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Transpersonale Psycliologie und Psychotherapie 212009,71- 82 Achtsamkeit - ein Begriff zwischen den Welten 1 Teil Eins - Zur Psychologie buddhistischer Geistesgegenwart Akincano M. Weber, Köln Zusammenfassung: Dieser Aufsatz ist der Versuch einer Erhellung der Begriffe >Achtsamkeit<, >Geistesgegenwart<, >Gewahrsein< und pendelt in ihrer Verwendung zwischen kontemplativen und psychotherapeutischen Zusammenhängen. Die Be- griffe werden im Folgenden als synonyme Übersetzung des englischen >mindfulness< verwendet - oder vielmehr des buddhistischen Konzeptes von sati (Geistesgegen- wart), auf welches >mindfulness< als auch seine deutschen Entsprechungen zurück- gehen. >Achtsamkeit< und >mindfulness< sind Modewörter geworden. Eine Folge davon ist, dass sich einerseits das alte Konzept der Achtsamkeit, ihre Übung und ihre heil- same Wirkung in einer breiteren Öffentlichkeit zunehmender Wertschätzung erfreut - und damit auch die Akzeptanz kontemplativer Ansätze in psychotherapeutischer Arbeit zu wachsen verspricht. Andererseits wächst mit der Popularität dieser Be- griffe die Gefahr ihrer Verflachung - etwa dass >Achtsamkeit< oder >mindfulness< als lediglich weitere Pfeile im Köcher einer kognitiv-verhaltens therapeutischen Psycho- therapie in ihrem ursprünglich buddhistischen Bedeutungsgehalt verloren gehen. Ich möchte hier in einem Rückgriff auf das buddhistische Verständnis von Geis- tesgegenwart deren ethische, emotionale, soziale und erkenntnisbezogene Dimen- sionen herausarbeiten und auf die Einbuße ihrer Wirksamkeit und Wandlungskraft hinweisen, wenn eine aus ihren Bezügen zu anderen Geistesfaktoren herausgelöste sati in Blöße als ein quasi >sauberes< kognitives Gewahrsein zum eigenständigen All- heilmittel gemacht wird. Schlüsselwörter: Achtsamkeit, Geistesgegenwart, Gewahrsein, kontemplative Psychotherapie, buddhistische Psychologie »Aufmerksamkeit des Geistes ist das natürliche Gebet, in welchem wir eine innere Wahrheit ansprechen, daß sie sich in uns offenbare.« (Malebranche, Oeuvres iv, S. 11) Einführung Buddhistische Psychologie ist im Wesentlichen ein praktischer Weg zum Verständ- nis des Geistes, seiner Umformung und seiner Befreiung (Nyanaponika, 1954). Geis- 71

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TranspersonalePsycliologie und Psychotherapie 21200971- 82

Achtsamkeit - ein Begriff zwischen den Welten1

Teil Eins - Zur Psychologie buddhistischer Geistesgegenwart

Akincano M Weber Koumlln

Zusammenfassung Dieser Aufsatz ist der Versuch einer Erhellung der Begriffe gtAchtsamkeitlt gtGeistesgegenwartlt gtGewahrseinlt und pendelt in ihrer Verwendung zwischen kontemplativen und psychotherapeutischen Zusammenhaumlngen Die Beshygriffe werden im Folgenden als synonyme Uumlbersetzung des englischen gtmindfulnesslt verwendet - oder vielmehr des buddhistischen Konzeptes von sati (Geistesgegenshywart) auf welches gtmindfulnesslt als auch seine deutschen Entsprechungen zuruumlckshygehen

gtAchtsamkeitlt und gtmindfulnesslt sind Modewoumlrter geworden Eine Folge davon ist dass sich einerseits das alte Konzept der Achtsamkeit ihre Uumlbung und ihre heilshysame Wirkung in einer breiteren Oumlffentlichkeit zunehmender Wertschaumltzung erfreut - und damit auch die Akzeptanz kontemplativer Ansaumltze in psychotherapeutischer Arbeit zu wachsen verspricht Andererseits waumlchst mit der Popularitaumlt dieser Beshygriffe die Gefahr ihrer Verflachung - etwa dass gtAchtsamkeitlt oder gtmindfulnesslt als lediglich weitere Pfeile im Koumlcher einer kognitiv-verhaltens therapeutischen Psychoshytherapie in ihrem urspruumlnglich buddhistischen Bedeutungsgehalt verloren gehen

Ich moumlchte hier in einem Ruumlckgriff auf das buddhistische Verstaumlndnis von Geisshytesgegenwart deren ethische emotionale soziale und erkenntnisbezogene Dimenshysionen herausarbeiten und auf die Einbuszlige ihrer Wirksamkeit und Wandlungskraft hinweisen wenn eine aus ihren Bezuumlgen zu anderen Geistesfaktoren herausgeloumlste sati in Bloumlszlige als ein quasi gtsaubereslt kognitives Gewahrsein zum eigenstaumlndigen Allshyheilmittel gemacht wird

Schluumlsselwoumlrter Achtsamkeit Geistesgegenwart Gewahrsein kontemplative Psychotherapie buddhistische Psychologie

raquoAufmerksamkeit des Geistes ist das natuumlrliche Gebet in welchem wir eine innere Wahrheit ansprechen daszlig sie sich in uns offenbarelaquo

(Malebranche Oeuvres iv S 11)

Einfuumlhrung

Buddhistische Psychologie ist im Wesentlichen ein praktischer Weg zum Verstaumlndshynis des Geistes seiner Umformung und seiner Befreiung (Nyanaponika 1954) Geisshy

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tesgegenwart (sati) und ihre Ausbildung sind Schluumlsselelernente auf diesem Weg Beshyreits ein fluumlchtiges Studium der Darlegungen des Buddha wird den psychotherapeushytisch hellhoumlrigen Leser ohne Zweifel lassen dass der Buddha in seinem Geschaumlft der Daseinserhellung aumluszligerst psychologisch und seiner Hilfestellung aumluszligerst therapeushytisch vorgegangen ist

In Teil Eins gehe ich den Darlegungen zu Geistesgegenwart in der Weisheitstradishytion des fruumlhen Buddhismus nach Als Grundlage dienen die Schriften aus einem Korpus von mittel-indo-arischen Texten genannt gtPali-Kanonlt und dessen Komshymentare Einige linguistische Abschweifungen sind unerlaumlsslich um zu erfassen was zur Zeit des Buddha2 mit dem Phaumlnomen sati gemeint ist das wir heute mit gtAchtshysamkeitlt gtGeistesgegenwartlt oder gtGewahrseinlt uumlbersetzen

In einem weiteren Abschnitt wird ein westliches Verstaumlndnis von Achtsamkeit unshytersucht Nach kurzem Blick in die Anfaumlnge der Psychologie wird auf Aussagen zu Geistesgegenwart zeitgenoumlssischer Stimmen eingegangen In Teil Zwei (in der naumlchsshyten Ausgabe dieses Heftes) werde ich mich praktischen Aspekten buddhistischer Geistesgegenwart in psychotherapeutischer Arbeit zuwenden verschiedene achtshysamkeitsbasierte Ansaumltze untersuchen und am Beispiel von Core Process Psychoshytherapy eine auf buddhistischer Geistesgegenwartsschulung beruhende Arbeit illusshytrieren

Geistesgegenwart in den Darlegungen des fruumlhen Buddhismus

Der Begriff sati und seine Uumlbersetzungen Dem Gelehrten und Gruumlnder der Pali Text Society Prof Rhys-Davis wird die Praumlshy

gung des Kunstwortes gtmindfulnesslt fuumlr den buddhistischen Begriff gtsatilt zugesproshychen3 Diese weithin akzeptierte Uumlbersetzung von sati ist nach einem ersten Blick in die Quellentexte alles andere als offenkundig

Der Begriff sati taucht in seiner vedischen Form als smrti in der vorbuddhistishyschen Literatur auf Die vedische Wurzel smr vermittelt zwei grundsaumltzliche Bedeushytungen gtErinnernlt und einfacher noch gtim Geiste haltenlt Diese Doppelbedeutung kann bereits in der fruumlhesten vedischen Literatur (Rg- Veda) gefunden werden4 Das Pali-Substantiv sati ist mit dem Verb fuumlr gterinnernlt (saratz) verwandt5 und sein Geshybrauch im vedischen Sinne als gtErinnerunglt und gtErinnernlt ist durch viele Stellen in den Pali-Darlegungen des Buddha belegt (z B S v 225 and M i 356 Abkuumlrzungen s Anhang) Seine Funktion wird oumlfter beschrieben als gterinnern was vor langer Zeit geschah und gesagt wurdelt So wird Aumlnanda der getreue Begleiter des Buddha als gtder Erste unter den Gedaumlchtnisstarkenlt (satimanta) geruumlhmt (A i 24) Auch negativ taucht der Begriff in dieser Bedeutung auf mutthasati heiszligt gtvergesslichlt (D iii 252 282) und asatiyauml wird oumlfter im Sinne von gtaufgrund von Vergesslichkeitlt verwendet (Vin ii 289)

Doch die scheinbar einhellig gebrauchte Bedeutung von sati als der Faumlhigkeit des Geistes Vergangenes abzurufen und zu behalten laumlsst eine sinnvolle Erklaumlrung fuumlr sati in seinem beruumlhmtesten Kontext aus naumlmlich jenem des Satipatthaumlna suttam shyder Darlegung uumlber gtdas Herbeifuumlhren von Geistesgegenwartlt6 Im Achtfachen Pfad dem gttherapeutischenlt Teil von Buddhas Darlegung der Vier Wahrheiten wird sati an

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7 Stelle aufgefuumlhrt und ist dort ausnahmslos als die Uumlbung der vier satipatthana deshyfiniert

raquoUnd was ist rechte Geistesgegenwart (sammasati) Hier verweilt ein Moumlnch in Betrachtung des Koumlrpers im Koumlrper eifrig (atapl) wissensklar (sampajano) und achtshysam (satima) frei von Begehren und Sorge hinsichtlich der Welt Er verweilt in Beshytrachtung der Gefuumlhlstoumlnungen in den Gefuumlhlstoumlnungen er verweilt in Betrachshytung der Gemuumltszustaumlnde in den Gemuumltszustaumlnden er verweilt in Betrachtung der Geistesinhalte in den Geistesinhalten eifrig wissensklar und achtsam frei von Beshygehren und Sorge hinsichtlich der Weltlaquo (D ii 312)

Bei der beschriebenen Uumlbung geht es offenkundig nicht um Gedaumlchtnis und Abruf von Vergangenern sondern stattdessen um Gewahrsein und Geistesgegenwart fuumlr die unmittelbare Erfahrung des gegenwaumlrtigen Augenblicks Die ungewoumlhnliche Forshymulierung und der Gebrauch des Lokativ im Pali (kaye kayanupassl) in der Bedeushytung von in Betrachtung des Koumlrpers im Koumlrperlt scheint mit Nachdruck auf eine besonders verkoumlrperte Form von Gewahrsein hinzuweisen8 Weitere Darlegungen bestaumltigen dies indem sie in die Schulung des Gewahrseins bei Koumlrperhaltung und verkoumlrperter Erfahrung herausstreichen so die gtDarlegung zu Koumlrperachtsamkeitlt9 oder die beruumlhmte gtDarlegung der AtmungsachtsamkeitltlO in welcher die gespuumlrten Koumlrperempfindungen waumlhrend des Ein- und Ausatmens eine zentrale Rolle spielen

Der zeitgenoumlssische Gelehrte Analayo weist darauf hin dass selbst Passagen die eine Uumlbersetzung von sati in der Bedeutung von gtGedaumlchtnislt nahelegen bei naumlherer Betrachtung offenbaren raquodass sati nicht wirklich als Erinnerungsvermoumlgen definiert wird sondern als das was dieses Erinnerungsvermoumlgen ermoumlglicht und unterstuumltztlaquo Diese Definition verdeutlicht dass wo sati vorhanden ist das Erinnerungsvermoumlshygen gut funktioniert l1

Wir koumlnnen also sagen dass sati Gedaumlchtnis und Erinnerungsvermoumlgen als Funkshytionen hat und damit die Ruumlckbesinnung unterstuumltzt seine Bedeutung jedoch die eines gegenwarts bezogenen Gewahrseins ist das uns ermoumlglicht Aufmerksamkeit kontinuierlich auf ein Objekt unseres Erlebens zu richten (Payutto 1988 S 3 U Pandita 2002) Die visionaumlre Praumlgung von gtmindfulnesslt des Erstuumlbersetzers Rhys Davids fuumlr sati bestaumltigt sich durch unsere erweiterte Lesart als volle Geistes-und Herzensgegenwart fuumlr die Erfahrung dieses Augenblicks

Die Uumlbung des gtHerbeifuumlhrens von Geistesgegenwartlt (satipatthaumlna) stellt eine rashydikale psychologische Neudefinition des Begriffes sati dar und ist eine faszinierende Akzentverschiebung vor dem Hintergrund fruumlherer yogischer Darlegungen sie ist zweifellos eines der hervorstechendsten Merkmale des fruumlhen Buddhismus Als Konshysequenz davon kommt der Geistesgegenwart eine beispiellose Rolle in Buddhas Vishysion menschlichen Wachstums zu Sie ist Grundlage fuumlr ethische Entfaltung (sila) fuumlr Geistessammlung (samaumldhi) fuumlr die Ausbildung intuitiver Weisheit (paiiiiauml) und fuumlr eine Kultur des Herzens durch die Uumlbung der Vier Unermesslichen Verfassungen (brahmavihaumlra) - der Faumlhigkeiten universeller Empathie und Menschlichkeit

Die Bilder Sati und seine Gleichnisse Die alten Texte vermitteln neben vielen Aufzaumlhlungen der Rolle von sati in Lisshy

tenform auch eine Reihe von Gleichnissen in denen sie dessen Erfahrungsqualitaumlt festhalten 12

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Ein eindringliches Bild (S v 169) veranschaulicht den Aspekt der Nicht-Zershystreutheit und der Kontinuitaumlt von Geistesgegenwart Ein Mann geht durch ein Menschengedraumlnge das sich versammelt hat um die Schoumlnheit des Landes tanzen zu sehen Auf seinem Kopf traumlgt er eine Schale randvoll mit Oumll gefuumlllt Hinter ihm ein zweiter Mann dieser mit gezuumlcktem Schwert droht seinen Kopf abzuschlagen sobald er auch nur einen einzigen Tropfen verschuumlttet Der Buddha fragt seine Gemeinschaft ob jener Mann mit der Oumllschale sich leisten koumlnnte unaufmerkshysam zu sein oder abgelenkt durch aumluszligere Dinge Die Moumlnche verneinen und der Buddha erlaumlutert ihnen daszlig die Schale Oumll ein Bild fuumlr Koumlrpergewahrsein (kaumlyagatauml sati) ist

Der Aspekt kontinuierlicher Geistesgegenwart und des gtNicht-Wegtreibenslt von Aufmerksamkeit wird im gtPfad der Reinheitlt und in den gtFragen des Koumlnigs Milindalt angesprochen wo die Merkmale von sati als gtvom Objekt nicht forttreibendlt und bei diesem gtanhaltendlt oder es gtaufgreifendlt beschrieben werden Der Kommentar illusshytriert das mit einem Kuumlrbis im Wasser der in der Stroumlmung wegtreibt sati jedoch treibt mit der Oberflaumlchenstroumlmung nicht davon sondern taucht stattdessen in die Tiefe und dringt in sein Objekt ein13 - was die Funktionen des gtDranbleibenslt und der gtNicht-Oberflaumlchlichkeitlt von Geistesgegenwart veranschaulicht

Andere Passagen in den Lehrreden vermitteln sati in seiner Qualitaumlt von Offenheit und empfaumlnglicher Weite Ein interessantes Gleichnis (M i 117) kontrastiert die Halshytung eines Kuhhirten in zwei verschiedenen Situationen Im Herbst waumlhrend des letzten Monsunmonats wenn die Felder in voller Frucht stehen muss er sorgsam daruumlber wachen (rakkheyya) dass die Tiere nicht in die Frucht laufen - und sie durch Stoszligen und Schubsen aus den Feldern heraushalten Im letzten Monat der heiszligen Jahreszeit wenn alle Felder ab geerntet sind kann er aus Distanz und aus dem Schatshyten eines Baumes nach seinen Kuumlhen schauen einfach indem er ihrer gewahr bleibt (satikaranlyam) Waumlhrend fuumlr die erste Situation das Wort fuumlr gtschuumltzenlt verwendet wird finden wir in der zweiten wo die Kuumlhe nirgendwo mehr hinzulaufen drohen das Wort gtGeistesgegenwartlt gebraucht - Das Bild legt eine Geistesverfassung von Gelassenheit und losgeloumlstem Gewahrseins nahe

Zwei weitere Bilder unterstreichen den Aspekt von Umsicht und raumlumlicher Pershyspektive Ein knappes Gleichnis in Versen (S v 5) am Ende der Janussoni Sutta setzt sati mit einem vorsichtigen Wagenlenker gleich der sein Fahrzeug steuert waumlhrend ein weiteres Versgleichnis (Thag 765) das Herbeifuumlhren von Geistesgegenwart damit vergleicht wie jemand auf eine erhoumlhte Terrasse steigt und dadurch einen Uumlberblick gewinnt Beide Bilder legen ein Maszlig an Losgeloumlstheit und offener Perspektive nahe

Eine weitere Gruppe von Bildern spricht vornehmlich von der Schutzeigenschaft durch sati Ein Beispiel davon ist das Gleichnis vom Torwaumlchter am Stadttor (satidovauml riko) wo Geistesgegenwart mit der Haltung eines weisen und erfahrenen Waumlchters verglichen wird der alle Bewohner der Stadt erkennt und mit Bedacht nur jene hishyneinlaumlsst die in der Stadt wohnen waumlhrend er die anderen fernhaumllt (A iv 110) Auf diese Weise so der Buddha gelinge es dem edlen Schuumller das Heilsame auszubilden und das Unheilsame zu uumlberwinden und gtsein Herz rein zu haltenlt Das Bild des Torshywaumlchters taucht ein zweites Mal auf diesmal mit einer Akzentverschiebung Auch hier gibt sati einen verstaumlndigen Torwaumlchter ab doch diesmal hilft er zwei von ferne ankommenden Boten damit dass ihre gtwahrheitsgemaumlszlige Botschaftlt unverzuumlglich und

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ohne Umwege den Stadtherrn erreicht Die Boten werden als Geistessammlung (samatha) und Einsicht (vipassanauml) identifiziert

Eine Passage in der Sunakkhatta-Sutta (M ii 259) gebraucht ein ungewoumlhnliches Beispiel aus der Wundmedizin welches Licht auf eine weitere Facette von sati wirft Der Buddha erklaumlrt einem Prinzen wie ein Wundarzt einen Mann versorgt der von einem vergifteten Pfeil verwundet wurde Zuerst schneidet er mit einem Messer die Wunde um den Pfeil herum auf dann sucht er mit einer Sonde die Pfeilspitze schlieszligshylich entfernt er diese vorsichtig und extrahiert das Gift Sati wird mit der Sonde gleichgesetzt welche dem Arzt genaue Information fuumlr eine weitere Behandlung vershyschafft waumlhrend Weisheit dem Messer gleicht das die Wunde oumlffnet

Ein weiteres Gleichnis zeigt den Buddha als Pfluumlger (S i 172 Sn 13) und illustriert sati zugleich als seine Pflugschar als auch seinen Treibstock Anaumllayos14 schoumlner Komshymentar dazu raquo bullmithilfe des Stockes sorgt der Bauer fuumlr die Kontinuitaumlt seines Pfluumlshygens indem er den Ochsen gtauf Kurslt haumllt Der Pflug bricht die Erdoberflaumlche um foumlrdert Verborgenes zutage und bereitet sie auf diese Weise dass danach ausgesaumlt oder angepflanzt werden kann Auf gleiche Weise sorgt die Kontinuitaumlt von sati dafuumlr dass die oberflaumlchliche Erscheinung der Phaumlnomene deren verborgene Aspekte ofshyfenbart - naumlmlich die drei Charakteristika - (Vergaumlnglichkeit Bedingtheit und Unshypersoumlnlichkeit)15 und der Saat der Weisheit aufzugehen erlaubt Der Umstand dass Pflugschar und Treibstock gemeinsam im Bild erwaumlhnt werden legt obendrein nahe dass Klarheit der Ausrichtung und Ausgewogenheit des Bemuumlhens vereint noumltig sind um sati auszubilden laquo wie es so Analayo weiter in der doppelten Aufgabe des Pfluumlgers zu erkennen sei Einerseits gelte es die Furche gerade zu halten indem er den Ochsen mit einer Hand antreibe (klare Ausrichtunglt) waumlhrend er andererseits mit der zweiten den Pflug genau im rechten Maszlige ins Erdreich druumlcke (gtausgewogenes Bemuumlhenlt) um zu verhindern dass dieser weder steckenbleibe noch nutzlos nur die Oberflaumlche schuumlrfe

Ein letztes Bild (S iv 199) spricht von Koumlrperachtsamkeit als einem starken pfosshyten an welchen sechs wilde Tiere angebunden sind Die Tiere (sie stehen fuumlr die sechs Sinne - Auge Ohr Nase Zunge Tastsinn und Geistsinn) zerren anfaumlnglich wild in verschiedene Richtungen und nur nach betraumlchtlicher Ermuumldung bleiben sie allmaumlhshylich stehen setzen sich und legen sich schlieszliglich in der Naumlhe des Pfostens hin

Die Vielfalt dieser Bilder gibt Bedeutungsfacetten des Begriffes sati wieder die auf einen ersten Blick dem eher hausbackenen deutschen Begriff gtAchtsamkeitlt nicht ohne weiteres anzusehen sind 16 Eine der Konstanten aller dieser Bilder fasst die PalishyTradition in der Eigenschaft von gtNicht-Verwirrtheitlt zusammen (Vism 465)

Die wichtigsten Aspekte der Bilder in psychologischen Begriffen bull Kontinuitaumlt von Gewahrsein fuumlr sich veraumlndernde Erfahrungsinhalte (zeitlich) bull Nicht-Zerstreutheit unverwandtes Gewahrbleiben bull Kontinuierliches Augenmerk auf einen Bereich der Aufmerksamkeit (raumlumlich) bull Faumlhigkeit des losgeloumlsten Erkennens und Gewahrwerdens bull Offenheit Geraumlumigkeit Perspektive Weitsicht bull Huumlten Schuumltzen Unterscheiden Umsicht bull Eifer und Effizienz bull Ergruumlndend bull Faumlhigkeit zu Einstimmung und Ausgewogenheit in Bemuumlhen

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bull Stabilitaumlt und Stille Die Bilder illustrieren auch die Beziehungen von sati zu den Bereichen der Ethik

(slla) der Geistessammlung (samadhi) und der Weisheit (paiziza) Waumlhrend diese drei sich als Tugenden unterstuumltzen - und zum Teil direkt voneinander abhaumlngen wie etwa im Falle von Tugend und Geistessammlung - spielt sati in allen eine unentshybehrliche Rolle wenn auch fuumlr jede mit einer leichten Akzentverschiebung

Urteilsvermoumlgen Stabilitaumlt Perspektive ein Verstaumlndnis dessen was und was nicht heilsam ist und die Bereitschaft an etwas dranzubleiben sind alles Voraussetzungen fuumlr ethische Entscheidungen und Lebensfuumlhrung (slla)

Kontinuitaumlt im Gewahrsein mit einem gewaumlhlten Gegenstand oder Prozess Stashybilitaumlt Stille und die noumltige Einfuumlhlung um Aufwand und Anstrengung abzustimshymen sind Voraussetzungen fuumlr Sammlung und Einigung des Geistes (samadhi)

Nicht-Zerstreutheit Kontinuitaumlt des Gewahrseins wachsames Edorschen und Sondieren Perspektive und losgeloumlstes Erkennen sind alle unentbehrlich fuumlr die Ausshybildung von Weisheit (paiziza)

Ein zeitgenoumlssischer Lehrer aus Thailand veranschaulicht den Verlauf des Zusamshymenspiels von Weisheit und sati in folgendem Gleichnis Eine Frau rudert mit ihrem Boot hinaus in den kabbeligen Fluss mit der Absicht Lotosstengel und Wassershypflanzen zu schneiden Zuerst verankert sie ihr Boot und haumllt es damit an der geshywuumlnschten Stelle wo die Pflanzen wachsen Dann ergreift sie die Pflanzen mit der einen Hand und buumlndelt sie so dass die Stengel bequem freiliegen schlieszliglich schneishydet sie sie mit dem Messer in der anderen Hand ab Das Boot steht fuumlr den Geist sati fuumlr den Anker der das Boot vor Ort haumllt die erste Hand welche die Stenge freilegt fuumlr gruumlndliches Erforschen (yoniso manasikara der Verbindung zwischen sati und Weisheit) die zweite Hand die Klinge fuumlhrend steht fuumlr die Kraft der Weisheit welshyche die Nebel der Taumluschung teilt (Payutto 1988 S 48)

Die Hindernisse Sati und seine Herausforderungen Uumlber den Verlust von Geistesgegenwart schreibt ein buddhistischer Autor raquoDie

abtraumlgliche Wirkung eingeschliffener Reaktionen zeigt sich dort am offenkundigsshyten wo wir sie abwertend als gtdie Macht der Gewohnheitlt bezeichnen Ihre abshystumpfende abtoumltende und verengende Wirkung unter welcher wir ganz besonders geneigt sind uns mit dem zu identifizieren was wir fuumlr unseren Charakter oder unshysere Persoumlnlichkeit haltenlaquo (Nyanaponika 1986 S 46)

Was geschieht wenn wir nicht geistesgegenwaumlrtig sind Bereits einige Minuten nuumlchterner Selbstbeobachtung wird die verbluumlffende Komplexitaumlt und ausufernde Natur unseres geistigen Lebens offenbaren Es gibt viele Moumlglichkeiten verloren zu gehen

Eine davon ist der Verlust von Beweglichkeit in unserer Geistesgegenwart - wir bleiben stecken sind ploumltzlich fixiert verbeiszligen uns an etwas und verlieren Kontishynuitaumlt und den Faden zum groumlszligeren Zusammenhang - etwa beim Eintreten eines unshyerwarteten Ereignisses

Eine andere ist wenn uns Gewahrsein von Hier undJetzt abhanden kommt - etwa unter der Einwirkung einer Emotion einer emotionsgeladenen Erinnerung einer Traumlumerei oder intensiven Gedankenfolge wir gehen unserer Bezugspunkte verlusshytig spuumlren die Orientierung schwinden verlieren Kurs und Lage

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Eine weitere Moumlglichkeit ist der Verlust des Raumes Unser Gewahrsein kollabiert auf einen Einzelaspekt unseres Erlebens der uns heimsucht und verfolgt Das kann gleichermaszligen aufgrund einer starken Vorliebe Abneigung oder Emotion stattfinshyden

Eine vierte ist der Verlust meiner Verkoumlrperung7 - wir houmlren auf wirklich anweshysend zu sein als fuumlhlende sinnenbegabte Wesen mit Beduumlrfnissen einem einfuumlhlsamen Herzen und tatsaumlchlicher Handlungsfaumlhigkeit

Eine fuumlnfte Moumlglichkeit ist der Verlust des Anderen Eine Implosion in meinem Gewahrsein laumlsst alleine gtmichlt als wirklich zuruumlck - und mich darin wirklich alleine werden

Manchmal ist es die Intensitaumlt eines Sinneseindruckes (etwa bei Schmerz) die unshysere Aufmerksamkeit beschlagnahmt sich unserer Vorstellung bemaumlchtigt (etwa bei Angst) oder uns in einer Weise vereinnahmt (wie bei Lust) dass wir den Bezug zum Rest unseres Erlebens verlieren Haumlufig jedoch braucht es viel weniger Gewohnheit Unkenntnis der wirklichen Prioritaumlten unseres Lebens und Mangel an Uumlbung machen uns oftmals leichte Beute fuumlr das was die buddhistischen Texte pamaumlda nennen Nachlaumlssigkeit und Achtlosigkeit - eine Qualitaumlt die sie gar mit dem Tod vergleishychen (Dhp 21) Die Schriften erlaumlutern uns im Weiteren dass einer der Hauptgruumlnde fuumlr das Entstehen unheilsamer Geistesverfassungen schlicht gtunklugeslt oder gtunshytaugliches Augenmerklt (ayoniso manasikaumlra) sei (D i 7)

Die Vision Sati und seine Verheiszligungen Geistesgegenwart als meditativer Uumlbung wohnt die Kraft tiefgreifender Verwandshy

lung inne wenn sie als mehr verstanden wird als bloszlig eine mentale Strategie in einem losgeloumlsten und ewig geblaumlhten Jetztlt zu verweilen - einem Jetzt dem es an Bezuumlshygen zur Erfahrung von Leiden dessen Entstehen und dessen Aufhebung fehlt wie sie fuumlr Erkenntnis und Wandlung notwendig sind Was die Bildersprache der Pali-Texte unmissverstaumlndlich aufzeigt ist Eine zu innerer Verwandlung faumlhige Geistesgegenshywart ist unweigerlich verbunden mit ethischen Werten gruumlndet in Hingabe haumlngt fuumlr ihre heilsamen Wirkungen von der Auswahl tauglicher Gegenstaumlnde ab wird unshytermauert durch angemessenes Bemuumlhen zweckdienliches Erforschen und gruumlndlishyches Erwaumlgen

Das Ende der beruumlhmten Darlegung zum gtHerbeifuumlhren der Geistesgegenwartlt laumlsst keinen Zweifel dass diese den direkten Weglt8 zur raquoErgruumlndung von Daseinsshyphaumlnomenen darstellt ohne Hinzufuumlgung von Emotionen und Vorstellungen auf der Basis von subjektiven Vorlieben so dass es weder zu Anhaften noch Identifikation kommtlaquo (Payutto 1988 S 32) Von einem solchen durch sati gewonnenen Ausshygangspunkt ist eine echte und unverzerrte Perspektive auf die Natur unseres Erleshybens erst moumlglich

Die fruumlhen Darlegungen betonen dass sati keine mystische Verfassung ist Kein Zustand der Gnade keine erhabene meditative Erfahrung - vielmehr eine Geistesshyverfassung die eingeuumlbt werden kann raquo bullbullbull entfaltet und uumlbt die auf den Koumlrper geshyrichtete Geistesgegenwart macht sie euch zum Fahrzeug zur Grundlage wendet sie an und bekraumlftigt sie uumlbt euch darin und macht sie vollkommenlaquo (S iv 200)

In den alten Schriften wird sati nicht ausdruumlcklich als gtBeziehungs qualitaumltlt dargeshystellt wenngleich gelegentliche Andeutungen in den Texten gefunden werden koumlnshy

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nen Therapeutisch versierten Lesern kann jedoch nicht entgangen sein wie eminent gtbeziehungs orientiertlt sati als Geistesverfassung ist - gehen doch meine Beziehungsshyabsicht meine Beziehungsfaumlhigkeit mein Vermoumlgen fuumlr Beziehungskonstanz alle letztlich auf sati zuruumlck - ob ich nun zu mir selbst zu anderen oder den Dingen meishyner Erfahrung in Beziehung bin

Vom Wert der Geistesgegenwart fuumlr zwischenmenschliche Beziehungen sprechen die folgenden Passagen aus der Sedaka Sutta (S v 168) wo ein Bambusakrobat und seine junge Schuumllerin in der Ausuumlbung ihrer Kunst dargestellt werden Der Akrobat stellt seine Bambus-Stange auf und sagt ihr sie moumlge auf seine Schultern steigen Sie tut wie geheiszligen Er spricht daraufhin raquoDu schuumltzt mich liebe Medakathaumllikauml und ich schuumltze dich Auf diese Weise einer durch den anderen geschuumltzt werden wir unsere Kuumlnste zeigen unser Honorar einsammeln und sicher von der Stange herunshytersteigenlaquo - Seine Schuumllerin zeigt sich nicht einverstanden und erwidert raquogtSo mein Lehrer geht es nicht Du mein Lehrer schuumltzt dich selbst und auch ich werde mich selber schuumltzen Auf diese Weise jeder sich selber huumltend jeder sich selber schuumltshyzend werden wir unsere Kuumlnste zeigen unser Honorar einsammeln und sicher von der Stange heruntersteigenlaquo - Der Buddha bestaumltigt nun die Aussage der jungen Schuumllerin und faumlhrt fort indem er die scheinbar gegenteiligen Aussagen des Akroshybaten und seiner Schuumllerin miteinander in Uumlbereinstimmung bringt

gtgtgtIch werde mich selber schuumltzenlt Moumlnche auf diese Weise soll das Herbeifuumlhren von Geistesgegenwart (satipatthaumlna) geuumlbt werden gtIch werde andere schuumltzenlt auf diese Weise soll das Herbeifuumlhren von Geistesgegenwart geuumlbt werden Sich selber schuumltzend schuumltzt man andere andere schuumltzend schuumltzt man sich selber Und wie Moumlnche schuumltzt man andere indem man sich selber schuumltzt Durch Hingabe durch Geistesentfaltung durch stetige Uumlbung Und wie Moumlnche schuumltzt man sich selber indem man Andere schuumltzt Durch Duldsamkeit (khantiyauml) durch Harmlosigkeit (avihimsaumlya) durch Liebe (mettataumlya) und Anteilnahme (anudayataya) Es ist auf diese Weise daszlig man die anderen schuumltzend sich selber schuumltztlaquo

Geistesgegenwart im Westen

Die Lehren des Buddha sind seit mehr als zweieinhalb Jahrtausenden bekannt sie gehen wie im Fall von sati und seiner Schulung auf noch aumlltere Traditionen zuruumlck Im Vergleich dazu ist westliche Psychologie als eine sich selbst bewusste Disziplin des Studiums von Geist und Verhalten erst ein recht junges Unterfangen

Es scheint unfair von einer kreativen aber relativ jungen Wissenschaft zu fordern dass sie uumlber den Schluumlsselbegriff einer gereiften Weisheitstradition auf Augenhoumlhe mithalten kann Und doch gehoumlrt es zu den faszinierendsten intellektuellen Untershynehmungen unserer Zeit beide Traditionen - ohne Forderung nach platten Entspreshychungen - die eine in den Begriffen der anderen einzuschaumltzen und abzuwaumlgen

Als Beispiel moumlgen die Konzepte von gtAchtsamkeitlt gtGewahrseinlt und gtIntroshyspektionlt dienen Die Anfaumlnge der jungen Wissenschaft wirken bescheiden Keine umfassende Klassifizierung wird geboten keine lebendige Bildhaftigkeit veranshyschaulicht die Begriffe und ihre Funktionen keine erkennbare Methode zu ihrer Ausshybildung und Vertiefung laumlsst sich ausmachen weder in der Fruumlhzeit noch heute Aufshyschlussreich ist William James Nach einigen kritischen Anmerkungen zu den

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Achtsamkeit - ein Begriff zwischen den Welten

englischen Empirikern und ihrer Handhabung von Erfahrung als einer quasi gtGegeshybenheitlt statt von etwas das durch gtselektive Aufmerksamkeitlt zustande kommt fuumlhrt er aus Games 1890 S 402 ff)

raquoSobald man uumlber den Sachverhalt nachdenkt wird einsichtig wie verfehlt diese Auffassung von Erfahrung ist setzt sie Erfahrung doch gleich mit der bloszligen Geshygenwart einer aumluszligeren Ordnung fuumlr unsere Sinne Millionen von Gegenstaumlnden dieshyser aumluszligeren Ordnung sind fuumlr meine Sinne gegenwaumlrtig ohne dass sie jedoch dadurch zu meiner Erfahrung wuumlrden Weshalb Weil sie fuumlr mich nicht von Interesse sind Meine Erfahrung ist worauf ich einwillige meine Aufmerksamkeit zu richten Nur die Dinge deren ich gewahr werde formen meinen Geist - ohne selektives Interesse ist meine Erfahrung ein voumllliges Chaos Allein Interesse gibt den Akzent und den Nachdruck Licht und Schatten Vordergrund und Hintergrund - in einem Wort eine erkennbare Perspektivelaquo

Etwas spaumlter fasst er zusammen raquoJeder weiszlig was Aufmerksamkeit ist Es ist das geistige Aufgreifen in klarer und lebhafter Weise von einem unter mehreren gleichshyzeitig sich anbietenden moumlglichen Gegenstaumlnden oder Gedankengaumlngen Fokussieren und Sammlung des Bewusstseins gehoumlren zu ihrem Wesen Aufmerksamkeit setzt voraus dass wir uns von einigen Dingen abwenden um uns mit anderen umso efshyfektiver zu befassen Als Verfassung hat sie ihr exaktes Gegenteil in dem verwirrten benommenen und zerfahrenen Geisteszustand der auf Franzoumlsisch distraction und auf Deutsch Zerstreutheit 19 heiszligt Wir alle kennen diesen Zustand selbst in seinen extremen Formenlaquo

Wundt (1896) fuumlhrt eine gtexperimentelle Introspektionlt ein welche als eine ihrer Voraussetzungen eine gtgespannte Aufmerksamkeitlt20 hat Freud schlieszliglich - hier spricht der erste Psychotherapeut uumlber den Akt der Therapie - empfiehlt fuumlr psyshychoanalytische Arbeit gteine gleichschwebende Aufmerksamkeitlt (Freud 1912)

In der Gestalttherapie spielt das Konzept von Gewahrsein eine groszlige Rolle und wird in Verbindung gesehen mit Wahl Kontakt und Spontaneitaumlt (Perls 1951 S viii) Es wird differenziert zwischen Achtsamkeit (attention) und Gewahrsein (awareness) raquoAchtsamkeit ist ein bewusstes Bemuumlhen Gewahrsein hingegen ist dies nichtlaquo (Korb et al 1989 S 8)

earl Rogers Konzept von gtPraumlsenzlt hat die Arbeit von zahllosen Therapeuten beshyeinflusst und damit indirekt auch das Terrain fuumlr die Aufnahme von buddhistischen Darlegungen und Praktiken der Geistesgegenwart geebnet In einem Klima von Aushythentizitaumlt (gtKongruenzlt) Empathie und uneingeschraumlnkt positiver Wertschaumltzung finden Menschen unweigerlich ihre eigenen Loumlsungen und es ist die Hauptaufgabe des Therapeuten diese Praumlsenz vorbildhaft zu verkoumlrpern statt zu intervenieren zu analysieren oder den Klienten in leitender Weise zu beeinflussen (Natiello 2001)

Eugene Gendlin ein erstaunlicher Grenzgaumlnger und Pendler im schwierigen Geshylaumlnde zwischen experimenteller Psychologie und akademischer Philosophie war einige Zeit Mitarbeiter von Rogers Einer seiner vielen Beitraumlge eine eminent anshywendbare koumlrperbezogene Fertigkeit welche er gtFocusinglt taufte wurde uumlber akashydemische Kreise hinaus weithin populaumlr und fand auch im Feld der Psychotherashypeuten betraumlchtliche Resonanz (Gendlin 1978)

Darlegungen zu yogischen und buddhistischen Meditationspraktiken haben das Abendland in episodischen Wellen seit dem ausgehenden 19 Jahrhundert erreicht

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In den 60er und 70er Jahren des vorigen Jahrhunderts begannen diese meditativen Lehren sich groszliger Beliebtheit zu erfreuen - ein Trend der mit Akzentverschiebunshygen bis heute anhaumllt Wirkungen davon blieben nicht aus So hat in juumlngster Verganshygenheit eine wachsende Anzahl von Psychologen und Psychotherapeuten persoumlnshyliche kontemplative Erfahrungen gemacht - unbeschadet ihrer beruflichen oder akademischen Bekenntnisse Andererseits sind Meditation und ihre Wirkungen selbst Gegenstand wissenschaftlicher Aufmerksamkeit geworden Die Segnungen einer solshychen Aufmerksamkeit sind zwiespaumlltig

Die Felder akademischer Psychologie und Psychotherapie wurden im letzten Jahrshyhundert uumlber weite Strecken von Konzepten aus der Verhaltensforschung dominiert Die Geringschaumltzung dieser Schule fuumlr Introspektion subjektive Wahrnehmung und persoumlnliche Erfahrung als moumlglicherweise guumlltige Quellen von Erkenntnis hat weite Kreise nachhaltig gepraumlgt - ein Einfluss der auch heute noch anhaumllt21 Das Zulassen allein gtverifizierbarerlt Daten verhaumlngt die Beschraumlnktheit einer wissenschaftlichen Methodik uumlber den Gegenstand der Untersuchung - eine Praxis die unweigerlich betraumlchtliche Teile menschlicher Erfahrung auslaumlsst wenn diese auf gtverifizierbarelt Daten reduziert wird

Buddhistische Achtsamkeits- und Gewahrseinspraxis ist eine introspektive Uumlbung par excellence - und fuumlr Menschen die sich in ihr schulen subjektiv durchaus verishyfizierbar - wenngleich ohne Respekt fuumlr Kriterien wissenschaftlicher Strenge So scheint es dem kontemplativ Praktizierenden nicht ohne eine gewisse Ironie dass die Konzepte gtAchtsamkeitlt (bzw gtmindfulnesslt) in juumlngster Zeit hauptsaumlchlich auf Inishytiative kognitiver Verhaltenstherapeuten zu Haushaltsbegriffen in der etablierten Psyshychologie geworden sind

