6 ob 154/19v - ris informationsangebote...2020/04/23 · diese vorgangsweise habe ein...
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6 Ob 154/19v
Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht
durch den Senatspräsidenten Dr. Schramm als Vorsitzenden
und die Hofräte Dr. Gitschthaler, Univ.-Prof. Dr. Kodek,
Dr. Nowotny sowie die Hofrätin Dr. Faber als weitere Richter
in der Rechtssache der klagenden Partei Mag. Clemens
Richter als Masseverwalter im Konkurs der A***** Holding
GmbH, *****, vertreten durch Dr. Engelhart & Partner
Rechtsanwälte OG in Wien, gegen die beklagten Parteien
1. Mag. C*****, vertreten durch Rohregger Scheibner
Bachmann Rechtsanwälte GmbH in Wien , 2. F***** S.A.,
*****, vertreten durch Diwok Hermann Petsche
Rechstanwälte LLP & Co KG in Wien, wegen
50.000.000 EUR sA gegen die erstbeklagte Partei und
186.230.000 EUR sA gegen die zweitbeklagte Partei, über den
Rekurs der zweitbeklagten Partei gegen den Beschluss des
Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom
29. März 2019, GZ 5 R 160/18p-193, mit dem das Urteil des
Handelsgerichts Wien vom 31. Juli 2018,
GZ 143 Cg 1/16d-178, in Ansehung der zweitbeklagten Partei
aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
B e s c h l u s s
gefasst:
2 6 Ob 154/19v
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere
Verfahrenskosten.
B e g r ü n d u n g :
Die A***** Bau GmbH (künftig: A***** Bau)
war eines der größten österreichischen Bauunternehmen mit
weltweiten Bauvorhaben. Die Zweitbeklagte ist Teil des
börsennotierten spanischen F*****-Konzerns. Bei ihr sind die
Beteiligungen des Konzerns an zahlreichen Bauunternehmen
gebündelt. Sie steht zu praktisch 100 % im Eigentum der
börsennotierten Fo***** S.A. (künftig: F*****-Holding).
Im Juni 2006 erwarb die Zweitbeklagte rund 79 %
der Anteile an der A***** Holding GmbH (Schuldnerin,
künftig: A***** Holding). Die restliche Beteiligung von
knapp 21 % verblieb vorerst bei deren langjährigen
Geschäftsführer Ing. D***** A***** (künftig: A*****). Im
Jahr 2009 übernahm die Zweitbeklagte weitere 3,73 % und im
Jahr 2011 zusätzliche 3,5 % der Geschäftsanteile von A*****.
Im Februar 2012 erwarb sie schließlich die gesamte
verbliebene Beteiligung von A***** und hielt ab diesem
Zeitpunkt 100 % der Anteile an der A***** Holding.
Die A***** Holding war mit 94 % an der H*****
GmbH (künftig: H*****) beteiligt; die restliche Beteiligung
(6 %) hielt die Zweitbeklagte direkt. Die H ***** hielt
ihrerseits 81,544 % der Anteile der A***** Bau. Anteile in
Höhe von 17,632 % hielt die Zweitbeklagte direkt. Die
restlichen 0,824 % hielt die S***** S.A., eine
Konzerngesellschaft der F*****-Gruppe. Die operative
Tätigkeit des Baukonzerns der A***** lag bei der A*****
Bau.
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Im Zeitraum von 2010 bis 2012 begab die
A***** Holding drei Publikumsanleihen über insgesamt
290 Mio EUR:
1. 5,25 % A*****-Anleihe 10-15: Nominale
100 Mio EUR, Valutatag: 1. 7. 2010.
2. 5,25 % A*****-Anleihe 11-16: Nominale
90 Mio EUR, Valutatag: 10. 6. 2011.
3. 6 % A*****-Anleihe 12-17: Nominale
100 Mio EUR, Valutatag: 22. 5. 2012.
Im Anschluss an jede dieser Anleihebegebungen
schloss die A***** Holding als Kreditgeberin mit der A*****
Bau als Kreditnehmerin einen Gesellschafterkreditvertrag ab:
1. Darlehen vom 1. 7. 2010 über
99.290.000 EUR, Verzinsung 5,45 % pA, Laufzeit 5 Jahre;
2. Darlehen vom 10. 6. 2011 über
89.580.000 EUR, Verzinsung 5,45 % pA, Laufzeit 5 Jahre;
3. Darlehen vom 22. 5. 2012 über
96.650.000 EUR, Verzinsung 6,35 % pA, Laufzeit 5 Jahre.
Am 19. 6. 2013 wurde über das Vermögen der
A***** Bau das Insolvenzverfahren eröffnet (AZ ***** des
Handelsgerichts Wiens). Am 2. 7. 2013 wurde auch über das
Vermögen der A***** Holding das Insolvenzverfahren
eröffnet (AZ ***** des Handelsgerichtes Wien).
Im Insolvenzverfahren der A***** Bau bestritt
der dort bestellte Insolvenzverwalter die von der A *****
Holding angemeldeten Darlehensforderungen von
89.580.000 EUR (Darlehen vom 10. 6. 2011) und
96.650.000 EUR (Darlehen vom 22. 5. 2012) unter Hinweis
auf deren Eigenkapitalersatzcharakter im Sinn des § 2 EKEG.
Der Kläger begehrt von der Zweitbeklagten die
Zahlung von 186.230.000 EUR, das entspricht der Summe der
in den Jahren 2011 und 2012 der A***** Bau ausgezahlten
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Darlehen, gestützt auf § 9 Abs 1 Satz 2 EKEG und § 83
GmbHG.
Er bringt vor, die Jahresabschlüsse 2009 bis 2011
seien unrichtig und die A***** Bau spätestens seit
Herbst 2010 materiell insolvent gewesen. Die von der A*****
Holding der A***** BAU gewährten Darlehen der Jahre 2011
und 2012 hätten daher Eigenkapital ersetzenden Charakter.
Die finanziellen Schwierigkeiten des A*****
Konzerns reichten bis ins Jahr 2008 zurück, als der
Abschlussprüfer gezwungen gewesen sei, seine Redepflicht
auszuüben, weil die URG-Kennziffern erreicht worden seien
und die Voraussetzungen eines Reorganisationsverfahrens
bestanden hätten.
Die erforderliche Liquidität für den weiteren
Fortbestand sollte durch die Emission von Anleihen
sichergestellt werden, weil die Zweitbeklagte zur
Finanzierung nicht bereit gewesen sei. Die schlechten
Bilanzkennzahlen hätten jedoch dazu geführt, dass die bereits
für das Jahr 2009 geplante Anleihebegebung habe gestoppt
werden müssen. Im Rahmen des Konzernabschlusses 2010
habe die Abschlussprüferin noch wenige Tage vor Erteilung
des Bestätigungsvermerkes darauf beharrt, ihre Redepflicht
wegen Bestandsgefährdung gemäß § 273 Abs 2 UGB
auszuüben. Sie habe davon nur aufgrund von offenbar
erfolgten Interventionen Abstand genommen. Bereits damals
sei eine Überschuldung vorgelegen.
Die aus großen Auslandsprojekten (Major
Projects) resultierenden dramatischen Verluste seien in den
Jahresabschlüssen der A***** Bau und der A***** Holding
nicht ausgewiesen worden. Vielmehr seien in den Bilanzen für
die Geschäftsjahre 2009 bis 2011 aus diesen Großprojekten
Gewinne und werthaltige offene Forderungen ausgewiesen
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worden, obwohl die Forderungen seit Jahren bestritten
gewesen seien und im Wert hätten berichtigt werden müssen.
Dadurch sei im Zeitraum 2009 bis 2012 ein Bilanzbild
entstanden, dass den wahren wirtschaftlichen Gegebenheiten
dramatisch widersprochen hätte. Durch die
Nichteinbringlichmachung der strittigen Forderungen habe der
A***** Bau die Liquidität gefehlt, um den Geschäftsbetrieb
aufrecht zu erhalten. Die gebotenen Wertberichtigungen
hätten jedoch einen Verstoß gegen die Bedingungen der in den
Jahren 2009 bis 2012 auf Basis des
Unternehmensliquiditätsstärkungsgesetzes (ULSG) gewährten
Großkredite bedeutet und deren Fälligstellung bewirkt, sodass
jede weitere Finanzierung ausgeschlossen gewesen wäre.
Um zu vermeiden, dass in den Bilanzen eine
Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit aufscheine, seien
unter aktiver Mitwirkung der Zweitbeklagten
Bilanzverschönerungsmaßnahmen („Window-Dressing“)
betrieben worden. So habe etwa die Zweitbeklagte
Forderungen erworben („F*****-Factoring“). Dabei habe es
sich aber um bloße Scheingeschäfte gehandelt.
Weder die Zweitbeklagte noch eine andere
Gesellschaft des F*****-Konzerns habe im Zeitraum 2010 bis
zur Begebung der letzten Anleihe irgendwelche Zuschüsse an
die A***** Holding oder die A***** Bau geleistet. Es seien
weder Patronatserklärungen noch sonstige verbindliche
Finanzierungszusagen abgegeben worden.
Die Begebung der Anleihen habe ausschließlich
zur Finanzierung der exorbitanten Verluste der A ***** Bau
gedient. Diese Vorgangsweise habe ein existenzgefährdendes
Risiko dargestellt. Es sei absehbar gewesen, dass die A*****
Holding aufgrund der Weiterleitung der Anleiherlöse an die
insolvente A***** Bau ihren Zahlungsverpflichtungen
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gegenüber den Anleihegläubigern nicht aus eigener Kraft
werde nachkommen können.
Die A***** Holding sei im Rahmen der
Anleihebegebung ein gänzlich von der Zweitbeklagten
abhängiges Vehikel ohne eigene Entscheidungsberechtigung
gewesen. Die Darlehensgewährungen seien durch einen von
der Zweitbeklagten gesteuerten massiven Befugnismissbrauch
der Organe der A***** Holding zustande gekommen, die
kollusiv mit der A***** Bau zusammengewirkt hätten.
Die A***** Holding habe selbst keine
Mitarbeiter beschäftigt. Alleiniger Unternehmenszweck sei
die Geldbeschaffung im Konzern durch die Begebung von
Anleihen und die Übernahme von Haftungen gewesen.
Darüber hinaus sei keine unternehmerische Tätigkeit ausgeübt
worden. Die wesentlichen Holding-Funktionen seien sämtlich
von der A***** Bau ausgeübt worden.
Die Geschäftsführungen der A***** Bau und der
A***** Holding seien entscheidend durch die Zweitbeklagte
dominiert worden. Für Schlüsselpositionen seien Vertreter des
F*****-Konzerns bestellt worden, die alle wesentlichen
Entscheidungen mit der F***** hätten abstimmen müssen.
Auch die Aufsichtsräte der A***** Holding und der A*****
Bau seien überwiegend mit Repräsentanten der
Zweitbeklagten besetzt gewesen. Die Schlüsselpersonen seien
unter anderem E***** S***** (künftig: S*****), A*****
T***** (künftig: T*****) und A***** M***** (künftig:
M*****) gewesen. S***** sei die wichtigste
Vertrauensperson der Zweitbeklagten innerhalb des A *****-
Konzerns und als CFO des A*****-Konzerns umfassend über
die wirtschaftliche Situation informiert gewesen. Er sei als
Dienstnehmer der Zweitbeklagten dieser gegenüber
weisungsunterworfen gewesen. T***** sei „Subdirector
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General“ der F***** und für die A***** zuständig gewesen;
in den Aufsichtsratssitzungen habe im Wesentlichen nicht der
Geschäftsführer, sondern T***** über den Geschäftsverlauf,
Aktionspläne zur Verbesserung der Ergebnissituation,
Verschuldung und Sonderprüfungen berichtet. M ***** habe
die Darlehensverträge mitgestaltet und sei in alle rechtlichen
Belange eingebunden gewesen. Der für Finanzen zuständige
Geschäftsführer der A***** Bau, Mag. M*****, habe direkte
Anweisungen von T***** und vom CFO des gesamten
F*****-Konzerns, V*****, erhalten. Er sei für die
Konzernfinanzierung und das Liquiditätsmangement der
gesamten A*****-Gruppe zuständig gewesen und habe auch
die vermeintlich der A***** Holding obliegenden Agenden
ausgeübt.
