zwischenbericht ii
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ZWISCHENBERICHT IIKontakt:Univ.-Prof. Dr.-Ing. habil. Johannes Wilden
Fachgebiet Füge- und Beschichtungstechnik
Technische Universität Berlin
Pascal-Str. 8-9 // 10587 Berlin
Tel.: +49 (30) 314 28 247
www.schweissl ichtbogen.de
LICHTBOGENSCHWEISSENCluster
über die zweite Förderperiode September 2009 bis August 2010
zum Lichtbogenkolloquium am 7. Oktober 2010 in Aachen
“Lichtbogenschweißen - Physik und Werkzeug”
2 3
Inhalt
Vorwort 5
Projekt G1 7
Projekt G2 13
Projekt G3 18
Projekt G4 26
Projekt G5 31
37
Projekt A1 45
Projekt A3 50
Projekt A4 56
Plasmadiagnostik und –modellierung am MSG-Lichtbogen
Innovative Diagnostik zur Analyse des Werkstoffübergangs
im MSG-Schweißprozess
Entwicklung und Parametrisierung eines
instrumentierten Modelllichtbogens
Erweiterung des Prozessverständnisses über MSG-Lichtbogenprozesse
durch Modellierung und Visualisierung der physikalischen Zusammenhänge
TU Dresden Beschreibung komplexer Vorgänge im Lichtbogen
durch die Kopplung von inverser und direkter Modellierung
HS Lausitz Von der explorativen Datenanalyse zur inversen Modellierung -auf dem
Weg zu einem neuen Auswertungsstandard für schweißtechnische Messsignale
Einsatz gepulst geregelter Lichtbögen zur
Beeinflussung der Schmelzbaderstarrung
Strömungstechnische Auslegung von Brennersystemen zum
wirtschaftlichen und emissionsreduzierten Lichtbogenschweißen
Entwicklung einer ereignisorientierten Regelung auf Basis der inversen Model-
lierung zur robusten Prozessführung komplexer MSG-Impulsschweißprozesse
Für den Inhalt der Einzelberichte sind die jeweiligen
Autoren aus den am Vorhaben beteiligten Forschungs-
stellen verantwortlich.
Herausgeber: Dr. rer. nat. Dirk Uhrlandt
Layout: Design meets Science (neoplas GmbH)
www.design-meets-science.de
ISBN-978-3-941681-02-6
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ten insbesondere aus der explorativen Datenanalyse gewonnen
werden. Um diese Ergebnisse breiter vorstellen zu können, wird
in den hier zusammengefassten Berichten die Untersuchungs-
methodik einen kleineren Raum einnehmen. Für Details wird auf
den ersten Zwischenbericht vom Oktober 2009 verwiesen. Mit
der Präsentation der Zwischenergebnisse verbinden die Autoren
den Wunsch nach einer breiten Diskussion mit den Anwendern
parallel zu der laufenden Forschungsarbeit, um neue Ideen zu
aktuellen Problemstellungen zeitnah validieren zu können. Als
ein Aspekt sei die Beeinflussbarkeit des Werkstoffübergangs ge-
nannt, wozu quantitative Ergebnisse aus mehreren Teilprojekten
Anlass geben sollten.
Der Forschungscluster “Lichtbogenschweißen - Physik und
Werkzeug” setzt sich aus folgenden Vorhaben zusammen:
G1 Plasmadiagnostik und -modellierung am MSG-LichtbogenForschungsstelle: INP Greifswald
Projektleitung: Dr. rer. nat. Dirk Uhrlandt
Mit Hilfe optischer Emissionsspektroskopie wird der MSG-Licht-
bogen in seiner Dynamik plasmaphysikalisch charakterisiert.
Modellansätze für die Fallgebiete und den Strahlungstransport
werden abgeleitet.
G2 Innovative Diagnostik zur Analyse des Werkstoffübergangs im MSG-SchweißprozessForschungsstelle: UniBw München
Projektleitung: Prof. Dr.-Ing. Jochen Schein
Zur Bestimmung von Viskosität, Temperatur und Stromdichte
an der abschmelzenden Elektrode und am Schmelzbad sowie
zur Ermittlung von Tröpfchengeschwindigkeit, -beschleunigung
werden neuartige Diagnostikmethoden entwickelt und einge-
setzt.
G3 Plasma- und Materialparameter im Model-lichtbogen mit einstellbarem EnergieeintragForschungsstellen: UniBw München, INP Greifswald
Projektleitung: Prof. Dr.-Ing. Jochen Schein,
Prof. Dr. rer. nat. Klaus-Dieter Weltmann
Anhand eines Lichtbogen mit separierbaren Effekten werden
Modellansätze und neue Betriebsweisen untersucht.
Vorwort
Im Focus der Arbeiten im Forschungscluster steht das Metall-
schutzgasschweißen (MSG) von Stahl. Untersuchungen des
Schweißlichtbogens und des Werkstoffübergangs unter Einsatz
etablierter und neuartiger Diagnostiken dienen dem Verständ-
nis der physikalischen Prozesse, welches in deutlich verbesserten
Modellierungsansätzen mündet. Die Untersuchungen konzen-
trieren sich einerseits auf Lichtbogen und Strömungsverhalten
sowie andererseits auf Tropfenbildung und Schmelzbadverhal-
ten, wobei insbesondere Möglichkeiten der Kontrolle des Ener-
gieeintrags in das Werkstück betrachtet werden. Die explorative
Analyse der elektrischen Daten sowie die Kopplung inverser und
direkter Modellierung öffnen neue Möglichkeiten der Beschrei-
bung und Vorhersage des Prozessverhaltens. Parallel zu diesen
Arbeiten erfolgt in anwendungsorientierten Projekten die Um-
setzung unter technologischen Aspekten. Besondere Bedeutung
wird hierbei der signifikanten Verbesserung der Prozesssicher-
heit beigemessen. Verbesserte Brenner- und Regelungskonzepte
werden auch neue metallurgische Möglichkeiten eröffnen.
Das Forschungscluster umfasst acht wissenschaftliche Vorha-
ben über einen Förderzeitraum von drei Jahren. Fünf Vorhaben
werden durch die DFG gefördert und sollen das grundlegende
Verständnis des Schweißlichtbogens durch umfangreiche und
neuartige Diagnostiken in enger Kombination mit Modellie-
rungsansätzen maßgeblich erhöhen. Der Umsetzung der neuen
Erkenntnisse dienen drei parallel laufende anwendungsorien-
tierte Vorhaben, gefördert durch die AiF. Die Teilprojekte wer-
den durch sechs Forschungsstellen getragen, wobei die meisten
Einzelvorhaben in Kooperation von jeweils zwei Forschungsstel-
len bearbeitet werden. Darüber hinaus sind die Arbeiten über
den Austausch von Diagnostikmethoden, Modellmodulen und
Ergebnissen zur gegenseitigen Validierung stark vernetzt. Neben
projektbegleitenden Arbeitskreisen für die einzelnen Vorhaben
und den Cluster wurde ein industrieller und ein wissenschaftli-
cher Steuerungskreis für die Koordinierung der Arbeiten gebil-
det. Das Forschungscluster wurde wesentlich durch den Deut-
schen Verband für Schweißtechnik (DVS) initiiert.
Der Forschungscluster startete im November 2008. Gegenstand
des ersten Zwischenberichtes vom Oktober 2009 (ISBN 978-3-
941681-02-6) war insbesondere die Vorstellung neuer Untersu-
chungsmethodiken und erster Ergebnisse aus der Startphase der
Projektarbeiten. Der hier vorliegende Bericht fasst die Arbeiten
der Förderperiode von September 2009 bis August 2010 zu-
sammen. Nach zwei Dritteln der Laufzeit des Clusters konnten
bereits wesentliche Ergebnisse erzielt und Zusammenhänge
zwischen den einzelnen experimentellen und theoretischen Un-
tersuchungen hergestell werden. Dies betrifft insbesondere die
Quantifizierung von Eigenschaften des metalldampfdominier-
ten Bogens sowie des Werkstoffübergangs beim MSG-Prozess.
Neuartige Erkenntnisse zur Dynamik des MSG-Prozesses konn-
Projekte gefördert durch:
Projekte unterstützt durch:
Forschungsvereinigung Stahlanwendung e.V.
6 7
2. Arbeitsbericht
Die Arbeiten im zweiten Drittel der Projektlaufzeit konzentrier-
ten sich auf die systematische Analyse des Bogenplasmas in der
Hochstromphase des gepulsten MSG-Prozesses. Die im ersten
Projektzeitraum erarbeiteten Methoden und ersten Ergebnisse
wurden validiert und erweitert. Neben den experimentellen Unter-
suchungen und der zugeordneten Messdatenauswertung er-
folgten theoretische Arbeiten zur Erfassung der Lichtbogen-
strahlung. Im Folgenden werden zur besseren Übersicht neben
der Darstellung der aktuellen Arbeiten auch die Vorarbeiten im
ersten Projektzeitraum kurz zusammengefasst.
2.1. Aufbau des Experiments und diagnostische Methoden
Die Erstellung des Versuchsaufbaus, die Einrichtung der spekt-
roskopischen Diagnostik sowie Untersuchungen zum Auffinden
geeigneter Diagnostiklinien und Auswahl geeigneter Auswer-
temethoden waren Gegenstand der Arbeiten im ersten Pro-
jektzeitraum. Der Versuchsaufbau ist in Abb. 1 dargestellt. Als
Schweißmaschine wird das Gerät EWM Phoenix 521 cold arc
eingesetzt. Der Draht (G3Si1, ∅ 1.2 mm, Vorschub 4 m/min)
wird als Anode betrieben. Bei feststehendem Brenner (Abstand
Schutzgasdüse - Grundwerkstoff = 14 mm) wird das Werkstück
(S235, Dicke 10 mm) mit einem Vorschub von 30 cm/min be-
wegt. Prozessparameter sind Strom 125 A, Spannung 25 V und
Zuführung des Schutzgases Ar 5.0 mit 12 l/min. Die Abbildung
des Lichtbogens erfolgt über ein Spiegelsystem auf den Spekt-
rografenspalt in der Art, dass ein Schnitt durch den Lichtbogen
parallel zum Grundwerkstoff die radiale Ausdehnung des Licht-
bogens zu beobachten gestattet. Nahezu parallel zum spektro-
skopischen Strahlengang ist eine Hochgeschwindigkeitskamera
für die visuelle Prozesskontrolle angeordnet, die mit dem Spekt-
roskopiesystem in Bildfolge und Belichtungszeit abgestimmt und
von einem Oszilloskop in der Stromanstiegsphase des Impulspro-
zesses getriggert wird. Elektrische und spektroskopische Daten
werden zusammen mit den Hochgeschwindigkeitsaufnahmen
für gleiche Zeitpunkte ausgewertet.
Abb. 1: Versuchsaufbau zur Abbildung des Lichtbogens
Projekt G1Plasmadiagnostik und –modellierung am MSG-Lichtbogen
G. Gött, S. Gorchakov, R. Kozakov, M. Rouffett, M. Wendt,
H. Schöpp, D. Uhrlandt
Leibniz-Institut für Plasmaforschung und Technologie e.V. (INP Greifswald)
1. Einführung
Dieses Teilvorhaben widmet sich der plasmadiagnostischen Ana-
lyse des Metall-Schutzgasschweißprozesses (MSG-Prozess). Mit
Hilfe optischer Emissionsspektroskopie werden die plasmaphysi-
kalischen Eigenschaften des Lichtbogens ermittelt. In Koordinati-
on mit den anderen Forschungsstellen wird der MSG-Prozess mit
impulsförmiger Ansteuerung und im Modus One-drop-per-pulse
(ODPP) mit Werkstück und Zusatzwerkstoff aus Stahl sowie dem
Schutzgas Argon betrachtet. Angestrebt wird insbesondere die
Erfassung der Plasmatemperatur, der Elektronendichte und des
Metalldampfanteils im Bogen in ihrer räumlichen Verteilung
(radial und axial) und zeitlichen Dynamik. Hieraus lassen sich
auch Leitfähigkeit, Strompfad und wesentliche Terme der Ener-
giebilanz ableiten.
Der Vergleich mit zugeordneten magneto-hydrodynamischen
(MHD) Simulationen und Ergebnissen anderer Diagnostiken in-
nerhalb des Clusters bietet einzigartige Möglichkeiten der Va-
lidierung. Zusätzlich werden die Messungen eingesetzt, um
Teilmodelle des Strahlungstransports zu erarbeiten sowie plas-
maphysikalische Daten zu vervollständigen, die in die MHD-
Simulationen einmünden.
Ziel ist es, die Ausbildung des Bogenplasmas im MSG-Prozess
insbesondere unter der Einwirkung der Metallverdampfung zu
verstehen. Wesentlich ist dabei die Bewertung der Einflussfak-
toren für Größe und räumliche Ausdehnung des Energieeintrags
auf Tropfen und Schmelze, welcher aus der Lichtbogenausprä-
gung resultiert. Ein weiteres Kriterium ist die Beeinflussbarkeit
der Strahlung des Bogens als unerwünschter Energieverlust und
gesundheitsschädigende Emission.
Als wesentliches aktuelles Ergebnis der Arbeiten ist die erstmali-
ge Quantifizierung des Temperaturprofils und des Metalldampf-
anteils in der Hochstromphase des gepulsten MSG-Prozesses zu
nennen. Insbesondere machten hochaufgelöste spektrale Auf-
nahmen und die geeignete Kombination verschiedener Auswerte-
methoden die Bestimmung der Bogeneigenschaften über den
Bereich der Strahlung des Metalldampfkerns hinaus möglich.
G1
G2
G3
G4
G5
A1
A3
A4
G4 Erweiterung des Prozessverständnisses über MSG-Lichtbogenprozesse durch Modellierung und Visualisierung der physikalischen Zusam-menhängeForschungsstellen: TU Dresden, RWTH Aachen
Projektleitung: Univ.-Prof. Dr.-Ing. habil. Uwe Füssel,
Prof. Dr.-Ing. Uwe Reisgen
Es wird ein Simulationswerkzeug für den MSG-Lichtbogenpro-
zess erarbeitet, das Bogenplasma, Schutzgasströmung und auch
den Werkstoffübergang bis hin zur Tropfenbildung und -ablö-
sung umfasst.
G5 Beschreibung komplexer Vorgänge im Licht-bogen durch die Kopplung von inverser und direkter ModellierungForschungsstellen: TU Dresden, FH Lausitz
Projektleitung: Univ.-Prof. Dr.-Ing. habil. Uwe Füssel,
Prof. Dr. rer. nat. habil. Johannes Kruscha
Mit Hilfe neuartiger Auswertungen von Zeitsignalen wird das
dynamische Systemverhalten analysiert. Die Ergebnisse werden
zum Aufbau einer effizienten Simulation zur Vorhersage des Pro-
zessverhaltens genutzt.
A1 Einsatz geregelt gepulster Lichtbögen zur Beeinflussung der SchmelzbaderstarrungForschungsstellen: TU Berlin, FH Lausitz
Projektleitung: Univ.-Prof. Dr.-Ing. habil. Johannes Wilden,
Prof. Dr. rer. nat. habil. Johannes Kruscha
Mit Hilfe inverser Modellierung werden Steuerungskonzepte
erarbeitet, die den Energieeintrag in das Schmelzbad modifizie-
ren, eine homogenere Keimbildung ermöglichen sowie Heißrisse
massive intermetallische Phasen vermeiden.
A3 Strömungsmechanische Auslegung von Brennersystemen zum wirtschaftlichen und emissions-reduzierten LichtbogenschweißenForschungsstelle: TU Dresden
Projektleitung: Univ.-Prof. Dr.-Ing. habil. Uwe Füssel
Unter Einsatz von Simulationswerkzeugen werden Konstrukti-
onsrichtlinien erarbeitet, die einen Absaugbrenner mit optimier-
ter Mehrphasenströmung ermöglichen.
A4 Entwicklung einer ereignisorientierten Regelung auf Basis der explorativen Daten-analyse zur Steuerung komplexer MSG-Impulsschweißprozesse Forschungsstellen: RWTH Aachen, FH Lausitz
Projektleitung: Prof. Dr.-Ing. Uwe Reisgen,
Prof. Dr. rer. nat. habil. Johannes Kruscha
Unter Einsatz inverser Modellierung werden Regelungskonzepte
erarbeitet, die eine qualifizierte Prozessregelung ohne externe
Sensorik ermöglichen.
Die im folgenden aufgelisteten Forschungsstellen sind am Clus-
ter beteiligt und zeichnen verantwortlich für den Inhalt der
Berichte der jeweiligen Vorhaben:
Lehrstuhl für Fügetechnik und Montage
Institut für Oberflächen- und Fertigungstechnik
Technische Universität Dresden (IOF)
Univ.-Prof. Dr.-Ing. habil. Uwe Füssel
Teilprojekte G4, G5, A3
Georg-Bähr-Str. 3c // Zeuner-Bau // 01069 Dresden
Fachgebiet Füge- und Beschichtungstechnik
Technische Universität Berlin
Univ.-Prof. Dr.-Ing. habil. Johannes Wilden
Teilprojekt A3
Pascal-Str. 8-9 // 10587 Berlin
Fachbereich Informatik-Elektrotechnik-Maschinenbau
Hochschule Lausitz (IEM)
Prof. Dr. rer. nat. habil. Johannes Kruscha
Teilprojekte G5, A1, A4
Großenhainer Str. 57 // 01968 Senftenberg
Institut für Schweißtechnik und Fügetechnik
RWTH Aachen (ISF)
Prof. Dr.-Ing. Uwe Reisgen
Teilprojekte G4, G5, A4
Pontstraße 49 // 52062 Aachen
Institut für Plasmatechnik und Mathematik
Labor für Plasmatechnologie (LPT)
Universität der Bundeswehr München
Prof. Dr.-Ing. Jochen Schein
Teilprojekte G2, G3
Werner-Heisenberg-Weg 39 // 85577 Neubiberg
Leibniz-Institut für Plasmaforschung
und Technologie e. V. (INP Greifswald)
Prof. Dr. rer. nat. Klaus-Dieter Weltmann
Dr. rer. nat. Dirk Uhrlandt
Teilprojekte G1, G3
Felix-Hausdorff-Str. 2 // 17489 Greifswald
8 9
Anhand von Übersichtsspektren wurden während des Maxi-
mums der Impulsstromphase Linien identifiziert und den Ele-
menten Eisen und Argon zugeordnet. Hieraus ergab sich eine
Auswahl von Linien geeigneter Intensität und optischer Tiefe
sowie geringer Überlappung, die für die Auswertungen ge-
nutzt werden konnten. Für die hochauflösende Spektroskopie
(0.0032 nm/pixel im Spektrum und 0.026 mm/pixel im Bogen-
querschnitt) wurden geeignete Spektrenbereiche (z.B. 520 bis
550 nm für Eisenlinien) ausgewählt. Die genaue Wellenlängen-
zuordnung sowie die Absolutkalibrierung der Spektren erfolgten
durch Vergleich mit geeigneten Normalen.
Hochauflösende spektrografische Aufnahmen liefern zunächst
die über Sichtlinien durch den Bogen integrierte Strahlung, die
spektrale Radianz als Funktion der Sichtlinienposition. Aus dieser
ist der spektrale Emissionskoeffizient als Funktion der Position
im Bogen zu ermitteln. Dies gelingt bei Annahme von Rotations-
symmetrie des Bogens durch Abeltransformation der Aufnah-
men senkrecht zur Bogenachse, wobei der Emissionskoeffizient
als Funktion der radialen Position im Bogen resultiert. Für eine
erfolgreiche Transformation müssen die Messwerte der Radianz
geeignet bearbeitet werden, worin eine der entscheidenden
Herausforderung der gewählten optischen Diagnostik besteht.
Für die Bestimmung der Emission einer Spetrallinie wurden Me-
thoden erarbeitet, die einen geeigneten Fit des Linienprofils, die
Korrektur des Kontinuumanteils, die räumliche Glättung und
Achsenkorrektur der Linienintegrale sowie die anschließende
Transformation umfassen. Zur Bestimmung von Linienbreiten ist
die Transformation nach geeigneter Glättung separat für jede
Wellenlänge des Linienprofils durchzuführen.
Zur Bestimmung der Plasmaeigenschaften aus dem spektralen
Emissionskoeffizienten stehen verschiedene Methoden zu Aus-
wahl. Die lokale Plasmatemperatur lässt sich direkt aus der über
eine Spektrallinie integrierten Emission bestimmen, wenn neben
den Linieneigenschaften (Übergangswahrscheinlichkeit, Energie-
niveau) die Dichte der strahlenden Spezies bekannt ist. Diese
kann im betrachteten Lichtbogen beim MSG-Prozess zunächst
nicht angegeben werden, da die Metallverdampfung zu einer un-
bestimmten Gasmischung von Schutzgas und Metall führt. Alter-
nativ kann die Emission von Linien der gleichen strahlenden Spe-
zies verglichen werden, wobei die Energieschwellen der oberen
Niveaus der Strahlungsübergänge möglichst unterschiedlich sein
sollten, um den Fehler in der Temperaturbestimmung klein zu
halten. Eine Verallgemeinerung der Auswertung von zwei Linien
stellt die Methode des Boltzmannplots dar. Hier werden eine
Reihe von Linienemissionen der gleichen Spezies herangezo-
gen, und die Plasmatemperatur ergibt sich aus dem Anstieg
des linearen Fits der resultierenden Boltzmannfunktion für die
Energieniveaus. Erste Beispiele für die Auswahl von geeigneten
Eisenatomlinien und den Fit der Boltzmannfunktion sind dem
ersten Zwischenbericht zum Projekt G1 vom Oktober 2009 zu
entnehmen.
Die lokale Elektronendichte kann aus der Breite eines Linien-
profils bestimmt werden, wenn man voraussetzen kann, dass
diese Linienstrahlung maßgeblich nur durch den Stark-Effekt
verbreitert wird und wenn der Zusammenhang von Starkbreite
und Elektronendichte für diese Linie hinreichend bekannt ist.
Entsprechende Daten wurden im ersten Projektabschnitt für
die Linie bei 696 nm des atomaren Argons recherchiert. Aus
den aufgenommenen Linienprofilen für die Sichtlinienpositio-
nen konnten erste Ergebnisse für die radiale Abhängigkeit der
Linienbreite und das radiale Profil der Elektronendichte ermittelt
werden. Die Untersuchungen konzentrierten sich auf einen Zeit-
punkt innerhalb der Hochstromphase sowie eine Beobachtungs-
ebene im mittleren Abstand vom Werkstück gemessen an der
Bogenlänge.
2.2. Analyse des Lichtbogens in der Hochstromphase
Die hochaufgelösten spektroskopischen Messungen am Licht-
bogen mit jeweils einem Messfenster im Bereich der Eisenlini-
en und der Argonlinien wurden auf vier Zeitpunkte innerhalb
der Hochstromphase ausgedehnt, um die zeitliche Entwicklung
im Puls analysieren zu können. Abb. 2 stellt exemplarisch den
Stromverlauf in der Hochstromphase sowie Hochgeschwindig-
keitsaufnahmen des Bogens zu den vier verschiedenen Zeit-
punkten dar. Die unter 2.1. genannten Auswertemethoden
wurden angewendet, um einerseits die Plasmatemperatur und
andererseits die Elektronendichte zu ermitteln. Erstere konnte je-
doch zunächst nur im Bereich relevanter Metalldampfstrahlung
und nicht in dem durch Argonstrahlung dominierten Außenbe-
reich des Bogens bestimmt werden. Im Gegensatz dazu führte
die geringe Argonstrahlung im zentralen Bogenbereich zu grö-
ßeren Fehlern in der Bestimmung der Elektronendichte. Eine
theoretisch mögliche Ermittlung der Metalldampfkonzentration
aus der Emission ausgewählter Eisenatomlinien bei bereits be-
stimmter Plasmatemperatur scheiterte an der Ungenauigkeit der
Daten der Einzellinien (insbesondere der Übergangswahrschein-
lichkeit) und geringer Reproduzierbarkeit.
Einen wesentlichen Schritt stellte die Einbeziehung von im ersten
Projektabschnitt vorbereiteten Zusammensetzungsrechnungen
dar. Mit der bestimmten Temperatur und Elektronendichte im
Bogeninnenbereich konnte eindeutig auf die Metalldampfkon-
zentration geschlossen werden. Diese fällt zum Außenbereich
hin schnell ab. Im Außenbereich kann von nahezu reinem Ar-
gon ausgegangen werden. So ließ sich in diesem Bereich aus der
Elektronendichte mit Hilfe der Zusammensetzung auf die Tem-
peratur schließen.
Die Analysen wurden anschließend auf mehrere Beobachtungs-
linien entlang des Bogens, in unterschiedlichem Abstand vom
Werkstück ausgedehnt.
Abb. 2: Stromverlauf und Zeitpunkte der spektroskopischen Messungen in der
Hochstromphase (a) sowie zugeordnete Hochgeschwindigkeitsaufnahmen (b).
2.3. Arbeiten zu den Strahlungsprozessen
in Argon-Eisen-Plasmen
Parallel zu den plasmadiagnostischen Untersuchungen erfolgten
theoretische Arbeiten mit dem Ziel, Strahlungsemission und –
transport im thermischen Bogen für den betrachteten Fall des
MSG-Prozesses beschreibbar zu machen. Dabei wurden zwei
Anliegen verfolgt. Zum einen bietet die Simulation des Strah-
lungstransports die Möglichkeit, die vermessenen spektralen
Radianzen mit Modellrechnungen bei bekannten Profilen der
Temperatur und der Dichten zu vergleichen. Hiermit lassen sich
sowohl die Messungen als auch die verwendeten atomaren
Daten zusätzlich validieren. Zum anderen ist der Energieverlust
durch Strahlung in den MHD-Simulationen des Schweißlichtbo-
gens zu erfassen. Hierfür ist die Strahlung im gesamten relevan-
ten Wellenlängenbereich (hier 30 bis 2500 nm) zu beschreiben.
Ein wesentlicher Teil der Arbeiten betraf die Sammlung von
Liniendaten für die strahlenden Übergänge der Eisenatome und
-ionen sowie der Argonatome und -ionen. Für die Annahme ei-
nes rotationssymmetrischen zylindrischen Bogens wurden bei
Vorgabe der Temperaturprofile und Eisendichten Strahlungs-
transportrechnungen durchgeführt. Hierbei wurde die Strah-
lungstransportgleichung in ausgewählten Spektralbereichen
unter Einbeziehung aller relevanten Linien und ihrer Verbreite-
rung gelöst. Beim Einsetzen der aus den Messungen bestimmten
Temperaturen und Gaszusammensetzungen ließen sich die im
Resultat vorliegenden spektralen Radianzen mit den Messungen
(siehe 2.2) vergleichen. Die aus der Literatur gefundenen Daten
insbesondere für die Linienbreiten (Elektronen-Stark-Breiten und
Van-der-Waals-Breiten) konnten so kontrolliert bzw. bei Abwei-
chungen in den Radianzen durch Anpassung von Vorfaktoren
korrigiert werden.
3. Aktuelle Ergebnisse
3.1. Plasmaeigenschaften des MSG-Lichtbogens
in der Hochstromphase
Der sich in der Hochstromphase etablierende Lichtbogen wurde
in einer Beobachtungsebene 4 mm über dem Werkstück analy-
siert. Betrachtet und verglichen wurden mehrere Pulse des unter
2.1. beschriebenen Prozesses, die sich als gut reproduzierbar er-
wiesen. Typische Ergebnisse zu den Plasmaeigenschaften zu den
in Abb. 2 markierten Zeitpunkten sind in den Abbildungen 3 bis
5 zusammengefasst. Die Plasmatemperatur (Abb. 3) wurde für
kleine Radialpositionen durch Auswertung von Boltzmannplots
ausgewählter Eisenlinien und für größere Radialpositionen be-
stimmt.
Abb. 3: Radiales Profil der Plasmatemperatur im MSG-Lichtbogen zu vier verschie-
denen Zeitpunkten in der Hochstromphase in einer Ebene 4 mm oberhalb des
Werkstückes.