Anmerkungen

1 Im Folgenden wird Teil Eins dieses Aufsatzes abgedruckt Teil Zwei dieses Beitrages Buddhistische Geistesgegenwart in therapeutischer Praxis wird im naumlchsten Heft einige Streiflichter auf zeitgenoumlsshysiche achtsamkeitsbasierte Therapieansaumltze und -programme werfen und am Beispiel von Core Proshycess Psychotherapy zu illustrieren versuchen wie eine von der Vision kontemplativer Geistesgegenshywart gepraumlgte therapeutische Arbeit aussehen kann

2 Ca 580-460 v u Z die Datierung wird gegenwaumlrtig diskutiert 3 Er ist 1881 ein erstes Mal dokumentiert in Rhys Davids Buddhist Suttaslt S 107 4 Monier-Williams 1981 S1271 5 Rhys Davids 1921-25 S 1283 6 Dieses Sutta taucht im Pali Kanon an drei verschiedenen Stellen auf (D ii 289 M i 55 Vbh 192) Fuumlr

eine Diskussion des Begriffes satipatthaumlna Sa Rhys Davids CAF Rhys Davids 1936 S 256 Nyashynatiloka 1952 S 307 Nyanaponika 1954 S 5 Anaumllayo 2003 S 29 Bodhi 2000 S 1504 Wallace amp Bodhi2006

7 Zum Begriff verkoumlrperunglt siehe unten 8 Eine Formulierung die auch ein Verstaumlndnis des Buddha fuumlr das psychologische Phaumlnomen von Disshy

soziationlt nahelegt - und seiner Erkenntnis wie Koumlrperachtsamkeit dieser entgegenwirken kann 9 Kaumlyagatasati-suttam M iii 88

10 Anaumlpaumlnasati-suttam M iii 78 11 Analayo 2003 S 47 Seinen kenntnisreichen Arbeiten verdanke ich zahlreiche Anregungen und Vershy

weIse 12 Aus Platzgruumlnden muszlig ich im Rahmen dieses Artikels auf eine Behandlung der Listen verzichten 13 Vism xiv 465 und Kommentar Miln 37 14 Analayo 2003 S 54 Fn 37 15 Meine Klammer [AMW]

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Achtsamkeit - ein Begriff zwischen den Welten

16 Der Begriff gtAchtsamkeitlt ist seit dem 1718Jh dokumentiert und hat sich im Deutschen fuumlr sati und mindfulness eingebuumlrgert Seine Schwaumlchen angesichts des Bedeutungsumfanges von sati liegen nicht in seiner Ungenauigkeit - er deckt einen Aspekt von sati genau ab - sondern in seiner Enge die viele der hier aufgefuumlhrten Bedeutungen unterschlaumlgt Besonders ungluumlcklich ist auch die Konnotation des gtAufpassenslt welche oft mit achtsamunachtsam auftaucht und die Uumlbung der Achtsamkeit allzu einshyseitig mit dem Akt von Kontrolle identifiziert

17 Der Begriff gtincorporationlt wurde von Merleau-Ponty gepraumlgt (Merleau-Ponty 1945) Varela hat ihn aufgegriffen und definiert raquoMit gtverkoumlrpertlt meinen wir eine Reflexion durch welche Koumlrper und Geist zusammengefuumlhrt werden Was diese Formulierung vermittelt ist daszlig Reflexion nicht nur uumlber eine Erfahrung stattfinden kann sondern selbst auch eine Form von Erfahrung ist - und diese Reflexion als Erfahrung kann in Geistesgegenwart und Gewahrsein ausgefuumlhrt werdenlaquo (Varela u a 1991)

18 Analaumlyos Begriff 19 Im Original Franzoumlsisch bzw Deutsch 20 Wundt w (1874) Grundriss der physiologischen Psychologie Wilhelm Engelmann Verlag Leipzig 21 Grossman in Von Leupoldt u a 2004

Summary This paper is an attempt to elucidate the the concepts of mindfulness presence and awareness It shuttles in the use of these terms between Buddhist contemplative and psychotherapeutic contexts It also uses these terms synonymously as the translation of the Buddhist concept of sati Mindfulness has become a buzzword As a consequence the notion of mindfulness on one hand enjoys increasing popularity this holds out the promise of a wider acceptance of contemplativc approaches in psyshychotherapy On the other hand mindfulness simply risks being reduced to yet another tool in the arsenal of cognitive behavioural techniques This state of affairs leads me to revisit some of the ethical emotional and social dimensions of the Buddhist conception of mindfulness and abrief glance at the risks we take if sati is denuded of its relationship to other factors of mind and a clean cognitive awareness is instead made out to be stand-alone panacea

Key words Mindfulness awareness presence contemplative Psychotherapy Buddhist Psychology sati

Anhang Abkuumlrzungen kanonischer Pali Texte

Roumlmische Zahlen nach der Abkuumlrzung geben den Band arabische die Seitennummer an (zB M iii 126 = Majjhima Nikaumlya dritter Band Seite 126) Fuumlr Pali-Recherche habe ich hauptsaumlchlich die digitale Version der Burmesischen Chattha Sangayana Edition gebraucht und dazu die Vorversion einer Software (CST4) des Vipassana Research Instititute Igatpuri eingesetzt

Vin Vinava Cv Cull~vagga D Digha Nikaumlya M Majjhima Nikaumlya S Samyutta Nikaumlya A Anguttara Nikaumlya Dhp Dhammapada Sn Suttanipaumlta Thag Theragaumlthauml Vbh Vibhanga Miln Milindapaiiha Vism Visuddhimagga

Uumlbersetzungen aus dem Pali Englischen und Franzoumlsischen sind meine sofern nicht anders angegeben

Literatur

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Wundt W (1874) Grundzuumlge der physiologischen Psychologie Wilhe1m Engelmann Verlag Leipzig Wundt W (1896) Grundriss der Psychologie Wilhclm Engelmann Verlag Leipzig

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Die Autorinnen und Autoren dieser Ausgabe

Die Autorinnen und Autoren dieser Ausgabe

Baden Nicole Dipl-Psych 1981 Studium der Psychologie an der Universitaumlt Oldenburg bis 2008 Sie ist ausgebildet nach der Methode Body Mind Centering einer Lehre fuumlr differenziertes Koumlrperbewusstsein und Bewegungspaumldagogik Schlafshytrainerin nach der Methode des Sounder Sleep Systems Seit 2002 Zen-Praktizierende und Schuumllerin von Zentatsu Baker Roshi Lebt im Buddhistischen Studienzentrum im J ohanneshof und im Zen Center in Crestone Colorado

Doerne Angelika Dipl-Familienpaumldagogin 1972 HP Psychotherapie Ausbilshydung in Gestalttherapie Integrativer Systemaufstellung Yogalehrerin Schuumllerin im Diamond Approach (Almaas) Weiterbildung in Beseelter Psychotherapie intensive Beschaumlftigung mit verschiedenen spirituellen Traditionen u a im Rahmen laumlngerer Aufenthalte in Indien bis 2009 psychotherapeutisch in der Klinik Heiligenfeld taumltig u a mit dem Schwerpunkt Spirituelle Krisen gegenwaumlrtig in eigener Praxis und als Seminarleiterin in Muumlnchen

Ehrmann Wilfried Dr Psychotherapeut Atemtherapeut mit eigener Praxis in Wien und Pressbaum Leiter des ATMAN-Ausbildungsprojektes (Ausbildung in Inshytegrativer Atemtherapie) Autor von Handbuch der Atemtherapie (2004) Evolution des Bewusstseins (iV) sowie zahlreicher Fachartikel Herausgeber der ATMANshyZeitung - Fachzeitschrift fuumlr Atemarbeit und Atemtherapie

Leopoldt Axel 1950 Facharzt fuumlr Psychosomatische Medizin und Psychotherashypie Biosynthese-Diplom tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie Seit 1998 Schuumller von A H Almaas

Piron Harald Dr Dipl-Psych 1967 psychologischer Psychotherapeut (VT) abgeschlossene Ausbildungen in Verhaltenstherapie RET und Psychosynthese meshyditiert seit 1985 therapiert seit 1993 promovierte in der Meditationsforschung gibt Weiterbildungen und Seminare zu transpersonaler Verhaltenstherapie (TVT) und Psychosynthese Er ist Vorsitzender der Society for Meditation and Meditation Reshysearch (SMMR)

Weber Akincano M ~-1960 ist Psychotherapeut dialogischer Prozess begleiter und Meditationslehrer Er war 20 Jahre kontemplativer Moumlnch in Asien und Europa hat eine Ausbildung in Core Process Psychotherapy und einen M A in Buddhist Psyshychotherapy Er lebt heute mit seiner Frau in Koumlln und unterrichtet als Meditationsshylehrer europaweit Eine umfangreichere Arbeit zu diesem Thema ist in Vorbereitung und wird im O W Barth Verlag erscheinen

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tesgegenwart (sati) und ihre Ausbildung sind Schluumlsselelernente auf diesem Weg Beshyreits ein fluumlchtiges Studium der Darlegungen des Buddha wird den psychotherapeushytisch hellhoumlrigen Leser ohne Zweifel lassen dass der Buddha in seinem Geschaumlft der Daseinserhellung aumluszligerst psychologisch und seiner Hilfestellung aumluszligerst therapeushytisch vorgegangen ist

In Teil Eins gehe ich den Darlegungen zu Geistesgegenwart in der Weisheitstradishytion des fruumlhen Buddhismus nach Als Grundlage dienen die Schriften aus einem Korpus von mittel-indo-arischen Texten genannt gtPali-Kanonlt und dessen Komshymentare Einige linguistische Abschweifungen sind unerlaumlsslich um zu erfassen was zur Zeit des Buddha2 mit dem Phaumlnomen sati gemeint ist das wir heute mit gtAchtshysamkeitlt gtGeistesgegenwartlt oder gtGewahrseinlt uumlbersetzen

In einem weiteren Abschnitt wird ein westliches Verstaumlndnis von Achtsamkeit unshytersucht Nach kurzem Blick in die Anfaumlnge der Psychologie wird auf Aussagen zu Geistesgegenwart zeitgenoumlssischer Stimmen eingegangen In Teil Zwei (in der naumlchsshyten Ausgabe dieses Heftes) werde ich mich praktischen Aspekten buddhistischer Geistesgegenwart in psychotherapeutischer Arbeit zuwenden verschiedene achtshysamkeitsbasierte Ansaumltze untersuchen und am Beispiel von Core Process Psychoshytherapy eine auf buddhistischer Geistesgegenwartsschulung beruhende Arbeit illusshytrieren

Geistesgegenwart in den Darlegungen des fruumlhen Buddhismus

Der Begriff sati und seine Uumlbersetzungen Dem Gelehrten und Gruumlnder der Pali Text Society Prof Rhys-Davis wird die Praumlshy

gung des Kunstwortes gtmindfulnesslt fuumlr den buddhistischen Begriff gtsatilt zugesproshychen3 Diese weithin akzeptierte Uumlbersetzung von sati ist nach einem ersten Blick in die Quellentexte alles andere als offenkundig

Der Begriff sati taucht in seiner vedischen Form als smrti in der vorbuddhistishyschen Literatur auf Die vedische Wurzel smr vermittelt zwei grundsaumltzliche Bedeushytungen gtErinnernlt und einfacher noch gtim Geiste haltenlt Diese Doppelbedeutung kann bereits in der fruumlhesten vedischen Literatur (Rg- Veda) gefunden werden4 Das Pali-Substantiv sati ist mit dem Verb fuumlr gterinnernlt (saratz) verwandt5 und sein Geshybrauch im vedischen Sinne als gtErinnerunglt und gtErinnernlt ist durch viele Stellen in den Pali-Darlegungen des Buddha belegt (z B S v 225 and M i 356 Abkuumlrzungen s Anhang) Seine Funktion wird oumlfter beschrieben als gterinnern was vor langer Zeit geschah und gesagt wurdelt So wird Aumlnanda der getreue Begleiter des Buddha als gtder Erste unter den Gedaumlchtnisstarkenlt (satimanta) geruumlhmt (A i 24) Auch negativ taucht der Begriff in dieser Bedeutung auf mutthasati heiszligt gtvergesslichlt (D iii 252 282) und asatiyauml wird oumlfter im Sinne von gtaufgrund von Vergesslichkeitlt verwendet (Vin ii 289)

Doch die scheinbar einhellig gebrauchte Bedeutung von sati als der Faumlhigkeit des Geistes Vergangenes abzurufen und zu behalten laumlsst eine sinnvolle Erklaumlrung fuumlr sati in seinem beruumlhmtesten Kontext aus naumlmlich jenem des Satipatthaumlna suttam shyder Darlegung uumlber gtdas Herbeifuumlhren von Geistesgegenwartlt6 Im Achtfachen Pfad dem gttherapeutischenlt Teil von Buddhas Darlegung der Vier Wahrheiten wird sati an

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Achtsamkeit - ein Begriff zwischen den Welten

7 Stelle aufgefuumlhrt und ist dort ausnahmslos als die Uumlbung der vier satipatthana deshyfiniert

raquoUnd was ist rechte Geistesgegenwart (sammasati) Hier verweilt ein Moumlnch in Betrachtung des Koumlrpers im Koumlrper eifrig (atapl) wissensklar (sampajano) und achtshysam (satima) frei von Begehren und Sorge hinsichtlich der Welt Er verweilt in Beshytrachtung der Gefuumlhlstoumlnungen in den Gefuumlhlstoumlnungen er verweilt in Betrachshytung der Gemuumltszustaumlnde in den Gemuumltszustaumlnden er verweilt in Betrachtung der Geistesinhalte in den Geistesinhalten eifrig wissensklar und achtsam frei von Beshygehren und Sorge hinsichtlich der Weltlaquo (D ii 312)

Bei der beschriebenen Uumlbung geht es offenkundig nicht um Gedaumlchtnis und Abruf von Vergangenern sondern stattdessen um Gewahrsein und Geistesgegenwart fuumlr die unmittelbare Erfahrung des gegenwaumlrtigen Augenblicks Die ungewoumlhnliche Forshymulierung und der Gebrauch des Lokativ im Pali (kaye kayanupassl) in der Bedeushytung von in Betrachtung des Koumlrpers im Koumlrperlt scheint mit Nachdruck auf eine besonders verkoumlrperte Form von Gewahrsein hinzuweisen8 Weitere Darlegungen bestaumltigen dies indem sie in die Schulung des Gewahrseins bei Koumlrperhaltung und verkoumlrperter Erfahrung herausstreichen so die gtDarlegung zu Koumlrperachtsamkeitlt9 oder die beruumlhmte gtDarlegung der AtmungsachtsamkeitltlO in welcher die gespuumlrten Koumlrperempfindungen waumlhrend des Ein- und Ausatmens eine zentrale Rolle spielen

Der zeitgenoumlssische Gelehrte Analayo weist darauf hin dass selbst Passagen die eine Uumlbersetzung von sati in der Bedeutung von gtGedaumlchtnislt nahelegen bei naumlherer Betrachtung offenbaren raquodass sati nicht wirklich als Erinnerungsvermoumlgen definiert wird sondern als das was dieses Erinnerungsvermoumlgen ermoumlglicht und unterstuumltztlaquo Diese Definition verdeutlicht dass wo sati vorhanden ist das Erinnerungsvermoumlshygen gut funktioniert l1

Wir koumlnnen also sagen dass sati Gedaumlchtnis und Erinnerungsvermoumlgen als Funkshytionen hat und damit die Ruumlckbesinnung unterstuumltzt seine Bedeutung jedoch die eines gegenwarts bezogenen Gewahrseins ist das uns ermoumlglicht Aufmerksamkeit kontinuierlich auf ein Objekt unseres Erlebens zu richten (Payutto 1988 S 3 U Pandita 2002) Die visionaumlre Praumlgung von gtmindfulnesslt des Erstuumlbersetzers Rhys Davids fuumlr sati bestaumltigt sich durch unsere erweiterte Lesart als volle Geistes-und Herzensgegenwart fuumlr die Erfahrung dieses Augenblicks

Die Uumlbung des gtHerbeifuumlhrens von Geistesgegenwartlt (satipatthaumlna) stellt eine rashydikale psychologische Neudefinition des Begriffes sati dar und ist eine faszinierende Akzentverschiebung vor dem Hintergrund fruumlherer yogischer Darlegungen sie ist zweifellos eines der hervorstechendsten Merkmale des fruumlhen Buddhismus Als Konshysequenz davon kommt der Geistesgegenwart eine beispiellose Rolle in Buddhas Vishysion menschlichen Wachstums zu Sie ist Grundlage fuumlr ethische Entfaltung (sila) fuumlr Geistessammlung (samaumldhi) fuumlr die Ausbildung intuitiver Weisheit (paiiiiauml) und fuumlr eine Kultur des Herzens durch die Uumlbung der Vier Unermesslichen Verfassungen (brahmavihaumlra) - der Faumlhigkeiten universeller Empathie und Menschlichkeit

Die Bilder Sati und seine Gleichnisse Die alten Texte vermitteln neben vielen Aufzaumlhlungen der Rolle von sati in Lisshy

tenform auch eine Reihe von Gleichnissen in denen sie dessen Erfahrungsqualitaumlt festhalten 12

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Ein eindringliches Bild (S v 169) veranschaulicht den Aspekt der Nicht-Zershystreutheit und der Kontinuitaumlt von Geistesgegenwart Ein Mann geht durch ein Menschengedraumlnge das sich versammelt hat um die Schoumlnheit des Landes tanzen zu sehen Auf seinem Kopf traumlgt er eine Schale randvoll mit Oumll gefuumlllt Hinter ihm ein zweiter Mann dieser mit gezuumlcktem Schwert droht seinen Kopf abzuschlagen sobald er auch nur einen einzigen Tropfen verschuumlttet Der Buddha fragt seine Gemeinschaft ob jener Mann mit der Oumllschale sich leisten koumlnnte unaufmerkshysam zu sein oder abgelenkt durch aumluszligere Dinge Die Moumlnche verneinen und der Buddha erlaumlutert ihnen daszlig die Schale Oumll ein Bild fuumlr Koumlrpergewahrsein (kaumlyagatauml sati) ist

Der Aspekt kontinuierlicher Geistesgegenwart und des gtNicht-Wegtreibenslt von Aufmerksamkeit wird im gtPfad der Reinheitlt und in den gtFragen des Koumlnigs Milindalt angesprochen wo die Merkmale von sati als gtvom Objekt nicht forttreibendlt und bei diesem gtanhaltendlt oder es gtaufgreifendlt beschrieben werden Der Kommentar illusshytriert das mit einem Kuumlrbis im Wasser der in der Stroumlmung wegtreibt sati jedoch treibt mit der Oberflaumlchenstroumlmung nicht davon sondern taucht stattdessen in die Tiefe und dringt in sein Objekt ein13 - was die Funktionen des gtDranbleibenslt und der gtNicht-Oberflaumlchlichkeitlt von Geistesgegenwart veranschaulicht

Andere Passagen in den Lehrreden vermitteln sati in seiner Qualitaumlt von Offenheit und empfaumlnglicher Weite Ein interessantes Gleichnis (M i 117) kontrastiert die Halshytung eines Kuhhirten in zwei verschiedenen Situationen Im Herbst waumlhrend des letzten Monsunmonats wenn die Felder in voller Frucht stehen muss er sorgsam daruumlber wachen (rakkheyya) dass die Tiere nicht in die Frucht laufen - und sie durch Stoszligen und Schubsen aus den Feldern heraushalten Im letzten Monat der heiszligen Jahreszeit wenn alle Felder ab geerntet sind kann er aus Distanz und aus dem Schatshyten eines Baumes nach seinen Kuumlhen schauen einfach indem er ihrer gewahr bleibt (satikaranlyam) Waumlhrend fuumlr die erste Situation das Wort fuumlr gtschuumltzenlt verwendet wird finden wir in der zweiten wo die Kuumlhe nirgendwo mehr hinzulaufen drohen das Wort gtGeistesgegenwartlt gebraucht - Das Bild legt eine Geistesverfassung von Gelassenheit und losgeloumlstem Gewahrseins nahe

Zwei weitere Bilder unterstreichen den Aspekt von Umsicht und raumlumlicher Pershyspektive Ein knappes Gleichnis in Versen (S v 5) am Ende der Janussoni Sutta setzt sati mit einem vorsichtigen Wagenlenker gleich der sein Fahrzeug steuert waumlhrend ein weiteres Versgleichnis (Thag 765) das Herbeifuumlhren von Geistesgegenwart damit vergleicht wie jemand auf eine erhoumlhte Terrasse steigt und dadurch einen Uumlberblick gewinnt Beide Bilder legen ein Maszlig an Losgeloumlstheit und offener Perspektive nahe

Eine weitere Gruppe von Bildern spricht vornehmlich von der Schutzeigenschaft durch sati Ein Beispiel davon ist das Gleichnis vom Torwaumlchter am Stadttor (satidovauml riko) wo Geistesgegenwart mit der Haltung eines weisen und erfahrenen Waumlchters verglichen wird der alle Bewohner der Stadt erkennt und mit Bedacht nur jene hishyneinlaumlsst die in der Stadt wohnen waumlhrend er die anderen fernhaumllt (A iv 110) Auf diese Weise so der Buddha gelinge es dem edlen Schuumller das Heilsame auszubilden und das Unheilsame zu uumlberwinden und gtsein Herz rein zu haltenlt Das Bild des Torshywaumlchters taucht ein zweites Mal auf diesmal mit einer Akzentverschiebung Auch hier gibt sati einen verstaumlndigen Torwaumlchter ab doch diesmal hilft er zwei von ferne ankommenden Boten damit dass ihre gtwahrheitsgemaumlszlige Botschaftlt unverzuumlglich und

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Achtsamkeit - ein Begriff zwischen den Welten

ohne Umwege den Stadtherrn erreicht Die Boten werden als Geistessammlung (samatha) und Einsicht (vipassanauml) identifiziert

Eine Passage in der Sunakkhatta-Sutta (M ii 259) gebraucht ein ungewoumlhnliches Beispiel aus der Wundmedizin welches Licht auf eine weitere Facette von sati wirft Der Buddha erklaumlrt einem Prinzen wie ein Wundarzt einen Mann versorgt der von einem vergifteten Pfeil verwundet wurde Zuerst schneidet er mit einem Messer die Wunde um den Pfeil herum auf dann sucht er mit einer Sonde die Pfeilspitze schlieszligshylich entfernt er diese vorsichtig und extrahiert das Gift Sati wird mit der Sonde gleichgesetzt welche dem Arzt genaue Information fuumlr eine weitere Behandlung vershyschafft waumlhrend Weisheit dem Messer gleicht das die Wunde oumlffnet

Ein weiteres Gleichnis zeigt den Buddha als Pfluumlger (S i 172 Sn 13) und illustriert sati zugleich als seine Pflugschar als auch seinen Treibstock Anaumllayos14 schoumlner Komshymentar dazu raquo bullmithilfe des Stockes sorgt der Bauer fuumlr die Kontinuitaumlt seines Pfluumlshygens indem er den Ochsen gtauf Kurslt haumllt Der Pflug bricht die Erdoberflaumlche um foumlrdert Verborgenes zutage und bereitet sie auf diese Weise dass danach ausgesaumlt oder angepflanzt werden kann Auf gleiche Weise sorgt die Kontinuitaumlt von sati dafuumlr dass die oberflaumlchliche Erscheinung der Phaumlnomene deren verborgene Aspekte ofshyfenbart - naumlmlich die drei Charakteristika - (Vergaumlnglichkeit Bedingtheit und Unshypersoumlnlichkeit)15 und der Saat der Weisheit aufzugehen erlaubt Der Umstand dass Pflugschar und Treibstock gemeinsam im Bild erwaumlhnt werden legt obendrein nahe dass Klarheit der Ausrichtung und Ausgewogenheit des Bemuumlhens vereint noumltig sind um sati auszubilden laquo wie es so Analayo weiter in der doppelten Aufgabe des Pfluumlgers zu erkennen sei Einerseits gelte es die Furche gerade zu halten indem er den Ochsen mit einer Hand antreibe (klare Ausrichtunglt) waumlhrend er andererseits mit der zweiten den Pflug genau im rechten Maszlige ins Erdreich druumlcke (gtausgewogenes Bemuumlhenlt) um zu verhindern dass dieser weder steckenbleibe noch nutzlos nur die Oberflaumlche schuumlrfe

Ein letztes Bild (S iv 199) spricht von Koumlrperachtsamkeit als einem starken pfosshyten an welchen sechs wilde Tiere angebunden sind Die Tiere (sie stehen fuumlr die sechs Sinne - Auge Ohr Nase Zunge Tastsinn und Geistsinn) zerren anfaumlnglich wild in verschiedene Richtungen und nur nach betraumlchtlicher Ermuumldung bleiben sie allmaumlhshylich stehen setzen sich und legen sich schlieszliglich in der Naumlhe des Pfostens hin

Die Vielfalt dieser Bilder gibt Bedeutungsfacetten des Begriffes sati wieder die auf einen ersten Blick dem eher hausbackenen deutschen Begriff gtAchtsamkeitlt nicht ohne weiteres anzusehen sind 16 Eine der Konstanten aller dieser Bilder fasst die PalishyTradition in der Eigenschaft von gtNicht-Verwirrtheitlt zusammen (Vism 465)

Die wichtigsten Aspekte der Bilder in psychologischen Begriffen bull Kontinuitaumlt von Gewahrsein fuumlr sich veraumlndernde Erfahrungsinhalte (zeitlich) bull Nicht-Zerstreutheit unverwandtes Gewahrbleiben bull Kontinuierliches Augenmerk auf einen Bereich der Aufmerksamkeit (raumlumlich) bull Faumlhigkeit des losgeloumlsten Erkennens und Gewahrwerdens bull Offenheit Geraumlumigkeit Perspektive Weitsicht bull Huumlten Schuumltzen Unterscheiden Umsicht bull Eifer und Effizienz bull Ergruumlndend bull Faumlhigkeit zu Einstimmung und Ausgewogenheit in Bemuumlhen

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bull Stabilitaumlt und Stille Die Bilder illustrieren auch die Beziehungen von sati zu den Bereichen der Ethik

(slla) der Geistessammlung (samadhi) und der Weisheit (paiziza) Waumlhrend diese drei sich als Tugenden unterstuumltzen - und zum Teil direkt voneinander abhaumlngen wie etwa im Falle von Tugend und Geistessammlung - spielt sati in allen eine unentshybehrliche Rolle wenn auch fuumlr jede mit einer leichten Akzentverschiebung

Urteilsvermoumlgen Stabilitaumlt Perspektive ein Verstaumlndnis dessen was und was nicht heilsam ist und die Bereitschaft an etwas dranzubleiben sind alles Voraussetzungen fuumlr ethische Entscheidungen und Lebensfuumlhrung (slla)

Kontinuitaumlt im Gewahrsein mit einem gewaumlhlten Gegenstand oder Prozess Stashybilitaumlt Stille und die noumltige Einfuumlhlung um Aufwand und Anstrengung abzustimshymen sind Voraussetzungen fuumlr Sammlung und Einigung des Geistes (samadhi)

Nicht-Zerstreutheit Kontinuitaumlt des Gewahrseins wachsames Edorschen und Sondieren Perspektive und losgeloumlstes Erkennen sind alle unentbehrlich fuumlr die Ausshybildung von Weisheit (paiziza)

Ein zeitgenoumlssischer Lehrer aus Thailand veranschaulicht den Verlauf des Zusamshymenspiels von Weisheit und sati in folgendem Gleichnis Eine Frau rudert mit ihrem Boot hinaus in den kabbeligen Fluss mit der Absicht Lotosstengel und Wassershypflanzen zu schneiden Zuerst verankert sie ihr Boot und haumllt es damit an der geshywuumlnschten Stelle wo die Pflanzen wachsen Dann ergreift sie die Pflanzen mit der einen Hand und buumlndelt sie so dass die Stengel bequem freiliegen schlieszliglich schneishydet sie sie mit dem Messer in der anderen Hand ab Das Boot steht fuumlr den Geist sati fuumlr den Anker der das Boot vor Ort haumllt die erste Hand welche die Stenge freilegt fuumlr gruumlndliches Erforschen (yoniso manasikara der Verbindung zwischen sati und Weisheit) die zweite Hand die Klinge fuumlhrend steht fuumlr die Kraft der Weisheit welshyche die Nebel der Taumluschung teilt (Payutto 1988 S 48)

Die Hindernisse Sati und seine Herausforderungen Uumlber den Verlust von Geistesgegenwart schreibt ein buddhistischer Autor raquoDie

abtraumlgliche Wirkung eingeschliffener Reaktionen zeigt sich dort am offenkundigsshyten wo wir sie abwertend als gtdie Macht der Gewohnheitlt bezeichnen Ihre abshystumpfende abtoumltende und verengende Wirkung unter welcher wir ganz besonders geneigt sind uns mit dem zu identifizieren was wir fuumlr unseren Charakter oder unshysere Persoumlnlichkeit haltenlaquo (Nyanaponika 1986 S 46)

Was geschieht wenn wir nicht geistesgegenwaumlrtig sind Bereits einige Minuten nuumlchterner Selbstbeobachtung wird die verbluumlffende Komplexitaumlt und ausufernde Natur unseres geistigen Lebens offenbaren Es gibt viele Moumlglichkeiten verloren zu gehen

Eine davon ist der Verlust von Beweglichkeit in unserer Geistesgegenwart - wir bleiben stecken sind ploumltzlich fixiert verbeiszligen uns an etwas und verlieren Kontishynuitaumlt und den Faden zum groumlszligeren Zusammenhang - etwa beim Eintreten eines unshyerwarteten Ereignisses

Eine andere ist wenn uns Gewahrsein von Hier undJetzt abhanden kommt - etwa unter der Einwirkung einer Emotion einer emotionsgeladenen Erinnerung einer Traumlumerei oder intensiven Gedankenfolge wir gehen unserer Bezugspunkte verlusshytig spuumlren die Orientierung schwinden verlieren Kurs und Lage

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Eine weitere Moumlglichkeit ist der Verlust des Raumes Unser Gewahrsein kollabiert auf einen Einzelaspekt unseres Erlebens der uns heimsucht und verfolgt Das kann gleichermaszligen aufgrund einer starken Vorliebe Abneigung oder Emotion stattfinshyden

Eine vierte ist der Verlust meiner Verkoumlrperung7 - wir houmlren auf wirklich anweshysend zu sein als fuumlhlende sinnenbegabte Wesen mit Beduumlrfnissen einem einfuumlhlsamen Herzen und tatsaumlchlicher Handlungsfaumlhigkeit

Eine fuumlnfte Moumlglichkeit ist der Verlust des Anderen Eine Implosion in meinem Gewahrsein laumlsst alleine gtmichlt als wirklich zuruumlck - und mich darin wirklich alleine werden

Manchmal ist es die Intensitaumlt eines Sinneseindruckes (etwa bei Schmerz) die unshysere Aufmerksamkeit beschlagnahmt sich unserer Vorstellung bemaumlchtigt (etwa bei Angst) oder uns in einer Weise vereinnahmt (wie bei Lust) dass wir den Bezug zum Rest unseres Erlebens verlieren Haumlufig jedoch braucht es viel weniger Gewohnheit Unkenntnis der wirklichen Prioritaumlten unseres Lebens und Mangel an Uumlbung machen uns oftmals leichte Beute fuumlr das was die buddhistischen Texte pamaumlda nennen Nachlaumlssigkeit und Achtlosigkeit - eine Qualitaumlt die sie gar mit dem Tod vergleishychen (Dhp 21) Die Schriften erlaumlutern uns im Weiteren dass einer der Hauptgruumlnde fuumlr das Entstehen unheilsamer Geistesverfassungen schlicht gtunklugeslt oder gtunshytaugliches Augenmerklt (ayoniso manasikaumlra) sei (D i 7)

Die Vision Sati und seine Verheiszligungen Geistesgegenwart als meditativer Uumlbung wohnt die Kraft tiefgreifender Verwandshy

lung inne wenn sie als mehr verstanden wird als bloszlig eine mentale Strategie in einem losgeloumlsten und ewig geblaumlhten Jetztlt zu verweilen - einem Jetzt dem es an Bezuumlshygen zur Erfahrung von Leiden dessen Entstehen und dessen Aufhebung fehlt wie sie fuumlr Erkenntnis und Wandlung notwendig sind Was die Bildersprache der Pali-Texte unmissverstaumlndlich aufzeigt ist Eine zu innerer Verwandlung faumlhige Geistesgegenshywart ist unweigerlich verbunden mit ethischen Werten gruumlndet in Hingabe haumlngt fuumlr ihre heilsamen Wirkungen von der Auswahl tauglicher Gegenstaumlnde ab wird unshytermauert durch angemessenes Bemuumlhen zweckdienliches Erforschen und gruumlndlishyches Erwaumlgen

Das Ende der beruumlhmten Darlegung zum gtHerbeifuumlhren der Geistesgegenwartlt laumlsst keinen Zweifel dass diese den direkten Weglt8 zur raquoErgruumlndung von Daseinsshyphaumlnomenen darstellt ohne Hinzufuumlgung von Emotionen und Vorstellungen auf der Basis von subjektiven Vorlieben so dass es weder zu Anhaften noch Identifikation kommtlaquo (Payutto 1988 S 32) Von einem solchen durch sati gewonnenen Ausshygangspunkt ist eine echte und unverzerrte Perspektive auf die Natur unseres Erleshybens erst moumlglich

Die fruumlhen Darlegungen betonen dass sati keine mystische Verfassung ist Kein Zustand der Gnade keine erhabene meditative Erfahrung - vielmehr eine Geistesshyverfassung die eingeuumlbt werden kann raquo bullbullbull entfaltet und uumlbt die auf den Koumlrper geshyrichtete Geistesgegenwart macht sie euch zum Fahrzeug zur Grundlage wendet sie an und bekraumlftigt sie uumlbt euch darin und macht sie vollkommenlaquo (S iv 200)

In den alten Schriften wird sati nicht ausdruumlcklich als gtBeziehungs qualitaumltlt dargeshystellt wenngleich gelegentliche Andeutungen in den Texten gefunden werden koumlnshy

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nen Therapeutisch versierten Lesern kann jedoch nicht entgangen sein wie eminent gtbeziehungs orientiertlt sati als Geistesverfassung ist - gehen doch meine Beziehungsshyabsicht meine Beziehungsfaumlhigkeit mein Vermoumlgen fuumlr Beziehungskonstanz alle letztlich auf sati zuruumlck - ob ich nun zu mir selbst zu anderen oder den Dingen meishyner Erfahrung in Beziehung bin

Vom Wert der Geistesgegenwart fuumlr zwischenmenschliche Beziehungen sprechen die folgenden Passagen aus der Sedaka Sutta (S v 168) wo ein Bambusakrobat und seine junge Schuumllerin in der Ausuumlbung ihrer Kunst dargestellt werden Der Akrobat stellt seine Bambus-Stange auf und sagt ihr sie moumlge auf seine Schultern steigen Sie tut wie geheiszligen Er spricht daraufhin raquoDu schuumltzt mich liebe Medakathaumllikauml und ich schuumltze dich Auf diese Weise einer durch den anderen geschuumltzt werden wir unsere Kuumlnste zeigen unser Honorar einsammeln und sicher von der Stange herunshytersteigenlaquo - Seine Schuumllerin zeigt sich nicht einverstanden und erwidert raquogtSo mein Lehrer geht es nicht Du mein Lehrer schuumltzt dich selbst und auch ich werde mich selber schuumltzen Auf diese Weise jeder sich selber huumltend jeder sich selber schuumltshyzend werden wir unsere Kuumlnste zeigen unser Honorar einsammeln und sicher von der Stange heruntersteigenlaquo - Der Buddha bestaumltigt nun die Aussage der jungen Schuumllerin und faumlhrt fort indem er die scheinbar gegenteiligen Aussagen des Akroshybaten und seiner Schuumllerin miteinander in Uumlbereinstimmung bringt

gtgtgtIch werde mich selber schuumltzenlt Moumlnche auf diese Weise soll das Herbeifuumlhren von Geistesgegenwart (satipatthaumlna) geuumlbt werden gtIch werde andere schuumltzenlt auf diese Weise soll das Herbeifuumlhren von Geistesgegenwart geuumlbt werden Sich selber schuumltzend schuumltzt man andere andere schuumltzend schuumltzt man sich selber Und wie Moumlnche schuumltzt man andere indem man sich selber schuumltzt Durch Hingabe durch Geistesentfaltung durch stetige Uumlbung Und wie Moumlnche schuumltzt man sich selber indem man Andere schuumltzt Durch Duldsamkeit (khantiyauml) durch Harmlosigkeit (avihimsaumlya) durch Liebe (mettataumlya) und Anteilnahme (anudayataya) Es ist auf diese Weise daszlig man die anderen schuumltzend sich selber schuumltztlaquo

Geistesgegenwart im Westen

Die Lehren des Buddha sind seit mehr als zweieinhalb Jahrtausenden bekannt sie gehen wie im Fall von sati und seiner Schulung auf noch aumlltere Traditionen zuruumlck Im Vergleich dazu ist westliche Psychologie als eine sich selbst bewusste Disziplin des Studiums von Geist und Verhalten erst ein recht junges Unterfangen

Es scheint unfair von einer kreativen aber relativ jungen Wissenschaft zu fordern dass sie uumlber den Schluumlsselbegriff einer gereiften Weisheitstradition auf Augenhoumlhe mithalten kann Und doch gehoumlrt es zu den faszinierendsten intellektuellen Untershynehmungen unserer Zeit beide Traditionen - ohne Forderung nach platten Entspreshychungen - die eine in den Begriffen der anderen einzuschaumltzen und abzuwaumlgen

Als Beispiel moumlgen die Konzepte von gtAchtsamkeitlt gtGewahrseinlt und gtIntroshyspektionlt dienen Die Anfaumlnge der jungen Wissenschaft wirken bescheiden Keine umfassende Klassifizierung wird geboten keine lebendige Bildhaftigkeit veranshyschaulicht die Begriffe und ihre Funktionen keine erkennbare Methode zu ihrer Ausshybildung und Vertiefung laumlsst sich ausmachen weder in der Fruumlhzeit noch heute Aufshyschlussreich ist William James Nach einigen kritischen Anmerkungen zu den

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Achtsamkeit - ein Begriff zwischen den Welten

englischen Empirikern und ihrer Handhabung von Erfahrung als einer quasi gtGegeshybenheitlt statt von etwas das durch gtselektive Aufmerksamkeitlt zustande kommt fuumlhrt er aus Games 1890 S 402 ff)

raquoSobald man uumlber den Sachverhalt nachdenkt wird einsichtig wie verfehlt diese Auffassung von Erfahrung ist setzt sie Erfahrung doch gleich mit der bloszligen Geshygenwart einer aumluszligeren Ordnung fuumlr unsere Sinne Millionen von Gegenstaumlnden dieshyser aumluszligeren Ordnung sind fuumlr meine Sinne gegenwaumlrtig ohne dass sie jedoch dadurch zu meiner Erfahrung wuumlrden Weshalb Weil sie fuumlr mich nicht von Interesse sind Meine Erfahrung ist worauf ich einwillige meine Aufmerksamkeit zu richten Nur die Dinge deren ich gewahr werde formen meinen Geist - ohne selektives Interesse ist meine Erfahrung ein voumllliges Chaos Allein Interesse gibt den Akzent und den Nachdruck Licht und Schatten Vordergrund und Hintergrund - in einem Wort eine erkennbare Perspektivelaquo

Etwas spaumlter fasst er zusammen raquoJeder weiszlig was Aufmerksamkeit ist Es ist das geistige Aufgreifen in klarer und lebhafter Weise von einem unter mehreren gleichshyzeitig sich anbietenden moumlglichen Gegenstaumlnden oder Gedankengaumlngen Fokussieren und Sammlung des Bewusstseins gehoumlren zu ihrem Wesen Aufmerksamkeit setzt voraus dass wir uns von einigen Dingen abwenden um uns mit anderen umso efshyfektiver zu befassen Als Verfassung hat sie ihr exaktes Gegenteil in dem verwirrten benommenen und zerfahrenen Geisteszustand der auf Franzoumlsisch distraction und auf Deutsch Zerstreutheit 19 heiszligt Wir alle kennen diesen Zustand selbst in seinen extremen Formenlaquo

Wundt (1896) fuumlhrt eine gtexperimentelle Introspektionlt ein welche als eine ihrer Voraussetzungen eine gtgespannte Aufmerksamkeitlt20 hat Freud schlieszliglich - hier spricht der erste Psychotherapeut uumlber den Akt der Therapie - empfiehlt fuumlr psyshychoanalytische Arbeit gteine gleichschwebende Aufmerksamkeitlt (Freud 1912)

