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Geldtheorie und Geldpolitik
Prof. Dr. Jochen Michaelis Geldtheorie und Geldpolitik SS 2013
Grundzüge der Geldtheorie und Geldpolitik
Sommersemester 2013
6. Theorie der Zinsstruktur und
Quantitative Easing
6. Theorie der Zinsstruktur und Quantitative Easing
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6.1 Theorie der Zinsen
Mishkin, Kap. 4 – 6 Gischer/Herz/Menkhoff, Kap. 3 und 4
• Zinssätze so bedeutsam, weil sie Gegenwart und Zukunft miteinander verknüpfen
• Ausgangspunkt:
Ein Euro heute hat einen höheren Wert als ein Euro morgen (in einem Jahr)
• Grund:
der Euro heute kann verzinslich angelegt werden, sein Wert steigert sich auf 1€(1+i)
• Konsequenz:
Zukünftige Zahlungen müssen abdiskontiert werden, Ermittlung des Gegenwartswerts
(1) mit i = Jahreszins
Gegenwartswert eines Zahlungsstroms = Wert eines Bonds = heutiger Kurs eines WP
T
T
B
i
C
i
C
i
C
i
CCPVtP
)1(...
)1()1(1)(
3
3
2
21
00
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• Achtung:
Kurs und Rendite eines Wertpapiers stets gegenläufig!
Beispiel:
Kauf eines WP (Bond B) mit einjähriger Restlaufzeit, nach Ablauf des Jahres erhält
man den Nennwert 100 € sowie eine Nominalverzinsung von
(2) Effektivverzinsung = Rendite
• Kurs
• Kurs
• Kurs
%10nomi
B
Bnom
P
PiR
)1(100
100BP
105BP
80BP
1,0100
100110
R
048,0105
105110
R
375,080
80110
R
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umgeformt nach dem Kurs:
(3) → Kurs und Rendite eines WP stets gegenläufig
analoges gilt für erwarteten Kurs und erwarteter Rendite, d.h. es gilt:
(4) erwarteter Kurs
• Wird ein WP vor Ende der Laufzeit verkauft, so berechnet sich die Rendite wie
folgt:
(5)
Mit als Zinsertrag und als Kursgewinn(-verlust) resultiert:
R
iNennwertP nom
B
1
)1(
e
nome
B
R
iNennwertP
1
)1(
)(
)()1(
)()(
)]()1([
tP
tPtP
tP
C
tP
tPtPCR
B
BB
BB
BB
)(tP
Ci
B
C
)(
)()1(
tP
tPtPg
B
BB
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(6)
Rendite = Summe aus Zinsertrag und Kursgewinn(-verlust)
• Wie reagiert die Rendite, wenn beispielsweise die Geldpolitik den Jahreszins
(überraschend) erhöht?
Gemäß (1) sinkt der Kurs des WP, Kurssenkung umso stärker, je länger die
Laufzeit des Papiers
Kursverluste senken die Rendite, die ggf. sogar negativ sein kann
Zinsänderungsrisiko
Zinsänderungsrisiko tritt nicht auf, wenn WP bis zum Ende der Laufzeit gehalten wird.
giRC
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(6)
Rendite = Summe aus Zinsertrag und Kursgewinn(-verlust)
• Wie reagiert die Rendite, wenn beispielsweise die Geldpolitik den Jahreszins
(überraschend) erhöht?
Gemäß (1) sinkt der Kurs des WP, Kurssenkung umso stärker, je länger die
Laufzeit des Papiers
Kursverluste senken die Rendite, die ggf. sogar negativ sein kann
Zinsänderungsrisiko
Zinsänderungsrisiko tritt nicht auf, wenn WP bis zum Ende der Laufzeit gehalten wird.
giRC
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6.2 Die Interdependenz der Zinssätze: Theorie der Zinsstruktur
• Wir haben bisher immer von dem Zinssatz gesprochen. Allerdings gibt es Zinssätze
auf Anlageformen mit unterschiedlicher Fristigkeit, also bspw. Zinsen auf
langfristige Anlagen und auf kurzfristige Anlagen.
• Investitionsentscheidungen und Kauf dauerhafter Konsumgüter werden
typischerweise von Langfristzinsen bestimmt, während die Opportunitätskosten der
Geldhaltung kurzfristiger Natur sind.
• Die Kurzfristzinsen sind das Instrument der ZB, allerdings sind diese Zinsen direkt
gar nicht so relevant für die meisten ökonomischen Entscheidungen.
• Der Zusammenhang zwischen langfristigen und kurzfristigen Zinsen wird auch
Zinsstruktur (term structure, yield curve) genannt.
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Abb. 1: Yield curves
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𝑅𝑒𝑠𝑡𝑙𝑎𝑢𝑓𝑧𝑒𝑖𝑡
𝑅
𝑛𝑜𝑟𝑚𝑎𝑙
i𝑛𝑣𝑒𝑟𝑠
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Abb. 2: Zinsen auf US-Staatsanleihen
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Erwartungstheorie der Zinsstruktur
Hypothese: die Langfristzinsen hängen von den Erwartungen über die kurzfristigen
Zinsen ab.
