19-05-28 mediensucht günter · 2019. 11. 7. · kompetenzen fördern - informationsangebote für...

21
Medien- und Computerspielsucht Prof. Dr. med. Michael Günter Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie Sommersemester 2019

Upload: others

Post on 01-Jan-2021

0 views

Category:

Documents


0 download

TRANSCRIPT

Page 1: 19-05-28 Mediensucht Günter · 2019. 11. 7. · Kompetenzen fördern - Informationsangebote für Eltern formulieren - Niedrigschwellige Zugänge und Möglichkeiten anbieten, um Spiele

Medien- und Computerspielsucht

Prof. Dr. med. Michael GünterKlinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie undPsychotherapieSommersemester 2019

Page 2: 19-05-28 Mediensucht Günter · 2019. 11. 7. · Kompetenzen fördern - Informationsangebote für Eltern formulieren - Niedrigschwellige Zugänge und Möglichkeiten anbieten, um Spiele

Prof. Dr. Michael Günter 2019

Welcher Aussage stimmen Sie zu?

«Im Jahre 2020 werden die Gehirne von Multitasking betreibenden Teenagern und jungen Erwachsenen anders ‹verdrahtet› sein als die Gehirne der Menschen über 35 Jahren,

• und dies wird insgesamt böse und traurige Auswirkungen haben. Sie können sich nichts mehr merken, verbringen die meiste Energie damit, kurze soziale Nachrichten auszutauschen, mit Unterhaltung und mit Ablenkung von einer wirklich tiefen Beschäftigung mit Menschen und Erkenntnissen. Die Fähigkeit zum grundlegenden Nachdenken haben sie nicht, die zur wirklichen Gemeinschaft von Angesicht zu Angesicht auch nicht. Sie hängen vielmehr in einer sehr ungesunden Weise vom Internet und mobilen Endgeräten ab, um überhaupt zu funktionieren. In der Summe führen die Veränderungen des Verhaltens und Denkens bei den jungen Leuten ganz allgemein zu negativen Auswirkungen.»

• und dies wird insgesamt positive Auswirkungen haben. Sie leiden nicht unter kognitiven Einbußen, während sie rasch mehrere persönliche und berufliche Aufgaben zugleich erledigen. Im Gegenteil, sie lernen mehr und sind eher dazu in der Lage, Antworten auf tiefgreifende Fragen zu finden, zum Teil deswegen, weil sie effektiver suchen und die kollektiv im Internet vorhandenen Informationen besser anzapfen können. In der Summe führen die Veränderungen des Lernverhaltens und Denkens bei den jungen Leuten ganz allgemein zu positiven Auswirkungen.»(Anderson und Rainie 2012, nach Spitzer 2012)

2

Page 3: 19-05-28 Mediensucht Günter · 2019. 11. 7. · Kompetenzen fördern - Informationsangebote für Eltern formulieren - Niedrigschwellige Zugänge und Möglichkeiten anbieten, um Spiele

Prof. Dr. Michael Günter 201929.05.2019 Prof. Dr. Vorname Nachname Themennennung Seite 3

Derek, 4 und Isabella mit ihren eigenen Tablets

https://www.nytimes.com/2015/11/02/health/many-children-under-5-are-left-to-their-mobile-devices-survey-finds.html

http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/familie/studie-ueber-die-folgen-von-smartphones-fuer-kinder-13833385.html, Bild: dpa

Page 4: 19-05-28 Mediensucht Günter · 2019. 11. 7. · Kompetenzen fördern - Informationsangebote für Eltern formulieren - Niedrigschwellige Zugänge und Möglichkeiten anbieten, um Spiele

Prof. Dr. Michael Günter 2019

• Children younger than 1 year of age were exposed to media devices in surprisingly large numbers: 52 percent had watched TV shows, 36 percent had touched or scrolled a screen, 24 percent had called someone, 15 percent used apps and 12 percent played video games. (Kabali et al. 2015)

• Korea 3% der Babys haben ein eigenes Smartphone

• Üblicherweise sieht fast die Hälfte der Kindergartenkinder wenig fern, das heißt, gar nicht oder nur bis zu 30 Minuten am Tag. Fast ein Fünftel sieht aber auch mehr als zwei Stunden täglich. (Bachmair 2006, https://www.bildungsserver.de/onlineressource.html?onlineressourcen_id=33402 )