Die Elektronendichte (Abb. 4) wurde aus der Stark-Verbreiterung
der Argonatomlinie bei 696 nm ermittelt. Mit Hilfe der berech-
neten Zusammensetzung als Funktion der Temperatur konnte
hieraus auf die Plasmatemperatur für größere Radialpositionen
in Abb. 3 geschlossen werden. Die Zusammensetzungsrechnun-
gen kombiniert mit den Temperaturmessungen erlaubten auch
die Bestimmung des molaren Eisenanteils in Abb. 5.
G1
G2
G3
G4
G5
A1
A3
A4
a)
b)
10 11
Abb. 4: Radiales Profil der Elektronendichte im MSG-Lichtbogen wie in Abb. 3.
Abb. 5: Radiales Profil des molaren Eisenanteils im MSG-Lichtbogen wie in Abb. 3.
Die Ergebnisse belegen das Vorhandensein eines durch Eisen-
dampf dominierten Bogenkerns mit Temperaturen um 8000 K,
der sich im Zeitverlauf über den Strompuls räumlich weiter aus-
dehnt. Im Kern werden molare Anteile von Eisen von 50 bis 80 %
erreicht. Am Rand dieses Kerns steigt die Temperatur schnell auf
ca. 13000 K, um dann mit steigender Radialposition im Bereich
des Argonplasmas langsam abzufallen. Die Elektronendichte
variiert nur gering im Zeitverlauf, ist im Eisenkern wie auch im
Übergangsbereich zum Argonplasma ähnlich und fällt im Au-
ßenbereich wie die Temperatur langsam zum Bogenrand hin
ab. Die genannten Ergebnisse wurden ergänzt mit detaillierten
Fehlerbetrachtungen in einer Fachpublikation zusammenge-
fasst, welche sich derzeit im Druck befindet [Rou10]. Über einen
ersten Vergleich der spektroskopisch gewonnenen Ergebnisse
mit denen von CFD-Rechnungen wird im Projektbericht zu G4
berichtet. Ähnliche Ergebnisse wurden in vergleichbaren Unter-
suchungen für Sprühlichtbögen [Zie07] gefunden.
Abb. 6: Boltzmannplot aus der Emission von 10 Eisenlinien im Bogenzentrum so-
wie bei der Radialposition 1.05 mm.
Messungen zu verschiedenen Schnittebenen des Bogens erfolg-
ten zu Abständen 1, 2, 3 und 4 mm über dem Werkstück. Hier
wurden ebenfalls Boltzmannplots ausgewählter Eisenlinien er-
stellt. Exemplarisch zeigt Abb. 6 zwei Boltzmannplots für den
Abstand 1 mm vom Werkstück und die Achsenposition bzw. die
Radialposition 1.05 mm. Erste Ergebnisse für das radiale Tempe-
raturprofil im Bereich der Eisenstrahlung sind in Abb. 7 zusam-
mengefasst. Für die Bestimmung des gesamten Profils und des
Temperaturmaximums am Rand des Eisenkerns muss auf noch
folgende Auswertungen der Argonstrahlung verwiesen werden.
Die bisherigen Ergebnisse deuten auf eine geringe Ausweitung
des Eisenkerns in Richtung Werkstück (Kathode) hin, wobei sich
die Temperatur im Zentrum nur geringfügig absenkt.
Abb. 7: Radiales Profil der Plasmatemperatur im Lichtbogenkern in der Hochstrom-
phase zu vier verschiedenen Schnittebenen oberhalb des Werkstückes.
Wichtigste Schlussfolgerung aus den Untersuchungen ist, dass
aufgrund der relativ geringen Temperaturen im Eisenkern ein
wesentlicher Strom- und Energietransfer auch in Bereichen
jenseits des Eisenkerns erfolgen muss. Der Energietransfer ist
weniger auf den Eisenkern fokussiert, als man aus Kameraauf-
nahmen der Eisenstrahlung ursprünglich schließen konnte. Die
Wechselwirkung von Schutzgas und Eisendampf bestimmt we-
sentlich das radiale Profil der Bogeneigenschaften und damit die
Möglichkeiten einer Fokussierung des Lichtbogens und seines
Energieeintrags auf das Werkstück.
3.2. Nettoemissionskoeffizienten in Argon-Eisen-Plasmen
Die unter 2.3. beschriebenen Methoden wurden in Kombination
mit den spektroskopischen Messungen der Radianzen bzw. der
ermittelten Temperaturen und Dichten zur Anpassung von Lini-
endaten eingesetzt. Unter anderem wurden für den Spektralbe-
reich von 526 bis 542 nm Strahlungstransportrechnungen zur in-
dividuellen Anpassung der Linienbreiten von 12 Eisenatom- und
-ionenlinien genutzt. Ein Beispiel des Vergleichs der gemessenen
und mit angepassten Liniendaten berechneten spektralen Radi-
anz zeigt Abb. 8.
Abb. 8: Gemessene und berechnete spektrale Radianz in einem ausgewählten Be-
reich von Eisenlinien einer Sichtlinie durch das Zentrum eines Bogens im Argon-
Eisengemisch.
Um genauere Angaben über den gesamten relevanten Spekt-
ralbereich zu erhalten, wurden gemessene Radianzen auch in
weiteren Spektralbereichen ausgewertet. So wurde beispiels-
weise ein Skalierungsfaktor von 3.7 für berechnete Starkbreiten
der Eisenatome ermittelt. Mit Hilfe der korrigierten Daten wur-
den Nettoemissionskoeffizienten für verschiedene Argon-Eisen-
Mischplasmen berechnet und mit Literaturdaten verglichen.
Beispiele sind in den Abbildungen 9 und 10 gezeigt. Abb. 9
demonstriert die Abhängigkeit des Nettoemissionskoeffizienten
von Temperatur und Eisenanteil in einem als homogen ange-
nommenen Bogen von 1 mm Radius im Vergleich mit Daten aus
der Literatur [Men02]. Abb. 10 veranschaulicht den Anteil der
Strahlung verschiedener Spezies für den Fall eines Plasmas mit
10% Eisenanteil. Der Nettoemissionskoeffizient ist durch Strah-
lungsanteile im Sichtbaren bestimmt und wird schon für Eisen-
anteile ab 0.1% von den Strahlungseigenschaften des Eisens
dominiert.
Abb. 9: Nettoemissionskoeffizient für einen Bogen vom Radius 1 mm in verschie-
denen Argon-Eisen-Mischungen aus eigenen Berechnungen sowie aus [Men02].
Abb. 10: Nettoemissionskoeffizient für einen Bogen vom Radius 0.1 mm in Argon
mit einem Eisenanteil von 10% sowie Anteile der Nettoemission aus den verschie-
denen Atom- und Ionenarten.
4. Nächste Schritte
Gegenstand aktueller Aktivitäten ist die weitere Auswertung von
spektroskopischen Messungen zu verschiedenen Schnittebenen
des MSG-Lichtbogens sowie die Ausweitung dieser Messungen
auf verschiedene Zeitpunkte in der Hochstromphase. Ziel ist da-
bei die mehrdimensionale Erfassung des Eigenschaftsbildes des
Bogens in seiner Entwicklung über die Hochstromphase. Die
kombinierte Ermittlung von Temperatur, Elektronendichte und
Eisenanteil erlaubt dabei auch die Bestimmung der räumlichen
Profile der thermischen und elektrischen Leitfähigkeit sowie des
Strompfads und der Energiestromdichte. Der Vergleich mit zuge-
ordneten Simulationen im Projekt G4 wird dabei noch größeres
Gewicht erhalten. Die bereits begonnene Ausdehnung auf den
G1
G2
G3
G4
G5
A1
A3
A4
12 13
elektrodennahen Bereich soll zusätzliche Erkenntnisse zum Ener-
gieübertrag auf das Werkstück und zu seiner räumlichen Aus-
dehnung erbringen.
Im Nachgang ist vorgesehen, die Untersuchungen soweit als
möglich auf Bereiche der abfallenden und ansteigenden Flan-
ke des Strompulses auszudehnen. Erwartet werden zusätzliche
Erkenntnisse zur Metallverdampfung in der Anstiegsflanke und
zum Strom- und Energietransfer im Bereich der Tropfenablösung.
Die Arbeiten zu den Strahlungsdaten von Argon-Eisen-Misch-
plasmen werden in die Bestimmung geeigneter Koeffizienten
zur Einbeziehung in die MHD-Simulationen im Projekt G4 mün-
den. Ziel ist hier die Berücksichtigung des Strahlungstransports in
der Energiebilanz der MHD-Simulationen. Durch die Anpassung
der Strahlungsdaten mit Hilfe zugeordneter spektroskopischer
Messungen wird in der Simulation eine Genauigkeit der Erfas-
sung der Strahlungsvorgänge erwartet, die in bisherigen Unter-
suchungen nicht möglich war. Die angepassten Strahlungsdaten
wie auch die erweiterten Simulationen werden Gegenstand von
gemeinsamen Veröffentlichungen in Fachzeitschriften sein.
Literaturverzeichnis
[Men02] J. Menard, S. Malik, Net emission coefficients for argon-
iron thermal plasmas, J. Phys. D: Appl. Phys. 26 (2002) 867-.
[Rou10] M. E. Rouffet, M. Wendt, G. Gött, R. Kozakov, H.
Schöpp, K.-D. Weltmann,D. Uhrlandt, Spectroscopic investiga-
tion of the high-current phase of a pulsed GMAW process, J.
Phys. D: Appl. Phys. 43 (2010) in print.
[Zie07] S.Zielinska and al., Investigations of GMAW plasma by
optical emission spectroscopy, Plasma Sources Sci. Technol. 16
(2007) 832-838.
Anregung eine Schallwelle im Ultraschallbereich erzeugt wird.
Man spricht vorzugsweise von Optoakustik, wenn Laserpulse im
Nanosekundenbereich in einem Medium Ultraschallwellen her-
vorrufen. Diese sollen nun mit einem Interferometer gemessen
werden und so Aussagen über das E Modul bzw. die Viskosität
gemacht werden.
1.3 Kompensierende Pyrometrie
Das Hauptproblem bei der Pyrometrie an Schweißpartikeln,
-elektroden und Werkstück ist die starke Strahlung, die durch
das nahe Plasma erzeugt wird. Daher ist Hauptziel dieser Ent-
wicklung, den reflektierten Anteil des Lichtbogens zu messen
und bei der Bestimmung der absoluten Emission zu berücksich-
tigen, um dann durch reguläre 2-Farben Pyrometrie die Tempe-
raturverteilung in 2D zu bestimmen. Zu diesem Zweck soll ein
Aufbau verwendet werden, der die Reflektion der Oberfläche in
Abhängigkeit vom Winkel misst und dieses mit winkelabhängi-
gen Messungen der Oberflächenemission kombiniert. Mit einer
getrennten Detektion der Plasmaemission und einer zusätzlichen
Messung der Schmelzbademission wird die netto-Schmelzbad-
emission ermittelt.
2. Arbeitsbericht
2.1 Hallsondentomographie
Ein Modell zur Bestimmung der Stromdichteverteilung im Licht-
bogen ist das sogenannte Fadenstrommodell. Dabei wird der
Lichtbogen in diskrete Leiter unterteilt, welche separat als strom-
durchflossene Leiter betrachtet werden können. Diese erzeugen
jeweils ein Magnetfeld, welches mit dem aller anderen „Leiter“
zu einem messbaren Gesamtmagnetfeld superponiert. Ziel bei
diesem Modell ist es nun, durch Messung des Gesamtmagnet-
feldes wieder Rückschlüsse auf die Ströme der einzelnen Leiter,
also die Stromdichteverteilung zu ziehen.
Dafür wurde bereits im ersten Drittel der Projektlaufzeit der Hall-
sensor HAL855-A von der FA MICRONAS in Betrieb genommen
und kalibriert. Dieser Hallsensor zeichnet sich durch eine inte-
grierte elektrische Temperaturkompensation, eine mechanisch
robuste und kleine Bauweise, sowie eine hohe Sensitivität aus.
Außerdem sorgt eine integrierte Signalvorverstärkung und Um-
wandlung in ein störunempfindliches PWM-Signal gekoppelt
mit einer dafür entwickelten FPGA basierten Auswertung für
das parallele Detektieren kleinster Magnetfelder mit mehreren
verteilten Hallsensoren. Mit diesen Hallsensoren wurde ebenfalls
im ersten Drittel der Projektlaufzeit ein Aufbau zur tomographi-
schen Rekonstruktion der Position eines stromdurchflossenen
Leiters umgesetzt: Ein mit LabVIEW programmierter Algorith-
mus kann die Position eines im Raum frei beweglichen strom-
durchflossenen Leiters im laufenden Betrieb rekonstruieren und
diese Position relativ zu der Position der Hallsensoren in Echtzeit
auf einem Monitor anzeigen.
Projekt G2
Innovative Diagnostik zur Analyse des Werk-stoffübergangs im MSG-Schweißprozess
B. Bachmann, J.-L. Marques, J. Schein
Institut für Plasmatechnik und Mathematik, Universität der Bundeswehr München
1. Einführung
Ziel dieses Projektes ist es, durch die Entwicklung neuer, innova-
tiver Diagnostiken den Werkstoffübergang von der abschmel-
zenden Elektrode bis hin zum zu bearbeitenden Werkstück mit
großer Genauigkeit experimentell zu analysieren um damit so-
wohl grundlegende Materialparameter zu bestimmen, die für
eine erfolgreiche Modellierung des Lichtbogenschweißvorgangs
notwendig sind, als auch neue Möglichkeiten zur Prozesskont-
rolle zu gewinnen. Die zu bestimmenden Parameter in diesem
Projekt sind die Temperaturen an den Oberflächen und im Volu-
men der transportierten Materialien sowie die Stromdichtever-
teilung an den Elektroden und im Lichtbogen.
1.1 Hallsondentomographie
Ziel dieses Teilprojektes ist die örtlich und zeitlich aufgelöste
Bestimmung der Stromdichte innerhalb eines Schweißlichtbo-
gens durch Messung des umgebenden Magnetfeldes. Dabei soll
besonderer Wert auf die Stromdichte im Bereich der Elektrode
bzw. des Werkstückes gelegt werden. Die dabei gewonnenen
Erkenntnisse sollen in die Modellierung des MSG Prozesses ein-
gehen, die in dem Cluster von dem INP, der TUD und der RWTH
unternommen wird. Für die Bestimmung der Stromdichtevertei-
lung muss ein physikalisches Modell entwickelt werden, um aus
den Magnetfeldmessungen in der Umgebung des Lichtbogens
auf die Stromdichteverteilung im Lichtbogen zu schließen. Ein
Array aus Hallsonden wird verwendet, um die Magnetfeldvertei-
lung des Lichtbogens zu bestimmen.
1.2 Laser-shock-viscosity-measurement
Ziel des Laser Shock Viscosity Measurements ist es, die Viskosität
des sich ablösenden Tropfens beim MSG Prozess zu bestimmen,
um damit zusätzliche Informationen über den Ablösemechanis-
mus zu bekommen. Auch diese Daten werden zur Unterstützung
der physikalischen Modellierung benötigt. Unter anderem wird
angestrebt, aus der Viskosität die interne Temperatur der Draht-
spitze im Schweißprozess zu messen. Dafür sollen, basierend auf
dem photoakustischen Effekt, lasergenerierte Stoßwellen in der
abschmelzenden Elektrode erzeugt werden. Der photoakusti-
sche Effekt resultiert aus der Wechselwirkung von elektromag-
netischer Strahlung mit Materie, wobei durch gepulste optische
G1
G2
G3
G4
G5
A1
A3
A4
14 15
Der WIG Lichtbogen wurde in den ersten Experimenten mit 50 A
und 8 slpm Argon bei einer Länge von bis zu 20 mm betrieben.
Die mit Hilfe des Modells bestimmbare charakteristische radia-
le Ausdehnung ( )zσ des Lichtbogens sowie die Stromdichte in
z-Richtung im Zentrum des Lichtbogens sind dabei in Abb. 5
dargestellt.
Abb. 5: charakteristische radiale Ausdehnung ( )zσ und Stromdichte ( )zrjz ,0= in
axialer Richtung im Zentrum des Lichtbogens
In Abb. 6 sind zwei Isoflächen der Stromdichte in axialer Rich-
tung ( )zrjz , dargestellt, welche mit Hilfe des Modells beim zuvor
beschriebenen Lichtbogen berechnet wurden.
Abb. 6: Räumliche Verteilung der Isoflächen (Grün und Blau) für ( )zrjz ,
Die Stromdichte liegt hier im Bereich von 1e+4 A/m² bis 5e+5A/m²
und wird in radialer und axialer Richtung schwächer. Abb. 7
zeigt Isoflächen für die Stromdichte in radialer Richtung ( )zrjr , :
Abb. 7: Räumliche Verteilung der Isoflächen für ( )zrjr ,
Im zweiten Drittel der Projektlaufzeit wurde die Theorie zum
Fadenstrommodell weiter entwickelt und in einem Experiment
mit zwei stromdurchflossenen Leitern umgesetzt. Außerdem
wurde ein komplett neues Modell zur tomographischen Rekon-
struktion von Stromdichteverteilungen in axialsymmetrischen
Lichtbögen entwickelt. Dieses neue Modell konnte bereits in Ex-
perimenten validiert werden und ermöglicht es dem Antragstel-
ler, Stromdichteverteilungen an axialsymmetrischen Lichtbögen
zu bestimmen. Zur Validierung der Axialsymmetrie eines Lichtbo-
gens im Experiment wurde eine optische Diagnostik entwickelt,
welche es dem Antragsteller ermöglicht, den zu untersuchenden
Lichtbogen dreidimensional darzustellen.
2.2 Laser-shock-viscosity-measurement
Um zunächst einen genaueren Einblick in den photoakustischen
Effekt zu bekommen und die entstehenden Ultraschallwellen
an einfachen Testobjekten messen zu können, wurde im ers-
ten Drittel der Projektlaufzeit ein experimenteller Aufbau zur
Detektion und Untersuchung der Ultraschallwellen in Betrieb ge-
nommen. Dafür wurden diese in einem absorbierenden Medium
erzeugt, welches sich in einem Wasserbecken befindet. So kön-
nen Ultraschallwellen, die sich durch das Wasser ausbreiten, mit
einem Hydrophon detektiert werden. Es wurde ein Hydrophon
verwendet, welches zur Wandlung von Wasserschall in eine
dem Schalldruck äquivalente elektrische Spannung dient (Piezo-
element). Dabei zeigten erste Messungen bereits eine zeitliche
Veränderung des Schalldrucks am Hydrophon. Im zweiten Drit-
tel der Projektlaufzeit wurde die Erzeugung der optoakustischen
Stoßwellen und deren Detektion mit dem eben beschriebenen
experimentellen Aufbau analysiert und optimiert. Desweiteren
wurden bereits erste optoakustische Versuche außerhalb dieses
idealen experimentellen Aufbaus durchgeführt. Um der späteren
Anwendung so nah wie möglich zu kommen, wurden die Ultra-
schallwellen dabei in einer Metallkugel mit 5 mm Radius erzeugt
und mit einem Piezoelement gemessen. Zur interferometrischen
Detektion der lasergenerierten Stoßwellen hat der Antragsteller
im ersten Drittel der Projektlaufzeit ein Interferometer nach dem
Prinzip von Michelson aufgebaut und dieses mit einem Nd-YAG
Dauerstrichlaser mit 532nm Wellenlänge in Betrieb genom-
men. Außerdem wurde ein Kamerasystem installiert, mit dem
sich sichtbare Interferenzmuster detektieren ließen. Im zweiten
Drittel der Projektlaufzeit wurde festgestellt, dass mit dem Mi-
chelsoninterferometer nur Objekte vermessen werden können,
durch die die örtliche und zeitliche Kohärenz des Laserstrahls nur
minimal beeinflusst wird. Somit war es nicht möglich, Interfe-
renz an tropfenähnlichen Formen wie z.B. der oben beschriebe-
nen Kugel zu erhalten. Um dieses Problem zu umgehen, hat der
Antragsteller ein neues Interferometer aufgebaut und in Betrieb
genommen. Mit dem sogenannten VISAR (Velocity Interferome-
ter System for Any Reflector) ist es inzwischen möglich, auch an
stark gekrümmten und nicht ideal spiegelnden Oberflächen In-
terferenz zu erhalten.
2.3 Kompensierende Pyrometrie
Im zweiten Drittel der Projektlaufzeit wurde eine druckluftbasier-
te, elektrisch ansteuerbare Vorrichtung gebaut, mit der sich der
Lichtbogen schnell abschalten lässt ohne dabei das Schmelzbad
zu beeinflussen.
Abb. 1: elektrisch ansteuerbare Abschaltvorrichtung zum schnellen Abschalten des
WIG-Lichtbogens.
So kann zunächst die Pyrometrie an der Schmelze ohne den Ein-
fluss des Plasmas durchgeführt werden. Außerdem wurde ein
hochauflösendes 2-Farben-pyrometer basierend auf zwei 16bit
Graustufen CCD Kameras entwickelt, aufgebaut und in Betrieb
genommen. Mit diesem Pyrometer wird in zukünftigen Experimen-
ten eine flächendeckende Temperaturbestimmung ermöglicht.
3. Aktuelle Ergebnisse
3.1 Hallsondentomographie
Die Erweiterung der Theorie zum Fadenstrommodell, also zur
Rekonstruktion vom mehreren stromdurchflossenen Leitern
wurde im zweiten Drittel der Projektlaufzeit weiter bearbeitet.
Es wurde dafür ein Programm entwickelt, welches basierend
auf der Lösung eines iterativen Optimierungsproblems, die Po-
sition von mehreren stromdurchflossenen Leitern rekonstruieren
kann. Außerdem wurde das Programm in einem praktischen Ex-
periment umgesetzt. In diesem Experiment wurden die Positio-
nen und das Magnetfeld von zwei frei beweglichen Leitern mit
unterschiedlichen Stromstärken rekonstruiert und für beliebige
Leiterorte auf einem Bildschirm in Echtzeit dargestellt (vgl. Abb. 2).
Abb. 2: Programmoberfläche zur Rekonstruktion der Postionen
zweier frei beweglicher stromdurchflossener Leiter.
Das im zweiten Drittel der Projektlaufzeit entwickelte Modell zur
tomographischen Rekonstruktion von Stromdichteverteilungen
in axialsymmetrischen Lichtbögen [Bac10] ermöglicht die Bestim-
mung der Stromdichteverteilung
(Axialsymmetrie)
an jedem beliebigen Punkt im Raum. Dabei wird außer der Axial-
symmetrie eine normalverteilte Stromdichte in z-Richtung (Ach-
se des Lichtbogens) angenommen.
Validiert wird die Annahme der Axialsymmetrie mithilfe einer da-
für entwickelten optischen Diagnostik (Stereoaufnahme), welche
den Lichtbogen graphisch rekonstruiert. Dafür wird der Lichtbo-
gen aus zwei orthogonalen Richtungen aufgenommen und über
die Intensitätsverteilung der Graustufenbilder die Achse des
Lichtbogens festgelegt. Durch die Orthogonalität der Aufnah-
men lassen sich Längen der großen und kleinen Halbachsen von
Ellipsen bestimmen, aus denen dann der gesamte Lichtbogen
zusammengesetzt werden kann, wie dies in Abb. 3 zu sehen ist.
Abb. 3: Stereoaufnahme zur Validierung der Axialsymmetrie des Lichtbogens
Weiterhin lässt sich mit dem in [Bac10] beschriebenen Modell
die charakteristische radiale Ausbreitung ( )zσ des Lichtbogens
berechnen. Erste Experimente zu dem neuen Modell haben be-
reits an einem WIG Lichtbogen stattgefunden. Ein Foto des Ver-
suchsaufbaus ist in Abb. 4 zu sehen, welches den Lichtbogen
und das Messarray von Hallsensoren darstellt.
Abb. 4: experimenteller WIG Lichtbogen mit Hallsondenarray
G1
G2
G3
G4
G5
A1
A3
A4
16 17
Auch hier ist die radiale Stromdichte im Zentrum des Lichtbo-
gens und nah an der Kathode am stärksten, jedoch eine Grö-
ßenordnung geringer als ( )zrjz , .
3.2 Laser-shock-viscosity-measurement
Um reproduzierbare Ergebnisse bei der Erzeugung optoakus-
tischer Stoßwellen zu erhalten, wurde das im Arbeitsbericht
beschriebene Experiment im Hinblick auf das Signalrausch-
leistungsverhältnis und die Amplitudenstabilität von Messung
zu Messung optimiert, da diese wichtige Grundlagen für
weiterführende Experimente sind. Für die Optimierung des
S/N-Verhältnisses ist es sinnvoll, die Signalleistung durch Mini-
mierung des Abstandes zwischen absorbierendem Medium und
Schallsensor zu erhöhen. Außerdem lässt sich gleichzeitig die
Rauschleistung verringern, indem Messleitungen elektromagne-
tisch abgeschirmt und räumlich maximal von Spannungsversor-
gungleitungen entfernt werden. Eine hohe Abtastrate, bei der
die Nyquistfrequenz überschritten wird, sowie eine hohe vertikale
Auflösung gewährleistet zusätzlich eine optimale Auflösung
der Signale. Das Ergebnis der Optimierung der Erzeugung und
Detektion optoakustischer Stoßwellen ist in Abb. 8 dargestellt.
Abb. 8: Optimierung der Erzeugung und Detektion optoakustischer Schallwellen.
(links: ursprüngliches optoakustisches Signal, rechts: optimiertes Signal)
G1
G2
G3
G4
G5
A1
A3
A4
Der rechts dargestellte Bereich von 100 Messungen der opto-
akustischen Stoßwelle lässt die hohe Reproduzierbarkeit des
optimierten Messverfahrens erkennen. Sowohl der geringe Jitter
als auch die hohe Amplitudenstabilität, die hier erreicht wurde,
sind Voraussetzung für weiterführende Experimente an Metall-
tropfen. Dafür wurde in den nächsten Experimenten als absor-
bierendes Medium eine Metallkugel verwendet. Abb. 9 stellt
den Versuchsaufbau mit dem Ergebnis der laserproduzierten
Stoßwelle dar:
Abb. 9: Optoakustik mit Metallkugel als Messobjekt
und piezoelektrischer Detektion
Mit dem in Abb. 10 schematisch dargestellten VISAR lassen sich
nun auch Messobjekte mit gekrümmten Oberflächen vermessen.
Abb. 10: Schematischer Aufbau des VISAR
(Velocity Interferometer System for Any Reflector)
So lässt sich nicht nur bei einem Spiegel als Messobjekt Interfe-
renz detektieren (Abb. 11), sondern auch bei der zuvor beschrie-
benen Metallkugel (Abb. 12).
4. Nächste Schritte
Neben weiteren Messungen am WIG Lichtbogen soll im kom-
menden Halbjahr das Modell zur Hallsondentomographie erwei-
tert und erste Ergebnisse am MSG Prozess erzielt werden.
Die nächsten Arbeitsschritte beim Laser-shock-viscosity-measure-
ment sind die Realisierung des VISARs mit flüssigem Metalltrop-
fen als Messobjekt sowie die laserinduzierte Stoßwellenerzeu-
gung mit piezoelektrischer Detektion an flüssigen Metalltropfen.
Im Anschluss daran sollen zunächst mechanische Stoßwellen
in verschiedenen Messobjekten (Spiegel, Metallkugel, flüssiger
Metalltropfen) erzeugt werden, die dann mit dem VISAR detek-
tiert und ausgewertet werden. Dann kann die Erzeugung op-
toakustischer Signale mit dem VISAR zusammengeführt werden
und laserinduzierte Stoßwellen interferometrisch detektiert und
ausgewertet werden.
