitung. 31.01./01.02.2015: S. 6). zur Vollversion

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IV2 von 30 AfD und Populismus Demokratie und politisches System • Beitrag 24

34 RAAbits Politik • Berufliche Schulen • März 2015

Fachliche Hinweise

Besonders nah am Volk oder demagogisch? – Zum Begriff „Populist“

Die Bezeichnung „Populist“ wird in politischen Diskussionen gerne zur Abwertung oder Verun-glimpfung des Gegners verwendet. Ursprünglich leitet sich dieser Begriff vom lateinischen Wort „populus“ für Volk ab. Im antiken Rom gab es Politiker, sogenannte „Popularen“, deren wichtigstes Ziel es war, die Not der Armen zu lindern. Heute bezeichnet man jemanden als Populisten, der sich besonders volksnah gibt, indem er beispielsweise Meinungen und Ängste der Bevölkerung auf-greift. In dieser Bezeichnung schwingt in der Regel der Vorwurf mit, er dramatisiere die Lage mit der Absicht, auf diese Weise die Gunst des Volkes bzw. der Massen zu gewinnen.

Auch in der griechischen Antike gab es besonders volksnahe Politiker. Sie wurden „Demagogen“ genannt. Diese Bezeichnung zielte ursprünglich auf deren besondere Fähigkeiten in der Redekunst ab, wird aber heute eher im Sinne von „Volksverführer“ verwendet. Die Begriffe „Populist“ und „Demagoge“ haben heute in der Regel beide eine abwertende Bedeutung. Während die Bezeich-nung „Demagoge“ impliziert, dass diese durch ihre besonderen rhetorischen Fähigkeiten das Volk in eine bestimmte Richtung lenken bzw. verführen wollen, steht der Begriff „Populist“ dafür, die Ängste des Volkes für seine Zwecke zu nutzen.

Gesellschaftliche Krisen und Populismus

In zahlreichen europäischen Ländern gibt es populistische Parteien. Wie lässt sich ihr Erfolg erklä-ren? Es gibt gesellschaftliche und politische Rahmenbedingungen, die Populismus begünstigen. So weisen Soziologen wie Wilhelm Heitmeyer, Heinz Bude und andere darauf hin, dass Populismus als Reaktion auf gesellschaftliche Krisen, auf die Bürgerferne abgeschotteter Eliten und die vermeintli-che Alternativlosigkeit der Volksparteien entsteht. In der Regel greifen Populisten die Themen auf, die in der öffentlichen Diskussion vernachlässigt wurden. Sie bringen dabei auch tabuisierte oder unliebsame Positionen zum Ausdruck, die meist den Nerv größerer Bevölkerungsgruppen treffen. Auch der Erfolg der neu gegründeten Alternative für Deutschland (AfD) lässt sich so erklären.

Vieles von dem, was der Wirtschaftsprofessor und Mitgründer der AfD Bernd Lucke zum Thema Euro und EU sagt, deckt sich mit europakritischen Mahnungen, die seit Jahren im wissenschaftli-chen und publizistischen Diskurs formuliert werden: der Euro funktioniere nicht; die EU reguliere zu viel; das Projekt einer politischen Union bringe für Deutschland mehr Nachteile als Vorteile. Die deutlich ablehnende Haltung der AfD in der Europa-Debatte stellt für die bisher im Bundestag vertre-tenen Parteien eine Herausforderung dar, die sich nicht einfach wegwünschen lässt. Wer sich dieser Herausforderung stellen will, muss schwierige Fragen angehen, wie beispielsweise: In welche Rich-tung steuert das Projekt Europa? Warum ist der Nationalismus, den Bernd Luck, Geert Wilders und andere vertreten, wieder so populär? Es hilft nicht weiter, unangenehme Kritiker oder Populisten einfach zu verteufeln – das fördert letztlich nur das „Wir-gegen-die-da-oben“-Gefühl. Nicht zuletzt der Wahlerfolg der AfD zwingt die politische Konkurrenz dazu, sich mit ihr argumentativ auseinan-der zu setzen. Auch wenn die AfD bei den letzten Bundestagswahlen im September 2013 knapp an der Fünf-Prozent-Hürde gescheitert ist, erzielte sie bei der Europawahl 2014 ein sehr gutes Ergebnis (7,1 Prozent). Sie ist damit nun für die nächsten fünf Jahre im Europaparlament vertreten.