• USA: durchschnittlicher Beginn Fernsehen: 9 Monate, 90% regelmäßig bis zum Alter von 2 Jahren (Zimmerman et al. 2007), Babys < 1 Jahr sehen durchschnittlich 1 Std., Kleinstkinder < 2 Jahren 2 Std. (Rideout & Hamel 2006)

• Medienkonsum von Kindern ist abhängig vom Medienkonsum der Eltern

29.05.2019 4

Einige Fakten zur Epidemiologie …

Page 5: 19-05-28 Mediensucht Günter · 2019. 11. 7. · Kompetenzen fördern - Informationsangebote für Eltern formulieren - Niedrigschwellige Zugänge und Möglichkeiten anbieten, um Spiele

Prof. Dr. Michael Günter 2019

• Geringe Verarbeitungstiefe führt zu geringer Verankerung des gelernten, Oberflächlichkeit• Lernen über Körpererfahrung und soziale Interaktion• Was im Netz verfügbar ist oder dafür gehalten wird, wird schlecht behalten• Nahezu alle 5 Minuten Nahrungsmittelwerbung im Kinderfernsehen → Übergewicht• Pro Stunde täglicher Fernsehkonsum im Kleinkindesalter, Erhöhung des ADHS Risikos um

10% (Christakis et al. 2004)• Baby-TV und Baby-DVDs (z.B. mit Sprachprogrammen) haben einen negativen Effekt auf

die Sprachentwicklung, Vorlesen einen positiven; Kinder benötigen den Kontakt mit einem gegenüber, um Laute und Sprache zu erlernen.(Zimmerman et al. 2007b).

• Kognitive Entwicklung und Schulerfolg negativ abhängig von Zeit des täglichen Fernsehkonsums (Hancox et al. 2005)

• Lesen lernen vermutlich besser durch Schreiben mit Bleistift als mittels Tastatur (Longcamp2005)

• Verminderung der Sozialkontakte durch ausgedehnte Mediennutzung (Hancox et al. 2004)

29.05.2019 5

Studienergebnisse: Probleme mit elektronischen Medien

Page 6: 19-05-28 Mediensucht Günter · 2019. 11. 7. · Kompetenzen fördern - Informationsangebote für Eltern formulieren - Niedrigschwellige Zugänge und Möglichkeiten anbieten, um Spiele

Prof. Dr. Michael Günter 2019

• Veränderung der Organisation neuronaler Netzwerke

• Bedeutung sinnlicher Erlebniswelten für Entwicklung und Lernen– Selbsterfahrung durch die Bewegung, Anstrengung, Körpererleben– Hautsinn (Berührung), Tiefensensibiltät, Geruch– Sozial-emotionale Kommunikation

• Grundlegende Veränderung der Wahrnehmung und psychischen Organisation durch Bildwelten

• Multitasking – Aufmerksamkeit/Konzentration/Vertiefung – Beschleunigung

→ bleibt genug Zeit für andere Erfahrungsmodi, Ruhe, Kommunikation?

• Umgang der Eltern mit Medien!29.05.2019 6

Grundfragen – Chancen? Risiken?

Page 7: 19-05-28 Mediensucht Günter · 2019. 11. 7. · Kompetenzen fördern - Informationsangebote für Eltern formulieren - Niedrigschwellige Zugänge und Möglichkeiten anbieten, um Spiele

Prof. Dr. Michael Günter 2019

Epidemiologie

Prävalenz der Internetabhängigkeit (PINTA) Studie 2011

14-64 Jahre 1% der Bevölkerung internetabhängig 4,6% problematische Nutzer14-24 Jahre: 2,4% abhängig 13,6% problematische Nutzer14-16 Jahre 4,9% d. Mädchen abhängig!! 3,1% d. Jungen abhängigv.a. soziale Netzwerke, bei Mädchen kaum Computerspiele

Quelle: http://www.drogenbeauftragte.de/fileadmin/dateien-dba/DrogenundSucht/Computerspiele_Internetsucht/Downloads/PINTA-Bericht-Endfassung_280611.pdf

Page 8: 19-05-28 Mediensucht Günter · 2019. 11. 7. · Kompetenzen fördern - Informationsangebote für Eltern formulieren - Niedrigschwellige Zugänge und Möglichkeiten anbieten, um Spiele

Prof. Dr. Michael Günter 2019

Studie der Kriminologischen Forschungsstelle Niedersachsen N = ca.16000 Schülerinnen und Schüler, Alter 15 Jahre

exzessives Spielverhalten (>4,5 Std/Tag): Mädchen 4,3% Jungen 15,8%

abhängig Mädchen 0,3% Jungen 3%

gefährdet: Mädchen 0,5% Jungen 4,7%

Umstritten! (Rehbein et al. 2009)