In der Gestalttherapie spielt das Konzept von Gewahrsein eine groszlige Rolle und wird in Verbindung gesehen mit Wahl Kontakt und Spontaneitaumlt (Perls 1951 S viii) Es wird differenziert zwischen Achtsamkeit (attention) und Gewahrsein (awareness) raquoAchtsamkeit ist ein bewusstes Bemuumlhen Gewahrsein hingegen ist dies nichtlaquo (Korb et al 1989 S 8)

earl Rogers Konzept von gtPraumlsenzlt hat die Arbeit von zahllosen Therapeuten beshyeinflusst und damit indirekt auch das Terrain fuumlr die Aufnahme von buddhistischen Darlegungen und Praktiken der Geistesgegenwart geebnet In einem Klima von Aushythentizitaumlt (gtKongruenzlt) Empathie und uneingeschraumlnkt positiver Wertschaumltzung finden Menschen unweigerlich ihre eigenen Loumlsungen und es ist die Hauptaufgabe des Therapeuten diese Praumlsenz vorbildhaft zu verkoumlrpern statt zu intervenieren zu analysieren oder den Klienten in leitender Weise zu beeinflussen (Natiello 2001)

Eugene Gendlin ein erstaunlicher Grenzgaumlnger und Pendler im schwierigen Geshylaumlnde zwischen experimenteller Psychologie und akademischer Philosophie war einige Zeit Mitarbeiter von Rogers Einer seiner vielen Beitraumlge eine eminent anshywendbare koumlrperbezogene Fertigkeit welche er gtFocusinglt taufte wurde uumlber akashydemische Kreise hinaus weithin populaumlr und fand auch im Feld der Psychotherashypeuten betraumlchtliche Resonanz (Gendlin 1978)

Darlegungen zu yogischen und buddhistischen Meditationspraktiken haben das Abendland in episodischen Wellen seit dem ausgehenden 19 Jahrhundert erreicht

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In den 60er und 70er Jahren des vorigen Jahrhunderts begannen diese meditativen Lehren sich groszliger Beliebtheit zu erfreuen - ein Trend der mit Akzentverschiebunshygen bis heute anhaumllt Wirkungen davon blieben nicht aus So hat in juumlngster Verganshygenheit eine wachsende Anzahl von Psychologen und Psychotherapeuten persoumlnshyliche kontemplative Erfahrungen gemacht - unbeschadet ihrer beruflichen oder akademischen Bekenntnisse Andererseits sind Meditation und ihre Wirkungen selbst Gegenstand wissenschaftlicher Aufmerksamkeit geworden Die Segnungen einer solshychen Aufmerksamkeit sind zwiespaumlltig

Die Felder akademischer Psychologie und Psychotherapie wurden im letzten Jahrshyhundert uumlber weite Strecken von Konzepten aus der Verhaltensforschung dominiert Die Geringschaumltzung dieser Schule fuumlr Introspektion subjektive Wahrnehmung und persoumlnliche Erfahrung als moumlglicherweise guumlltige Quellen von Erkenntnis hat weite Kreise nachhaltig gepraumlgt - ein Einfluss der auch heute noch anhaumllt21 Das Zulassen allein gtverifizierbarerlt Daten verhaumlngt die Beschraumlnktheit einer wissenschaftlichen Methodik uumlber den Gegenstand der Untersuchung - eine Praxis die unweigerlich betraumlchtliche Teile menschlicher Erfahrung auslaumlsst wenn diese auf gtverifizierbarelt Daten reduziert wird

Buddhistische Achtsamkeits- und Gewahrseinspraxis ist eine introspektive Uumlbung par excellence - und fuumlr Menschen die sich in ihr schulen subjektiv durchaus verishyfizierbar - wenngleich ohne Respekt fuumlr Kriterien wissenschaftlicher Strenge So scheint es dem kontemplativ Praktizierenden nicht ohne eine gewisse Ironie dass die Konzepte gtAchtsamkeitlt (bzw gtmindfulnesslt) in juumlngster Zeit hauptsaumlchlich auf Inishytiative kognitiver Verhaltenstherapeuten zu Haushaltsbegriffen in der etablierten Psyshychologie geworden sind

Anmerkungen

1 Im Folgenden wird Teil Eins dieses Aufsatzes abgedruckt Teil Zwei dieses Beitrages Buddhistische Geistesgegenwart in therapeutischer Praxis wird im naumlchsten Heft einige Streiflichter auf zeitgenoumlsshysiche achtsamkeitsbasierte Therapieansaumltze und -programme werfen und am Beispiel von Core Proshycess Psychotherapy zu illustrieren versuchen wie eine von der Vision kontemplativer Geistesgegenshywart gepraumlgte therapeutische Arbeit aussehen kann

2 Ca 580-460 v u Z die Datierung wird gegenwaumlrtig diskutiert 3 Er ist 1881 ein erstes Mal dokumentiert in Rhys Davids Buddhist Suttaslt S 107 4 Monier-Williams 1981 S1271 5 Rhys Davids 1921-25 S 1283 6 Dieses Sutta taucht im Pali Kanon an drei verschiedenen Stellen auf (D ii 289 M i 55 Vbh 192) Fuumlr

eine Diskussion des Begriffes satipatthaumlna Sa Rhys Davids CAF Rhys Davids 1936 S 256 Nyashynatiloka 1952 S 307 Nyanaponika 1954 S 5 Anaumllayo 2003 S 29 Bodhi 2000 S 1504 Wallace amp Bodhi2006

7 Zum Begriff verkoumlrperunglt siehe unten 8 Eine Formulierung die auch ein Verstaumlndnis des Buddha fuumlr das psychologische Phaumlnomen von Disshy

soziationlt nahelegt - und seiner Erkenntnis wie Koumlrperachtsamkeit dieser entgegenwirken kann 9 Kaumlyagatasati-suttam M iii 88

10 Anaumlpaumlnasati-suttam M iii 78 11 Analayo 2003 S 47 Seinen kenntnisreichen Arbeiten verdanke ich zahlreiche Anregungen und Vershy

weIse 12 Aus Platzgruumlnden muszlig ich im Rahmen dieses Artikels auf eine Behandlung der Listen verzichten 13 Vism xiv 465 und Kommentar Miln 37 14 Analayo 2003 S 54 Fn 37 15 Meine Klammer [AMW]

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16 Der Begriff gtAchtsamkeitlt ist seit dem 1718Jh dokumentiert und hat sich im Deutschen fuumlr sati und mindfulness eingebuumlrgert Seine Schwaumlchen angesichts des Bedeutungsumfanges von sati liegen nicht in seiner Ungenauigkeit - er deckt einen Aspekt von sati genau ab - sondern in seiner Enge die viele der hier aufgefuumlhrten Bedeutungen unterschlaumlgt Besonders ungluumlcklich ist auch die Konnotation des gtAufpassenslt welche oft mit achtsamunachtsam auftaucht und die Uumlbung der Achtsamkeit allzu einshyseitig mit dem Akt von Kontrolle identifiziert

17 Der Begriff gtincorporationlt wurde von Merleau-Ponty gepraumlgt (Merleau-Ponty 1945) Varela hat ihn aufgegriffen und definiert raquoMit gtverkoumlrpertlt meinen wir eine Reflexion durch welche Koumlrper und Geist zusammengefuumlhrt werden Was diese Formulierung vermittelt ist daszlig Reflexion nicht nur uumlber eine Erfahrung stattfinden kann sondern selbst auch eine Form von Erfahrung ist - und diese Reflexion als Erfahrung kann in Geistesgegenwart und Gewahrsein ausgefuumlhrt werdenlaquo (Varela u a 1991)

18 Analaumlyos Begriff 19 Im Original Franzoumlsisch bzw Deutsch 20 Wundt w (1874) Grundriss der physiologischen Psychologie Wilhelm Engelmann Verlag Leipzig 21 Grossman in Von Leupoldt u a 2004

Summary This paper is an attempt to elucidate the the concepts of mindfulness presence and awareness It shuttles in the use of these terms between Buddhist contemplative and psychotherapeutic contexts It also uses these terms synonymously as the translation of the Buddhist concept of sati Mindfulness has become a buzzword As a consequence the notion of mindfulness on one hand enjoys increasing popularity this holds out the promise of a wider acceptance of contemplativc approaches in psyshychotherapy On the other hand mindfulness simply risks being reduced to yet another tool in the arsenal of cognitive behavioural techniques This state of affairs leads me to revisit some of the ethical emotional and social dimensions of the Buddhist conception of mindfulness and abrief glance at the risks we take if sati is denuded of its relationship to other factors of mind and a clean cognitive awareness is instead made out to be stand-alone panacea

Key words Mindfulness awareness presence contemplative Psychotherapy Buddhist Psychology sati

Anhang Abkuumlrzungen kanonischer Pali Texte

Roumlmische Zahlen nach der Abkuumlrzung geben den Band arabische die Seitennummer an (zB M iii 126 = Majjhima Nikaumlya dritter Band Seite 126) Fuumlr Pali-Recherche habe ich hauptsaumlchlich die digitale Version der Burmesischen Chattha Sangayana Edition gebraucht und dazu die Vorversion einer Software (CST4) des Vipassana Research Instititute Igatpuri eingesetzt

Vin Vinava Cv Cull~vagga D Digha Nikaumlya M Majjhima Nikaumlya S Samyutta Nikaumlya A Anguttara Nikaumlya Dhp Dhammapada Sn Suttanipaumlta Thag Theragaumlthauml Vbh Vibhanga Miln Milindapaiiha Vism Visuddhimagga

Uumlbersetzungen aus dem Pali Englischen und Franzoumlsischen sind meine sofern nicht anders angegeben

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Die Autorinnen und Autoren dieser Ausgabe

Die Autorinnen und Autoren dieser Ausgabe

Baden Nicole Dipl-Psych 1981 Studium der Psychologie an der Universitaumlt Oldenburg bis 2008 Sie ist ausgebildet nach der Methode Body Mind Centering einer Lehre fuumlr differenziertes Koumlrperbewusstsein und Bewegungspaumldagogik Schlafshytrainerin nach der Methode des Sounder Sleep Systems Seit 2002 Zen-Praktizierende und Schuumllerin von Zentatsu Baker Roshi Lebt im Buddhistischen Studienzentrum im J ohanneshof und im Zen Center in Crestone Colorado

Doerne Angelika Dipl-Familienpaumldagogin 1972 HP Psychotherapie Ausbilshydung in Gestalttherapie Integrativer Systemaufstellung Yogalehrerin Schuumllerin im Diamond Approach (Almaas) Weiterbildung in Beseelter Psychotherapie intensive Beschaumlftigung mit verschiedenen spirituellen Traditionen u a im Rahmen laumlngerer Aufenthalte in Indien bis 2009 psychotherapeutisch in der Klinik Heiligenfeld taumltig u a mit dem Schwerpunkt Spirituelle Krisen gegenwaumlrtig in eigener Praxis und als Seminarleiterin in Muumlnchen

Ehrmann Wilfried Dr Psychotherapeut Atemtherapeut mit eigener Praxis in Wien und Pressbaum Leiter des ATMAN-Ausbildungsprojektes (Ausbildung in Inshytegrativer Atemtherapie) Autor von Handbuch der Atemtherapie (2004) Evolution des Bewusstseins (iV) sowie zahlreicher Fachartikel Herausgeber der ATMANshyZeitung - Fachzeitschrift fuumlr Atemarbeit und Atemtherapie

Leopoldt Axel 1950 Facharzt fuumlr Psychosomatische Medizin und Psychotherashypie Biosynthese-Diplom tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie Seit 1998 Schuumller von A H Almaas

Piron Harald Dr Dipl-Psych 1967 psychologischer Psychotherapeut (VT) abgeschlossene Ausbildungen in Verhaltenstherapie RET und Psychosynthese meshyditiert seit 1985 therapiert seit 1993 promovierte in der Meditationsforschung gibt Weiterbildungen und Seminare zu transpersonaler Verhaltenstherapie (TVT) und Psychosynthese Er ist Vorsitzender der Society for Meditation and Meditation Reshysearch (SMMR)

Weber Akincano M ~-1960 ist Psychotherapeut dialogischer Prozess begleiter und Meditationslehrer Er war 20 Jahre kontemplativer Moumlnch in Asien und Europa hat eine Ausbildung in Core Process Psychotherapy und einen M A in Buddhist Psyshychotherapy Er lebt heute mit seiner Frau in Koumlln und unterrichtet als Meditationsshylehrer europaweit Eine umfangreichere Arbeit zu diesem Thema ist in Vorbereitung und wird im O W Barth Verlag erscheinen

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7 Stelle aufgefuumlhrt und ist dort ausnahmslos als die Uumlbung der vier satipatthana deshyfiniert

raquoUnd was ist rechte Geistesgegenwart (sammasati) Hier verweilt ein Moumlnch in Betrachtung des Koumlrpers im Koumlrper eifrig (atapl) wissensklar (sampajano) und achtshysam (satima) frei von Begehren und Sorge hinsichtlich der Welt Er verweilt in Beshytrachtung der Gefuumlhlstoumlnungen in den Gefuumlhlstoumlnungen er verweilt in Betrachshytung der Gemuumltszustaumlnde in den Gemuumltszustaumlnden er verweilt in Betrachtung der Geistesinhalte in den Geistesinhalten eifrig wissensklar und achtsam frei von Beshygehren und Sorge hinsichtlich der Weltlaquo (D ii 312)

Bei der beschriebenen Uumlbung geht es offenkundig nicht um Gedaumlchtnis und Abruf von Vergangenern sondern stattdessen um Gewahrsein und Geistesgegenwart fuumlr die unmittelbare Erfahrung des gegenwaumlrtigen Augenblicks Die ungewoumlhnliche Forshymulierung und der Gebrauch des Lokativ im Pali (kaye kayanupassl) in der Bedeushytung von in Betrachtung des Koumlrpers im Koumlrperlt scheint mit Nachdruck auf eine besonders verkoumlrperte Form von Gewahrsein hinzuweisen8 Weitere Darlegungen bestaumltigen dies indem sie in die Schulung des Gewahrseins bei Koumlrperhaltung und verkoumlrperter Erfahrung herausstreichen so die gtDarlegung zu Koumlrperachtsamkeitlt9 oder die beruumlhmte gtDarlegung der AtmungsachtsamkeitltlO in welcher die gespuumlrten Koumlrperempfindungen waumlhrend des Ein- und Ausatmens eine zentrale Rolle spielen

Der zeitgenoumlssische Gelehrte Analayo weist darauf hin dass selbst Passagen die eine Uumlbersetzung von sati in der Bedeutung von gtGedaumlchtnislt nahelegen bei naumlherer Betrachtung offenbaren raquodass sati nicht wirklich als Erinnerungsvermoumlgen definiert wird sondern als das was dieses Erinnerungsvermoumlgen ermoumlglicht und unterstuumltztlaquo Diese Definition verdeutlicht dass wo sati vorhanden ist das Erinnerungsvermoumlshygen gut funktioniert l1

Wir koumlnnen also sagen dass sati Gedaumlchtnis und Erinnerungsvermoumlgen als Funkshytionen hat und damit die Ruumlckbesinnung unterstuumltzt seine Bedeutung jedoch die eines gegenwarts bezogenen Gewahrseins ist das uns ermoumlglicht Aufmerksamkeit kontinuierlich auf ein Objekt unseres Erlebens zu richten (Payutto 1988 S 3 U Pandita 2002) Die visionaumlre Praumlgung von gtmindfulnesslt des Erstuumlbersetzers Rhys Davids fuumlr sati bestaumltigt sich durch unsere erweiterte Lesart als volle Geistes-und Herzensgegenwart fuumlr die Erfahrung dieses Augenblicks

Die Uumlbung des gtHerbeifuumlhrens von Geistesgegenwartlt (satipatthaumlna) stellt eine rashydikale psychologische Neudefinition des Begriffes sati dar und ist eine faszinierende Akzentverschiebung vor dem Hintergrund fruumlherer yogischer Darlegungen sie ist zweifellos eines der hervorstechendsten Merkmale des fruumlhen Buddhismus Als Konshysequenz davon kommt der Geistesgegenwart eine beispiellose Rolle in Buddhas Vishysion menschlichen Wachstums zu Sie ist Grundlage fuumlr ethische Entfaltung (sila) fuumlr Geistessammlung (samaumldhi) fuumlr die Ausbildung intuitiver Weisheit (paiiiiauml) und fuumlr eine Kultur des Herzens durch die Uumlbung der Vier Unermesslichen Verfassungen (brahmavihaumlra) - der Faumlhigkeiten universeller Empathie und Menschlichkeit

Die Bilder Sati und seine Gleichnisse Die alten Texte vermitteln neben vielen Aufzaumlhlungen der Rolle von sati in Lisshy

tenform auch eine Reihe von Gleichnissen in denen sie dessen Erfahrungsqualitaumlt festhalten 12

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Ein eindringliches Bild (S v 169) veranschaulicht den Aspekt der Nicht-Zershystreutheit und der Kontinuitaumlt von Geistesgegenwart Ein Mann geht durch ein Menschengedraumlnge das sich versammelt hat um die Schoumlnheit des Landes tanzen zu sehen Auf seinem Kopf traumlgt er eine Schale randvoll mit Oumll gefuumlllt Hinter ihm ein zweiter Mann dieser mit gezuumlcktem Schwert droht seinen Kopf abzuschlagen sobald er auch nur einen einzigen Tropfen verschuumlttet Der Buddha fragt seine Gemeinschaft ob jener Mann mit der Oumllschale sich leisten koumlnnte unaufmerkshysam zu sein oder abgelenkt durch aumluszligere Dinge Die Moumlnche verneinen und der Buddha erlaumlutert ihnen daszlig die Schale Oumll ein Bild fuumlr Koumlrpergewahrsein (kaumlyagatauml sati) ist

Der Aspekt kontinuierlicher Geistesgegenwart und des gtNicht-Wegtreibenslt von Aufmerksamkeit wird im gtPfad der Reinheitlt und in den gtFragen des Koumlnigs Milindalt angesprochen wo die Merkmale von sati als gtvom Objekt nicht forttreibendlt und bei diesem gtanhaltendlt oder es gtaufgreifendlt beschrieben werden Der Kommentar illusshytriert das mit einem Kuumlrbis im Wasser der in der Stroumlmung wegtreibt sati jedoch treibt mit der Oberflaumlchenstroumlmung nicht davon sondern taucht stattdessen in die Tiefe und dringt in sein Objekt ein13 - was die Funktionen des gtDranbleibenslt und der gtNicht-Oberflaumlchlichkeitlt von Geistesgegenwart veranschaulicht

Andere Passagen in den Lehrreden vermitteln sati in seiner Qualitaumlt von Offenheit und empfaumlnglicher Weite Ein interessantes Gleichnis (M i 117) kontrastiert die Halshytung eines Kuhhirten in zwei verschiedenen Situationen Im Herbst waumlhrend des letzten Monsunmonats wenn die Felder in voller Frucht stehen muss er sorgsam daruumlber wachen (rakkheyya) dass die Tiere nicht in die Frucht laufen - und sie durch Stoszligen und Schubsen aus den Feldern heraushalten Im letzten Monat der heiszligen Jahreszeit wenn alle Felder ab geerntet sind kann er aus Distanz und aus dem Schatshyten eines Baumes nach seinen Kuumlhen schauen einfach indem er ihrer gewahr bleibt (satikaranlyam) Waumlhrend fuumlr die erste Situation das Wort fuumlr gtschuumltzenlt verwendet wird finden wir in der zweiten wo die Kuumlhe nirgendwo mehr hinzulaufen drohen das Wort gtGeistesgegenwartlt gebraucht - Das Bild legt eine Geistesverfassung von Gelassenheit und losgeloumlstem Gewahrseins nahe

Zwei weitere Bilder unterstreichen den Aspekt von Umsicht und raumlumlicher Pershyspektive Ein knappes Gleichnis in Versen (S v 5) am Ende der Janussoni Sutta setzt sati mit einem vorsichtigen Wagenlenker gleich der sein Fahrzeug steuert waumlhrend ein weiteres Versgleichnis (Thag 765) das Herbeifuumlhren von Geistesgegenwart damit vergleicht wie jemand auf eine erhoumlhte Terrasse steigt und dadurch einen Uumlberblick gewinnt Beide Bilder legen ein Maszlig an Losgeloumlstheit und offener Perspektive nahe

Eine weitere Gruppe von Bildern spricht vornehmlich von der Schutzeigenschaft durch sati Ein Beispiel davon ist das Gleichnis vom Torwaumlchter am Stadttor (satidovauml riko) wo Geistesgegenwart mit der Haltung eines weisen und erfahrenen Waumlchters verglichen wird der alle Bewohner der Stadt erkennt und mit Bedacht nur jene hishyneinlaumlsst die in der Stadt wohnen waumlhrend er die anderen fernhaumllt (A iv 110) Auf diese Weise so der Buddha gelinge es dem edlen Schuumller das Heilsame auszubilden und das Unheilsame zu uumlberwinden und gtsein Herz rein zu haltenlt Das Bild des Torshywaumlchters taucht ein zweites Mal auf diesmal mit einer Akzentverschiebung Auch hier gibt sati einen verstaumlndigen Torwaumlchter ab doch diesmal hilft er zwei von ferne ankommenden Boten damit dass ihre gtwahrheitsgemaumlszlige Botschaftlt unverzuumlglich und

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ohne Umwege den Stadtherrn erreicht Die Boten werden als Geistessammlung (samatha) und Einsicht (vipassanauml) identifiziert

Eine Passage in der Sunakkhatta-Sutta (M ii 259) gebraucht ein ungewoumlhnliches Beispiel aus der Wundmedizin welches Licht auf eine weitere Facette von sati wirft Der Buddha erklaumlrt einem Prinzen wie ein Wundarzt einen Mann versorgt der von einem vergifteten Pfeil verwundet wurde Zuerst schneidet er mit einem Messer die Wunde um den Pfeil herum auf dann sucht er mit einer Sonde die Pfeilspitze schlieszligshylich entfernt er diese vorsichtig und extrahiert das Gift Sati wird mit der Sonde gleichgesetzt welche dem Arzt genaue Information fuumlr eine weitere Behandlung vershyschafft waumlhrend Weisheit dem Messer gleicht das die Wunde oumlffnet

Ein weiteres Gleichnis zeigt den Buddha als Pfluumlger (S i 172 Sn 13) und illustriert sati zugleich als seine Pflugschar als auch seinen Treibstock Anaumllayos14 schoumlner Komshymentar dazu raquo bullmithilfe des Stockes sorgt der Bauer fuumlr die Kontinuitaumlt seines Pfluumlshygens indem er den Ochsen gtauf Kurslt haumllt Der Pflug bricht die Erdoberflaumlche um foumlrdert Verborgenes zutage und bereitet sie auf diese Weise dass danach ausgesaumlt oder angepflanzt werden kann Auf gleiche Weise sorgt die Kontinuitaumlt von sati dafuumlr dass die oberflaumlchliche Erscheinung der Phaumlnomene deren verborgene Aspekte ofshyfenbart - naumlmlich die drei Charakteristika - (Vergaumlnglichkeit Bedingtheit und Unshypersoumlnlichkeit)15 und der Saat der Weisheit aufzugehen erlaubt Der Umstand dass Pflugschar und Treibstock gemeinsam im Bild erwaumlhnt werden legt obendrein nahe dass Klarheit der Ausrichtung und Ausgewogenheit des Bemuumlhens vereint noumltig sind um sati auszubilden laquo wie es so Analayo weiter in der doppelten Aufgabe des Pfluumlgers zu erkennen sei Einerseits gelte es die Furche gerade zu halten indem er den Ochsen mit einer Hand antreibe (klare Ausrichtunglt) waumlhrend er andererseits mit der zweiten den Pflug genau im rechten Maszlige ins Erdreich druumlcke (gtausgewogenes Bemuumlhenlt) um zu verhindern dass dieser weder steckenbleibe noch nutzlos nur die Oberflaumlche schuumlrfe

Ein letztes Bild (S iv 199) spricht von Koumlrperachtsamkeit als einem starken pfosshyten an welchen sechs wilde Tiere angebunden sind Die Tiere (sie stehen fuumlr die sechs Sinne - Auge Ohr Nase Zunge Tastsinn und Geistsinn) zerren anfaumlnglich wild in verschiedene Richtungen und nur nach betraumlchtlicher Ermuumldung bleiben sie allmaumlhshylich stehen setzen sich und legen sich schlieszliglich in der Naumlhe des Pfostens hin

Die Vielfalt dieser Bilder gibt Bedeutungsfacetten des Begriffes sati wieder die auf einen ersten Blick dem eher hausbackenen deutschen Begriff gtAchtsamkeitlt nicht ohne weiteres anzusehen sind 16 Eine der Konstanten aller dieser Bilder fasst die PalishyTradition in der Eigenschaft von gtNicht-Verwirrtheitlt zusammen (Vism 465)

Die wichtigsten Aspekte der Bilder in psychologischen Begriffen bull Kontinuitaumlt von Gewahrsein fuumlr sich veraumlndernde Erfahrungsinhalte (zeitlich) bull Nicht-Zerstreutheit unverwandtes Gewahrbleiben bull Kontinuierliches Augenmerk auf einen Bereich der Aufmerksamkeit (raumlumlich) bull Faumlhigkeit des losgeloumlsten Erkennens und Gewahrwerdens bull Offenheit Geraumlumigkeit Perspektive Weitsicht bull Huumlten Schuumltzen Unterscheiden Umsicht bull Eifer und Effizienz bull Ergruumlndend bull Faumlhigkeit zu Einstimmung und Ausgewogenheit in Bemuumlhen

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bull Stabilitaumlt und Stille Die Bilder illustrieren auch die Beziehungen von sati zu den Bereichen der Ethik

(slla) der Geistessammlung (samadhi) und der Weisheit (paiziza) Waumlhrend diese drei sich als Tugenden unterstuumltzen - und zum Teil direkt voneinander abhaumlngen wie etwa im Falle von Tugend und Geistessammlung - spielt sati in allen eine unentshybehrliche Rolle wenn auch fuumlr jede mit einer leichten Akzentverschiebung

Urteilsvermoumlgen Stabilitaumlt Perspektive ein Verstaumlndnis dessen was und was nicht heilsam ist und die Bereitschaft an etwas dranzubleiben sind alles Voraussetzungen fuumlr ethische Entscheidungen und Lebensfuumlhrung (slla)

Kontinuitaumlt im Gewahrsein mit einem gewaumlhlten Gegenstand oder Prozess Stashybilitaumlt Stille und die noumltige Einfuumlhlung um Aufwand und Anstrengung abzustimshymen sind Voraussetzungen fuumlr Sammlung und Einigung des Geistes (samadhi)

Nicht-Zerstreutheit Kontinuitaumlt des Gewahrseins wachsames Edorschen und Sondieren Perspektive und losgeloumlstes Erkennen sind alle unentbehrlich fuumlr die Ausshybildung von Weisheit (paiziza)

Ein zeitgenoumlssischer Lehrer aus Thailand veranschaulicht den Verlauf des Zusamshymenspiels von Weisheit und sati in folgendem Gleichnis Eine Frau rudert mit ihrem Boot hinaus in den kabbeligen Fluss mit der Absicht Lotosstengel und Wassershypflanzen zu schneiden Zuerst verankert sie ihr Boot und haumllt es damit an der geshywuumlnschten Stelle wo die Pflanzen wachsen Dann ergreift sie die Pflanzen mit der einen Hand und buumlndelt sie so dass die Stengel bequem freiliegen schlieszliglich schneishydet sie sie mit dem Messer in der anderen Hand ab Das Boot steht fuumlr den Geist sati fuumlr den Anker der das Boot vor Ort haumllt die erste Hand welche die Stenge freilegt fuumlr gruumlndliches Erforschen (yoniso manasikara der Verbindung zwischen sati und Weisheit) die zweite Hand die Klinge fuumlhrend steht fuumlr die Kraft der Weisheit welshyche die Nebel der Taumluschung teilt (Payutto 1988 S 48)

Die Hindernisse Sati und seine Herausforderungen Uumlber den Verlust von Geistesgegenwart schreibt ein buddhistischer Autor raquoDie

abtraumlgliche Wirkung eingeschliffener Reaktionen zeigt sich dort am offenkundigsshyten wo wir sie abwertend als gtdie Macht der Gewohnheitlt bezeichnen Ihre abshystumpfende abtoumltende und verengende Wirkung unter welcher wir ganz besonders geneigt sind uns mit dem zu identifizieren was wir fuumlr unseren Charakter oder unshysere Persoumlnlichkeit haltenlaquo (Nyanaponika 1986 S 46)

Was geschieht wenn wir nicht geistesgegenwaumlrtig sind Bereits einige Minuten nuumlchterner Selbstbeobachtung wird die verbluumlffende Komplexitaumlt und ausufernde Natur unseres geistigen Lebens offenbaren Es gibt viele Moumlglichkeiten verloren zu gehen

Eine davon ist der Verlust von Beweglichkeit in unserer Geistesgegenwart - wir bleiben stecken sind ploumltzlich fixiert verbeiszligen uns an etwas und verlieren Kontishynuitaumlt und den Faden zum groumlszligeren Zusammenhang - etwa beim Eintreten eines unshyerwarteten Ereignisses

Eine andere ist wenn uns Gewahrsein von Hier undJetzt abhanden kommt - etwa unter der Einwirkung einer Emotion einer emotionsgeladenen Erinnerung einer Traumlumerei oder intensiven Gedankenfolge wir gehen unserer Bezugspunkte verlusshytig spuumlren die Orientierung schwinden verlieren Kurs und Lage

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Eine weitere Moumlglichkeit ist der Verlust des Raumes Unser Gewahrsein kollabiert auf einen Einzelaspekt unseres Erlebens der uns heimsucht und verfolgt Das kann gleichermaszligen aufgrund einer starken Vorliebe Abneigung oder Emotion stattfinshyden

Eine vierte ist der Verlust meiner Verkoumlrperung7 - wir houmlren auf wirklich anweshysend zu sein als fuumlhlende sinnenbegabte Wesen mit Beduumlrfnissen einem einfuumlhlsamen Herzen und tatsaumlchlicher Handlungsfaumlhigkeit

Eine fuumlnfte Moumlglichkeit ist der Verlust des Anderen Eine Implosion in meinem Gewahrsein laumlsst alleine gtmichlt als wirklich zuruumlck - und mich darin wirklich alleine werden

Manchmal ist es die Intensitaumlt eines Sinneseindruckes (etwa bei Schmerz) die unshysere Aufmerksamkeit beschlagnahmt sich unserer Vorstellung bemaumlchtigt (etwa bei Angst) oder uns in einer Weise vereinnahmt (wie bei Lust) dass wir den Bezug zum Rest unseres Erlebens verlieren Haumlufig jedoch braucht es viel weniger Gewohnheit Unkenntnis der wirklichen Prioritaumlten unseres Lebens und Mangel an Uumlbung machen uns oftmals leichte Beute fuumlr das was die buddhistischen Texte pamaumlda nennen Nachlaumlssigkeit und Achtlosigkeit - eine Qualitaumlt die sie gar mit dem Tod vergleishychen (Dhp 21) Die Schriften erlaumlutern uns im Weiteren dass einer der Hauptgruumlnde fuumlr das Entstehen unheilsamer Geistesverfassungen schlicht gtunklugeslt oder gtunshytaugliches Augenmerklt (ayoniso manasikaumlra) sei (D i 7)

Die Vision Sati und seine Verheiszligungen Geistesgegenwart als meditativer Uumlbung wohnt die Kraft tiefgreifender Verwandshy

lung inne wenn sie als mehr verstanden wird als bloszlig eine mentale Strategie in einem losgeloumlsten und ewig geblaumlhten Jetztlt zu verweilen - einem Jetzt dem es an Bezuumlshygen zur Erfahrung von Leiden dessen Entstehen und dessen Aufhebung fehlt wie sie fuumlr Erkenntnis und Wandlung notwendig sind Was die Bildersprache der Pali-Texte unmissverstaumlndlich aufzeigt ist Eine zu innerer Verwandlung faumlhige Geistesgegenshywart ist unweigerlich verbunden mit ethischen Werten gruumlndet in Hingabe haumlngt fuumlr ihre heilsamen Wirkungen von der Auswahl tauglicher Gegenstaumlnde ab wird unshytermauert durch angemessenes Bemuumlhen zweckdienliches Erforschen und gruumlndlishyches Erwaumlgen

Das Ende der beruumlhmten Darlegung zum gtHerbeifuumlhren der Geistesgegenwartlt laumlsst keinen Zweifel dass diese den direkten Weglt8 zur raquoErgruumlndung von Daseinsshyphaumlnomenen darstellt ohne Hinzufuumlgung von Emotionen und Vorstellungen auf der Basis von subjektiven Vorlieben so dass es weder zu Anhaften noch Identifikation kommtlaquo (Payutto 1988 S 32) Von einem solchen durch sati gewonnenen Ausshygangspunkt ist eine echte und unverzerrte Perspektive auf die Natur unseres Erleshybens erst moumlglich

Die fruumlhen Darlegungen betonen dass sati keine mystische Verfassung ist Kein Zustand der Gnade keine erhabene meditative Erfahrung - vielmehr eine Geistesshyverfassung die eingeuumlbt werden kann raquo bullbullbull entfaltet und uumlbt die auf den Koumlrper geshyrichtete Geistesgegenwart macht sie euch zum Fahrzeug zur Grundlage wendet sie an und bekraumlftigt sie uumlbt euch darin und macht sie vollkommenlaquo (S iv 200)

In den alten Schriften wird sati nicht ausdruumlcklich als gtBeziehungs qualitaumltlt dargeshystellt wenngleich gelegentliche Andeutungen in den Texten gefunden werden koumlnshy

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nen Therapeutisch versierten Lesern kann jedoch nicht entgangen sein wie eminent gtbeziehungs orientiertlt sati als Geistesverfassung ist - gehen doch meine Beziehungsshyabsicht meine Beziehungsfaumlhigkeit mein Vermoumlgen fuumlr Beziehungskonstanz alle letztlich auf sati zuruumlck - ob ich nun zu mir selbst zu anderen oder den Dingen meishyner Erfahrung in Beziehung bin

Vom Wert der Geistesgegenwart fuumlr zwischenmenschliche Beziehungen sprechen die folgenden Passagen aus der Sedaka Sutta (S v 168) wo ein Bambusakrobat und seine junge Schuumllerin in der Ausuumlbung ihrer Kunst dargestellt werden Der Akrobat stellt seine Bambus-Stange auf und sagt ihr sie moumlge auf seine Schultern steigen Sie tut wie geheiszligen Er spricht daraufhin raquoDu schuumltzt mich liebe Medakathaumllikauml und ich schuumltze dich Auf diese Weise einer durch den anderen geschuumltzt werden wir unsere Kuumlnste zeigen unser Honorar einsammeln und sicher von der Stange herunshytersteigenlaquo - Seine Schuumllerin zeigt sich nicht einverstanden und erwidert raquogtSo mein Lehrer geht es nicht Du mein Lehrer schuumltzt dich selbst und auch ich werde mich selber schuumltzen Auf diese Weise jeder sich selber huumltend jeder sich selber schuumltshyzend werden wir unsere Kuumlnste zeigen unser Honorar einsammeln und sicher von der Stange heruntersteigenlaquo - Der Buddha bestaumltigt nun die Aussage der jungen Schuumllerin und faumlhrt fort indem er die scheinbar gegenteiligen Aussagen des Akroshybaten und seiner Schuumllerin miteinander in Uumlbereinstimmung bringt

gtgtgtIch werde mich selber schuumltzenlt Moumlnche auf diese Weise soll das Herbeifuumlhren von Geistesgegenwart (satipatthaumlna) geuumlbt werden gtIch werde andere schuumltzenlt auf diese Weise soll das Herbeifuumlhren von Geistesgegenwart geuumlbt werden Sich selber schuumltzend schuumltzt man andere andere schuumltzend schuumltzt man sich selber Und wie Moumlnche schuumltzt man andere indem man sich selber schuumltzt Durch Hingabe durch Geistesentfaltung durch stetige Uumlbung Und wie Moumlnche schuumltzt man sich selber indem man Andere schuumltzt Durch Duldsamkeit (khantiyauml) durch Harmlosigkeit (avihimsaumlya) durch Liebe (mettataumlya) und Anteilnahme (anudayataya) Es ist auf diese Weise daszlig man die anderen schuumltzend sich selber schuumltztlaquo

Geistesgegenwart im Westen

Die Lehren des Buddha sind seit mehr als zweieinhalb Jahrtausenden bekannt sie gehen wie im Fall von sati und seiner Schulung auf noch aumlltere Traditionen zuruumlck Im Vergleich dazu ist westliche Psychologie als eine sich selbst bewusste Disziplin des Studiums von Geist und Verhalten erst ein recht junges Unterfangen

Es scheint unfair von einer kreativen aber relativ jungen Wissenschaft zu fordern dass sie uumlber den Schluumlsselbegriff einer gereiften Weisheitstradition auf Augenhoumlhe mithalten kann Und doch gehoumlrt es zu den faszinierendsten intellektuellen Untershynehmungen unserer Zeit beide Traditionen - ohne Forderung nach platten Entspreshychungen - die eine in den Begriffen der anderen einzuschaumltzen und abzuwaumlgen

Als Beispiel moumlgen die Konzepte von gtAchtsamkeitlt gtGewahrseinlt und gtIntroshyspektionlt dienen Die Anfaumlnge der jungen Wissenschaft wirken bescheiden Keine umfassende Klassifizierung wird geboten keine lebendige Bildhaftigkeit veranshyschaulicht die Begriffe und ihre Funktionen keine erkennbare Methode zu ihrer Ausshybildung und Vertiefung laumlsst sich ausmachen weder in der Fruumlhzeit noch heute Aufshyschlussreich ist William James Nach einigen kritischen Anmerkungen zu den

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englischen Empirikern und ihrer Handhabung von Erfahrung als einer quasi gtGegeshybenheitlt statt von etwas das durch gtselektive Aufmerksamkeitlt zustande kommt fuumlhrt er aus Games 1890 S 402 ff)

raquoSobald man uumlber den Sachverhalt nachdenkt wird einsichtig wie verfehlt diese Auffassung von Erfahrung ist setzt sie Erfahrung doch gleich mit der bloszligen Geshygenwart einer aumluszligeren Ordnung fuumlr unsere Sinne Millionen von Gegenstaumlnden dieshyser aumluszligeren Ordnung sind fuumlr meine Sinne gegenwaumlrtig ohne dass sie jedoch dadurch zu meiner Erfahrung wuumlrden Weshalb Weil sie fuumlr mich nicht von Interesse sind Meine Erfahrung ist worauf ich einwillige meine Aufmerksamkeit zu richten Nur die Dinge deren ich gewahr werde formen meinen Geist - ohne selektives Interesse ist meine Erfahrung ein voumllliges Chaos Allein Interesse gibt den Akzent und den Nachdruck Licht und Schatten Vordergrund und Hintergrund - in einem Wort eine erkennbare Perspektivelaquo

Etwas spaumlter fasst er zusammen raquoJeder weiszlig was Aufmerksamkeit ist Es ist das geistige Aufgreifen in klarer und lebhafter Weise von einem unter mehreren gleichshyzeitig sich anbietenden moumlglichen Gegenstaumlnden oder Gedankengaumlngen Fokussieren und Sammlung des Bewusstseins gehoumlren zu ihrem Wesen Aufmerksamkeit setzt voraus dass wir uns von einigen Dingen abwenden um uns mit anderen umso efshyfektiver zu befassen Als Verfassung hat sie ihr exaktes Gegenteil in dem verwirrten benommenen und zerfahrenen Geisteszustand der auf Franzoumlsisch distraction und auf Deutsch Zerstreutheit 19 heiszligt Wir alle kennen diesen Zustand selbst in seinen extremen Formenlaquo

Wundt (1896) fuumlhrt eine gtexperimentelle Introspektionlt ein welche als eine ihrer Voraussetzungen eine gtgespannte Aufmerksamkeitlt20 hat Freud schlieszliglich - hier spricht der erste Psychotherapeut uumlber den Akt der Therapie - empfiehlt fuumlr psyshychoanalytische Arbeit gteine gleichschwebende Aufmerksamkeitlt (Freud 1912)

In der Gestalttherapie spielt das Konzept von Gewahrsein eine groszlige Rolle und wird in Verbindung gesehen mit Wahl Kontakt und Spontaneitaumlt (Perls 1951 S viii) Es wird differenziert zwischen Achtsamkeit (attention) und Gewahrsein (awareness) raquoAchtsamkeit ist ein bewusstes Bemuumlhen Gewahrsein hingegen ist dies nichtlaquo (Korb et al 1989 S 8)

earl Rogers Konzept von gtPraumlsenzlt hat die Arbeit von zahllosen Therapeuten beshyeinflusst und damit indirekt auch das Terrain fuumlr die Aufnahme von buddhistischen Darlegungen und Praktiken der Geistesgegenwart geebnet In einem Klima von Aushythentizitaumlt (gtKongruenzlt) Empathie und uneingeschraumlnkt positiver Wertschaumltzung finden Menschen unweigerlich ihre eigenen Loumlsungen und es ist die Hauptaufgabe des Therapeuten diese Praumlsenz vorbildhaft zu verkoumlrpern statt zu intervenieren zu analysieren oder den Klienten in leitender Weise zu beeinflussen (Natiello 2001)

Eugene Gendlin ein erstaunlicher Grenzgaumlnger und Pendler im schwierigen Geshylaumlnde zwischen experimenteller Psychologie und akademischer Philosophie war einige Zeit Mitarbeiter von Rogers Einer seiner vielen Beitraumlge eine eminent anshywendbare koumlrperbezogene Fertigkeit welche er gtFocusinglt taufte wurde uumlber akashydemische Kreise hinaus weithin populaumlr und fand auch im Feld der Psychotherashypeuten betraumlchtliche Resonanz (Gendlin 1978)

Darlegungen zu yogischen und buddhistischen Meditationspraktiken haben das Abendland in episodischen Wellen seit dem ausgehenden 19 Jahrhundert erreicht

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In den 60er und 70er Jahren des vorigen Jahrhunderts begannen diese meditativen Lehren sich groszliger Beliebtheit zu erfreuen - ein Trend der mit Akzentverschiebunshygen bis heute anhaumllt Wirkungen davon blieben nicht aus So hat in juumlngster Verganshygenheit eine wachsende Anzahl von Psychologen und Psychotherapeuten persoumlnshyliche kontemplative Erfahrungen gemacht - unbeschadet ihrer beruflichen oder akademischen Bekenntnisse Andererseits sind Meditation und ihre Wirkungen selbst Gegenstand wissenschaftlicher Aufmerksamkeit geworden Die Segnungen einer solshychen Aufmerksamkeit sind zwiespaumlltig

Die Felder akademischer Psychologie und Psychotherapie wurden im letzten Jahrshyhundert uumlber weite Strecken von Konzepten aus der Verhaltensforschung dominiert Die Geringschaumltzung dieser Schule fuumlr Introspektion subjektive Wahrnehmung und persoumlnliche Erfahrung als moumlglicherweise guumlltige Quellen von Erkenntnis hat weite Kreise nachhaltig gepraumlgt - ein Einfluss der auch heute noch anhaumllt21 Das Zulassen allein gtverifizierbarerlt Daten verhaumlngt die Beschraumlnktheit einer wissenschaftlichen Methodik uumlber den Gegenstand der Untersuchung - eine Praxis die unweigerlich betraumlchtliche Teile menschlicher Erfahrung auslaumlsst wenn diese auf gtverifizierbarelt Daten reduziert wird

Buddhistische Achtsamkeits- und Gewahrseinspraxis ist eine introspektive Uumlbung par excellence - und fuumlr Menschen die sich in ihr schulen subjektiv durchaus verishyfizierbar - wenngleich ohne Respekt fuumlr Kriterien wissenschaftlicher Strenge So scheint es dem kontemplativ Praktizierenden nicht ohne eine gewisse Ironie dass die Konzepte gtAchtsamkeitlt (bzw gtmindfulnesslt) in juumlngster Zeit hauptsaumlchlich auf Inishytiative kognitiver Verhaltenstherapeuten zu Haushaltsbegriffen in der etablierten Psyshychologie geworden sind

Anmerkungen

1 Im Folgenden wird Teil Eins dieses Aufsatzes abgedruckt Teil Zwei dieses Beitrages Buddhistische Geistesgegenwart in therapeutischer Praxis wird im naumlchsten Heft einige Streiflichter auf zeitgenoumlsshysiche achtsamkeitsbasierte Therapieansaumltze und -programme werfen und am Beispiel von Core Proshycess Psychotherapy zu illustrieren versuchen wie eine von der Vision kontemplativer Geistesgegenshywart gepraumlgte therapeutische Arbeit aussehen kann

2 Ca 580-460 v u Z die Datierung wird gegenwaumlrtig diskutiert 3 Er ist 1881 ein erstes Mal dokumentiert in Rhys Davids Buddhist Suttaslt S 107 4 Monier-Williams 1981 S1271 5 Rhys Davids 1921-25 S 1283 6 Dieses Sutta taucht im Pali Kanon an drei verschiedenen Stellen auf (D ii 289 M i 55 Vbh 192) Fuumlr

eine Diskussion des Begriffes satipatthaumlna Sa Rhys Davids CAF Rhys Davids 1936 S 256 Nyashynatiloka 1952 S 307 Nyanaponika 1954 S 5 Anaumllayo 2003 S 29 Bodhi 2000 S 1504 Wallace amp Bodhi2006

7 Zum Begriff verkoumlrperunglt siehe unten 8 Eine Formulierung die auch ein Verstaumlndnis des Buddha fuumlr das psychologische Phaumlnomen von Disshy

soziationlt nahelegt - und seiner Erkenntnis wie Koumlrperachtsamkeit dieser entgegenwirken kann 9 Kaumlyagatasati-suttam M iii 88

10 Anaumlpaumlnasati-suttam M iii 78 11 Analayo 2003 S 47 Seinen kenntnisreichen Arbeiten verdanke ich zahlreiche Anregungen und Vershy

weIse 12 Aus Platzgruumlnden muszlig ich im Rahmen dieses Artikels auf eine Behandlung der Listen verzichten 13 Vism xiv 465 und Kommentar Miln 37 14 Analayo 2003 S 54 Fn 37 15 Meine Klammer [AMW]

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Achtsamkeit - ein Begriff zwischen den Welten

16 Der Begriff gtAchtsamkeitlt ist seit dem 1718Jh dokumentiert und hat sich im Deutschen fuumlr sati und mindfulness eingebuumlrgert Seine Schwaumlchen angesichts des Bedeutungsumfanges von sati liegen nicht in seiner Ungenauigkeit - er deckt einen Aspekt von sati genau ab - sondern in seiner Enge die viele der hier aufgefuumlhrten Bedeutungen unterschlaumlgt Besonders ungluumlcklich ist auch die Konnotation des gtAufpassenslt welche oft mit achtsamunachtsam auftaucht und die Uumlbung der Achtsamkeit allzu einshyseitig mit dem Akt von Kontrolle identifiziert

17 Der Begriff gtincorporationlt wurde von Merleau-Ponty gepraumlgt (Merleau-Ponty 1945) Varela hat ihn aufgegriffen und definiert raquoMit gtverkoumlrpertlt meinen wir eine Reflexion durch welche Koumlrper und Geist zusammengefuumlhrt werden Was diese Formulierung vermittelt ist daszlig Reflexion nicht nur uumlber eine Erfahrung stattfinden kann sondern selbst auch eine Form von Erfahrung ist - und diese Reflexion als Erfahrung kann in Geistesgegenwart und Gewahrsein ausgefuumlhrt werdenlaquo (Varela u a 1991)

18 Analaumlyos Begriff 19 Im Original Franzoumlsisch bzw Deutsch 20 Wundt w (1874) Grundriss der physiologischen Psychologie Wilhelm Engelmann Verlag Leipzig 21 Grossman in Von Leupoldt u a 2004

Summary This paper is an attempt to elucidate the the concepts of mindfulness presence and awareness It shuttles in the use of these terms between Buddhist contemplative and psychotherapeutic contexts It also uses these terms synonymously as the translation of the Buddhist concept of sati Mindfulness has become a buzzword As a consequence the notion of mindfulness on one hand enjoys increasing popularity this holds out the promise of a wider acceptance of contemplativc approaches in psyshychotherapy On the other hand mindfulness simply risks being reduced to yet another tool in the arsenal of cognitive behavioural techniques This state of affairs leads me to revisit some of the ethical emotional and social dimensions of the Buddhist conception of mindfulness and abrief glance at the risks we take if sati is denuded of its relationship to other factors of mind and a clean cognitive awareness is instead made out to be stand-alone panacea

Key words Mindfulness awareness presence contemplative Psychotherapy Buddhist Psychology sati

Anhang Abkuumlrzungen kanonischer Pali Texte

Roumlmische Zahlen nach der Abkuumlrzung geben den Band arabische die Seitennummer an (zB M iii 126 = Majjhima Nikaumlya dritter Band Seite 126) Fuumlr Pali-Recherche habe ich hauptsaumlchlich die digitale Version der Burmesischen Chattha Sangayana Edition gebraucht und dazu die Vorversion einer Software (CST4) des Vipassana Research Instititute Igatpuri eingesetzt

Vin Vinava Cv Cull~vagga D Digha Nikaumlya M Majjhima Nikaumlya S Samyutta Nikaumlya A Anguttara Nikaumlya Dhp Dhammapada Sn Suttanipaumlta Thag Theragaumlthauml Vbh Vibhanga Miln Milindapaiiha Vism Visuddhimagga

Uumlbersetzungen aus dem Pali Englischen und Franzoumlsischen sind meine sofern nicht anders angegeben

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Die Autorinnen und Autoren dieser Ausgabe

Die Autorinnen und Autoren dieser Ausgabe

Baden Nicole Dipl-Psych 1981 Studium der Psychologie an der Universitaumlt Oldenburg bis 2008 Sie ist ausgebildet nach der Methode Body Mind Centering einer Lehre fuumlr differenziertes Koumlrperbewusstsein und Bewegungspaumldagogik Schlafshytrainerin nach der Methode des Sounder Sleep Systems Seit 2002 Zen-Praktizierende und Schuumllerin von Zentatsu Baker Roshi Lebt im Buddhistischen Studienzentrum im J ohanneshof und im Zen Center in Crestone Colorado

Doerne Angelika Dipl-Familienpaumldagogin 1972 HP Psychotherapie Ausbilshydung in Gestalttherapie Integrativer Systemaufstellung Yogalehrerin Schuumllerin im Diamond Approach (Almaas) Weiterbildung in Beseelter Psychotherapie intensive Beschaumlftigung mit verschiedenen spirituellen Traditionen u a im Rahmen laumlngerer Aufenthalte in Indien bis 2009 psychotherapeutisch in der Klinik Heiligenfeld taumltig u a mit dem Schwerpunkt Spirituelle Krisen gegenwaumlrtig in eigener Praxis und als Seminarleiterin in Muumlnchen

Ehrmann Wilfried Dr Psychotherapeut Atemtherapeut mit eigener Praxis in Wien und Pressbaum Leiter des ATMAN-Ausbildungsprojektes (Ausbildung in Inshytegrativer Atemtherapie) Autor von Handbuch der Atemtherapie (2004) Evolution des Bewusstseins (iV) sowie zahlreicher Fachartikel Herausgeber der ATMANshyZeitung - Fachzeitschrift fuumlr Atemarbeit und Atemtherapie

Leopoldt Axel 1950 Facharzt fuumlr Psychosomatische Medizin und Psychotherashypie Biosynthese-Diplom tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie Seit 1998 Schuumller von A H Almaas

Piron Harald Dr Dipl-Psych 1967 psychologischer Psychotherapeut (VT) abgeschlossene Ausbildungen in Verhaltenstherapie RET und Psychosynthese meshyditiert seit 1985 therapiert seit 1993 promovierte in der Meditationsforschung gibt Weiterbildungen und Seminare zu transpersonaler Verhaltenstherapie (TVT) und Psychosynthese Er ist Vorsitzender der Society for Meditation and Meditation Reshysearch (SMMR)

Weber Akincano M ~-1960 ist Psychotherapeut dialogischer Prozess begleiter und Meditationslehrer Er war 20 Jahre kontemplativer Moumlnch in Asien und Europa hat eine Ausbildung in Core Process Psychotherapy und einen M A in Buddhist Psyshychotherapy Er lebt heute mit seiner Frau in Koumlln und unterrichtet als Meditationsshylehrer europaweit Eine umfangreichere Arbeit zu diesem Thema ist in Vorbereitung und wird im O W Barth Verlag erscheinen

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Ein eindringliches Bild (S v 169) veranschaulicht den Aspekt der Nicht-Zershystreutheit und der Kontinuitaumlt von Geistesgegenwart Ein Mann geht durch ein Menschengedraumlnge das sich versammelt hat um die Schoumlnheit des Landes tanzen zu sehen Auf seinem Kopf traumlgt er eine Schale randvoll mit Oumll gefuumlllt Hinter ihm ein zweiter Mann dieser mit gezuumlcktem Schwert droht seinen Kopf abzuschlagen sobald er auch nur einen einzigen Tropfen verschuumlttet Der Buddha fragt seine Gemeinschaft ob jener Mann mit der Oumllschale sich leisten koumlnnte unaufmerkshysam zu sein oder abgelenkt durch aumluszligere Dinge Die Moumlnche verneinen und der Buddha erlaumlutert ihnen daszlig die Schale Oumll ein Bild fuumlr Koumlrpergewahrsein (kaumlyagatauml sati) ist

Der Aspekt kontinuierlicher Geistesgegenwart und des gtNicht-Wegtreibenslt von Aufmerksamkeit wird im gtPfad der Reinheitlt und in den gtFragen des Koumlnigs Milindalt angesprochen wo die Merkmale von sati als gtvom Objekt nicht forttreibendlt und bei diesem gtanhaltendlt oder es gtaufgreifendlt beschrieben werden Der Kommentar illusshytriert das mit einem Kuumlrbis im Wasser der in der Stroumlmung wegtreibt sati jedoch treibt mit der Oberflaumlchenstroumlmung nicht davon sondern taucht stattdessen in die Tiefe und dringt in sein Objekt ein13 - was die Funktionen des gtDranbleibenslt und der gtNicht-Oberflaumlchlichkeitlt von Geistesgegenwart veranschaulicht

Andere Passagen in den Lehrreden vermitteln sati in seiner Qualitaumlt von Offenheit und empfaumlnglicher Weite Ein interessantes Gleichnis (M i 117) kontrastiert die Halshytung eines Kuhhirten in zwei verschiedenen Situationen Im Herbst waumlhrend des letzten Monsunmonats wenn die Felder in voller Frucht stehen muss er sorgsam daruumlber wachen (rakkheyya) dass die Tiere nicht in die Frucht laufen - und sie durch Stoszligen und Schubsen aus den Feldern heraushalten Im letzten Monat der heiszligen Jahreszeit wenn alle Felder ab geerntet sind kann er aus Distanz und aus dem Schatshyten eines Baumes nach seinen Kuumlhen schauen einfach indem er ihrer gewahr bleibt (satikaranlyam) Waumlhrend fuumlr die erste Situation das Wort fuumlr gtschuumltzenlt verwendet wird finden wir in der zweiten wo die Kuumlhe nirgendwo mehr hinzulaufen drohen das Wort gtGeistesgegenwartlt gebraucht - Das Bild legt eine Geistesverfassung von Gelassenheit und losgeloumlstem Gewahrseins nahe

Zwei weitere Bilder unterstreichen den Aspekt von Umsicht und raumlumlicher Pershyspektive Ein knappes Gleichnis in Versen (S v 5) am Ende der Janussoni Sutta setzt sati mit einem vorsichtigen Wagenlenker gleich der sein Fahrzeug steuert waumlhrend ein weiteres Versgleichnis (Thag 765) das Herbeifuumlhren von Geistesgegenwart damit vergleicht wie jemand auf eine erhoumlhte Terrasse steigt und dadurch einen Uumlberblick gewinnt Beide Bilder legen ein Maszlig an Losgeloumlstheit und offener Perspektive nahe

Eine weitere Gruppe von Bildern spricht vornehmlich von der Schutzeigenschaft durch sati Ein Beispiel davon ist das Gleichnis vom Torwaumlchter am Stadttor (satidovauml riko) wo Geistesgegenwart mit der Haltung eines weisen und erfahrenen Waumlchters verglichen wird der alle Bewohner der Stadt erkennt und mit Bedacht nur jene hishyneinlaumlsst die in der Stadt wohnen waumlhrend er die anderen fernhaumllt (A iv 110) Auf diese Weise so der Buddha gelinge es dem edlen Schuumller das Heilsame auszubilden und das Unheilsame zu uumlberwinden und gtsein Herz rein zu haltenlt Das Bild des Torshywaumlchters taucht ein zweites Mal auf diesmal mit einer Akzentverschiebung Auch hier gibt sati einen verstaumlndigen Torwaumlchter ab doch diesmal hilft er zwei von ferne ankommenden Boten damit dass ihre gtwahrheitsgemaumlszlige Botschaftlt unverzuumlglich und

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Achtsamkeit - ein Begriff zwischen den Welten

ohne Umwege den Stadtherrn erreicht Die Boten werden als Geistessammlung (samatha) und Einsicht (vipassanauml) identifiziert

Eine Passage in der Sunakkhatta-Sutta (M ii 259) gebraucht ein ungewoumlhnliches Beispiel aus der Wundmedizin welches Licht auf eine weitere Facette von sati wirft Der Buddha erklaumlrt einem Prinzen wie ein Wundarzt einen Mann versorgt der von einem vergifteten Pfeil verwundet wurde Zuerst schneidet er mit einem Messer die Wunde um den Pfeil herum auf dann sucht er mit einer Sonde die Pfeilspitze schlieszligshylich entfernt er diese vorsichtig und extrahiert das Gift Sati wird mit der Sonde gleichgesetzt welche dem Arzt genaue Information fuumlr eine weitere Behandlung vershyschafft waumlhrend Weisheit dem Messer gleicht das die Wunde oumlffnet

Ein weiteres Gleichnis zeigt den Buddha als Pfluumlger (S i 172 Sn 13) und illustriert sati zugleich als seine Pflugschar als auch seinen Treibstock Anaumllayos14 schoumlner Komshymentar dazu raquo bullmithilfe des Stockes sorgt der Bauer fuumlr die Kontinuitaumlt seines Pfluumlshygens indem er den Ochsen gtauf Kurslt haumllt Der Pflug bricht die Erdoberflaumlche um foumlrdert Verborgenes zutage und bereitet sie auf diese Weise dass danach ausgesaumlt oder angepflanzt werden kann Auf gleiche Weise sorgt die Kontinuitaumlt von sati dafuumlr dass die oberflaumlchliche Erscheinung der Phaumlnomene deren verborgene Aspekte ofshyfenbart - naumlmlich die drei Charakteristika - (Vergaumlnglichkeit Bedingtheit und Unshypersoumlnlichkeit)15 und der Saat der Weisheit aufzugehen erlaubt Der Umstand dass Pflugschar und Treibstock gemeinsam im Bild erwaumlhnt werden legt obendrein nahe dass Klarheit der Ausrichtung und Ausgewogenheit des Bemuumlhens vereint noumltig sind um sati auszubilden laquo wie es so Analayo weiter in der doppelten Aufgabe des Pfluumlgers zu erkennen sei Einerseits gelte es die Furche gerade zu halten indem er den Ochsen mit einer Hand antreibe (klare Ausrichtunglt) waumlhrend er andererseits mit der zweiten den Pflug genau im rechten Maszlige ins Erdreich druumlcke (gtausgewogenes Bemuumlhenlt) um zu verhindern dass dieser weder steckenbleibe noch nutzlos nur die Oberflaumlche schuumlrfe

Ein letztes Bild (S iv 199) spricht von Koumlrperachtsamkeit als einem starken pfosshyten an welchen sechs wilde Tiere angebunden sind Die Tiere (sie stehen fuumlr die sechs Sinne - Auge Ohr Nase Zunge Tastsinn und Geistsinn) zerren anfaumlnglich wild in verschiedene Richtungen und nur nach betraumlchtlicher Ermuumldung bleiben sie allmaumlhshylich stehen setzen sich und legen sich schlieszliglich in der Naumlhe des Pfostens hin

Die Vielfalt dieser Bilder gibt Bedeutungsfacetten des Begriffes sati wieder die auf einen ersten Blick dem eher hausbackenen deutschen Begriff gtAchtsamkeitlt nicht ohne weiteres anzusehen sind 16 Eine der Konstanten aller dieser Bilder fasst die PalishyTradition in der Eigenschaft von gtNicht-Verwirrtheitlt zusammen (Vism 465)

Die wichtigsten Aspekte der Bilder in psychologischen Begriffen bull Kontinuitaumlt von Gewahrsein fuumlr sich veraumlndernde Erfahrungsinhalte (zeitlich) bull Nicht-Zerstreutheit unverwandtes Gewahrbleiben bull Kontinuierliches Augenmerk auf einen Bereich der Aufmerksamkeit (raumlumlich) bull Faumlhigkeit des losgeloumlsten Erkennens und Gewahrwerdens bull Offenheit Geraumlumigkeit Perspektive Weitsicht bull Huumlten Schuumltzen Unterscheiden Umsicht bull Eifer und Effizienz bull Ergruumlndend bull Faumlhigkeit zu Einstimmung und Ausgewogenheit in Bemuumlhen

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bull Stabilitaumlt und Stille Die Bilder illustrieren auch die Beziehungen von sati zu den Bereichen der Ethik

(slla) der Geistessammlung (samadhi) und der Weisheit (paiziza) Waumlhrend diese drei sich als Tugenden unterstuumltzen - und zum Teil direkt voneinander abhaumlngen wie etwa im Falle von Tugend und Geistessammlung - spielt sati in allen eine unentshybehrliche Rolle wenn auch fuumlr jede mit einer leichten Akzentverschiebung

Urteilsvermoumlgen Stabilitaumlt Perspektive ein Verstaumlndnis dessen was und was nicht heilsam ist und die Bereitschaft an etwas dranzubleiben sind alles Voraussetzungen fuumlr ethische Entscheidungen und Lebensfuumlhrung (slla)

Kontinuitaumlt im Gewahrsein mit einem gewaumlhlten Gegenstand oder Prozess Stashybilitaumlt Stille und die noumltige Einfuumlhlung um Aufwand und Anstrengung abzustimshymen sind Voraussetzungen fuumlr Sammlung und Einigung des Geistes (samadhi)

Nicht-Zerstreutheit Kontinuitaumlt des Gewahrseins wachsames Edorschen und Sondieren Perspektive und losgeloumlstes Erkennen sind alle unentbehrlich fuumlr die Ausshybildung von Weisheit (paiziza)

Ein zeitgenoumlssischer Lehrer aus Thailand veranschaulicht den Verlauf des Zusamshymenspiels von Weisheit und sati in folgendem Gleichnis Eine Frau rudert mit ihrem Boot hinaus in den kabbeligen Fluss mit der Absicht Lotosstengel und Wassershypflanzen zu schneiden Zuerst verankert sie ihr Boot und haumllt es damit an der geshywuumlnschten Stelle wo die Pflanzen wachsen Dann ergreift sie die Pflanzen mit der einen Hand und buumlndelt sie so dass die Stengel bequem freiliegen schlieszliglich schneishydet sie sie mit dem Messer in der anderen Hand ab Das Boot steht fuumlr den Geist sati fuumlr den Anker der das Boot vor Ort haumllt die erste Hand welche die Stenge freilegt fuumlr gruumlndliches Erforschen (yoniso manasikara der Verbindung zwischen sati und Weisheit) die zweite Hand die Klinge fuumlhrend steht fuumlr die Kraft der Weisheit welshyche die Nebel der Taumluschung teilt (Payutto 1988 S 48)

Die Hindernisse Sati und seine Herausforderungen Uumlber den Verlust von Geistesgegenwart schreibt ein buddhistischer Autor raquoDie

abtraumlgliche Wirkung eingeschliffener Reaktionen zeigt sich dort am offenkundigsshyten wo wir sie abwertend als gtdie Macht der Gewohnheitlt bezeichnen Ihre abshystumpfende abtoumltende und verengende Wirkung unter welcher wir ganz besonders geneigt sind uns mit dem zu identifizieren was wir fuumlr unseren Charakter oder unshysere Persoumlnlichkeit haltenlaquo (Nyanaponika 1986 S 46)

Was geschieht wenn wir nicht geistesgegenwaumlrtig sind Bereits einige Minuten nuumlchterner Selbstbeobachtung wird die verbluumlffende Komplexitaumlt und ausufernde Natur unseres geistigen Lebens offenbaren Es gibt viele Moumlglichkeiten verloren zu gehen

Eine davon ist der Verlust von Beweglichkeit in unserer Geistesgegenwart - wir bleiben stecken sind ploumltzlich fixiert verbeiszligen uns an etwas und verlieren Kontishynuitaumlt und den Faden zum groumlszligeren Zusammenhang - etwa beim Eintreten eines unshyerwarteten Ereignisses

Eine andere ist wenn uns Gewahrsein von Hier undJetzt abhanden kommt - etwa unter der Einwirkung einer Emotion einer emotionsgeladenen Erinnerung einer Traumlumerei oder intensiven Gedankenfolge wir gehen unserer Bezugspunkte verlusshytig spuumlren die Orientierung schwinden verlieren Kurs und Lage

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Eine weitere Moumlglichkeit ist der Verlust des Raumes Unser Gewahrsein kollabiert auf einen Einzelaspekt unseres Erlebens der uns heimsucht und verfolgt Das kann gleichermaszligen aufgrund einer starken Vorliebe Abneigung oder Emotion stattfinshyden

Eine vierte ist der Verlust meiner Verkoumlrperung7 - wir houmlren auf wirklich anweshysend zu sein als fuumlhlende sinnenbegabte Wesen mit Beduumlrfnissen einem einfuumlhlsamen Herzen und tatsaumlchlicher Handlungsfaumlhigkeit

Eine fuumlnfte Moumlglichkeit ist der Verlust des Anderen Eine Implosion in meinem Gewahrsein laumlsst alleine gtmichlt als wirklich zuruumlck - und mich darin wirklich alleine werden

Manchmal ist es die Intensitaumlt eines Sinneseindruckes (etwa bei Schmerz) die unshysere Aufmerksamkeit beschlagnahmt sich unserer Vorstellung bemaumlchtigt (etwa bei Angst) oder uns in einer Weise vereinnahmt (wie bei Lust) dass wir den Bezug zum Rest unseres Erlebens verlieren Haumlufig jedoch braucht es viel weniger Gewohnheit Unkenntnis der wirklichen Prioritaumlten unseres Lebens und Mangel an Uumlbung machen uns oftmals leichte Beute fuumlr das was die buddhistischen Texte pamaumlda nennen Nachlaumlssigkeit und Achtlosigkeit - eine Qualitaumlt die sie gar mit dem Tod vergleishychen (Dhp 21) Die Schriften erlaumlutern uns im Weiteren dass einer der Hauptgruumlnde fuumlr das Entstehen unheilsamer Geistesverfassungen schlicht gtunklugeslt oder gtunshytaugliches Augenmerklt (ayoniso manasikaumlra) sei (D i 7)

Die Vision Sati und seine Verheiszligungen Geistesgegenwart als meditativer Uumlbung wohnt die Kraft tiefgreifender Verwandshy

lung inne wenn sie als mehr verstanden wird als bloszlig eine mentale Strategie in einem losgeloumlsten und ewig geblaumlhten Jetztlt zu verweilen - einem Jetzt dem es an Bezuumlshygen zur Erfahrung von Leiden dessen Entstehen und dessen Aufhebung fehlt wie sie fuumlr Erkenntnis und Wandlung notwendig sind Was die Bildersprache der Pali-Texte unmissverstaumlndlich aufzeigt ist Eine zu innerer Verwandlung faumlhige Geistesgegenshywart ist unweigerlich verbunden mit ethischen Werten gruumlndet in Hingabe haumlngt fuumlr ihre heilsamen Wirkungen von der Auswahl tauglicher Gegenstaumlnde ab wird unshytermauert durch angemessenes Bemuumlhen zweckdienliches Erforschen und gruumlndlishyches Erwaumlgen

Das Ende der beruumlhmten Darlegung zum gtHerbeifuumlhren der Geistesgegenwartlt laumlsst keinen Zweifel dass diese den direkten Weglt8 zur raquoErgruumlndung von Daseinsshyphaumlnomenen darstellt ohne Hinzufuumlgung von Emotionen und Vorstellungen auf der Basis von subjektiven Vorlieben so dass es weder zu Anhaften noch Identifikation kommtlaquo (Payutto 1988 S 32) Von einem solchen durch sati gewonnenen Ausshygangspunkt ist eine echte und unverzerrte Perspektive auf die Natur unseres Erleshybens erst moumlglich

Die fruumlhen Darlegungen betonen dass sati keine mystische Verfassung ist Kein Zustand der Gnade keine erhabene meditative Erfahrung - vielmehr eine Geistesshyverfassung die eingeuumlbt werden kann raquo bullbullbull entfaltet und uumlbt die auf den Koumlrper geshyrichtete Geistesgegenwart macht sie euch zum Fahrzeug zur Grundlage wendet sie an und bekraumlftigt sie uumlbt euch darin und macht sie vollkommenlaquo (S iv 200)

In den alten Schriften wird sati nicht ausdruumlcklich als gtBeziehungs qualitaumltlt dargeshystellt wenngleich gelegentliche Andeutungen in den Texten gefunden werden koumlnshy

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nen Therapeutisch versierten Lesern kann jedoch nicht entgangen sein wie eminent gtbeziehungs orientiertlt sati als Geistesverfassung ist - gehen doch meine Beziehungsshyabsicht meine Beziehungsfaumlhigkeit mein Vermoumlgen fuumlr Beziehungskonstanz alle letztlich auf sati zuruumlck - ob ich nun zu mir selbst zu anderen oder den Dingen meishyner Erfahrung in Beziehung bin

Vom Wert der Geistesgegenwart fuumlr zwischenmenschliche Beziehungen sprechen die folgenden Passagen aus der Sedaka Sutta (S v 168) wo ein Bambusakrobat und seine junge Schuumllerin in der Ausuumlbung ihrer Kunst dargestellt werden Der Akrobat stellt seine Bambus-Stange auf und sagt ihr sie moumlge auf seine Schultern steigen Sie tut wie geheiszligen Er spricht daraufhin raquoDu schuumltzt mich liebe Medakathaumllikauml und ich schuumltze dich Auf diese Weise einer durch den anderen geschuumltzt werden wir unsere Kuumlnste zeigen unser Honorar einsammeln und sicher von der Stange herunshytersteigenlaquo - Seine Schuumllerin zeigt sich nicht einverstanden und erwidert raquogtSo mein Lehrer geht es nicht Du mein Lehrer schuumltzt dich selbst und auch ich werde mich selber schuumltzen Auf diese Weise jeder sich selber huumltend jeder sich selber schuumltshyzend werden wir unsere Kuumlnste zeigen unser Honorar einsammeln und sicher von der Stange heruntersteigenlaquo - Der Buddha bestaumltigt nun die Aussage der jungen Schuumllerin und faumlhrt fort indem er die scheinbar gegenteiligen Aussagen des Akroshybaten und seiner Schuumllerin miteinander in Uumlbereinstimmung bringt

gtgtgtIch werde mich selber schuumltzenlt Moumlnche auf diese Weise soll das Herbeifuumlhren von Geistesgegenwart (satipatthaumlna) geuumlbt werden gtIch werde andere schuumltzenlt auf diese Weise soll das Herbeifuumlhren von Geistesgegenwart geuumlbt werden Sich selber schuumltzend schuumltzt man andere andere schuumltzend schuumltzt man sich selber Und wie Moumlnche schuumltzt man andere indem man sich selber schuumltzt Durch Hingabe durch Geistesentfaltung durch stetige Uumlbung Und wie Moumlnche schuumltzt man sich selber indem man Andere schuumltzt Durch Duldsamkeit (khantiyauml) durch Harmlosigkeit (avihimsaumlya) durch Liebe (mettataumlya) und Anteilnahme (anudayataya) Es ist auf diese Weise daszlig man die anderen schuumltzend sich selber schuumltztlaquo

Geistesgegenwart im Westen

Die Lehren des Buddha sind seit mehr als zweieinhalb Jahrtausenden bekannt sie gehen wie im Fall von sati und seiner Schulung auf noch aumlltere Traditionen zuruumlck Im Vergleich dazu ist westliche Psychologie als eine sich selbst bewusste Disziplin des Studiums von Geist und Verhalten erst ein recht junges Unterfangen

Es scheint unfair von einer kreativen aber relativ jungen Wissenschaft zu fordern dass sie uumlber den Schluumlsselbegriff einer gereiften Weisheitstradition auf Augenhoumlhe mithalten kann Und doch gehoumlrt es zu den faszinierendsten intellektuellen Untershynehmungen unserer Zeit beide Traditionen - ohne Forderung nach platten Entspreshychungen - die eine in den Begriffen der anderen einzuschaumltzen und abzuwaumlgen

Als Beispiel moumlgen die Konzepte von gtAchtsamkeitlt gtGewahrseinlt und gtIntroshyspektionlt dienen Die Anfaumlnge der jungen Wissenschaft wirken bescheiden Keine umfassende Klassifizierung wird geboten keine lebendige Bildhaftigkeit veranshyschaulicht die Begriffe und ihre Funktionen keine erkennbare Methode zu ihrer Ausshybildung und Vertiefung laumlsst sich ausmachen weder in der Fruumlhzeit noch heute Aufshyschlussreich ist William James Nach einigen kritischen Anmerkungen zu den

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englischen Empirikern und ihrer Handhabung von Erfahrung als einer quasi gtGegeshybenheitlt statt von etwas das durch gtselektive Aufmerksamkeitlt zustande kommt fuumlhrt er aus Games 1890 S 402 ff)

raquoSobald man uumlber den Sachverhalt nachdenkt wird einsichtig wie verfehlt diese Auffassung von Erfahrung ist setzt sie Erfahrung doch gleich mit der bloszligen Geshygenwart einer aumluszligeren Ordnung fuumlr unsere Sinne Millionen von Gegenstaumlnden dieshyser aumluszligeren Ordnung sind fuumlr meine Sinne gegenwaumlrtig ohne dass sie jedoch dadurch zu meiner Erfahrung wuumlrden Weshalb Weil sie fuumlr mich nicht von Interesse sind Meine Erfahrung ist worauf ich einwillige meine Aufmerksamkeit zu richten Nur die Dinge deren ich gewahr werde formen meinen Geist - ohne selektives Interesse ist meine Erfahrung ein voumllliges Chaos Allein Interesse gibt den Akzent und den Nachdruck Licht und Schatten Vordergrund und Hintergrund - in einem Wort eine erkennbare Perspektivelaquo

Etwas spaumlter fasst er zusammen raquoJeder weiszlig was Aufmerksamkeit ist Es ist das geistige Aufgreifen in klarer und lebhafter Weise von einem unter mehreren gleichshyzeitig sich anbietenden moumlglichen Gegenstaumlnden oder Gedankengaumlngen Fokussieren und Sammlung des Bewusstseins gehoumlren zu ihrem Wesen Aufmerksamkeit setzt voraus dass wir uns von einigen Dingen abwenden um uns mit anderen umso efshyfektiver zu befassen Als Verfassung hat sie ihr exaktes Gegenteil in dem verwirrten benommenen und zerfahrenen Geisteszustand der auf Franzoumlsisch distraction und auf Deutsch Zerstreutheit 19 heiszligt Wir alle kennen diesen Zustand selbst in seinen extremen Formenlaquo

Wundt (1896) fuumlhrt eine gtexperimentelle Introspektionlt ein welche als eine ihrer Voraussetzungen eine gtgespannte Aufmerksamkeitlt20 hat Freud schlieszliglich - hier spricht der erste Psychotherapeut uumlber den Akt der Therapie - empfiehlt fuumlr psyshychoanalytische Arbeit gteine gleichschwebende Aufmerksamkeitlt (Freud 1912)

In der Gestalttherapie spielt das Konzept von Gewahrsein eine groszlige Rolle und wird in Verbindung gesehen mit Wahl Kontakt und Spontaneitaumlt (Perls 1951 S viii) Es wird differenziert zwischen Achtsamkeit (attention) und Gewahrsein (awareness) raquoAchtsamkeit ist ein bewusstes Bemuumlhen Gewahrsein hingegen ist dies nichtlaquo (Korb et al 1989 S 8)

earl Rogers Konzept von gtPraumlsenzlt hat die Arbeit von zahllosen Therapeuten beshyeinflusst und damit indirekt auch das Terrain fuumlr die Aufnahme von buddhistischen Darlegungen und Praktiken der Geistesgegenwart geebnet In einem Klima von Aushythentizitaumlt (gtKongruenzlt) Empathie und uneingeschraumlnkt positiver Wertschaumltzung finden Menschen unweigerlich ihre eigenen Loumlsungen und es ist die Hauptaufgabe des Therapeuten diese Praumlsenz vorbildhaft zu verkoumlrpern statt zu intervenieren zu analysieren oder den Klienten in leitender Weise zu beeinflussen (Natiello 2001)

Eugene Gendlin ein erstaunlicher Grenzgaumlnger und Pendler im schwierigen Geshylaumlnde zwischen experimenteller Psychologie und akademischer Philosophie war einige Zeit Mitarbeiter von Rogers Einer seiner vielen Beitraumlge eine eminent anshywendbare koumlrperbezogene Fertigkeit welche er gtFocusinglt taufte wurde uumlber akashydemische Kreise hinaus weithin populaumlr und fand auch im Feld der Psychotherashypeuten betraumlchtliche Resonanz (Gendlin 1978)

Darlegungen zu yogischen und buddhistischen Meditationspraktiken haben das Abendland in episodischen Wellen seit dem ausgehenden 19 Jahrhundert erreicht

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In den 60er und 70er Jahren des vorigen Jahrhunderts begannen diese meditativen Lehren sich groszliger Beliebtheit zu erfreuen - ein Trend der mit Akzentverschiebunshygen bis heute anhaumllt Wirkungen davon blieben nicht aus So hat in juumlngster Verganshygenheit eine wachsende Anzahl von Psychologen und Psychotherapeuten persoumlnshyliche kontemplative Erfahrungen gemacht - unbeschadet ihrer beruflichen oder akademischen Bekenntnisse Andererseits sind Meditation und ihre Wirkungen selbst Gegenstand wissenschaftlicher Aufmerksamkeit geworden Die Segnungen einer solshychen Aufmerksamkeit sind zwiespaumlltig

Die Felder akademischer Psychologie und Psychotherapie wurden im letzten Jahrshyhundert uumlber weite Strecken von Konzepten aus der Verhaltensforschung dominiert Die Geringschaumltzung dieser Schule fuumlr Introspektion subjektive Wahrnehmung und persoumlnliche Erfahrung als moumlglicherweise guumlltige Quellen von Erkenntnis hat weite Kreise nachhaltig gepraumlgt - ein Einfluss der auch heute noch anhaumllt21 Das Zulassen allein gtverifizierbarerlt Daten verhaumlngt die Beschraumlnktheit einer wissenschaftlichen Methodik uumlber den Gegenstand der Untersuchung - eine Praxis die unweigerlich betraumlchtliche Teile menschlicher Erfahrung auslaumlsst wenn diese auf gtverifizierbarelt Daten reduziert wird

Buddhistische Achtsamkeits- und Gewahrseinspraxis ist eine introspektive Uumlbung par excellence - und fuumlr Menschen die sich in ihr schulen subjektiv durchaus verishyfizierbar - wenngleich ohne Respekt fuumlr Kriterien wissenschaftlicher Strenge So scheint es dem kontemplativ Praktizierenden nicht ohne eine gewisse Ironie dass die Konzepte gtAchtsamkeitlt (bzw gtmindfulnesslt) in juumlngster Zeit hauptsaumlchlich auf Inishytiative kognitiver Verhaltenstherapeuten zu Haushaltsbegriffen in der etablierten Psyshychologie geworden sind

Anmerkungen

1 Im Folgenden wird Teil Eins dieses Aufsatzes abgedruckt Teil Zwei dieses Beitrages Buddhistische Geistesgegenwart in therapeutischer Praxis wird im naumlchsten Heft einige Streiflichter auf zeitgenoumlsshysiche achtsamkeitsbasierte Therapieansaumltze und -programme werfen und am Beispiel von Core Proshycess Psychotherapy zu illustrieren versuchen wie eine von der Vision kontemplativer Geistesgegenshywart gepraumlgte therapeutische Arbeit aussehen kann

2 Ca 580-460 v u Z die Datierung wird gegenwaumlrtig diskutiert 3 Er ist 1881 ein erstes Mal dokumentiert in Rhys Davids Buddhist Suttaslt S 107 4 Monier-Williams 1981 S1271 5 Rhys Davids 1921-25 S 1283 6 Dieses Sutta taucht im Pali Kanon an drei verschiedenen Stellen auf (D ii 289 M i 55 Vbh 192) Fuumlr

eine Diskussion des Begriffes satipatthaumlna Sa Rhys Davids CAF Rhys Davids 1936 S 256 Nyashynatiloka 1952 S 307 Nyanaponika 1954 S 5 Anaumllayo 2003 S 29 Bodhi 2000 S 1504 Wallace amp Bodhi2006

7 Zum Begriff verkoumlrperunglt siehe unten 8 Eine Formulierung die auch ein Verstaumlndnis des Buddha fuumlr das psychologische Phaumlnomen von Disshy

soziationlt nahelegt - und seiner Erkenntnis wie Koumlrperachtsamkeit dieser entgegenwirken kann 9 Kaumlyagatasati-suttam M iii 88

10 Anaumlpaumlnasati-suttam M iii 78 11 Analayo 2003 S 47 Seinen kenntnisreichen Arbeiten verdanke ich zahlreiche Anregungen und Vershy

weIse 12 Aus Platzgruumlnden muszlig ich im Rahmen dieses Artikels auf eine Behandlung der Listen verzichten 13 Vism xiv 465 und Kommentar Miln 37 14 Analayo 2003 S 54 Fn 37 15 Meine Klammer [AMW]

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Achtsamkeit - ein Begriff zwischen den Welten

16 Der Begriff gtAchtsamkeitlt ist seit dem 1718Jh dokumentiert und hat sich im Deutschen fuumlr sati und mindfulness eingebuumlrgert Seine Schwaumlchen angesichts des Bedeutungsumfanges von sati liegen nicht in seiner Ungenauigkeit - er deckt einen Aspekt von sati genau ab - sondern in seiner Enge die viele der hier aufgefuumlhrten Bedeutungen unterschlaumlgt Besonders ungluumlcklich ist auch die Konnotation des gtAufpassenslt welche oft mit achtsamunachtsam auftaucht und die Uumlbung der Achtsamkeit allzu einshyseitig mit dem Akt von Kontrolle identifiziert

17 Der Begriff gtincorporationlt wurde von Merleau-Ponty gepraumlgt (Merleau-Ponty 1945) Varela hat ihn aufgegriffen und definiert raquoMit gtverkoumlrpertlt meinen wir eine Reflexion durch welche Koumlrper und Geist zusammengefuumlhrt werden Was diese Formulierung vermittelt ist daszlig Reflexion nicht nur uumlber eine Erfahrung stattfinden kann sondern selbst auch eine Form von Erfahrung ist - und diese Reflexion als Erfahrung kann in Geistesgegenwart und Gewahrsein ausgefuumlhrt werdenlaquo (Varela u a 1991)

18 Analaumlyos Begriff 19 Im Original Franzoumlsisch bzw Deutsch 20 Wundt w (1874) Grundriss der physiologischen Psychologie Wilhelm Engelmann Verlag Leipzig 21 Grossman in Von Leupoldt u a 2004

Summary This paper is an attempt to elucidate the the concepts of mindfulness presence and awareness It shuttles in the use of these terms between Buddhist contemplative and psychotherapeutic contexts It also uses these terms synonymously as the translation of the Buddhist concept of sati Mindfulness has become a buzzword As a consequence the notion of mindfulness on one hand enjoys increasing popularity this holds out the promise of a wider acceptance of contemplativc approaches in psyshychotherapy On the other hand mindfulness simply risks being reduced to yet another tool in the arsenal of cognitive behavioural techniques This state of affairs leads me to revisit some of the ethical emotional and social dimensions of the Buddhist conception of mindfulness and abrief glance at the risks we take if sati is denuded of its relationship to other factors of mind and a clean cognitive awareness is instead made out to be stand-alone panacea

Key words Mindfulness awareness presence contemplative Psychotherapy Buddhist Psychology sati

Anhang Abkuumlrzungen kanonischer Pali Texte

Roumlmische Zahlen nach der Abkuumlrzung geben den Band arabische die Seitennummer an (zB M iii 126 = Majjhima Nikaumlya dritter Band Seite 126) Fuumlr Pali-Recherche habe ich hauptsaumlchlich die digitale Version der Burmesischen Chattha Sangayana Edition gebraucht und dazu die Vorversion einer Software (CST4) des Vipassana Research Instititute Igatpuri eingesetzt

Vin Vinava Cv Cull~vagga D Digha Nikaumlya M Majjhima Nikaumlya S Samyutta Nikaumlya A Anguttara Nikaumlya Dhp Dhammapada Sn Suttanipaumlta Thag Theragaumlthauml Vbh Vibhanga Miln Milindapaiiha Vism Visuddhimagga

Uumlbersetzungen aus dem Pali Englischen und Franzoumlsischen sind meine sofern nicht anders angegeben

Literatur

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Die Autorinnen und Autoren dieser Ausgabe

Die Autorinnen und Autoren dieser Ausgabe

Baden Nicole Dipl-Psych 1981 Studium der Psychologie an der Universitaumlt Oldenburg bis 2008 Sie ist ausgebildet nach der Methode Body Mind Centering einer Lehre fuumlr differenziertes Koumlrperbewusstsein und Bewegungspaumldagogik Schlafshytrainerin nach der Methode des Sounder Sleep Systems Seit 2002 Zen-Praktizierende und Schuumllerin von Zentatsu Baker Roshi Lebt im Buddhistischen Studienzentrum im J ohanneshof und im Zen Center in Crestone Colorado

Doerne Angelika Dipl-Familienpaumldagogin 1972 HP Psychotherapie Ausbilshydung in Gestalttherapie Integrativer Systemaufstellung Yogalehrerin Schuumllerin im Diamond Approach (Almaas) Weiterbildung in Beseelter Psychotherapie intensive Beschaumlftigung mit verschiedenen spirituellen Traditionen u a im Rahmen laumlngerer Aufenthalte in Indien bis 2009 psychotherapeutisch in der Klinik Heiligenfeld taumltig u a mit dem Schwerpunkt Spirituelle Krisen gegenwaumlrtig in eigener Praxis und als Seminarleiterin in Muumlnchen

Ehrmann Wilfried Dr Psychotherapeut Atemtherapeut mit eigener Praxis in Wien und Pressbaum Leiter des ATMAN-Ausbildungsprojektes (Ausbildung in Inshytegrativer Atemtherapie) Autor von Handbuch der Atemtherapie (2004) Evolution des Bewusstseins (iV) sowie zahlreicher Fachartikel Herausgeber der ATMANshyZeitung - Fachzeitschrift fuumlr Atemarbeit und Atemtherapie

Leopoldt Axel 1950 Facharzt fuumlr Psychosomatische Medizin und Psychotherashypie Biosynthese-Diplom tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie Seit 1998 Schuumller von A H Almaas

Piron Harald Dr Dipl-Psych 1967 psychologischer Psychotherapeut (VT) abgeschlossene Ausbildungen in Verhaltenstherapie RET und Psychosynthese meshyditiert seit 1985 therapiert seit 1993 promovierte in der Meditationsforschung gibt Weiterbildungen und Seminare zu transpersonaler Verhaltenstherapie (TVT) und Psychosynthese Er ist Vorsitzender der Society for Meditation and Meditation Reshysearch (SMMR)

Weber Akincano M ~-1960 ist Psychotherapeut dialogischer Prozess begleiter und Meditationslehrer Er war 20 Jahre kontemplativer Moumlnch in Asien und Europa hat eine Ausbildung in Core Process Psychotherapy und einen M A in Buddhist Psyshychotherapy Er lebt heute mit seiner Frau in Koumlln und unterrichtet als Meditationsshylehrer europaweit Eine umfangreichere Arbeit zu diesem Thema ist in Vorbereitung und wird im O W Barth Verlag erscheinen

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ohne Umwege den Stadtherrn erreicht Die Boten werden als Geistessammlung (samatha) und Einsicht (vipassanauml) identifiziert

Eine Passage in der Sunakkhatta-Sutta (M ii 259) gebraucht ein ungewoumlhnliches Beispiel aus der Wundmedizin welches Licht auf eine weitere Facette von sati wirft Der Buddha erklaumlrt einem Prinzen wie ein Wundarzt einen Mann versorgt der von einem vergifteten Pfeil verwundet wurde Zuerst schneidet er mit einem Messer die Wunde um den Pfeil herum auf dann sucht er mit einer Sonde die Pfeilspitze schlieszligshylich entfernt er diese vorsichtig und extrahiert das Gift Sati wird mit der Sonde gleichgesetzt welche dem Arzt genaue Information fuumlr eine weitere Behandlung vershyschafft waumlhrend Weisheit dem Messer gleicht das die Wunde oumlffnet

Ein weiteres Gleichnis zeigt den Buddha als Pfluumlger (S i 172 Sn 13) und illustriert sati zugleich als seine Pflugschar als auch seinen Treibstock Anaumllayos14 schoumlner Komshymentar dazu raquo bullmithilfe des Stockes sorgt der Bauer fuumlr die Kontinuitaumlt seines Pfluumlshygens indem er den Ochsen gtauf Kurslt haumllt Der Pflug bricht die Erdoberflaumlche um foumlrdert Verborgenes zutage und bereitet sie auf diese Weise dass danach ausgesaumlt oder angepflanzt werden kann Auf gleiche Weise sorgt die Kontinuitaumlt von sati dafuumlr dass die oberflaumlchliche Erscheinung der Phaumlnomene deren verborgene Aspekte ofshyfenbart - naumlmlich die drei Charakteristika - (Vergaumlnglichkeit Bedingtheit und Unshypersoumlnlichkeit)15 und der Saat der Weisheit aufzugehen erlaubt Der Umstand dass Pflugschar und Treibstock gemeinsam im Bild erwaumlhnt werden legt obendrein nahe dass Klarheit der Ausrichtung und Ausgewogenheit des Bemuumlhens vereint noumltig sind um sati auszubilden laquo wie es so Analayo weiter in der doppelten Aufgabe des Pfluumlgers zu erkennen sei Einerseits gelte es die Furche gerade zu halten indem er den Ochsen mit einer Hand antreibe (klare Ausrichtunglt) waumlhrend er andererseits mit der zweiten den Pflug genau im rechten Maszlige ins Erdreich druumlcke (gtausgewogenes Bemuumlhenlt) um zu verhindern dass dieser weder steckenbleibe noch nutzlos nur die Oberflaumlche schuumlrfe

Ein letztes Bild (S iv 199) spricht von Koumlrperachtsamkeit als einem starken pfosshyten an welchen sechs wilde Tiere angebunden sind Die Tiere (sie stehen fuumlr die sechs Sinne - Auge Ohr Nase Zunge Tastsinn und Geistsinn) zerren anfaumlnglich wild in verschiedene Richtungen und nur nach betraumlchtlicher Ermuumldung bleiben sie allmaumlhshylich stehen setzen sich und legen sich schlieszliglich in der Naumlhe des Pfostens hin

Die Vielfalt dieser Bilder gibt Bedeutungsfacetten des Begriffes sati wieder die auf einen ersten Blick dem eher hausbackenen deutschen Begriff gtAchtsamkeitlt nicht ohne weiteres anzusehen sind 16 Eine der Konstanten aller dieser Bilder fasst die PalishyTradition in der Eigenschaft von gtNicht-Verwirrtheitlt zusammen (Vism 465)

Die wichtigsten Aspekte der Bilder in psychologischen Begriffen bull Kontinuitaumlt von Gewahrsein fuumlr sich veraumlndernde Erfahrungsinhalte (zeitlich) bull Nicht-Zerstreutheit unverwandtes Gewahrbleiben bull Kontinuierliches Augenmerk auf einen Bereich der Aufmerksamkeit (raumlumlich) bull Faumlhigkeit des losgeloumlsten Erkennens und Gewahrwerdens bull Offenheit Geraumlumigkeit Perspektive Weitsicht bull Huumlten Schuumltzen Unterscheiden Umsicht bull Eifer und Effizienz bull Ergruumlndend bull Faumlhigkeit zu Einstimmung und Ausgewogenheit in Bemuumlhen

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Akincano M Weber

bull Stabilitaumlt und Stille Die Bilder illustrieren auch die Beziehungen von sati zu den Bereichen der Ethik

(slla) der Geistessammlung (samadhi) und der Weisheit (paiziza) Waumlhrend diese drei sich als Tugenden unterstuumltzen - und zum Teil direkt voneinander abhaumlngen wie etwa im Falle von Tugend und Geistessammlung - spielt sati in allen eine unentshybehrliche Rolle wenn auch fuumlr jede mit einer leichten Akzentverschiebung

Urteilsvermoumlgen Stabilitaumlt Perspektive ein Verstaumlndnis dessen was und was nicht heilsam ist und die Bereitschaft an etwas dranzubleiben sind alles Voraussetzungen fuumlr ethische Entscheidungen und Lebensfuumlhrung (slla)

Kontinuitaumlt im Gewahrsein mit einem gewaumlhlten Gegenstand oder Prozess Stashybilitaumlt Stille und die noumltige Einfuumlhlung um Aufwand und Anstrengung abzustimshymen sind Voraussetzungen fuumlr Sammlung und Einigung des Geistes (samadhi)

Nicht-Zerstreutheit Kontinuitaumlt des Gewahrseins wachsames Edorschen und Sondieren Perspektive und losgeloumlstes Erkennen sind alle unentbehrlich fuumlr die Ausshybildung von Weisheit (paiziza)

Ein zeitgenoumlssischer Lehrer aus Thailand veranschaulicht den Verlauf des Zusamshymenspiels von Weisheit und sati in folgendem Gleichnis Eine Frau rudert mit ihrem Boot hinaus in den kabbeligen Fluss mit der Absicht Lotosstengel und Wassershypflanzen zu schneiden Zuerst verankert sie ihr Boot und haumllt es damit an der geshywuumlnschten Stelle wo die Pflanzen wachsen Dann ergreift sie die Pflanzen mit der einen Hand und buumlndelt sie so dass die Stengel bequem freiliegen schlieszliglich schneishydet sie sie mit dem Messer in der anderen Hand ab Das Boot steht fuumlr den Geist sati fuumlr den Anker der das Boot vor Ort haumllt die erste Hand welche die Stenge freilegt fuumlr gruumlndliches Erforschen (yoniso manasikara der Verbindung zwischen sati und Weisheit) die zweite Hand die Klinge fuumlhrend steht fuumlr die Kraft der Weisheit welshyche die Nebel der Taumluschung teilt (Payutto 1988 S 48)

Die Hindernisse Sati und seine Herausforderungen Uumlber den Verlust von Geistesgegenwart schreibt ein buddhistischer Autor raquoDie

abtraumlgliche Wirkung eingeschliffener Reaktionen zeigt sich dort am offenkundigsshyten wo wir sie abwertend als gtdie Macht der Gewohnheitlt bezeichnen Ihre abshystumpfende abtoumltende und verengende Wirkung unter welcher wir ganz besonders geneigt sind uns mit dem zu identifizieren was wir fuumlr unseren Charakter oder unshysere Persoumlnlichkeit haltenlaquo (Nyanaponika 1986 S 46)

Was geschieht wenn wir nicht geistesgegenwaumlrtig sind Bereits einige Minuten nuumlchterner Selbstbeobachtung wird die verbluumlffende Komplexitaumlt und ausufernde Natur unseres geistigen Lebens offenbaren Es gibt viele Moumlglichkeiten verloren zu gehen

Eine davon ist der Verlust von Beweglichkeit in unserer Geistesgegenwart - wir bleiben stecken sind ploumltzlich fixiert verbeiszligen uns an etwas und verlieren Kontishynuitaumlt und den Faden zum groumlszligeren Zusammenhang - etwa beim Eintreten eines unshyerwarteten Ereignisses

Eine andere ist wenn uns Gewahrsein von Hier undJetzt abhanden kommt - etwa unter der Einwirkung einer Emotion einer emotionsgeladenen Erinnerung einer Traumlumerei oder intensiven Gedankenfolge wir gehen unserer Bezugspunkte verlusshytig spuumlren die Orientierung schwinden verlieren Kurs und Lage

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Achtsamkeit - ein Begriff zwischen den Welten

Eine weitere Moumlglichkeit ist der Verlust des Raumes Unser Gewahrsein kollabiert auf einen Einzelaspekt unseres Erlebens der uns heimsucht und verfolgt Das kann gleichermaszligen aufgrund einer starken Vorliebe Abneigung oder Emotion stattfinshyden

Eine vierte ist der Verlust meiner Verkoumlrperung7 - wir houmlren auf wirklich anweshysend zu sein als fuumlhlende sinnenbegabte Wesen mit Beduumlrfnissen einem einfuumlhlsamen Herzen und tatsaumlchlicher Handlungsfaumlhigkeit

Eine fuumlnfte Moumlglichkeit ist der Verlust des Anderen Eine Implosion in meinem Gewahrsein laumlsst alleine gtmichlt als wirklich zuruumlck - und mich darin wirklich alleine werden

Manchmal ist es die Intensitaumlt eines Sinneseindruckes (etwa bei Schmerz) die unshysere Aufmerksamkeit beschlagnahmt sich unserer Vorstellung bemaumlchtigt (etwa bei Angst) oder uns in einer Weise vereinnahmt (wie bei Lust) dass wir den Bezug zum Rest unseres Erlebens verlieren Haumlufig jedoch braucht es viel weniger Gewohnheit Unkenntnis der wirklichen Prioritaumlten unseres Lebens und Mangel an Uumlbung machen uns oftmals leichte Beute fuumlr das was die buddhistischen Texte pamaumlda nennen Nachlaumlssigkeit und Achtlosigkeit - eine Qualitaumlt die sie gar mit dem Tod vergleishychen (Dhp 21) Die Schriften erlaumlutern uns im Weiteren dass einer der Hauptgruumlnde fuumlr das Entstehen unheilsamer Geistesverfassungen schlicht gtunklugeslt oder gtunshytaugliches Augenmerklt (ayoniso manasikaumlra) sei (D i 7)

Die Vision Sati und seine Verheiszligungen Geistesgegenwart als meditativer Uumlbung wohnt die Kraft tiefgreifender Verwandshy

lung inne wenn sie als mehr verstanden wird als bloszlig eine mentale Strategie in einem losgeloumlsten und ewig geblaumlhten Jetztlt zu verweilen - einem Jetzt dem es an Bezuumlshygen zur Erfahrung von Leiden dessen Entstehen und dessen Aufhebung fehlt wie sie fuumlr Erkenntnis und Wandlung notwendig sind Was die Bildersprache der Pali-Texte unmissverstaumlndlich aufzeigt ist Eine zu innerer Verwandlung faumlhige Geistesgegenshywart ist unweigerlich verbunden mit ethischen Werten gruumlndet in Hingabe haumlngt fuumlr ihre heilsamen Wirkungen von der Auswahl tauglicher Gegenstaumlnde ab wird unshytermauert durch angemessenes Bemuumlhen zweckdienliches Erforschen und gruumlndlishyches Erwaumlgen

Das Ende der beruumlhmten Darlegung zum gtHerbeifuumlhren der Geistesgegenwartlt laumlsst keinen Zweifel dass diese den direkten Weglt8 zur raquoErgruumlndung von Daseinsshyphaumlnomenen darstellt ohne Hinzufuumlgung von Emotionen und Vorstellungen auf der Basis von subjektiven Vorlieben so dass es weder zu Anhaften noch Identifikation kommtlaquo (Payutto 1988 S 32) Von einem solchen durch sati gewonnenen Ausshygangspunkt ist eine echte und unverzerrte Perspektive auf die Natur unseres Erleshybens erst moumlglich

Die fruumlhen Darlegungen betonen dass sati keine mystische Verfassung ist Kein Zustand der Gnade keine erhabene meditative Erfahrung - vielmehr eine Geistesshyverfassung die eingeuumlbt werden kann raquo bullbullbull entfaltet und uumlbt die auf den Koumlrper geshyrichtete Geistesgegenwart macht sie euch zum Fahrzeug zur Grundlage wendet sie an und bekraumlftigt sie uumlbt euch darin und macht sie vollkommenlaquo (S iv 200)

In den alten Schriften wird sati nicht ausdruumlcklich als gtBeziehungs qualitaumltlt dargeshystellt wenngleich gelegentliche Andeutungen in den Texten gefunden werden koumlnshy

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Akincano M Weber

nen Therapeutisch versierten Lesern kann jedoch nicht entgangen sein wie eminent gtbeziehungs orientiertlt sati als Geistesverfassung ist - gehen doch meine Beziehungsshyabsicht meine Beziehungsfaumlhigkeit mein Vermoumlgen fuumlr Beziehungskonstanz alle letztlich auf sati zuruumlck - ob ich nun zu mir selbst zu anderen oder den Dingen meishyner Erfahrung in Beziehung bin

Vom Wert der Geistesgegenwart fuumlr zwischenmenschliche Beziehungen sprechen die folgenden Passagen aus der Sedaka Sutta (S v 168) wo ein Bambusakrobat und seine junge Schuumllerin in der Ausuumlbung ihrer Kunst dargestellt werden Der Akrobat stellt seine Bambus-Stange auf und sagt ihr sie moumlge auf seine Schultern steigen Sie tut wie geheiszligen Er spricht daraufhin raquoDu schuumltzt mich liebe Medakathaumllikauml und ich schuumltze dich Auf diese Weise einer durch den anderen geschuumltzt werden wir unsere Kuumlnste zeigen unser Honorar einsammeln und sicher von der Stange herunshytersteigenlaquo - Seine Schuumllerin zeigt sich nicht einverstanden und erwidert raquogtSo mein Lehrer geht es nicht Du mein Lehrer schuumltzt dich selbst und auch ich werde mich selber schuumltzen Auf diese Weise jeder sich selber huumltend jeder sich selber schuumltshyzend werden wir unsere Kuumlnste zeigen unser Honorar einsammeln und sicher von der Stange heruntersteigenlaquo - Der Buddha bestaumltigt nun die Aussage der jungen Schuumllerin und faumlhrt fort indem er die scheinbar gegenteiligen Aussagen des Akroshybaten und seiner Schuumllerin miteinander in Uumlbereinstimmung bringt

gtgtgtIch werde mich selber schuumltzenlt Moumlnche auf diese Weise soll das Herbeifuumlhren von Geistesgegenwart (satipatthaumlna) geuumlbt werden gtIch werde andere schuumltzenlt auf diese Weise soll das Herbeifuumlhren von Geistesgegenwart geuumlbt werden Sich selber schuumltzend schuumltzt man andere andere schuumltzend schuumltzt man sich selber Und wie Moumlnche schuumltzt man andere indem man sich selber schuumltzt Durch Hingabe durch Geistesentfaltung durch stetige Uumlbung Und wie Moumlnche schuumltzt man sich selber indem man Andere schuumltzt Durch Duldsamkeit (khantiyauml) durch Harmlosigkeit (avihimsaumlya) durch Liebe (mettataumlya) und Anteilnahme (anudayataya) Es ist auf diese Weise daszlig man die anderen schuumltzend sich selber schuumltztlaquo

Geistesgegenwart im Westen

Die Lehren des Buddha sind seit mehr als zweieinhalb Jahrtausenden bekannt sie gehen wie im Fall von sati und seiner Schulung auf noch aumlltere Traditionen zuruumlck Im Vergleich dazu ist westliche Psychologie als eine sich selbst bewusste Disziplin des Studiums von Geist und Verhalten erst ein recht junges Unterfangen

Es scheint unfair von einer kreativen aber relativ jungen Wissenschaft zu fordern dass sie uumlber den Schluumlsselbegriff einer gereiften Weisheitstradition auf Augenhoumlhe mithalten kann Und doch gehoumlrt es zu den faszinierendsten intellektuellen Untershynehmungen unserer Zeit beide Traditionen - ohne Forderung nach platten Entspreshychungen - die eine in den Begriffen der anderen einzuschaumltzen und abzuwaumlgen

Als Beispiel moumlgen die Konzepte von gtAchtsamkeitlt gtGewahrseinlt und gtIntroshyspektionlt dienen Die Anfaumlnge der jungen Wissenschaft wirken bescheiden Keine umfassende Klassifizierung wird geboten keine lebendige Bildhaftigkeit veranshyschaulicht die Begriffe und ihre Funktionen keine erkennbare Methode zu ihrer Ausshybildung und Vertiefung laumlsst sich ausmachen weder in der Fruumlhzeit noch heute Aufshyschlussreich ist William James Nach einigen kritischen Anmerkungen zu den

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Achtsamkeit - ein Begriff zwischen den Welten

englischen Empirikern und ihrer Handhabung von Erfahrung als einer quasi gtGegeshybenheitlt statt von etwas das durch gtselektive Aufmerksamkeitlt zustande kommt fuumlhrt er aus Games 1890 S 402 ff)

raquoSobald man uumlber den Sachverhalt nachdenkt wird einsichtig wie verfehlt diese Auffassung von Erfahrung ist setzt sie Erfahrung doch gleich mit der bloszligen Geshygenwart einer aumluszligeren Ordnung fuumlr unsere Sinne Millionen von Gegenstaumlnden dieshyser aumluszligeren Ordnung sind fuumlr meine Sinne gegenwaumlrtig ohne dass sie jedoch dadurch zu meiner Erfahrung wuumlrden Weshalb Weil sie fuumlr mich nicht von Interesse sind Meine Erfahrung ist worauf ich einwillige meine Aufmerksamkeit zu richten Nur die Dinge deren ich gewahr werde formen meinen Geist - ohne selektives Interesse ist meine Erfahrung ein voumllliges Chaos Allein Interesse gibt den Akzent und den Nachdruck Licht und Schatten Vordergrund und Hintergrund - in einem Wort eine erkennbare Perspektivelaquo

Etwas spaumlter fasst er zusammen raquoJeder weiszlig was Aufmerksamkeit ist Es ist das geistige Aufgreifen in klarer und lebhafter Weise von einem unter mehreren gleichshyzeitig sich anbietenden moumlglichen Gegenstaumlnden oder Gedankengaumlngen Fokussieren und Sammlung des Bewusstseins gehoumlren zu ihrem Wesen Aufmerksamkeit setzt voraus dass wir uns von einigen Dingen abwenden um uns mit anderen umso efshyfektiver zu befassen Als Verfassung hat sie ihr exaktes Gegenteil in dem verwirrten benommenen und zerfahrenen Geisteszustand der auf Franzoumlsisch distraction und auf Deutsch Zerstreutheit 19 heiszligt Wir alle kennen diesen Zustand selbst in seinen extremen Formenlaquo

Wundt (1896) fuumlhrt eine gtexperimentelle Introspektionlt ein welche als eine ihrer Voraussetzungen eine gtgespannte Aufmerksamkeitlt20 hat Freud schlieszliglich - hier spricht der erste Psychotherapeut uumlber den Akt der Therapie - empfiehlt fuumlr psyshychoanalytische Arbeit gteine gleichschwebende Aufmerksamkeitlt (Freud 1912)

In der Gestalttherapie spielt das Konzept von Gewahrsein eine groszlige Rolle und wird in Verbindung gesehen mit Wahl Kontakt und Spontaneitaumlt (Perls 1951 S viii) Es wird differenziert zwischen Achtsamkeit (attention) und Gewahrsein (awareness) raquoAchtsamkeit ist ein bewusstes Bemuumlhen Gewahrsein hingegen ist dies nichtlaquo (Korb et al 1989 S 8)

earl Rogers Konzept von gtPraumlsenzlt hat die Arbeit von zahllosen Therapeuten beshyeinflusst und damit indirekt auch das Terrain fuumlr die Aufnahme von buddhistischen Darlegungen und Praktiken der Geistesgegenwart geebnet In einem Klima von Aushythentizitaumlt (gtKongruenzlt) Empathie und uneingeschraumlnkt positiver Wertschaumltzung finden Menschen unweigerlich ihre eigenen Loumlsungen und es ist die Hauptaufgabe des Therapeuten diese Praumlsenz vorbildhaft zu verkoumlrpern statt zu intervenieren zu analysieren oder den Klienten in leitender Weise zu beeinflussen (Natiello 2001)

Eugene Gendlin ein erstaunlicher Grenzgaumlnger und Pendler im schwierigen Geshylaumlnde zwischen experimenteller Psychologie und akademischer Philosophie war einige Zeit Mitarbeiter von Rogers Einer seiner vielen Beitraumlge eine eminent anshywendbare koumlrperbezogene Fertigkeit welche er gtFocusinglt taufte wurde uumlber akashydemische Kreise hinaus weithin populaumlr und fand auch im Feld der Psychotherashypeuten betraumlchtliche Resonanz (Gendlin 1978)

Darlegungen zu yogischen und buddhistischen Meditationspraktiken haben das Abendland in episodischen Wellen seit dem ausgehenden 19 Jahrhundert erreicht

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In den 60er und 70er Jahren des vorigen Jahrhunderts begannen diese meditativen Lehren sich groszliger Beliebtheit zu erfreuen - ein Trend der mit Akzentverschiebunshygen bis heute anhaumllt Wirkungen davon blieben nicht aus So hat in juumlngster Verganshygenheit eine wachsende Anzahl von Psychologen und Psychotherapeuten persoumlnshyliche kontemplative Erfahrungen gemacht - unbeschadet ihrer beruflichen oder akademischen Bekenntnisse Andererseits sind Meditation und ihre Wirkungen selbst Gegenstand wissenschaftlicher Aufmerksamkeit geworden Die Segnungen einer solshychen Aufmerksamkeit sind zwiespaumlltig

Die Felder akademischer Psychologie und Psychotherapie wurden im letzten Jahrshyhundert uumlber weite Strecken von Konzepten aus der Verhaltensforschung dominiert Die Geringschaumltzung dieser Schule fuumlr Introspektion subjektive Wahrnehmung und persoumlnliche Erfahrung als moumlglicherweise guumlltige Quellen von Erkenntnis hat weite Kreise nachhaltig gepraumlgt - ein Einfluss der auch heute noch anhaumllt21 Das Zulassen allein gtverifizierbarerlt Daten verhaumlngt die Beschraumlnktheit einer wissenschaftlichen Methodik uumlber den Gegenstand der Untersuchung - eine Praxis die unweigerlich betraumlchtliche Teile menschlicher Erfahrung auslaumlsst wenn diese auf gtverifizierbarelt Daten reduziert wird

Buddhistische Achtsamkeits- und Gewahrseinspraxis ist eine introspektive Uumlbung par excellence - und fuumlr Menschen die sich in ihr schulen subjektiv durchaus verishyfizierbar - wenngleich ohne Respekt fuumlr Kriterien wissenschaftlicher Strenge So scheint es dem kontemplativ Praktizierenden nicht ohne eine gewisse Ironie dass die Konzepte gtAchtsamkeitlt (bzw gtmindfulnesslt) in juumlngster Zeit hauptsaumlchlich auf Inishytiative kognitiver Verhaltenstherapeuten zu Haushaltsbegriffen in der etablierten Psyshychologie geworden sind

Anmerkungen

1 Im Folgenden wird Teil Eins dieses Aufsatzes abgedruckt Teil Zwei dieses Beitrages Buddhistische Geistesgegenwart in therapeutischer Praxis wird im naumlchsten Heft einige Streiflichter auf zeitgenoumlsshysiche achtsamkeitsbasierte Therapieansaumltze und -programme werfen und am Beispiel von Core Proshycess Psychotherapy zu illustrieren versuchen wie eine von der Vision kontemplativer Geistesgegenshywart gepraumlgte therapeutische Arbeit aussehen kann

2 Ca 580-460 v u Z die Datierung wird gegenwaumlrtig diskutiert 3 Er ist 1881 ein erstes Mal dokumentiert in Rhys Davids Buddhist Suttaslt S 107 4 Monier-Williams 1981 S1271 5 Rhys Davids 1921-25 S 1283 6 Dieses Sutta taucht im Pali Kanon an drei verschiedenen Stellen auf (D ii 289 M i 55 Vbh 192) Fuumlr

eine Diskussion des Begriffes satipatthaumlna Sa Rhys Davids CAF Rhys Davids 1936 S 256 Nyashynatiloka 1952 S 307 Nyanaponika 1954 S 5 Anaumllayo 2003 S 29 Bodhi 2000 S 1504 Wallace amp Bodhi2006

7 Zum Begriff verkoumlrperunglt siehe unten 8 Eine Formulierung die auch ein Verstaumlndnis des Buddha fuumlr das psychologische Phaumlnomen von Disshy

soziationlt nahelegt - und seiner Erkenntnis wie Koumlrperachtsamkeit dieser entgegenwirken kann 9 Kaumlyagatasati-suttam M iii 88

10 Anaumlpaumlnasati-suttam M iii 78 11 Analayo 2003 S 47 Seinen kenntnisreichen Arbeiten verdanke ich zahlreiche Anregungen und Vershy

weIse 12 Aus Platzgruumlnden muszlig ich im Rahmen dieses Artikels auf eine Behandlung der Listen verzichten 13 Vism xiv 465 und Kommentar Miln 37 14 Analayo 2003 S 54 Fn 37 15 Meine Klammer [AMW]

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Achtsamkeit - ein Begriff zwischen den Welten

16 Der Begriff gtAchtsamkeitlt ist seit dem 1718Jh dokumentiert und hat sich im Deutschen fuumlr sati und mindfulness eingebuumlrgert Seine Schwaumlchen angesichts des Bedeutungsumfanges von sati liegen nicht in seiner Ungenauigkeit - er deckt einen Aspekt von sati genau ab - sondern in seiner Enge die viele der hier aufgefuumlhrten Bedeutungen unterschlaumlgt Besonders ungluumlcklich ist auch die Konnotation des gtAufpassenslt welche oft mit achtsamunachtsam auftaucht und die Uumlbung der Achtsamkeit allzu einshyseitig mit dem Akt von Kontrolle identifiziert

17 Der Begriff gtincorporationlt wurde von Merleau-Ponty gepraumlgt (Merleau-Ponty 1945) Varela hat ihn aufgegriffen und definiert raquoMit gtverkoumlrpertlt meinen wir eine Reflexion durch welche Koumlrper und Geist zusammengefuumlhrt werden Was diese Formulierung vermittelt ist daszlig Reflexion nicht nur uumlber eine Erfahrung stattfinden kann sondern selbst auch eine Form von Erfahrung ist - und diese Reflexion als Erfahrung kann in Geistesgegenwart und Gewahrsein ausgefuumlhrt werdenlaquo (Varela u a 1991)

18 Analaumlyos Begriff 19 Im Original Franzoumlsisch bzw Deutsch 20 Wundt w (1874) Grundriss der physiologischen Psychologie Wilhelm Engelmann Verlag Leipzig 21 Grossman in Von Leupoldt u a 2004

Summary This paper is an attempt to elucidate the the concepts of mindfulness presence and awareness It shuttles in the use of these terms between Buddhist contemplative and psychotherapeutic contexts It also uses these terms synonymously as the translation of the Buddhist concept of sati Mindfulness has become a buzzword As a consequence the notion of mindfulness on one hand enjoys increasing popularity this holds out the promise of a wider acceptance of contemplativc approaches in psyshychotherapy On the other hand mindfulness simply risks being reduced to yet another tool in the arsenal of cognitive behavioural techniques This state of affairs leads me to revisit some of the ethical emotional and social dimensions of the Buddhist conception of mindfulness and abrief glance at the risks we take if sati is denuded of its relationship to other factors of mind and a clean cognitive awareness is instead made out to be stand-alone panacea

Key words Mindfulness awareness presence contemplative Psychotherapy Buddhist Psychology sati

Anhang Abkuumlrzungen kanonischer Pali Texte

Roumlmische Zahlen nach der Abkuumlrzung geben den Band arabische die Seitennummer an (zB M iii 126 = Majjhima Nikaumlya dritter Band Seite 126) Fuumlr Pali-Recherche habe ich hauptsaumlchlich die digitale Version der Burmesischen Chattha Sangayana Edition gebraucht und dazu die Vorversion einer Software (CST4) des Vipassana Research Instititute Igatpuri eingesetzt

Vin Vinava Cv Cull~vagga D Digha Nikaumlya M Majjhima Nikaumlya S Samyutta Nikaumlya A Anguttara Nikaumlya Dhp Dhammapada Sn Suttanipaumlta Thag Theragaumlthauml Vbh Vibhanga Miln Milindapaiiha Vism Visuddhimagga

Uumlbersetzungen aus dem Pali Englischen und Franzoumlsischen sind meine sofern nicht anders angegeben

Literatur

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Die Autorinnen und Autoren dieser Ausgabe

Die Autorinnen und Autoren dieser Ausgabe

Baden Nicole Dipl-Psych 1981 Studium der Psychologie an der Universitaumlt Oldenburg bis 2008 Sie ist ausgebildet nach der Methode Body Mind Centering einer Lehre fuumlr differenziertes Koumlrperbewusstsein und Bewegungspaumldagogik Schlafshytrainerin nach der Methode des Sounder Sleep Systems Seit 2002 Zen-Praktizierende und Schuumllerin von Zentatsu Baker Roshi Lebt im Buddhistischen Studienzentrum im J ohanneshof und im Zen Center in Crestone Colorado

Doerne Angelika Dipl-Familienpaumldagogin 1972 HP Psychotherapie Ausbilshydung in Gestalttherapie Integrativer Systemaufstellung Yogalehrerin Schuumllerin im Diamond Approach (Almaas) Weiterbildung in Beseelter Psychotherapie intensive Beschaumlftigung mit verschiedenen spirituellen Traditionen u a im Rahmen laumlngerer Aufenthalte in Indien bis 2009 psychotherapeutisch in der Klinik Heiligenfeld taumltig u a mit dem Schwerpunkt Spirituelle Krisen gegenwaumlrtig in eigener Praxis und als Seminarleiterin in Muumlnchen

Ehrmann Wilfried Dr Psychotherapeut Atemtherapeut mit eigener Praxis in Wien und Pressbaum Leiter des ATMAN-Ausbildungsprojektes (Ausbildung in Inshytegrativer Atemtherapie) Autor von Handbuch der Atemtherapie (2004) Evolution des Bewusstseins (iV) sowie zahlreicher Fachartikel Herausgeber der ATMANshyZeitung - Fachzeitschrift fuumlr Atemarbeit und Atemtherapie

Leopoldt Axel 1950 Facharzt fuumlr Psychosomatische Medizin und Psychotherashypie Biosynthese-Diplom tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie Seit 1998 Schuumller von A H Almaas

Piron Harald Dr Dipl-Psych 1967 psychologischer Psychotherapeut (VT) abgeschlossene Ausbildungen in Verhaltenstherapie RET und Psychosynthese meshyditiert seit 1985 therapiert seit 1993 promovierte in der Meditationsforschung gibt Weiterbildungen und Seminare zu transpersonaler Verhaltenstherapie (TVT) und Psychosynthese Er ist Vorsitzender der Society for Meditation and Meditation Reshysearch (SMMR)

Weber Akincano M ~-1960 ist Psychotherapeut dialogischer Prozess begleiter und Meditationslehrer Er war 20 Jahre kontemplativer Moumlnch in Asien und Europa hat eine Ausbildung in Core Process Psychotherapy und einen M A in Buddhist Psyshychotherapy Er lebt heute mit seiner Frau in Koumlln und unterrichtet als Meditationsshylehrer europaweit Eine umfangreichere Arbeit zu diesem Thema ist in Vorbereitung und wird im O W Barth Verlag erscheinen

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bull Stabilitaumlt und Stille Die Bilder illustrieren auch die Beziehungen von sati zu den Bereichen der Ethik

(slla) der Geistessammlung (samadhi) und der Weisheit (paiziza) Waumlhrend diese drei sich als Tugenden unterstuumltzen - und zum Teil direkt voneinander abhaumlngen wie etwa im Falle von Tugend und Geistessammlung - spielt sati in allen eine unentshybehrliche Rolle wenn auch fuumlr jede mit einer leichten Akzentverschiebung

Urteilsvermoumlgen Stabilitaumlt Perspektive ein Verstaumlndnis dessen was und was nicht heilsam ist und die Bereitschaft an etwas dranzubleiben sind alles Voraussetzungen fuumlr ethische Entscheidungen und Lebensfuumlhrung (slla)

Kontinuitaumlt im Gewahrsein mit einem gewaumlhlten Gegenstand oder Prozess Stashybilitaumlt Stille und die noumltige Einfuumlhlung um Aufwand und Anstrengung abzustimshymen sind Voraussetzungen fuumlr Sammlung und Einigung des Geistes (samadhi)

Nicht-Zerstreutheit Kontinuitaumlt des Gewahrseins wachsames Edorschen und Sondieren Perspektive und losgeloumlstes Erkennen sind alle unentbehrlich fuumlr die Ausshybildung von Weisheit (paiziza)

Ein zeitgenoumlssischer Lehrer aus Thailand veranschaulicht den Verlauf des Zusamshymenspiels von Weisheit und sati in folgendem Gleichnis Eine Frau rudert mit ihrem Boot hinaus in den kabbeligen Fluss mit der Absicht Lotosstengel und Wassershypflanzen zu schneiden Zuerst verankert sie ihr Boot und haumllt es damit an der geshywuumlnschten Stelle wo die Pflanzen wachsen Dann ergreift sie die Pflanzen mit der einen Hand und buumlndelt sie so dass die Stengel bequem freiliegen schlieszliglich schneishydet sie sie mit dem Messer in der anderen Hand ab Das Boot steht fuumlr den Geist sati fuumlr den Anker der das Boot vor Ort haumllt die erste Hand welche die Stenge freilegt fuumlr gruumlndliches Erforschen (yoniso manasikara der Verbindung zwischen sati und Weisheit) die zweite Hand die Klinge fuumlhrend steht fuumlr die Kraft der Weisheit welshyche die Nebel der Taumluschung teilt (Payutto 1988 S 48)

Die Hindernisse Sati und seine Herausforderungen Uumlber den Verlust von Geistesgegenwart schreibt ein buddhistischer Autor raquoDie

abtraumlgliche Wirkung eingeschliffener Reaktionen zeigt sich dort am offenkundigsshyten wo wir sie abwertend als gtdie Macht der Gewohnheitlt bezeichnen Ihre abshystumpfende abtoumltende und verengende Wirkung unter welcher wir ganz besonders geneigt sind uns mit dem zu identifizieren was wir fuumlr unseren Charakter oder unshysere Persoumlnlichkeit haltenlaquo (Nyanaponika 1986 S 46)

Was geschieht wenn wir nicht geistesgegenwaumlrtig sind Bereits einige Minuten nuumlchterner Selbstbeobachtung wird die verbluumlffende Komplexitaumlt und ausufernde Natur unseres geistigen Lebens offenbaren Es gibt viele Moumlglichkeiten verloren zu gehen

Eine davon ist der Verlust von Beweglichkeit in unserer Geistesgegenwart - wir bleiben stecken sind ploumltzlich fixiert verbeiszligen uns an etwas und verlieren Kontishynuitaumlt und den Faden zum groumlszligeren Zusammenhang - etwa beim Eintreten eines unshyerwarteten Ereignisses

Eine andere ist wenn uns Gewahrsein von Hier undJetzt abhanden kommt - etwa unter der Einwirkung einer Emotion einer emotionsgeladenen Erinnerung einer Traumlumerei oder intensiven Gedankenfolge wir gehen unserer Bezugspunkte verlusshytig spuumlren die Orientierung schwinden verlieren Kurs und Lage

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Achtsamkeit - ein Begriff zwischen den Welten

Eine weitere Moumlglichkeit ist der Verlust des Raumes Unser Gewahrsein kollabiert auf einen Einzelaspekt unseres Erlebens der uns heimsucht und verfolgt Das kann gleichermaszligen aufgrund einer starken Vorliebe Abneigung oder Emotion stattfinshyden

Eine vierte ist der Verlust meiner Verkoumlrperung7 - wir houmlren auf wirklich anweshysend zu sein als fuumlhlende sinnenbegabte Wesen mit Beduumlrfnissen einem einfuumlhlsamen Herzen und tatsaumlchlicher Handlungsfaumlhigkeit

Eine fuumlnfte Moumlglichkeit ist der Verlust des Anderen Eine Implosion in meinem Gewahrsein laumlsst alleine gtmichlt als wirklich zuruumlck - und mich darin wirklich alleine werden

Manchmal ist es die Intensitaumlt eines Sinneseindruckes (etwa bei Schmerz) die unshysere Aufmerksamkeit beschlagnahmt sich unserer Vorstellung bemaumlchtigt (etwa bei Angst) oder uns in einer Weise vereinnahmt (wie bei Lust) dass wir den Bezug zum Rest unseres Erlebens verlieren Haumlufig jedoch braucht es viel weniger Gewohnheit Unkenntnis der wirklichen Prioritaumlten unseres Lebens und Mangel an Uumlbung machen uns oftmals leichte Beute fuumlr das was die buddhistischen Texte pamaumlda nennen Nachlaumlssigkeit und Achtlosigkeit - eine Qualitaumlt die sie gar mit dem Tod vergleishychen (Dhp 21) Die Schriften erlaumlutern uns im Weiteren dass einer der Hauptgruumlnde fuumlr das Entstehen unheilsamer Geistesverfassungen schlicht gtunklugeslt oder gtunshytaugliches Augenmerklt (ayoniso manasikaumlra) sei (D i 7)

Die Vision Sati und seine Verheiszligungen Geistesgegenwart als meditativer Uumlbung wohnt die Kraft tiefgreifender Verwandshy

lung inne wenn sie als mehr verstanden wird als bloszlig eine mentale Strategie in einem losgeloumlsten und ewig geblaumlhten Jetztlt zu verweilen - einem Jetzt dem es an Bezuumlshygen zur Erfahrung von Leiden dessen Entstehen und dessen Aufhebung fehlt wie sie fuumlr Erkenntnis und Wandlung notwendig sind Was die Bildersprache der Pali-Texte unmissverstaumlndlich aufzeigt ist Eine zu innerer Verwandlung faumlhige Geistesgegenshywart ist unweigerlich verbunden mit ethischen Werten gruumlndet in Hingabe haumlngt fuumlr ihre heilsamen Wirkungen von der Auswahl tauglicher Gegenstaumlnde ab wird unshytermauert durch angemessenes Bemuumlhen zweckdienliches Erforschen und gruumlndlishyches Erwaumlgen

Das Ende der beruumlhmten Darlegung zum gtHerbeifuumlhren der Geistesgegenwartlt laumlsst keinen Zweifel dass diese den direkten Weglt8 zur raquoErgruumlndung von Daseinsshyphaumlnomenen darstellt ohne Hinzufuumlgung von Emotionen und Vorstellungen auf der Basis von subjektiven Vorlieben so dass es weder zu Anhaften noch Identifikation kommtlaquo (Payutto 1988 S 32) Von einem solchen durch sati gewonnenen Ausshygangspunkt ist eine echte und unverzerrte Perspektive auf die Natur unseres Erleshybens erst moumlglich

Die fruumlhen Darlegungen betonen dass sati keine mystische Verfassung ist Kein Zustand der Gnade keine erhabene meditative Erfahrung - vielmehr eine Geistesshyverfassung die eingeuumlbt werden kann raquo bullbullbull entfaltet und uumlbt die auf den Koumlrper geshyrichtete Geistesgegenwart macht sie euch zum Fahrzeug zur Grundlage wendet sie an und bekraumlftigt sie uumlbt euch darin und macht sie vollkommenlaquo (S iv 200)

In den alten Schriften wird sati nicht ausdruumlcklich als gtBeziehungs qualitaumltlt dargeshystellt wenngleich gelegentliche Andeutungen in den Texten gefunden werden koumlnshy

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Akincano M Weber

nen Therapeutisch versierten Lesern kann jedoch nicht entgangen sein wie eminent gtbeziehungs orientiertlt sati als Geistesverfassung ist - gehen doch meine Beziehungsshyabsicht meine Beziehungsfaumlhigkeit mein Vermoumlgen fuumlr Beziehungskonstanz alle letztlich auf sati zuruumlck - ob ich nun zu mir selbst zu anderen oder den Dingen meishyner Erfahrung in Beziehung bin

Vom Wert der Geistesgegenwart fuumlr zwischenmenschliche Beziehungen sprechen die folgenden Passagen aus der Sedaka Sutta (S v 168) wo ein Bambusakrobat und seine junge Schuumllerin in der Ausuumlbung ihrer Kunst dargestellt werden Der Akrobat stellt seine Bambus-Stange auf und sagt ihr sie moumlge auf seine Schultern steigen Sie tut wie geheiszligen Er spricht daraufhin raquoDu schuumltzt mich liebe Medakathaumllikauml und ich schuumltze dich Auf diese Weise einer durch den anderen geschuumltzt werden wir unsere Kuumlnste zeigen unser Honorar einsammeln und sicher von der Stange herunshytersteigenlaquo - Seine Schuumllerin zeigt sich nicht einverstanden und erwidert raquogtSo mein Lehrer geht es nicht Du mein Lehrer schuumltzt dich selbst und auch ich werde mich selber schuumltzen Auf diese Weise jeder sich selber huumltend jeder sich selber schuumltshyzend werden wir unsere Kuumlnste zeigen unser Honorar einsammeln und sicher von der Stange heruntersteigenlaquo - Der Buddha bestaumltigt nun die Aussage der jungen Schuumllerin und faumlhrt fort indem er die scheinbar gegenteiligen Aussagen des Akroshybaten und seiner Schuumllerin miteinander in Uumlbereinstimmung bringt

gtgtgtIch werde mich selber schuumltzenlt Moumlnche auf diese Weise soll das Herbeifuumlhren von Geistesgegenwart (satipatthaumlna) geuumlbt werden gtIch werde andere schuumltzenlt auf diese Weise soll das Herbeifuumlhren von Geistesgegenwart geuumlbt werden Sich selber schuumltzend schuumltzt man andere andere schuumltzend schuumltzt man sich selber Und wie Moumlnche schuumltzt man andere indem man sich selber schuumltzt Durch Hingabe durch Geistesentfaltung durch stetige Uumlbung Und wie Moumlnche schuumltzt man sich selber indem man Andere schuumltzt Durch Duldsamkeit (khantiyauml) durch Harmlosigkeit (avihimsaumlya) durch Liebe (mettataumlya) und Anteilnahme (anudayataya) Es ist auf diese Weise daszlig man die anderen schuumltzend sich selber schuumltztlaquo

Geistesgegenwart im Westen

Die Lehren des Buddha sind seit mehr als zweieinhalb Jahrtausenden bekannt sie gehen wie im Fall von sati und seiner Schulung auf noch aumlltere Traditionen zuruumlck Im Vergleich dazu ist westliche Psychologie als eine sich selbst bewusste Disziplin des Studiums von Geist und Verhalten erst ein recht junges Unterfangen

Es scheint unfair von einer kreativen aber relativ jungen Wissenschaft zu fordern dass sie uumlber den Schluumlsselbegriff einer gereiften Weisheitstradition auf Augenhoumlhe mithalten kann Und doch gehoumlrt es zu den faszinierendsten intellektuellen Untershynehmungen unserer Zeit beide Traditionen - ohne Forderung nach platten Entspreshychungen - die eine in den Begriffen der anderen einzuschaumltzen und abzuwaumlgen

Als Beispiel moumlgen die Konzepte von gtAchtsamkeitlt gtGewahrseinlt und gtIntroshyspektionlt dienen Die Anfaumlnge der jungen Wissenschaft wirken bescheiden Keine umfassende Klassifizierung wird geboten keine lebendige Bildhaftigkeit veranshyschaulicht die Begriffe und ihre Funktionen keine erkennbare Methode zu ihrer Ausshybildung und Vertiefung laumlsst sich ausmachen weder in der Fruumlhzeit noch heute Aufshyschlussreich ist William James Nach einigen kritischen Anmerkungen zu den

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Achtsamkeit - ein Begriff zwischen den Welten

englischen Empirikern und ihrer Handhabung von Erfahrung als einer quasi gtGegeshybenheitlt statt von etwas das durch gtselektive Aufmerksamkeitlt zustande kommt fuumlhrt er aus Games 1890 S 402 ff)

raquoSobald man uumlber den Sachverhalt nachdenkt wird einsichtig wie verfehlt diese Auffassung von Erfahrung ist setzt sie Erfahrung doch gleich mit der bloszligen Geshygenwart einer aumluszligeren Ordnung fuumlr unsere Sinne Millionen von Gegenstaumlnden dieshyser aumluszligeren Ordnung sind fuumlr meine Sinne gegenwaumlrtig ohne dass sie jedoch dadurch zu meiner Erfahrung wuumlrden Weshalb Weil sie fuumlr mich nicht von Interesse sind Meine Erfahrung ist worauf ich einwillige meine Aufmerksamkeit zu richten Nur die Dinge deren ich gewahr werde formen meinen Geist - ohne selektives Interesse ist meine Erfahrung ein voumllliges Chaos Allein Interesse gibt den Akzent und den Nachdruck Licht und Schatten Vordergrund und Hintergrund - in einem Wort eine erkennbare Perspektivelaquo

Etwas spaumlter fasst er zusammen raquoJeder weiszlig was Aufmerksamkeit ist Es ist das geistige Aufgreifen in klarer und lebhafter Weise von einem unter mehreren gleichshyzeitig sich anbietenden moumlglichen Gegenstaumlnden oder Gedankengaumlngen Fokussieren und Sammlung des Bewusstseins gehoumlren zu ihrem Wesen Aufmerksamkeit setzt voraus dass wir uns von einigen Dingen abwenden um uns mit anderen umso efshyfektiver zu befassen Als Verfassung hat sie ihr exaktes Gegenteil in dem verwirrten benommenen und zerfahrenen Geisteszustand der auf Franzoumlsisch distraction und auf Deutsch Zerstreutheit 19 heiszligt Wir alle kennen diesen Zustand selbst in seinen extremen Formenlaquo

Wundt (1896) fuumlhrt eine gtexperimentelle Introspektionlt ein welche als eine ihrer Voraussetzungen eine gtgespannte Aufmerksamkeitlt20 hat Freud schlieszliglich - hier spricht der erste Psychotherapeut uumlber den Akt der Therapie - empfiehlt fuumlr psyshychoanalytische Arbeit gteine gleichschwebende Aufmerksamkeitlt (Freud 1912)

In der Gestalttherapie spielt das Konzept von Gewahrsein eine groszlige Rolle und wird in Verbindung gesehen mit Wahl Kontakt und Spontaneitaumlt (Perls 1951 S viii) Es wird differenziert zwischen Achtsamkeit (attention) und Gewahrsein (awareness) raquoAchtsamkeit ist ein bewusstes Bemuumlhen Gewahrsein hingegen ist dies nichtlaquo (Korb et al 1989 S 8)

earl Rogers Konzept von gtPraumlsenzlt hat die Arbeit von zahllosen Therapeuten beshyeinflusst und damit indirekt auch das Terrain fuumlr die Aufnahme von buddhistischen Darlegungen und Praktiken der Geistesgegenwart geebnet In einem Klima von Aushythentizitaumlt (gtKongruenzlt) Empathie und uneingeschraumlnkt positiver Wertschaumltzung finden Menschen unweigerlich ihre eigenen Loumlsungen und es ist die Hauptaufgabe des Therapeuten diese Praumlsenz vorbildhaft zu verkoumlrpern statt zu intervenieren zu analysieren oder den Klienten in leitender Weise zu beeinflussen (Natiello 2001)

Eugene Gendlin ein erstaunlicher Grenzgaumlnger und Pendler im schwierigen Geshylaumlnde zwischen experimenteller Psychologie und akademischer Philosophie war einige Zeit Mitarbeiter von Rogers Einer seiner vielen Beitraumlge eine eminent anshywendbare koumlrperbezogene Fertigkeit welche er gtFocusinglt taufte wurde uumlber akashydemische Kreise hinaus weithin populaumlr und fand auch im Feld der Psychotherashypeuten betraumlchtliche Resonanz (Gendlin 1978)

Darlegungen zu yogischen und buddhistischen Meditationspraktiken haben das Abendland in episodischen Wellen seit dem ausgehenden 19 Jahrhundert erreicht

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Akincano M Weber

In den 60er und 70er Jahren des vorigen Jahrhunderts begannen diese meditativen Lehren sich groszliger Beliebtheit zu erfreuen - ein Trend der mit Akzentverschiebunshygen bis heute anhaumllt Wirkungen davon blieben nicht aus So hat in juumlngster Verganshygenheit eine wachsende Anzahl von Psychologen und Psychotherapeuten persoumlnshyliche kontemplative Erfahrungen gemacht - unbeschadet ihrer beruflichen oder akademischen Bekenntnisse Andererseits sind Meditation und ihre Wirkungen selbst Gegenstand wissenschaftlicher Aufmerksamkeit geworden Die Segnungen einer solshychen Aufmerksamkeit sind zwiespaumlltig

Die Felder akademischer Psychologie und Psychotherapie wurden im letzten Jahrshyhundert uumlber weite Strecken von Konzepten aus der Verhaltensforschung dominiert Die Geringschaumltzung dieser Schule fuumlr Introspektion subjektive Wahrnehmung und persoumlnliche Erfahrung als moumlglicherweise guumlltige Quellen von Erkenntnis hat weite Kreise nachhaltig gepraumlgt - ein Einfluss der auch heute noch anhaumllt21 Das Zulassen allein gtverifizierbarerlt Daten verhaumlngt die Beschraumlnktheit einer wissenschaftlichen Methodik uumlber den Gegenstand der Untersuchung - eine Praxis die unweigerlich betraumlchtliche Teile menschlicher Erfahrung auslaumlsst wenn diese auf gtverifizierbarelt Daten reduziert wird

Buddhistische Achtsamkeits- und Gewahrseinspraxis ist eine introspektive Uumlbung par excellence - und fuumlr Menschen die sich in ihr schulen subjektiv durchaus verishyfizierbar - wenngleich ohne Respekt fuumlr Kriterien wissenschaftlicher Strenge So scheint es dem kontemplativ Praktizierenden nicht ohne eine gewisse Ironie dass die Konzepte gtAchtsamkeitlt (bzw gtmindfulnesslt) in juumlngster Zeit hauptsaumlchlich auf Inishytiative kognitiver Verhaltenstherapeuten zu Haushaltsbegriffen in der etablierten Psyshychologie geworden sind

Anmerkungen

1 Im Folgenden wird Teil Eins dieses Aufsatzes abgedruckt Teil Zwei dieses Beitrages Buddhistische Geistesgegenwart in therapeutischer Praxis wird im naumlchsten Heft einige Streiflichter auf zeitgenoumlsshysiche achtsamkeitsbasierte Therapieansaumltze und -programme werfen und am Beispiel von Core Proshycess Psychotherapy zu illustrieren versuchen wie eine von der Vision kontemplativer Geistesgegenshywart gepraumlgte therapeutische Arbeit aussehen kann

2 Ca 580-460 v u Z die Datierung wird gegenwaumlrtig diskutiert 3 Er ist 1881 ein erstes Mal dokumentiert in Rhys Davids Buddhist Suttaslt S 107 4 Monier-Williams 1981 S1271 5 Rhys Davids 1921-25 S 1283 6 Dieses Sutta taucht im Pali Kanon an drei verschiedenen Stellen auf (D ii 289 M i 55 Vbh 192) Fuumlr

eine Diskussion des Begriffes satipatthaumlna Sa Rhys Davids CAF Rhys Davids 1936 S 256 Nyashynatiloka 1952 S 307 Nyanaponika 1954 S 5 Anaumllayo 2003 S 29 Bodhi 2000 S 1504 Wallace amp Bodhi2006

7 Zum Begriff verkoumlrperunglt siehe unten 8 Eine Formulierung die auch ein Verstaumlndnis des Buddha fuumlr das psychologische Phaumlnomen von Disshy

soziationlt nahelegt - und seiner Erkenntnis wie Koumlrperachtsamkeit dieser entgegenwirken kann 9 Kaumlyagatasati-suttam M iii 88

10 Anaumlpaumlnasati-suttam M iii 78 11 Analayo 2003 S 47 Seinen kenntnisreichen Arbeiten verdanke ich zahlreiche Anregungen und Vershy

weIse 12 Aus Platzgruumlnden muszlig ich im Rahmen dieses Artikels auf eine Behandlung der Listen verzichten 13 Vism xiv 465 und Kommentar Miln 37 14 Analayo 2003 S 54 Fn 37 15 Meine Klammer [AMW]

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Achtsamkeit - ein Begriff zwischen den Welten

16 Der Begriff gtAchtsamkeitlt ist seit dem 1718Jh dokumentiert und hat sich im Deutschen fuumlr sati und mindfulness eingebuumlrgert Seine Schwaumlchen angesichts des Bedeutungsumfanges von sati liegen nicht in seiner Ungenauigkeit - er deckt einen Aspekt von sati genau ab - sondern in seiner Enge die viele der hier aufgefuumlhrten Bedeutungen unterschlaumlgt Besonders ungluumlcklich ist auch die Konnotation des gtAufpassenslt welche oft mit achtsamunachtsam auftaucht und die Uumlbung der Achtsamkeit allzu einshyseitig mit dem Akt von Kontrolle identifiziert

17 Der Begriff gtincorporationlt wurde von Merleau-Ponty gepraumlgt (Merleau-Ponty 1945) Varela hat ihn aufgegriffen und definiert raquoMit gtverkoumlrpertlt meinen wir eine Reflexion durch welche Koumlrper und Geist zusammengefuumlhrt werden Was diese Formulierung vermittelt ist daszlig Reflexion nicht nur uumlber eine Erfahrung stattfinden kann sondern selbst auch eine Form von Erfahrung ist - und diese Reflexion als Erfahrung kann in Geistesgegenwart und Gewahrsein ausgefuumlhrt werdenlaquo (Varela u a 1991)

18 Analaumlyos Begriff 19 Im Original Franzoumlsisch bzw Deutsch 20 Wundt w (1874) Grundriss der physiologischen Psychologie Wilhelm Engelmann Verlag Leipzig 21 Grossman in Von Leupoldt u a 2004

Summary This paper is an attempt to elucidate the the concepts of mindfulness presence and awareness It shuttles in the use of these terms between Buddhist contemplative and psychotherapeutic contexts It also uses these terms synonymously as the translation of the Buddhist concept of sati Mindfulness has become a buzzword As a consequence the notion of mindfulness on one hand enjoys increasing popularity this holds out the promise of a wider acceptance of contemplativc approaches in psyshychotherapy On the other hand mindfulness simply risks being reduced to yet another tool in the arsenal of cognitive behavioural techniques This state of affairs leads me to revisit some of the ethical emotional and social dimensions of the Buddhist conception of mindfulness and abrief glance at the risks we take if sati is denuded of its relationship to other factors of mind and a clean cognitive awareness is instead made out to be stand-alone panacea

Key words Mindfulness awareness presence contemplative Psychotherapy Buddhist Psychology sati

Anhang Abkuumlrzungen kanonischer Pali Texte

Roumlmische Zahlen nach der Abkuumlrzung geben den Band arabische die Seitennummer an (zB M iii 126 = Majjhima Nikaumlya dritter Band Seite 126) Fuumlr Pali-Recherche habe ich hauptsaumlchlich die digitale Version der Burmesischen Chattha Sangayana Edition gebraucht und dazu die Vorversion einer Software (CST4) des Vipassana Research Instititute Igatpuri eingesetzt

Vin Vinava Cv Cull~vagga D Digha Nikaumlya M Majjhima Nikaumlya S Samyutta Nikaumlya A Anguttara Nikaumlya Dhp Dhammapada Sn Suttanipaumlta Thag Theragaumlthauml Vbh Vibhanga Miln Milindapaiiha Vism Visuddhimagga

Uumlbersetzungen aus dem Pali Englischen und Franzoumlsischen sind meine sofern nicht anders angegeben

Literatur

Anaumllayo (2003) Satipatthaumlna Thc direct Path to realization Buddhist Publication Society Kandy Bodhi B (tr) (2000) The Connected Discourses of the Buddha Wisdom Publications Boston Freud S (1912) Ratschlaumlge fuumlr den Arzt bei der psychoanalytischen Behandlung Zentralblatt fuumlr Psyshy

choanalyse J F Bergmann Wiesbaden Gendlin E (1978) Focusing Ryder London

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Akincano M Weber

fames W (1890) The Principles of Psychology Holt and Macmillan London Korb M P Gorrell Van De Riet (1989) Gestalt therapy Practice and theory Pergamon New York Malebranche N (Hrsg Andre Robinct) (1958-78) Oeuvres Completes J Vrin Paris Merleau-Ponty M (1945) Phenomenologie de la Perception Editions Gallimard Paris Monier-Williams M (1981) Sanskrit-English Dictionary Munshiram Manoharlal Publ Delhi (reprint) Natiello P (2001) The Person-Centred Approach A passionate Prescnce PCCS Books Ross-on-Wye Nyanaponika T (1954) The Heart of Buddhist Meditation Nyanaponika T (1956) Der Einzige Weg Christiani Verlag Konstanz Nyanaponika T (1986) The Power of Mindfulness Wheel Publication 120121 Buddhist Publication

Society Kand y Nyanatiloka T (1952) Buddhist Dictionary Manual of Buddhist Terms and Doctrines Buddhist Publishy

cation Society Kandy Payutto P (1988) Sammauml SatiAn exposition of Right Mindfulness Buddhadhamma Foundation

Bangkok Perls F S (1951) Gestalt therapy Excitement and growth in the human personality Deli New York Rhys Davids T W (1881) Buddhist Suttas Sacred Books of the East Vol xi Clarendon Press Oxford Rhys Davids C A F (1936) The birth of Indian psychology and its development in Buddhism Luzac amp

Co London Rhys Davids T W amp Stede W (1921-25) Pali Text Societys Pali-English Dictionary Pali Text Society

London U Pandita S (2002) The Meaning of Satipatthana Sahadhammika Bangkok Varela F Thompson E amp Rosch E (1991) The Embodied Mind MIT Press Massachusetts Von Leupoldt A Ritz T (Hg) Grossman P (2004) Mindfulncss for psychologists Paying kind attenshy

tion to thc perccptiblc in Psychology in Behavioural medicine - Basic psychophysiological reasearch and applicatioll Kohlhammer Verlag Stuttgart

Wallace A amp Bodhi B (2006) Thc Nature of mindfulness and its role in Buddhist meditation [unpubshylizierte Korrespondenz]

Wundt W (1874) Grundzuumlge der physiologischen Psychologie Wilhe1m Engelmann Verlag Leipzig Wundt W (1896) Grundriss der Psychologie Wilhclm Engelmann Verlag Leipzig

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Die Autorinnen und Autoren dieser Ausgabe

Die Autorinnen und Autoren dieser Ausgabe

Baden Nicole Dipl-Psych 1981 Studium der Psychologie an der Universitaumlt Oldenburg bis 2008 Sie ist ausgebildet nach der Methode Body Mind Centering einer Lehre fuumlr differenziertes Koumlrperbewusstsein und Bewegungspaumldagogik Schlafshytrainerin nach der Methode des Sounder Sleep Systems Seit 2002 Zen-Praktizierende und Schuumllerin von Zentatsu Baker Roshi Lebt im Buddhistischen Studienzentrum im J ohanneshof und im Zen Center in Crestone Colorado

Doerne Angelika Dipl-Familienpaumldagogin 1972 HP Psychotherapie Ausbilshydung in Gestalttherapie Integrativer Systemaufstellung Yogalehrerin Schuumllerin im Diamond Approach (Almaas) Weiterbildung in Beseelter Psychotherapie intensive Beschaumlftigung mit verschiedenen spirituellen Traditionen u a im Rahmen laumlngerer Aufenthalte in Indien bis 2009 psychotherapeutisch in der Klinik Heiligenfeld taumltig u a mit dem Schwerpunkt Spirituelle Krisen gegenwaumlrtig in eigener Praxis und als Seminarleiterin in Muumlnchen

Ehrmann Wilfried Dr Psychotherapeut Atemtherapeut mit eigener Praxis in Wien und Pressbaum Leiter des ATMAN-Ausbildungsprojektes (Ausbildung in Inshytegrativer Atemtherapie) Autor von Handbuch der Atemtherapie (2004) Evolution des Bewusstseins (iV) sowie zahlreicher Fachartikel Herausgeber der ATMANshyZeitung - Fachzeitschrift fuumlr Atemarbeit und Atemtherapie

Leopoldt Axel 1950 Facharzt fuumlr Psychosomatische Medizin und Psychotherashypie Biosynthese-Diplom tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie Seit 1998 Schuumller von A H Almaas

Piron Harald Dr Dipl-Psych 1967 psychologischer Psychotherapeut (VT) abgeschlossene Ausbildungen in Verhaltenstherapie RET und Psychosynthese meshyditiert seit 1985 therapiert seit 1993 promovierte in der Meditationsforschung gibt Weiterbildungen und Seminare zu transpersonaler Verhaltenstherapie (TVT) und Psychosynthese Er ist Vorsitzender der Society for Meditation and Meditation Reshysearch (SMMR)

Weber Akincano M ~-1960 ist Psychotherapeut dialogischer Prozess begleiter und Meditationslehrer Er war 20 Jahre kontemplativer Moumlnch in Asien und Europa hat eine Ausbildung in Core Process Psychotherapy und einen M A in Buddhist Psyshychotherapy Er lebt heute mit seiner Frau in Koumlln und unterrichtet als Meditationsshylehrer europaweit Eine umfangreichere Arbeit zu diesem Thema ist in Vorbereitung und wird im O W Barth Verlag erscheinen

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Achtsamkeit - ein Begriff zwischen den Welten

Eine weitere Moumlglichkeit ist der Verlust des Raumes Unser Gewahrsein kollabiert auf einen Einzelaspekt unseres Erlebens der uns heimsucht und verfolgt Das kann gleichermaszligen aufgrund einer starken Vorliebe Abneigung oder Emotion stattfinshyden

Eine vierte ist der Verlust meiner Verkoumlrperung7 - wir houmlren auf wirklich anweshysend zu sein als fuumlhlende sinnenbegabte Wesen mit Beduumlrfnissen einem einfuumlhlsamen Herzen und tatsaumlchlicher Handlungsfaumlhigkeit

Eine fuumlnfte Moumlglichkeit ist der Verlust des Anderen Eine Implosion in meinem Gewahrsein laumlsst alleine gtmichlt als wirklich zuruumlck - und mich darin wirklich alleine werden

Manchmal ist es die Intensitaumlt eines Sinneseindruckes (etwa bei Schmerz) die unshysere Aufmerksamkeit beschlagnahmt sich unserer Vorstellung bemaumlchtigt (etwa bei Angst) oder uns in einer Weise vereinnahmt (wie bei Lust) dass wir den Bezug zum Rest unseres Erlebens verlieren Haumlufig jedoch braucht es viel weniger Gewohnheit Unkenntnis der wirklichen Prioritaumlten unseres Lebens und Mangel an Uumlbung machen uns oftmals leichte Beute fuumlr das was die buddhistischen Texte pamaumlda nennen Nachlaumlssigkeit und Achtlosigkeit - eine Qualitaumlt die sie gar mit dem Tod vergleishychen (Dhp 21) Die Schriften erlaumlutern uns im Weiteren dass einer der Hauptgruumlnde fuumlr das Entstehen unheilsamer Geistesverfassungen schlicht gtunklugeslt oder gtunshytaugliches Augenmerklt (ayoniso manasikaumlra) sei (D i 7)

Die Vision Sati und seine Verheiszligungen Geistesgegenwart als meditativer Uumlbung wohnt die Kraft tiefgreifender Verwandshy

lung inne wenn sie als mehr verstanden wird als bloszlig eine mentale Strategie in einem losgeloumlsten und ewig geblaumlhten Jetztlt zu verweilen - einem Jetzt dem es an Bezuumlshygen zur Erfahrung von Leiden dessen Entstehen und dessen Aufhebung fehlt wie sie fuumlr Erkenntnis und Wandlung notwendig sind Was die Bildersprache der Pali-Texte unmissverstaumlndlich aufzeigt ist Eine zu innerer Verwandlung faumlhige Geistesgegenshywart ist unweigerlich verbunden mit ethischen Werten gruumlndet in Hingabe haumlngt fuumlr ihre heilsamen Wirkungen von der Auswahl tauglicher Gegenstaumlnde ab wird unshytermauert durch angemessenes Bemuumlhen zweckdienliches Erforschen und gruumlndlishyches Erwaumlgen

Das Ende der beruumlhmten Darlegung zum gtHerbeifuumlhren der Geistesgegenwartlt laumlsst keinen Zweifel dass diese den direkten Weglt8 zur raquoErgruumlndung von Daseinsshyphaumlnomenen darstellt ohne Hinzufuumlgung von Emotionen und Vorstellungen auf der Basis von subjektiven Vorlieben so dass es weder zu Anhaften noch Identifikation kommtlaquo (Payutto 1988 S 32) Von einem solchen durch sati gewonnenen Ausshygangspunkt ist eine echte und unverzerrte Perspektive auf die Natur unseres Erleshybens erst moumlglich

Die fruumlhen Darlegungen betonen dass sati keine mystische Verfassung ist Kein Zustand der Gnade keine erhabene meditative Erfahrung - vielmehr eine Geistesshyverfassung die eingeuumlbt werden kann raquo bullbullbull entfaltet und uumlbt die auf den Koumlrper geshyrichtete Geistesgegenwart macht sie euch zum Fahrzeug zur Grundlage wendet sie an und bekraumlftigt sie uumlbt euch darin und macht sie vollkommenlaquo (S iv 200)

In den alten Schriften wird sati nicht ausdruumlcklich als gtBeziehungs qualitaumltlt dargeshystellt wenngleich gelegentliche Andeutungen in den Texten gefunden werden koumlnshy

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Akincano M Weber

nen Therapeutisch versierten Lesern kann jedoch nicht entgangen sein wie eminent gtbeziehungs orientiertlt sati als Geistesverfassung ist - gehen doch meine Beziehungsshyabsicht meine Beziehungsfaumlhigkeit mein Vermoumlgen fuumlr Beziehungskonstanz alle letztlich auf sati zuruumlck - ob ich nun zu mir selbst zu anderen oder den Dingen meishyner Erfahrung in Beziehung bin

Vom Wert der Geistesgegenwart fuumlr zwischenmenschliche Beziehungen sprechen die folgenden Passagen aus der Sedaka Sutta (S v 168) wo ein Bambusakrobat und seine junge Schuumllerin in der Ausuumlbung ihrer Kunst dargestellt werden Der Akrobat stellt seine Bambus-Stange auf und sagt ihr sie moumlge auf seine Schultern steigen Sie tut wie geheiszligen Er spricht daraufhin raquoDu schuumltzt mich liebe Medakathaumllikauml und ich schuumltze dich Auf diese Weise einer durch den anderen geschuumltzt werden wir unsere Kuumlnste zeigen unser Honorar einsammeln und sicher von der Stange herunshytersteigenlaquo - Seine Schuumllerin zeigt sich nicht einverstanden und erwidert raquogtSo mein Lehrer geht es nicht Du mein Lehrer schuumltzt dich selbst und auch ich werde mich selber schuumltzen Auf diese Weise jeder sich selber huumltend jeder sich selber schuumltshyzend werden wir unsere Kuumlnste zeigen unser Honorar einsammeln und sicher von der Stange heruntersteigenlaquo - Der Buddha bestaumltigt nun die Aussage der jungen Schuumllerin und faumlhrt fort indem er die scheinbar gegenteiligen Aussagen des Akroshybaten und seiner Schuumllerin miteinander in Uumlbereinstimmung bringt

gtgtgtIch werde mich selber schuumltzenlt Moumlnche auf diese Weise soll das Herbeifuumlhren von Geistesgegenwart (satipatthaumlna) geuumlbt werden gtIch werde andere schuumltzenlt auf diese Weise soll das Herbeifuumlhren von Geistesgegenwart geuumlbt werden Sich selber schuumltzend schuumltzt man andere andere schuumltzend schuumltzt man sich selber Und wie Moumlnche schuumltzt man andere indem man sich selber schuumltzt Durch Hingabe durch Geistesentfaltung durch stetige Uumlbung Und wie Moumlnche schuumltzt man sich selber indem man Andere schuumltzt Durch Duldsamkeit (khantiyauml) durch Harmlosigkeit (avihimsaumlya) durch Liebe (mettataumlya) und Anteilnahme (anudayataya) Es ist auf diese Weise daszlig man die anderen schuumltzend sich selber schuumltztlaquo

Geistesgegenwart im Westen

Die Lehren des Buddha sind seit mehr als zweieinhalb Jahrtausenden bekannt sie gehen wie im Fall von sati und seiner Schulung auf noch aumlltere Traditionen zuruumlck Im Vergleich dazu ist westliche Psychologie als eine sich selbst bewusste Disziplin des Studiums von Geist und Verhalten erst ein recht junges Unterfangen

Es scheint unfair von einer kreativen aber relativ jungen Wissenschaft zu fordern dass sie uumlber den Schluumlsselbegriff einer gereiften Weisheitstradition auf Augenhoumlhe mithalten kann Und doch gehoumlrt es zu den faszinierendsten intellektuellen Untershynehmungen unserer Zeit beide Traditionen - ohne Forderung nach platten Entspreshychungen - die eine in den Begriffen der anderen einzuschaumltzen und abzuwaumlgen

Als Beispiel moumlgen die Konzepte von gtAchtsamkeitlt gtGewahrseinlt und gtIntroshyspektionlt dienen Die Anfaumlnge der jungen Wissenschaft wirken bescheiden Keine umfassende Klassifizierung wird geboten keine lebendige Bildhaftigkeit veranshyschaulicht die Begriffe und ihre Funktionen keine erkennbare Methode zu ihrer Ausshybildung und Vertiefung laumlsst sich ausmachen weder in der Fruumlhzeit noch heute Aufshyschlussreich ist William James Nach einigen kritischen Anmerkungen zu den

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Achtsamkeit - ein Begriff zwischen den Welten

englischen Empirikern und ihrer Handhabung von Erfahrung als einer quasi gtGegeshybenheitlt statt von etwas das durch gtselektive Aufmerksamkeitlt zustande kommt fuumlhrt er aus Games 1890 S 402 ff)

raquoSobald man uumlber den Sachverhalt nachdenkt wird einsichtig wie verfehlt diese Auffassung von Erfahrung ist setzt sie Erfahrung doch gleich mit der bloszligen Geshygenwart einer aumluszligeren Ordnung fuumlr unsere Sinne Millionen von Gegenstaumlnden dieshyser aumluszligeren Ordnung sind fuumlr meine Sinne gegenwaumlrtig ohne dass sie jedoch dadurch zu meiner Erfahrung wuumlrden Weshalb Weil sie fuumlr mich nicht von Interesse sind Meine Erfahrung ist worauf ich einwillige meine Aufmerksamkeit zu richten Nur die Dinge deren ich gewahr werde formen meinen Geist - ohne selektives Interesse ist meine Erfahrung ein voumllliges Chaos Allein Interesse gibt den Akzent und den Nachdruck Licht und Schatten Vordergrund und Hintergrund - in einem Wort eine erkennbare Perspektivelaquo

Etwas spaumlter fasst er zusammen raquoJeder weiszlig was Aufmerksamkeit ist Es ist das geistige Aufgreifen in klarer und lebhafter Weise von einem unter mehreren gleichshyzeitig sich anbietenden moumlglichen Gegenstaumlnden oder Gedankengaumlngen Fokussieren und Sammlung des Bewusstseins gehoumlren zu ihrem Wesen Aufmerksamkeit setzt voraus dass wir uns von einigen Dingen abwenden um uns mit anderen umso efshyfektiver zu befassen Als Verfassung hat sie ihr exaktes Gegenteil in dem verwirrten benommenen und zerfahrenen Geisteszustand der auf Franzoumlsisch distraction und auf Deutsch Zerstreutheit 19 heiszligt Wir alle kennen diesen Zustand selbst in seinen extremen Formenlaquo

Wundt (1896) fuumlhrt eine gtexperimentelle Introspektionlt ein welche als eine ihrer Voraussetzungen eine gtgespannte Aufmerksamkeitlt20 hat Freud schlieszliglich - hier spricht der erste Psychotherapeut uumlber den Akt der Therapie - empfiehlt fuumlr psyshychoanalytische Arbeit gteine gleichschwebende Aufmerksamkeitlt (Freud 1912)

In der Gestalttherapie spielt das Konzept von Gewahrsein eine groszlige Rolle und wird in Verbindung gesehen mit Wahl Kontakt und Spontaneitaumlt (Perls 1951 S viii) Es wird differenziert zwischen Achtsamkeit (attention) und Gewahrsein (awareness) raquoAchtsamkeit ist ein bewusstes Bemuumlhen Gewahrsein hingegen ist dies nichtlaquo (Korb et al 1989 S 8)

earl Rogers Konzept von gtPraumlsenzlt hat die Arbeit von zahllosen Therapeuten beshyeinflusst und damit indirekt auch das Terrain fuumlr die Aufnahme von buddhistischen Darlegungen und Praktiken der Geistesgegenwart geebnet In einem Klima von Aushythentizitaumlt (gtKongruenzlt) Empathie und uneingeschraumlnkt positiver Wertschaumltzung finden Menschen unweigerlich ihre eigenen Loumlsungen und es ist die Hauptaufgabe des Therapeuten diese Praumlsenz vorbildhaft zu verkoumlrpern statt zu intervenieren zu analysieren oder den Klienten in leitender Weise zu beeinflussen (Natiello 2001)

Eugene Gendlin ein erstaunlicher Grenzgaumlnger und Pendler im schwierigen Geshylaumlnde zwischen experimenteller Psychologie und akademischer Philosophie war einige Zeit Mitarbeiter von Rogers Einer seiner vielen Beitraumlge eine eminent anshywendbare koumlrperbezogene Fertigkeit welche er gtFocusinglt taufte wurde uumlber akashydemische Kreise hinaus weithin populaumlr und fand auch im Feld der Psychotherashypeuten betraumlchtliche Resonanz (Gendlin 1978)

Darlegungen zu yogischen und buddhistischen Meditationspraktiken haben das Abendland in episodischen Wellen seit dem ausgehenden 19 Jahrhundert erreicht

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Akincano M Weber

In den 60er und 70er Jahren des vorigen Jahrhunderts begannen diese meditativen Lehren sich groszliger Beliebtheit zu erfreuen - ein Trend der mit Akzentverschiebunshygen bis heute anhaumllt Wirkungen davon blieben nicht aus So hat in juumlngster Verganshygenheit eine wachsende Anzahl von Psychologen und Psychotherapeuten persoumlnshyliche kontemplative Erfahrungen gemacht - unbeschadet ihrer beruflichen oder akademischen Bekenntnisse Andererseits sind Meditation und ihre Wirkungen selbst Gegenstand wissenschaftlicher Aufmerksamkeit geworden Die Segnungen einer solshychen Aufmerksamkeit sind zwiespaumlltig

Die Felder akademischer Psychologie und Psychotherapie wurden im letzten Jahrshyhundert uumlber weite Strecken von Konzepten aus der Verhaltensforschung dominiert Die Geringschaumltzung dieser Schule fuumlr Introspektion subjektive Wahrnehmung und persoumlnliche Erfahrung als moumlglicherweise guumlltige Quellen von Erkenntnis hat weite Kreise nachhaltig gepraumlgt - ein Einfluss der auch heute noch anhaumllt21 Das Zulassen allein gtverifizierbarerlt Daten verhaumlngt die Beschraumlnktheit einer wissenschaftlichen Methodik uumlber den Gegenstand der Untersuchung - eine Praxis die unweigerlich betraumlchtliche Teile menschlicher Erfahrung auslaumlsst wenn diese auf gtverifizierbarelt Daten reduziert wird