AfD und Pegida – der Richtungsstreit ist entbrannt

Innerhalb der AfD sind insbesondere die Führungsstruktur und die politische Ausrichtung umstrit-ten. Die Positionierung gegenüber der Pegida-Bewegung gestaltet sich als äußerst schwierig. Nicht zuletzt, weil die anti-islamische Pegida-Bewegung („Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes“) sich selbst gerade in einem Zerfalls- bzw. Spaltungsprozess befindet, dessen Ergebnis aktuell noch nicht abzusehen ist. Deutlich ist aber auf jeden Fall, dass es innerhalb der AfD sehr unterschiedliche Haltungen dazu gibt. Während der Parteichef Bernd Lucke islamfeindliche Stellungnahmen kritisiert, bezeichnete der Brandenburger Fraktionschef Alexander Gauland im Januar 2015 Pegida als „natürlichen Verbündeten der AfD“ (zitiert in: „Erledigt“ oder nicht. Die AfD

ringt um den Umgang mit der zerstrittenen Pegida, in: Süddeutsche Zeitung. 31.01./01.02.2015: S. 6).

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IV 3 von 30Demokratie und politisches System • Beitrag 24 AfD und Populismus

34 RAAbits Politik • Berufliche Schulen • März 2015

Didaktisch-methodische Hinweise

Stundenverlauf

Stunde 1/2 Was ist Populismus? – Zur Klärung eines mehrdeutigen Begriffs

IntentionIn der ersten Doppelstunde geht es um die Klärung und Abgrenzung der Begriffe Populismus, Rechtspopulismus und Rechtsextremismus.

Materialien

M 1–M 3

Die Karikatur in M 1 zeigt auf, dass man die Bezeichnung „populistisch“ unter-schiedlich deuten kann. Die Lernenden erarbeiten eine erste Definition des Begriffs „Populismus“ und setzen sich anschließend in M 2 mit Zitaten einzel-ner Politiker auseinander. Die Merkmale einer rechtspopulistischen im Unter-schied zu einer rechtsextremistischen Einstellung stellen sie in Form einer Tabelle einander gegenüber. Die notwendigen Informationen erschließen sie sich aus dem Text in M 3.

Stunde 3/4 Wie entsteht Populismus?

IntentionDie Schülerinnen und Schüler lernen die gesellschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen kennen, die Populismus begünstigen.

Materialien

M 4–M 5

Die Schülerinnen und Schüler analysieren einen Zeitungsartikel des Soziologen Wilhelm Heitmeyer (M 4). Darin beschreibt er die zunehmende ökonomische und gesellschaftliche Spaltung und deren problematische Folgen bis hin zum drohenden gesellschaftlichen Zerfall. Der Text in M 5 informiert die Lernenden über die politischen Bedingungen, die Populismus begünstigen. Sie erarbeiten sich den anspruchsvollen Text abschnittsweise, indem sie Zwischenüberschrif-ten formulieren, bevor sie die Frage diskutieren, ob man Populismus auch als „nützliches Korrektiv“ ansehen kann.

Stunde 5/6 Wie sieht sich die AfD, wie sehen sie andere?

Intention

Wofür steht die AfD? Wie lässt sie sich politisch einordnen? Und woher kom-men die Wählerstimmen? Diesen Fragen gehen die Lernenden in dieser Dop-pelstunde nach.

Materialien

M 6–M 9

Mithilfe eines Auszugs aus einer Rede von Parteichef Bernd Lucke (M 6) richten die Lernenden ihren Blick auf die neu gegründete AfD. Deren Selbstdarstellung beleuchten sie anschließend kritisch, indem sie die Ergebnisse der Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung zu den Einstellungen der AfD-Anhänger in M 7 zusam-menfassen. Anschließend analysieren sie in M 8 zwei Wahlplakate, die exemp-larisch für die populistischen Forderungen der Partei stehen. Abschließend untersuchen sie mithilfe zweier Grafiken, wie die AfD bei der Bundestagswahl abgeschnitten hat und woher ihre Wählerstimmen kamen (M 9).

Stunde 7 Was tun gegen Populismus?

IntentionWie kann man Populisten begegnen? Welche Strategien gibt es, um ihren nega-tiven Einfluss zu schwächen? Darum geht es hier.

Materialien

M 10

Der Infotext M 10 beschreibt den Teufelskreis, der sich in der Regel in der Folge von populistischen Forderungen entwickelt. Die Lernenden skizzieren den Teu-felskreis aus den sich wechselseitig verschärfenden Bedingungen und diskutie-ren mögliche Strategien im Umgang mit Populisten.

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IV4 von 30 AfD und Populismus Demokratie und politisches System • Beitrag 24

34 RAAbits Politik • Berufliche Schulen • März 2015

Lernkontrolle

Der Klausurvorschlag in M 11 ist relativ umfangreich gestaltet. Neben der Interpretation einer Karikatur sind Fragen zu einer Rede Bernd Luckes zu beantworten. Das Glossar in M 12 erläutert die Fachbegriffe und sollte den Lernenden zu Beginn der Unterrichtseinheit zur Verfügung gestellt werden.