Epidemiologie

Page 9: 19-05-28 Mediensucht Günter · 2019. 11. 7. · Kompetenzen fördern - Informationsangebote für Eltern formulieren - Niedrigschwellige Zugänge und Möglichkeiten anbieten, um Spiele

Prof. Dr. Michael Günter 2019

Gefährdung

geringe soziale Anerkennung soziale Kontaktschwäche Bestimmte psychische Erkrankungen mit sozialem Rückzug

(ADHS, Autismus-Spektrum-Störung, Depression, soziale Ängste, Schulphobie, narzisstische Problematik)

soziale/schulische Misserfolgserlebnisse Probleme in der Familie viel Freizeit, unstrukturierter Alltag Peer group Feindseligkeit als Risikofaktor (Ko et al. 2009)

u.a. Ko et al. 2009

Page 10: 19-05-28 Mediensucht Günter · 2019. 11. 7. · Kompetenzen fördern - Informationsangebote für Eltern formulieren - Niedrigschwellige Zugänge und Möglichkeiten anbieten, um Spiele

Prof. Dr. Michael Günter 2019

Faszination

Reizdichte, Thrill, Erregung, aber auch Beruhigung Kontrolle, Reichweite (macht, was ich will) Leben in Fantasiewelten Kommunikation, hole mir Freunde/die Welt nach Hause Peer group Status, Erfolgserlebnisse Permanente Verfügbarkeit»Fun factors«1. Spannungserleben und emotionale Beteiligung,2. Gruppenbeziehungen, Teamgeist, 3. Handlungswirksamkeit, Macht, Möglichkeiten, andere zu

manipulieren, Identifikation mit Helden, 4. (intellektuelle) Herausforderung und Erfolg, Sieg.

Page 11: 19-05-28 Mediensucht Günter · 2019. 11. 7. · Kompetenzen fördern - Informationsangebote für Eltern formulieren - Niedrigschwellige Zugänge und Möglichkeiten anbieten, um Spiele

Prof. Dr. Michael Günter 2019

Einengung des Verhaltensmusters, fortschreitende Vernachlässigung anderer Tätigkeiten oder Interessen und

unwiderstehliches Verlangen, am Computer zu spielen Regulation von negativen Gefühlszuständen durch Erregung oder

Entspannung Toleranzentwicklung: Steigerung der Häufigkeit oder Dauer/Intensität des

Computerspielens Entzugserscheinungen (Nervosität, Unruhe, Schlafstörungen) bei

verhinderter Computerspielnutzung verminderte Kontrollfähigkeit in Bezug auf Beginn, Beendigung und Dauer

des Computerspielens (Rückfall nach Zeiten der Abstinenz oder des kontrollierten Spielens) anhaltendes exzessives Computerspielen trotz nachweislich eindeutiger

schädlicher Folgen (z.B. Übermüdung, Leistungsabfall in der Schule, Mangelernährung)

bei drei Kriterien erfüllt

Adaptierte Suchtkriterien für exzessives Computerspielen

Quelle: Barth et al. 2009

Page 12: 19-05-28 Mediensucht Günter · 2019. 11. 7. · Kompetenzen fördern - Informationsangebote für Eltern formulieren - Niedrigschwellige Zugänge und Möglichkeiten anbieten, um Spiele

Prof. Dr. Michael Günter 2019

Reizbarkeit, schlechte Laune, aggressive ImpulsdurchbrücheDepressivitätNervositätSchlafstörungenEssstörungenSchweißausbrüche„Leben ohne PC sinnlos“

Vegetative Begleiterscheinungen können bis zu einer Woche anhalten

Entzugserscheinungen

Page 13: 19-05-28 Mediensucht Günter · 2019. 11. 7. · Kompetenzen fördern - Informationsangebote für Eltern formulieren - Niedrigschwellige Zugänge und Möglichkeiten anbieten, um Spiele

Prof. Dr. Michael Günter 2019

Komorbidität in einer klinischen Population

Komorbidität in der Tübinger Inanspruchnahme-population

Quelle: Barth 2012http://www.medizin.uni-tuebingen.de/ppkj/Studium/barth_nichtstoffgeb_sucht_12.pdf

Page 14: 19-05-28 Mediensucht Günter · 2019. 11. 7. · Kompetenzen fördern - Informationsangebote für Eltern formulieren - Niedrigschwellige Zugänge und Möglichkeiten anbieten, um Spiele