Das neue 2-Farben Pyrometer wird in den nächsten Arbeits-
schritten kalibriert und es werden erste Messungen an Fest-
körpern durchgeführt. Anschließend werden Messungen an
Metallschmelzen durchgeführt, welche durch einen Lichtbogen
erzeugt werden. Dabei wird zunächst der Lichtbogen mit der
bereits entwickelten Vorrichtung abgeschaltet. Dann wird der
Verlauf des Abkühlens der Schmelze gemessen und auf den
Zeitpunkt zum Abschalten zurück extrapoliert um die dort herr-
schenden Temperaturverteilungen zu bestimmen.
Abb. 11: VISAR mit Spiegel als Messobjekt
Abb. 12: VISAR mit Metallkugel als Messobjekt
Literaturverzeichnis
[Bac10] B. Bachmann, J.-L. Marques, J. Schein, M. Richter,
THREE-DIMENSIONAL TOMOGRAPHIC RECONSTRUCTION OF
THE ELECTRIC CURRENT DENSITY DISTRIBUTION WITHIN A
TRANSFERRED PLASMA ARC, 37th IEEE International Conference
on Plasma Science, Norfolk, VA, USA, June 20-24, 2010
18 19
Projekt G 3Entwicklung und Parametrisierung eines
instrumentierten Modelllichtbogens
E. Siewert1, J. Schein1, G. Forster1, S. Gorchakov2, R. Kozakov2,
H. Schöpp2, D. Uhrlandt2, K.-D. Weltmann2
1 Institut für Plasmatechnik und Mathematik,
Universität der Bundeswehr München
2 Leibniz-Institut für Plasmaforschung und Technologie e.V. (INP) Greifswald
1. Einführung
Trotz zahlreicher, in der Vergangenheit durchgeführter Unter-
suchungen am MSG-Schweißlichtbogen fehlt immer noch ein
grundlegendes physikalisches Verständnis der Vorgänge in den
Randschichten des Lichtbogens und folglich des Gesamtpro-
zesses. Weitere wichtige Effekte wie der Bogenansatz an den
Elektroden, Fluktuationen im Lichtbogen sowie die Partikelüber-
tragung durch das Plasma sind bisher nur qualitativ und auf
limitierte Parameterbereiche begrenzt untersucht worden. Das
fehlende physikalische Verständnis erklärt, warum Simulations-
modelle zumeist auf nur eine Parameterkombination (Stromstär-
ke, Lichtbogenlänge, Brennergeometrie, etc.) angepasst wurden
und für andere Einstellungen im Allgemeinen keine gute Über-
einstimmung mit Experimenten zeigen.
Ziel des Projektes G 3 ist es, ein grundlegendes Verständnis des
MSG Schweißprozesses durch die physikalische Analyse des
Lichtbogens und der Elektrodenrandgebiete an einem instru-
mentierten Modelllichtbogen (MLB) zu schaffen. Dieses Projekt
wird parallel und in enger Zusammenarbeit an beiden beteilig-
ten Forschungseinrichtungen durchgeführt.
Der am LPT entwickelte und an beiden Forschungseinrichtungen
aufgebaute MLB ermöglicht das Einstellen der Elektrodenab-
stände, der Gasatmosphäre und der Energieeinträge. Weiterhin
besteht die Möglichkeit, die Elektroden kathodisch oder ano-
disch zu polen sowie den Energieeintrag und die Energieabfuhr
zu beeinflussen, sodass detaillierte Untersuchungen der Elektro-
denrandgebiete bei abschmelzenden Elektroden durchgeführt
werden können. Im Entwicklungsstadium ermöglicht der MLB
durch die Integration zweier zusätzlicher Elektrodenebenen die
unabhängige Kontrolle des Energieeintrages in den abschmel-
zenden Draht und das Werkstück (Abb. 1).
Unabhängig voneinander werden an beiden Forschungsstellen dia-
gnostische Messungen mit sich ergänzenden Zielsetzungen durch-
geführt. Hierzu wurden diagnostische Systeme entwickelt, um
1. die Energiedichte ortsaufgelöst an den Elektroden
zu bestimmen (LPT),
2. die elektrische Feldstärke zu messen (INP, LPT),
3. die Plasmatemperatur und Elektronendichte spektroskopisch
zu bestimmen (INP, LPT),
4. die Elektronendichte und -temperatur mittels
Thomsonstreuung zu erfassen (LPT),
5. die Tropfenenthalpie (LPT) und Tropfentemperatur
(INP) zu messen,
6. die Lichtbogengestalt anhand der Tomographie
zu rekonstruieren (LPT) und
7. die Fallspannung anhand von Langmuir- und Potential-
proben zu messen (LPT).
Abb. 1: Prinzipieller Aufbau des Modelllichtbogens mit zwei Hilfselektrodenebenen
Im folgenden Arbeitszeitraum werden die neu entwickelten Di-
agnostiken am automatisierten MLB für Sensitivanalysen und an
praxisnahen Prozessen mit schmelzenden Elektroden eingesetzt.
Die Ergebnisse dienen im Besonderen als Randbedingungen für
die Simulationsmodelle der Projekte G4, G5 und A3, zum Ver-
gleich mit Simulationsergebnissen und zur Verbesserung des
Prozessverständnisses.
2. Arbeitsbericht
Mit Hilfe des MLB können Lichtbögen erzeugt werden, welche
(i.) zwischen nicht schmelzenden Elektroden (MLB 1),
(ii.) zwischen abschmelzenden Elektroden (MLB 2) sowie
(iii.) zwischen schmelzenden Elektroden und nicht schmelzen-
den Hilfselektroden (MLB 3) brennen. Detaillierte Informationen
sind dem Zwischenbericht vom Oktober 2009 zu entnehmen.
Der Modelllichtbogenaufbau ist in der ersten Projektperiode
auch an der Forschungsstelle INP in Greifswald installiert wor-
den. Aktuell wurde am LPT der MLB-Aufbau mit einer Speicher-
programmierbaren Steuerung (SPS) versehen. Weiterhin wurden
Diagnostiken entwickelt, um insbesondere die Randschichten
von Lichtbögen zu analysieren. Es wurden erste Untersuchungen
zur Brennspannung und zum elektrischen Feld am MLB 1 (WIG)
sowie die Analyse der Tropfentemperatur durchgeführt (MLB 2).
Weiterhin wurden vom INP Modelle entwickelt, um die Rand-
schichten an den Elektroden zu beschreiben.
2.1 Automatisierung des MLB-Aufbaus
Die Automatisierung des MLB anhand einer SPS (Ablaufpro-
gramme für MLB 1 bis MLB 3) ermöglicht es, den Lichtbogen
im Einmannbetrieb zu initialisieren, zu überwachen und mit
Diagnostiksystemen zu synchronisieren. Die Zündroutine kann
gestartet werden, wenn die SPS einen ausreichenden Kühlwas-
ser-, und Schutzgasdurchfluss registriert sowie die Grenztempe-
ratur des Kühlwasserkreislaufs nicht überschritten wird. Anhand
des Kühlwasserdurchflusses und der Kühlwassertemperaturer-
höhung wird zudem die in die Elektroden eingebrachte Energie
berechnet.
Beim Zünden besteht die Möglichkeit, auch den MSG-Prozess
berührungslos über eine Hochspannungszündung zu initialisie-
ren. Dieses Vorgehen ist für das Diagnostiksystem zur Bestim-
mung der Tropfenenthalpie essentiell (siehe auch Abb. 8). Wei-
terhin können die Drahtfördergeschwindigkeit, der Stromverlauf
und der Brennerabstand variabel während des Schweißvorgangs
verändert werden.
2.2 Diagnostische Systeme
Die entwickelten diagnostischen Systeme lassen sich nach ihrem
Analyseort in (i.) die Analyse des Lichtbogens, (ii.) die Analyse
der Randschichten und (iii.) die Analyse des Tropfenübergangs
unterteilen.
2.2.1 Analyse des Lichtbogens
Um den Lichtbogen zu analysieren werden spektroskopisch orts-
aufgelöste Sideon-Übersichtsspektren aufgenommen und die
Plasmatemperatur anhand eines Boltzmannplots bestimmt. Die
Lichtbogengestalt wird anhand der Tomografie rekonstruiert.
Für die Spektroskopie wird am LPT der Spektrograph S3804 mit
einem variablen Eintrittsspalt verwendet, siehe Abb. 2. Das Licht
des Lichtbogens wird über einen Kollimator in eine Lichtleitfaser
eingekoppelt. Eine Lochblende (Durchmesser 300 µm) ermög-
licht eine örtliche Auflösung des Messobjekts. Die Messpunkte
werden mithilfe eines XY-Supports angefahren. G1
G2
G3
G4
G5
A1
A3
A4
Abb. 2: Aufbau des spektroskopischen Messsystems (links), Messpunkte
und erzeugte Übersichtsspektrum (rechts)
Aus einer Reihe von Linienemissionen der gleichen Spezies wird
die Plasmatemperatur aus dem Anstieg der linearen Boltzmann-
funktion berechnet. Die Auswertung dieser spektroskopischen
Daten ist noch nicht abgeschlossen, da momentan noch der Ein-
fluss der Absorption des Plasmas (kein optisch dünnes Plasma) auf
die Temperaturberechnung untersucht wird. Die Ergebnisse die-
nen zur Absicherung der vom INP bestimmten Plasmatempera-
turen (siehe Projektbericht G1). Zusätzlich wird am INP die Stark-
verbreiterung ausgewertet, welche analog zum Projekt G1 die
Ermittlung der Elektronendichte ermöglicht. Zusammen mit der
Temperaturbestimmung lässt sich das Profil der elektrischen Leit-
fähigkeit ermitteln, wobei ein unabhängiger Zugang zur Bogen-
spannung hergestellt werden kann.
Die Gestalt des Lichtbogens wird mit einer tomografischen
Technik berechnet. Hierzu wird der Schweißbrenner um 180°
gedreht, wobei alle 3° anhand einer CCD-Kamera eine Aufnah-
me vom Lichtbogen gemacht wird, siehe Abb. 3. Ein algebra-
ischer Rekonstruktionsalgorithmus berechnet aus den Aufnah-
men die dreidimensionale Lichtbogengestalt. Die Auswertung
zeigt einen deutlichen Unterschied zwischen einem einge-
schnürten und einem frei brennenden Lichtbogen (siehe Beispiel
in Abb. 3).
Der Algorithmus basiert auf der Annahme, dass das Plasma
optisch dünn ist. Analog zur bereits beschriebenen Bestimmung
der Plasmatemperatur ist bisher noch ungeklärt, wie stark die
Lichtbogen-Rekonstruktion durch die Absorption des Plasmas,
d.h. durch die Abweichung von der Annahme eines optisch dün-
nen Plasmas, verfälscht wird.
20 21
Zurzeit wird die Möglichkeit geprüft, anhand des aufgebauten
Systems auch die Gestalt eines MSG-Lichtbogens zu rekonstruie-
ren. Hierzu werden in jeder Winkelstellung an charakteristischen
Punkten des Schweißprozesses Aufnahmen vom Lichtbogen
gemacht und aus den zugehörigen Aufnahmen bei allen Winkel-
stellungen die Lichtbogengestalt rekonstruiert.
2.2.2 Analyse der Elektrodenrandschichten
Die Randschichten des Lichtbogens werden durch die Bestim-
mung der elektrischen Feldstärke, durch die Messung der Fall-
spannung, durch Stromdichtemessungen und die Bestimmung
der Gasenthalpie sowie der Gaszusammensetzung analysiert.
Zur Bestimmung der elektrischen Feldstärke wird am LPT ein
Lichtbogen in Argon zwischen einer plattenförmigen Kup-
feranode und einer spitzen, stabförmigen Wolframelektrode
bei einem Abstand von 0,3 mm initialisiert. Hiernach wird die
Lichtbogenlänge definiert in 0,1 mm Schritten vergrößert und
bei jedem Abstand Strom- und Spannungswerte sowie ein Bild
der Lichtbogengestalt aufgenommen (siehe Abb. 4). In einer
zweiten Versuchsreihe wird der Lichtbogen bei einer Länge von
2 mm gezündet und bis zur Berührung der Elektroden in 0,05
mm Schritten zusammengefahren, um den Lichtbogen auch
noch bei geringeren Lichtbogenlängen analysieren zu können.
Das INP führt identische Untersuchungen mit zwei gegenüber-
liegenden, stabförmigen Wolframelektroden durch.
Aus den Brennspannung- zu Lichtbogenlänge-Verläufen kön-
nen die Elektrodenfallspannungen und die Feldstärke ermittelt
werden. Die Untersuchungen der elektrischen Feldstärke liefern
jedoch nur die Summe der Anoden- und Kathodenfallspannung.
Die Separation dieser Spannung in Anodenfall- und Kathoden-
fallspannung ist jedoch nicht möglich. Daher werden Potential-
und Langmuirproben eingesetzt. Diese Proben sind invasiv, d.h.
sie treten mit dem Plasma in Kontakt. Zum einen kann die Probe
auf das Potential der Anode oder Kathode gelegt werden (Poten-
tialprobe) oder mit einer externen Spannung beaufschlagt wer-
den (Langmuirprobe). Durch letztere Methode können neben
der Separation der Fallspannung auch die Elektronendichte und
die Elektronentemperatur bestimmt werden. Die Langmuir- und
Potentialproben werden zum einen in die Anode eingelassen
und schließen mit deren Oberfläche bündig ab oder ragen einige
µm in das Plasma hinein, um die Anodengrenzschicht zu cha-
rakterisieren (siehe Abb.5, links). Zum anderen werden die stab-
förmigen Proben parallel zur Anode durch das Plasma geführt
(siehe Abb. 5, rechts). Durch diese Methode kann keine Cha-
rakterisierung der Grenzschicht durchgeführt werden. Jedoch
zeichnet sich dieses System durch eine höhere thermische
Belastbarkeit aus. Zudem könnte auch ein MSG-Prozess durch
gezieltes Triggern bei einem “tropfenlosen“ Lichtbogen analy-
siert werden.
Abb. 5: Langmuir- und Potentialproben
Abb. 6: Ortsaufgelöste Bestimmung der Stromdichte
Die Vorgänge in den Randschichten werden stark durch die
Energiedichte bestimmt. Diese wurde bisher zumeist mit dem
geteilten Anodenverfahren bestimmt. Dieses Verfahren liefert
jedoch als Ergebnis einen Energiefluss, der anhand einer schlecht
mathematisch konditionierten Rückrechnung in eine Energie-
dichteverteilung überführt werden muss. Fehlerhafte Annahmen
der Randbedingungen (Lichtbogenmittelpunkt und Lichtbogen-
radius) sowie Messfehler führen zu einer enormen Verfälschung
der Energiedichteprofile. Daher wurde am LPT eine punktför-
mige Sonde (Point-Probe) entwickelt, bei welcher aufgrund der
geringen räumlichen Ausdehnung direkt auf die Stromdichte
geschlossen werden kann, siehe Abb. 6. Ein weiterer Vorteil ist,
dass auch nichtrotationssymmetrische Lichtbögen untersucht
werden können. Anhand erster Messergebnisse konnte gezeigt
werden, dass die Stromdichteverteilung durch eine Gausfunktion
angenähert werden kann.
Anhand dieser Point-Probe kann jedoch nicht die Wärmestrom-
dichte bestimmt werden. Daher wird ergänzend zur Stromdich-
temessung die Enthalpie des Plasmas bzw. die vom Lichtbogen
hocherhitzte Gasströmung sowie deren Zusammensetzung mit
einer sogenannten Enthalpiesonde bestimmt. Hierzu sind für
nicht übertragene Lichtbögen kommerzielle Systeme erhältlich.
Durch den Umbau eines solchen Systems sollen im Rahmen des
Vorhabens auch übertragene, stromführende Lichtbögen analy-
siert werden. Hierzu wird die Enthalpiesonde in eine Kupferano-
de eingelassen, wie in Abb. 7 dargestellt..
Abb. 7: Bestimmung der Plasmazusammensetzung und Enthalpie
2.2.3 Analyse des Tropfenübergangs
Zur Analyse des Tropfenübergangs wurde am LPT ein Kalorime-
ter aufgebaut. Dieses besteht aus zwei Behältern, die gegenein-
ander gut thermisch isoliert sind. Der Innenbehälter ist mit einer
kalorimetrischen Flüssigkeit gefüllt, in die durch eine kleine Öff-
nung im äußeren Behälter Schweißtropfen fallen und ihre Ener-
gie abgeben. Die Temperaturerhöhung wird durch einen Tempe-
raturfühler aufgenommen. Als Kathode für den Schweißprozess
dient eine Ringelektrode aus Kupfer, sodass die Schweißtropfen
in das Kalorimeter gelangen können, siehe dazu Abb. 8.
Am INP wird die Oberflächentemperatur der Tropfen anhand
von spektroskopischen Untersuchungen bestimmt. Auch hier
ist der Einsatz des Modelllichtbogens vorgesehen. Erste Unter-
G1
G2
G3
G4
G5
A1
A3
A4
Abb. 3: Funktionsweise der Tomografie (oben) und Messungen an rotations-
symmetrischen und nicht rotationssymmetrischen Lichtbögen
Abb. 4: “Langziehen“ des Lichtbogens zur Bestimmung der Fallspannung
und der Feldstärke
22 23
suchungen erfolgten jedoch in Absprache mit der Forschungs-
stelle Aachen und in Abstimmung mit dem Projekt A4 am gepul-
sten MSG-Prozess. Um die Prozessbedingungen während der
hochdynamischen Phase des Tropfenübergangs einschätzen zu
können, wurden der Lichtbogen und die Elektroden mit zwei
senkrecht zueinander angeordneten Hochgeschwindigkeitska-
meras beobachtet. Sideon-Spektren wurden sowohl in horizon-
taler Ebene (senkrecht zur Bogenachse) als auch vertikal (entlang
der Bogenachse) vermessen. Entscheidender Vorteil der zweiten
Beobachtungsebene ist, dass zeitgleich sowohl die Emission von
Sichtlinien ober- und unterhalb des Tropfens als auch die Emissi-
on von Sichtlinien auf den Tropfen zur Auswertung bereitstehen.
Erstere ergeben die über die Sichtlinie integrierte Plasmastrah-
lung, während letztere die Strahlung der Tropfenoberfläche und
die Strahlung des den Tropfen umgebenden Plasmas enthalten.
Während die Tropfenoberfläche Kontinuumstrahlung emittiert,
ist die Bogenemission durch Linienstrahlung dominiert. Nur der
Vergleich von sichtlinienintegrierten Spektren mit und ohne Blick
auf den Tropfen ermöglicht eine Separation der Kontinuum-
strahlung der Tropfenoberfläche.
Die Abhängigkeit dieser Kontinuumstrahlung von der Wellen-
länge bietet einen Zugang zur Temperatur der Tropfenoberflä-
che, die als Planckscher Strahler angenommenen wird. Jedoch
stellt die fehlende Kenntnis der ebenfalls wellenlängenabhängi-
gen Emissivität von geschmolzenem Eisen ein zusätzlich zu über-
windendes Problem bei der Bestimmung der Oberflächentem-
peratur dar, ähnlich der Problematik bei der Pyrometrie. Einen
Ausweg bietet die Zweilinienmethode, bei der eng benachbarte
Wellenlängenpositionen in der Kontinuumstrahlung betrachtet
werden. Für ein solches Wellenlängenintervall lässt sich mit gu-
ter Näherung annehmen, dass die Änderung der Emissivität mit
der Wellenlänge vernachlässigbar ist. Nach erfolgter Ermittlung
der Oberflächentemperatur konnte auf die Emissivität zurückge-
schlossen werden. Die Auswertung mehrerer Wellenlängenposi-
tionen pro Messung wird eine Abschätzung der Genauigkeit von
Temperatur und Emissivität erlauben. Dazu ist eine Approximati-
on der gemessenen Kontinuumspektren mittels einer begrenz-
ten Anzahl von temperaturabhängigen Parametern vorgesehen.
2.3 Randschichtenmodell
Arbeiten zur modellmäßigen Erfassung der Elektrodengebiete
und des Werkstoffübergangs konzentrierten sich auf die weite-
re Adaption von Schichtmodellen und ihren Einsatz im Rahmen
des Aufbaus der Bogensimulation im Projekt G4. Ausgangs-
punkt war das im ersten Projektabschnitt am INP erarbeitete
nulldimensionale Schichtmodell für den Elektrodenbereich von
Argon-Eisen-Mischplasmen. Das Modell berücksichtigt sowohl
die Abweichungen vom thermischen, chemischen und Ioni-
sationsgleichgewicht im elektrodennahen Plasma als auch die
Metallverdampfung an der Oberfläche. Bei Vorgabe der Plasma-
eigenschaften und der elektrischen Stromdichte aus der Bogen-
simulation sowie der Oberflächentemperatur aus der Wärme-
bilanz der Elektrode liefert das Modell den Energieübertrag auf
die Elektrodenoberfläche, die Schichtspannung und die Metall-
verdampfung. Details des Modells und exemplarische Ergeb-
nisse für vorgegebene Werte von Elektrodentemperatur und
Plasmaeigenschaften sind dem ersten Zwischenbericht vom
Oktober 2009 zu entnehmen. Die aktuellen Arbeiten dienen
der Anpassung für den Einsatz in den CFD-Simulationen an der
Forschungsstelle Dresden. Hierbei wurde als erster Schritt der
Einsatz an der als eben betrachteten Oberfläche der Schmelze
auf dem kathodisch gepolten Werkstück angestrebt. Die größte
Herausforderung stellt dabei die Sicherstellung der Funktions-
weise des Schichtmodells für einen großen Bereich von Einga-
bewerten dar.
Das Schichtmodell beinhaltet die Lösung eines stark nichtline-
aren Gleichungssystems. Neben Problemen der Konvergenz
der iterativen Lösungsfindung innerhalb des Schichtmodells
sind Bereiche unphysikalischer Kombinationen von Eingabe-
werten und unphysikalische Lösungen zu extrahieren. Letztere
treten im Rahmen der iterativen Kopplung mit den CFD-Rech-
nungen auf. Das gesamte Verfahren bestimmt die Lösung
schrittweise ausgehend von vereinfachten Anfangsbedingungen.
Dabei treten Kombinationen von Werten der Plasmaeigen-
schaften und der Elektrodentemperatur auf, die nicht immer eine
physikalisch sinnvolle Lösung des Schichtmodells ergeben. Im
Rahmen der Untersuchungen ergab sich zudem, dass verein-
fachende Zwischenschritte wie der Verzicht auf die Lösung der
Wärmebilanz der Elektrode und Vorgabe einer Oberflächen-
temperatur keine Lösung zulassen. Wesentliche Maßnahmen
bestanden in der Ableitung von Algorithmen, die für die ge-
nannten Fälle Zwischenergebnisse ausgeben, welche eine itera-
tive Annäherung an die physikalisch sinnvollen Lösungen im
Rahmen des Gesamtmodells erlauben. Entsprechende erste Er-
gebnisse der CFD-Simulationen unter Einbeziehung des Schicht-
modells werden im Projektbericht G4 gezeigt.
3. Aktuelle Ergebnisse
3.1 Elektrisches Feld und Fallspannung
Ausführliche Untersuchungen zur elektrischen Feldstärke wur-
den am MLB 1 durchgeführt. Die anodische wie kathodische
Polung wurde untersucht. Wie Abb. 9 zeigt, nimmt die Brenn-
spannung des Lichtbogens mit zunehmender Lichtbogenlänge
zu. Mit zunehmender Stromstärke nimmt die Spannung ten-
denziell ab, wobei es bei ca. 60 Ampere zu einer Unstetigkeit
kommt. Der Verlauf der extrapolierten Fallspannung spiegelt
diesen Verlauf wieder.
Abb. 9: Spannungs – Lichtbogencharakterisik im Abhängigkeit der
Stromstärke bei kathodischer Polung der Wolframelektrode
Identische Untersuchungen zeigen bei der anodischen Polung ei-
nen sehr ähnlichen Verlauf, wobei diese Polung einen allgemein
höheren Spannungsabfall verursacht, siehe Abb. 10. Da der
Lichtbogenansatz auf einer gekühlten Kupferanode sehr unru-
hig ist und sich dessen Position ständig ändert, wird für diese
Versuche ungekühltes Reineisen verwendet.
Abb. 10: Spannungs-Charakterisik bei verschiedenen Stromstärken bei anodischer
Polung der Wolframelektrode
Bei der anodischen Polung der Wolframelektrode kommt es ver-
einzelnd zum Auftreten eines stark kontrahierten Lichtbogenan-
satzes an der Kathode (Spot-Ansatz), wie in Abb. 11 dargestellt.
Bei dieser Ansatzform ist eine um ca. 2,5 Volt geringere Span-
nung über den gesamten Lichtbogenlängenbereich zu verzeich-
nen. Brennt der Lichtbogen einmal im “Spotmode“, wechselt
dieser nicht mehr zum diffusen Ansatz zurück. Beim Spotmode
erfolgt zudem ein sehr viel geringerer Energieeintrag in die
Kathode. Im Hinblick auf die Entwicklung von energiereduzierten
Verfahren ist dieser Prozess detaillierter zu betrachten.
Abb. 11: Bildung eines kontrahierten Lichtbogenansatzes an der Kathode bei ano-
discher Polung der Wolframelektrode
Am MLB 1 erfolgten weiterhin analoge Untersuchungen beim Ein-
satz von zwei Wolframelektroden der Durchmesser 4 und 6 mm
und dem Schutzgas Argon. Die typische Bogenausbildung bei
einem Elektrodenabstand von 10 mm zeigt Abb. 12. Die Bogen-
spannungen bei Variation des Elektrodenabstandes sind für 6
unterschiedliche Messungen bei gleichen Bedingungen (Strom
30 A) in Abb. 13 dargestellt. Der Legende sind die resultierenden
Bogenfeldstärken und den Schnittpunkten der Regressionsgra-
den mit der linken Bildachse die Fallspannungen zu entnehmen.
Während die Bogenfeldstärke größere Variationen aufweist, er-
geben sich Fallspannungen zwischen 14 und 18 V.
G1
G2
G3
G4
G5
A1
A3
A4
Abb. 8: Bestimmung der Tropfenenthalpie
24 25
Abb. 12: Bogenausbildung zwischen zwei Wolframelektroden.
Abb. 13: Spannungs-Charakteristik für Lichtbögen bei 30 A.
3.2. Ergebnisse der Spektroskopie am Tropfenübergang
Die im Abschnitt 2.2.3 dargestellte Methodik wurde an einem
gepulsten MSG-Prozess mit der Schweißmaschine und ähnlichen
Parametern angewendet, wie unter 2.1. im Projektbericht G1
beschrieben. Im Unterschied wurden als Schutzgas Corgon 18
und ein Draht mit dem Durchmesser 1.0 eingesetzt bei einem
Werkstückvorschub von 30 cm/min und einem Drahtvorschub
von 6 m/min. Ein typisches Beispiel der Messungen zu einem
Zeitpunkt während des Tropfenübergangs bei diesem Parame-
tersatz ist in den Abbildungen 14 und 15 illustriert.
Abb. 14: Hochgeschwindigkeitsaufnahmen des MSG-Lichtbogens zum Zeitpunkt
des Tropfenübergangs links in Bewegungsrichtung des Werkstückes, rechts senk-
recht zur Werkstückbewegung.
Abb. 14 zeigt Hochgeschwindigkeitsaufnahmen der beiden
senkrecht zueinander stehenden Kameras, Abb. 15 stellt das
Spektrum als Funktion von der Wellenlänge und der Sichtlini-
enposition entlang der Bogenachse dar. In den Hochgeschwin-
digkeitsaufnahmen ist der Tropfen gut zu erkennen. Die Kon-
tinuumstrahlung des Tropfens tritt in Abb. 15 als waagerechter
Streifen hervor, dem die Linienstrahlung (senkrechte Streifen)
des Plasmas überlagert ist. Die Abbildungen 16 und 17 verdeut-
lichen die weitere Auswertung; vom Spektrum mit Sicht auf den
Tropfen wird das von Linien dominierte Spektrum an einer an-
deren Position abgezogen, wobei die unterschiedliche Plasma-
strahlung durch einen Skalierungsfaktor angepasst wird.