Der letzte Darlehensvertrag sei auf Seiten der
A***** Holding und der A***** Bau von S*****
abgeschlossen worden. Die Entscheidung für die
Darlehensgewährung in der gewählten Form sei zunächst von
der A***** Bau gemeinsam mit der F***** konzipiert und
durch F*****-interne Gremien beschlossen worden; der
Aufsichtsrat der A***** Holding habe diese Entscheidung
bloß „durchgewunken“. Letztlich seien die Darlehensverträge
auf unmittelbare Anweisung der Zweitbeklagten geschlossen
wurden, weil S***** alle wichtigen Entscheidungen zuvor mit
der Zweitbeklagten habe abstimmen müssen.
Die Gesellschafter der A***** Bau hätten bereits
im Dezember 2010 Richtlinien für die Geschäftsführer der
A***** Bau erlassen, wonach diese sämtliche über das kleine
Alltagsgeschäft hinausgehenden Rechtsgeschäfte nur nach
Genehmigung durch die Gesellschafter der A***** Holding
hätten durchführen dürfen. Ein gleichlautender Beschluss sei
auch auf Ebene der A***** Holding gefasst worden. Dies
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habe bedeutet, dass sowohl die Begebung der Anleihen durch
die A***** Holding als auch die Darlehensvergabe an die
A***** Bau nur nach Genehmigung durch die Zweitbeklagte
erfolgen durfte. Die Richtlinien seien von der Zweitbeklagten
vorgegeben worden.
Die Willensbildung auf Ebene der A*****
Holding habe nur noch Formalcharakter gehabt. Der
Geschäftsführung der A***** Bau und der A***** Holding
seien das Managementmeeting, das Investmentkomitee und als
oberstes Organ der F*****-Prüfungsausschuss vorgelagert
und übergeordnet gewesen. Sämtliche wesentlichen
Entscheidungen (Anleihen, Darlehensvergabe, „Window-
Dressing“-Maßnahmen) seien vom Managementmeeting und
dem F*****-Prüfungsausschuss angeordnet worden.
Die Einflussnahme der Zweitbeklagten ergebe
sich darüber hinaus aus einem mit A***** abgeschlossenen,
noch im Jahr 2012 verlängerten Konsulentenvertrag, mit dem
A***** ein Weisungsrecht gegenüber der Geschäftsführung
der A***** Bau eingeräumt worden sei. A***** habe in
Abstimmung mit und im Auftrag der Zweitbeklagten
gehandelt, sodass sich ein direkter Weisungsstrang zu dieser
ergebe. Dadurch habe letztlich ein „Organtausch“ auf Ebene
der A***** Holding stattgefunden. Aus dem Gesamtkonzept
der Finanzierungen und der Entscheidungsstruktur folge, dass
die auf Ebene der A***** Bau getroffene Entscheidung, sich
die erforderliche Liquidität über die A***** Holding zu
beschaffen, auf einem abgestimmten Verhalten von A *****
und der Zweitbeklagten beruht habe. Aufgrund des
Konsulentenvertrags müsse sich die Zweitbeklagte das
Verhalten A***** zurechnen lassen. Im Ergebnis sei die
Geschäftsführung der A***** Holding ersetzt und auf die
Zweitbeklagte übertragen worden.
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Die der A***** Bau eingeräumten Darlehen
hielten einem Fremdvergleich nicht stand. Kein
außenstehender Dritter hätte diese Darlehen mit einer derart
geringen Verzinsung (Aufschlag von lediglich 0,2 bzw. 0,35 %
gegenüber den eigenen Anleihefinanzierungskosten) gewährt,
ohne eine entsprechende Sicherheitsleistung, etwa eine
Patronatserklärung, zu verlangen. Mit einer Bedienung der
Kreditverbindlichkeiten durch die A***** Bau habe aufgrund
ihrer wirtschaftlichen Situation nicht mehr gerechnet werden
können. Den durch die Anleihebegungen eingegangenen
Verbindlichkeiten stünden bloß die wertlosen Beteiligungs -
ansätze sowie die uneinbringlichen Darlehensforderungen
gegenüber.
Sämtliche Vorgänge seien in ihrer Gesamtheit zu
betrachten und beruhten auf einem Gesamtplan der für die
Finanzierung verantwortlichen F*****, die das Risiko der
Nachrangigkeit der Darlehensrückforderungen auf die A *****
Holding überwälzt habe.
Rechtlich stehe der A***** Holding aufgrund der
Kreditvergabe in der Krise auf Weisung der Zweitbeklagten
ein Erstattungsanspruch nach § 9 EKEG zu. Dieser sei
unabhängig von der mittelbaren Beteiligung der A*****
Holding an der A***** Bau, die zum Zeitpunkt der
Gewährung der Darlehen wertlos gewesen sei. Der
Beteiligungsansatz habe sich durch die Darlehensvergaben an
die insolvente A***** Bau auch nicht erhöht. Sowohl die
A***** Holding als auch die A***** Bau seien bereits in den
Jahren 2011 und 2012 wirtschaftlich betrachtet im
Alleineigentum der Zweitbeklagten gestanden. Die
Kreditvergaben seien daher ausschließlich aus deren
Weisungen heraus zu erklären.
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Die Weisung ergebe sich bereits daraus, dass in
den Jahren 2011 und 2012 bei der A***** Bau und der
A***** Holding nichts Wesentliches habe geschehen können,
ohne die Maßnahmen zuvor von der F***** „absegnen“ zu
lassen. Sie sei prima facie anzunehmen, weil die
gegenständlichen Kredite mangels Kreditwürdigkeit der
A***** Bau einem Fremdvergleich nicht standhielten, sodass
es der Lebenserfahrung entspreche, dass sie nur auf Weisung
vergeben worden seien. Ein eigenes wirtschaftliches Interesse
der A***** Holding an der Kreditvergabe scheide aus, weil
der Wert ihrer Beteiligung an der – infolge der materiellen
Insolvenz der A***** Bau bereits wertlosen – H***** durch
die Kreditvergabe nicht erhöht worden sei. Demgegenüber
habe die F***** aufgrund ihrer Beteiligung an der A*****
Bau ein massives wirtschaftliches Eigeninteresse an der
Kreditgewährung und dem Fortbestand der A ***** Bau
gehabt.
Darüber hinaus sei die A***** Holding durch die
Anleihebegebung sowie die anschließende Darlehensvergabe
an die A***** Bau ein existenzbedrohendes Risiko
eingegangen. Die Darlehen seien daher auch als unzulässige
Einlagenrückgewähr – jene im Jahr 2012 auch unabhängig von
einer Veranlassung durch die Zweitbeklagte – im Sinn des
§ 82 GmbHG zu werten, sodass der A***** Holding im Fall
der Verneinung der Anwendbarkeit des § 9 EKEG bzw von
dessen Tatbestandsvoraussetzungen ein
Rückerstattungsanspruch nach § 83 GmbHG zustehe.
Die Beklagten bestritten das Klagebegehren und
beantragten die Klageabweisung.
Die Zweitbeklagte brachte vor, die A***** Bau
und die A***** Holding seien zum 31. 12. 2010 und zum
31. 12. 2011 weder überschuldet noch zahlungsunfähig
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gewesen. Sämtliche Abschlüsse seien korrekt mit einem
uneingeschränkten Bestätigungsvermerk versehen worden.
Während des Geschäftsjahres habe es lediglich aufgrund der
Saisonalität der Bauwirtschaft starke
Liquiditätsschwankungen gegeben. Eine Krise im Sinn des
EKEG sei nicht vorgelegen.
Die sogenannten „Window-Dressing“-Maßnahmen
seien zulässig gewesen. Das „F*****-Factoring“ habe keinen
Einfluss auf die Eigenmittelquote oder die Nettoverschuldung
der A***** Bau gehabt, weil diese nicht Vertragspartnerin
des Forderungsverkaufs gewesen sei. Ein Scheingeschäft sei
nicht vorgelegen.
Überdies hätten die Zweitbeklagte und ihre
Muttergesellschaft sowie deren Tochtergesellschaft seit der
zweiten Jahreshälfte 2008 bis einschließlich Juni 2013
insgesamt 268 Mio EUR an die A***** Bau und einige ihrer
Tochtergesellschaften geleistet und auf sämtliche
Rückzahlungsansprüche verzichtet. Diese Leistungen seien
der A***** Holding aufgrund ihrer mittelbaren, rund 77 %-
igen Beteiligung an der A***** Bau im Umfang von
205,42 Mio EUR zugute gekommen.
Die Zweitbeklagte habe auch keine Weisung im
Sinn des § 9 EKEG erteilt. Die Geschäftsführung der A*****
Bau sowie der A***** Holding sei von jener der
Zweitbeklagten völlig getrennt gewesen. Die Zweitbeklagte
habe keinen über die übliche Ausübung von
Gesellschafterrechten hinausgehenden Einfluss auf die
Geschäftsführung genommen. Sie sei vielmehr damit
konfrontiert gewesen, dass A***** bis Februar 2012 als
Mitgesellschafter und bis Juli 2012 als
Aufsichtsratsvorsitzender der A***** Holding eine zentrale
Machtposition eingenommen und bis zu seinem Ausscheiden
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faktisch die Geschäftsführung der A***** Gruppe innegehabt
habe. Weder S***** noch T***** oder M***** seien
Vertreter der Zweitbeklagten (ausgenommen in Einzelfällen)
gewesen.
Die Initiative zur Begebung der Anleihen und zur
Kreditvergabe sei von Vertretern der A***** Gruppe und
nicht von der Zweitbeklagten gekommen. Das Ergebnis der
Gespräche zwischen dem für die Finanzierung zuständigen
Geschäftsführer der A***** Bau, Mag. M*****, und
österreichischen Banken im Jahr 2009 sei gewesen, dass die
A***** Holding als Konzernmutter die Anleihen begebe und
der Emissionserlös im Weg eines Gesellschafterkredits an die
A***** Bau weiter gereicht werden sollte. Bei den
Anleihebegebungen in den Jahren 2010, 2011 und 2012 sei die
Strukturfrage nicht neu erörtert worden. Die Zweitbeklagte
sei weder in die Strukturfrage noch in den Abschluss der
Kreditverträge eingebunden gewesen.
Ein direkter Weisungsstrang zwischen der
Zweitbeklagten und A***** habe nicht bestanden. Ein
Konsulentenvertrag mit einer darin enthaltenen Weisungs -
befugnis der Zweitbeklagten sei nicht abgeschlossen worden;
darin wäre auch kein Weisungsrecht A***** vorgesehen
gewesen. A***** sei überdies selbst bei Unterstellung der
Wirksamkeit des behaupteten Konsulentenvertrags kein
vertretungsbefugtes Organ der Zweitbeklagten gewesen.
Das Bestehen eines Genehmigungsvorbehaltes in
den Richtlinien für die Geschäftsführungen der A***** Bau
und der A***** Holding begründe noch keine Weisung im
Sinn des § 9 EKEG. Eine allfällige Weisung wäre überdies
– wenn überhaupt – nur der F*****-Holding, nicht der
Zweitbeklagten zurechenbar. Die Zweitbeklagte habe die
Anleihebegebungen auch nicht genehmigt.