Anlagestrategie bei Anlagezeitraum von zwei Jahren:
𝑅(2) = Rendite der 2jährigen Anlage pro Jahr (Jahreszins einer 2jährigen Anlage)
𝑅(1) = Rendite eines 1-Jahres-Papiers
Annahme:
Anleger sind risikoneutral, d.h. sie maximieren erwartete Rendite (keine Risikoprämie)
Arbitrage-Gedanke:
Die erwartete Rendite sollte unabhängig von der Art des WP sein, d.h. es sollte keine
Rolle spielen, ob man heute das zweijährige Papier kauft oder heute ein einjähriges
und in einem Jahr wiederum ein einjähriges Papier.
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Übereinstimmung der erwarteten Renditen:
(7)
Mit = zum Zeitpunkt t erwartete Rendite eines 1jährigen Papiers, das in t+1
gekauft wird
wenn > , dann verstärkte Käufe 2jähriger Papiere, Kurs,
wenn < , dann verstärkte Käufe 1jähriger Papiere, Kurs,
linearisieren:
(8)
)1)(1()1)(1( )1(1
)1()2()2( tt RERRR
)1(1tt RE
)2(R
)1(R
t
tt RERR
rr (1)
1tr
tE
)1(log)1(log)1log(2 )1(
1
)1()2(
)1()2(
)1(1
)1()2(
2
1 tt rErr
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Umgeformt:
(9)
Aus der Differenz zwischen langfristigem und kurzfristigem Zins lassen sich
Erwartungen über zukünftige Zinsen ablesen!
Beispiel: = 10% = 5%
• positiver Zinsspread = Erwartung steigender kurzfristiger Zinsen
Erwarten die Wirtschaftssubjekte steigende kurzfristige Zinsen, so wird die
Anlagestrategie einer laufenden Revolvierung attraktiver im Vergleich zum Kauf eines
langfristigen Papiers. Es gilt dann
)1()2()1(
12 rrrE
tt
)2(r )1(r %15%5%102)1(
1 tt rE
).1)(1()1( )1(
1
)1(2)2(
tt RERR
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Die Anleger werden die zweijährigen Papiere verkaufen, was deren Kurs senkt und
deren Rendite steigert. Der zusätzliche Kauf einjähriger Papiere erhöht deren
Kurs und senkt deren Rendite .
Quintessenz: positiver Zinsspread
• negativer Zinsspread = Erwartung fallender kurzfristiger Zinsen
Erwarten die Anleger sinkende kurzfristige Zinsen, so wird die Anlagestrategie einer
laufenden Revolvierung unattraktiv im Vergleich zum Kauf des langfristigen Papiers.
Es gilt dann
Die Anleger werden die zweijährigen Papiere kaufen, deren Kurs steigt, ihre Rendite
𝑅(2) sinkt. Der Verkauf der einjährigen Papiere senkt deren Kurs und erhöht deren
Rendite 𝑅(1) .
)2(R
)1(R
)2()1( , RR
)1()1()1( )1(
1
)1(2)2(
tt RERR
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Quintessenz: negativer Zinsspread
Sofern der Zins keinen systematischen Trend im Zeitverlauf aufweist, sollten normale
und inverse Zinsstruktur annähernd gleich häufig sein.
Aber:
Langfristige Papiere haben einen Liquiditätsnachteil. Je länger die Restlaufzeit des
WP, desto größer das Risiko, dass das WP vor Fälligkeit zu u.U. ungünstigen Kursen
verkauft werden muss. Für dieses Risiko verlangen (risikoaverse) Anleger eine
Liquiditäts- bzw. eine Risikoprämie in Form einer höheren Verzinsung des
langfristigen Papiers.
positiver Zinsspread dominiert Liquiditätsprämientheorie
)2()1( , RR
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Wie wirkt Geldpolitik auf den langfristigen Zins?
Bei einer zweijährigen Anlage gilt (siehe (8)):
Für eine dreijährige Anlage lässt sich zeigen:
allgemein gilt:
langfristiger Zins = gewichteter Durchschnitt der erwarteten kurzfristigen Zinsen
)1(1
)1()2(
2
1 tt rErr
)1(
2
)1(
1
)1()2(
1
)1()3(
3
1
3
1
tttttt
rErErrErr
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Expansive Geldpolitik:
• kurzfristiger Zins sinkt:
Kurzfristiges Revolvieren wird weniger attraktiv, verkaufe kurzfristige Papiere und
kaufe langfristige Papiere. Letzteres senkt den langfristigen Zins.
• erwartete kurzfristige Zinsen sinken:
Umschichtung von kurzfristigen zu langfristigen Papieren:
Erwartungsbildung wird beeinflusst maßgeblich von Transparenz und
Kommunikation der Geldpolitik
M
)2()1(
1)1()2()1(
2
1rrErrr tt
)1(2
)1(1, tttt rErE
)2(r
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Quintessenz:
• Bei einer expansiven Geldpolitik macht die ZB die kurzfristigen Anlagen
weniger attraktiv. Es erfolgt eine Umschichtung zugunsten langfristiger Anlagen.