Abb. 16: Spektrale Radianzen für zwei Sichtlinien: rot mit Sicht
auf den Tropfen, schwarz nur Plasmastrahlung.
Abb. 17: Differenz der Signale aus Abb. 15 und Fit zur Oberflächentemperaturbe-
stimmung.
In der Differenz (Abb. 17) dominiert der Kontinuumanteil aus
der Oberflächenstrahlung, und dieser wird zur Unterdrückung
der Rauschanteile mit einem Polynom gefittet. Aus eng benach-
barten Koordinaten der Fitfunktion (Emission über die Wellen-
länge) ergibt sich die Temperatur entsprechend der Zweilinien-
methode. Die ersten Messungen ergaben Tropfentemperaturen
zwischen 2600 und 3000 Kelvin. In diesem Bereich bleiben die
Temperaturen auch bei leichten Parametervariationen, wie der
Erhöhung des Drahtvorschubs um 0.5 m/s oder der Erhöhung
des Nennstroms von 35 A auf bis zu 65 A, konstant.
4. Nächste Schritte
Im folgenden Arbeitszeitraum werden, in Abstimmung mit den
anderen Forschungsstellen, die neu entwickelten Diagnostiken
am automatisierten MLB für Sensitivanalysen und an praxisna-
hen Prozessen mit schmelzenden Elektroden eingesetzt. Diese
Ergebnisse dienen insbesondere auch den Simulationsmodellen
als Randbedingungen und zur Überprüfung der Simulationser-
gebnisse.
Die auf Grundlage von spektroskopischen Untersuchungen be-
stimmten Plasmatemperaturen werden durch den Vergleich der
Messungen beider Forschungseinrichtungen abgesichert. Im
Zuge dessen wird der Einfluss der Absorption des Plasmas be-
stimmt und für die tomografischen Auswertung herangezogen.
Bei den Brennspannungs- und elektrischen Feldstärkebestim-
mung wird auch bei kathodischer Polung statt der gekühlten
Kupferplatten Reineisen als Anodenmaterial eingesetzt. Durch
die gezielte Reduzierung der Anodenkühlung soll der Metall-
dampfanteil im Plasma erhöht und dessen Auswirkung auf den
Spannungsverlauf dokumentiert werden. Die Langmuir- und Po-
tentialproben werden zum einen zur Sepa-ration der Brennspan-
nung in Anoden- und Kathodenfallspannung eingesetzt. Zum
anderen dienen die, aus den Langmuir-Kennlinien gewonnenen
Elektronendichten und -temperaturen zum Abgleich mit Aus-
wertungen der Thomsonstreuung und der Starkverbreiterung.
Die erfolgreichen Analysen der Temperatur des fallenden Trop-
fens in einem MSG-Prozess bilden eine wichtige erste Referenz-
untersuchung für die dargestellte Diagnostik und Auswerte-
methodik. Im folgenden Arbeitsabschnitt werden diese Mess-
ergebnisse mit den Ergebnissen der durchschnittlichen Tropfen-
enthalpie verglichen. Neben der weiteren Analyse von Tropfen-
eigenschaften soll die Methodik auch auf die Drahtspitze und
das Schmelzbad adaptiert werden. Somit steht auch ein unab-
hängiger Zugang zur im Projekt G2 verfolgten Messmethode der
kompensierenden Pyrometrie zur Verfügung.
G1
G2
G3
G4
G5
A1
A3
A4Abb. 15: Spektrale Radianz für Sichtlinien entlang der Bogenachse (senkrechte Beobachtungsebene) zum Zeitpunkt der Aufnahmen in Abb. 14.
26 27
Das Lichtbogencluster bietet die einzigartige Möglichkeit der
kombinierten diagnostischen Analyse und simulationsbasie-
renden Beschreibung identischer MSG-Prozesse (G1-G5). Da-
durch wird es möglich, konkrete Modelldefizite zu benennen
und gezielt zu beseitigen. Daraus kann das entstandene Modell
als Werkzeug zur Entwicklung prozesssicherer und effektiverer
MSG-Verfahren genutzt werden (A1-A4).
2. Arbeitsbericht
Die Modellierung des MSG-Prozesses, d. h. der Lichtbogensäule
und des Tropfenübergangs, erfolgt mit der Strömungssimulati-
onssoftware ANSYS CFX.
2.1 Modellbildung des MSG-Lichtbogens
Der Lichtbogen kann in drei Entladungsgebiete unterteilt wer-
den: den beiden Lichtbogenansätzen an den Elektroden, den so
genannten Fallgebieten, und der Lichtbogensäule.
Im ersten Jahr der Projektbearbeitung wurde ein Modell für die
Lichtbogensäule entwickelt [Füs09]. Grundlegend sind die Glei-
chungen der Magnetohydrodynamik (MHD). Neuartig ist hier-
bei die Berücksichtigung von Metalldampf im Plasma. Dieser
entsteht hauptsächlich an der überhitzten Drahtelektrode und
wird durch die von der Lorentzkraft bestimmte Strömung in
das Zentrum des Lichtbogens befördert. Numerisch wurden die
Effekte am Beispiel eines Argon-Eisendampf-Plasmas untersucht.
Die Eigenschaften des Plasmas wurden unter der Annahme
eines lokalen thermodynamischen Gleichgewichts (LTG) berech-
net und sind stark von der Temperatur und der Konzentration
des Eisendampfes abhängig [Mur01]. Für die Abschätzung der
Lichtbogenstrahlung wird ein Nettoemissionsmodell verwen-
det. Grundlage bilden die von MENART [Men02] berechneten
Nettoemissionskoeffizienten. Die Entstehung des Eisendampfes
beruht zunächst auf der Vorgabe eines festen Metalldampf-
massenstroms an der Unterseite des Drahtes [Sch10a]. Bei der
Berechnung der Metalldampfverteilung im Strömungsraum wer-
den sowohl turbulente als auch diffusive Effekte berücksichtigt.
Die Berechnung der diffusiven Vermischungseffekte basiert auf
dem binären Diffusionsmodell nach MURPHY [Mur01].
Als Ursache für das im Teilprojekt G1 diagnostizierte Minimum
in der radialen Temperaturverteilung [Rou10] kann die erhöhte
Abstrahlung des Eisendampfes benannt werden [Sch10a]. In der
Literatur sind verschiedene Nettoemissionskoeffizienten ange-
geben, welche die Verteilung der Prozessgrößen entscheidend
beeinflussen [Sch10b]. Aus diesem Grund wird im dritten Jahr
der Projektbearbeitung ein P1-Strahlungsmodell implementiert,
welches die Vereinfachung der Strahlungseffekte durch einen
Nettoemissionskoeffizienten unnötig macht. Des Weiteren
wurde festgestellt, dass große Eisenverdampfungsraten an der
Projekt G4
Erweiterung des Prozessverständnisses über MSG-Lichtbogenprozesse durch Modellierung und Visualisierung der physikalischen Zusammenhänge
U. Füssel1, M. Hertel1, M. Schnick1, U. Reisgen2, O.Mokrov2,
A. Zabirov2
1 Institut für Oberflächen- und Fertigungstechnik (IOF), TU Dresden
2 Institut für Schweißtechnik und Fügetechnik (ISF), RWTH Aachen University
1. Einführung
Aktuell liegen die Anforderungen an die Schweißprozesssimu-
lation vor allem in der Vertiefung des Prozessverständnisses,
zukünftig werden die Anforderungen aber insbesondere in der
Vorhersagbarkeit von Schweißprozessen und der virtuellen Er-
probung neuer Lösungsansätze zu sehen sein. Grundlage da-
für sind physikalisch selbstkonsistente Prozessmodelle, welche
eine Verknüpfung zwischen den Prozessparametern und dem
Schweißergebnis ermöglichen. Im Rahmen des Projekts G4 soll
ein solches Modell für den MSG-Prozess entwickelt werden. Auf
Grund der hohen Komplexität des MSG-Prozesses erfolgt die
Bearbeitung vorerst in zwei Teilmodellen, einem Lichtbogenmo-
dell (IOF) und einem Werkstoffübergangsmodell (ISF), welche
anschließend in einem Gesamtmodell des Prozesses kombiniert
werden.
Die Vorraussetzung für vertrauenswürdige Ergebnisse des MSG-
Modells ist die Implementierung der dominanten physikalischen
Effekten. Im Vergleich zu WSG-Prozessen, welche bereits durch
numerische Modelle hinreichend genau beschreiben werden
können, zeichnet sich der MSG-Prozess durch eine deutlich
höhere Komplexität aus. Diese Komplexität umfasst sowohl die
Effekte im Lichtbogen als auch die des Tropfenüberganges. Aus
diesem Grund wird am IOF der TU Dresden ein Modell des MSG-
Lichtbogens entwickelt, bei dem unter anderem die Bildung und
Verteilung des Metalldampfes im Lichtbogen, der Strahlungs-
transport im optisch dicken Metalldampfkern als auch die Me-
chanismen in den Fallgebieten berücksichtigt werden. Am ISF
wird ein Werkstoffübergangsmodell entwickelt, welches auf der
Volume-of-Fluid Methode (VOF) basiert [Hir81]. Diese Methode
ermöglicht die Berechnung der freien Oberfläche des Tropfens
(Tropfenform) in Abhängigkeit der am Tropfen wirkenden Kräf-
te. Es werden unter anderem die Oberflächenspannungskraft,
die Gravitationskraft, die Lorentzkraft und die Lichtbogenscher-
kräfte berücksichtigt.
Drahtelektrode eine drastische Verschiebung des Strompfades
bewirken und damit zu einer Rückströmung im Zentrum des
Lichtbogens führen können [Sch10b].
Das entwickelte Modell wird im Rahmen des Projektes G5 zur
weiteren Untersuchung der Mechanismen der Metalldampfent-
stehung genutzt. Des Weiteren wird es im Rahmen des Projektes
A3 zur Untersuchung der Schutzgasströmung im MSG-Prozess
verwendet.
Die bisher verwendeten Modelle des MSG-Lichtbogens basie-
ren auf der Annahme einer rotationssymmetrischen Verteilung
der Prozessgrößen und entsprechen damit einem MSG-Punkt-
schweißprozess. Für die verwendeten Stromstärken sind die be-
rechneten Werkstücktemperaturen unrealistisch hoch. Für die
Berechnung der Temperaturverteilung eines MSG-Schweißpro-
zess muss die Bewegung des Brenners berücksichtigt werden.
Aus diesem Grund wurde in weiterführenden Arbeiten die An-
nahme der Rotationssymmetrie aufgegeben und ein 360° Modell
des MSG-Lichtbogens erstellt [He10a, He10b], Abbildung 1.
Abb. 1: 360° Modell des MSG-Lichtbogens (a) und Flächen für die Darstellung der
Prozessgrößen im Postprocessing (b)
Des Weiteren werden die Effekte in den Fallgebieten im MSG-
Lichtbogenmodell berücksichtigt [He10a, He10b]. In den elektro-
dennahen Randschichten ist die Annahme eines lokalen thermo-
dynamischen Gleichgewichts nicht gegeben. Dadurch können
die Stoffeigenschaften nicht mehr verallgemeinert durch die
Temperatur der Schwerteilchen beschrieben werden. Aus diesem
Grund wird das Modell der Lichtbogensäule mit dem im Projekt
G1 entwickeltem Fußpunktmodell gekoppelt. Dieses basiert auf
der Formulierung von 0-dimensionalen Erhaltungsgleichungen
für die Massen- und Energieströme der Ladungsträger in der
Raumladungsschicht und der Vorschicht des Fallgebietes. In Ab-
bildung 2 ist die Kopplung des MHD-Modells der Lichtbogen-
säule und der Elektroden mit dem Fußpunktmodell dargestellt.
Abb. 2: Kopplung des Fußpunktmodells am Interface
zwischen Plasma und Elektrode
Eingangsgrößen sind die Plasma- und Elektrodentemperatur, die
Stromdichte und die auf Grundlage der Plasmatemperatur (LTG)
und der Eisendampfkonzentration berechneten Teilchendichten
für Ar, Ar+, Fe und Fe+. Durch das Fußpunktmodell werden die
Wärmeströme und die Fallspannung zwischen Plasma und Elekt-
rode berechnet. Die berechnete Fallspannung wird anschließend
durch die Definition eines Kontaktwiderstandes am Interface
zwischen Plasma und Elektrode implementiert.
2.2 Modellierung des Tropfenüberganges
Im ersten Jahr der Projektbearbeitung wurde die Eignung und
Leistungsfähigkeit der VOF Methode am Beispiel eines fallenden
Wassertropfens untersucht. Dadurch können die grundlegenden
Effekte der Tropfenbildung abgebildet werden. Die Gestalt des
Tropfens wird hierbei maßgeblich durch die Gravitationskraft
und die Oberflächenspannung beeinflusst. Die Oberflächen-
spannung hat einen großen Einfluss auf die Tropfenbildungs-
und Ablösungsgeschwindigkeit. Im Anschluss wurden die Stoff-
eigenschaften des Drahtwerkstoffs G3Si1 in Abhängigkeit der
Temperatur implementiert. Die verwendeten Werte sind in Ta-
belle 1 dargestellt. Die numerischen Untersuchungen wurden
für unterschiedliche Oberflächenspannungskoeffizienten durch-
geführt. Die Simulationen wurden für eine Drahtvorschubge-
schwindigkeit von 5 m/min und einen Drahtdurchmesser von
1,2mm durchgeführt. Die Randbedingungen und Anfangsbe-
dingungen sind konstant und in Abbildung 3 dargestellt.
G1
G2
G3
G4
G5
A1
A3
A4
28 29
Tabelle 1: Stoffwerte des Drahtwerkstoffs G3Si1 in Abhängigkeit der Temperatur
Abb. 3: Anfangs- und Randbedingungen. Links: Axiale Symmetrie,
NoSlip Wall. Rechts: Rot-Flüssiges Metall, Blau - Luft
3. Aktuelle Ergebnisse
3.1 Ergebnisse der MSG-Lichtbogensimulation
Im Folgenden werden die Ergebnisse des entwickelten Lichtbo-
genmodells am Beispiel eines MSG-Prozesses mit den folgenden
Prozessparametern diskutiert.
Prozess Schutzgas Draht
SprühlichtbögenI = 250 Au_{Brenner} = 0.6 m/min
ArgonV_ {Schutzgas} = 18 l/min
rein Eisenu_ {Draht} = 10 m/min
Im ersten Schritt wurde untersucht, inwiefern die Annahme einer
Rotationssymmetrie bei der Simulation von MSG-Schweißpro-
zessen gerechtfertigt ist. Dafür wurden die Effekte in den Fall-
gebieten zunächst vereinfachend dargestellt und ausschließlich
die Energieströme durch die Ladungsträger berücksichtigt. Ab-
bildung 4 zeigt die berechnete Temperaturverteilung auf unter-
schiedlichen Schnittebenen. Ebene A entspricht der Seitenan-
sicht, Ebene B der Forderansicht in Schweißrichtung und Ebene
C der Werkstückoberfläche.
G1
G2
G3
G4
G5
A1
A3
A4
Abb. 4: Berechnete Temperaturverteilung auf den Ebenen A-C (a-c) für einen 250
A Lichtbogen mit einer Verdampfungsrate von 1% bezogen auf einen Drahtvor-
schub von 10 m/min unter Verwendung eines vereinfachten Fallgebietsmodells,
welches ausschließlich die Wärmeströme der Ladungsträger berücksichtigt.
In der Vorderansicht 4b zeigt sich eine symmetrische Verteilung
der Temperatur. Die größten Stromdichten sind den Bereichen
mit den höchsten Werkstücktemperaturen zuzuordnen. In der
Seitenansicht 4a ist jedoch eine unsymmetrische Verteilung der
Prozessgrößen zu erkennen. Der Lichtbogen wird ebenfalls in
Richtung der höchsten Werkstücktemperaturen ausgelenkt,
siehe 4c. Ursache ist die erhöhte elektrische Leitfähigkeit in der
Vorschicht des Fallgebietes, welche sich aus der Plasma- und
der Werkstücktemperatur ergibt. Die Simulationsergebnisse ver-
deutlichen, dass die Annahme einer Rotationssymmetrie bei der
Simulation von MSG-Schweißprozessen nicht gerechtfertigt ist.
Durch die Brennerbewegung ergibt sich eine unsymmetrische
Verteilung der Werkstücktemperatur und dadurch eine unsym-
metrische Verteilung der Prozessgrößen des Lichtbogens.
Im nächsten Schritt wurde die Kopplung zwischen dem Modell
der Lichtbogensäule und dem Fußpunktmodell am Beispiel des
kathodisch gepolten Werkstücks untersucht, Abbildung 5.
Abb. 5: Berechnete Temperatur- (a) und Stromdichteverteilung (b) auf der Werk-
stückoberfläche für einen 250 A Lichtbogen mit einer Drahtverdampfung von 1%
bezogen auf einen Drahtvorschub von 10 m/min unter Verwendung des Fußpunkt-
modells, welches sowohl die Wärmeströme der Ladungsträger als auch die Fall-
spannung berücksichtigt.
Die ersten Ergebnisse der Kopplung des MHD-Lichtbogenmo-
dells mit dem Fußpunktmodell zeigen eine widersprüchliche
Tendenz im Vergleich zu den in Abbildung 4 dargestellten Ergeb-
nissen. Der Lichtbogen neigt zur Bildung von Fußpunkten auf
dem Werkstück. Den Bereichen hoher Stromdichte sind Werk-
stücktemperaturen zwischen 2300 und 2800 K zuzuordnen.
Durch die Implementierung der Fallspannung durch einen Kon-
taktwiderstand am Interface zwischen Plasma und Werkstück
wird der Strompfad des Lichtbogens entscheidend beeinflusst.
Dieser Effekt ist wesentlich größer als der bereits beschriebene
Einfluss der erhöhten elektrischen Leitfähigkeit in der Vorschicht
des Fallgebietes.
Es zeigt sich jedoch eine starke Fluktuation der Erhaltungsgrö-
ßen während des Lösungsverlaufs, was auf ein zeitabhängiges
Verhalten schließen lässt. Beim Schweißen von Aluminiumwerk-
stoffen ist dieses ‚Kathodenfleckwandern’ bereits bekannt. Die
dargestellten Ergebnisse bezüglich der Kopplung des Fallge-
bietsmodells mit dem MHD-Lichtbogenmodell sind deshalb zum
gegenwärtigen Zeitpunkt von eingeschränkter Aussagekraft, da
durch die stationäre Formulierung der Erhaltungsgleichungen
diese zeitabhängigen Effekte nicht abgebildet werden können.
In weiterführende Untersuchungen werden die Wirkmechanis-
men im Fallgebiet daher näher untersucht.
3.2 Ergebnisse der Tropfenübergansmodells
Durch numerische Untersuchungen wurde der Einfluss der
Oberflächenspannung auf die Tropfengröße und Ablösungsge-
schwindigkeit näher untersucht. Wie auf Abbildung 6 zu sehen
ist, haben sich nach 0,2 Sekunden bei niedriger Oberflächen-
spannung ($ \sigma = 0,075 N/m $) drei Tropfen abgelöst. In der
gleichen Zeit wurde bei hoher Oberflächenspannung ($ \sigma =
1,2 N/m $) kein Tropfen abgelöst. Die Simulationszeit betrug im
ersten Fall 1,5 Tage und im zweiten Fall 4,5 Tag. Die Simulation
wurde auf einem Windows Server Standard 64bit durchgeführt.
Abb. 6: Numerische Untersuchung zum Einfluss der Oberflächenspannung auf die
Tropfengröße und Ablösegeschwindigkeit, a) mit kleiner Oberflächenspannung ($ \
sigma = 0,075 N/m $) und b) mit großer Oberflächenspannung ($ \sigma = 1,2 N/m $)
Die Berechnungen haben gezeigt, dass es wegen überwiegender
Oberflächenspannungskraft nötig ist, die Lorenz-Kraft zu imple-
mentieren um die korrekte und rechtzeitige Tropfenablösung zu
simulieren.
4. Nächste Schritte
4.1 Weitere Arbeiten zur Modellierung
des MSG-Lichtbogens
Gegenwärtige und fortführende Arbeiten bestehen in der Im-
plementierung des Fußpunktmodells an der anodisch gepolten
Drahtelektrode. Durch die verbesserte Beschreibung des Licht-
30 31
Das methodische Vorgehen und die Verknüpfung zu den anderen
Teilprojekten ist in Abb. 1 dargestellt. Zur Erweiterung der Daten-
basis werden neben den eigenen Messreihen auch Ergebnisse
der Modellversuche G1-G3, dabei vor allem spektroskopische
Daten aus G1, verwendet. Außerdem werden aus dem Vorha-
ben G4 (Simulation) vereinfachte Verdampfungs- und Fallge-
bietsmodelle übernommen. Die Ergebnisse fließen in die praxis-
bezogenen Vorhaben zur Schmelzbadbeeinflussung (A1) und
der Stromquellenentwicklung (A4) ein.
Abb. 1: Methodischer Ansatz und Verknüpfung zu anderen Projekten
2. Arbeitsbericht
2.1. Experimenteller Aufbau und Postprocessing
Das Messsystem besteht aus einem 1 MHz-Messsystem mit 7 von-
einander getrennten Messkanälen sowie einer dazu synchroni-
sierten Hochgeschwindigkeitskamera mit Einzelbildtriggerung.
Eine ausführliche Beschreibung findet sich im ersten Zwischen-
bericht [Füs09]. Die erreichte zeitliche Auflösung ermöglicht die
im Projekt angestrebten Zeitreihenanalysen und Musterer-ken-
nungen bis in den Bereich der Maschinentaktung.
Als Messgrößen wurden neben den Bildinformationen der
Hochgeschwindigkeitsaufnahmen folgende Signale erprobt und
genutzt: Spannung am Brenner, Stromstärke, Metalldampf- und
Argonemissionsdetektierung durch spektralselektive Photodio-
den [Hei08].
Zur Konturerkennung der Tropfengeometrie, die im Späteren als
Eingangsgröße für die numerische Simulation verwendet wird,
wurden zwei Beleuchtungsvarianten erprobt: Variante 1 nutzt
einen WIG-Lichtbogen und Variante 2 nutzt einen gepulsten
Laser. Abb. 2 links zeigt den WIG-beleuchteten Prozess und die
daraus erkannte Kontur. Die Auswertungssoftware ist in der
Lage, die unterschiedlichen geometrischen Objekte zu unter-
scheiden und farblich zu kodieren. Daraus resultiert die farbliche
Unterscheidung zwischen Draht (dunkelgrau)und Tropfen (hell-
grau).
Abb. 2 rechts zeigt den Impulslichtbogenprozess (ILB) mit nicht-
intrusiver Laserbeleuchtung. Der Laser ermöglicht durch seine
höhere Beleuchtungsstärke eine noch höhere Aufnahmefre-
quenz. Erfolgreich wurde das System bisher bis zu einer Bildrate
von 40.000 Bildern pro Sekunde getestet. Von großem Vorteil
bei dieser Entwicklung war, dass die zur Auswertung der WIG-
beleuchteten Bilder entwickelten Algorithmen so robust sind,
dass sie unverändert übernommen werden konnten. In das
G1
G2
G3
G4
G5
A1
A3
A4
bogenansatzes und der Energieeinbringung wird eine realisti-
sche Abschätzung der Tropfentemperatur möglich. Dies ist die
Grundlage für die Implementierung eines selbstkonsistenten
Verdampfungsmodells. D.h. die Verdampfungsrate am Draht
wird direkt durch die Temperaturverteilung im Tropfen bestimmt.
Mithilfe des temperaturabhängigen Partialdruckes des Eisen-
dampfes kann direkt auf die Verdampfungsmassenstromdichte
geschlossen werden.
Des Weiteren wird der Effekt der Strahlungsabsorption im optisch
dicken Metalldampfkern durch die Implementierung eines P1-
Strahlungstransportmodells berücksichtigt.
4.2 Weitere Arbeiten zur Modellierung
des Tropfenüberganges
Neben der Gravitationskraft und der Oberflächenspannung be-
einflusst die Lorentzkraft maßgeblich die Tropfenablösung. In wei-
terführenden Arbeiten soll dieser Einfluss im Tropfenübergangs-
modell berücksichtigt werden. Durch die Implementierung der
MHD-Gleichungen und der Vorgabe einer typischen Verteilung
der elektrischen Leitfähigkeit im Bereich des Lichtbogens wird
die Stromdichte vereinfachend dargestellt. Die Lorentzkraft er-
gibt sich aus dem Kreuzprodukt der Stromdichte und der magne-
tischen Flussdichte. Durch die Vorgabe einer äquivalenten Wär-
mequelle des Lichtbogens wird die Temperaturverteilung in den
Elektroden berechnet. Anschließend wird der Einfluss der tem-
peraturabhängigen Stoffdaten näher untersucht.
Auf Grundlage der berechneten Verteilung der Stromdichte
und der Elektrodentemperatur werden die Effekte in den Fall-
gebieten im Tropfenübergangsmodell berücksichtigt. Dabei wird
sowohl ein Modell für die anodisch gepolte Drahtelektrode als
auch für das kathodisch gepolte Werkstück implementiert.
Literaturverzeichnis
[Füs09] U. Füssel; M. Hertel, M. Schnick, U. Reisgen, O.Mokrov,
A. Zabirov: Erweiterung des Prozessverständnisses über MSG-
Lichtbogenprozesse durch Modellierung und Visualisierung der
physikalischen Zusammenhänge. Zwischenbericht zum DFG-
AiF-Gemeinschaftsvorhaben „Lichtbogenschweißen-Physik und
Werkzeug“. Berlin 2009, ISBN 978-3-941681-02-6
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Schoepp, K.-D. Weltmann, D Uhrlandt: Spectroscopic investiga-
tion of the high-current phase of a pulsed GMAW process. J.
Phys. D: Appl. Phys. 43, 2010 (in print)
[Sch10a] M. Schnick, U. Füssel M. Hertel, A. Spille-Kohoff, A. B.
Murphy: Metal vapor causes a central minimum in arc tempera-
ture in gas–metal arc welding through increased radiative emis-
sion. J. Phys. D: Appl. Phys. 43, 2010
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Kohoff, A. B. Murphy: Modelling of gas metal arc welding
taking into account metal vapour. J. Phys. D: Appl. Phys. 43,
2010 (in print)
Projekt G5
Beschreibung komplexer Vorgänge im Licht-bogen durch die Kopplung von inverser und direkter Modellierung
Zwischenbericht TU Dresden
U. Füssel1, S. Rose1, M. Schnick1 J. Kruscha2, K. Schlodder2,
M. Tempelhagen2, F. Wagner2
1Technische Universität Dresden, Institut für Oberflächen- und Fertigungstechnik,
Professur Fügetechnik und Montage
2Institut für Inverse Modellierung, Hochschule Lausitz, Senftenberg
1. Einführung
Beim MSG-Schweißen brennt der Lichtbogen zwischen einer
kontinuierlich zugeführten Drahtelektrode und dem Werkstück.
Die Temperaturen und Strömungen im Lichtbogen sowie die
elektrische Strom- und Wärmestromdichte der Lichtbogen-
ansätze an Draht und Werkstück beeinflussen einerseits den
Werkstoffübergang und den Einbrand. Andererseits werden die
Eigenschaften des Lichtbogens durch die Geometrie des Trop-
fens und die Deformation des Werkstückes sowie durch die
Temperaturen und Verdampfungen an den Elektrodenoberflä-
chen beeinflusst. Durch das Aufschmelzen des Zusatzwerkstof-
fes im Lichtbogen beziehungsweise den Werkstoffübergang ist
der MSG-Schweißprozess deutlich komplexer und dynamischer
als der WIG-Schweißprozess. Derzeit existiert kein numerisches
Modell, das in der Lage ist, Effekte in der Lichtbogensäule, in
den Fallgebieten, des Materialtransports und die Effekten im
Schmelzbad vollphysikalisch zu beschreiben.