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Mangels Vorliegens einer Krise sowie einer
Weisung der Zweitbeklagten scheide ein Erstattungsanspruch
nach § 9 EKEG aus. Überdies stelle der Erstattungsanspruch
nach § 9 EKEG lediglich eine Abwandlung der Rechtsfolgen
einer verbotenen Einlagenrückgewähr gemäß § 82 GmbHG
dar, setze also das Vorliegen einer solchen voraus und komme
folglich auf – grundsätzlich unbedenkliche – Kreditvergaben
in vertikaler Ebene down-stream nicht zur Anwendung. Die
Zahlungen der Zweitbeklagten an die A***** Bau seien
überdies als angemessene Gegenleistung für die
Kreditgewährungen zu sehen, auch wenn sie erst nach der
Kreditgewährung zugewendet worden seien.
Das Erstgericht wies die Klage gegen beide
Beklagten ab.
Es stellte über den eingangs wiedergegebenen
Sachverhalt hinaus unter anderem fest:
S***** war seit 29. 4. 2010 Geschäftsführer der
A***** Bau. Gleichzeitig war er seit 19. 1. 2012 auch
Geschäftsführer der A***** Holding. Er war auch
Finanzvorstand (CFO) des A***** Konzerns. Er wurde in all
diesen Funktionen von der Zweitbeklagten bestellt und war
auch deren Arbeitnehmer.
T***** war einer der Direktoren der
Zweitbeklagten und von 31. 1. 2007 bis Oktober 2012
stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender, von 4 .10. 2012
bis 7. 6. 2013 Geschäftsführer der A***** Holding. Seit 2007
war er überdies Aufsichtsratsvorsitzender der A***** Bau
sowie Aufsichtsratsvorsitzender der H*****.
M***** war seit Juli 2010 Leiterin der
Rechtsabteilung der A***** Holding, stand jedoch ebenfalls
in einem Arbeitsverhältnis zur Zweitbeklagten. Sie war
insbesondere für die Administration von Sitzungen und
14 6 Ob 154/19v
Meetings der Vertreter der Zweitbeklagten und der A*****
zuständig.
Rechtlich begründete das Erstgericht die
Klageabweisung gegenüber der Zweitbeklagten zusammen -
gefasst damit, dass es an einer Weisung im Sinn des § 9
EKEG fehle und diese Bestimmung im vorliegenden Fall einer
downstream-Kreditvergabe auch gar nicht zur Anwendung
komme. Ein Rückersatzanspruch nach § 83 GmbHG bestehe
nicht, weil es in Fällen der downstream-Kreditgewährung zu
keiner verpönten Leistung an die Muttergesellschaft komme,
auch nicht im Umfang der von der Mutter selbst gehaltenen
Minderheitsbeteiligung. Es liege daher im vorliegenden Fall
kein Verstoß gegen das Verbot der Einlagenrückgewähr vor.
Das Berufungsgericht bestätigte die
Klageabweisung gegen den Erstbeklagten. Hinsichtlich der
Zweitbeklagten hob es das Urteil des Erstgerichts auf und ließ
den Rekurs an den Obersten Gerichtshof zu.
Rechtlich führte es – betreffend die
Zweitbeklagte – aus, § 9 Abs 1 Satz 2 EKEG regle in seinem
unmittelbaren Anwendungsbereich die Kreditgewährung
zwischen nicht aneinander beteiligten
Schwestergesellschaften. Im vorliegenden Fall sei die A*****
Holding aber an der Kreditnehmerin mehrheitlich (mittelbar)
beteiligt und bereits deshalb erfasster Gesellschafter nach
§§ 5, 8 EKEG, sodass es zum Schutz der Gläubiger der
Kreditnehmerin nicht des § 9 EKEG bedürfe. Es sei aber die
analoge Heranziehung des Erstattungsanspruchs außerhalb des
unmittelbaren Anwendungsbereichs des § 9 Abs 1 Satz 2
EKEG zu prüfen.
Nach Darstellung des Meinungsstands in der
Literatur folgerte das Berufungsgericht, dass der
Erstattungsanspruch nach § 9 Abs 1 Satz 2 EKEG davon
15 6 Ob 154/19v
unabhängig sei, ob der Vorgang im Verhältnis zur
weisungsgebenden Muttergesellschaft gegen § 82 GmbHG
verstoße. Ein derartiger Verstoß müsse bei der Finanzierung
durch Schwestergesellschaften in der Krise auch nicht stets
vorliegen, etwa wenn der Kredit marktüblich verzinst und
angemessen besichert sei, eine betriebliche Rechtfertigung
vorliege und der Kredit nicht existenzgefährdend sei. Dem
Gesetz sei nicht zu entnehmen, dass der Erstattungsanspruch
nicht zustehe, wenn keine verbotene Einlagenrückgewähr
vorliege. Der Entfall des noch im Ministerialentwurf
enthaltenen Hinweises auf § 83 GmbHG deute vielmehr
darauf hin, dass auch derartige Fälle erfasst sein sollten.
Darüber hinaus setze Eintritt in die Rechtsposition des
Kreditgebers einen wirksamen Kreditvertrag voraus.
Der Erstattungsanspruch ziele vielmehr darauf
ab, die Last des Eigenkapitalersatzrechts der
weisungsgebenden Konzernspitze aufzubürden, weil diese im
Rahmen ihrer Finanzierungsverantwortung offenbar eine
Kreditvergabe an eine ihrer Tochtergesellschaften für
notwendig erachte. Das trete durch die Weisung zutage. Der
Kredit gewährenden Tochter werde während der Krise der
Anspruch auf Kreditrückzahlung genommen, sie erhalte aber
einen sofort fälligen Ausgleichsanspruch gegen die
weisungsgebende Muttergesellschaft. Tragender Gedanke
dieses Erstattungsanspruchs sei die gesetzgeberische Wertung,
dass die kreditgebende Gesellschaft von der ihr durch den
gemeinsamen Gesellschafter aufgebürdeten Last des mit
einem erheblichen Einbringungsrisiko verbundenen, der
Rückzahlungssperre des § 14 EKEG unterliegenden Kredits
befreit werden solle. Die erteilte Weisung rechtfertige es,
diese Last der Weisungsgeberin aufzubürden. Damit werde im
Ergebnis jene Situation geschaffen, die bei direkter
16 6 Ob 154/19v
Kreditvergabe durch die weisungsgebende Gesellschaft
vorliege. Damit scheide die Einordnung des
Erstattungsanspruchs als bloßer Anwendungsfall bzw
Kanalisierung des § 83 GmbHG aus.
Ausgehend von diesen Erwägungen sei eine
analoge Anwendung des Erstattungsanspruchs bei Vorliegen
der übrigen Voraussetzungen des § 9 EKEG auf eine
downstream-Kreditvergabe auf Weisung der gemeinsamen
Konzernobergesellschaft geboten. Es komme nicht darauf an,
ob und in welchem Ausmaß die kreditgewährende
Gesellschaft an der kreditnehmenden Gesellschaft beteiligt
sei. Es könne auch nicht damit argumentiert werden, dass sich
durch die Kreditgewährung der Wert des Beteiligungsansatzes
erhöhe. Dies sei viel zu ungewiss; die kreditgebende
Gesellschaft habe die auf die Weisung zurückzuführende
Gefahr der Einbringlichkeit und den Nachteil der
Rükzahlungssperre vielmehr unabhängig von einer Erhöhung
des Beteiligungsansatzes zu tragen.
Eine unterschiedliche Behandlung sidestream- im
Gegensatz zur downstream-Kreditvergabe auf Weisung könne
aus dem Gesetz und den Materialien nicht abgeleitet werden.
Der in § 9 EKEG normierte Erstattungsanspruch komme bei
Vorliegen der übrigen Voraussetzungen (kontrollierende
Beteiligung des weisungsgebenden Konzernmitglieds an der
Kreditgeberin und Stellung als erfasster Gesellschafter bei der
Kreditnehmerin, Weisung, Kreditgewährung in der Krise)
daher auch dann zur Anwendung, wenn die Kreditgeberin an
der Kreditnehmerin mehrheitlich beteiligt sei. Ob § 9 EKEG
darüber hinaus eine Analogiebasis für einen generellen
Nachteilsausgleich im Konzern bilde, könne dahingestellt
bleiben.
17 6 Ob 154/19v
Im Ergebnis hänge der Erstattungsanspruch vom
Vorliegen einer Weisung der Zweitbeklagten und eines
Eigenkapital ersetzenden Kredits ab. Deshalb seien die
unterbliebenen Beweisaufnahmen zum Themenkomplex der
Weisung und zum Vorliegen einer Krise der Kreditnehmerin
entscheidungswesentlich, was zur Aufhebung des
erstgerichtlichen Urteils führe.
Zur Auslegung des Begriffs der Weisung führte
das Berufungsgericht aus, es bedürfe einer bewussten, für die
Kreditgewährung kausalen und darauf gerichteten
Beeinflussung der Willensbildung der kreditgebenden
Gesellschaft durch die Muttergesellschaft. Ob die Weisung
zulässig und im konkreten Fall rechtmäßig sei, sei hingegen
nicht entscheidend.
Im vorliegenden Fall komme der
Anscheinsbeweis zur Anwendung, weil der typische
Erfahrungszusammenhang bei den gegebenen
Beteiligungsverhältnissen jedenfalls bei Kreditunwürdigkeit
der Kreditnehmerin im Zeitpunkt der Kreditvergabe für das
Vorliegen einer Weisung spreche.
Da sich der Kläger primär auf § 9 EKEG und nur
hilfsweise auf einen Verstoß gegen das Verbot der Einlagen -
rückgewähr gestützt habe, sei auf einen allfälligen Anspruch
nach § 83 GmbHG vorerst nicht einzugehen.
Der Rekurs an den Obersten Gerichtshof sei
zulässig, weil keine Rechtsprechung zum Erstattungsanspruch
des § 9 EKEG, dessen Analogiefähigkeit bei downstream-
Kreditvergaben und zur Anwendung des prima facie-Beweises
in diesem Zusammenhang vorliege.
Dagegen richtet sich der Rekurs der
zweitbeklagten Partei, die die Wiederherstellung der
klageabweisenden Entscheidung des Erstgerichts anstrebt.
18 6 Ob 154/19v
Die Rekurswerberin macht geltend, ein
Erstattungsanspruch nach § 9 EKEG bestehe in der
vorliegenden Konstellation nicht. Selbst wenn § 9 Abs 1
Satz 2 EKEG zur Anwendung komme, seien die
Voraussetzungen des Anscheinsbeweises für das Vorliegen
einer Weisung nicht erfüllt; ein allfälliger Anscheinsbeweis
sei auch bereits entkräftet worden.
Der Rekurs ist aus dem vom Berufungsgericht
genannten Grund zulässig . Er ist aber nicht berechtigt.
Zum Anwendungsbereich des § 9 Abs 1 EKEG:
1.1. Das EKEG soll einen angemessenen
Ausgleich zwischen Gläubigerschutz und
Finanzierungsfreiheit schaffen: Es bleibt grundsätzlich den
Gesellschaftern überlassen, ob und wann sie die Gesellschaft
finanzieren. In der Krise der Gesellschaft gilt aber, dass das
Risiko des Misslingens der Sanierung der Gesellschaft nicht
auf deren Gläubiger überwälzt werden soll (Schopper/Vogt in
Koller/Lovrek/Spitzer , IO, Vor § 1 EKEG Rz 3 mwN). Als
Rechtsfolge einer – per se nicht verbotenen – Eigenkapital
ersetzenden Leistung sieht § 14 EKEG daher bis zur
Sanierung der Gesellschaft eine Rückzahlungssperre vor
(Schopper/Vogt in Koller/Lovrek/Spitzer , IO, § 1 EKEG
Rz 5).
1.2. Gemäß § 1 EKEG ist ein Kredit, den eine
Gesellschafterin oder ein Gesellschafter der Gesellschaft in
der Krise gewährt, Eigenkapital ersetzend. § 5 EKEG
definiert den Grundtatbestand des erfassten Gesellschafters,
ergänzende Definitionen des erfassten Gesellschafters
enthalten §§ 6 bis 11 EKEG.