• Dies impliziert insbesondere eine Reduktion des langfristigen Zinssatzes.
• Rückgang des langfristigen Zinssatzes entscheidend von der Erwartung der
Akteure abhängig, ob Reduktion des kurzfristigen Zinssatzes als transitorisch
oder dauerhaft anzusehen ist.
• Kommunikationspolitik seitens der Geldpolitik rückt in den Mittelpunkt
Woodford: “… not only do expectations about policy matter, but, at least under
current conditions, very little else matters"
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6.3 Geldpolitik in turbolenten Zeiten: Quantitative Easing
Geldpolitik in vielen Ländern an Null-Zins-Untergrenze angelangt
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6.3 Geldpolitik in turbolenten Zeiten: Quantitative Easing
Geldpolitik in vielen Ländern an Null-Zins-Untergrenze angelangt
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Land/Region Aktueller Zinssatz Vorheriger Zinssatz Änderungsdatum
Tschechien 0,050 % 0,250 % 01.11.2012
Japan 0,100 % 0,100 % 05.10.2010
Dänemark 0,200 % 0,300 % 02.05.2013
Vereinigte Staaten 0,250 % 1,000 % 16.12.2008
Schweiz 0,250 % 0,500 % 12.03.2009
Großbritannien 0,500 % 1,000 % 05.03.2009
Europa 0,500 % 0,750 % 02.05.2013
Kanada 1,000 % 0,750 % 08.09.2010
Schweden 1,000 % 1,250 % 18.12.2012
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Warum ist Null eine Zins-Untergrenze?
Normalfall positiver Leitzins: GB leiht bei der ZB 1000 Euro und zahlt bspw.
1050 Euro zurück. Die 1000 Euro werden als Kredit weiterverliehen an
Unternehmen, die an GB 1100 zurückzahlen müssen.
Angenommen, der Leitzins ist minus 5 Prozent. Dann leiht eine GB bei der ZB
1000 Euro und zahlt rund 950 Euro zurück
Für GB sind Spareinlagen meist der privaten Haushalte eine alternative
Finanzierungsform.
Wenn Refinanzierung bei ZB nichts kostet, werden GB nicht bereit sein, den
Sparern einen positiven Zins zu zahlen. Konsequenz: Anreiz für negative
Verzinsung der Spareinlagen
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Sparer werden negative Verzinsung nicht akzeptieren, sie wandeln Spareinlagen
komplett um in Bargeld, denn Bargeld ist liquider und hat zumindest Verzinsung
von null
Negative Leitzinsen führen zu Hortung von Bargeld
Allg.: negative Leitzinsen führen zu kaum prognostizierbaren Veränderungen im
Finanzgebaren der Akteure, potentiell starke Verwerfungen auf den
Finanzmärkten
Mankiw (2009) und Buiter (2009):
- negative Leitzinsen möglich
- Stempelsteuer (Schwundgeld a la Silvio Gesell)
- unerforschtes Terrain!
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Möglichkeiten der Geldpolitik an der ZLB
Bowdler, Christopher und Amar Radia (2012): Unconventional Monetary Policy: the
Assessment, Oxford Review of Economic Policy 28(4): 603-621.
Geldpolitik möchte langfristigen Zins beeinflussen. Genauer: Sie möchte den
langfristigen Realzins reduzieren, um Ökonomie aus Rezession zu bewegen
Realzins = Nominalzins – erwartete Inflationsrate
Zwei Möglichkeiten:
1. Nominalzins für langfristige Anlagen reduzieren
2. Inflationserwartungen schüren!
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Instrumente:
- Kauf von langfristigen Papieren (Bilanzverlängerung)
- Fed: langfristige Staatsschuldpapiere und Mortgage Backed Securities (MBS)
- EZB: mittlerweile auch Staatsschuldpapiere
- Inflationserwartungen schüren (Beispiel Japan: Ankündigung, bis 2015 das
umlaufende Bargeld zu verdoppeln = Abenomics)
- Schaffung von Inflationserwartungen = Spiel mit dem Feuer;
Konflikt mit Ziel der Preisniveaustabilität vorprogrammiert
- Exit-Strategien glaubwürdig kommunizieren; m.E. irreal
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Transmissionskanäle des QE
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• Empirie (und Theorie):
Ohne Zinseffekte sind die realen Auswirkungen der Geldpolitik sehr, sehr begrenzt
• Eggertson und Woodford (2003): QE völlig irrelevant
- Kauft Zentralbank bspw. MBS, so verlagert sich Risiko vom privaten Sektor auf
Zentralbank, aber beim Ausfall von Forderungen sinkt ZB-Gewinn
- Steuerzahler als Eigentümer der ZB trägt das Risiko, also letztlich doch der
private Sektor (Spielart von Modigliani-Miller bzw. dem Ricardinanischen
Äquivalenztheroem)
• Forschungsbedarf!
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