Im Rahmen des DFG-Projektes G5 wird diesen Einschränkungen
mit der Berücksichtigung experimenteller Daten in der nume-
rischen Simulation begegnet. Hierzu werden experimentell
bestimmte Strukturen und Geometrien als Randbedingungen
und Zielgrößen für die numerische Simulation genutzt. Zur Ge-
winnung dieser Randbedingungen werden Signale, Bilder und
charakteristische Muster analysiert. Durch die Kopplung von
Diagnostik und Simulation kann das dynamische Verhalten von
MSG-Prozessen besser beschrieben und physikalisch interpretie-
ren werden. Im Ergebnis der Untersuchungen sollen unter ande-
rem Stabilitätskriterien für den MSG-Prozess abgeleitet werden.
Den charakteristischen Mustern der internen (elektrischen) und
externen (optischen) Signale sollen dazu ihre jeweiligen verur-
sachenden Effekte zugeordnet werden. Damit kann das Aussa-
gevermögen sowohl experimenteller als auch numerischer Me-
thoden erhöht werden.
32 33
Kamerabild kann die ermittelte Draht- und Schmelzbadkontur
mittels Postprocessing integriert werden. Aus dieser Kontur kann
u. a. der Abstand von der Drahtspitze zur Schmelzbadoberflä-
che berechnet werden (siehe Beschriftung über dem Draht). Der
Screenshot in Abb. 2 zeigt außerdem die zeitsynchrone Darstel-
lung im Phasenraum. Durch ein neuartiges Postprozessing ist
es möglich, zusätzliche berechnete Kanäle wie Widerstand und
Leistung, Ableitung von Strom und Spannung o. ä. zu berech-
nen und nachträglich in diese sehr übersichtliche Darstellungs-
form zu integrieren.
Abb. 2: Konturerkennung mit WIG-Beleuchtung (links) und mit Laserbeleuchtung
(rechts), Messsignalerfassung von Strom-Spannung (blau), Metall-Argonstrahlung
(rot)
Neben der Tropfengeometrie besteht eine wesentliche Aufgabe
der Diagnostik darin, die Struktur des Metalldampfkerns und
des Argons zu bestimmen, Abb. 3. Hierzu wird die Hochge-
schwindigkeitsdiagnostik mit Argon- und Metalldampffiltern
durchgeführt. Die dabei ermittelten geometrischen Größen bil-
den gemeinsam mit den spektroskopischen Ergebnissen des INP
Greifswald (Projekt G1) [Rou10] die Grundlage für die Vorgabe
der Eisenkonzentration im Lichtbogen sowie die Vergleichsbasis
durch die numerisch simulierte Temperaturverteilung im Lichtbo-
gen. Die spektroskopischen Untersuchungen am INP Greifswald
werden mit identischen Parametereinstellungen und Randbedin-
gungen an einer identischen Stromquelle durchgeführt.
Abb. 3: Spektralselektive Aufnahmen (Eisen, Argon)
der Lichtbogenstruktur während des Pulses
2.2. Numerische Simulation
Das verwendete achsensymmetrische numerische Modell basiert
auf der Software ANSYS CFX. Für das Plasma wird die Gültig-
keit eines lokalen thermodynamischen Gleichgewichts ange-
nommen. Die Plasmaeigenschaften und Strahlung werden als
Funktion der Temperatur und des Eisenanteils berücksichtigt. Die
Effekte in den Fallgebieten werden durch ein grobes Gitter im
Bereich der Elektroden vereinfacht dargestellt. Eine ausführliche
Beschreibung des numerischen Modells findet sich in [Sch10].
Die Simulationen erfolgen transient, wobei der Stromverlauf
aus den experimentellen Daten als Randbedingung vorgegeben
wird. Da bekannt ist, dass der Lichtbogen maßgeblich durch den
Metalldampf bestimmt ist [Goe04] [Met05], lag ein Hauptaugen-
merk der Untersuchungen auf dem Einfluss des Metalldampfes
auf die Lichtbogeneigenschaften. Diese Untersuchungen dienen
der späteren Validierung der vollphysikalischen Verdampfungs-
modelle. Daher waren u. a. folgende Fragen zu beantworten:
� Wie wirken sich verschiedene Metalldampfanteile
auf die Lichtbogeneigenschaften aus?
� Wieviel Metalldampf muss am Draht entstehen, um die
experimentell bestimmten Lichtbogeneigenschaften
verursachen zu können?
� Wo muss der Metalldampf aus dem Draht austreten, um
die ermittelten Strukturen und Verteilungen im Lichtbogen
verursachen zu können?
Zur Beantwortung dieser Fragen wurden bisher zwei verschiede-
ne Ansätze verfolgt:
a) Definition der Metalldampfquelle an der Drahtunterseite
Bei dieser Definition strömt an der Drahtunterseite ein definier-
ter Eisenmassestrom mit einer Temperatur von 3134 K in das
Gas ein. Dabei wird sowohl das Profil des einströmenden Gases
über die Höhe der Eisendampfquelle (Abb. 4 oben) als auch die
Menge von Eisendampf variiert. Der Verdampfungsmassestrom
wird dabei relativ zur Drahtförderung (4 m/min) angegeben und
liegt zwischen 1 % und 5 %.
b) Definition der Metalldampfverteilung
im Lichtbogen
Eine Unsicherheit in der Simulation der Me-
talldampfverteilung im Lichtbogen besteht
darin, dass diese Verteilung von Temperatur,
Druck und Potentialverteilung abhängig ist.
Aus diesem Grund wird die Verteilung des
Metalldampfes bei diesem Ansatz als Randbe-
dingung fest vorgegeben. Der untere Teil der
Abb. 4 zeigt die Definition der Metalldampf-
verteilung basierend auf der Auswertung von
Hochgeschwindigkeitsaufnahmen mit Metall-
dampffiltern. Diese dienen vor allem der Abgrenzung der äuße-
ren Kontur des Metalldampfkerns.
Abb. 4: a) Definition der Metalldampfquelle und Konzentration am Drahtende
(oben) und b) Definition der Metalldampfverteilung im Lichtbogen (unten)
Der Masseanteil des Eisendampfes in der mittleren Lichtboge-
nebene wurde aus den vier diskreten Zeitpunkten der spektros-
kopischen Messungen am INP Greifswald (Projekt G1) [Rou10]
übernommen. Die Verteilung in den restlichen Bereichen des
Lichtbogens wurde auf Grundlage der Masseerhaltung berechnet.
3. Aktuelle Ergebnisse
3.1. Diagnostik
Die mittels spektralselektiver Photodioden detektierbaren Metall-
dampf- und Argonemissionen zeigen sehr großes Potential für
die Auswertung. Neben der im letzten Zwischenbericht [Füs09]
gezeigten Detektierbarkeit der Tropfenablösung durch den An-
stieg der Argonemissionen im Moment der Ablösung, lassen
sich aus den Signalen der Metalldampfdioden auch Informati-
onen über die Tropfengröße gewinnen. Abb. 5 zeigt das Photo-
diodensignal mit Metalldampffilter über der Zeit. Der Impuls-
prozess wurde so eingestellt, dass nicht bei jedem Puls ein
Tropfen abgelöst wird, sondern Tropfen oft erst im dritten Puls
abgeschnürt werden. Dies führt dazu, dass die Tropfen größer
werden und überhitzen. Im Signal der Photodiode mit Metall-
dampffilter (Abb. 5) ist ein überhitzter Tropfen anhand der deut-
lich stärkeren Strahlung zu erkennen. Außerdem ist erkennbar,
dass sich das Signal mit der Anzahl der Nicht-Ablösungen des
Tropfens immer weiter erhöht (gepunktete Linie). Die Strah-
lungsemissionen steigen mit der Größe der Tropfen an. Da das
Nicht-Ablösen des Tropfens bereits zu Beginn der Hochstrom-
phase detektierbar ist, erscheint eine Veränderung des Strom-
verlaufs noch innerhalb desselben Pulses möglich. Damit kann
der Tropfen noch abgelöst und ein Kurzschluss verhindert wer-
den. Das Nicht-Ablösen eines Tropfens ist sowohl im Hinblick
auf die Prozessstabilität als auch im Hinblick auf die Emissionen
zu vermeiden [Ros10]. Damit bieten spektralselektive Photodi-
odenmessungen die Möglichkeit, mit vergleichsweise geringem
Aufwand zusätzliche Informationen zu gewinnen. Hierbei wird
im weiteren Projektverlauf geprüft, ob unterschiedliche Tropfen-
größen und Tropfentemperaturen bei veränderten Prozesspara-
G1
G2
G3
G4
G5
A1
A3
A4Abb. 5: Spannung und Metalldampfsignal eines ILB-Prozesses mit instabiler Tropfenablösung
34 35
metern aus dem Signal extrahierbar sind. Durch die entwickelte
Konturerkennung konnte nachgewiesen werden, dass sich bei
den verwendeten Parametereinstellungen nicht nur sehr stabile
Verhältnisse in den Signalen (siehe Abb. 2) einstellen, sondern
dass sich auch eine sehr stabile Tropfenformung ausbildet. Abb.
6 zeigt den sechsten Puls einer Aufnahme, bei der die phasen-
gleichen Bilder der vorhergehenden fünf Pulse eingezeichnet
bleiben. Es ist zu erkennen, dass sich in allen Prozessphasen,
d. h. bei der Einschnürung, dem Tropfenflug und auch beim
Eintauchen des Tropfens in das Schmelzbad, sehr gleichmäßi-
ge geometrische Randbedingungen einstellen. Die Hypothese,
dass eine Vorgabe über mehrere Pulse gemittelter geometrischer
Randbedingungen, sinnvoll ist, konnte damit bestätigt werden.
Weiterhin können die Ergebnisse im Projekt A1 zur Schmelzbad-
beeinflussung genutzt werden.
Abb. 6: Konturerkennung über 6 Pulse
3.2. Numerischer Simulation
Die transienten numerischen Simulation zeigen zunächst, dass
der Lichtbogen nahezu unmittel-bare Reaktion auf veränder-
te Randbedingungen zeigt. Dies ist durch die sehr hohen Strö-
mungsgeschwindigkeiten von bis zu 500 m s-1 und die sehr
hohen Temperaturen im Lichtbogenbereich begründet. Daraus
kann geschlussfolgert werden, dass die Wirkung von Parame-
terveränderungen an stationären Rechnungen überprüfbar sind
und erst später in die zeitaufwändigeren transienten Rechnun-
gen implementiert werden müssen.
a) Definition einer Metalldampfquelle
an der Drahtunterseite
Die Simulationen mit definierter Metalldampfquellen an der
Drahtunterseite zeigen, dass die Kontur der Metalldampfquelle
an der Drahtspitze (siehe Abb. 4) keinen signifikanten Einfluss auf
die Lichtbogentemperatur oder die Masseverteilung von Eisen
hat. Der Metalldampf wird durch die Strömungen im Lichtbo-
gen in dessen Zentrum transportiert. Die Wirkung unterschied-
licher Metalldampfmengen auf die Temperaturverteilung im
Lichtbogen ist in Abb. 7 oben deutlich zu erkennen. Je höher
die Metallverdampfungsrate ist, desto stärker ist der kalte Me-
talldampfkern ausgeprägt. Die Variation der Verdampfungs-
rate zeigte im Vergleich mit den spektroskopischen Daten des
INP Greifswald, dass Verdampfungsraten von 5 % notwendig
sind, um die Kerntemperatur von 8.000 K zu verursachen, siehe
Abb. 7 Mitte. Die Übereinstimmungen zwischen diagnostizier-
ter und berechneter Temperaturcharakteristik sind momentan
noch nicht vollständig zufrieden stellenden, da die Temperatur
in der Simulation im äußeren Lichtbogenbereich zunächst deut-
lich höher ist und weiter außen wiederum deutlich schneller
abfällt als in den Messungen. Dies kann jedoch durch das der-
zeit noch nicht implemen-tierte Strahlungstransportmodell be-
gründet werden. Es ist anzunehmen, dass dieses Modell zu ei-
ner Verschiebung der Temperatur in die äußeren Bereiche führt.
Es wurde allerdings ebenso festgestellt, dass die Effekte in der
Lichtbogensäule mit dem bereits entwickelten Modell der Licht-
bogensäule sehr gut abgebildet werden, Abb. 7 unten links. So
finden sich im charakteristischen Verlauf im U-I-Phasenraum
kaum Differenzen zwischen Simulation und Experiment. Der
Up-slope zeigt sein charakteristisches Hystereseverhalten, wäh-
rend der Down-slope nahezu linear verläuft. Die Differenz in
den Spannungen, die nahezu konstant bei etwa 11 V liegt, kann
durch die nicht implementierten Fallgebiete begründet werden.
Einschränkend muss jedoch hinzugefügt werden, dass sich bei
höheren Verdampfungsraten eine Verschlechterung im charakte-
ristischen Verlauf im U-I-Schaubild einstellt. Bezüglich der Aus-
wirkungen auf das Schweißergebnis ist der in Abb. 7 unten
rechts dargestellte Vergleich der berechneten Staudrücke von
besonderer Relevanz – mit steigender Verdampfung ist mit sin-
kendem Staudruck infolge der veränderten Stromführung und
Temperaturen zu rechnen. Hieraus kann abgeleitet werden, dass
zu Beginn eines Pulses der höchste Staudruck vorliegt. Diese
Ergebnisse liefern neue Ansätze zur möglichen Beeinflussung
der Schmelze (Projekt A1), beispielsweise in Form erhöhter Puls-
frequenzen.
b) Definition der Metalldampfverteilung im Lichtbogen
Kameraaufnahmen liefern stets ein überlagertes 3D-Bild des Pro-
zesses. Für den Vergleich der experimentellen und numerischen
Ergebnisse mit einer definierten Metalldampfverteilung im Licht-
bogen müssen daher die numerisch bestimmten Strahlungen
auf der Rotationsebene in eine 3D-Durchsicht umgerechnet wer-
den. Abb. 8 oben zeigt den direkten Vergleich der experimen-
tell und numerisch bestimmten Strahlungsemissionen von Eisen
und Argon. Exemplarisch ist die Hochstromphase dargestellt.
Die Durchsichten der Eisen- und Argonstrahlung zeigen sehr
gute Übereinstimmung. Insbesondere der dunkle, metalldampf-
dominierte Lichtbogenkern ist in den Bildern mit Argonfiltern
klar abgegrenzt. Aus den definierten Metalldampfmengen im
Lichtbogen kann der notwendigen Eisenmassestroms am Drah-
tende errechnet werden – diese steigt
kontinuierlich an und erreicht erst am
Ende der Hochstromphase sein Maxi-
mum von etwa 7 % bezogen auf den
Drahtvorschub (4 m/min). Der über die
Pulsdauer gemittelte Verdampfungs-
massestrom liegt bei etwa 0,8 %.
Zusätzlich wurden die experimentel-
len Daten in den Phasenräumen von
Metalldampf-Argon und Strom-Span-
nung miteinander verglichen, Abb. 8
unten. Es ist mit dieser Definition
erstmalig gelungen, den prinzipiellen
Verlauf des Phasenraums von Metall-
dampf-Argon nachzuvollziehen. Es ist
deutlich zu erkennen, dass durch die
Definition der Metalldampfverteilung
der zeitliche Verzug der Metalldampf-
strahlung während des Up-slopes
und die zunehmende Dominanz des
Metalldampfes während des späteren Prozessverlaufes abge-
bildet werden können. Diese Dominanz zeigt sich in der weiter
steigenden Metalldampfstrahlung, während die Argonstrahlung
absinkt.
Der charakteristische Verlauf im Pha-
senraum Strom-Spannung scheint
dagegen auf den ersten Blick keine
guten Übereinstimmungen zu zeigen.
Bei genauerer Betrachtung ist jedoch
zu erkennen, dass auch dieser Ver-
lauf prinzipiell sehr gut nachvollzogen
werden kann: Im Hystereseverlauf ist
zu erkennen, dass die Spannung bei
Stromstärken bis zu 200 A während
des Up-slopes deutlich höher sind als
während des Down-slopes. Auch der
Strom-Spannungsverlauf während des
Down-slopes ist in der Simulation wie
im Experiment nahezu linear. Die Unter-
schiede ergeben sich ausschließlich
während der Hochstromphase mit na-
hezu konstantem Strom. Die experi-
mentellen Daten liefern für die Prozess-
phase eine nahezu konstante Span-
nung, während die Spannung in der
numerischen Simulation aufgrund der steigenden Verdampfung
kontinuierlich steigt. Die Differenz entspricht etwa den prinzi-
piellen Unterschieden, die sich auch bei der Definition einer zu
hohen Metallverdampfung an der Drahtunterseite einstellt.
G1
G2
G3
G4
G5
A1
A3
A4
Abb. 7: Variation der Verdampfung – Vergleich der Temperaturen und der
Eisenverteilung im Lichtbogen mit Spektroskopie [Rou10], Vergleich U-I mit
experimentellen Daten sowie Ver-gleich der berechneten Staudrücke
Abb. 8: Vergleich der experimentelle und simulierten sowie die errechnete
notwendige Metall-verdampfung (oben), Vergleich der Verläufe in Phasen-
räumen (unten)
36 37
4. Nächste Schritte
Im weiteren Projektverlauf wird die Eisenquelle am Draht wei-
ter untersucht. Hierzu werden vor allem zeitlich und örtlich
höher aufgelöste spektroskopische Messungen des INP Greifs-
wald (Projekt G1) genutzt. Hieraus ergeben sich noch bessere
Möglichkeiten zum Vergleich der experimentell und numerisch
bestimmten Lichtbogeneigenschaften. Im Hinblick auf die Mög-
lichkeiten der Prozessbeeinflussung werden dabei vor allem die
Wirkungen des Metalldampfes auf die Strömungen im Lichtbo-
gen und den Staudruck untersucht. Dabei ist u. a. die Frage zu
beantworten, in welchem Verhältnis die Parameter Stromstärke,
Metalldampfanteil, Strömungsgeschwindigkeit zum Staudruck
und zum Energieeintrag an der Werkstückoberfläche stehen
(Projekt A1). Diese beeinflussen maßgeblich das Schweißergeb-
nis. Weiterhin wird ein numerisches Modell zum Drahtvorschub
und Tropfenformung in der numerischen Simulation implemen-
tiert. Damit wird ein noch besseres Verständnis der charakteristi-
schen Verläufe im Phasenraum insbesondere während der Hoch-
stromphase erwartet.
Weiterhin wird die Implementierung des im Projekt G4 entwickel-
ten Fallgebietsmodells und Strahlungstransportmodells geprüft.
Hierbei ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt allerdings noch nicht
geklärt, ob der dabei zu erwartende deutlich erhöhte Rechen-
aufwand in den transienten Simulationen noch zu vertretbaren
Rechenzeiten führt.
Mit dem im Projekt G4 entwickelten Prozessmodell wird die im
Antrag vorgesehen Betrachtung des Kurzlichtbogens erfolgen.
Hierbei werden die Modelle der Magnetohydrodynamik mit der
Berechnung einer freien Oberfläche gekoppelt.
Literaturverzeichnis
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vorhaben „Lichtbogenschweißen-Physik und Werkzeug“. Berlin
2009, ISBN 978-3-941681-02-6
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im vpm-Bereich zu Argon auf das MIG-Impulsschweißen von
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spektralselektiver Sensorik (Gepulste Lichtbogenfügeprozesse).
GFaI e. V., INP Greifswald, TU Berlin, 2008
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2005
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Tagung, Nürnberg 2010
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Schoepp, K.-D. Weltmann, D Uhrlandt: Spectroscopic investiga-
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Phys. D: Appl. Phys. (akzeptiert), August 2010 (voraussichtlich)
[Sch10] M. Schnick, U. Füssel M. Hertel, A. Spille-Kohoff, A. B.
Murphy: Metal vapor causes a central minimum in arc tempera-
ture in gasmetal arc welding through increased radiative emissi-
on. J. Phys. D: Appl. Phys. 43 022001, 2010
Projekt G5
Von der explorativen Datenannalyse zur inversen Modellierung –auf dem Weg zu einem neuen Auswertungsstandard für schweißtechnische Messsignale
Zwischenbericht HS Lausitz
J. Kruscha, K. Schlodder, M. Tempelhagen, F. Wagner
Institut für Inverse Modellierung (IIM), Hochschule Lausitz, Senftenberg
1. Einführung
Alle beteiligten Forschungsstellen untersuchen bestimmte As-
pekte der Lichtbogendynamik mit vergleichbaren Werkzeugen:
Zeitreihen der elektrischen Signale (U(t), I(t)), Hochgeschwin-
digkeitskameraaufnahmen (HGA), Zusatzsensoren z.B. spek-
tral selektive Photodiodensignale (I-elektrischer Strom, U(I)-
gemessener Spannungsabfall an der Lichtbogenstrecke: Kontakt-
rohr-Stickout-Lichtbogen-Schmelzbad-Werkstück).
Der Schweißlichtbogen -als zentrales Element- steht im Zentrum
der Untersuchungen aller Forschungsstellen. Das IIM stellte sich
dem Anspruch -von der explorativen Datenanalyse bis zur Ent-
wicklung messungsbasierter inverser Modelle- neue, intelligente
Datenanalysemethoden zu entwickeln und zur Anwendung zu
bringen. Im Verlauf der bisherigen Arbeit konnte am IIM, im
Rahmen der Entwicklung geeigneter Auswertungsmethoden, in
gewissem Sinne ein neuer Auswertungsstandard etabliert und
entsprechende anschauliche und physikalisch aussagestarke
Darstellungsmethoden implementiert werden [LBS09], [IIM10]
(Vortragsfolien 0.-10.). Mit der Entwicklung geeigneter Mess-
datenauswertungsmethoden erfolgte parallel eine Systema-
tisierung der bisherigen Erkenntnisse, die zur Begründung ver-
schiedener Modellierungsansätze und theoretischer Erklärungs-
muster geführt haben. So konnte sich eine Grundstruktur für
das Verständnis der entscheidenden Prozessaspekte herausbil-
den (Abb. 1).
Im Rahmen eines Gerätehersteller- und systemübergreifenden
Analyse- und Modellierungsansatzes erfolgt mit der Zusammen-
führung von elektrischen Signalen und der HGA-Bildinformation
über eine qualifizierte Zeitreihenanalyse die Entwicklung anwen-
dungsfreundlicher inverser Modellierungsansätze mit erkennt-
nistheoretischer und regeltechnischer Relevanz.
2. Arbeitsbericht
In der Berichtsperiode konnte ein geschlossenes Gesamtkonzept
für die Auswertung schweißtechnischer Signale entwickelt (Abb.
1) und in den wesentlichen Teilaspekten die bereits bewährte
Methodik weiter ausgebaut und verfeinert werden [IIM10], wo-
bei sich immer stärker eine relativ abschließende Systematik he-
rausbildet:
Messdatenvorverarbeitung (Synchronisation der HGA-Bildin-
formation mit den elektrischen Zeitreihen, geeignete Methoden
zur Verdichtung der Information, Signalglättung u. numerische
Ableitungen, geeigneten Farbkodierungen und physikalisch an-
schauliche Darstellungsweisen einschließlich Bild Be- und Verar-
beitung: [IIM10]- 2_Bild Be- und Verarbeitung.pdf).
Hysterese-Effekte. Phasenraumdarstellungen (mit jeweils
angepasster Farbkodierung und geeigneter Einbeziehung der
HGA-Bildinformation) erweisen sich als anschaulichste Darstel-
lungsweise (so lassen sich die Prozesszustandsänderungen sehr
leicht detektieren und klassifizieren -Spitzen, Veränderung des
Charakters der Kurve [LBS09], [IIM10]- 3_Hysteresis.pdf). Sowohl
in physikalischer als auch in regeltechnischer Hinsicht stellen sie
die aussagestärkste Form der Verdichtung der Information dar
und bilden die Grundlage für die inversen Modellanpassungen.
Die Hysterese-Effekte stellen auch den Schlüssel zum Verständ-
nis der Impulslichtbogenschweißprozesse dar:
� Verschiedene Quellenkennlinienkombinationen (U,I-Modu-
lationsarten) [Sch05] (Bild. 6) generieren eine Hysterese-Grund-
struktur U(I) durch das Wechselspiel zwischen Drahtelektroden-
Abschmelzverhalten und Drahtvorschubgeschwindigkeit: in der
Grundstromphase überwiegt der zweite Effekt, wobei in der Im-
pulsphase der Abschmelzvorgang dominiert. Darum erfolgt der
Einstieg in die Impuls- bzw. Grundstromphase immer in einem
anderen Bereich der U(I)-Ebene als jeweils der Ausstieg.
� Phasenraumdarstellungen geben anschauliche Vorstellungen
über Stabilitätsbereiche der Prozessführung (zusammenlaufende
Phasenraumtrajektorien) und instabile Prozesszustände (diver-
gierende Phasenraumtrajektorien) und erlauben damit schon auf
einem „vormathematischen Niveau“ die Bewertung des Prozes-
ses (Stabilitätsinselkonzept) [LBS09] (Projekt A4), [IIM10]).
� Die Analyse des Hystereseverhaltens eröffnet einen eleganten
methodischen Einstieg zur Klassifizierung der Haupteinflussfak-
toren für den U(I)-Verlauf (so kann beim Hochfahren des Stromes
der Spannungsabfall größer sein als beim Herunterfahren bzw.
können sich auch die umgekehrten Verhältnisse einstellen):
(i) Steilheit: Beim Hochfahren des Stromes ist zusätzlicher
Energieaufwand erforderlich, um im Lichtbogen die zusätzlich
notwendigen Ladungsträger für den Stromtransport durch Ioni-
sation zu erzeugen (größerer Spannungsabfall). Beim Herunter-
fahren des Stromes kann auf die Ladungsträger zurückgegriffen
werden, die bei höherer Stromstärke erzeugt wurden (geringerer
Ionisationsaufwand - kleinerer Spannungsabfall). Dieser Effekt
ist umso deutlicher ausgeprägt, je schneller die Stromänderung
erfolgt (Steilheit des Anstiegs der I(t)-Kurve).
G1
G2
G3
G4
G5
A1
A3
A4
38 39
(ii) Stick-out-Einfluss: Dieser Einfluss wirkt im Draht entgegen
dem Ionisations-Steilheitseffekt des Lichtbogens. Bei Stromerhö-
hung wirkt der Widerstand, der sich durch die Wärmeentwick-
lung bei niedrigerem Strom einstellte (kleinerer Spannungsab-
fall). Bei Stromstärkesenkung fließt der Strom im Metalldraht,
der durch höheren Strom vorher erwärmt wurde und darum mit
einem größeren Widerstand zu einem höheren Spannungsabfall
führt. Auch dieser Effekt hängt von der Steilheit der I(t)-Kurve ab
und wirkt in Gegenrichtung in Bezug auf (i).
(iii) Induktivitäten: Eine Induktivität wirkt bremsend bei Strom-
erhöhung und versucht den alten Zustand aufrechtzuerhalten,
wenn der Strom heruntergefahren wird. Die am Schweißlicht-
bogen gemessenen Spannungsabfälle zeigen eindeutig auch In-
duktivitätscharakter.
(iv) Metalldampfanteil: Metalldampf im Lichtbogensäulen-
plasma zeichnet sich gegenüber dem Schutzgas Argon durch
einen höheren Wirkungsquerschnitt aus. Dadurch sinkt die
Beweglichkeit der Elektronen in Bezug auf reines Argon. Das
Gleichgewicht stellt sich bei niederen Temperaturen ein, so dass
der Widerstand und entsprechend der Spannungsabfall des Plas-
mas steigen. Zu unterscheiden sind abrupte Metalldampfaus-
brüche, wie sie beim Aufreißen der flüssigen Kurzschluss-Metall-
brücke auftreten und prozessführungsbedingte Veränderungen
des Mischungsverhältnisses von Metalldampf-Argon.
� Analyse Systemverhalten mit den Teilschritten: Prozessfüh-
rungsanalyse, stationäres Normalverhalten, Ausreißer-Analyse,
Ereignisdetektion, Ereigniszuordnung, Detektion der Steuer- und
Regeleinflüsse ([IIM10]-5_Analyse_Systemverhalten.pdf).
� Entfaltungstechniken: Hier geht es primär um die Beantwor-
tung der Frage, welche physikalische Information lässt sich maxi-
mal aus den Zeitreihen U(t) und I(t) gewinnen und welche graphi-
schen Darstellungen sind geeignet, diese Information adäquat
und anschaulich zu visualisieren ([IIM10]- 4_Entfaltung.pdf). Es
erfolgte sowohl eine methodisch-theoretische Weiterentwick-
lung als auch eine Anpassung mehrerer Entfaltungstechniken an
die Bedürfnisse der Schweißlichtbogen-Signalanalyse: Differenti-
elle Entfaltung, Einbettungen (Delay-Darstellungen), Transforma-
tionen, Integrale Größen, (Daten-Modell)=Residuen-Entfaltung,
Komponentenzerlegung und elektronische Lösungen. Die Vor-
züge der Entfaltungstechniken werden exemplarisch an einem
Beispiel (aus urheberrechtlichen Gründen am Beispiel eines EKG-
Signals) illustriert (Abb. 2):
� Eine Zeitreihenmessung (Abb. 2, unten links) zeichnet sich
einerseits durch Überlagerung von Rauschanteilen und anderer-
seits durch abrupte Zustandsänderungen aus (hier starke Signal-
ausschläge). Durch Anwendung klassischer Glättungsmethoden
werden auch die abrupten Signaländerungen verfälscht.
� Im Rahmen einer Entfaltung (Abb. 2, oben links) wird einer-
seits die Dimension des der Messung zugrundeliegenden Systems
deutlich (hier 3) und andererseits lässt die topologische Struktur
des entfalteten Phasenraumporträts qualitative Rückschlüsse auf
die Gleichungsstruktur des datengenerierenden Systems zu.
� In der entfalteten Struktur (natürliche Darstellung der Dyna-
mik) stellen sich die abrupten Signaländerungen als relativ steti-
ge Strukturänderungen dar, so dass eine Signalglättung in dieser
Darstellung nicht die Dynamik verfälschen kann (Abb. 2, rechts).
Wird das geglättete Signal (gelb) dann in die Ausgangsmes-
sungsdimension zurückprojiziert, dann erhält man einen signi-
fikanten Glättungseffekt ohne Verfälschung der Systemdynamik
(Abb. 2, unten links -gelb).
� Methodisch basiert das entwickelte Konzept der inversen
Modellierung auf drei Säulen:
Abb. 2: Veranschaulichung der Vorzüge der Entfaltungstechniken am Beispiel der
entwickelten Glättungsmethode im Attraktor.
I. Phasenraumbasierte Ereignisdetektion:
Automatisierte Generierung relativ großer Phasenraumübersich-
ten (Gegenüberstellung physikalisch relevanter Größen und for-
mal systematisierter Signalkombinationen unter Einbeziehung
differentieller Größen [IIM10]- 5_Analyse_Systemverhalten.
pdf), wobei vorab bestimmte Ereignisse in den Ausgangsmess-
reihen von Hand farblich markiert werden (Abb. 3, oben links:
Markierung der Tropfenablösezeitpunkte auf der Basis kleiner
Spannungserhöhungen in Verbindung mit der kleinen Metall-
dampfwolke, die sich beim Abreißen des Tropfens bildet). Aus
der großen Phasenraumübersicht (Abb. 3, oben rechts) werden
die Phasenraum-Kombinationen einer besonderen Beachtung
unterworfen, in denen die in den Zeitreihen selektierten Ereig-
nisse alle in einem sehr kleinen Raumgebiet positioniert erschei-
nen (Abb. 3, unten links Phasenraumausschnitt). Unter den in
der Größenordnung von >100X100 Teilbildern der großen
Phasenraumübersicht finden sich dann relativ viele Kandidaten
als mögliche Ereignisidentifikationskriterien, die dann in einem
zweiten Schritt einzeln einer differenzierten Untersuchung auf
Eignung als Selektionskriterium unterworfen werden. Die Pha-
senraumkombination (dU, d3U) erweist sich als ein Kandidat für
das Tropfenablösekriterium (Abb. 3, unten rechts: grün-Tropfen-
ablösezeitpunkt, rot das nächstliegende HGA-Bild, das die Trop-
fenablösung signalisiert).
G1
G2
G3
G4
G5
A1
A3
A4
40 41
Abb. 3: Illustration der Methode der phasenraumbasierten Ereignisdetektion am
Beispiel der Suche nach Ereignisidentifikationskriterien für die Tropfenablösung.
II. Modellanpassungen (Regressionsanalyse).
Im Rahmen der Anpassung mathematischer Modellgleichungen
(Systemidentifikation und Parameterestimation) an die Messkur-
ven kommt eine Vielfalt von Regressionsmethoden zum Einsatz:
lineare-nichtlineare, parametrische-nichtparametrische Metho-
den, die sowohl die Messgrößen als Regressoren als auch deren
Differentiale einbeziehen.
III. Differential-Ansatz
(Konzeption der vollständigen Differentiale der elektrischen Grö-
ßen) als formaler mathematischer Apparat für die Entwicklung
inverser Modelle und als Schnittstelle für Modellvalidierung der
Direktmodellierungsansätze [IIM10]- 6_Modellierungsvorberei-
tung.pdf.
Um vom Experiment -als letztendlicher Quelle aller Erkenntnis-
zu einem theoretischen Vorstellungssystem zu gelangen, bedarf
es einer geeigneten mathematischen Schnittstellenstruktur so-
wohl für die Ansätze der inversen Modellierungstechniken als
auch für notwendige Modellvalidierungen der Direktmodellie-
rung und Simulation.
Bei der Entwicklung eines geeigneten formalen mathematischen
Schnittstellen- Apparats galt es einer Reihe von Anforderungen
gerecht zu werden:
� Die charakteristischen Größen müssen sich in ein
physikalisches Basissystem einordnen lassen.
� Ein enger Bezug zu den experimentellen Messgrößen
muss vorhanden sein.
� Regelungstechnische Relevanz ist wünschenswert.
� Entfaltungstechnischer Zugang zu den Messgrößen
muss im Rahmen der mathematischen Modellstruktur
gegeben sein.
Im Rahmen der Arbeiten am IIM hat sich als formaler mathema-
tischer Schnittstellenapparat die Konzeption der vollständigen
Differentiale der elektrischen Größen bewährt. Werden typische
elektrische Größen, wie Spannungsabfall, Leistung etc. unter
Verwendung eines formal definierten Widerstands (R=U/I) als
Differentiale ihrer jeweils unabhängigen Veränderlichen darge-
stellt, so erhält man eine physikalisch anschauliche Grundstruk-
tur mit unmittelbarem entfaltungstechnischem Zugang:
(1)
(2)
(3) 2 2
( )
( )
( ) 2
R I
U I
R I
U UdU d R I R dI I dR dI dRI RP PdP d U I U dI I dU dI dUI U
P PdP d R I U dI I dR dI dRI R
∂ ∂ = ⋅ = ⋅ + ⋅ = ⋅ + ⋅ ∂ ∂ ∂ ∂ = ⋅ = ⋅ + ⋅ = ⋅ + ⋅ ∂ ∂
∂ ∂ = ⋅ = ⋅ ⋅ + ⋅ = ⋅ + ⋅ ∂ ∂
Von zentraler Bedeutung –auch für die Modellvalidierungen der
Direktmodellierungsansätze- erweisen sich hierbei in (1-3) die
partiellen Ableitungen
(4) Z
XY∂
∂
mit eindeutiger physikalischer Aussagekraft, klar definierter Mess-
vorschrift und simulationstechnisch einfacher Berechenbarkeit.
Es sei nur der Vollständigkeit darauf verwiesen, das die Größen
(4) die mathematische Grundstruktur thermodynamischer Ma-
terialkonstanten besitzen, die Konzeption der vollständigen Dif-
ferentiale der elektrischen Größen die Anwendung des mathe-
matischen Apparates der Thermodynamik erlaubt, wodurch auf
natürliche Weise der Ansatz (1-4) eine regeltechnische Relevanz
bekommt - in Bezug auf die Tatsache, dass die moderne System-
theorie und Regeltechnik wesentliche Wurzeln in der Thermody-
namik haben.
3. Aktuelle Ergebnisse
3.1. Instabilitätscharakter des Lichtbogenverhaltens
bei Impulslichtbogenschweißprozessen
Die Analyse der Größenverhältnisse der einzelnen Terme in (1)
erweist sich als von fundamentaler Bedeutung ([IIM10]- 6_Model-
lierungsvorbereitung.pdf) in Hinblick auf die physikalische Rele-
vanz der einzelnen Terme, wobei das Verhältnis der folgenden
zwei Terme besondere Beachtung verdient:
(5) R
UR dI dII
∂ ⋅ = ⋅ ∂
(6)
I
UI dR dRR
∂ ⋅ = ⋅ ∂
Der Term (5) beschreibt die Änderung der Spannung infolge
Stromänderung dI , wobei die „Materialeigenschaften“ (der
Lichtbogenstrecke) als konstant anzusehen sind - „Prozessfüh-
rungsanteil“ an dU: rMdi. Der Term (6) hingegen beschreibt
die Änderung der Spannung infolge der Änderung der Mate-
rialeigenschaften (Widerstand) der Messstrecke, wobei die Pro-
zessführung als konstant anzusehen ist (dI = 0): Änderung der
Spannung infolge Widerstandsänderung dR: iMdr (Abb. 4). Wie
aus Abb. 4 ersichtlich, kompensieren sich die beiden Terme (5)
und (6) weitestgehend, so dass dU als Summe der beiden Teil-
terme vom Betrag her klein gegenüber den Beträgen der beiden
Anteile ist:
(7) |dU| << |rMdi|, |iMdr|.
Abb. 4: Beziehung zwischen den Teilkomponenten der Spannungsänderung an
der Lichtbogenstrecke, die den Instabilitätscharakter des Prozesses widerspiegeln.
Die Beziehung (7) widerspiegelt den instabilen Grundcharakter
des Prozesses, wobei es -wie auch aus Abb. 4 zu entnehmen-
zu unterscheiden gilt zwischen Prozessphasen, die im strengen
Sinn instabil sind und dem Gesamtcharakter des Prozesses, der
in guter Näherung vom Wesen her als ein instabil betrachtet und
untersucht werden muss.
Aus dem Instabilitätscharakter des Lichtbogenverhaltens erge-
ben sich zwei wesentliche Schlussfolgerungen sowohl für das
Verständnis als auch für die Beherrschbarkeit des Impulslichtbo-
genschweißprozess:
� Quasistationäre Direktmodellierungsansätze werden dem In-
stabilitätscharakter des Prozesses nicht gerecht werden können.
� Da die Spannung als Regeleingangsgröße für Schweißgeräte
Verwendung findet, ergeben sich aus dem Instabilitätscharakter
des Prozesses naheliegende Schlussfolgerungen für eine opti-
mierte Regelstrategie in Hinblick auf die Beziehungen (1) und
(7): RdI und IdR sind aussagefähiger in Bezug auf Prozesszu-
stand als dU.
3.2. Erklärung der Lichtbogenstandardmodelle auf der
Basis des Differentialkonzepts als unterste Ebene der
inversen Modellbildung und Abklärung der regeltech-
nischen Bedeutung dieses Standardmodells
Bekanntlich wird in Anlehnung an Mrs. Ayrton „Electric
Arc”(1903) der Lichtbogenspannungsabfall mit der linearen
Gleichung (linear in Bezug auf Strom I und Lichtbogenlänge L)
beschrieben:
(8) U = a + b I + c L
In Hinblick auf (1) macht es Sinn, diesen Formelansatz (8) aus (1)
herzuleiten, um bei Verwendung naheliegender vereinfachender
Annahmen in Bezug auf Lichtbogensäule und Randschicht den
physikalischen Sinn der Konstanten a, b und c in (8) zu erklä-
ren. Der Widerstand des Lichtbogens wird mit einem einfachen
homogenen Zylindersäulenmodell ( ρ - spezifischer Widerstand,
A- Querschnitt der Lichtbogensäule)
(9) SLR
Aρ
=
beschrieben, wobei für die Randschicht (summarischer Ansatz
für Kathoden- und Anodenrandschicht) zwei Modellannahmen
zur Anwendung kommen: Rr=const. (Abb. 5) und Ur=const.
(Abb. 6). Bemerkenswerterweise erhält man –unter Berücksich-
tigung der vereinfachenden Annahmen in Abb. 5,6- für beide
Randschichtannahmen bei kleinen Strom- und Lichtbogenlänge-
nänderungen den gleichen Formelansatz (8).
G1
G2
G3
G4
G5
A1
A3
A4
42 43
Abb. 5: Begründung der Ayrton-Näherung
bei konstantem Randschichtwiderstand.
Abb. 6: Begründung der Ayrton-Näherung
bei konstantem Randschichtspannungsabfall.
Überraschenderweise zeigen die Begründungen des linearen Mo-
dells (8), dass die Konstante b – entgegen der verbreiteten Lehr-
meinung – auch vom Widerstand der Randschicht Rr abhängt,
was um so gewichtiger zu bewerten ist, da die moderne
Schweißtechnik sehr kurze Lichtbögen anstrebt –und somit der
zweite Term in der Konstante b gegenüber dem Randschicht-
term vernachlässigbar wäre. Die physikalisch korrekte Interpreta-
tion der Konstante b ist jedoch existentiell wichtig für eine quali-
fizierte Regelstrategie des Schweißprozesses.
3.3. Experimentelle Bestimmung des Randschicht-
spannungsabfalls als Funktion vom Strom
Aus den Ausführungen von 3.2. folgt, dass die experimentelle
Bestimmung des Randschichtspannungsabfalls, als Funktion
der Stromstärke, von prinzipieller Bedeutung ist. In [IIM10]- 8_
UB_Experiment_Physik.pdf wurden 8 verschiedene Argumente
vorgestellt, die dafür sprechen, dass der b-Koeffizient in (8) für
kurze Lichtbögen primär durch die Randschichten determiniert
ist. Besondere Bedeutung hat in diesem Fall das Minimalspan-
nungskonzept, dass davon ausgeht, dass -bevor die Elektroden
sich berühren- die Lichtbogensäulenlänge gegen Null strebt ( L
à0) und somit der letzte messbare Spannungsabfall, vor dem
Kurzschluss, der Summe der beiden Randschichtspannungen
entspricht. Entsprechende Überlegungen gelten auch für die
Kurzschlussbrückenauflösung, wenn der neu entstehende Licht-
bogen sich noch durch eine sehr kleine Säulenlänge auszeichnet.
3.4. Bestimmung des Lichtbogenspannungsabfalls
als Funktion der Lichtbogenlänge
In [IIM10]- 8_UB_Experiment_Physik.pdf werden die Ergebnisse
einer automatisierten Auswertungen vorgestellt, die belegen,
dass beim Impulslichtbogenschweißprozess 5 qualitativ unter-
schiedliche Abhängigkeitsbereiche U(L) auftreten.
3.5. Aufklärung zweier konkurrierend wirkender
Metalldampfwirkmechanismen
In [IIM10]- 8_UB_Experiment_Physik.pdf konnte gezeigt wer-
den, dass zwei Metalldampfwirkmechanismen den U(I) –Verlauf
beeinflussen: (i )Eruptionen mit ihrem Einfluss auf den erhöhten
Spannungsabfall in der Lichtbogensäule und (ii )den Leistungsein-
bruch in Randschicht infolge einsetzender Metalldampfemission:
(i) Metalldampf zeichnet sich gegenüber dem Schutzgas Argon
durch einen höheren Wirkungsquerschnitt aus. Dadurch sinkt
die Beweglichkeit der Elektronen im Verhältnis zu reinem Argon-
Plasma. Das Gleichgewicht stellt sich bei niederen Temperaturen
ein und der Widerstand und entsprechend der Spannungsabfall
des Plasmas steigen.
(ii) Spannungsabfall vor der Kathode ist der Ionisierungsspan-
nung proportional (originelle Argumentation von Johannes
Stark), welche beim Übergang von Argon-dominierten Bogen
zum Metalldampf sinkt.
3.6. Störungstheorie- Regelungskonzept
für kurze Lichtbögen
Da entsprechend 3.3. für kurze Lichtbögen der Hauptspannungs-
abfall an der Lichtbogenstrecke sich in den Randschichten rea-
lisiert, wird eine vereinfachte Regelstrategie vorgeschlagen, die
sich im Rahmen einer Störungstheorie umsetzen lässt ([IIM10]-
7_Stoerungsrechnung.pdf, 8_UB_Experiment_Physik.pdf):
(i) Im Rahmen eines Grundmodells R(I), das primär durch die
Randschichtphysik bestimmt wird, lässt sich die Schweißstrom-
kreisdynamik abstimmen.
(ii) Die L(U) –Abstandsbestimmung (Abstandsregelung) lässt sich
dann in einem zweiten Schritt -relativ unabhängig von (i)- prak-
tisch als Korrekturgrößenbestimmung umsetzen.
3.7. Grundmodellanpassung an die Schweißsignale U(I)
Die Vorteile der inversen Modellierung lassen sich z.B. ein-
drucksvoll im Rahmen eines Gerätehersteller- und systemüber-
greifenden Analyse- sowie Modellierungsansatzes demonstrie-
ren (Abb. 7). In einem ersten Schritt wird aus den Messdaten ein
Grundmodell gewonnen, mit dem sich das Prozessverhalten in
erster Näherung bereits sehr gut beschreiben lässt. Im Rahmen
einer 2. Näherung werden dann die Residuen (Abweichungen
vom Grundmodell) über Korrelationsanalysen mit Zusatzsignalen
erklärt (Abb. 8, 9).
3.8 Residuen-Analyse der Grundmodellanpassungen als
sehr effektives Instrument der Schweißlichtbogensignal-
analyse und der Extraktion physikalischer Gesetzmäßig-
keiten
Eine neu entwickelte Entfaltungsmethode (2. Entfaltungstechni-
ken) erweist sich als besonders leistungsfähig im Rahmen einer
Feinanalyse der physikalischen Prozesse([IIM10]- 7_Stoerungs-
rechnung.pdf, 8_UB_Experiment_Physik.pdf). Es handelt sich hier-
bei um die (Daten-Modell)=Residuen-Entfaltung, die mit einer
Modellanpassung der Residuen verknüpft werden (Abb. 8,9).
Abb. 8: Der „abfallende Ast“ der Residuen erklärt sich aus dem Verhalten der
Lichtbogensäule (oben rechts) - mit abnehmenden Abstand der Schweißelektrode
vom Schmelzbad nimmt der Spannungsabfall im Lichtbogen in der Grundstrom-
phase ebenfalls ab.
Abb. 9: Der anfängliche Leistungsabfall und die sich anschließende Leistungserhö-
hung können aus dem dominierenden Metalldampfeinfluss (zunächst in den Rand-
schichten und danach in der Lichtbogensäule) erklärt werden.
4. Nächste Schritte
� Detailierte Analyse der Teilkomponenten am Instabilitätscha-
rakter des Lichtbogenverhaltens 3.1 (Lichtbogenstrecke, Rand-
schichten, Drahtelektrode), da sich nur über diesen Weg ana-
lytische Ausdrücke für das Auftreten von Stabilitätsinseln in der
Prozessführung herleiten lassen (Stabilitätsinselkonzept: [LBS09]
(Projekt A4), [IIM10]). Auf diesem Weg wird es auch gelingen,
die allgemeinen Kriterien für eine innere Regelung bei variabler
Prozessführung U(t) und I(t) analytisch herzuleiten, damit auch
für die Impulslichtbogenschweißtechnologie das selbstregulie-
rende Potential des Schweißprozesses regelungstechnisch voll
ausgenutzt werden kann.
� Detailanalyse des Ayrton-Modellansatzes 3.2. in Hinblick auf
differenziertere messungsbasierte Modellannahmen auf der Ba-
sis von (1), um die regelungstechnische Bedeutung der Nähe-
rungsformel (8) noch besser abzuklären.
� Verfeinerungen der Bestimmung des Randschichtspannungs-
abfalls entsprechend 3.3.
� Differenzierte modelltechnische Anpassung der 5 qualitativ
unterschiedlichen Abhängigkeitsbereiche U(L) beim Impulslicht-
bogenschweißprozess entsprechend 3.4.
Abb. 7: Eingespeiste Leistung (schwarz), die über ein einheitliches Grundmodell
beschrieben werden kann (grün) für verschiedene Schweißimpulsprozesse unter-
schiedlicher Quellenhersteller [untere Reihe]. Die Residuen (Differenz zwischen
Ausgangssignal und Modellanpassung - obere Reihe) zeigen für alle Prozesse qua-
litativ das gleiche Verhalten.
G1
G2
G3
G4
G5
A1
A3
A4
44 45
aufgrund unterschiedlicher Energiebeeinflussungsmechanismen
nicht möglich, jedoch können durch wärmearme Lichtbogen-
prozesse unter Verwendung neuartiger Regelalgorithmen neue
Verfahrensansätze zur gezielten Beeinflussung der Strömungs-
und Durchmischungsdynamik der Schmelze abgeleitet wer-
den.Mittels der Verbesserung der Verbindungseigenschaften
(Beherrschen der Heißrissproblematik, Verringern der Ausbil-
dung intermetallischer Phasen bei Mischverbindungen, etc.)
durch den verminderten und werkstoffangepassten Energie-
eintrag und der Reduzierung von Nacharbeit (bspw. Richten)
werden vor allem kmU in die Lage versetzt, wirtschaftlicher und
mit verbesserter Qualität zu fertigen. Dazu ist es zwingend er-
forderlich, die Wechselwirkungen der Prozesskette Stromquelle-
Lichtbogen-Energieeintrag-Konvektion-Erstarrung detailliert zu
analysieren und modellhaft abzubilden.
Die vorangegangen Untersuchungen an verschiedenen Werk-
stoffen belegen die Möglichkeit der Einflussnahme auf die Ab-
kühlbedingungen durch die gezielte Prozessphaseneinstellung
für kleine Schmelzbadvolumina. Aktuelle und künftige Arbeits-
schritte sind neben der Schaffung quantifizierbarer Zusam-
menhänge zwischen physikalischen Effekten des modulierten
Wärmeeintrags und dem re-
sultierenden Werkstoffver-
halten ebenso die Über-
tragung dieser Effekte von
Blindnähten auf artgleiche
Verbindungsschweißungen
und Mischverbindungen.
2. Arbeitsbericht
2.1 Freie programmier-
bare Stromquelle
Zur Erreichung der Ziel-
stellung des Projektes galt
es eine sekundär getaktete stromgeregelte Quelle der Firma
Rehm mit der Software Matlab Simulink so anzusteuern, dass
eine freie Programmierung möglich ist. Über eine Reglerkarte
wird der vorgegebene zeitliche Verlauf als Führungsgröße an die
Stromquelle übertragen. Die Regelung des Stromverlaufs an die
Sollwertvorgabe erfolgt dann stromquellenintern. Ausgehend
von einer Grundstruktur des zeitlichen Stromverlaufs können
einzelne Stromplateaus (bis 500 A), Anstiegs- und Abstiegszei-
ten (max. 125 A / 0,1 ms) sowie Frequenzen (bis ca. 3,3 kHz) ein-
gestellt werden. Die Abbildung der Stromquelle stellt ein kom-
plexes Regelsystem dar. Dabei wird die Stromquelle idealisiert als
ein Übertragungsglied aufgefasst und beschrieben (siehe Abb.
1). Für die Beschreibung des zeitlichen Verhaltens des Regelsys-
tems wurde mit Matlab Simulink eine lineare Systemidentifika-
tion vorgenommen. Das System lässt sich hierdurch mit einer
Projekt A1
Einsatz gepulst geregelter Lichtbögen zur Beeinflussung der Schmelzbaderstarrung
Zwischenbericht TU Berlin
Univ. Prof. Dr.-Ing. habil. J. Wilden, Dr.-Ing. S. Jahn, Dipl.-
Wirtsch.-Ing. M. Rhode, Dipl.-Ing. (FH) B. Schmidt
Fachgebiet Füge- und Beschichtungstechnik, TU Berlin,
1. Einführung
Lichtbogenschweißverfahren finden wegen ihrer Variantenviel-
falt, sehr guten Handhabbarkeit sowie Automatisierbarkeit wei-
te Verbreitung. Ihre geringen Investitions- und Unterhaltskosten
machen die Verfahren sowohl für Industrie als auch Handwerk
attraktiv. Trotz intensiver metallurgischer und prozesstechnischer
Forschung ist das Entstehen von Nahtimperfektionen wie Heiß-
rissen, Nahtmittenrippendefekten etc. bei vielen Werkstoffgrup-
pen unvermeidbar. Damit
engt sich das Anwendungs-
spektrum der Lichtbogenver-
fahren trotz ihrer Vorteile ein
[Ach07, Psh05, Dil95].
Eine weitere Herausforde-
rung stellen Mischverbin-
dungen aus Werkstoffpaa-
rungen dar, die zur Bildung
massiver metallischer Phasen
beim Schmelzschweißen nei-
gen. Hier sei beispielweise
auf Stahl-Aluminium-Verbin-
dungen verwiesen, die sich
bis jetzt nicht prozesssicher schmelzschweißen lassen. Ergeb-
nisse aus der Lasertechnik belegen, dass mittels modulierbaren
Wärmeeintrags diese Probleme beherrscht werden können [Wil
02, Wil 07].
Durch einen minimierten Energieeintrag wird die Abkühlge-
schwindigkeit wesentlich erhöht, unterstützend kommt es da-
durch zu einer vermehrt keimbildungsorientierten Erstarrung als
ohne modulierten Wärmeeintrag. Die homogenere Keimbildung
beeinflusst das entstehende Gefüge positiv hinsichtlich der me-
chanisch-technologischen Kennwerte. Physikalisch können diese
Effekte durch drei sich gegenseitig beeinflussende Wirkfaktoren
beeinflusst werden: Energieeintrag ins Schmelzbad, Strömungs-
und Durchmischungsverhältnisse im Schmelzbad und Wär-
metransport aus der Schmelze in das feste Metall. Die direkte
Übertragung der Lasereffekte auf das Lichtbogenschweißen ist
G1
G2
G3
G4
G5
A1
A3
A4
Abb. 1: Realisierung der freiprogrammierbaren Stromquelle
� Erweiterung der Grundmodellanpassung mit Einbeziehung
induktiver Effekte und der Lichtbogenlängeninformation.
Da sich bereits im Rahmen eines Gerätehersteller- und system-
übergreifenden Modellierungsansatzes sehr gute Ergebnisse
erzielen lassen, ist davon auszugehen, dass die schweißstrom-
quellenspezifischen Modellanpassungen im Kontext der inversen
Modellierung noch wesentlich bessere Modellgleichungen und
entsprechende Regelungsstrategien bereitstellen werden.
Aus Sicht des IIM ist es -auf der Basis der bisherigen Forschungs-
ergebnisse- ein realistisches Ziel, alle prozessrelevanten Informa-
tionen den gemessenen elektrischen Standardsignalen (Strom-
stärke und Spannung) zu entnehmen (nachdem in einer -durch
differenzierte Messungen unterstützten- Lernphase die Signal-
strukturen in ihrer physikalischen Bedeutung verstanden wurden)
und auf dieser Basis optimierte Regelstrategien zu entwickeln,
was zu einer erhöhten Prozesssicherheit der Schweißverfahren
führen wird.
Literaturverzeichnis
[LBS09] „Lichtbogenschweißen –Physik und Werkzeug“ Zwi-
schenbericht zum Lichtbogenkolloquium am 5. Oktober in Ber-
lin, ISBN-Nr.: 978-3-941681-02-6
[IIM10] J. Kruscha, Workshop Datenanalyse schweißtechnischer
Signale, Senftenberg 24./25. 02. 2010; www.inverse-modellie-
rung.de (mit Quellenhinweisen in Bezug auf die verwendeten
Messungen: 10_Quellenhinweise.pdf)
[Sch05] K.-P. Schmidt, Modulationsarten bestimmen den de-
finierten Werkstoffübergang beim Lichtbogenschweißen und
Lichtbogenlöten, Jahrbuch Schweißtechnik, Geräte und Anlagen
in der Schweißtechnik (2005) 148-161
46 47
Übertragungsfunktion beschreiben. Die Validierung der Über-
tragungsfunktion erfolgte bei einem Eingangsstrom von 350 A,
dabei entspricht der simulierte Wert dem Ist-Wert des Stromes
bis auf ein zeitliches Offset von weniger als 60 µs.
2.2 Beeinflussung der Erstarrungsbedingungen
durch Pulsmodulation
Die gezielte zeitliche Modulation der Parameter und somit bei-
spielsweise der Pulsleistung eröffnet neue Möglichkeiten der ge-
zielten Einflussnahme auf die Metallurgie während des Schwei-
ßens und somit auf die Erstarrungsmorphologie der Werkstoffe.
Die Problematik der Heißrissbildung beispielsweise liegt in der
Metallurgie und den Erstarrungsvorgängen begründet. Ursäch-
lich für das Entstehen von Materialtrennungen in höheren Tempe-
raturberiechen beim oder kurz nach dem Schweißen ist das
Entstehen von niedrigschmelzenden Eutektika vor der Erstar-
rungsfront. Bei Erstarrungsende können diese im Gegensatz
zu den bereits festen Körnern die auftretenden Schrumpfspan-
nungen nicht aufnehmen. Heißrisse verlaufen daher stets inter-
kristallin, d.h. zwischen den Korngrenzen.[Sch-04] Grundlegende
Untersuchungen zur
gezielten Einflussnahme
auf die Erstarrungsbe-
dingungen sind wie
eingangs erwähnt, mit
Einzelpulsschweißun-
gen an Al 99,5 und
X5CrNi18-10 erfolgt.
Die hier erzielten Ergebnisse belegen die Möglichkeit der Ein-
flussnahme auf die Erstarrungsbedingungen des Schmelzbades
(siehe Zwischenbericht vom Oktober 2009). Weiterhin ist das
Ziel der Untersuchungen, die Schmelzbadschwingungen (Ober-
flächenbewegung) infolge der Leistungsmodulation visuell abzu-
bilden und so eine Korrelation der Schmelzbadschwingung mit
den elektrischen Parametern über den Lichtbogen zu korrelie-
ren. Durch die Anregung des Schmelzbades wird dem flüssigen
Werkstoff ein starker Durchmischungsimpuls übertragen, der
die gezielte Unterkühlung der Schmelze ermöglicht und, wie er-
wähnt, so zur verstärkten Keimbildung in der Schmelze und so
zu einem feinkörnigeren homogenen Gefüge beiträgt.
Im Fokus des sich anschließenden Projektabschnitts steht die
Übertragung der Ergebnisse aus den Einzelpulsschweißungen
auf Blindnähte mit den sich daraus ergebenden Änderungen der
thermophysikalischen Bedingungen der Erstarrung beispielswei-
se durch die Vergrößerung des Schmelzbades. Untersucht wird,
welchen Einfluss die Modulation der Energie auf den Werkstoff
(Erhaltung der Schmelzbadbeeinflussung) und die Prozessstabi-
lität besitzt.
3. Aktuelle Ergebnisse TU Berlin
Die Klärung des Einflusses der Schweißparameter auf das resul-
tierende Gefüge gestaltet sich aufgrund der großen Anzahl der
möglichen Parameter umfangreich. Erste Ergebnisse aus den vor-
gegangenen Berichten belegen am Beispiel von Aluminium 99,5
die Einflussmöglichkeiten über die Pulsformmodulation. Hierbei
wurde der Einfluss des Energieeintrages in den unterschiedlichen
Prozessphasen an Einzelpulschweißungen untersucht. Es wurde
festgestellt, dass beim Aluminium der Einfluss der Stromstärke
in der Grundstromphase hervorgehoben werden kann. Durch
den unterschiedlichen Energieeintrag in den Grundstromphasen
wird der Zeitpunkt des Aufschmelzens des Zusatzwerkstoffs und
somit die Tropfengröße bestimmt. Zusätzlich ist hiermit eine Va-
riation des Einbrands und der Nahtgeometrie verbunden.
Die Erfassung der elektrischen Messwerte erfolgt nach Umstel-
lung des Versuchsaufbaus auf das Dewetron Messsystem mit zu-
gehöriger zeitsynchron aufzeichnender Hochgeschwindigkeits-
kamera. Hierbei werden die Prozessgrößen Strom und Spannung
aufgenommen und dargestellt sowie mit den Videoaufnah-
men korreliert. Die-
ser Versuchsaufbau
ermöglicht damit de-
taillierte Aussagen
über den Zusammen-
hang der elektrischen
Kenngrößen mit den
zugehörigen Lichtbo-
genbrennphasen in
der Hochstrom- bzw.
Grundstromphase sowie der Tropfenbildung und -übergang.
Aufbauend auf den Aluminium-Versuchen, wurden Blindnaht-
schweißungen an einem CrNi-Stahl durchgeführt. Hierbei wur-
de ähnlich den Versuchen zum Aluminium vorgegangen. Zum
Einsatz kam ein austenitischer titanstabilsierter Stahl 1.4541
(X6CrNiTi18-10, Blechdicke 5 mm) und als Schweißzusatz der
Massivdraht X5CrNiNb19-9 (1,2 mm Durchmesser). In den
Schweißversuchen wurde der Einfluss der Pulsmodulation auf
das resultierende Gefüge untersucht. Die Parametervariation er-
folgte hierbei primär in der zweiten Grundstromphase des Pulses
und ergänzend in der mittleren Grundstromphase. Die Abb. 2
beinhaltet die Grundform des Schweißpulses und die jeweils un-
tersuchten Energieeinträge.
Im nachfolgenden Abschnitt werden exemplarisch die durch-
geführten Versuche an zwei Proben gegenübergestellt. Beide
Schweißungen wurden mit gleichem Programm hinsichtlich der
Energie des Schweißpulses und der ersten Grundstromphase ge-
fahren. Dabei stellt sich für die erste Prozessphase eine Energie
WS1 von 20,5 J und für die erste Grundstromphase WG1 von
5,6 J ein. Unterschiede finden sich in der zweiten Grundstrom-
phase WG2. Es wurde dabei mit einer Pulsleistung von 10,4 J
(nachfolgend Fall a genannt, acht kurze mittlere Pulse) und mit
7,4 J (Fall b, vier kurze hohe Pulse) in der zweiten Grundstrom-
phase geschweißt. Die Streckenenergie des Prozesses belief
sich im Mittel auf 5,0 ± 0,5
kJ/cm. Die verwendeten
Schweißparameter sind in
der nachstehenden Tab. 1
dargestellt:
Die Blindnähte bauen im
Gegensatz zu den Einzel-
pulschweißungen bei der
Abkühlung kein radiales,
sondern ein elliptisches
Isothermenfeld in Schweiß-
richtung auf. Durch die na-
hezu konstante Streckener-
gie ergibt sich ein ähnliches
Einbrandprofil im Querschliff. Die Abb. 3 stellt im Vergleich dar,
wie sich die unterschiedliche Leistungseinbringung u. a. auf die
Lichtbogensäule auswirkt.
In Abb. 3 ist ersichtlich, dass die Stromstärke und die Frequenz
der Leistungsmodulation u. a. Einfluss auf die Lichtbogenge-
stalt haben. So kommt es bei der höheren Wechselfrequenz im
hinteren Bereich des Pulses zu einem Kontrahieren des Lichtbo-
gens und somit zu einer Änderung des Wirkungsfeldes auf das
Schmelzbad („Brennfleck“). Weiterhin ist zu beobachten, das der
sich ablösende Tropfen durch die Kontraktion der Lichtbogen-
säule in Richtung Werkstück beschleunigt wird (Fall b). Es ist an-
zunehmen, dass sich hier eine Grenze der Einflussnahme ergibt,
da die gewollte Anre-
gung der Schmelzbad-
schwingung durch den
Lichtbogen hier u. U.
durch den vergrößer-
ten mechanischen Im-
puls beim Auftreffen
des Tropfens wieder
verringert wird. Durch
die differenziert einge-
brachten Energiebeträ-
ge entstehen somit sehr
unterschiedliche Gefü-
gestrukturen (Abb. 4).
In der Abb. 4 stellt sich eine teilweise deutliche Unterscheidung
in der ausgebildeten Struktur dar. Auf der rechten Abbildung
(Fall b) ist im Gegensatz zur linken Abbildung (Fall a) eine we-
sentlich gröbere gerichtete Struktur zu erkennen. Dieses deutet
darauf hin, dass hier die Wärmeableitung aus der Schmelze in
den Grundwerkstoff behindert ist und sich ein gröberes Gefüge
ausbildet. Im Fall a) hingegen kommt es zu einem schnelleren
Abkühlen des Werkstoffs und somit zu gleichmäßiger ungerich-
teter Erstarrung mit einem feinkörnigeren Gefüge.
G1
G2
G3
G4
G5
A1
A3
A4
Abb. 2: Pulsform mit den Energieeinträgen für die unterschiedlichen Prozessphasen
Abb. 3: Nahtausbildung, Strom-Spannungsverläufe und Lichtbogenaufnahmen für zwei impulsmodulierte
Pulsformen: a) mittlere Pulse, b) hohe Pulse
Tab. 1: Parameterzusammenstellung für die Pulsformen: a) mittlere Pulse, b) hohe Pulse
48 49
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Halle
Hinsichtlich der Auswertung der Schweißproben wurden ne-
ben den lichtmikroskopischen Analysen zusätzlich EBSD-Ana-
lysen zur Bestimmung der Phasenorientierung und -größe im
Schweißgut durchgeführt. Hierbei erfolgt die Charakterisierung
der Orientierung der Phasen über die spezifischen Gitterebenen
der Kristallstruktur der Werkstoffe. Die folgenden Abb. 5 zeigt
dies anhand der durchgeführten Analysen, jeweils an charakte-
ristischen Stellen aus der Nahtmitte.
Abb. 4: Gefügestrukturen, Werkstoff X6CrNiTi18-10, Zusatz: X5CrNiNb19-9, Pro-
zessparameter siehe Tab. 1: a) mittlere Pulse, b) hohe Pulse
Abb. 5: Gefügeorientierung, Werkstoff X6CrNiTi18-10, Zusatz: X5CrNiNb19-9,
Prozessparameter siehe Tab. 1: a) mittlere Pulse, b) hohe Pulse
Wie der Abb. 5 zu entnehmen ist, resultiert infolge der Variati-
on der elektrischen Leistung eine teils deutliche Unterscheidung
der Orientierung der Kristalle bzw. ihrer Größe. Im Fall a) ist er-
sichtlich, dass die Kristalle wesentlich kleiner sind und keine Vor-
zugsorientierung der Erstarrung besitzen, dies deutet auf eine
ungerichtete gleichmäßige Erstarrung hin. Im Gegensatz dazu
deuten die wesentlich größeren monochromatischen Flächen
der rechten Abbildung (Fall b) auf eine Vorzugswachstumsrich-
tung der Kristalle, d.h. es bilden sich wenigere, aber größere und
stark orientierte Kristalle aus, die zu einer wesentlichen Vergrö-
berung des Gefüges führen. Die Modulation der eingebrachten
elektrischen Energie ermöglicht somit die Einflussnahme auf die
Erstarrungsbedingungen. Festzustellen ist, dass sich die Erstar-
rung (und das sich einstellende Gefüge) durch eine gute Wahl
des Impulsstroms, sowie der Impulsbreite und -anzahl auch bei
den Blindnahtschweißungen beeinflussen lässt.
Erste Voruntersuchungen zum Verbindungsschweißen sind an
CrNi-Güten und verschiedenen Aluminiumlegierungen (AW
6082, AW 7082) bereits erfolgt und befinden sich momentan
in der Auswertung. Die Korrelation von elektrischen Daten und
Hochgeschwindigkeitsaufnahmen wird beim Verbindungs-
schweißungen erschwert, da das Schmelzbad ein größeres Vo-
lumen als bei der Einzelpulsschweißung besitzt und somit verän-
derte Wärmeabfuhrbedingungen durch die Blechdicke und die
Stoßgeometrie die Folge sind. Die Separierung der Einflüsse der
Pulsform gestaltet sich hierdurch aufwendiger (speziell die visu-
elle Erfassung des Schmelzbades), wird aber eine zentrale Rolle
einnehmen, um Korrelation zwischen den metallurgischen Fak-
toren des Werkstoffs und den physikalischen Effekten aus dem
Prozess zu ermöglichen.
4. Nächste Schritte
Nachdem die grundsätzliche Möglichkeit der Erstarrungsbeein-
flussung beim MSG-Schweißen durch die Leistungsmodulation
nachgewiesen wurde, soll überprüft werden, welche Möglich-
keiten sich hierdurch bieten. Hierzu erfolgen zunächst systema-
tische Untersuchungen an artgleichen Verbindungsschweißun-
gen und später an Mischverbindungen. Die bereits angeführte
Heißrissproblematik bzw. die Bildung intermetallischer Phasen in
Mischverbindungen sollen durch den modulierbaren Wärmeein-
trag verhindert bzw. vermindert werden. Hierzu soll untersucht
werden, inwieweit eine Schmelzbadbeeinflussung durch das
MSG-Impulslichtbogenschweißen bei größeren Schmelzbadvo-
lumina möglich und sinnvoll ist. Ziel ist es hierbei, Richtlinien für
Pulsformen zu erarbeiten, die eine derart angepasste Wärmere-
gulierung erlauben, so dass die o. g. Probleme anwendungsrele-
vant gelöst werden können.
G1
G2
G3
G4
G5
A1
A3
A4
50 51
Argon voraus [Gle05] [Low97] [Sch06]. In [Coo07] wurden be-
reits Strömungsprofile durch CFD-Simulation berechnet um die
Ausbreitung von Schweißrauchen zu simulieren. Der Lichtbo-
gen ist hier allerdings stark vereinfacht abgebildet und wird auf
seine thermische Wirkung reduziert. Im Projekt soll in Zusam-
menarbeit mit den Projekten G4 und G5 ein Modell entwickelt
werden, welches die Entstehung turbulenter Strömungsprofile
durch die Geometrie des Schweißbrenners, die Beeinflussung
der Strömung durch den Lichtbogen und temperaturabhängige
Diffusionsprozesse abbilden kann.
Für die Überprüfung der Aussagefähigkeit der numerischen Mo-
delle ist es notwendig, die Ergebnisse experimentell zu validie-
ren. Zur Bestimmung von Strömungsfeldern können partikelba-
sierte Verfahren wie die Laser Doppler Anemometrie (LDA) oder
die Partikel Image Velocimetry (PIV) verwendet werden. Durch
Zschetzsche [Füs05, Zsc07] wurde die PIV bereits zur Analyse
der Schutzgasströmung beim MSG-Schweißen angewendet.
Auf Grund der damaligen Anlagentechnik war es allerdings nur
möglich, Einzelbilder im einstelligen Hz-Bereich auszuwerten.
Im Projekt wird die Versuchsmethodik aufgegriffen und weiter-
entwickelt, so dass die Erstellung kontinuierlicher, örtlich und
zeitlich hochaufgelöster Berechnungen von Strömungsfeldern
ermöglicht wird.
Eine weitere diagnostische Möglichkeit der Strömungsvisuali-
sierung bietet die Schlierentechnik. Zur Analyse von Lichtbo-
genprozessen wird die Schlierentechnik bisher jedoch nur sehr
eingeschränkt eingesetzt, u. a. zur Strömungsvisualisierung
beim Plasmaschneiden [Set98]. Vereinzelte Arbeiten aus den Be-
reichen des Lichtbogenschweißens beziehen sich auf Grund der
überblendenden Lichtbogenstrahlung entweder auf die Unter-
suchung von Brennern ohne Lichtbogen bzw. WIG-Prozesse in
niedrigen Leistungsbereichen. Im Projekt soll das Verfahren für
die Anwendung an MSG-Schweißprozessen weiterentwickelt
werden.
Neben den Methoden der Strömungsvisualisierung wird mit Hil-
fe der Sauerstoffmessung unter Nutzung des Lambda-Sonden-
Verfahrens der Verunreinigungsgrad des Schutzgases gemessen.
2. Arbeitsbericht
2.1 Diagnostik
Zur experimentellen Strömungsanalyse und zur Validierung des
Simulationsmodells werden die Diagnoseverfahren PIV, Schlie-
rentechnik und Sauerstoffmessung verwendet und weiterent-
wickelt. Der Sauerstoffgehalt am Werkstück wird durch die
Anwendung des Lambda-Sonden-Verfahrens gemessen. Der
Aufbau und die Erprobung des Versuchsstandes wurden bereits
im ersten Projektjahr realisiert [Dre09]. Im vergangenen Bearbei-
tungszeitraum wurden verschiedene kommerzielle Brennersys-
teme vermessen. Die Qualität der Schutzgasabdeckung wurde
Projekt A3
Strömungstechnische Auslegung von Brenner-systemen zum wirtschaftlichen und emissions-reduzierten Lichtbogenschweißen
U. Füssel, M. Dreher, M. Schnick
Technische Universität Dresden, Institut für Oberflächen- und
Fertigungstechnik, Professur Fügetechnik und Montage
1. Einführung
Bei der Anwendung des MSG-Prozesses wird ein definierter, re-
produzierbarer Prozess angestrebt. Besonders beim Schweißen
von hochlegierten Stählen, Aluminium, Titan oder Mischverbin-
dungen ist hierzu eine gute Schutzgasabdeckung zu gewähr-
leisten. Turbulente und instationäre Strömungsmuster führen
jedoch zu einer Vermischung des Schutzgases mit Atmosphä-
rengasen. Die Folgen sind Schweißspritzer, Oxidniederschläge,
Schmauchspuren oder Poren, welche die Wirtschaftlichkeit des
Prozesses auf Grund der aufwändigen Nacharbeit einschränken.
Die bisherige Brennerentwicklung und Auslegung der Schutz-
gasführung beruht vor allem auf der Auswertung von Schweiß-
versuchen. Die Geometrie der Gasführung wird nach Erfahrung
verändert und die Auswirkung dieser Veränderung auf das
Schweißergebnis untersucht. Teilweise werden auch Methoden
der Strömungsanalyse an kalten Brennern angewendet, z. B.
die Schlierentechnik oder das Einbringen von Aerosolen. Hier-
durch können jedoch keine ausreichenden Erkenntnisse über die
Schutzgasströmung während des Schweißprozesses gewonnen
werden. Es fehlen folglich die Methoden und gesicherten Er-
kenntnisse wie den Anforderungen der Schweißprozesse an die
Schutzgasabdeckung entsprochen werden kann.
Ziel des Projektes ist es, neue Ansätze für die Untersuchung
von Brennersystemen zu entwickeln und Ergebnisse in Konst-
ruktionsprinzipien und Anwendungshinweise für eine effektive
Schutzgasabdeckung zu überführen. Die Entstehung von turbu-
lenten Strömungen durch die Brennergeometrie, deren Auswir-
kung auf die Schutzgasabdeckung am Werkstück und die Ent-
wicklung konstruktiver Lösungen stehen dabei im Mittelpunkt.
Gradierte Strömungsprofile und deren Vorteile für ausgewählte
Anwendungsfälle sollen untersucht werden.
Hierzu werden die neuen Möglichkeiten numerischer und expe-
rimenteller Strömungsanalyse angewendet. Durch die numeri-
sche Simulation ist es möglich komplexe physikalische Zusam-
menhänge örtlich und zeitlich hochaufgelöst zu beschreiben.
Gegenwärtige MSG-Simulationsmodelle beinhalten zwar den
Lichtbogen, das Schmelzbad oder den Tropfenübergang, setzen
dabei aber eine perfekte Schutzgasabdeckung von z.B. 100 %
G1
G2
G3
G4
G5
A1
A3
A4
dabei jeweils in Abhängigkeit der Schutzgasmenge und des Ab-
standes zwischen Kontaktrohr und Werkstück ohne Lichtbogen
bestimmt.
Weiterhin erfolgte die Anpassung
des Schlierenversuchstandes hin-
sichtlich der Untersuchung von
MSG-Prozessen. Durch geeigne-
te Kombinationen von Beleuch-
tungsquelle und Filtertechnik ist es
möglich die starke Strahlung des
MSG-Lichtbogens nahezu auszu-
blenden. Der Versuchsstand wurde
durch eine Verfahreinheit erweitert
um dem Werkstoffübergang des
MSG-Prozesses zu entsprechen. Es
wurden Untersuchungen an MSG
Kurz-, Impuls- und Sprühlichtbögen
durchgeführt (Abb. 1).
Für den Aufbau des PIV-Messsys-
tems wurde der prinzipielle Aufbau
von Zschetzsche [Zsc07], bestehend
aus 2 Kameras und 2 Lasersyste-
men, weiterentwickelt. Der Einsatz
einer Hochgeschwindigkeitskamera
und eines synchronisierten, gepuls-
ten Diodenlasers ermöglicht konti-
nuierliche Aufnahmen mit Vektor-
auswertung der Partikelbewegung
von bis zu 40.000 fps. Erste Aufnah-
men an MSG-Impulslichtbögen verdeutlichen die gute Eignung
des Verfahrens zur quantitativen, hochaufgelösten Bewertung
dynamischer Strömungsfelder. Um die Qualität der Messergeb-
nisse weiter zu erhöhen werden derzeit Untersuchungen bezüg-
lich der Optimierung der Lichtschnittoptik durchgeführt.
2.2 Numerische Simulation
In Fortführung der Arbeiten des ersten Bearbeitungsjahres wur-
de die Erprobung verschiedener Turbulenzmodelle sowohl am
6°-Modell als auch am 90°-Modell weiter vertieft und auf LES-
Turbulenzmodelle ausgeweitet. Die Untersuchungen bezüglich
der Eignung verschiedener Turbulenzmodelle konnten abge-
schlossen werden. Unter Berücksichtigung der inneren Brenner-
geometrie wurde die Schutzgasströ-
mung ohne Lichtbogen in Abhängigkeit
verschiedener Schutzgasmengen unter-
sucht. Während die Untersuchungen
der brennerinternen Strömung mit Hilfe
dreidimensionaler Modelle umgesetzt
wurden, erfolgt die Simulation des
Lichtbogeneinflusses an zweidimensio-
nalen Modellen. Dies bewirkt eine er-
hebliche Verminderung der Rechenzei-
ten. Neben dem Einfluss verschiedener
Stromstärken und der Implementierung
der Metallverdampfung wurden erste
Untersuchungen an Impulsprozessen
durchgeführt. Weiterhin wurde die
Qualität der Schutzgasabdeckung in
Abhängigkeit der Gastemperatur, der
Gasdüsentemperatur und der Gasdü-
senposition bewertet. Ebenso wurde
der Einfluss gradierter Strömungsprofile
auf die Schutzgasabdeckung analysiert.
3. Aktuelle Ergebnisse
3.1 Diagnostik
Durch Schlierenaufnahmen und Sauer-
stoffmessungen konnte nachgewiesen
werden, dass für Schweißbrenner eine
kritische Schutzgasmenge existiert, die bei Überschreitung zu einer
deutlichen Verschlechterung der Schutzgasabdeckung führt.
Diese optimale Schutzgasmenge ist von Brenner zu Brenner ver-
schieden. Brennersysteme, die auch bei hohen Schutzgasmen-
gen eine gute Qualität der Schutzgasabdeckung gewährleisten,
zeichnen sich durch große Strömungsquerschnitte aus. Dabei ist
in erster Linie nicht die Länge des Strömungsraumes entschei-
dend, sondern das Volumen. Nur bei ausreichenden Strömungs-
volumen kann eine hinreichend lange Laminarisierungszeit und
die ausreichende Dissipation von Wirbelstrukturen gewährleistet
werden. Besonders nachteilig zeigten sich nicht konzentrische
Abb. 1: MIG-Sprühlichtbogen an Aluminium (links), Metalldampf- und Spritzerbildung nach dem Zünden (mitte)
und Nachweis der Rauchgasabsaugung beim MAG-Sprühlichtbogenschweißen (rechts)
Abb. 2: PIV-Aufnahmen beim MAG-Impulsschweißen
52 53
Anordnungen von Düsenstock und Schutzgasdüse. Bei der Bren-
nerkonstruktion ist daher darauf zu achten, dass diese Konzen-
trizität auch nach mehreren Schweißzyklen noch gewährleistet
werden kann.
3.2 Numerische Simulation
Die Ergebnisse der numerischen Simulation betreffen zum einen
die Formulierung von Modellanforderungen zur Simulation der
Schutzgasabdeckung beim MSG-Schweißen und zum anderen
konkrete Hinweise für die Brennerkonstruktion sowie Anwen-
dungsempfehlungen. Die Anforderungen an das numerische
Modell unterscheiden sich dahingehend, ob die Schutzgasströ-
mung im Schweißbrenner oder die Wechselwirkung der Gasab-
deckung mit dem Prozess untersucht werden soll.
Die Schutzgasströmung im Schweißbrenner wird durch die
Brennergeometrie und die daraus resultierende Entstehung von
Wirbeln und Turbulenzen dominiert. Die Untersuchungen kön-
nen daher auf eine Kaltgasströmung ohne Lichtbogen reduziert
werden. Es ist jedoch notwendig die Strömungsgeometrie im
Brenner dreidimensional abzubilden (Abb. 3). Die Auswahl ge-
eigneter Turbulenzmodelle richtet sich in erster Linie nach dem
transienten Verhalten der Strömung und der dreidimensionalen
Abbildung des Strömungsraumes. Es kann grundlegend der Ein-
satz von LES basierten Turbulenzmodellen wie DES oder SAS-SST
empfohlen werden.
Zur Untersuchung der Beeinflussung der Schutzgasströmung
durch den Prozess ist es sinnvoll, die komplexe Brennergeometrie
auf ein zweidimensionales Modell zu reduzieren. Diese Vereinfa-
chung beinhaltet die Annahme einer gleichmäßigen Schutzgas-
strömung über den gesamten Brennerumfang. Die Rechenzeiten
können auf diese Weise sehr stark reduziert werden. Da die Wir-
kung des Lichtbogens nicht auf seine thermischen Eigenschaften
reduziert werden kann, muss ein komplexes MHD-Modell ver-
wendet werden. Die Implementierung der Metallverdampfung
[Sch10] an der Drahtspitze bewirkt nach derzeitigem Erkenntnis-
stand (10 l/min Argon, 200 A) keine signifikante Beeinflussung
der Schutzgasabdeckung am Werkstück. Es ist daher auf Grund-
lage der Rechenzeiten zu empfehlen, die Metallverdampfung
zur Beurteilung der Schutzgasabdeckung nicht in das Modell zu
integrieren. Auf Grund der zweidimensionalen Modellgeomet-
rie ist sowohl für stationäre als auch für transiente Prozesse die
Nutzung der RANS Turbulenzmodelle k-Epsilon, k-Omega oder
SST zu empfehlen. Weiterhin konnte nachgewiesen werden,
dass Diffusionsprozesse einen erheblichen Einfluss auf die Quali-
tät der Schutzgasabdeckung haben. Es ist dabei unbedingt not-
wendig, die Diffusion mit Hilfe temperaturabhängiger Werte zu
berücksichtigen.
Im Folgenden werden aus den bisherigen Modelluntersuchun-
gen die ersten Konstruktionshinweise und Anwendungsemp-
fehlungen abgeleitet. Wie bereits bekannt, ist die Verteilung des Schutzgases im oberen Brennerbereich von hoher Bedeutung
für die Schutzgasströmung [Dre09]. Bisherige Brennerkonzepte
realisieren die Anströmung des Gasverteilers im oberen Bren-
nerbereich mit Hilfe einzelner Nuten oder Bohrungen. Der Gas-
verteiler soll diese ungleichmäßige Strömung gleichmäßig über
den Umfang der Schutzgasdüse verteilen. Hierzu wird der Druck
innerhalb des Gasverteilers bewusst gegenüber dem Druck im
Außenbereich angehoben. Dies wird über die Bohrungen im
Verteiler realisiert. In Abhängigkeit von dieser Druckdifferenz
entstehen hohe Strömungsgeschwindigkeiten, welche zu Turbu-
lenzen und Wirbelfeldern führen, die durch den Brenner zum
Werkstück befördert werden und dort die Schutzgasabdeckung
beeinträchtigen. Auf Grundlage dieser Erkenntnisse wurden in
Zusammenarbeit mit den KMU Konstruktionsvarianten erarbei-
tet, die eine gleichmäßige und weitgehend laminare Schutzgas-
strömung gewährleisten sollen (Abb 4).