19 6 Ob 154/19v
1.3. § 9 Abs 1 EKEG regelt ausweislich seiner
Überschrift („Konzern“) die Kreditgewährung im Konzern.
Die Bestimmung lautet:
Ist der Kreditgeber mit anderen rechtlich
selbständigen Unternehmen zu wirtschaftlichen Zwecken
unter einheitlicher Leitung oder kontrollierender Beteiligung
zusammengefasst (Konzern), so gilt der Kreditgeber auch
dann als erfasster Gesellschafter, wenn er nicht an der Kredit
nehmenden Gesellschaft beteiligt ist, er jedoch den Kredit auf
Weisung eines anderen Konzernmitglieds gewährt, das
1. am Kreditgeber unmittelbar oder mittelbar
kontrollierend beteiligt ist und
2. erfasster Gesellschafter des Kreditnehmers ist.
Der Kreditgeber hat, wenn der Kredit
Eigenkapital ersetzend ist, einen Anspruch auf Erstattung der
Kreditsumme gegen dieses Konzernmitglied. Dieses tritt mit
der Erstattung in die Rechtsposition des Kreditgebers ein.
Der Anspruch auf Erstattung verjährt in fünf Jahren ab
Kreditgewährung.
2.1. Nach einhelliger Auffassung erfasst § 9
Abs 1 EKEG die Kreditgewährung zwischen
Schwestergesellschaften im weiteren Sinn (Nichten,
Großnichten etc) auf Weisung der beiden Gesellschaften
übergeordneten Konzerngesellschaft (vgl nur Schopper/Vogt
in Koller/Lovrek/Spitzer , IO, § 9 EKEG Rz 4; Artmann in
Karollus/Artmann , AktG6 § 52 Rz 60 ua). Unterschiedliche
Ansichten bestehen zur Frage, ob auch Kreditvergabe in
gerader Linie von oben nach unten den Erstattungsanspruch
des § 9 Abs 1 Satz 2 EKEG auslöst.
2.2. Zwischen den Parteien ist nicht strittig, da ss
die Zweitbeklagte an der kreditgebenden Gesellschaft – der
A***** Holding – im Sinn des § 9 Abs 1 Z 1 EKEG beteiligt
20 6 Ob 154/19v
und dass sie erfasster Gesellschafter der Kreditnehmerin – der
A***** Bau – im Sinn des § 9 Abs 1 Z 2 EKEG ist. Die von
§ 9 Abs 1 EKEG vorausgesetzten Beteiligungsverhältnisse
sind hinsichtlich der Zweitbeklagten daher erfüllt.
Unstrittig ist darüber hinaus, dass die
kreditgebende Gesellschaft – die A***** Holding –ihrerseits
erfasste Gesellschafterin gemäß §§ 5, 8 EKEG hinsichtlich
der kreditnehmenden Gesellschaft – der A***** Bau – ist.
2.3. Es liegt auf der Hand, dass in einer
derartigen Konstellation der Schutz der Gläubiger der
kreditnehmenden Gesellschaft bereits gewährleistet ist, ohne
dass es der Anwendung des § 9 Abs 1 EKEG bedarf. Sofern
sich die A***** Bau nämlich zu den Zeitpunkten der hier zu
beurteilenden Kreditvergaben in der Krise befunden hat, löste
dies im Verhältnis zwischen der A***** Holding und der
A***** Bau die bis zur Sanierung der Gesellschaft wirkende
Rückzahlungssperre des § 14 EKEG aus.
2.4. Die Anwendung des § 9 Abs 1 Satz 2 EKEG
käme vielmehr der kreditgebenden Gesellschaft, also der
A***** Holding, bzw deren Gläubigern zugute.
3.1. In der Literatur werden unterschiedliche
Ergebnisse vertreten . Die Argumente, die von den jeweiligen
Literaturstimmen herangezogen werden, fokussieren auf das
Verständnis des Gesetzestexts im Hinblick darauf, ob eine
Beteiligung der Kreditgeberin an der Kreditnehmerin für die
Anwendung des § 9 Abs 1 EKEG bloß nicht erforderlich sei
oder ob eine (qualifizierte) Beteiligung die Anwendung der
Bestimmung ausschließe; weiters auf das Verhältnis des § 9
Abs 1 Satz 2 EKEG zu den Kapitalerhaltungsvorschriften
sowie auf die Frage nach einem verallgemeinerungsfähigen
Ausgleichsanspruch für nachteilige Weisungen übergeordneter
Konzerngesellschaften.
21 6 Ob 154/19v
3.2. Zusammengefasst sprechen sich Artmann ,
Karollus , Koppensteiner und Auer für eine (analoge)
Anwendung des § 9 Abs 1 Satz 2 EKEG auf eine
Konstellation wie die hier vorliegende aus. Schopper/Vogt ,
Kalss , Zehetner/Bauer und C. Fischer lehnen dies ab.
Dellinger vertritt eine differenzierende Lösung.
3.3.1. Auer (in FS Koppensteiner zum
70. Geburtstag [2007] 1 ff) und Koppensteiner (Zum
konzernrechtlichen Gehalt von § 9 EKEG, wbl 2008, 53 ff;
ders , Aktuelle Probleme des EKEG in FS Nowotny [2015]
369 ff [370], ders , Grenzen der Leitung abhängiger
Kapitalgesellschaften in Kalss/Torggler , Einlagenrückgewähr
[2014] 65 [66]) sehen im Erstattungsanspruch nach § 9 Abs 1
Satz 2 EKEG einen Ansatzpunkt für einen dem Grund-
gedanken des § 311 dAktG nachempfundenen allgemeinen
Nachteilsausgleich im Konzern zugunsten der untergeordneten
Gesellschaft für Maßnahmen und Rechtsgeschäfte
nachteiligen Charakters, die von einem herrschenden
Rechtsträger veranlasst wurden.
3.3.2. Ausgangspunkt ihrer Überlegungen ist der
Normzweck des Erstattungsanspruchs gemäß § 9 Abs 1 Satz 2
EKEG, den sie darin sehen, den Nachteil zu kompensieren,
den die kreditgebende Gesellschaft durch den
vorübergehenden oder endgültigen Verlust des Darlehens
erleidet, der auf die Einflussnahme der Konzernspitze
zurückgeht (Koppensteiner , wbl 2008, 53). Es verbiete sich,
den Erstattungsanspruch als Variante einer Rückforderung
wegen verdeckter Einlagenrückgewähr aufzufassen. Dies
folge schon daraus, dass der Erstattungsanspruch im Fall der
Kreditgewährung an eine in der Krise befindliche
Schwestergesellschaft, soweit die Kreditgewährung als
Einlagenrückgewähr im Verhältnis zur gemeinsamen Mutter
22 6 Ob 154/19v
zu qualifizieren sei, nicht notwendig mit der Kreditsumme
übereinstimme (im Einzelnen Koppensteiner , wbl 2008, 54;
Auer in FS Koppensteiner 3).
3.3.3. Es handle sich vielmehr um einen
Anspruch sui generis (Auer in FS Koppensteiner 7 f) und eine
abschließende Regelung des Nachteilsausgleichs im Konzern
(Auer in Gruber/Harrer , GmbHG² § 83 Rz 33). Vergröbernd
gehe es darum, einen Umgehungssachverhalt in den Griff zu
bekommen, in dem ein herrschender Rechtsträger, der ein
starkes wirtschaftliches Interesse am Überleben einer
krisengefährdeten Gesellschaft habe, diese nicht selbst
unterstütze, sondern eine von ihm abhängige Gesellschaft
veranlasse, dies zu tun (Koppensteiner in FS Nowotny 370).
3.4.1. Karollus und Artmann sehen den
Grundgedanken des § 9 Abs 1 EKEG darin, dass das sonst für
das Eigenkapitalersatzrecht erforderliche
Beteiligungserfordernis (der kreditgebenden an der
kreditnehmenden Gesellschaft) durch das Vorhandensein
eines gemeinsamen Gesellschafters, der selbst die Stellung als
erfasster Gesellschafter habe, und durch die Kreditvergabe
auf dessen Weisung substituiert werde (Karollus in
Buchegger , Österreichisches Insolvenzrecht, Erster
Zusatzband [2009], § 9 EKEG Rz 14 f; Artmann in
Artmann/Karollus , AktG6 § 52 AktG Rz 60).
3.4.2. Wenn die kreditgebende Gesellschaft im
Ausmaß der §§ 5, 8 EKEG an der kreditnehmenden
Gesellschaft beteiligt sei, bedürfe es für die Einbeziehung
dieses Kredits in das Eigenkapitalersatzrecht nicht des § 9
EKEG. Für den Fall einer unter den Schwellenwerten der
§§ 5, 8 EKEG liegenden Beteiligung der Kreditgeberin an der
Kreditnehmerin könne die Vermutung einer Absprache
zwischen Konzernunternehmen gemäß § 6 EKEG zur
23 6 Ob 154/19v
Anwendung des § 9 EKEG führen. In sämtlichen Varianten
(Beteiligung im Ausmaß der §§ 5, 8 EKEG oder darunter) sei
entscheidend, ob eine Weisung vorliege: Sei eine Weisung
durch den gemeinsamen Gesellschafter erfolgt, greife – bei
Erfüllung der übrigen Voraussetzungen – der
Erstattungsanspruch des § 9 Abs 1 Z 2 EKEG zumindest
analog ein (Karollus Rz 5 f; Artmann in Artmann/Karollus ,
§ 52 AktG Rz 60).
3.4.3. Karollus geht dabei im Anschluss an
Koppensteiner davon aus, dass der Gesetzgeber mit § 9 Abs 1
Satz 2 EKEG für den speziellen Fall des von der
Muttergesellschaft veranlassten Schwesternkredit einen
verallgemeinerungsfähigen Lösungsansatz auch für andere
Fälle der Veranlassung nachteiliger Maßnahmen durch eine
übergeordnete Konzerngesellschaft kodifiziert (Karollus in
Buchegger , Insolvenzrecht § 9 EKEG Rz 4). Dahinter stehe
die Wertung, dass die kreditgebende Gesellschaft von der ihr
durch den gemeinsamen Gesellschafter aufgebürdeten Last
(dem mit einem erheblichen Einbringlichkeitsrisiko und der
Rückzahlungssperre behafteten Kredit) befreit werden solle.
Dies sei dogmatisch mit einer Abwicklung „im langen Weg“
zu begründen. Aufgrund der erteilten Weisung sei dem
gemeinsamen Gesellschafter die Erstattungspflicht zuzumuten
(Karollus in Buchegger , Insolvenzrecht § 9 EKEG Rz 27).
Der Normzweck treffe auch dann zu, wenn die kreditgebende
an der kreditnehmenden Gesellschaft beteiligt sei, und zwar
auch dann, wenn die Beteiligung die Voraussetzungen der
§§ 5, 8 EKEG erfülle.