Materialübersicht

Stunden 1/2 Was ist Populismus? – Zur Klärung eines mehrdeutigen Begriffs

M 1 (Fo) „Danke für das Kompliment!“ – Was ist Populismus?

M 2 (Ab) „Ich sage das, was die Leute denken!“ – Zitate

M 3 (Tx) Abgrenzung von rechtspopulistischer und rechtsextremer Einstellung

Stunden 3/4 Wie entsteht Populismus?

M 4 (Tx) Wie entsteht Populismus? – „Rohe Bürgerlichkeit“

M 5 (Ab) Woher kommt Populismus? Politische Rahmenbedingungen

Stunden 5/6 Wie sieht sich die AfD, wie sehen sie andere?

M 6 (Tx) Rechts, links oder alternativ? – Wie sieht sich die AfD?

M 7 (Tx) Eine Studie über die Einstellungen der AfD-Anhänger

M 8 (Fo) Mut zur Wahrheit? – Wahlplakate der AfD

M 9 (Sd) Das Ergebnis der Bundestagswahl – woher kommen die Wählerstimmen?

Stunde 7 Was tun gegen Populismus?

M 10 (Tx) Der populistische Teufelskreis

Lernkontrolle

M 11 (Kl) Vorschlag für eine Klausur

M 12 (Gl) Glossar

Minimalplan

Wenn Sie weniger Zeit zur Verfügung haben, können Sie mit folgenden Materialien bis zu drei Einzelstunden gestalten:

Stunde 1 Besonders nah am Volk? – Was heißt Populismus? M 2, M 1

Stunde 2 Was die AfD will und wer sie wählt M 6, M 9

Stunde 3 Nur populistisch? – Was ist das Problem? M 7, M 3

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IV 5 von 30Demokratie und politisches System • Beitrag 24 AfD und Populismus

34 RAAbits Politik • Berufliche Schulen • März 2015

M 1 „Danke für das Kompliment!“ – Was ist Populismus?

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Was ist Populismus? – Eine Definition

Populismus – von Opportunismus geprägte, volksnahe, oft demagogische* Politik, deren Vertreter durch Dramatisierung der politischen Lage die Gunst der Massen zu gewinnen suchen.

In: Duden Fremdwörterbuch. Duden Band. 5. 9., neu bearb. und erweiterte Aufl. Mannheim 2009.

* Anmerkung: demagogisch = volksverführerisch

Positiv oder negativ?

Wer als „Populist“ bezeichnet wird, gilt im positiven Sinne als jemand, der die Probleme der „klei-nen Leute“ versteht, sie artikuliert und direkt mit dem Volk kommuniziert, und im negativen Sinne als jemand, der dem Volk nach dem Mund redet und dem Druck der Straße nachgibt.

In: Florian Hartleb: Totengräber oder Korrektiv der Demokratie? In APuZ Nr. 5/6 2012. S. 22–29. Hier S. 23.

Aufgaben

1. Betrachten Sie das Bild und lesen Sie die Definition des Begriffs „Populismus“. Erklären Sie, was

demnach die CDU der AfD vorwirft.

2. Wie reagiert die AfD auf diesen Vorwurf? Erläutern Sie mithilfe des Textauszuges „Positiv oder

negativ?“.

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IV 7 von 30Demokratie und politisches System • Beitrag 24 AfD und Populismus

34 RAAbits Politik • Berufliche Schulen • März 2015

M 2 „Ich sage das, was die Leute denken.“ – Zitate

Nicht nur in Deutschland, sondern auch in anderen europäischen Ländern gibt es populistische Par-

teien und Politiker. Gibt es möglicherweise Gemeinsamkeiten? Um dieser Frage geht es hier.

1. Zitate

a) „Eines der Dinge, die zu sagen uns nicht mehr erlaubt wird, ist, dass unsere Kultur bestimmten ande-ren Kulturen überlegen ist.“ (Geert Wilders, niederländischer Politiker, Vorsitzender der rechtspopulistischen Partij voor de Vrijheid, in Berlin im Jahr 2010 als Gast der Partei Die Freiheit)

b) „Sie entmündigen die Österreicher und verhöhnen sie gleichzeitig auch noch, sind abgehoben […], indem Sie hergehen und sagen: Wir hier im Parlament haben die Gescheitheit mit dem Löffel gefressen! [...] Sie haben Angst vor dem Volk, das Volk hat aber ein gutes Gespür für Recht und Unrecht. Und dort, wo Unrecht zu Recht wird, werde ich meine Stimme laut erheben, und da wird Widerstand zur Pflicht!“(Heinz-Christian Strache, Vorsitzender der FPÖ, 2008 im österreichischen Nationalrat)