Buddhistische Achtsamkeits- und Gewahrseinspraxis ist eine introspektive Uumlbung par excellence - und fuumlr Menschen die sich in ihr schulen subjektiv durchaus verishyfizierbar - wenngleich ohne Respekt fuumlr Kriterien wissenschaftlicher Strenge So scheint es dem kontemplativ Praktizierenden nicht ohne eine gewisse Ironie dass die Konzepte gtAchtsamkeitlt (bzw gtmindfulnesslt) in juumlngster Zeit hauptsaumlchlich auf Inishytiative kognitiver Verhaltenstherapeuten zu Haushaltsbegriffen in der etablierten Psyshychologie geworden sind

Anmerkungen

1 Im Folgenden wird Teil Eins dieses Aufsatzes abgedruckt Teil Zwei dieses Beitrages Buddhistische Geistesgegenwart in therapeutischer Praxis wird im naumlchsten Heft einige Streiflichter auf zeitgenoumlsshysiche achtsamkeitsbasierte Therapieansaumltze und -programme werfen und am Beispiel von Core Proshycess Psychotherapy zu illustrieren versuchen wie eine von der Vision kontemplativer Geistesgegenshywart gepraumlgte therapeutische Arbeit aussehen kann

2 Ca 580-460 v u Z die Datierung wird gegenwaumlrtig diskutiert 3 Er ist 1881 ein erstes Mal dokumentiert in Rhys Davids Buddhist Suttaslt S 107 4 Monier-Williams 1981 S1271 5 Rhys Davids 1921-25 S 1283 6 Dieses Sutta taucht im Pali Kanon an drei verschiedenen Stellen auf (D ii 289 M i 55 Vbh 192) Fuumlr

eine Diskussion des Begriffes satipatthaumlna Sa Rhys Davids CAF Rhys Davids 1936 S 256 Nyashynatiloka 1952 S 307 Nyanaponika 1954 S 5 Anaumllayo 2003 S 29 Bodhi 2000 S 1504 Wallace amp Bodhi2006

7 Zum Begriff verkoumlrperunglt siehe unten 8 Eine Formulierung die auch ein Verstaumlndnis des Buddha fuumlr das psychologische Phaumlnomen von Disshy

soziationlt nahelegt - und seiner Erkenntnis wie Koumlrperachtsamkeit dieser entgegenwirken kann 9 Kaumlyagatasati-suttam M iii 88

10 Anaumlpaumlnasati-suttam M iii 78 11 Analayo 2003 S 47 Seinen kenntnisreichen Arbeiten verdanke ich zahlreiche Anregungen und Vershy

weIse 12 Aus Platzgruumlnden muszlig ich im Rahmen dieses Artikels auf eine Behandlung der Listen verzichten 13 Vism xiv 465 und Kommentar Miln 37 14 Analayo 2003 S 54 Fn 37 15 Meine Klammer [AMW]

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Achtsamkeit - ein Begriff zwischen den Welten

16 Der Begriff gtAchtsamkeitlt ist seit dem 1718Jh dokumentiert und hat sich im Deutschen fuumlr sati und mindfulness eingebuumlrgert Seine Schwaumlchen angesichts des Bedeutungsumfanges von sati liegen nicht in seiner Ungenauigkeit - er deckt einen Aspekt von sati genau ab - sondern in seiner Enge die viele der hier aufgefuumlhrten Bedeutungen unterschlaumlgt Besonders ungluumlcklich ist auch die Konnotation des gtAufpassenslt welche oft mit achtsamunachtsam auftaucht und die Uumlbung der Achtsamkeit allzu einshyseitig mit dem Akt von Kontrolle identifiziert

17 Der Begriff gtincorporationlt wurde von Merleau-Ponty gepraumlgt (Merleau-Ponty 1945) Varela hat ihn aufgegriffen und definiert raquoMit gtverkoumlrpertlt meinen wir eine Reflexion durch welche Koumlrper und Geist zusammengefuumlhrt werden Was diese Formulierung vermittelt ist daszlig Reflexion nicht nur uumlber eine Erfahrung stattfinden kann sondern selbst auch eine Form von Erfahrung ist - und diese Reflexion als Erfahrung kann in Geistesgegenwart und Gewahrsein ausgefuumlhrt werdenlaquo (Varela u a 1991)

18 Analaumlyos Begriff 19 Im Original Franzoumlsisch bzw Deutsch 20 Wundt w (1874) Grundriss der physiologischen Psychologie Wilhelm Engelmann Verlag Leipzig 21 Grossman in Von Leupoldt u a 2004

Summary This paper is an attempt to elucidate the the concepts of mindfulness presence and awareness It shuttles in the use of these terms between Buddhist contemplative and psychotherapeutic contexts It also uses these terms synonymously as the translation of the Buddhist concept of sati Mindfulness has become a buzzword As a consequence the notion of mindfulness on one hand enjoys increasing popularity this holds out the promise of a wider acceptance of contemplativc approaches in psyshychotherapy On the other hand mindfulness simply risks being reduced to yet another tool in the arsenal of cognitive behavioural techniques This state of affairs leads me to revisit some of the ethical emotional and social dimensions of the Buddhist conception of mindfulness and abrief glance at the risks we take if sati is denuded of its relationship to other factors of mind and a clean cognitive awareness is instead made out to be stand-alone panacea

Key words Mindfulness awareness presence contemplative Psychotherapy Buddhist Psychology sati

Anhang Abkuumlrzungen kanonischer Pali Texte

Roumlmische Zahlen nach der Abkuumlrzung geben den Band arabische die Seitennummer an (zB M iii 126 = Majjhima Nikaumlya dritter Band Seite 126) Fuumlr Pali-Recherche habe ich hauptsaumlchlich die digitale Version der Burmesischen Chattha Sangayana Edition gebraucht und dazu die Vorversion einer Software (CST4) des Vipassana Research Instititute Igatpuri eingesetzt

Vin Vinava Cv Cull~vagga D Digha Nikaumlya M Majjhima Nikaumlya S Samyutta Nikaumlya A Anguttara Nikaumlya Dhp Dhammapada Sn Suttanipaumlta Thag Theragaumlthauml Vbh Vibhanga Miln Milindapaiiha Vism Visuddhimagga

Uumlbersetzungen aus dem Pali Englischen und Franzoumlsischen sind meine sofern nicht anders angegeben

Literatur

Anaumllayo (2003) Satipatthaumlna Thc direct Path to realization Buddhist Publication Society Kandy Bodhi B (tr) (2000) The Connected Discourses of the Buddha Wisdom Publications Boston Freud S (1912) Ratschlaumlge fuumlr den Arzt bei der psychoanalytischen Behandlung Zentralblatt fuumlr Psyshy

choanalyse J F Bergmann Wiesbaden Gendlin E (1978) Focusing Ryder London

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Akincano M Weber

fames W (1890) The Principles of Psychology Holt and Macmillan London Korb M P Gorrell Van De Riet (1989) Gestalt therapy Practice and theory Pergamon New York Malebranche N (Hrsg Andre Robinct) (1958-78) Oeuvres Completes J Vrin Paris Merleau-Ponty M (1945) Phenomenologie de la Perception Editions Gallimard Paris Monier-Williams M (1981) Sanskrit-English Dictionary Munshiram Manoharlal Publ Delhi (reprint) Natiello P (2001) The Person-Centred Approach A passionate Prescnce PCCS Books Ross-on-Wye Nyanaponika T (1954) The Heart of Buddhist Meditation Nyanaponika T (1956) Der Einzige Weg Christiani Verlag Konstanz Nyanaponika T (1986) The Power of Mindfulness Wheel Publication 120121 Buddhist Publication

Society Kand y Nyanatiloka T (1952) Buddhist Dictionary Manual of Buddhist Terms and Doctrines Buddhist Publishy

cation Society Kandy Payutto P (1988) Sammauml SatiAn exposition of Right Mindfulness Buddhadhamma Foundation

Bangkok Perls F S (1951) Gestalt therapy Excitement and growth in the human personality Deli New York Rhys Davids T W (1881) Buddhist Suttas Sacred Books of the East Vol xi Clarendon Press Oxford Rhys Davids C A F (1936) The birth of Indian psychology and its development in Buddhism Luzac amp

Co London Rhys Davids T W amp Stede W (1921-25) Pali Text Societys Pali-English Dictionary Pali Text Society

London U Pandita S (2002) The Meaning of Satipatthana Sahadhammika Bangkok Varela F Thompson E amp Rosch E (1991) The Embodied Mind MIT Press Massachusetts Von Leupoldt A Ritz T (Hg) Grossman P (2004) Mindfulncss for psychologists Paying kind attenshy

tion to thc perccptiblc in Psychology in Behavioural medicine - Basic psychophysiological reasearch and applicatioll Kohlhammer Verlag Stuttgart

Wallace A amp Bodhi B (2006) Thc Nature of mindfulness and its role in Buddhist meditation [unpubshylizierte Korrespondenz]

Wundt W (1874) Grundzuumlge der physiologischen Psychologie Wilhe1m Engelmann Verlag Leipzig Wundt W (1896) Grundriss der Psychologie Wilhclm Engelmann Verlag Leipzig

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Die Autorinnen und Autoren dieser Ausgabe

Die Autorinnen und Autoren dieser Ausgabe

Baden Nicole Dipl-Psych 1981 Studium der Psychologie an der Universitaumlt Oldenburg bis 2008 Sie ist ausgebildet nach der Methode Body Mind Centering einer Lehre fuumlr differenziertes Koumlrperbewusstsein und Bewegungspaumldagogik Schlafshytrainerin nach der Methode des Sounder Sleep Systems Seit 2002 Zen-Praktizierende und Schuumllerin von Zentatsu Baker Roshi Lebt im Buddhistischen Studienzentrum im J ohanneshof und im Zen Center in Crestone Colorado

Doerne Angelika Dipl-Familienpaumldagogin 1972 HP Psychotherapie Ausbilshydung in Gestalttherapie Integrativer Systemaufstellung Yogalehrerin Schuumllerin im Diamond Approach (Almaas) Weiterbildung in Beseelter Psychotherapie intensive Beschaumlftigung mit verschiedenen spirituellen Traditionen u a im Rahmen laumlngerer Aufenthalte in Indien bis 2009 psychotherapeutisch in der Klinik Heiligenfeld taumltig u a mit dem Schwerpunkt Spirituelle Krisen gegenwaumlrtig in eigener Praxis und als Seminarleiterin in Muumlnchen

Ehrmann Wilfried Dr Psychotherapeut Atemtherapeut mit eigener Praxis in Wien und Pressbaum Leiter des ATMAN-Ausbildungsprojektes (Ausbildung in Inshytegrativer Atemtherapie) Autor von Handbuch der Atemtherapie (2004) Evolution des Bewusstseins (iV) sowie zahlreicher Fachartikel Herausgeber der ATMANshyZeitung - Fachzeitschrift fuumlr Atemarbeit und Atemtherapie

Leopoldt Axel 1950 Facharzt fuumlr Psychosomatische Medizin und Psychotherashypie Biosynthese-Diplom tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie Seit 1998 Schuumller von A H Almaas

Piron Harald Dr Dipl-Psych 1967 psychologischer Psychotherapeut (VT) abgeschlossene Ausbildungen in Verhaltenstherapie RET und Psychosynthese meshyditiert seit 1985 therapiert seit 1993 promovierte in der Meditationsforschung gibt Weiterbildungen und Seminare zu transpersonaler Verhaltenstherapie (TVT) und Psychosynthese Er ist Vorsitzender der Society for Meditation and Meditation Reshysearch (SMMR)

Weber Akincano M ~-1960 ist Psychotherapeut dialogischer Prozess begleiter und Meditationslehrer Er war 20 Jahre kontemplativer Moumlnch in Asien und Europa hat eine Ausbildung in Core Process Psychotherapy und einen M A in Buddhist Psyshychotherapy Er lebt heute mit seiner Frau in Koumlln und unterrichtet als Meditationsshylehrer europaweit Eine umfangreichere Arbeit zu diesem Thema ist in Vorbereitung und wird im O W Barth Verlag erscheinen

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Akincano M Weber

nen Therapeutisch versierten Lesern kann jedoch nicht entgangen sein wie eminent gtbeziehungs orientiertlt sati als Geistesverfassung ist - gehen doch meine Beziehungsshyabsicht meine Beziehungsfaumlhigkeit mein Vermoumlgen fuumlr Beziehungskonstanz alle letztlich auf sati zuruumlck - ob ich nun zu mir selbst zu anderen oder den Dingen meishyner Erfahrung in Beziehung bin

Vom Wert der Geistesgegenwart fuumlr zwischenmenschliche Beziehungen sprechen die folgenden Passagen aus der Sedaka Sutta (S v 168) wo ein Bambusakrobat und seine junge Schuumllerin in der Ausuumlbung ihrer Kunst dargestellt werden Der Akrobat stellt seine Bambus-Stange auf und sagt ihr sie moumlge auf seine Schultern steigen Sie tut wie geheiszligen Er spricht daraufhin raquoDu schuumltzt mich liebe Medakathaumllikauml und ich schuumltze dich Auf diese Weise einer durch den anderen geschuumltzt werden wir unsere Kuumlnste zeigen unser Honorar einsammeln und sicher von der Stange herunshytersteigenlaquo - Seine Schuumllerin zeigt sich nicht einverstanden und erwidert raquogtSo mein Lehrer geht es nicht Du mein Lehrer schuumltzt dich selbst und auch ich werde mich selber schuumltzen Auf diese Weise jeder sich selber huumltend jeder sich selber schuumltshyzend werden wir unsere Kuumlnste zeigen unser Honorar einsammeln und sicher von der Stange heruntersteigenlaquo - Der Buddha bestaumltigt nun die Aussage der jungen Schuumllerin und faumlhrt fort indem er die scheinbar gegenteiligen Aussagen des Akroshybaten und seiner Schuumllerin miteinander in Uumlbereinstimmung bringt

gtgtgtIch werde mich selber schuumltzenlt Moumlnche auf diese Weise soll das Herbeifuumlhren von Geistesgegenwart (satipatthaumlna) geuumlbt werden gtIch werde andere schuumltzenlt auf diese Weise soll das Herbeifuumlhren von Geistesgegenwart geuumlbt werden Sich selber schuumltzend schuumltzt man andere andere schuumltzend schuumltzt man sich selber Und wie Moumlnche schuumltzt man andere indem man sich selber schuumltzt Durch Hingabe durch Geistesentfaltung durch stetige Uumlbung Und wie Moumlnche schuumltzt man sich selber indem man Andere schuumltzt Durch Duldsamkeit (khantiyauml) durch Harmlosigkeit (avihimsaumlya) durch Liebe (mettataumlya) und Anteilnahme (anudayataya) Es ist auf diese Weise daszlig man die anderen schuumltzend sich selber schuumltztlaquo

Geistesgegenwart im Westen

Die Lehren des Buddha sind seit mehr als zweieinhalb Jahrtausenden bekannt sie gehen wie im Fall von sati und seiner Schulung auf noch aumlltere Traditionen zuruumlck Im Vergleich dazu ist westliche Psychologie als eine sich selbst bewusste Disziplin des Studiums von Geist und Verhalten erst ein recht junges Unterfangen

Es scheint unfair von einer kreativen aber relativ jungen Wissenschaft zu fordern dass sie uumlber den Schluumlsselbegriff einer gereiften Weisheitstradition auf Augenhoumlhe mithalten kann Und doch gehoumlrt es zu den faszinierendsten intellektuellen Untershynehmungen unserer Zeit beide Traditionen - ohne Forderung nach platten Entspreshychungen - die eine in den Begriffen der anderen einzuschaumltzen und abzuwaumlgen

Als Beispiel moumlgen die Konzepte von gtAchtsamkeitlt gtGewahrseinlt und gtIntroshyspektionlt dienen Die Anfaumlnge der jungen Wissenschaft wirken bescheiden Keine umfassende Klassifizierung wird geboten keine lebendige Bildhaftigkeit veranshyschaulicht die Begriffe und ihre Funktionen keine erkennbare Methode zu ihrer Ausshybildung und Vertiefung laumlsst sich ausmachen weder in der Fruumlhzeit noch heute Aufshyschlussreich ist William James Nach einigen kritischen Anmerkungen zu den

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Achtsamkeit - ein Begriff zwischen den Welten

englischen Empirikern und ihrer Handhabung von Erfahrung als einer quasi gtGegeshybenheitlt statt von etwas das durch gtselektive Aufmerksamkeitlt zustande kommt fuumlhrt er aus Games 1890 S 402 ff)

raquoSobald man uumlber den Sachverhalt nachdenkt wird einsichtig wie verfehlt diese Auffassung von Erfahrung ist setzt sie Erfahrung doch gleich mit der bloszligen Geshygenwart einer aumluszligeren Ordnung fuumlr unsere Sinne Millionen von Gegenstaumlnden dieshyser aumluszligeren Ordnung sind fuumlr meine Sinne gegenwaumlrtig ohne dass sie jedoch dadurch zu meiner Erfahrung wuumlrden Weshalb Weil sie fuumlr mich nicht von Interesse sind Meine Erfahrung ist worauf ich einwillige meine Aufmerksamkeit zu richten Nur die Dinge deren ich gewahr werde formen meinen Geist - ohne selektives Interesse ist meine Erfahrung ein voumllliges Chaos Allein Interesse gibt den Akzent und den Nachdruck Licht und Schatten Vordergrund und Hintergrund - in einem Wort eine erkennbare Perspektivelaquo

Etwas spaumlter fasst er zusammen raquoJeder weiszlig was Aufmerksamkeit ist Es ist das geistige Aufgreifen in klarer und lebhafter Weise von einem unter mehreren gleichshyzeitig sich anbietenden moumlglichen Gegenstaumlnden oder Gedankengaumlngen Fokussieren und Sammlung des Bewusstseins gehoumlren zu ihrem Wesen Aufmerksamkeit setzt voraus dass wir uns von einigen Dingen abwenden um uns mit anderen umso efshyfektiver zu befassen Als Verfassung hat sie ihr exaktes Gegenteil in dem verwirrten benommenen und zerfahrenen Geisteszustand der auf Franzoumlsisch distraction und auf Deutsch Zerstreutheit 19 heiszligt Wir alle kennen diesen Zustand selbst in seinen extremen Formenlaquo

Wundt (1896) fuumlhrt eine gtexperimentelle Introspektionlt ein welche als eine ihrer Voraussetzungen eine gtgespannte Aufmerksamkeitlt20 hat Freud schlieszliglich - hier spricht der erste Psychotherapeut uumlber den Akt der Therapie - empfiehlt fuumlr psyshychoanalytische Arbeit gteine gleichschwebende Aufmerksamkeitlt (Freud 1912)

In der Gestalttherapie spielt das Konzept von Gewahrsein eine groszlige Rolle und wird in Verbindung gesehen mit Wahl Kontakt und Spontaneitaumlt (Perls 1951 S viii) Es wird differenziert zwischen Achtsamkeit (attention) und Gewahrsein (awareness) raquoAchtsamkeit ist ein bewusstes Bemuumlhen Gewahrsein hingegen ist dies nichtlaquo (Korb et al 1989 S 8)

earl Rogers Konzept von gtPraumlsenzlt hat die Arbeit von zahllosen Therapeuten beshyeinflusst und damit indirekt auch das Terrain fuumlr die Aufnahme von buddhistischen Darlegungen und Praktiken der Geistesgegenwart geebnet In einem Klima von Aushythentizitaumlt (gtKongruenzlt) Empathie und uneingeschraumlnkt positiver Wertschaumltzung finden Menschen unweigerlich ihre eigenen Loumlsungen und es ist die Hauptaufgabe des Therapeuten diese Praumlsenz vorbildhaft zu verkoumlrpern statt zu intervenieren zu analysieren oder den Klienten in leitender Weise zu beeinflussen (Natiello 2001)

Eugene Gendlin ein erstaunlicher Grenzgaumlnger und Pendler im schwierigen Geshylaumlnde zwischen experimenteller Psychologie und akademischer Philosophie war einige Zeit Mitarbeiter von Rogers Einer seiner vielen Beitraumlge eine eminent anshywendbare koumlrperbezogene Fertigkeit welche er gtFocusinglt taufte wurde uumlber akashydemische Kreise hinaus weithin populaumlr und fand auch im Feld der Psychotherashypeuten betraumlchtliche Resonanz (Gendlin 1978)

Darlegungen zu yogischen und buddhistischen Meditationspraktiken haben das Abendland in episodischen Wellen seit dem ausgehenden 19 Jahrhundert erreicht

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Akincano M Weber

In den 60er und 70er Jahren des vorigen Jahrhunderts begannen diese meditativen Lehren sich groszliger Beliebtheit zu erfreuen - ein Trend der mit Akzentverschiebunshygen bis heute anhaumllt Wirkungen davon blieben nicht aus So hat in juumlngster Verganshygenheit eine wachsende Anzahl von Psychologen und Psychotherapeuten persoumlnshyliche kontemplative Erfahrungen gemacht - unbeschadet ihrer beruflichen oder akademischen Bekenntnisse Andererseits sind Meditation und ihre Wirkungen selbst Gegenstand wissenschaftlicher Aufmerksamkeit geworden Die Segnungen einer solshychen Aufmerksamkeit sind zwiespaumlltig

Die Felder akademischer Psychologie und Psychotherapie wurden im letzten Jahrshyhundert uumlber weite Strecken von Konzepten aus der Verhaltensforschung dominiert Die Geringschaumltzung dieser Schule fuumlr Introspektion subjektive Wahrnehmung und persoumlnliche Erfahrung als moumlglicherweise guumlltige Quellen von Erkenntnis hat weite Kreise nachhaltig gepraumlgt - ein Einfluss der auch heute noch anhaumllt21 Das Zulassen allein gtverifizierbarerlt Daten verhaumlngt die Beschraumlnktheit einer wissenschaftlichen Methodik uumlber den Gegenstand der Untersuchung - eine Praxis die unweigerlich betraumlchtliche Teile menschlicher Erfahrung auslaumlsst wenn diese auf gtverifizierbarelt Daten reduziert wird

Buddhistische Achtsamkeits- und Gewahrseinspraxis ist eine introspektive Uumlbung par excellence - und fuumlr Menschen die sich in ihr schulen subjektiv durchaus verishyfizierbar - wenngleich ohne Respekt fuumlr Kriterien wissenschaftlicher Strenge So scheint es dem kontemplativ Praktizierenden nicht ohne eine gewisse Ironie dass die Konzepte gtAchtsamkeitlt (bzw gtmindfulnesslt) in juumlngster Zeit hauptsaumlchlich auf Inishytiative kognitiver Verhaltenstherapeuten zu Haushaltsbegriffen in der etablierten Psyshychologie geworden sind

Anmerkungen

1 Im Folgenden wird Teil Eins dieses Aufsatzes abgedruckt Teil Zwei dieses Beitrages Buddhistische Geistesgegenwart in therapeutischer Praxis wird im naumlchsten Heft einige Streiflichter auf zeitgenoumlsshysiche achtsamkeitsbasierte Therapieansaumltze und -programme werfen und am Beispiel von Core Proshycess Psychotherapy zu illustrieren versuchen wie eine von der Vision kontemplativer Geistesgegenshywart gepraumlgte therapeutische Arbeit aussehen kann

2 Ca 580-460 v u Z die Datierung wird gegenwaumlrtig diskutiert 3 Er ist 1881 ein erstes Mal dokumentiert in Rhys Davids Buddhist Suttaslt S 107 4 Monier-Williams 1981 S1271 5 Rhys Davids 1921-25 S 1283 6 Dieses Sutta taucht im Pali Kanon an drei verschiedenen Stellen auf (D ii 289 M i 55 Vbh 192) Fuumlr

eine Diskussion des Begriffes satipatthaumlna Sa Rhys Davids CAF Rhys Davids 1936 S 256 Nyashynatiloka 1952 S 307 Nyanaponika 1954 S 5 Anaumllayo 2003 S 29 Bodhi 2000 S 1504 Wallace amp Bodhi2006

7 Zum Begriff verkoumlrperunglt siehe unten 8 Eine Formulierung die auch ein Verstaumlndnis des Buddha fuumlr das psychologische Phaumlnomen von Disshy

soziationlt nahelegt - und seiner Erkenntnis wie Koumlrperachtsamkeit dieser entgegenwirken kann 9 Kaumlyagatasati-suttam M iii 88

10 Anaumlpaumlnasati-suttam M iii 78 11 Analayo 2003 S 47 Seinen kenntnisreichen Arbeiten verdanke ich zahlreiche Anregungen und Vershy

weIse 12 Aus Platzgruumlnden muszlig ich im Rahmen dieses Artikels auf eine Behandlung der Listen verzichten 13 Vism xiv 465 und Kommentar Miln 37 14 Analayo 2003 S 54 Fn 37 15 Meine Klammer [AMW]

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Achtsamkeit - ein Begriff zwischen den Welten

16 Der Begriff gtAchtsamkeitlt ist seit dem 1718Jh dokumentiert und hat sich im Deutschen fuumlr sati und mindfulness eingebuumlrgert Seine Schwaumlchen angesichts des Bedeutungsumfanges von sati liegen nicht in seiner Ungenauigkeit - er deckt einen Aspekt von sati genau ab - sondern in seiner Enge die viele der hier aufgefuumlhrten Bedeutungen unterschlaumlgt Besonders ungluumlcklich ist auch die Konnotation des gtAufpassenslt welche oft mit achtsamunachtsam auftaucht und die Uumlbung der Achtsamkeit allzu einshyseitig mit dem Akt von Kontrolle identifiziert

17 Der Begriff gtincorporationlt wurde von Merleau-Ponty gepraumlgt (Merleau-Ponty 1945) Varela hat ihn aufgegriffen und definiert raquoMit gtverkoumlrpertlt meinen wir eine Reflexion durch welche Koumlrper und Geist zusammengefuumlhrt werden Was diese Formulierung vermittelt ist daszlig Reflexion nicht nur uumlber eine Erfahrung stattfinden kann sondern selbst auch eine Form von Erfahrung ist - und diese Reflexion als Erfahrung kann in Geistesgegenwart und Gewahrsein ausgefuumlhrt werdenlaquo (Varela u a 1991)

18 Analaumlyos Begriff 19 Im Original Franzoumlsisch bzw Deutsch 20 Wundt w (1874) Grundriss der physiologischen Psychologie Wilhelm Engelmann Verlag Leipzig 21 Grossman in Von Leupoldt u a 2004

Summary This paper is an attempt to elucidate the the concepts of mindfulness presence and awareness It shuttles in the use of these terms between Buddhist contemplative and psychotherapeutic contexts It also uses these terms synonymously as the translation of the Buddhist concept of sati Mindfulness has become a buzzword As a consequence the notion of mindfulness on one hand enjoys increasing popularity this holds out the promise of a wider acceptance of contemplativc approaches in psyshychotherapy On the other hand mindfulness simply risks being reduced to yet another tool in the arsenal of cognitive behavioural techniques This state of affairs leads me to revisit some of the ethical emotional and social dimensions of the Buddhist conception of mindfulness and abrief glance at the risks we take if sati is denuded of its relationship to other factors of mind and a clean cognitive awareness is instead made out to be stand-alone panacea

Key words Mindfulness awareness presence contemplative Psychotherapy Buddhist Psychology sati

Anhang Abkuumlrzungen kanonischer Pali Texte

Roumlmische Zahlen nach der Abkuumlrzung geben den Band arabische die Seitennummer an (zB M iii 126 = Majjhima Nikaumlya dritter Band Seite 126) Fuumlr Pali-Recherche habe ich hauptsaumlchlich die digitale Version der Burmesischen Chattha Sangayana Edition gebraucht und dazu die Vorversion einer Software (CST4) des Vipassana Research Instititute Igatpuri eingesetzt

Vin Vinava Cv Cull~vagga D Digha Nikaumlya M Majjhima Nikaumlya S Samyutta Nikaumlya A Anguttara Nikaumlya Dhp Dhammapada Sn Suttanipaumlta Thag Theragaumlthauml Vbh Vibhanga Miln Milindapaiiha Vism Visuddhimagga

Uumlbersetzungen aus dem Pali Englischen und Franzoumlsischen sind meine sofern nicht anders angegeben

Literatur

Anaumllayo (2003) Satipatthaumlna Thc direct Path to realization Buddhist Publication Society Kandy Bodhi B (tr) (2000) The Connected Discourses of the Buddha Wisdom Publications Boston Freud S (1912) Ratschlaumlge fuumlr den Arzt bei der psychoanalytischen Behandlung Zentralblatt fuumlr Psyshy

choanalyse J F Bergmann Wiesbaden Gendlin E (1978) Focusing Ryder London

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Akincano M Weber

fames W (1890) The Principles of Psychology Holt and Macmillan London Korb M P Gorrell Van De Riet (1989) Gestalt therapy Practice and theory Pergamon New York Malebranche N (Hrsg Andre Robinct) (1958-78) Oeuvres Completes J Vrin Paris Merleau-Ponty M (1945) Phenomenologie de la Perception Editions Gallimard Paris Monier-Williams M (1981) Sanskrit-English Dictionary Munshiram Manoharlal Publ Delhi (reprint) Natiello P (2001) The Person-Centred Approach A passionate Prescnce PCCS Books Ross-on-Wye Nyanaponika T (1954) The Heart of Buddhist Meditation Nyanaponika T (1956) Der Einzige Weg Christiani Verlag Konstanz Nyanaponika T (1986) The Power of Mindfulness Wheel Publication 120121 Buddhist Publication

Society Kand y Nyanatiloka T (1952) Buddhist Dictionary Manual of Buddhist Terms and Doctrines Buddhist Publishy

cation Society Kandy Payutto P (1988) Sammauml SatiAn exposition of Right Mindfulness Buddhadhamma Foundation

Bangkok Perls F S (1951) Gestalt therapy Excitement and growth in the human personality Deli New York Rhys Davids T W (1881) Buddhist Suttas Sacred Books of the East Vol xi Clarendon Press Oxford Rhys Davids C A F (1936) The birth of Indian psychology and its development in Buddhism Luzac amp

Co London Rhys Davids T W amp Stede W (1921-25) Pali Text Societys Pali-English Dictionary Pali Text Society

London U Pandita S (2002) The Meaning of Satipatthana Sahadhammika Bangkok Varela F Thompson E amp Rosch E (1991) The Embodied Mind MIT Press Massachusetts Von Leupoldt A Ritz T (Hg) Grossman P (2004) Mindfulncss for psychologists Paying kind attenshy

tion to thc perccptiblc in Psychology in Behavioural medicine - Basic psychophysiological reasearch and applicatioll Kohlhammer Verlag Stuttgart

Wallace A amp Bodhi B (2006) Thc Nature of mindfulness and its role in Buddhist meditation [unpubshylizierte Korrespondenz]

Wundt W (1874) Grundzuumlge der physiologischen Psychologie Wilhe1m Engelmann Verlag Leipzig Wundt W (1896) Grundriss der Psychologie Wilhclm Engelmann Verlag Leipzig

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Die Autorinnen und Autoren dieser Ausgabe

Die Autorinnen und Autoren dieser Ausgabe

Baden Nicole Dipl-Psych 1981 Studium der Psychologie an der Universitaumlt Oldenburg bis 2008 Sie ist ausgebildet nach der Methode Body Mind Centering einer Lehre fuumlr differenziertes Koumlrperbewusstsein und Bewegungspaumldagogik Schlafshytrainerin nach der Methode des Sounder Sleep Systems Seit 2002 Zen-Praktizierende und Schuumllerin von Zentatsu Baker Roshi Lebt im Buddhistischen Studienzentrum im J ohanneshof und im Zen Center in Crestone Colorado

Doerne Angelika Dipl-Familienpaumldagogin 1972 HP Psychotherapie Ausbilshydung in Gestalttherapie Integrativer Systemaufstellung Yogalehrerin Schuumllerin im Diamond Approach (Almaas) Weiterbildung in Beseelter Psychotherapie intensive Beschaumlftigung mit verschiedenen spirituellen Traditionen u a im Rahmen laumlngerer Aufenthalte in Indien bis 2009 psychotherapeutisch in der Klinik Heiligenfeld taumltig u a mit dem Schwerpunkt Spirituelle Krisen gegenwaumlrtig in eigener Praxis und als Seminarleiterin in Muumlnchen

Ehrmann Wilfried Dr Psychotherapeut Atemtherapeut mit eigener Praxis in Wien und Pressbaum Leiter des ATMAN-Ausbildungsprojektes (Ausbildung in Inshytegrativer Atemtherapie) Autor von Handbuch der Atemtherapie (2004) Evolution des Bewusstseins (iV) sowie zahlreicher Fachartikel Herausgeber der ATMANshyZeitung - Fachzeitschrift fuumlr Atemarbeit und Atemtherapie

Leopoldt Axel 1950 Facharzt fuumlr Psychosomatische Medizin und Psychotherashypie Biosynthese-Diplom tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie Seit 1998 Schuumller von A H Almaas

Piron Harald Dr Dipl-Psych 1967 psychologischer Psychotherapeut (VT) abgeschlossene Ausbildungen in Verhaltenstherapie RET und Psychosynthese meshyditiert seit 1985 therapiert seit 1993 promovierte in der Meditationsforschung gibt Weiterbildungen und Seminare zu transpersonaler Verhaltenstherapie (TVT) und Psychosynthese Er ist Vorsitzender der Society for Meditation and Meditation Reshysearch (SMMR)

Weber Akincano M ~-1960 ist Psychotherapeut dialogischer Prozess begleiter und Meditationslehrer Er war 20 Jahre kontemplativer Moumlnch in Asien und Europa hat eine Ausbildung in Core Process Psychotherapy und einen M A in Buddhist Psyshychotherapy Er lebt heute mit seiner Frau in Koumlln und unterrichtet als Meditationsshylehrer europaweit Eine umfangreichere Arbeit zu diesem Thema ist in Vorbereitung und wird im O W Barth Verlag erscheinen

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Achtsamkeit - ein Begriff zwischen den Welten

englischen Empirikern und ihrer Handhabung von Erfahrung als einer quasi gtGegeshybenheitlt statt von etwas das durch gtselektive Aufmerksamkeitlt zustande kommt fuumlhrt er aus Games 1890 S 402 ff)

raquoSobald man uumlber den Sachverhalt nachdenkt wird einsichtig wie verfehlt diese Auffassung von Erfahrung ist setzt sie Erfahrung doch gleich mit der bloszligen Geshygenwart einer aumluszligeren Ordnung fuumlr unsere Sinne Millionen von Gegenstaumlnden dieshyser aumluszligeren Ordnung sind fuumlr meine Sinne gegenwaumlrtig ohne dass sie jedoch dadurch zu meiner Erfahrung wuumlrden Weshalb Weil sie fuumlr mich nicht von Interesse sind Meine Erfahrung ist worauf ich einwillige meine Aufmerksamkeit zu richten Nur die Dinge deren ich gewahr werde formen meinen Geist - ohne selektives Interesse ist meine Erfahrung ein voumllliges Chaos Allein Interesse gibt den Akzent und den Nachdruck Licht und Schatten Vordergrund und Hintergrund - in einem Wort eine erkennbare Perspektivelaquo

Etwas spaumlter fasst er zusammen raquoJeder weiszlig was Aufmerksamkeit ist Es ist das geistige Aufgreifen in klarer und lebhafter Weise von einem unter mehreren gleichshyzeitig sich anbietenden moumlglichen Gegenstaumlnden oder Gedankengaumlngen Fokussieren und Sammlung des Bewusstseins gehoumlren zu ihrem Wesen Aufmerksamkeit setzt voraus dass wir uns von einigen Dingen abwenden um uns mit anderen umso efshyfektiver zu befassen Als Verfassung hat sie ihr exaktes Gegenteil in dem verwirrten benommenen und zerfahrenen Geisteszustand der auf Franzoumlsisch distraction und auf Deutsch Zerstreutheit 19 heiszligt Wir alle kennen diesen Zustand selbst in seinen extremen Formenlaquo

Wundt (1896) fuumlhrt eine gtexperimentelle Introspektionlt ein welche als eine ihrer Voraussetzungen eine gtgespannte Aufmerksamkeitlt20 hat Freud schlieszliglich - hier spricht der erste Psychotherapeut uumlber den Akt der Therapie - empfiehlt fuumlr psyshychoanalytische Arbeit gteine gleichschwebende Aufmerksamkeitlt (Freud 1912)

In der Gestalttherapie spielt das Konzept von Gewahrsein eine groszlige Rolle und wird in Verbindung gesehen mit Wahl Kontakt und Spontaneitaumlt (Perls 1951 S viii) Es wird differenziert zwischen Achtsamkeit (attention) und Gewahrsein (awareness) raquoAchtsamkeit ist ein bewusstes Bemuumlhen Gewahrsein hingegen ist dies nichtlaquo (Korb et al 1989 S 8)

earl Rogers Konzept von gtPraumlsenzlt hat die Arbeit von zahllosen Therapeuten beshyeinflusst und damit indirekt auch das Terrain fuumlr die Aufnahme von buddhistischen Darlegungen und Praktiken der Geistesgegenwart geebnet In einem Klima von Aushythentizitaumlt (gtKongruenzlt) Empathie und uneingeschraumlnkt positiver Wertschaumltzung finden Menschen unweigerlich ihre eigenen Loumlsungen und es ist die Hauptaufgabe des Therapeuten diese Praumlsenz vorbildhaft zu verkoumlrpern statt zu intervenieren zu analysieren oder den Klienten in leitender Weise zu beeinflussen (Natiello 2001)

Eugene Gendlin ein erstaunlicher Grenzgaumlnger und Pendler im schwierigen Geshylaumlnde zwischen experimenteller Psychologie und akademischer Philosophie war einige Zeit Mitarbeiter von Rogers Einer seiner vielen Beitraumlge eine eminent anshywendbare koumlrperbezogene Fertigkeit welche er gtFocusinglt taufte wurde uumlber akashydemische Kreise hinaus weithin populaumlr und fand auch im Feld der Psychotherashypeuten betraumlchtliche Resonanz (Gendlin 1978)

Darlegungen zu yogischen und buddhistischen Meditationspraktiken haben das Abendland in episodischen Wellen seit dem ausgehenden 19 Jahrhundert erreicht

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Akincano M Weber

In den 60er und 70er Jahren des vorigen Jahrhunderts begannen diese meditativen Lehren sich groszliger Beliebtheit zu erfreuen - ein Trend der mit Akzentverschiebunshygen bis heute anhaumllt Wirkungen davon blieben nicht aus So hat in juumlngster Verganshygenheit eine wachsende Anzahl von Psychologen und Psychotherapeuten persoumlnshyliche kontemplative Erfahrungen gemacht - unbeschadet ihrer beruflichen oder akademischen Bekenntnisse Andererseits sind Meditation und ihre Wirkungen selbst Gegenstand wissenschaftlicher Aufmerksamkeit geworden Die Segnungen einer solshychen Aufmerksamkeit sind zwiespaumlltig

Die Felder akademischer Psychologie und Psychotherapie wurden im letzten Jahrshyhundert uumlber weite Strecken von Konzepten aus der Verhaltensforschung dominiert Die Geringschaumltzung dieser Schule fuumlr Introspektion subjektive Wahrnehmung und persoumlnliche Erfahrung als moumlglicherweise guumlltige Quellen von Erkenntnis hat weite Kreise nachhaltig gepraumlgt - ein Einfluss der auch heute noch anhaumllt21 Das Zulassen allein gtverifizierbarerlt Daten verhaumlngt die Beschraumlnktheit einer wissenschaftlichen Methodik uumlber den Gegenstand der Untersuchung - eine Praxis die unweigerlich betraumlchtliche Teile menschlicher Erfahrung auslaumlsst wenn diese auf gtverifizierbarelt Daten reduziert wird

Buddhistische Achtsamkeits- und Gewahrseinspraxis ist eine introspektive Uumlbung par excellence - und fuumlr Menschen die sich in ihr schulen subjektiv durchaus verishyfizierbar - wenngleich ohne Respekt fuumlr Kriterien wissenschaftlicher Strenge So scheint es dem kontemplativ Praktizierenden nicht ohne eine gewisse Ironie dass die Konzepte gtAchtsamkeitlt (bzw gtmindfulnesslt) in juumlngster Zeit hauptsaumlchlich auf Inishytiative kognitiver Verhaltenstherapeuten zu Haushaltsbegriffen in der etablierten Psyshychologie geworden sind

Anmerkungen

1 Im Folgenden wird Teil Eins dieses Aufsatzes abgedruckt Teil Zwei dieses Beitrages Buddhistische Geistesgegenwart in therapeutischer Praxis wird im naumlchsten Heft einige Streiflichter auf zeitgenoumlsshysiche achtsamkeitsbasierte Therapieansaumltze und -programme werfen und am Beispiel von Core Proshycess Psychotherapy zu illustrieren versuchen wie eine von der Vision kontemplativer Geistesgegenshywart gepraumlgte therapeutische Arbeit aussehen kann