Es komme für den Erstattungsanspruch auch nicht
darauf an, ob der Kredit im konkreten Fall die
Voraussetzungen einer verdeckten Gewinnausschüttung
(verbotenen Einlagenrückgewähr) erfülle (Karollus in
24 6 Ob 154/19v
Buchegger , Insolvenzrecht § 9 EKEG Rz 33). Liege eine
verbotene Einlagenrückgewähr vor, so stelle sich die Frage
nach dem Verhältnis des Erstattungsanspruchs des § 9 Abs 1
Satz 2 EKEG zu den Rechtsfolgen des Verbots der
Einlagenrückgewähr (Nichtigkeit des Kreditvertrags und
sofortiger Rückzahlungsanspruch). Das Konkurrenzproblem
resultiere daraus, dass zwei verschiedene Schutzinstrumente
mit gegenläufiger Schutzrichtung (Verbot der
Einlagenrückgewähr als Schutz der kreditgebenden
Gesellschaft, Eigenkapitalersatzrecht als Schutz der
kreditnehmenden Gesellschaft) aufeinander träfen. § 9 Abs 1
Z 2 EKEG könnte zu einer „Entspannung“ dieses Konflikts
führen, wenn der Erstattungsanspruch vollwertig, unstrittig
und die Erstattungsschuldnerin zur Leistung bereit sei. Durch
die Erstattung werde dann das Einbringlichkeitsrisiko
ausgeglichen und es liege kein Verstoß gegen das Verbot der
Einlagenrückgewähr vor. Ansonsten – im Konfliktfall – habe
vor der Kreditauszahlung das Verbot der Einlagenrückgewähr
Vorrang, sodass eine Auszahlung nicht erfolgen dürfe. Sei
jedoch bereits ausgezahlt worden, sollte der Schutz der
kreditnehmenden Gesellschaft überwiegen (Karollus in
Buchegger , Insolvenzrecht § 9 EKEG Rz 39 f).
3.4.4. Artmann (Kreditgewährung im Konzern –
Zum Konkurrenzverhältnis zwischen Ausschüttungsverbot und
Eigenkapitalersatzrecht, in Festschrift Günther H. Roth
[2011] 23 ff) stellt den Erstattungsanspruch des § 9 Abs 1
Satz 2 EKEG in den Kontext der
Kapitalerhaltungsvorschriften. Werde der Kredit – in der
Grundkonstellation des Schwesternkredits – auf Weisung der
gemeinsamen Obergesellschaft gewährt und befinde sich die
Schwestergesellschaft in der Krise, so sei in der Regel auch
der Tatbestand der verdeckten Gewinnausschüttung erfüllt,
25 6 Ob 154/19v
sofern nicht im Einzelfall eine betriebliche Rechtfertigung
vorliege oder die leistende Gesellschaft etwa von der
Muttergesellschaft eine entsprechende Gegenleistung erhalten
habe. Verstoße die Kreditgewährung gegen das
Ausschüttungsverbot, stehe der kreditgewährenden
Gesellschaft ein Rückgewähranspruch gemäß § 56 AktG bzw
§ 83 GmbHG zu.
Wie Karollus sieht auch Artmann die Beurteilung,
ob die Weisung zur Kreditgewährung und der Kreditvertrag
gegen das Ausschüttungsverbot verstoßen, davon abhängig, ob
die weisungsgebende Muttergesellschaft willens und in der
Lage ist, den Erstattungsanspruch zu erfüllen. Dies ändere
aber nichts am Erstattungsanspruch der Kreditgeberin nach
§ 9 Abs 1 Satz 2 EKEG, weil die gesetzgeberische Zielsetzung
dieser Bestimmung in der Schaffung einer Regelung gelegen
sei, mit der das Risiko des Eigenkapitalersatzrechts jener
Gesellschaft aufgebürdet werde, deren Entscheidung
maßgeblich für die Kreditgewährung gewesen sei (Artmann in
FS Roth 27 f). Eine allfällige betriebliche Rechtfertigung der
Kreditgewährung bewirke daher zwar, das kein Verstoß gegen
das Ausschüttungsverbot vorliege, ändere aber nichts am
Erstattungsanspruch gegen die Muttergesellschaft (Artmann in
FS Roth 27 f).
Nach der gesetzgeberischen Konzeption des § 9
EKEG sollten die Rolle als Kreditgeberin und das Risiko der
Rückführung des Kredits – unabhängig davon, ob das
Rechtsgeschäft im Einzelfall zulässig oder unzulässig sei –
der Muttergesellschaft zukommen, die als Gesellschafterin
auch die Vorteile aus dem Überleben der Tochtergesellschaft
lukriere (Artmann in FS Roth 28).
Im Fall der Beteiligung der kreditgebenden
Gesellschaft an der Kreditnehmerin sieht Artmann – wie
26 6 Ob 154/19v
Koppensteiner und Karollus – den Ausgangspunkt der
Überlegungen im Zweck des Erstattungsanspruchs, den durch
die Befolgung der Weisung erlittenen Vermögensnachteil bei
der kreditgebenden Gesellschaft auszugleichen. Sei die
kreditgebende Gesellschaft erfasster Gesellschafter der
Kreditnehmerin, komme das EKEG zwar bereits unabhängig
von einer Weisung des übergeordneten Gesellschafters zur
Anwendung. Werde sie allerdings zur Kreditvergabe durch
eine Muttergesellschaft veranlasst, müsse ihr ein
Erstattungsanspruch zustehen, weil andernfalls die
Kreditgewährung nicht zulässig sei . Denn die Beteiligung an
der Kreditnehmerin verhindere nicht die Anwendung des
Ausschüttungsverbots. Die durch die Kreditgewährung
allenfalls eintretende Wertsteigerung des
Beteiligungsansatzes der Kreditgeberin sei zu ungewiss, um
daraus die Zulässigkeit des Rechtsgeschäfts abzuleiten.
3.5. Rüffler (Gibt es im österreichischen Recht
einen Nachteilsausgleich? In FS Nowotny [2015] 405 ff)
wendet sich gegen die These, wonach der Erstattungsanspruch
des § 9 Abs 1 Satz 2 EKEG Ausdruck eines allgemeinen
Prinzips des Nachteilsausgleichs sei. Koppensteiner und Auer
gingen zu Unrecht davon aus, dass der Erstattungsanspruch
des § 9 Abs 1 Satz 2 EKEG nicht die Rechtsfolgen der
verbotenen Einlagenrückgewähr regeln sollte. Der
eigenkapitalersetzende Schwesternkredit sei regelmäßig
zugleich ein Verstoß gegen das Verbot der
Einlagenrückgewähr. § 9 Abs 1 Satz 2 EKEG habe in solchen
Fällen eine klarstellende Funktion, weil auch im Fall der
verbotenen Einlagenrückgewähr ein Erstattungsanspruch
gegen die Mutter bestehe, wenn sie die Kreditgewährung
veranlasst habe (FS Nowotny 408 f). Dass der (gegen das
Verbot der Einlagenrückgewähr verstoßende)
27 6 Ob 154/19v
Schwesternkredit nicht nichtig sei und eine Schwester von der
anderen Schwestergesellschaft das Darlehen nicht
zurückverlangen könne, sei eine Folge des Schutzzwecks des
§ 9 EKEG, die Gläubiger der kreditnehmenden Gesellschaft
zu schützen (FS Nowotny 410). Insofern würden die
Rechtsfolgen des § 83 GmbHG von § 9 EKEG verdrängt. § 9
Abs 1 Satz 2 EKEG sei wohl als eine Variante des
Rückerstattungsanspruchs gemäß § 83 Abs 1 GmbHG
anzusehen. Auch wenn man den Normzweck auch auf einen
Nachteilsausgleich für veranlasste nachteilige
Kreditgewährungen rückführen wollte, sprächen gewichtige
Argumente gegen die von Koppensteiner vertretene Analogie.
3.6.1. Nach Kalss (Die mangelnde
Anwendbarkeit von § 9 Abs 1 EKEG auf den Kredit einer
Muttergesellschaft an ihre Tochtergesellschaft, GesRZ 2015,
302 ff [basierend auf einem im vorliegenden Verfahren
erstatteten Rechtsgutachten]) ist § 9 EKEG grundsätzlich
nicht auf Kreditgewährungen in der geraden Beteiligungskette
anzuwenden.
3.6.2. Sie nimmt nicht (gesondert) auf den Zweck
des Rückerstattungsanspruchs des § 9 Abs 1 Satz 2 EKEG
Bezug, sondern sieht den Zweck des § 9 EKEG allein in der
durch Satz 1 dieser Bestimmung erreichten Ausweitung des
Kreises der erfassten Gesellschafter. Ziel des § 9 [Abs 1
Satz 1] EKEG sei , die Umgehung der Rechtsfolgen des § 14
EKEG durch Einschaltung einer an der kreditnehmenden
Gesellschaft nicht beteiligten Konzerngesellschaft
auszuschließen (GesRZ 2015, 303).
3.6.3. Dieses Ergebnis sei nicht schon aus der
Wortinterpretation zu gewinnen: Aus dem Wortlaut des ersten
Satzes von § 9 Abs 1 EKEG („auch“) ergebe sich nur die
Ausdehnung auf die Schwestergesellschaft; der Wortlaut
28 6 Ob 154/19v
schließe die Einbeziehung von Konstellationen, in denen eine
Gesellschaft ihrer Tochtergesellschaft auf Weisung der
Großmuttergesellschaft einen Kredit gewähre, nicht aus.
3.6.4. Für die Einschränkung auf Kreditvergaben
unter Schwestern (im weiteren Sinn) spreche aber, dass nur
diese Konstellation in den Materialien genannt werde. Das
gesetzgeberische Verständnis beruhe darauf, dass der
Schwesternkredit so zu behandeln sei, als handle es sich um
eine im kurzen Weg abgewickelte Leistung der
kreditgebenden Gesellschaft an die Muttergesellschaft und
eine Leistung dieser an die kreditnehmende Gesellschaft. In
Fällen, in denen die kreditgebende mit einer qualifizierten
Mehrheit an der kreditnehmenden Gesellschaft beteiligt sei,
sei die Annahme von im kurzen Weg abgewickelten
Leistungen der Kreditgeberin an die Großmuttergesellschaft
sowie dieser an die Kreditnehmerin kaum vorstellbar und
sachgerecht. In derartigen Fällen komme es schlichtweg zu
keiner Gewährung einer Leistung an die Muttergesellschaft
der kreditgebenden Gesellschaft (Kalss , GesRZ 2015, 304).
3.6.5. Aus der Gesetzesgenese könne nicht
geschlossen werden, dass § 9 EKEG dem Verbot der
Einlagenrückgewähr vorgehe; vielmehr würden die
Rechtsfolgen der Einlagenrückgewähr durch § 9 Abs 1 Satz 2
EKEG konkretisiert.
3.6.6. Das EKEG solle in seiner Grundkonzeption
Finanzierungsleistungen von Gesellschaftern an die
Gesellschaft von oben nach unten (downstream) erfassen.
Durch die Erfassung der mittelbar beteiligten Gesellschafter
in § 8 EKEG werde der Gefahr begegnet, dass die
Anwendbarkeit des EKEG umgangen werde, indem zwischen
Gesellschafter und Gesellschaft eine Zweckgesellschaft
dazwischengeschaltet werde (GesRZ 2015, 305). § 9 EKEG
29 6 Ob 154/19v
beschäftige sich ergänzend mit horizontalen
Konzernverhältnissen, in denen §§ 5 und 8 nicht zur
Anwendung des EKEG führen würden. Beim Schwesternkredit
werde wegen der Krise der Kreditnehmerin „und/oder“ dem
Weisungszusammenhang im Regelfall auch der Tatbestand der
Einlagenrückgewähr verwirklicht . § 9 Abs 1 Satz 2 EKEG
modifiziere die Rechtsfolgen des Verstoßes gegen das Verbot
der Einlagenrückgewähr, indem der Rückzahlungsanspruch
kanalisiert und die Aktiv- und Passivlegitimation für die in
§ 9 Abs 1 EKEG beschriebene Situation konkretisiert werde
(GesRZ 2015, 305 f). Hingegen wolle das Gesetz keine
allgemeine Nachteilsausgleichsregelung schaffen.