c) „Ich bin kein Politiker, ich kümmere mich nicht um Kritik. Ich sage das, was die Leute denken.“ (Silvio Berlusconi, ehemaliger Ministerpräsident und Parteichef der Popolo della Libertà in Italien)

d) „Wir haben es einfach satt, dass uns täglich von den Blockwarten der Political Correctness vor-

geschrieben wird, was man sagen darf und was nicht, zur Meinungsfreiheit gehört auf für Frei-

heitliche, Patrioten und Islamkritiker das Recht auf Meinungsfreiheit.“

(Judith Wolther, Fraktionsvorsitzende Pro Köln)

In: Karin Priester: Wesensmerkmale des Populismus. In: APuZ Nr. 5/6 2012. S. 3ff.

2. Vier Dimensionen des Populismus

Technische Dimension: Populismus vereinfacht und konstruiert einen direkten Gegensatz zwischen einem als homogen gedachten „Volk“ und dem „Establishment“. Die antielitäre Haltung offenbart sich durch eine chronische, agitatorisch untermalte Beschwerdeführung im Sinne des „Tabubre-chers“.

Inhaltliche Dimension: Populismus kapriziert sich als „Anti-ismus“ mit konkreten Inhalten. So macht neuerdings ein Antiislamismus innerhalb des europäischen Rechtspopulismus von sich reden. Als weitere Feindbilder firmieren „Globalkapitalisten“, die Figur des „Sozialschmarotzers“ oder eben der Immigranten.

Personelle Dimension: Eine eloquente und charismatische Person macht sich häufig zur Anwältin des „Volkswillens“, die in Robin-Hood-Manier gegen das „Establishment“ kämpft.

Mediale Dimension: Massenmedien gehen oft eine symbiotische Beziehung mit dem Populismus ein, mit dem Kalkül von Schlagzeilen.

Der Rechtspopulismus umfasst ein Konglomerat aus Strömungen, die an die „einfachen Leute“ und nicht an bestimmte Schichten, Klassen, Berufsgruppen oder Interessen appellieren. Sowohl privile-gierte Schichten als auch gesellschaftliche Randgruppen dienen als Sündenböcke für soziale Miss-stände. Hieraus ergeben sich zwei zentrale Aspekte: […] als allgemeines Merkmal des Populismus die Abgrenzung gegen die politische Klasse (Institutionen, Altparteien). Sie kommt in einer Stim-mung des „Wir“ gegen „Die-da-oben“ zum Ausdruck. Der zweite Aspekt ist […] als spezifisch rechte Variante des Populismus die Abgrenzung gegen Immigranten oder „Fremde“. Sie kommt in einer Stimmung des „Wir“ gegen „Die-da-draußen“ zum Ausdruck. Gerade in diesem exklusiven und exkludierenden Moment des Rechtspopulismus liegen enorme Gefährdungspotenziale.

In: Florian Hartleb: Totengräber oder Korrektiv der Demokratie? In APuZ Nr. 5/6 2012. S. 22–29. Hier: S. 24.

Aufgaben

1. Lesen Sie die Zitate und überlegen Sie, worin sich die geäußerten Ansichten ähnlich sind.

2. Veranschaulichen Sie die im Text 2 genannten Merkmale und Aspekte des (Rechts-) Populismus

in einem Schaubild.

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IV8 von 30 AfD und Populismus Demokratie und politisches System • Beitrag 24

34 RAAbits Politik • Berufliche Schulen • März 2015

Erläuterung (M 2)

Zu Aufgabe 1: Die Zitate sprechen sehr unterschiedliche Punkte an. Eine Gemeinsamkeit besteht weniger im Inhaltlichen als im Stil der Aussagen. Man kann davon ausgehen, dass die Redner damit gezielt den politischen Tabubruch suchen.

Zu Aufgabe 2: Ein Schaubild kann in Form einer Mindmap oder als einfache Skizze erstellt werden. Hier ein Vorschlag für eine Skizze:

personelle Dimension

→ Anwältin des Volkswillens

mediale Dimension

→ symbiotische Beziehung

→ Massenmedien

inhaltliche Dimension

→ Antiislamismus

→ gegen Immigranten

→ „Globalkapitalisten“

technische Dimension

→ Volk als die „einfachen Leute“

→ Vereinfachungen

Wir gegen

die

da oben

W i r g e g e n d a d r a u ß e n

Was ist Populismus – eine Schülerdefinition

Unter Populismus versteht man die Stimme des Volkes gegen das bestehende System. Hierzu werden einfache Lösungsansätze zu komplexen Sachverhalten und immer gleichbleibende Paro-len präsentiert. Die Schuld an bestehenden Problemen wird einer Minderheit zugeschrieben.