Prof. Dr. Michael Günter 2019

Katharsisthese (Abreaktion) trifft nicht zu, statt dessen werden Gewaltfantasien „eingeübt“

Induktionsthese trifft nicht zu (Gewaltkonsum erzeugt gleichartige Gewalt)

Tatsächlich komplexer Zusammenhang zwischen Primärpersönlichkeit, familiärem und sozialem Umfeld, Gewaltkonsum, Darstellung der Gewalt im Spiel (bestätigend, realistisch, legitimiert)

Aufbau von Gewaltfantasien, keine alternativen Lösungsstrategien, soziale Isolation spielen eine wichtige Rolle

Jedoch: Studien und Metaanalysen legen mittlerweile nahe, dass unabhängig von derartigen Moderatorvariablen der Konsum gewalthaltiger Videospiele einen kausalen Risikofaktor für eine Zunahme aggressiven Verhaltens, aggressiver Kognitionen und aggressiver Affekte und für eine Abnahme von Empathie und prosozialen Verhaltensweisen im unteren Bereich darstellt (Anderson et al. 2008).

Computerspiele und Aggressivität

Page 15: 19-05-28 Mediensucht Günter · 2019. 11. 7. · Kompetenzen fördern - Informationsangebote für Eltern formulieren - Niedrigschwellige Zugänge und Möglichkeiten anbieten, um Spiele

Prof. Dr. Michael Günter 2019

Protokollierung Selbsteinschätzung, wie viel akzeptabel ist Absprachen zwischen Eltern und Kindern mit konsequenter Umsetzung,

ggf. Koppelung an bestimmte andere Ziele (z.B. Schularbeiten) Technische Möglichkeiten der Begrenzung (Zeitsperren, Verfügbarkeit

der Geräte, WLAN/Bluetooth)

Alternativangebote!!!, familiäre Aktivitäten, Förderung von Alternativverhalten, gemeinsame Aktivitäten!!

Im Gespräch bleiben, sich dafür interessieren! Eigenen Medienkonsum überprüfen!!

Rückgriff auf professionelle Hilfe, z.B. bei bei Affektdurchbrüchen (ggf. auch Notfalleinweisung)

Hilfeangebote: Möglichkeiten der (Selbst-)Strukturierung und Vorbildfunktion der Eltern

Page 16: 19-05-28 Mediensucht Günter · 2019. 11. 7. · Kompetenzen fördern - Informationsangebote für Eltern formulieren - Niedrigschwellige Zugänge und Möglichkeiten anbieten, um Spiele

Prof. Dr. Michael Günter 2019

Medienerziehung

Objektive Aufklärung über Risiken unterschiedlichster Art Suchtpotential Sozialer Rückzug Anonymität Preisgabe persönlicher Daten Sexuelle Attacken

Einbau und Einüben attraktiver medialer Angebote im Unterricht

Gruppenkultur und Kommunikation fördern Erkennen und Ansprechen von Fehlentwicklungen und

gemeinsames Gespräch mit Jugendlichem und Eltern

Möglichkeiten der Schule

Page 17: 19-05-28 Mediensucht Günter · 2019. 11. 7. · Kompetenzen fördern - Informationsangebote für Eltern formulieren - Niedrigschwellige Zugänge und Möglichkeiten anbieten, um Spiele

Prof. Dr. Michael Günter 2019

Medienpädagogische Empfehlungen

Spielerbezogene HandlungsempfehlungenSelbstbestimmten Umgang mitComputerspielen fördern

- Spielbezogenes Wissen als Ausgangspunkt fürweiterführende kreative Umgangsweisen nehmen- Informationsangebote und Reflexionsmöglichkei-ten bieten

Zielgruppenspezifische Angeboteausbauen

- Medienpädagogische Projekte für bestimmteZielgruppen (z. B. die spielaffinen Jungen) anbie-ten und an der jeweiligen alltäglichen Mediennut-zung anknüpfen.- Peer-to-Peer-Ansätze weiterentwickeln, in denenGleichaltrige als Rollenvorbilder fungieren

Transferräume schaffen - Spielbezogene Kompetenzen ernst nehmen undvon ihnen ausgehend Möglichkeiten anbieten, indenen die Spieler diese anwenden können

Alternativen bieten - Andere, nicht computerspiel- oder medienbezo-gene Aktivitäten (z. B. erlebnispädagogische An-gebote) bereitstellen- Andere Spiele mit hohem Kompetenzförderungs-potenzial (z. B. Serious Games) anbieten- Andere Nutzungsweisen anregen, die eine reflektierte Auseinandersetzung mit den Spielen ermöglichen

Quelle: http://www.hans-bredow-institut.de/webfm_send/563

Page 18: 19-05-28 Mediensucht Günter · 2019. 11. 7. · Kompetenzen fördern - Informationsangebote für Eltern formulieren - Niedrigschwellige Zugänge und Möglichkeiten anbieten, um Spiele

Prof. Dr. Michael Günter 2019

Medienpädagogische Empfehlungen

Elternbezogene HandlungsempfehlungenMedienkompetenz und medienpädagogische Kompetenzen fördern

- Informationsangebote für Eltern formulieren- Niedrigschwellige Zugänge und Möglichkeitenanbieten, um Spiele auszuprobieren, zu bewertenund darüber zu diskutieren- Konzepte zur Integration medienerzieherischerErkenntnisse und Ansätze in den jeweiligen Er-ziehungsalltag entwickeln- Innovative Strategien der Elternarbeit und -ansprache zur Sensibilisierung konkreter Zielgruppen entwickeln- Dialog zwischen Eltern und Kindern fördern

Quelle: http://www.hans-bredow-institut.de/webfm_send/563

Page 19: 19-05-28 Mediensucht Günter · 2019. 11. 7. · Kompetenzen fördern - Informationsangebote für Eltern formulieren - Niedrigschwellige Zugänge und Möglichkeiten anbieten, um Spiele

Prof. Dr. Michael Günter 2019

Zusammenfassung 1

• Elektronische Medien sind überwiegend als Bildwelten gestaltet. Dies macht sie einerseits attraktiv und spannend, führt andererseits zu einer Umstrukturierung unserer Wahrnehmungsorganisation, deren Folgen noch nicht abzuschätzen sind. Dies begann bereits mit der bildenden Kunst, nahm Fahrt auf mit der Fotografie als Massenmedium, ging weiter mit Kino, Fernsehen und erreicht einen Höhepunkt heute mit einer Omnipräsenz von (Bild-)Werbung und elektronischen Medien.

• Lernprozesse, Wahrnehmung und kognitive und emotionale Organisation werden dadurch tiefgehend verändert. Neurowissenschaftliche Befunde zeigen, dass sich dies, wie nicht anders zu erwarten, dauerhaft in der Organisation neuronaler Netzwerke niederschlägt – unser Gehirn und speziell das von Kindern verändert sich.

• Die Hoffnungen auf effizienteres Lernen durch elektronische Medien haben sich – im Gegensatz zum Buch - nicht erfüllt. Im Gegenteil, es zeigen sich zahlreiche Probleme. Das Erlernen der Kulturtechniken (Lesen, Schreiben, Rechnen) wird behindert, Bildungskarrieren beeinträchtigt, selbst Multitasking wird nicht verbessert.

Page 20: 19-05-28 Mediensucht Günter · 2019. 11. 7. · Kompetenzen fördern - Informationsangebote für Eltern formulieren - Niedrigschwellige Zugänge und Möglichkeiten anbieten, um Spiele

Prof. Dr. Michael Günter 2019

Zusammenfassung 2

• Das eigentliche Problem der elektronischen Medien ist, dass bei starkem Gebrauch zu wenig Zeit für sinnlich haptische Erlebnisse und unmittelbare soziale Erfahrungen bleibt. Besonders Kleinkinder sind für Entwicklungs-und Lernprozesse auf eine Verbindung von körperlichen Wahrnehmungen, sozialer Interaktion und neuen (Lern-)erfahrungen angewiesen. Nur so bilden sich stabile psychische Strukturen und werden in der kognitiven und Persönlichkeitsentwicklung verankert.

• Sehr wichtig ist der Mediengebrauch der Eltern

Page 21: 19-05-28 Mediensucht Günter · 2019. 11. 7. · Kompetenzen fördern - Informationsangebote für Eltern formulieren - Niedrigschwellige Zugänge und Möglichkeiten anbieten, um Spiele

Prof. Dr. Michael Günter

Prof. Dr. med. Michael Günter

Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie -Klinikum Stuttgart

Zentrum für Seelische GesundheitZentrum für Kinder- und Jugendmedizin – Olgahospital (kooptiert)

Prießnitzweg 2470374 StuttgartE-Mail: [email protected]