3.6.7. Für vertikale Kreditvergaben downstream
folge daraus: Der Erstattungsanspruch nach § 9 Abs 1 Satz 2
EKEG setze notwendiger Weise einen Verstoß gegen das
Verbot der Einlagenrückgewähr voraus. In Fällen, in denen
die Kreditgeberin an der Kreditnehmerin mit qualifizierter
Mehrheit beteiligt sei, komme es aber im Zuge der
Kreditgewährung nicht zu einer Leistung an die
Muttergesellschaft der Kreditgeberin. Mangels eines
Verstoßes gegen das Verbot der Einlagenrückgewähr stehe der
Kreditgeberin auch kein Anspruch nach § 9 Abs 1 Satz 2
EKEG gegen die Muttergesellschaft zu, dies unabhängig
davon, ob sie zu dieser Kreditgewährung angewiesen worden
sei oder nicht. Auch wenn die Großmuttergesellschaft selbst
mit einer Minderheitsbeteiligung an der Kreditnehmerin
beteiligt sei, erbringe die Kreditgeberin keine Leistung an die
Großmuttergesellschaft, auch nicht in dem Ausmaß, das der
Beteiligung der Großmuttergesellschaft entspreche. Eine
mathematische Aufteilung widerspreche der Befugnis zur
Entscheidung über die Kreditgewährung. Der Einfluss der
Gesellschafter und ihre Entscheidung über die
30 6 Ob 154/19v
Kreditgewährung seien aber die maßgeblichen
Zurechnungsfaktoren für die Anwendung des EKEG
(GesRZ 2015, 307).
3.7. Schopper/Vogt (in Koller/Lovrek/Spitzer , IO,
§ 9 Rz 9; dies , Eigenkapitalersatzrechtgesetz [2003] § 9
Rz 24 f) lehnen für Fälle wie den vorliegenden, in dem die
Beteiligung zwischen kreditnehmender und kreditgebender
Gesellschaft selbst den Tatbestand einer
Zurechnungsbestimmung des EKEG erfüllt, die Anwendung
des § 9 EKEG ab. Dies führe zum Entfall des
Erstattungsanspruchs. Auch wenn in einer solchen
Konstellation eine Weisung vorliege, seien die
Voraussetzungen für eine analoge Anwendung des
Erstattungsanspruchs nicht gegeben.
3.8.1. C. Fischer (Eigenkapitalersetzende
Konzernfinanzierung nach dem EKEG [2005]) fasst § 9 EKEG
als Sonderbestimung für jene Beteiligungsverhältnisse im
Konzern auf, in denen zwischen Kreditgeber- und
Kreditnehmergesellschaft nicht einmal ein den sonstigen
Regeln des EKEG unterliegendes (mittelbares)
Beteiligungsverhältnis bestehe, jedoch andere
Zurechnungsgründe vorhanden seien. Er hebt hervor, dass die
Kreditgebergesellschaft im zumindest überwiegenden
(Konzern-)Interesse der gemeinsamen Mutter handle, und die
Weisung zur Kreditvergabe jedenfalls eine zu verantwortende
Finanzierungsentscheidung der gemeinsamen Mutter
hinsichtlich der Kreditnehmerin sei
(Konzernfinanzierung 106).
3.8.2. C. Fischer sieht für den Fall der
Beteiligung der kreditgebenden an der kreditnehmenden
Gesellschaft eine anteilige Kürzung des Erstattungsanspruchs
vor; dies allerdings nur für jene Kreditgeberinnen, deren
31 6 Ob 154/19v
Beteiligung unter der qualifizierten Beteiligungsschwelle der
§§ 5, 8 EKEG liegt. Die Kürzung richte sich nach den
Umständen des Einzelfalls. Modellhaft solle für jeden
Prozentpunkt, um den die Beteiligung der Kreditgeberin an
der Kreditnehmerin 25 % unterschreite, ein Abschlag von 4 %
vom Erstattungsanspruch vorgenommen werden
(Konzernfinanzierung 117). Für einen Fall wie den
vorliegenden scheidet ein Erstattungsanspruch nach dieser
Ansicht gänzlich aus.
3.9. Eine Reihe weiterer Autoren sprechen sich
gegen die – direkte oder analoge – Anwendung des § 9 EKEG
auf kreditgebende Gesellschaften, die an der kreditnehmenden
Gesellschaft in einem den Regeln des EKEG unterliegenden
Verhältnis beteiligt sind (Eckert/U. Schmidt in
Haberer/Krejci , Konzernrecht [2016] Rz 13.32 f) oder gegen
einen allgemeinen Nachteilsausgleich aus (Milchrahm in
Straube/Ratka/Rauter , WK GmbHG [2017] § 115 Rz 205;
Haberer/Krejci in Haberer/Krejci , Konzernrecht Rz 1.335;
U. Torggler in Straube , WK GmbHG § 115 Rz 24 [jeweils
ohne gesonderte Stellungnahme zum Erstattungsanspruch bei
der downstream-Kreditvergabe]). Die kreditgebende
Gesellschaft solle allein aus der Erteilung einer Weisung des
anderen Konzernmitglieds keinen Vorteil ziehen
(Schopper/Vogt , EKEG § 9 Rz 24; C. Fischer ,
Konzernfinanzierung 115).
3.10. Einen differenzierenden Ansatz vertritt
Dellinger (in Dellinger/Mohr , Eigenkapitalersatzgesetz
[2004] § 9 Rz 16): Die Frage, ob der kreditgewährenden
Gesellschaft, die an der kreditnehmenden Gesellschaft
beteiligt ist, im Fall der Kreditgewährung auf Weisung ein
Erstattungsanspruch nach § 9 Abs 1 Satz 2 EKEG zusteht,
könne nicht abstrakt, sondern nur nach den Umständen des
32 6 Ob 154/19v
Einzelfalls beantwortet werden. Gegen einen
Erstattungsanspruch spreche, dass durch die Eigenkapital
ersetzende Kreditgewährung auch der Wert der von der
Kreditgeberin selbst gehaltenen Beteiligung an der
kreditnehmenden Gesellschaft steige. In der Kreditvergabe
müsse daher bei eigener Beteiligung der Kreditgeberin keine
verdeckte Gewinnausschüttung an die gemeinsame Mutter
liegen, die die Weisung erteilt habe. Das gelte vor allem
dann, wenn auch die Mutter der in die Krise geratenen
Kreditnehmerin einen Kredit gewähre.
4.1. Die Materialien zu § 9 EKEG enthalten keine
ausdrückliche Stellungnahme zur hier interessierenden Frage.
Die Zweckrichtung der Bestimmung wird im Hinblick darauf
erklärt, dass es beim auf Weisung erfolgten Schwesternkredit
gerechtfertigt sei, die von § 5 EKEG nicht erfasste
Kreditgeberin zu erfassen. Es geht demnach um die
Kreditgewährung zwischen zwei Gesellschaftern eines
Konzerns, die „selbst aneinander nicht beteiligt sind“. § 9
Abs 1 EKEG behandle in diesem Fall die Kreditvergabe so,
als handle es sich um eine Leistung der kreditgebenden an die
Muttergesellschaft und eine Leistung dieser an die
kreditnehmende Gesellschaft, die im kurzen Weg abgewickelt
worden seien. Daher werde die Gesellschafterposition der
Muttergesellschaft der Kreditgeberin zugerechnet; der in der
Krise gewährte Kredit sei als eigenkapitalersetzend
zu behandeln. Zum Erstattungsanspruch wird lediglich
die getroffene Regelung referiert
(ErläutRV 124 BlgNR 22. GP 10; so bereits die erste
Regierungsvorlage 1282 BlgNr 21. GP 16). Allgemein wird
darauf verwiesen, dass in der Unternehmenskrise die
Finanzierungsverantwortung der Gesellschafter zum Tragen
komme (ErläutRV 124 BlgNR 22. GP 3).
33 6 Ob 154/19v
4.2. Die Erläuterungen zur Regierungsvorlage
enthalten keine Stellungnahme zum Verhältnis des
Erstattunganspruchs zum Rückersatzanspruch bei verbotener
Einlagenrückgewähr. Der der Regierungsvorlage
vorausgegangene Ministerialentwurf hatte in der
ursprünglichen Fassung des § 5 EKEG (der inhaltlich die
Regelung des § 9 EKEG enthält) noch in einem Abs 3
ausdrücklich angeordnet, dass die Vorschriften über die
verdeckte Gewinnausschüttung unberührt blieben und den
Bestimmungen des Eigenkapitalersatzrechts vorgingen
(ME 306 BlgNR 21. GP 6). In den Erläuterungen zum
Vorschlag des § 5 EKEG wurde darauf hingewiesen, dass die
Schwestergesellschaft mit der Kreditgewährung an die in der
Krise befindliche Schwester eine Leistung an die gemeinsame
Muttergesellschaft erbringe, die als Gesellschafterin von der
Liquidität der Kreditnehmerin profitiere. Die Leistung an die
Muttergesellschaft verstoße gegen das Verbot der verdeckten
Gewinnausschüttung und sei rückgängig zu machen; daher sei
ein Anspruch der kreditgebenden Gesellschaft gegen die
Muttergesellschaft auf Erstattung vorgesehen
(ME 306 BlgNR 21. GP 32 f).
5. Höchstgerichtliche Rechtsprechung zum
Erstattungsanspruch des § 9 Abs 1 Satz 2 EKEG liegt nicht
vor.
Zum Begriff der Weisung :
6.1. Hinsichtlich des Begriffs der Weisung
besteht in der Literatur Einigkeit darüber, dass dieser weit
auszulegen ist (Schopper/Vogt in Koller/Lovrek/Spitzer , IO
§ 9 EKEG Rz 11; Artmann in Karollus/Artmann , AktG6 § 52
Rz 60/1; Karollus in Buchegger , Insolvenzrecht § 9 EKEG
Rz 18; Dellinger in Dellinger/Mohr , Eigenkapitalersatz-
34 6 Ob 154/19v
Gesetz § 9 Rz 8; Schmidsberger , Eigenkapitalersatz im
Konzern, in Dellinger/Keppert , Eigenkapitalersatzrecht
[2004] 119 [135]; Duursma/Duursma-Kepplinger/M. Roth ,
Handbuch zum Gesellschaftsrecht [2007] Rz 2407). Sie muss
auch nicht rechtsverbindlich sein (Schopper/Vogt in
Koller/Lovrek/Spitzer , IO § 9 EKEG Rz 11; Artmann in
Karollus/Artmann , AktG6 § 52 Rz 60/1; Karollus , Aktuelle
Fragen der „Weisung“ im Sinn des § 9 EKEG, in
Artmann/Rüffler/Torggler , Gesellschafterpflichten in der
Krise [2015] 105 f [unter Hinweis auf das im vorliegenden
Fall erstattete Rechtsgutachten]; Zehetner/Bauer ,
Eigenkapitalersatzrecht 80; Dellinger in Dellinger/Mohr ,
Eigenkapitalersatz-Gesetz § 9 Rz 8). Sie kann auch
konkludent erteilt werden (Artmann in Karollus/Artmann ,
AktG6 § 52 Rz 60/1; Karollus in Buchegger , Insolvenzrecht
§ 9 EKEG Rz 18).
6.2. Das weite Verständnis gründet darauf, dass
die Notwendigkeit erkannt wird, die in Konzernen üblichen
„subtileren Formen der Einflussnahme“ zu erfassen ( Karollus
in Buchegger , Insolvenzrecht § 9 EKEG Rz 18). Würde auf
eine förmliche Weisung abgestellt, wäre die Bestimmung
kaum je anwendbar (Dellinger in Dellinger/Mohr ,
Eigenkapitalersatz-Gesetz § 9 Rz 8).