Die Populisten sind sowohl rechts als links im politischen Spektrum einzuordnen.

„Man wird ja noch sagen dürfen“ – ja, warum eigentlich nicht?

Sätze wie „Man wird ja noch sagen dürfen“ deuten darauf hin, dass es Menschen gibt, die sich aus-gegrenzt fühlen. Mögliche, als solche wahrgenommene Diskursverbote können auf mangelnde Auf-merksamkeit von Eliten für den Umfang eines Problems zurückzuführen sein. Daher sind sämtliche Befindlichkeiten ernst zu nehmen, innerhalb eines Diskussionsprozesses zu berücksichtigen und nicht von vornherein auszuschließen. Im Sinne einer Anwaltschaft für Benachteiligte, die sich weni-ger lautstark artikulieren können als eloquente Eliten, wäre ein Perspektivwechsel zugunsten Zu rückgesetzter geboten.

In: Karlies Abmeier: Tabus in öffentlichen Debatten. Zur Fragwürdigkeit von verschwiegenen Bereichen. In: APuZ Nr. 5–6/2012. S. 39.

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IV 9 von 30Demokratie und politisches System • Beitrag 24 AfD und Populismus

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M 3 Abgrenzung von rechtspopulistischer und rechtsextremer Einstellung

Rechtspopulistisch Rechtsextrem

– Ideologie der Ungleichheit – Ideologie der Ungleichheit – Akzeptanz von Gewalt

Nach: Andreas Zick, Beate Küpper, Andreas Hövermann: Die Abwertung der Anderen: eine europäische Zustandsbeschrei-bung zu Intoleranz, Vorurteilen und Diskriminierung. Berlin: Friedrich Ebert Stiftung 2011. S. 29.

Abgrenzung Rechtspopulismus – Rechtsextremismus

Der Unterschied zwischen Rechtsextremismus (RE) und Rechtspopulismus liegt vor allem auf ideo-logischem Gebiet: RE vertritt eine holistische Ideologie*, in deren Zentrum die ethnisch-kulturell homogene Volksgemeinschaft* steht. Daraus folgt eine antipluralistische, antiliberale Staats- und Gesellschaftskonzeption […]

RE hat ein janusköpfiges* Verhältnis zu Gewalt und Legalität. Symptomatisch ist hier die National-demokratische Partei Deutschlands (NPD), die sich mit ihrem Vier-Säulen-Modell als Partei und zugleich als Bewegung unter Einschluss gewaltbereiter Kameradschaften versteht. Wirtschaftspoli-tisch reicht das Spektrum von einer völkisch-sozialen, „raumorientierten“ Marktwirtschaft (NPD) bis zu einer berufsständischen Ordnung in einem Lehensträgersystem. Der Staat als Lehnsherr ist Eigentümer des Produktivkapitals und vergibt es als Lehen an privatkapitalistisch agierende Besit-zer. Diese Position wird in nationalrevolutionären Kreisen favorisiert […].

RE ist in Westeuropa auf Parteienebene marginalisiert. Ein Ausbruch aus dieser Lage kann derzeit nur über eine Annäherung an den Rechtspopulismus erfolgen. […] Die Freund-Feind-Debatte kreist um die sogenannte „Israel-Connection“ eines Teils der europäischen Rechten. Bislang vertritt der RE einen gegen die USA, den „Hauptträger des weltweiten Imperialismus“, gerichteten „Befrei-ungsnationalismus“*. Dies könnte sich […] ändern, wenn der RE sich im Namen des „weißen Europa“ als Vorhut der USA instrumentalisieren und für den Kampf gegen den neuen Feind, den Islamismus, einspannen lasse. Noch sind die USA und Israel der Erzfeind des RE. Aber, ausgehend von den weitaus erfolgreicheren Rechtspopulisten mit dem Niederländer Pim Fortuyn* als Vorreiter, tritt zunehmend der Islamismus an dessen Stelle. Der RE steht damit vor einem Dilemma. Schließt er sich diesem Feindbild an, um über die Islamophobie* neue Protestwähler zu mobilisieren, gibt er seine Identität als antiwestliches Bollwerk des „nationalen Widerstands“ auf und nähert sich dem prowestlichen Rechtspopulismus an. Eine Gefahr geht in Westeuropa nicht vom RE per se aus, son-dern von seiner Verbindung zum Rechtspopulismus.

In: Karin Priester: Fließende Grenzen zwischen Rechtsextremismus und Rechtspopulismus in Europa? In APuZ vom 28.10.2010.

Worterklärungen

Holistische Ideologie = eine Ideologie, die alles aus einem ganzheitlichen Prinzip ableitetEthnisch-kulturell homogene Volksgemeinschaft = eine Volksgemeinschaft, die sprachlich und kulturell einheitlich

zusammengesetzt istAntipluralistisch = gegen Pluralismus eingestellt (Pluralismus siehe Glossar)Antiliberal = gegen die Freiheit des Einzelnen (Liberalismus siehe Glossar)Janusköpfig = zwiespältig, Begriff stammt von römischer Gottheit Janus ab, dessen zwei Köpfe in die entgegen gesetzte

Richtung blickenProduktivkapital = das Kapital (Geld, Investitionen, Anlagen) für den wirtschaftlichen ProduktionsprozessMarginalisiert = im Abseits, an den Rand gedrängtBefreiungsnationalismus = Vorstellung, dass die ethnische und nationale Identität gegenüber feindlich gesinnten

„Supermächten“ geschützt werden mussIslamophobie = Abwehr der Islamisierung im Namen des aufgeklärten toleranten WestensPim Fortuyn = ein niederländischer Politiker, der mit seiner rechtspopulistischen Liste bei den niederländischen Parlaments-

wahlen antrat. Er wurde am 06. Mai 2002 von einem militanten Tierschützer ermordet.

Aufgabe

In der Tabelle werden einzelne Merkmale zur Unterscheidung von Rechtsextremismus und Rechtspo-

pulismus genannt. Ergänzen Sie weitere anhand des Textes und mithilfe von M 1 und M 2.

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IV 15 von 30Demokratie und politisches System • Beitrag 24 AfD und Populismus

34 RAAbits Politik • Berufliche Schulen • März 2015

Erläuterung (M 5)

Die zu bearbeitenden Textausschnitte beleuchten unterschiedliche politische Bedingungen für das Entstehen bzw. Erstarken von populistischen Bewegungen und Parteien in sehr komprimierter und sprachlich anspruchsvoller Weise.

Die Anmerkungen und Worterklärungen sollten vor dem Lesen des Textes im Unterrichtsgespräch geklärt werden.

Die Bearbeitung der Aufgaben erfolgt nach dem Think-Pair-Square-Share-Verfahren in folgenden Schritten:

1. Bearbeitung von Arbeitsauftrag 1 in Einzelarbeit, soweit allein möglich (Think).

2. Austausch, Ergänzung und ggf. Korrektur der Überschriften mit dem Partner (Pair).

3. Vergleich der ermittelten Überschriften mit einer weiteren Zweiergruppe sowie Verständigung zu viert auf die jeweils beste Überschrift. Erarbeitung der 2. Aufgabe und ein Festhalten der Ergeb-nisse in Stichpunkten (Square).

4. Vorstellung und Diskussion der Überschriften (als Tafelanschrieb, Folie oder Karte) im Unter-richtsgespräch sowie Besprechung und Fixierung der nützlichen Funktionen populistischer Par-teien und Bewegungen, ggf. Erweiterung der Sammlung (Share).

Bei lernstarken Klassen kann im Plenum auf die Frage möglicher Reaktionsmöglichkeiten auf das Phänomen Populismus gelenkt werden.

Zu Aufgabe 1: Vorschläge für die Zwischenüberschriften:

1. Populismus als Reaktion auf gesellschaftliche Krisen und bürgerferne Eliten

2. Sind Populisten bedrohlich oder nützlich?

3. Das Spannungsverhältnis von Rechtsstaatlichkeit und Volkssouveränität

4. Populismus als Zeichen von Parteienverdrossenheit

Zu Aufgabe 2: Nützliche Funktionen des Populismus in westdeutschen Demokratien:

– Weist auf die Distanz bzw. das Nicht-Verstehen zwischen Bevölkerung und Politikern sowie poli-tisch einflussreichen Experten, Lobbyisten u. a. hin;

– artikuliert Themen und Ängste, die nicht im offiziellen Diskurs vorkommen bzw. unterrepräsen-tiert sind;

– verweisen auf Demokratiedefizite und vermitteln Bevölkerung ein Gefühl von politischer Hand-lungs- und Gestaltungsfähigkeit;

– können zu einem verbesserten Ausgleich zwischen Volkssouveränität und Konstitutionalismus beitragen;

– artikulieren in der Bevölkerung empfundene Parteienverdrossenheit;

– können bestehende parteipolitische Konstellationen und etablierte, nicht mehr allgemein akzep-tierte Formen der Machtteilung und -ausübung verändern.

Weitere nützliche Funktionen des Populismus:

– Anstoß von Reformdebatten innerhalb von Parteien;

– Lenkung der öffentlichen Diskussion hin zu Themen, die teilweise „im Volk“ bereits zu Wut oder Frustration geführt haben;

– Zwang für Parteien, sich klarer zu positionieren;

– genereller Hinweis an politische Akteure, Entscheidungen und Handlungsweisen öffentlich ver-ständlicher darzulegen;

– Verringerung des Einflusses von nicht-demokratisch legitimierten Akteuren;

– striktere Ächtung und rechtliche Verfolgung von Verfehlungen auch hoher Amts- und Funktions-träger.

Hinweise zur Bearbeitung im Unterricht

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IV16 von 30 AfD und Populismus Demokratie und politisches System • Beitrag 24

34 RAAbits Politik • Berufliche Schulen • März 2015

M 6 Rechts, links oder alternativ? – Wie sieht sich die AfD?

Die Partei Alternative für Deutschland, kurz AfD, ist relativ jung. Die Europawahl 2014 war die erste

Wahl, bei der sie angetreten ist. Wofür steht diese neue Partei? Das versucht Prof. Dr. Lucke in seiner

Rede zur Europawahl zu erklären, gehalten am 17. Mai 2014 in Hannover.

„Guten Tag meine Damen und Herren.

Ich freue mich, dass Sie heute gekommen sind zu dieser Veran-staltung am Mittag in Hannover. […] „Was ist die Alternative für Deutschland?“ Ist sie nun rechts oder ist sie links oder ist sie liberal oder ist sie konservativ und all diese abgestandenen Kategorien des politischen Denkens. Ich glaube, wir müssen uns einmal lösen von diesen Etikettierungen und diesem Schubla-dendenken. Und wir müssen uns auch lösen von Begriffen die zum Teil geradezu in Verruf gekommen sind wie beispielsweise der Begriff „liberal“, der so stark mit der FDP assoziiert ist, dass man schon geradezu sagt, man möchte gar nicht mehr liberal sein, weil dann jeder denkt, man ist einer von der FDP.

Meine Damen und Herren, wir sind keine Liberalen, aber wir sind eine freiheitliche Partei und das, glaube ich, ist wichtig an uns. [Beifall]

Ich denke, wir brauchen mal ein paar neue Begriffe, ein paar neue Kategorien. Was heißt konserva-tiv? Konservativ heißt eigentlich bewahrend. Aber das sagt wenig aus, denn das Konservative, das Bewahrende – hier muss man hinzufügen, was will man denn eigentlich bewahren? Das Wesentli-che ist doch, dass man das Wertvolle bewahrt und dass man das, was sich in Deutschland als nicht so wertvoll erwiesen hat, dass man das dann eben auch verändert, dass man etwas reformiert. Und unser Auftrag liegt darin, das zu reformieren, was der Reform bedürftig ist und das zu bewahren, was wertvoll ist, und deswegen fühle ich mich viel wohler, wenn ich sage, die Alternative für Deutschland ist eine wertorientierte Partei, nicht eine konservative, aber wertorientierte Partei. [Bei-fall]

Und dann gibt es diese unsinnigen Rechts-Links-Kategorisierungen, die immer wieder an uns heran-getragen werden. Ich kann mit diesen Begriffen rechts und links eigentlich nicht so sonderlich viel anfangen, aber ich weiß, dass wir viel Zulauf auch haben von Menschen, die aus Parteien kommen, die man irgendwie als links verortet: Von der SPD oder von den Grünen oder auch von der Linken selbst. Und diese Menschen, die kommen zu uns, entweder weil sie […] ebenfalls dieses Wertorien-tierte schätzen oder deshalb, weil sie eben eine Partei suchen, die eine soziale Verantwortung ver-spürt. Und genau das ist für uns wichtig, meine Damen und Herren, wir sind eine freiheitliche Partei und wir sind eine wertorientierte Partei und wir sind eine soziale Partei. [Beifall]

Die Alternative für Deutschland ist vor etwas mehr als einem Jahr gegründet worden, weil die Grün-der das Gefühl hatten, wir wissen überhaupt nicht mehr, ‚wie wir noch wählen sollen‘. Die Altpar-teien sind so profillos, so konturlos geworden, dass man gar nicht mehr weiß, wofür sie eigentlich stehen, was ihre inneren Grundüberzeugungen sind. […]

In: http://www.derfreiejournalist.de/?e=39, Stand: 26.01.2015

Bernd Lucke ist Gründungsmitglied der AfD. Bei der Bundestagswahl 2013 und bei der Europawahl im Mai 2014 war er Spit-zenkandidat. Seit der Europawahl ist er gewähltes Mitglied des Europaparlaments.