Da die Nutzung von Entspannungsnuten im Brennerinnenrohr
(Abb. 4, Variante 1) aus fertigungstechnischer Sicht problema-
tisch ist, wird in nachfolgenden Untersuchungen Variante 2
bevorzugt. Durch einen Sinterring wird das Schutzgas oberhalb
des Gasverteilers gleichmäßig über den Umfang des Brenners
verteilt. Damit wird der Gasverteiler seiner eigentlichen Aufga-
be enthoben, behält als Konstruktionselement aber weiterhin
seine Berechtigung, da er als Spritzerschutz und zum Teil als
notwendiges Isolationsmaterial fungiert. Die Bohrungen kön-
nen jedoch weitaus größer und in vermehrter Anzahl ausgelegt
werden, so dass lediglich eine geringe Beeinflussung der Schutz-
gasströmung zu erwarten ist. Vorangegangene numerische
Untersuchungen bezüglich der Bohrungsgröße im Gasverteiler
bestätigen die Vorteile großer Bohrungen im Hinblick auf die
Schutzgasströmung [Dre09].
Der prinzipielle Einfluss des Lichtbogens auf die Strömung und
die Schutzgasabdeckung wurde bereits in [Dre09] beschrieben.
Zusammenfassen können zwei wesentliche Einflüsse des Licht-
bogens herausgearbeitet werden. Zum einen ist die Beschleuni-
gung des Gases zur Lichtbogenachse auf Grund der hohen Lor-
entzkräfte zu nennen, zum anderen ist auf die Diffusionseffekte
in den langsam strömenden, heißen Randbereichen des Licht-
bogens hinzuweisen. Mit steigenden Stromstärken werden auch
diese Effekte intensiver, so dass die Verschlechterung der Schutz-
gasabdeckung mit höheren Gasmengen kompensiert werden
muss [Dre10]. Vorraussetzung für die Anwendung hoher Gas-
mengen ist jedoch ein Brennerkonzept, welches eine laminare
Strömung im unteren Brennerbereich gewährleistet.
Weiterhin wurde die Schutzgasabdeckung bei Impulsschweiß-
prozessen untersucht (Abb 5). Der Lichtbogen beschleunigt wäh-
rend der ansteigenden Pulsflanke das Gas zur Lichtbogenachse.
Kurz nach dem Strompuls werden Wirbelfelder nach außen
transportiert, die sowohl durch die Schlierentechnik als auch
durch PIV nachweisbar sind. Zusätzlich wird die Qualität der
Schutzgasabdeckung durch Diffusionsprozesse in der Grund-
stromphase reduziert (Abb. 5, Bild 6). Es wird deutlich, dass die
Schutzgasabdeckung keineswegs stationär und gleichmäßig ist,
G1
G2
G3
G4
G5
A1
A3
A4
Abb. 3: Vergleich von Messung und Simulation in Abhängigkeit von der Modellgeometrie (GV…Gasverteiler)
Abb. 4: Konstruktionsvarianten für die Gasverteilung im oberen Brennerbereich
54 55
sondern dass es sich um eine dynamische Strömung handelt, die
sehr von der Pulsform bestimmt wird. Diese Erkenntnisse führen
zu neuen Anforderungen bei der Entwicklung von Pulsregimen
und sollten bei der Anwendung des Impulsschweißens an sen-
siblen Werkstoffen beachtet werden.
Abb. 5: Simulation der Sauerstoffkonzentration und der Temperaturen
beim MSG-Impulsschweißen
Neben unterschiedlichen Stromstärken wurde der Einfluss von
Gastemperatur und Brennertemperatur auf die Schutzgasab-
deckung untersucht [Dre10]. Durch eine Erwärmung des Gases
verstärken sich Diffusionsprozesse erheblich. Zugleich vergrößert
sich das Volumen des Gases, was bei gleichem Massestrom zu hö-
heren Strömungsgeschwindigkeiten führt. Diese beiden Effekte
beeinflussen die Qualität der Schutzgasabdeckung in gegen-
läufiger Weise. Zusammenfassen kann festgestellt werden,
dass die Erwärmung des Schutzgases in den numerischen Un-
tersuchungen nicht zu einer signifikanten Beeinträchtigung der
Schutzgasabdeckung führt. Es ist aber zu beachten, dass bei der
Konstruktion gasgekühlter Systeme die hohen Strömungsge-
schwindigkeiten in Folge der temperaturbedingten Volumenex-
pansion nicht zu turbulenten Strömungsprofilen führen.
Ein weiterer Untersuchungsinhalt bestand in der Positionierung
der Schutzgasdüse. Die Ergebnisse der Simulation zeigen, dass
ein vergrößerter Abstand zwischen Schutzgasdüse und Werk-
stück zu einer Verschlechterung der Schutzgasabdeckung führt
(Abb. 6). Es ist demnach zu empfehlen, den Abstand zwischen
Gasdüse und Werkstück so gering wie möglich zu halten. Kann
dies auf Grund strahlungsintensiver Prozesse nicht gewährleistet
werden, ist ein vergrößerter Abstand mit höheren Schutzgas-
mengen zu kompensieren.
Abb. 6: Sauerstoffgehalt am Werkstück bei Nutzung verschiedener Gasdüsenposi-
tionen, unterschiedlicher Schutzgasmengen und Schweißstromstärken
Abb. 7: Sauerstoffgehalt am Werkstück bei Nutzung verschiedener Geschwindig-
keitsprofile, unterschiedlicher Schutzgasmengen und Schweißstromstärken
Abschließend wurden erste Untersuchungen zur Eignung von
gradierten Strömungsprofilen durchgeführt. Dabei wurden Ge-
schwindigkeitsmaxima zwischen Stromkontaktrohr und Schutz-
gasdüse definiert. In Abb. 7 wird deutlich, dass in jedem Fall
eine kontaktrohrnahe Strömung zu bevorzugen ist. Gerade bei
geringen Stromstärken und hohen Schutzgasmengen ergibt sich
durch diese Beeinflussung der Geschwindigkeitsverteilung die
Möglichkeit Schutzgas einzusparen.
4. Nächste Schritte
In den kommenden Monaten werden Sauerstoffmessungen
durchgeführt, die die Bewertung der Schutzgasabdeckung in
Abhängigkeit von der Geometrie des Gasverteilers ermöglichen.
Weiterhin wird die Auswirkung von Spritzeranhaftungen an der
Innenseite der Schutzgasdüse quantitativ beurteilt. Zur Realisie-
rung einer kontaktrohrnahen Strömung werden Konstruktions-
ansätze ausgearbeitet und numerisch erprobt. Diese Versuche
bilden die Grundlage für konkrete Brennerkonstruktionen, die
im weiteren Verlauf numerisch und mit Hilfe von Demonstrato-
ren experimentell erprobt werden.
Neben den Untersuchungen zur Brennerkonstruktion wer-
den weitere Abhängigkeiten von Prozessparametern und
Schutzgasabdeckung untersucht. Wie im Arbeitsplan vorge-
sehen erfolgt die simulationsgestützte Analyse der Vorschub-
geschwindigkeit, der Brennerstellung, der Stoßart und der
Schweißposition. Ziel ist es die Einflüsse der genannten Faktoren
auf die Schutzgasabdeckung zu bewerten und Hinweise für die
angepasste Brennerkonstruktion sowie Empfehlungen für die
Anwendung zu geben.
G1
G2
G3
G4
G5
A1
A3
A4
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Projekt A4
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Maschinenbau (IEM),Hochschule Lausitz
1. Einführung
Das Ziel des anwendungsbezogenen Forschungsvorhabens A4
ist die Weiterentwicklung des zeitgesteuerten Impulsprozesses
zu einem ereignisgesteuerten MSG-Prozess, bei dem jede einzel-
ne Prozessphase optimiert wird und so über ein zeitliches Mittel
ein stabiler Arbeitspunkt des Prozesses bereitge-stellt wird. Dies
soll durch die Detektion und Evaluierung von schweißtechnisch-
physikalischen Lichtbogen-
effekten, Prozessereignissen
und Prozessphasenzustän-
den erfolgen, welche die bei-
den Prozesshauptsegmente
„Grundphase“ und „Puls-
phase“ definieren und klassi-
fizieren. Auf der Basis dieser
Detektion soll eine entspre-
chende Regelung entwickelt
werden, welche nicht einem
starren Strom/Spannungs-
Zeitverhalten folgt, sondern
ereignisgesteuert, dynamisch
und modellgestützt arbeitet
und dadurch einen kurz-
schlussfreien, in seinen Qua-
litäten definierbaren Prozess
ermöglicht. Der Schwerpunkt
der Arbeiten zielte zunächst
auf die Detektion von rele-
vanten Prozessereignissen und Systemzuständen mittels interner
Sensorik, d.h. Erfassung und Auswertung des Strom- und Span-
nungsverlaufs, zur Beurteilung der aktuellen Prozesssituation.
Hierzu wurde unter Nutzung einer geeigneten Messsensorik im
ersten Antragszeitraum eine umfangreiche Datenbasis in Form
von synchronisierten Zeitreihen erstellt, die die Basis für eine
explorative Datenanalyse bilden. Neben der Aufzeichnung von
den das Systemverhalten charakterisierenden primären Prozess-
größen Schweißstrom und –spannung erfolgte die Erfassung
und Dokumentation des Massentransportes, d. h. der Tropfen-
bildung und Tropfenablösung, in Form von synchronisierten
Hochgeschwindigkeitsaufnahmen. Weiterhin wurden Module
zur Signalvorverarbeitung (Glättungsalgorithmen, Berechnung
der Ableitungen etc.) realisiert. Diese bilden die Basis für eine
differenzierte, auf eine Modellbildung hin ausgelegte Analyse.
Schließlich wurden Methoden zur automatisierten Bildbearbei-
tung von Hochgeschwindigkeitskameraaufnahmen entwickelt,
wodurch die Voraussetzungen für eine integrierte Bild- und Zeit-
reiheninformationsverarbeitung durch eine Zusammenführung
mit den elektrischen und optischen Informationen geschaffen
wurde.
2. Arbeitsbericht
In Abbildung 1 ist das angestrebte grundlegende Konzept zur
Entwicklung und Realisierung einer ereignisorientierten Rege-
lung von MSG-Impulsschweißprozessen dargestellt. Als globale
Zielvorgaben für die Regelung sind applikationsspezifische Grö-
ßen wie Abschmelzleistung und benötigter Energieumsatz vor-
gesehen. Als Störgrößen, die die Prozessstabilität beeinträchti-
gen sind im Wesentlichen
die Einflüsse, wie Be-
schichtung, Gravitation
und Abstandsänderun-
gen aufgeführt. Zwin-
gende Voraussetzung
für die Realisierung eines
derartigen Lösungsan-
satzes ist jedoch die De-
tektion von relevanten
Prozessereignissen und
Systemzuständen mittels
interner Sensorik, d.h.
Erfassung und Auswer-
tung des Strom- und
Spannungsverlaufs, zur
Beurteilung der aktuellen
Prozesssituation. Neben
der Bereitstellung von In-
formation über relevante
Prozessereignisse soll fer-
ner auf der Basis der internen Sensorik eine Stabilitätsanalyse
und bewertung für den jeweiligen Energie- und Massenumsatz
durchgeführt werden. Bei eventuell aufgrund der Störgrößen
auftretenden Instabilitäten soll der Impulsschweißprozess dann
mittels einer modellbasierten Adaption der Pulsparameter wie-
der in einen stabilen Zustand geführt werden. Die Entwicklung
und Realisierung einer derartigen Prozessregelung zielt auf ei-
nen verbesserten Impulsschweißprozess, der, trotz Störeinflüsse,
in jeder Prozessphase ein optimiertes Verhalten hinsichtlich der
Tropfenbildung und des Tropfenübergangs aufweist, sodass
für den Endanwender nach erfolgreichem Abschluss des For-
schungsprojektes ein technologisch, wirtschaftlich attraktives
MSG-Verfahren zur Verfügung steht.
3. Aktuelle Ergebnisse
Ein wichtiges Ergebnis der ersten Arbeiten zeigte, dass aus dem
Spannungsverlauf eine Detektion des Ereignisses „Tropfenüber-
gang“ aus den transienten primären elektrischen Prozessgrößen
möglich ist. Die hierzu durchgeführten Untersuchungen erfolg-
ten mit Hilfe typischer, industrierelevanter Schweißzusatzwerk-
stoffe. So wurde als Schweißzusatzdraht ein G4Si1 mit 1 mm
Durchmesser unter der Verwendung eines argonreichen Misch-
gases mit 18% CO2 und 82% Argon verschweißt. Diese Ereignis-
detektion liefert in Kombination mit der aktuellen elektrischen
Leistung maßgeblich Informationen über die Gleichmäßigkeit
und die Qualität des Massentransportes. Durch die Korrelation
der Daten und Hochgeschwindigkeitsaufnahmen konnte sowohl
bei der U/I als auch I/I-Modulation der Zeitpunkt der Tropfenab-
lösung im Spannungssignal als kurzzeitige Spannungserhöhung
eindeutig detektiert werden (Bild 2). Verantwortlich für die Sig-
naländerung bei der Tropfenablösung ist eine Widerstandserhö-
hung aufgrund der Änderung der Plasmazusammensetzung als
auch der geometrischen Veränderungen am Schweißdrahtende.
Abb. 2: Detektion Tropfenübergang bei I/I-Modulation
Aufbauend auf diesen Ergebnissen wurden im letzten Antrags-
zeitraum weitergehende Arbeiten zur Entwicklung eines Algo-
rithmus zur Detektion des Tropfenüberganges und zur Charak-
terisierung der Tropfeneigenschaften durchgeführt.
Zur Detektion des Zeitpunktes des Tropfenüberganges kommt
bei diesem Algorithmus eine spezielle Filtermethode zum Ein-
satz. Hierbei wird das Spannungssignal einer Tiefpassfilterung
mit Besselfiltern zwei verschiedener Frequenzen unterzogen.
Für die erste Filterung wurde eine Frequenz in der Größenord-
nung von einer Zehnerpotenz, und für die zweite Filterung in
der Größenordnung um zwei Zehnerpotenzen höher als die
Pulsfrequenz gewählt. Anschließend erfolgt eine mathematische
Kompensation der filterbedingten Phasenverschiebung für die
gefilterten Signalverläufe. Zum Abschluss wird die Differenz der
beiden Signalverläufe gebildet und in einem definierten Bereich
des Pulsverlaufs das Maximum, das der charakteristischen Span-
nungsänderung entspricht, ermittelt.
Abb. 3: Visualisierung der Funktion des Algorithmus zur Tropfendetektion
Der Algorithmus wurde dann entsprechend dieser Vorgehens-
weise in Form eines Programmscriptes realisiert und hinsicht-
lich der Funktion validiert. Zur Validierung wird die Position des
Tropfenüber-ganges algorithmisch ermittelt, im Spannungsver-
lauf markiert und die der Position zugehörige Hochgeschwindig-
keitsaufnahme dargestellt. Abbildung 3 zeigt die Visualisierung
zur Funktionsüberprüfung des Algorithmus. Der entwickelte
Algorithmus erzielte bei den untersuchten Spannungsverläufen
eine sehr gute Trefferquote.
Nachdem die Detektion des Ereignisses „Tropfenübergang“ mit
Hilfe einer algorithmischen Betrachtung des Spannungsverlaufs
hinreichend sicher gewährleistet ist, bietet sich nun die Möglich-
keit ein neues Zeitintervall zur Bestimmung der periodisch um-
gesetzten Energie zu definieren. Während sich der Zeitbereich
beim konventionell betrachteten Pulsverlauf von Pulsende bis
zum nächsten Pulsende erstreckt, definiert sich der durch die
Tropfenablösung ereignisbestimmte Zeitbereich von der jeweils
detektierten Tropfenablösung bis zur nächsten detektierten
Tropfenablösung.
In Abbildung 4 sind die beiden unterschiedlichen Betrachtungs-
zeiträume und die in diesen Zeiträumen umgesetzte elektrische
Energie dargestellt. Bei der konventionellen Betrachtungswei-
se, d h. von Pulsende zu Pulsende (links), weist die berechnete
elektrischen Energie nur minimale Abweichungen von Puls zu
Puls auf. Dagegen treten bei den durch die Tropfenablösungen
definierten Intervalle z. T. erhebliche Unterschiede in einer Grö-
G1
G2
G3
G4
G5
A1
A3
A4
Abb. 1: Lösungskonzept für die Entwicklung einer ereignisorientierten Regelung
58 59
ßenordnung von bis zu zehn Prozent in den für die jeweiligen
Zeiträume von Tropfenablösung zu Tropfenablösung bestimm-
ten Energien auf. Inwieweit sich diese Energiedifferenzen auf
die Tropfeneigenschaften auswirken, war Inhalt nachfolgender
Untersuchungen. Ferner wurde auch untersucht, wie sich aus
dem Strom-/Spannungsverlauf weitere Informationen hinsicht-
lich der Tropfeneigenschaften gewinnen lassen können, um
letztlich auf der Basis der detektierten Ereignisse eine Regelung
des Impulsschweißprozesses bezüglich der Energieeinbringung
und des Massentransportes zu realisieren.
Abb. 4: Energiebetrachtungen beim zeitbestimmten
und prozessbestimmten Pulsverlauf
In Untersuchungen der TU Delft wurde festgestellt, dass ein Zu-
sammenhang zwischen der Tropfengröße und der Schwingung
des Tropfens bei der Tropfenbildung am Drahtende besteht
[Yud06] [Yud08]. Bei den Untersuchungen wurde die Tropfen-
größe als auch die Tropfenschwingung mittels Hochgeschwin-
digkeitsaufnahmen bestimmt. Als typische Tropfenschwingungs-
frequenz wurde ein Frequenzbereich von 300-400 Hz ermittelt,
wobei mit der Vergrößerung des Tropfens eine Verringerung der
Tropfenschwingungsfrequenz beobachtet wurde. Außerdem
wurde vermutet, dass beim Impulsschweißprozess die Schwin-
gung des Tropfens mit einer beobachtbaren Schwingung des
Spannungsverlaufs in der Grundphase übereinstimmt. Auf Basis
diese Ergebnisse wurden im Projekt A4 weitergehende Untersu-
chungen zur Detektion der Tropfenschwingung mittels Auswer-
tung des Spannungssignals durchgeführt. Hierzu wurde aus den
Hochgeschwindigkeitsaufnahmen die Schwingung des Tropfens
am Drahtende während der Grundphase ermittelt.
Abb. 5: Ermittlung der Tropfenschwingung
aus den Hochgeschwindigkeitsaufnahmen
Abbildung 5 zeigt die Vorgehensweise zur Bestimmung der
Tropfenschwingung. Hierbei wurde als Maß für die Tropfen-
schwingung aus jeder Hochgeschwindigkeitsaufnahme die Län-
ge des freien Drahtendes (senkrechter grüner Balken) bestimmt
und anhand des bekannten Drahtdurchmessers (waagerechter
grüner Balken) skaliert. Aus den ermittelten freien Drahtlängen
wurde dann eine Zeitreihe generiert. Um hier eine hinreichend
genaue zeitliche Auflösung des Tropfenschwingungsverhaltens
zu erreichen, wurden die Hochgeschwindigkeitsaufnahmen mit
einer Bildrate von 20000 Bildern pro Sekunde durchgeführt.
Abb. 6: Korrelation der Tropfenschwingung (schwarze Kurve)
mit dem Signalverlauf der Spannung (rot Kurve))
Die obere Grafik in der Abbildung 6 zeigt die Korrelation der
Zeitreihe der Längenänderung des freien Drahtendes (schwarze
Kurve), mit dem Spannungssignalverlauf (rote Kurve). Hier ist zu
erkennen, dass die Zeitreihe der Länge des freien Drahtendes
über der Grundphase aufgrund des konstanten Drahtvorschu-
bes zunimmt und mit einer periodischen Schwingung, welche
aus der Tropfenbewegung resultiert, überlagert ist. Aufgrund
der in der Grundphase vorliegenden Konstantstromcharakte-
ristik fällt das Spannungssignal bedingt durch die Reduzierung
der Lichtbogenlänge zum Ende der Grundphase hin ab. In der
unteren Grafik ist zum Vergleich der Schwingungen des Tropfens
und der zyklischen Schwankungen des Spannungsverlaufs der
Bereich der Grundphase vergrößert dargestellt. Um die Über-
einstimmung der Tropfenschwingung mit der Schwingung im
Spannungssignalverlauf in der Grundphase zu verdeutlichen,
wurde die Zeitreihe der Längenänderung des Drahtendes auf
geeignete Art und Weise auf bearbeitet. Zunächst wurde der
in der konstanten Drahtförderung begründete Trend entfernt,
anschließend wurde das Signal invertiert, so dass nun eine Be-
wegung des Tropfens zum Werkstück hin einen fallenden Ver-
lauf ergibt und die rückführende Bewegung einen steigenden.
Unter der Annahme, dass in der Grundphase keine ausgeprägten
Schmelzbadschwingungen senkrecht zur Werkstückoberfläche
vorliegen, bewirkt die Tropfenbewegung die entscheidenden
Geometrieänderungen des Lichtbogens, welche sich bei der
vorliegenden Konstantstromcharakteristik im Spannungsverlauf
niederschlägt. Die untere Darstellung in Abbildung 6 zeigt somit
die Übereinstimmung der Tropfenschwingung mit dem Span-
nungssignalverlauf auf. Über einen geeigneten Algorithmus
könnte somit die Tropfenschwingung rein über die Schwingung
der Spannung in der Grundphase detektiert werden.
Ein weiterer Schwerpunkt der Arbeiten im letzten Antragszeit-
raum beschäftigte sich mit der Charakterisierung der Tropfenei-
genschaften. In ersten Untersuchungen wurde der Einfluss der
Energieeinbringung auf die Größe des Tropfens analysiert. Hier-
bei wurden bei unterschiedlichen Prozesseinstellungen synchron
zu den transienten Strom-/Spannungsdaten Hochgeschwindig-
keitsaufnahmen aufgenommen.
Abb. 7: Ermittlung der Tropfengröße aus den Hochgeschwindigkeitsaufnahmen
Aus den Hochgeschwindigkeitsaufnahmen wurde mittels Bild-
verarbeitung während der Flugbahn des Tropfens mehrfach die
Fläche als Maß für Größe des Tropfens bestimmt. Zwar haben
wir es bei Aufnahmen mit einer Hochgeschwindigkeitskamera
nur mit einer zweidimensionalen Projektion des Tropfens zu
tun, aber da der Tropfen während seiner Flugbahn rotiert und
laufend seine Form ändert, bildet der Mittelwert von mehreren
Flächenbestimmungen einen guten Näherungswert. Zusätzlich
ist auch die Bestimmung der Flugrichtung und Geschwindigkeit
des Tropfens möglich. In Abbildung 7 ist in der Hochgeschwin-
digkeitsaufnahme der Tropfen mit der ermittelten Kontur dar-
gestellt. Die Fläche des Tropfens wird durch die Anzahl der Bild-
punkte repräsentiert. Es ist aber auch durch eine Kalibrierung
eine Berechnung der projizierten Fläche (Tropfenprofil) möglich.
Durch eine statistische Auswertung der einzelnen Bilder der
Tropfenflugphase kann somit ein Ersatzradius bestimmt werden,
über den ein ungefähres Tropfenvolumen berechnet werden
kann.
Abb. 8: Tropfengröße bei zwei verschiedenen Prozesseinstellungen
Abbildung 8 dokumentiert die ermittelten Tropfengrößen für die
jeweiligen Pulsphasen bei zwei verschiedenen Prozesseinstellun-
gen. Die Grafik verdeutlicht, dass sich bei dem Prozess mit der
höheren Energieeinbringung tendenziell auch größere Tropfen
ergeben. Für eine exaktere Aussage muss für beide Prozesse
jedoch jeweils der Zeitpunkt des Tropfenüberganges bestimmt
und eine dementsprechende Tropfenintervallenergie berechnet
werden.
Weitergehende Untersuchungen zur Charakterisierung der Trop-
feneigenschaften wurden gemeinsam mit dem INP in Greifs-
wald durchgeführt. Ziel dieser Arbeiten ist die Bestimmung der
Größe und der Temperatur des Tropfens, in Abhängigkeit von
der eingebrachten Energie zwischen den detektierten Tropfen-
übergängen. Ferner wird anhand von Makroschliffen und Naht-
vermessungen die Nahtgeometrie und die Einbrandverhältnisse
analysiert.
Der dazu genutzte Messaufbau und ein Beispiel für die Mess-
ergebnisse sind in der Abbildung 9 dargestellt. Hierbei wird der
Schweißprozess mit zwei Hochgeschwindigkeitskameras aus
verschiedenen Positionen, zur Bestimmung der Tropfengröße,
aufgenommen. Ferner erfolgt die Erfassung der spektralen Emis-
sion mittels zweier Spektrometer, wobei eins in vertikaler und
das andere in waagerechter Richtung zum Lichtbogen ausgerich-
tet ist. Letztlich werden synchron die Strom-/Spannungsverläufe
G1
G2
G3
G4
G5
A1
A3
A4
60 61
gemessen. Bei dieser ersten Versuchsreihe wurden seitens der
Einstellparameter der Schweißstromquelle die Drahtvorschubge-
schwindigkeit sowie die Pulsfrequenz konstant gehalten und der
Grundstrom variiert, wodurch bei gleichem idealisiertem Mas-
sentransport unterschiedliche elektrische Leistungen umgesetzt
werden. Die genaue Bilanzierung dieser elektrischen Leistungen
gestaltet sich schwierig. Durch die Bestimmung der Lichtbogen-
länge und –form, der Temperatur des Tropfens, und damit seiner
ungefähren inneren Energie, und den Einbrandverhältnissen im
Werkstück können Tendenzen identifiziert werden, wie sich die
eingebrachte Energie in einem Tropfenintervall auf die Untersys-
teme Tropfen, Lichtbogen und Schmelzbad aufteilt. Die Auswer-
tung und Analyse der Messdaten werden zur Zeit durchgeführt.
4. Nächste Schritte
Zurzeit wird der analytisch entwickelte Algorithmus zur Detek-
tion des Tropfenüberganges in das LabView-Realtimesystem
implementiert und am realen Prozess getestet. Ein wichti-
ger Arbeitspunkt beschäftigt sich mit der Entwicklung eines
Algorithmus für die Detektion der Tropfenschwingung aus dem
Spannungssignal in der Grundphase, der die Echtzeitanforde-
rungen erfüllt. Weiterhin werden die Messdaten der Untersu-
chungen der Tropfeneigenschaften hinsichtlich der Korrelation
mit der Energiebilanz und Tropfenschwingung ausgewertet und
validiert. In diesem Bereich sind weitere Untersuchungen mit an-
deren Einstellparametern vorgesehen.
Abb. 9: Gemeinsamer Messaufbau und Messergebnisse der Untersuchungen am INP Greifswald
Literaturverzeichnis
[Yud06] Yudodibroto, B.Y.B.; M.J.M. Hermans; Y. Hirata; G. den
Ouden; I.M. Richardson, Pendant droplet oscillation during
GMAW, Science and Technology of Welding and Joining, 11, (3),
2006, 308-314
[Yud08] Yudodibroto, B.Y.B.; M.J.M. Hermans; G. den Ouden; I.M.
Richardson, Observations on droplet and arc behavior during
Pulsed GMAW, IIW doc.212-1125-08, 2008
G1
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