6.3. Die für die Erfüllung des Weisungsbegriffs
des § 9 EKEG erforderliche Einflussnahme wird im Einzelnen
unterschiedlich umschrieben:
6.3.1. Entscheidend sei, dass die
weisungsgebende Gesellschaft von ihrer
Lenkungsmöglichkeit, die sie aufgrund der (mittelbar)
kontrollierenden Beteiligung habe, Gebrauch mach e. Auch
eine „sonstige Veranlassung“ sei erfasst (Schopper/Vogt in
Koller/Lovrek/Spitzer , IO § 9 EKEG Rz 11). Es müsse ein
35 6 Ob 154/19v
entsprechender Wunsch oder ein Verlangen (unabhängig von
der Bezeichnung, etwa als Richtlinie, Anregung oder
Vorschlag [Artmann in FS Roth 32]) der Konzernspitze
erkennbar sein, die den Handlungsspielraum der Gesellschaft
einengten (Artmann in Karollus/Artmann , AktG6 § 52
Rz 60/1; Karollus in Buchegger , Insolvenzrecht § 9 EKEG
Rz 18); die übergeordnete Konzerngesellschaft müsse
unmissverständlich zu erkennen geben, dass sie die
Kreditgewährung wünsche (Koppensteiner , wbl 2008, 53
[57]). Entscheidend ist demnach die faktische Verbindlichkeit
im Sinn der vom gemeinsamen Gesellschafter gewollten
Einengung des Handlungsspielraums der Organe ( Karollus in
Artmann/Rüffler/Torggler , Gesellschafterpflichten 105 f).
Faktische Weisungen seien ausreichend (Zehetner/Bauer ,
Eigenkapitalersatzrecht 81; C. Fischer , Konzernfinanzierung
120 jeweils unter Hinweis auf den Gesetzgebungsprozess).
6.3.2. Die bloße Billigung der Kreditgewährung
wird hingegen als nicht ausreichend angesehen ( Artmann in
Karollus/Artmann , AktG6 § 52 Rz 60/1; Karollus in Artmann/
Rüffler/Torggler , Gesellschafterpflichten 102; wohl weiter
Koppensteiner in FS Nowotny 371).
6.4. Inhaltlich muss sich die Weisung auf die
Kreditgewährung beziehen (Schopper/Vogt in
Koller/Lovrek/Spitzer , IO § 9 EKEG Rz 11;); allerdings wird
auch eine generelle Weisung – etwa bei Einrichtung eines
zentralen Cash-Management – als ausreichend angesehen
(Artmann in Karollus/Artmann , AktG6 § 52 Rz 60/1; Karollus
in Artmann/Rüffler/Torggler , Gesellschafterpflichten 113).
6.5. Unterschiedliche Meinungen werden zur
Frage vertreten, ob die Weisung kausal für die
Kreditgewährung sein muss (dafür: Schopper/Vogt in
Koller/Lovrek/Spitzer , IO § 9 EKEG Rz 11; vgl Koppensteiner
36 6 Ob 154/19v
in FS Nowotny 371; dagegen: Artmann in Karollus/Artmann ,
AktG6 § 52 Rz 60/1; dagegen noch Karollus in Buchegger ,
Insolvenzrecht § 9 EKEG Rz 18; nunmehr für das
Kausalitätserfordernis: Karollus in Artmann/Rüffler/Torggler ,
Gesellschafterpflichten 111 f).
6.6. Bei Personalunion der Organe der
Obergesellschaft und der kreditgebenden Gesellschaft
erübrige sich eine gesonderte Weisung (Artmann in Karollus/
Artmann , AktG6 § 52 Rz 60/1; Karollus in Buchegger ,
Insolvenzrecht § 9 EKEG Rz 18; Dellinger in Dellinger/Mohr ,
Eigenkapitalersatz-Gesetz § 9 Rz 8).
6.7. Die analoge Anwendung der
Vermutungsregel des § 6 Abs 2 EKEG auf das Vorliegen einer
Weisung wird überwiegend abgelehnt (Artmann in
Karollus/Artmann , AktG6 § 52 Rz 60/1; Karollus in
Buchegger , Insolvenzrecht § 9 EKEG Rz 20; Zehetner/Bauer ,
Eigenkapitalersatzrecht 80; wohl auch Dellinger in Dellinger/
Mohr , Eigenkapitalersatz-Gesetz § 9 Rz 8; aM Schopper/Vogt
in Koller/Lovrek/Spitzer , IO § 9 EKEG Rz 11; Schopper in
Schopper/Vogt , Eigenkapitalersatzgesetz § 9 Rz 38;
C. Fischer , Konzernfinanzierung 121).
6.8. Allerdings wird durchwegs die Heranziehung
des Anscheinsbeweises befürwortet (Artmann in
Karollus/Artmann , AktG6 § 52 Rz 60/1; Dellinger in
Dellinger/Mohr , Eigenkapitalersatz-Gesetz § 9 Rz 8), weil die
Kreditgewährung zwischen zwei aneinander nicht beteiligten
Konzerngesellschaften typischer Weise nur über Veranlassung
der Konzernspitze erfolge (Dellinger , ecolex 2002, 332;
Fellner/Mutz , Eigenkapitalersatz-Gesetz 90), dies
insbesondere im Fall der Kreditunwürdigkeit der
Kreditnehmerin (Zehetner/Bauer , Eigenkapitalersatzrecht 80;
Karollus in Buchegger , Insolvenzrecht § 9 EKEG Rz 20;
37 6 Ob 154/19v
Dellinger in Dellinger/Mohr , Eigenkapitalersatz-Gesetz § 9
Rz 8; vgl Krejci , ecolex 1993, 308 [310]).
Kein Fall des Anscheinsbeweises wird aber dann
gesehen, wenn die Kreditgeberin an der Kreditnehmerin
maßgeblich beteiligt ist, weil es diesfalls an dem für den
Anscheinsbeweis erforderlichen typischen Geschehensablauf
fehle (Artmann in Karollus/Artmann , AktG6 § 52 Rz 60/1;
Karollus in Artmann/Rüffler/Torggler , Gesellschafterpflichten
in der Krise [2015] 120 f).
Der Senat hat erwogen :
7.1. Zur Beurteilung der Frage, ob der
kreditgebenden Gesellschaft in einer Konstellation wie der
vorliegenden der Erstattungsanspruch des § 9 Abs 1 Satz 2
EKEG zusteht, kann mit der Wortinterpretation allein nicht
das Auslangen gefunden werden (in diesem Sinn Artmann in
FS Roth 34 Fn 68; Kalss , GesRZ 2015, 304).
7.2. Nach Ansicht des erkennenden Senats ist die
Konstellation einer von oben nach unten in gerader Linie
stattfindenden Kreditvergabe auf Weisung einer
Konzerngesellschaft, die an der kreditgebenden und der
kreditnehmenden Gesellschaft im Sinn des § 9 Abs 1 EKEG
beteiligt ist, vom Wortlaut der Bestimmung erfasst. Diesem
kann nämlich nur entnommen, dass eine Beteiligung der
Kreditgeberin an der Kreditnehmerin keine notwendige
Voraussetzung für die Anwendung des § 9 EKEG ist (in
diesem Sinn auch Kalss , GesRZ 2015, 304).
8.1. Aus den Materialien ergibt sich, dass der
Gesetzgeber den Zweck verfolgte, mit § 9 EKEG den auf
Weisung der gemeinsamen Muttergesellschaft erteilten Kredit
zwischen Schwestergesellschaften im Konzern zu erfassen
38 6 Ob 154/19v
und in das Eigenkapitalersatzrecht einzubeziehen. Dieser
Zweck wurde im Wege des § 9 Abs 1 Satz 1 EKEG umgesetzt.
8.2. Für die Abgrenzung des Anwendungsbereichs
des § 9 EKEG im Hinblick auf downstream-Kreditvergaben
können den Materialien nach Ansicht des Senats allerdings
keine Anhaltspunkte entnommen werden. Der in den
Erläuterungen zur Regierungsvorlage nicht begründete Entfall
der noch im Ministerialentwurf enthaltenen Regelung des
Verhältnisses des Erstattungsanspruchs zur
Einlagenrückgewähr gibt in diesem Zusammenhang keine
weiteren Aufschlüsse.
8.3. Festzuhalten ist lediglich, dass der dem
Gesetzgeber offenkundig vor Augen stehende Fall des auf
Weisung der Konzernmutter während des Vorliegens einer
Unternehmenskrise gewährten Schwesternkredits typischer
Weise eine verbotene Einlagenrückgewähr darstellt. Dies
deshalb, weil die Kreditgeberin typischer Weise durch die
Kreditvergabe an die in der Krise befindliche
Schwestergesellschaft – durch die Rückzahlungssperre des
§ 14 EKEG und das hohe Ausfallsrisiko – belastet ist, ohne
dass dem ein Vorteil gegenüber stünde, wohingegen die
weisungsgebende Obergesellschaf t typischer Weise von der
Kreditgewährung an die Konzerngesellschaft, an der sie
qualifiziert beteiligt ist, profitiert (vgl Schmidsberger in
Dellinger/Keppert , Eigenkapitalersatzrecht 135 ff).
Die Deutung, dass der Erstattungsanspruch des
§ 9 Abs 1 Satz 2 EKEG „zumindest in seinem Kern“ ein
Sonderfall des § 83 Abs 1 EKEG sei (Torggler in Straube ,
WK GmbHG [Vorauflage Stand 1. 8. 2009] § 115 Rz 24),
trifft daher zu.
8.4. Dieser Befund bedeutet aber nicht, dass das
Vorliegen der Voraussetzungen einer verbotenen
39 6 Ob 154/19v
Einlagenrückgewähr für die Berechtigung des
Erstattungsanspruchs gemäß § 9 Abs 1 Satz 2 EKEG
erforderlich wäre.
In der Literatur wird in diesem Zusammenhang
darauf hingewiesen, dass auch in der prototypischen
Konstellation des Schwesternkredits nicht notwendiger Weise
eine verbotene Einlagenrückgewähr zugunsten des
gemeinsamen Gesellschafters vorliegen müsse. So sei etwa
der Fall denkbar, dass ein Schwesternkredit auch unabhängig
von der Konzernverbundenheit aus geschäftspolitischen
Erwägungen gegeben worden wäre, wenn die Kreditnehmerin
Hauptzulieferer oder -abnehmer der Kreditgeberin ist
(C. Fischer , Konzernfinanzierung 106 [Fn 404], 111 [421]).
Die Beurteilung, ob eine darauf gerichtete Weisung der
übergeordneten Konzerngesellschaft bei der gebotenen
wirtschaftlichen Betrachtungsweise (RS0105532 [T11])
bereits dazu führt, dass eine Leistung an die Obergesellschaft
vorliegt (vgl Artmann in FS Roth 30; vgl zur Fragestellung
Karollus , Einlagenrückgewähr und verdeckte
Gewinnausschüttung im Gesellschaftsrecht, in Leitner ,
Handbuch verdeckte Gewinnausschüttung [2014] 32) ist für
die Berechtigung des Erstattungsanspruchs des § 9 Abs 1
Satz 2 EKEG nicht entscheidend.
9. Nach Ansicht des erkennenden Senats ist die
Abgrenzung des Anwendungsbereichs des § 9 EKEG anhand
der dieser Bestimmung zugrunde liegenden wesentlichen
Wertungen vorzunehmen:
9.1. Auszugehen ist zunächst davon, dass der
Erstattungsanspruch des § 9 Abs 1 Satz 2 EKEG einen von
Satz 1 dieser Bestimmung verschiedenen Zweck erfüllt. Satz 1
dient dem Schutz der Gläubiger der kreditnehmenden
Gesellschaft durch Erweiterung des Kreises der erfassten
40 6 Ob 154/19v
Gesellschafter. Der in Satz 2 leg cit angeordnete
Erstattungsanspruch kommt hingegen der kreditgebenden
Gesellschaft bzw deren Gläubigern zugute.
9.2. § 9 EKEG dient im Wesentlichen dazu,
Umgehungskonstruktionen durch Einschaltung von
Konzerngesellschaften zu erfassen (vgl Kalss , GesRZ 2015,
302 [303]; Koppensteiner in FS Nowotny 370; Schopper in
Schopper/Vogt , § 9 Rz 38: „Vorschieben“ eines
Konzernmitglieds als Kreditgeber im Weg der Weisung). § 9
Abs 1 Satz 1 EKEG betrifft die Umgehung der Rechtsfolgen
des § 14 EKEG. Aber auch die in § 9 Abs 1 Satz 2 und 3
EKEG angeordneten Rechtsfolgen – Rückerstattungsanspruch
und Übergang der Rechtsstellung der Kreditgeberin auf die
weisungsgebende Gesellschafterin – verfolgen den Zweck,
den zugrunde liegenden wirtschaftlichen Vorgang rechtlich
korrekt abzubilden. Sie können daher ebenfalls als
Umgehungsschutz angesehen werden.