Aufgaben

1. Lesen Sie den Textauszug aus der Rede von Bernd Lucke, dem ersten Vorsitzenden der AfD.

2, Arbeiten Sie aus dem Auszug der Rede Luckes heraus, wie er die AfD beschreibt. Erstellen Sie

eine Skizze dazu, wo er sie innerhalb des deutschen Parteienspektrums verortet.

3. Welchen Grund für die Gründung der neuen Partei führt Bernd Lucke im Text an? Beschreiben Sie

mit eigenen Worten.

Ein Wahlplakat zur Europawahl.

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34 RAAbits Politik • Berufliche Schulen • März 2015

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IV22 von 30 AfD und Populismus Demokratie und politisches System • Beitrag 24

34 RAAbits Politik • Berufliche Schulen • März 2015

M 9 Das Ergebnis der Bundestagswahl – woher kommen die Wählerstimmen?

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Aufgaben

1. Betrachten Sie das Schaubild zur Wählerwanderung. Woher hat die AfD ihre Stimmen bekom-

men?

2. Analysieren Sie anhand des unteren Schaubilds das Wahlergebnis der AfD bei der Bundestags-

wahl. In welchen Bundesländern war sie besonders erfolgreich?

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34 RAAbits Politik • Berufliche Schulen • März 2015

Zusatzaufgabe für Schnelle

Recherchieren Sie: Wie hat die AfD bei der letzten Europawahl abgeschnitten?

Linktipp: www.bundeswahlleiter.de/de/europawahlen/EU_BUND_14/ergebnisse/bundesergebnisse/

Erläuterung (M 9)

Zu Aufgabe 1: Die Grafik zeigt zum einen, wie viele Stimmen die Parteien bei der Bundestagswahl

insgesamt erzielt haben. Dargestellt ist dies durch die unterschiedliche Größe der Kreise mit den

Parteinamen. Die Pfeile geben an, wie viele Stimmen unterm Strich beispielsweise die CDU/CSU

von der SPD gewinnen konnte.

Deutlich wird, dass die AfD von allen anderen Parteien Stimmen bekommen hat, also in allen politi-

schen Lagern Anhänger gewinnen konnte. Dabei hat sie die meisten Stimmen der FDP abgewinnen

können (430 000 Stimmen). Vermutlich für die meisten erstaunlich ist es, dass an zweiter Stelle der

Stimmenzuwachs vonseiten der Linken steht (340 000 Stimmen). Die CDU/CSU hat an die AfD

290 000 Stimmen verloren, die SPD 180 000 Stimmen und die Grünen 90 000 Stimmen.

Zu Aufgabe 2: Das Abschneiden der AfD bei der Bundestagswahl war in den einzelnen Bundeslän-

dern sehr unterschiedlich. Insgesamt hat sie die 5-Prozent-Hürde lediglich um 0,3 Prozentpunkte

verfehlt (4,7 Prozent). Blickt man auf das Ergebnis in den neuen Bundesländern, so wäre sie dort

jedoch mit dem Durchschnittswert von 5,8 Prozent knapp über diese Hürde gekommen.

Die meisten Stimmen hat die AfD in Sachsen bekommen mit 6,8 Prozent, gefolgt von Thüringen und

Brandenburg. Bei den westdeutschen Bundesländern hat sie in Hessen mit 5,6 Prozent und in Baden-

Württemberg mit 5,2 Prozent diese Marke überschritten. Den niedrigsten Stimmenanteil hat sie im

Stadtstaat Bremen mit 3,7 Prozent erzielt.

Zur Zusatzaufgabe: Die AfD erzielte bei der Europawahl mit 7,1 Prozent aus dem Stand ein sehr

gutes Ergebnis – insbesondere im Vergleich zur FDP (3,4 Prozent). Damit ist die AfD als europakriti-

sche Partei nun im Europaparlament vertreten.

Ursprünglich war für die Europawahl 2014 eine Sperrklausel von 3 Prozent vorgesehen. Doch nach

der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts wurde diese Hürde gekippt, sodass die Europa-

wahlen ohne eine Mindesthürde durchgeführt wurden.

Weitere Informationen zur Sperrklausel finden Sie bei der Bundeszentrale für politische Bildung:

www.bpb.de/politik/hintergrund-aktuell/179547/urteil-zur-drei-prozent-sperrklausel

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