2 Ca 580-460 v u Z die Datierung wird gegenwaumlrtig diskutiert 3 Er ist 1881 ein erstes Mal dokumentiert in Rhys Davids Buddhist Suttaslt S 107 4 Monier-Williams 1981 S1271 5 Rhys Davids 1921-25 S 1283 6 Dieses Sutta taucht im Pali Kanon an drei verschiedenen Stellen auf (D ii 289 M i 55 Vbh 192) Fuumlr

eine Diskussion des Begriffes satipatthaumlna Sa Rhys Davids CAF Rhys Davids 1936 S 256 Nyashynatiloka 1952 S 307 Nyanaponika 1954 S 5 Anaumllayo 2003 S 29 Bodhi 2000 S 1504 Wallace amp Bodhi2006

7 Zum Begriff verkoumlrperunglt siehe unten 8 Eine Formulierung die auch ein Verstaumlndnis des Buddha fuumlr das psychologische Phaumlnomen von Disshy

soziationlt nahelegt - und seiner Erkenntnis wie Koumlrperachtsamkeit dieser entgegenwirken kann 9 Kaumlyagatasati-suttam M iii 88

10 Anaumlpaumlnasati-suttam M iii 78 11 Analayo 2003 S 47 Seinen kenntnisreichen Arbeiten verdanke ich zahlreiche Anregungen und Vershy

weIse 12 Aus Platzgruumlnden muszlig ich im Rahmen dieses Artikels auf eine Behandlung der Listen verzichten 13 Vism xiv 465 und Kommentar Miln 37 14 Analayo 2003 S 54 Fn 37 15 Meine Klammer [AMW]

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Achtsamkeit - ein Begriff zwischen den Welten

16 Der Begriff gtAchtsamkeitlt ist seit dem 1718Jh dokumentiert und hat sich im Deutschen fuumlr sati und mindfulness eingebuumlrgert Seine Schwaumlchen angesichts des Bedeutungsumfanges von sati liegen nicht in seiner Ungenauigkeit - er deckt einen Aspekt von sati genau ab - sondern in seiner Enge die viele der hier aufgefuumlhrten Bedeutungen unterschlaumlgt Besonders ungluumlcklich ist auch die Konnotation des gtAufpassenslt welche oft mit achtsamunachtsam auftaucht und die Uumlbung der Achtsamkeit allzu einshyseitig mit dem Akt von Kontrolle identifiziert

17 Der Begriff gtincorporationlt wurde von Merleau-Ponty gepraumlgt (Merleau-Ponty 1945) Varela hat ihn aufgegriffen und definiert raquoMit gtverkoumlrpertlt meinen wir eine Reflexion durch welche Koumlrper und Geist zusammengefuumlhrt werden Was diese Formulierung vermittelt ist daszlig Reflexion nicht nur uumlber eine Erfahrung stattfinden kann sondern selbst auch eine Form von Erfahrung ist - und diese Reflexion als Erfahrung kann in Geistesgegenwart und Gewahrsein ausgefuumlhrt werdenlaquo (Varela u a 1991)

18 Analaumlyos Begriff 19 Im Original Franzoumlsisch bzw Deutsch 20 Wundt w (1874) Grundriss der physiologischen Psychologie Wilhelm Engelmann Verlag Leipzig 21 Grossman in Von Leupoldt u a 2004

Summary This paper is an attempt to elucidate the the concepts of mindfulness presence and awareness It shuttles in the use of these terms between Buddhist contemplative and psychotherapeutic contexts It also uses these terms synonymously as the translation of the Buddhist concept of sati Mindfulness has become a buzzword As a consequence the notion of mindfulness on one hand enjoys increasing popularity this holds out the promise of a wider acceptance of contemplativc approaches in psyshychotherapy On the other hand mindfulness simply risks being reduced to yet another tool in the arsenal of cognitive behavioural techniques This state of affairs leads me to revisit some of the ethical emotional and social dimensions of the Buddhist conception of mindfulness and abrief glance at the risks we take if sati is denuded of its relationship to other factors of mind and a clean cognitive awareness is instead made out to be stand-alone panacea

Key words Mindfulness awareness presence contemplative Psychotherapy Buddhist Psychology sati

Anhang Abkuumlrzungen kanonischer Pali Texte

Roumlmische Zahlen nach der Abkuumlrzung geben den Band arabische die Seitennummer an (zB M iii 126 = Majjhima Nikaumlya dritter Band Seite 126) Fuumlr Pali-Recherche habe ich hauptsaumlchlich die digitale Version der Burmesischen Chattha Sangayana Edition gebraucht und dazu die Vorversion einer Software (CST4) des Vipassana Research Instititute Igatpuri eingesetzt

Vin Vinava Cv Cull~vagga D Digha Nikaumlya M Majjhima Nikaumlya S Samyutta Nikaumlya A Anguttara Nikaumlya Dhp Dhammapada Sn Suttanipaumlta Thag Theragaumlthauml Vbh Vibhanga Miln Milindapaiiha Vism Visuddhimagga

Uumlbersetzungen aus dem Pali Englischen und Franzoumlsischen sind meine sofern nicht anders angegeben

Literatur

Anaumllayo (2003) Satipatthaumlna Thc direct Path to realization Buddhist Publication Society Kandy Bodhi B (tr) (2000) The Connected Discourses of the Buddha Wisdom Publications Boston Freud S (1912) Ratschlaumlge fuumlr den Arzt bei der psychoanalytischen Behandlung Zentralblatt fuumlr Psyshy

choanalyse J F Bergmann Wiesbaden Gendlin E (1978) Focusing Ryder London

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Akincano M Weber

fames W (1890) The Principles of Psychology Holt and Macmillan London Korb M P Gorrell Van De Riet (1989) Gestalt therapy Practice and theory Pergamon New York Malebranche N (Hrsg Andre Robinct) (1958-78) Oeuvres Completes J Vrin Paris Merleau-Ponty M (1945) Phenomenologie de la Perception Editions Gallimard Paris Monier-Williams M (1981) Sanskrit-English Dictionary Munshiram Manoharlal Publ Delhi (reprint) Natiello P (2001) The Person-Centred Approach A passionate Prescnce PCCS Books Ross-on-Wye Nyanaponika T (1954) The Heart of Buddhist Meditation Nyanaponika T (1956) Der Einzige Weg Christiani Verlag Konstanz Nyanaponika T (1986) The Power of Mindfulness Wheel Publication 120121 Buddhist Publication

Society Kand y Nyanatiloka T (1952) Buddhist Dictionary Manual of Buddhist Terms and Doctrines Buddhist Publishy

cation Society Kandy Payutto P (1988) Sammauml SatiAn exposition of Right Mindfulness Buddhadhamma Foundation

Bangkok Perls F S (1951) Gestalt therapy Excitement and growth in the human personality Deli New York Rhys Davids T W (1881) Buddhist Suttas Sacred Books of the East Vol xi Clarendon Press Oxford Rhys Davids C A F (1936) The birth of Indian psychology and its development in Buddhism Luzac amp

Co London Rhys Davids T W amp Stede W (1921-25) Pali Text Societys Pali-English Dictionary Pali Text Society

London U Pandita S (2002) The Meaning of Satipatthana Sahadhammika Bangkok Varela F Thompson E amp Rosch E (1991) The Embodied Mind MIT Press Massachusetts Von Leupoldt A Ritz T (Hg) Grossman P (2004) Mindfulncss for psychologists Paying kind attenshy

tion to thc perccptiblc in Psychology in Behavioural medicine - Basic psychophysiological reasearch and applicatioll Kohlhammer Verlag Stuttgart

Wallace A amp Bodhi B (2006) Thc Nature of mindfulness and its role in Buddhist meditation [unpubshylizierte Korrespondenz]

Wundt W (1874) Grundzuumlge der physiologischen Psychologie Wilhe1m Engelmann Verlag Leipzig Wundt W (1896) Grundriss der Psychologie Wilhclm Engelmann Verlag Leipzig

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Die Autorinnen und Autoren dieser Ausgabe

Die Autorinnen und Autoren dieser Ausgabe

Baden Nicole Dipl-Psych 1981 Studium der Psychologie an der Universitaumlt Oldenburg bis 2008 Sie ist ausgebildet nach der Methode Body Mind Centering einer Lehre fuumlr differenziertes Koumlrperbewusstsein und Bewegungspaumldagogik Schlafshytrainerin nach der Methode des Sounder Sleep Systems Seit 2002 Zen-Praktizierende und Schuumllerin von Zentatsu Baker Roshi Lebt im Buddhistischen Studienzentrum im J ohanneshof und im Zen Center in Crestone Colorado

Doerne Angelika Dipl-Familienpaumldagogin 1972 HP Psychotherapie Ausbilshydung in Gestalttherapie Integrativer Systemaufstellung Yogalehrerin Schuumllerin im Diamond Approach (Almaas) Weiterbildung in Beseelter Psychotherapie intensive Beschaumlftigung mit verschiedenen spirituellen Traditionen u a im Rahmen laumlngerer Aufenthalte in Indien bis 2009 psychotherapeutisch in der Klinik Heiligenfeld taumltig u a mit dem Schwerpunkt Spirituelle Krisen gegenwaumlrtig in eigener Praxis und als Seminarleiterin in Muumlnchen

Ehrmann Wilfried Dr Psychotherapeut Atemtherapeut mit eigener Praxis in Wien und Pressbaum Leiter des ATMAN-Ausbildungsprojektes (Ausbildung in Inshytegrativer Atemtherapie) Autor von Handbuch der Atemtherapie (2004) Evolution des Bewusstseins (iV) sowie zahlreicher Fachartikel Herausgeber der ATMANshyZeitung - Fachzeitschrift fuumlr Atemarbeit und Atemtherapie

Leopoldt Axel 1950 Facharzt fuumlr Psychosomatische Medizin und Psychotherashypie Biosynthese-Diplom tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie Seit 1998 Schuumller von A H Almaas

Piron Harald Dr Dipl-Psych 1967 psychologischer Psychotherapeut (VT) abgeschlossene Ausbildungen in Verhaltenstherapie RET und Psychosynthese meshyditiert seit 1985 therapiert seit 1993 promovierte in der Meditationsforschung gibt Weiterbildungen und Seminare zu transpersonaler Verhaltenstherapie (TVT) und Psychosynthese Er ist Vorsitzender der Society for Meditation and Meditation Reshysearch (SMMR)

Weber Akincano M ~-1960 ist Psychotherapeut dialogischer Prozess begleiter und Meditationslehrer Er war 20 Jahre kontemplativer Moumlnch in Asien und Europa hat eine Ausbildung in Core Process Psychotherapy und einen M A in Buddhist Psyshychotherapy Er lebt heute mit seiner Frau in Koumlln und unterrichtet als Meditationsshylehrer europaweit Eine umfangreichere Arbeit zu diesem Thema ist in Vorbereitung und wird im O W Barth Verlag erscheinen

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Akincano M Weber

In den 60er und 70er Jahren des vorigen Jahrhunderts begannen diese meditativen Lehren sich groszliger Beliebtheit zu erfreuen - ein Trend der mit Akzentverschiebunshygen bis heute anhaumllt Wirkungen davon blieben nicht aus So hat in juumlngster Verganshygenheit eine wachsende Anzahl von Psychologen und Psychotherapeuten persoumlnshyliche kontemplative Erfahrungen gemacht - unbeschadet ihrer beruflichen oder akademischen Bekenntnisse Andererseits sind Meditation und ihre Wirkungen selbst Gegenstand wissenschaftlicher Aufmerksamkeit geworden Die Segnungen einer solshychen Aufmerksamkeit sind zwiespaumlltig

Die Felder akademischer Psychologie und Psychotherapie wurden im letzten Jahrshyhundert uumlber weite Strecken von Konzepten aus der Verhaltensforschung dominiert Die Geringschaumltzung dieser Schule fuumlr Introspektion subjektive Wahrnehmung und persoumlnliche Erfahrung als moumlglicherweise guumlltige Quellen von Erkenntnis hat weite Kreise nachhaltig gepraumlgt - ein Einfluss der auch heute noch anhaumllt21 Das Zulassen allein gtverifizierbarerlt Daten verhaumlngt die Beschraumlnktheit einer wissenschaftlichen Methodik uumlber den Gegenstand der Untersuchung - eine Praxis die unweigerlich betraumlchtliche Teile menschlicher Erfahrung auslaumlsst wenn diese auf gtverifizierbarelt Daten reduziert wird

Buddhistische Achtsamkeits- und Gewahrseinspraxis ist eine introspektive Uumlbung par excellence - und fuumlr Menschen die sich in ihr schulen subjektiv durchaus verishyfizierbar - wenngleich ohne Respekt fuumlr Kriterien wissenschaftlicher Strenge So scheint es dem kontemplativ Praktizierenden nicht ohne eine gewisse Ironie dass die Konzepte gtAchtsamkeitlt (bzw gtmindfulnesslt) in juumlngster Zeit hauptsaumlchlich auf Inishytiative kognitiver Verhaltenstherapeuten zu Haushaltsbegriffen in der etablierten Psyshychologie geworden sind

Anmerkungen

1 Im Folgenden wird Teil Eins dieses Aufsatzes abgedruckt Teil Zwei dieses Beitrages Buddhistische Geistesgegenwart in therapeutischer Praxis wird im naumlchsten Heft einige Streiflichter auf zeitgenoumlsshysiche achtsamkeitsbasierte Therapieansaumltze und -programme werfen und am Beispiel von Core Proshycess Psychotherapy zu illustrieren versuchen wie eine von der Vision kontemplativer Geistesgegenshywart gepraumlgte therapeutische Arbeit aussehen kann

2 Ca 580-460 v u Z die Datierung wird gegenwaumlrtig diskutiert 3 Er ist 1881 ein erstes Mal dokumentiert in Rhys Davids Buddhist Suttaslt S 107 4 Monier-Williams 1981 S1271 5 Rhys Davids 1921-25 S 1283 6 Dieses Sutta taucht im Pali Kanon an drei verschiedenen Stellen auf (D ii 289 M i 55 Vbh 192) Fuumlr

eine Diskussion des Begriffes satipatthaumlna Sa Rhys Davids CAF Rhys Davids 1936 S 256 Nyashynatiloka 1952 S 307 Nyanaponika 1954 S 5 Anaumllayo 2003 S 29 Bodhi 2000 S 1504 Wallace amp Bodhi2006

7 Zum Begriff verkoumlrperunglt siehe unten 8 Eine Formulierung die auch ein Verstaumlndnis des Buddha fuumlr das psychologische Phaumlnomen von Disshy

soziationlt nahelegt - und seiner Erkenntnis wie Koumlrperachtsamkeit dieser entgegenwirken kann 9 Kaumlyagatasati-suttam M iii 88

10 Anaumlpaumlnasati-suttam M iii 78 11 Analayo 2003 S 47 Seinen kenntnisreichen Arbeiten verdanke ich zahlreiche Anregungen und Vershy

weIse 12 Aus Platzgruumlnden muszlig ich im Rahmen dieses Artikels auf eine Behandlung der Listen verzichten 13 Vism xiv 465 und Kommentar Miln 37 14 Analayo 2003 S 54 Fn 37 15 Meine Klammer [AMW]

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Achtsamkeit - ein Begriff zwischen den Welten

16 Der Begriff gtAchtsamkeitlt ist seit dem 1718Jh dokumentiert und hat sich im Deutschen fuumlr sati und mindfulness eingebuumlrgert Seine Schwaumlchen angesichts des Bedeutungsumfanges von sati liegen nicht in seiner Ungenauigkeit - er deckt einen Aspekt von sati genau ab - sondern in seiner Enge die viele der hier aufgefuumlhrten Bedeutungen unterschlaumlgt Besonders ungluumlcklich ist auch die Konnotation des gtAufpassenslt welche oft mit achtsamunachtsam auftaucht und die Uumlbung der Achtsamkeit allzu einshyseitig mit dem Akt von Kontrolle identifiziert

17 Der Begriff gtincorporationlt wurde von Merleau-Ponty gepraumlgt (Merleau-Ponty 1945) Varela hat ihn aufgegriffen und definiert raquoMit gtverkoumlrpertlt meinen wir eine Reflexion durch welche Koumlrper und Geist zusammengefuumlhrt werden Was diese Formulierung vermittelt ist daszlig Reflexion nicht nur uumlber eine Erfahrung stattfinden kann sondern selbst auch eine Form von Erfahrung ist - und diese Reflexion als Erfahrung kann in Geistesgegenwart und Gewahrsein ausgefuumlhrt werdenlaquo (Varela u a 1991)

18 Analaumlyos Begriff 19 Im Original Franzoumlsisch bzw Deutsch 20 Wundt w (1874) Grundriss der physiologischen Psychologie Wilhelm Engelmann Verlag Leipzig 21 Grossman in Von Leupoldt u a 2004

Summary This paper is an attempt to elucidate the the concepts of mindfulness presence and awareness It shuttles in the use of these terms between Buddhist contemplative and psychotherapeutic contexts It also uses these terms synonymously as the translation of the Buddhist concept of sati Mindfulness has become a buzzword As a consequence the notion of mindfulness on one hand enjoys increasing popularity this holds out the promise of a wider acceptance of contemplativc approaches in psyshychotherapy On the other hand mindfulness simply risks being reduced to yet another tool in the arsenal of cognitive behavioural techniques This state of affairs leads me to revisit some of the ethical emotional and social dimensions of the Buddhist conception of mindfulness and abrief glance at the risks we take if sati is denuded of its relationship to other factors of mind and a clean cognitive awareness is instead made out to be stand-alone panacea

Key words Mindfulness awareness presence contemplative Psychotherapy Buddhist Psychology sati

Anhang Abkuumlrzungen kanonischer Pali Texte

Roumlmische Zahlen nach der Abkuumlrzung geben den Band arabische die Seitennummer an (zB M iii 126 = Majjhima Nikaumlya dritter Band Seite 126) Fuumlr Pali-Recherche habe ich hauptsaumlchlich die digitale Version der Burmesischen Chattha Sangayana Edition gebraucht und dazu die Vorversion einer Software (CST4) des Vipassana Research Instititute Igatpuri eingesetzt

Vin Vinava Cv Cull~vagga D Digha Nikaumlya M Majjhima Nikaumlya S Samyutta Nikaumlya A Anguttara Nikaumlya Dhp Dhammapada Sn Suttanipaumlta Thag Theragaumlthauml Vbh Vibhanga Miln Milindapaiiha Vism Visuddhimagga

Uumlbersetzungen aus dem Pali Englischen und Franzoumlsischen sind meine sofern nicht anders angegeben

Literatur

Anaumllayo (2003) Satipatthaumlna Thc direct Path to realization Buddhist Publication Society Kandy Bodhi B (tr) (2000) The Connected Discourses of the Buddha Wisdom Publications Boston Freud S (1912) Ratschlaumlge fuumlr den Arzt bei der psychoanalytischen Behandlung Zentralblatt fuumlr Psyshy

choanalyse J F Bergmann Wiesbaden Gendlin E (1978) Focusing Ryder London

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Akincano M Weber

fames W (1890) The Principles of Psychology Holt and Macmillan London Korb M P Gorrell Van De Riet (1989) Gestalt therapy Practice and theory Pergamon New York Malebranche N (Hrsg Andre Robinct) (1958-78) Oeuvres Completes J Vrin Paris Merleau-Ponty M (1945) Phenomenologie de la Perception Editions Gallimard Paris Monier-Williams M (1981) Sanskrit-English Dictionary Munshiram Manoharlal Publ Delhi (reprint) Natiello P (2001) The Person-Centred Approach A passionate Prescnce PCCS Books Ross-on-Wye Nyanaponika T (1954) The Heart of Buddhist Meditation Nyanaponika T (1956) Der Einzige Weg Christiani Verlag Konstanz Nyanaponika T (1986) The Power of Mindfulness Wheel Publication 120121 Buddhist Publication

Society Kand y Nyanatiloka T (1952) Buddhist Dictionary Manual of Buddhist Terms and Doctrines Buddhist Publishy

cation Society Kandy Payutto P (1988) Sammauml SatiAn exposition of Right Mindfulness Buddhadhamma Foundation

Bangkok Perls F S (1951) Gestalt therapy Excitement and growth in the human personality Deli New York Rhys Davids T W (1881) Buddhist Suttas Sacred Books of the East Vol xi Clarendon Press Oxford Rhys Davids C A F (1936) The birth of Indian psychology and its development in Buddhism Luzac amp

Co London Rhys Davids T W amp Stede W (1921-25) Pali Text Societys Pali-English Dictionary Pali Text Society

London U Pandita S (2002) The Meaning of Satipatthana Sahadhammika Bangkok Varela F Thompson E amp Rosch E (1991) The Embodied Mind MIT Press Massachusetts Von Leupoldt A Ritz T (Hg) Grossman P (2004) Mindfulncss for psychologists Paying kind attenshy

tion to thc perccptiblc in Psychology in Behavioural medicine - Basic psychophysiological reasearch and applicatioll Kohlhammer Verlag Stuttgart

Wallace A amp Bodhi B (2006) Thc Nature of mindfulness and its role in Buddhist meditation [unpubshylizierte Korrespondenz]

Wundt W (1874) Grundzuumlge der physiologischen Psychologie Wilhe1m Engelmann Verlag Leipzig Wundt W (1896) Grundriss der Psychologie Wilhclm Engelmann Verlag Leipzig

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Die Autorinnen und Autoren dieser Ausgabe

Die Autorinnen und Autoren dieser Ausgabe

Baden Nicole Dipl-Psych 1981 Studium der Psychologie an der Universitaumlt Oldenburg bis 2008 Sie ist ausgebildet nach der Methode Body Mind Centering einer Lehre fuumlr differenziertes Koumlrperbewusstsein und Bewegungspaumldagogik Schlafshytrainerin nach der Methode des Sounder Sleep Systems Seit 2002 Zen-Praktizierende und Schuumllerin von Zentatsu Baker Roshi Lebt im Buddhistischen Studienzentrum im J ohanneshof und im Zen Center in Crestone Colorado

Doerne Angelika Dipl-Familienpaumldagogin 1972 HP Psychotherapie Ausbilshydung in Gestalttherapie Integrativer Systemaufstellung Yogalehrerin Schuumllerin im Diamond Approach (Almaas) Weiterbildung in Beseelter Psychotherapie intensive Beschaumlftigung mit verschiedenen spirituellen Traditionen u a im Rahmen laumlngerer Aufenthalte in Indien bis 2009 psychotherapeutisch in der Klinik Heiligenfeld taumltig u a mit dem Schwerpunkt Spirituelle Krisen gegenwaumlrtig in eigener Praxis und als Seminarleiterin in Muumlnchen

Ehrmann Wilfried Dr Psychotherapeut Atemtherapeut mit eigener Praxis in Wien und Pressbaum Leiter des ATMAN-Ausbildungsprojektes (Ausbildung in Inshytegrativer Atemtherapie) Autor von Handbuch der Atemtherapie (2004) Evolution des Bewusstseins (iV) sowie zahlreicher Fachartikel Herausgeber der ATMANshyZeitung - Fachzeitschrift fuumlr Atemarbeit und Atemtherapie

Leopoldt Axel 1950 Facharzt fuumlr Psychosomatische Medizin und Psychotherashypie Biosynthese-Diplom tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie Seit 1998 Schuumller von A H Almaas

Piron Harald Dr Dipl-Psych 1967 psychologischer Psychotherapeut (VT) abgeschlossene Ausbildungen in Verhaltenstherapie RET und Psychosynthese meshyditiert seit 1985 therapiert seit 1993 promovierte in der Meditationsforschung gibt Weiterbildungen und Seminare zu transpersonaler Verhaltenstherapie (TVT) und Psychosynthese Er ist Vorsitzender der Society for Meditation and Meditation Reshysearch (SMMR)

Weber Akincano M ~-1960 ist Psychotherapeut dialogischer Prozess begleiter und Meditationslehrer Er war 20 Jahre kontemplativer Moumlnch in Asien und Europa hat eine Ausbildung in Core Process Psychotherapy und einen M A in Buddhist Psyshychotherapy Er lebt heute mit seiner Frau in Koumlln und unterrichtet als Meditationsshylehrer europaweit Eine umfangreichere Arbeit zu diesem Thema ist in Vorbereitung und wird im O W Barth Verlag erscheinen

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Achtsamkeit - ein Begriff zwischen den Welten

16 Der Begriff gtAchtsamkeitlt ist seit dem 1718Jh dokumentiert und hat sich im Deutschen fuumlr sati und mindfulness eingebuumlrgert Seine Schwaumlchen angesichts des Bedeutungsumfanges von sati liegen nicht in seiner Ungenauigkeit - er deckt einen Aspekt von sati genau ab - sondern in seiner Enge die viele der hier aufgefuumlhrten Bedeutungen unterschlaumlgt Besonders ungluumlcklich ist auch die Konnotation des gtAufpassenslt welche oft mit achtsamunachtsam auftaucht und die Uumlbung der Achtsamkeit allzu einshyseitig mit dem Akt von Kontrolle identifiziert

17 Der Begriff gtincorporationlt wurde von Merleau-Ponty gepraumlgt (Merleau-Ponty 1945) Varela hat ihn aufgegriffen und definiert raquoMit gtverkoumlrpertlt meinen wir eine Reflexion durch welche Koumlrper und Geist zusammengefuumlhrt werden Was diese Formulierung vermittelt ist daszlig Reflexion nicht nur uumlber eine Erfahrung stattfinden kann sondern selbst auch eine Form von Erfahrung ist - und diese Reflexion als Erfahrung kann in Geistesgegenwart und Gewahrsein ausgefuumlhrt werdenlaquo (Varela u a 1991)

18 Analaumlyos Begriff 19 Im Original Franzoumlsisch bzw Deutsch 20 Wundt w (1874) Grundriss der physiologischen Psychologie Wilhelm Engelmann Verlag Leipzig 21 Grossman in Von Leupoldt u a 2004

Summary This paper is an attempt to elucidate the the concepts of mindfulness presence and awareness It shuttles in the use of these terms between Buddhist contemplative and psychotherapeutic contexts It also uses these terms synonymously as the translation of the Buddhist concept of sati Mindfulness has become a buzzword As a consequence the notion of mindfulness on one hand enjoys increasing popularity this holds out the promise of a wider acceptance of contemplativc approaches in psyshychotherapy On the other hand mindfulness simply risks being reduced to yet another tool in the arsenal of cognitive behavioural techniques This state of affairs leads me to revisit some of the ethical emotional and social dimensions of the Buddhist conception of mindfulness and abrief glance at the risks we take if sati is denuded of its relationship to other factors of mind and a clean cognitive awareness is instead made out to be stand-alone panacea

Key words Mindfulness awareness presence contemplative Psychotherapy Buddhist Psychology sati

Anhang Abkuumlrzungen kanonischer Pali Texte

Roumlmische Zahlen nach der Abkuumlrzung geben den Band arabische die Seitennummer an (zB M iii 126 = Majjhima Nikaumlya dritter Band Seite 126) Fuumlr Pali-Recherche habe ich hauptsaumlchlich die digitale Version der Burmesischen Chattha Sangayana Edition gebraucht und dazu die Vorversion einer Software (CST4) des Vipassana Research Instititute Igatpuri eingesetzt

Vin Vinava Cv Cull~vagga D Digha Nikaumlya M Majjhima Nikaumlya S Samyutta Nikaumlya A Anguttara Nikaumlya Dhp Dhammapada Sn Suttanipaumlta Thag Theragaumlthauml Vbh Vibhanga Miln Milindapaiiha Vism Visuddhimagga

Uumlbersetzungen aus dem Pali Englischen und Franzoumlsischen sind meine sofern nicht anders angegeben

Literatur

Anaumllayo (2003) Satipatthaumlna Thc direct Path to realization Buddhist Publication Society Kandy Bodhi B (tr) (2000) The Connected Discourses of the Buddha Wisdom Publications Boston Freud S (1912) Ratschlaumlge fuumlr den Arzt bei der psychoanalytischen Behandlung Zentralblatt fuumlr Psyshy

choanalyse J F Bergmann Wiesbaden Gendlin E (1978) Focusing Ryder London

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Akincano M Weber

fames W (1890) The Principles of Psychology Holt and Macmillan London Korb M P Gorrell Van De Riet (1989) Gestalt therapy Practice and theory Pergamon New York Malebranche N (Hrsg Andre Robinct) (1958-78) Oeuvres Completes J Vrin Paris Merleau-Ponty M (1945) Phenomenologie de la Perception Editions Gallimard Paris Monier-Williams M (1981) Sanskrit-English Dictionary Munshiram Manoharlal Publ Delhi (reprint) Natiello P (2001) The Person-Centred Approach A passionate Prescnce PCCS Books Ross-on-Wye Nyanaponika T (1954) The Heart of Buddhist Meditation Nyanaponika T (1956) Der Einzige Weg Christiani Verlag Konstanz Nyanaponika T (1986) The Power of Mindfulness Wheel Publication 120121 Buddhist Publication

Society Kand y Nyanatiloka T (1952) Buddhist Dictionary Manual of Buddhist Terms and Doctrines Buddhist Publishy

cation Society Kandy Payutto P (1988) Sammauml SatiAn exposition of Right Mindfulness Buddhadhamma Foundation

Bangkok Perls F S (1951) Gestalt therapy Excitement and growth in the human personality Deli New York Rhys Davids T W (1881) Buddhist Suttas Sacred Books of the East Vol xi Clarendon Press Oxford Rhys Davids C A F (1936) The birth of Indian psychology and its development in Buddhism Luzac amp

Co London Rhys Davids T W amp Stede W (1921-25) Pali Text Societys Pali-English Dictionary Pali Text Society

London U Pandita S (2002) The Meaning of Satipatthana Sahadhammika Bangkok Varela F Thompson E amp Rosch E (1991) The Embodied Mind MIT Press Massachusetts Von Leupoldt A Ritz T (Hg) Grossman P (2004) Mindfulncss for psychologists Paying kind attenshy

tion to thc perccptiblc in Psychology in Behavioural medicine - Basic psychophysiological reasearch and applicatioll Kohlhammer Verlag Stuttgart

Wallace A amp Bodhi B (2006) Thc Nature of mindfulness and its role in Buddhist meditation [unpubshylizierte Korrespondenz]

Wundt W (1874) Grundzuumlge der physiologischen Psychologie Wilhe1m Engelmann Verlag Leipzig Wundt W (1896) Grundriss der Psychologie Wilhclm Engelmann Verlag Leipzig

82

Die Autorinnen und Autoren dieser Ausgabe

Die Autorinnen und Autoren dieser Ausgabe

Baden Nicole Dipl-Psych 1981 Studium der Psychologie an der Universitaumlt Oldenburg bis 2008 Sie ist ausgebildet nach der Methode Body Mind Centering einer Lehre fuumlr differenziertes Koumlrperbewusstsein und Bewegungspaumldagogik Schlafshytrainerin nach der Methode des Sounder Sleep Systems Seit 2002 Zen-Praktizierende und Schuumllerin von Zentatsu Baker Roshi Lebt im Buddhistischen Studienzentrum im J ohanneshof und im Zen Center in Crestone Colorado

Doerne Angelika Dipl-Familienpaumldagogin 1972 HP Psychotherapie Ausbilshydung in Gestalttherapie Integrativer Systemaufstellung Yogalehrerin Schuumllerin im Diamond Approach (Almaas) Weiterbildung in Beseelter Psychotherapie intensive Beschaumlftigung mit verschiedenen spirituellen Traditionen u a im Rahmen laumlngerer Aufenthalte in Indien bis 2009 psychotherapeutisch in der Klinik Heiligenfeld taumltig u a mit dem Schwerpunkt Spirituelle Krisen gegenwaumlrtig in eigener Praxis und als Seminarleiterin in Muumlnchen

Ehrmann Wilfried Dr Psychotherapeut Atemtherapeut mit eigener Praxis in Wien und Pressbaum Leiter des ATMAN-Ausbildungsprojektes (Ausbildung in Inshytegrativer Atemtherapie) Autor von Handbuch der Atemtherapie (2004) Evolution des Bewusstseins (iV) sowie zahlreicher Fachartikel Herausgeber der ATMANshyZeitung - Fachzeitschrift fuumlr Atemarbeit und Atemtherapie

Leopoldt Axel 1950 Facharzt fuumlr Psychosomatische Medizin und Psychotherashypie Biosynthese-Diplom tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie Seit 1998 Schuumller von A H Almaas

Piron Harald Dr Dipl-Psych 1967 psychologischer Psychotherapeut (VT) abgeschlossene Ausbildungen in Verhaltenstherapie RET und Psychosynthese meshyditiert seit 1985 therapiert seit 1993 promovierte in der Meditationsforschung gibt Weiterbildungen und Seminare zu transpersonaler Verhaltenstherapie (TVT) und Psychosynthese Er ist Vorsitzender der Society for Meditation and Meditation Reshysearch (SMMR)

Weber Akincano M ~-1960 ist Psychotherapeut dialogischer Prozess begleiter und Meditationslehrer Er war 20 Jahre kontemplativer Moumlnch in Asien und Europa hat eine Ausbildung in Core Process Psychotherapy und einen M A in Buddhist Psyshychotherapy Er lebt heute mit seiner Frau in Koumlln und unterrichtet als Meditationsshylehrer europaweit Eine umfangreichere Arbeit zu diesem Thema ist in Vorbereitung und wird im O W Barth Verlag erscheinen

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Akincano M Weber

fames W (1890) The Principles of Psychology Holt and Macmillan London Korb M P Gorrell Van De Riet (1989) Gestalt therapy Practice and theory Pergamon New York Malebranche N (Hrsg Andre Robinct) (1958-78) Oeuvres Completes J Vrin Paris Merleau-Ponty M (1945) Phenomenologie de la Perception Editions Gallimard Paris Monier-Williams M (1981) Sanskrit-English Dictionary Munshiram Manoharlal Publ Delhi (reprint) Natiello P (2001) The Person-Centred Approach A passionate Prescnce PCCS Books Ross-on-Wye Nyanaponika T (1954) The Heart of Buddhist Meditation Nyanaponika T (1956) Der Einzige Weg Christiani Verlag Konstanz Nyanaponika T (1986) The Power of Mindfulness Wheel Publication 120121 Buddhist Publication

Society Kand y Nyanatiloka T (1952) Buddhist Dictionary Manual of Buddhist Terms and Doctrines Buddhist Publishy

cation Society Kandy Payutto P (1988) Sammauml SatiAn exposition of Right Mindfulness Buddhadhamma Foundation

Bangkok Perls F S (1951) Gestalt therapy Excitement and growth in the human personality Deli New York Rhys Davids T W (1881) Buddhist Suttas Sacred Books of the East Vol xi Clarendon Press Oxford Rhys Davids C A F (1936) The birth of Indian psychology and its development in Buddhism Luzac amp

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tion to thc perccptiblc in Psychology in Behavioural medicine - Basic psychophysiological reasearch and applicatioll Kohlhammer Verlag Stuttgart

Wallace A amp Bodhi B (2006) Thc Nature of mindfulness and its role in Buddhist meditation [unpubshylizierte Korrespondenz]

Wundt W (1874) Grundzuumlge der physiologischen Psychologie Wilhe1m Engelmann Verlag Leipzig Wundt W (1896) Grundriss der Psychologie Wilhclm Engelmann Verlag Leipzig

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Die Autorinnen und Autoren dieser Ausgabe

Die Autorinnen und Autoren dieser Ausgabe

Baden Nicole Dipl-Psych 1981 Studium der Psychologie an der Universitaumlt Oldenburg bis 2008 Sie ist ausgebildet nach der Methode Body Mind Centering einer Lehre fuumlr differenziertes Koumlrperbewusstsein und Bewegungspaumldagogik Schlafshytrainerin nach der Methode des Sounder Sleep Systems Seit 2002 Zen-Praktizierende und Schuumllerin von Zentatsu Baker Roshi Lebt im Buddhistischen Studienzentrum im J ohanneshof und im Zen Center in Crestone Colorado

Doerne Angelika Dipl-Familienpaumldagogin 1972 HP Psychotherapie Ausbilshydung in Gestalttherapie Integrativer Systemaufstellung Yogalehrerin Schuumllerin im Diamond Approach (Almaas) Weiterbildung in Beseelter Psychotherapie intensive Beschaumlftigung mit verschiedenen spirituellen Traditionen u a im Rahmen laumlngerer Aufenthalte in Indien bis 2009 psychotherapeutisch in der Klinik Heiligenfeld taumltig u a mit dem Schwerpunkt Spirituelle Krisen gegenwaumlrtig in eigener Praxis und als Seminarleiterin in Muumlnchen

Ehrmann Wilfried Dr Psychotherapeut Atemtherapeut mit eigener Praxis in Wien und Pressbaum Leiter des ATMAN-Ausbildungsprojektes (Ausbildung in Inshytegrativer Atemtherapie) Autor von Handbuch der Atemtherapie (2004) Evolution des Bewusstseins (iV) sowie zahlreicher Fachartikel Herausgeber der ATMANshyZeitung - Fachzeitschrift fuumlr Atemarbeit und Atemtherapie

Leopoldt Axel 1950 Facharzt fuumlr Psychosomatische Medizin und Psychotherashypie Biosynthese-Diplom tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie Seit 1998 Schuumller von A H Almaas

Piron Harald Dr Dipl-Psych 1967 psychologischer Psychotherapeut (VT) abgeschlossene Ausbildungen in Verhaltenstherapie RET und Psychosynthese meshyditiert seit 1985 therapiert seit 1993 promovierte in der Meditationsforschung gibt Weiterbildungen und Seminare zu transpersonaler Verhaltenstherapie (TVT) und Psychosynthese Er ist Vorsitzender der Society for Meditation and Meditation Reshysearch (SMMR)

Weber Akincano M ~-1960 ist Psychotherapeut dialogischer Prozess begleiter und Meditationslehrer Er war 20 Jahre kontemplativer Moumlnch in Asien und Europa hat eine Ausbildung in Core Process Psychotherapy und einen M A in Buddhist Psyshychotherapy Er lebt heute mit seiner Frau in Koumlln und unterrichtet als Meditationsshylehrer europaweit Eine umfangreichere Arbeit zu diesem Thema ist in Vorbereitung und wird im O W Barth Verlag erscheinen

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Die Autorinnen und Autoren dieser Ausgabe

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Baden Nicole Dipl-Psych 1981 Studium der Psychologie an der Universitaumlt Oldenburg bis 2008 Sie ist ausgebildet nach der Methode Body Mind Centering einer Lehre fuumlr differenziertes Koumlrperbewusstsein und Bewegungspaumldagogik Schlafshytrainerin nach der Methode des Sounder Sleep Systems Seit 2002 Zen-Praktizierende und Schuumllerin von Zentatsu Baker Roshi Lebt im Buddhistischen Studienzentrum im J ohanneshof und im Zen Center in Crestone Colorado

Doerne Angelika Dipl-Familienpaumldagogin 1972 HP Psychotherapie Ausbilshydung in Gestalttherapie Integrativer Systemaufstellung Yogalehrerin Schuumllerin im Diamond Approach (Almaas) Weiterbildung in Beseelter Psychotherapie intensive Beschaumlftigung mit verschiedenen spirituellen Traditionen u a im Rahmen laumlngerer Aufenthalte in Indien bis 2009 psychotherapeutisch in der Klinik Heiligenfeld taumltig u a mit dem Schwerpunkt Spirituelle Krisen gegenwaumlrtig in eigener Praxis und als Seminarleiterin in Muumlnchen

Ehrmann Wilfried Dr Psychotherapeut Atemtherapeut mit eigener Praxis in Wien und Pressbaum Leiter des ATMAN-Ausbildungsprojektes (Ausbildung in Inshytegrativer Atemtherapie) Autor von Handbuch der Atemtherapie (2004) Evolution des Bewusstseins (iV) sowie zahlreicher Fachartikel Herausgeber der ATMANshyZeitung - Fachzeitschrift fuumlr Atemarbeit und Atemtherapie

Leopoldt Axel 1950 Facharzt fuumlr Psychosomatische Medizin und Psychotherashypie Biosynthese-Diplom tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie Seit 1998 Schuumller von A H Almaas

Piron Harald Dr Dipl-Psych 1967 psychologischer Psychotherapeut (VT) abgeschlossene Ausbildungen in Verhaltenstherapie RET und Psychosynthese meshyditiert seit 1985 therapiert seit 1993 promovierte in der Meditationsforschung gibt Weiterbildungen und Seminare zu transpersonaler Verhaltenstherapie (TVT) und Psychosynthese Er ist Vorsitzender der Society for Meditation and Meditation Reshysearch (SMMR)

Weber Akincano M ~-1960 ist Psychotherapeut dialogischer Prozess begleiter und Meditationslehrer Er war 20 Jahre kontemplativer Moumlnch in Asien und Europa hat eine Ausbildung in Core Process Psychotherapy und einen M A in Buddhist Psyshychotherapy Er lebt heute mit seiner Frau in Koumlln und unterrichtet als Meditationsshylehrer europaweit Eine umfangreichere Arbeit zu diesem Thema ist in Vorbereitung und wird im O W Barth Verlag erscheinen

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