9.3. § 9 EKEG regelt Fälle, in denen typischer
Weise die (weisungsgebende) Gesellschafterin
„Finanzierungsverantwortung“ hinsichtlich der
Kreditnehmerin trägt. Typischer Weise kommt eine Sanierung
der kreditnehmenden Gesellschaft der weisungsgebenden
Gesellschaft wirtschaftlich zugute. Hingegen besteht
typischer Weise kein wirtschaftliches Eigeninteresse der
Kreditgeberin an der Sanierung der Kreditnehmerin. Durch
die Weisung ist das wirtschaftliche Interesse der
Gesellschafterin an der Kreditvergabe dokumentiert.
9.4. Ist die Weisung kausal für die
Kreditgewährung und gereicht die Kreditgewährung der
Kreditgeberin typischer Weise zum Nachteil, so bewirkt der
Erstattungsanspruch wirtschaftlich gesehen einen Ausgleich
41 6 Ob 154/19v
für den von der Kreditgeberin aufgrund der Weisung
erlittenen Nachteil.
10. Diese Erwägungen kommen in einem Fall wie
dem hier vorliegenden nur in einem eingeschränkten Umfang
zum Tragen.
10.1. Bei einer downstream-Kreditvergabe, bei
der die Kreditgeberin bereits erfasste Gesellschafterin der
Kreditnehmerin ist, trägt die kreditgebende Gesellschaft
selbst „Finanzierungsverantwortung“ für die Kreditnehmerin;
eine Sanierung der Kreditnehmerin kommt typischer Weise
(auch) ihr zugute. In diesem Zusammenhang kann auch nicht
ohne Weiteres stets davon ausgegangen werden, dass die
Kreditvergabe als Nachteil für die Kreditgeberin zu werten
ist: Die eine (in der Folge kreditgebende) Gesellschaft ist
nämlich qualifiziert an der in der Krise befindlichen anderen
(in der Folge kreditnehmenden) Gesellschaft beteiligt, was
jedenfalls die wirtschaftliche Entscheidung erforderlich
macht, ob und gegebenenfalls mit welcher Art der
Finanzierung eine Sanierung der in der Krise befindlichen
Gesellschaft versucht werden soll.
10.2. Unverändert gegenüber der Konstellation
des Schwesternkredits bleibt allerdings der Befund, dass auch
in Fällen der downstream-Kreditvergabe die Weisung des
Gesellschafters dokumentiert, dass dieser ein Interesse an der
Kreditvergabe an die in der Krise befindliche
Konzerngesellschaft hat und auch gewillt ist, die
Kreditvergabe entgegen den Interessen der Kreditgeberin
durchzusetzen.
11. Ausgehend von diesen Erwägungen vermag
sich der erkennende Senat der Ansicht, dass die Anwendung
des § 9 Abs 1 Satz 2 EKEG in Fällen wie dem vorliegenden –
in dem die Kreditvergabe auf Weisung der im Sinn des § 9
42 6 Ob 154/19v
Abs 1 EKEG an der Kreditgeberin und der Kreditnehmerin
beteiligten Konzerngesellschaft erfolgte, und in denen die
kreditgebende Gesellschaft ihrerseits erfasste Gesellschafterin
der kreditnehmenden Gesellschaft ist – schlechthin
ausgeschlossen wäre, nicht anzuschließen.
11.1. Dies folgt schon daraus, dass § 9 Art 1
Satz 2 EKEG unzweifelhaft den Schutz der Gläubiger der
kreditgebenden Gesellschaft anordnet (vgl Koppensteiner in
FS Nowotny 371 f): Es ist offenkundig, dass bei Vorliegen
des Zurechnungselements „Weisung“ auch diese vor dem
„Einschieben“ (vgl Schopper in Schopper/Vogt , § 9 Rz 38)
weiterer Konzerngesellschaften geschützt werden. Ein solcher
Schutzzweck kann aber auch im vertikalen Verhältnis zum
Tragen kommen. In einer Konstellation wie der vorliegenden
kommt daher der Weisung als Zurechnungselement zur
gemeinsamen Gesellschafterin das entscheidende Gewicht zu.
11.2. Zum Anwendungsbereich des § 9 Abs 1
EKEG ist daher als Ergebnis festzuhalten: Liegt eine Weisung
vor, ist – bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen des § 9
EKEG – auch bei der Kreditgewährung im vertikalen
Verhältnis von oben nach unten der Erstattungsanspruch
berechtigt.
12.1. Hinsichtlich der Auslegung des Begriffs der
Weisung schließt sich der Senat der Ansicht an, dass § 9
EKEG keine ausdrückliche Weisung verlangt. Zu fordern ist
aber die Ausübung der Lenkungsmöglichkeit der
weisungsgebenden Gesellschaft (vgl Schopper/Vogt in Koller/
Lovrek/Spitzer , IO § 9 EKEG Rz 11) derart, dass eine
erkennbar nach außen tretende Willensäußerung der
übergeordneten Konzerngesellschaft an die Kreditgeberin
herangetragen wird, die den Handlungsspielraum der
Gesellschaft einengt. Diese hat über die bloße Billigung der
43 6 Ob 154/19v
Kreditgewährung hinauszugehen (vgl Artmann in
Karollus/Artmann , AktG6 § 52 Rz 60/1; Karollus in Artmann/
Rüffler/Torggler, Gesellschafterpflichten 107 ff).
Entscheidend ist dabei jeweils nicht die gewählte
Bezeichnung der Willensäußerung, sondern die gewollte und
tatsächlich bewirkte Einflussnahme auf den
Handlungsspielraum der Gesellschaft.
12.2. Sofern in den Entscheidungsorganen der
kreditgebenden Gesellschaft mehrheitlich Mitglieder der
Entscheidungsorgane der weisungsgebenden Gesellschaft
vertreten sind, erscheint es sachgerecht, unter
Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls von
herabgesetzten Anforderungen an die Ausprägung der
Weisung auszugehen. Dies ist etwa auch dann sachgerecht,
wenn die Person, die die „Doppelrolle“ innehat, die
Möglichkeit hat – etwa aufgrund einer Ressortverteilung –
faktisch die Entscheidungsbefugnis der übrigen Mitglieder der
Geschäftsführung einzuengen (vgl Karollus in
Artmann/Rüffler/Torggler , Gesellschafterpflichten 113).
12.3. Der Inhalt der Weisung muss die
Kreditvergabe zumindest miterfassen und für diese
(mit-)kausal sein.
12.4. Die Beweislast für das Vorliegen einer
Weisung (im dargestellten Sinn) trifft den Kläger.
Dieser kann sich im vorliegenden Fall nicht auf
die Beweiserleichterung des Anscheinsbeweises stützen, weil
hier die kreditgebende Gesellschaft selbst mittelbar
mehrheitlich an der kreditnehmenden Gesellschaft beteiligt
ist. In einer solchen Konstellation kann nicht davon
ausgegangen werden, dass die Kreditgewährung an die in der
Krise befindliche Tochter erfahrungsgemäß nur auf Weisung
der übergeordneten Konzerngesellschaft erfolgt wäre. Es fehlt
44 6 Ob 154/19v
daher an dem für den Anscheinsbeweis vorausgesetzten
typischen Geschehensablauf (RS0040266; RS0022611;
RS0040287).
Zum Aufhebungsbeschluss :
13. Das Berufungsgericht begründete den
Aufhebungsbeschluss mit der unterbliebenen Einvernahme der
Zeugen S***** und T***** zum Themenkomplex des
Vorliegens einer Weisung im Sinn des § 9 EKEG sowie der
unterbliebenen Einholung eines Sachverständigengutachtens
zum Vorliegen einer Krise.
13.1. Die diesem Aufhebungsbeschluss zugrunde
liegende Rechtsansicht, dass es für den geltend gemachten
Anspruch gemäß § 9 Abs 1 Satz 2 EKEG auf das Vorliegen
einer Weisung ankommt, ist zutreffend.
Das Erstgericht wird daher im fortgesetzten
Verfahren das Beweisverfahren im Hinblick auf das Vorliegen
einer Weisung im Sinn des § 9 Abs 1 Satz 2 EKEG,
gegebenenfalls im Hinblick auf das Vorliegen einer Krise im
Sinn des § 2 EKEG, zu ergänzen haben.
13.2.1. Die Rekurswerberin steht auf dem
Standpunkt, das Berufungsgericht habe die unterbliebene
Einvernahme der Zeugen S***** und T***** zu Unrecht als
Verfahrensmangel behandelt, weil es ohne darauf gerichtete
Rüge einen Mangel der Beschlussfassung über das
Aussageverweigerungsrecht der Zeugen aufgegriffen habe und
weil das Erstgericht deren Weigerung zutreffend als
berechtigt beurteilt habe.
13.2.2. Die Rekurswerberin wird mit ihren
Ausführungen zum Aussageverweigerungsrecht der Zeugen
auf den Beschluss des Obersten Gerichtshofs zu 6 Ob 155/19s
verwiesen. Mit dieser Entscheidung wurden die
Revisionsrekurse der Zweitbeklagten und der genannten
45 6 Ob 154/19v
Zeugen zurückgewiesen, sodass die Entscheidung des
Rekursgerichts, mit der der vom Erstgericht gefasste
Beschluss über die Rechtmäßigkeit der Aussageverweigerung
der Zeugen ersatzlos behoben wurde, in Rechtskraft erwuchs.
13.3. Der Aufhebungsbeschluss des
Berufungsgerichts beruht auch nicht auf einer aktenwidrigen
Grundlage:
Die Rekurswerberin verkennt, dass das
Berufungsgericht einen Verfahrensmangel nicht in der
Berücksichtigung von im Verfahren vorgelegten Urkunden
(hier: Sachverständigengutachten aus dem strafrechtlichen
Ermittlungsverfahren), sondern in der unter Berufung auf
§ 281a ZPO unterbliebenen Einholung des vom Kläger
beantragten Sachverständigengutachtens zum Vorliegen einer
Krise im Sinn des § 2 EKEG erkannte.
13.4. § 281a ZPO sieht eine Lockerung des
Unmittelbarkeitsgrundsatzes vor (vgl RS0113304), indem es
unter den dort angeführten Voraussetzungen die mittelbare
Beweisaufnahme unter gleichzeitiger Abstandnahme von der
unmittelbaren Beweisaufnahme gestattet.
13.5. Auch hinsichtlich der Zeugen S***** und
T***** liegt die vom Berufungsgericht aufgegriffene
unrichtige Anwendung des § 281a ZPO im Unterbleiben der
unmittelbaren Beweisaufnahme, nicht in der Verwertung der
als Urkunden vorgelegten Protokoll. Die Rekursausführungen
zur Zulässigkeit der Verwertung der vorgelegten
Vernehmungsprotokolle gehen daher ins Leere. Der Kläger
hat die unterbliebene Einvernahme der Zeugen – entgegen den
Rekursausführungen – in seiner Berufung auch gerügt.
14. Im Ergebnis kommt dem Rekurs der
Zweitbeklagten daher keine Berechtigung zu. Das Erstgericht
wird das Verfahren im aufgezeigten Sinn zu ergänzen haben.
46 6 Ob 154/19v
15. Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52
ZPO.
Oberster Gerichtshof,Wien, am 23. April 2020
Dr. S c h r a m mFür die Richtigkeit der Ausfertigungdie Leiterin der Geschäftsabteilung: