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allgäu ALTERNATIV Regionale Berichte zu Energiezukunft und Klimaschutz Ausgabe 3/2013 E-Mobil: Batteriekraft erobert Land und Luft Wasserkraft: Fischfreundlich an der Iller Windräder: Viel Sand im Getriebe

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Weitere Informationen zur Energiefachzeitschrift für das Allgäu finden Sie unter www.allgaeu-alternativ.de

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Page 1: allgäuALTERNATIV Herbst/Winter-Ausgabe 2013

allgäuALTERNATIVRegionale Berichte zu Energiezukunft und Klimaschutz

Ausgabe 3/2013

E-Mobil: Batteriekraft erobert Land und LuftWasserkraft: Fischfreundlich an der IllerWindräder: Viel Sand im Getriebe

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Auf ein Wort

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plädiert. Das Landratsamt Ostallgäu wirdjeden Antrag auf Errichtung einer Wind-kraftanlage im Hinblick auf Artenschutz,Landschafts- und Naturschutz, Abstände,Erholungsnutzungen etc. genauestens prü-fen und in Verbindung mit dem Willen vorOrt entscheiden.Für weitere Auskünfte stehe ich Ihnenselbstverständlich gerne zur Verfügung. Ichglaube, dass wir mit diesem individuellenVorgehen, das sich auf die regionale Wil-lensbildung stützt, richtig liegen. Ein ur-sprünglich von Umweltminister Söderverkündetes intensives Umsetzungsvorge-hen wird es bei uns nicht geben!

Johann Fleschhut, Landrat Ostallgäu

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Wind und Wille...auf kommunaler Ebene abwickeln

Zur Weiterentwicklung der Windkraft imOstallgäu stehen für mich weiterhin Windund Wille im Vordergrund. Wo es also wirt-

schaftliche Grundlagen gibt, keine Ausschlussgründeund der kommunale und der Bürgerwille zur Errich-tung von Windkraftanlagen vorhanden sind, unter-stütze ich solche Projekte, und dies tut auch meinHaus. Im Ostallgäu geschieht dies seit Monaten weitestgehend über die kommunale Bauleitplanungund weniger über die Regionalplanung. In mehrerenkonzeptionellen Abstimmungsgesprächen mit den betroffenen Kommunen konnten wir einen Weg erreichen, der die oben beschriebene Strategie unter-stützt. Diesbezüglich haben wir längst unsere Haus-aufgaben gemacht! Mittlerweile sind einige Standorte im Ostallgäu durchneue Erkenntnisse des Artenschutzes entfallen. Auchhaben wir als Landratsamt im Rahmen der Beteiligungbei Flächennutzungsplanänderungen und als Trägeröffentlicher Belange Argumente des Landschafts-und/oder Denkmalschutzes gegen mögliche Standorteeingebracht (z.B. teilweise in Marktoberdorf). Mittlerweile ist auch die Problematik des Funkfeuersin Kempten hinzugekommen, das ebenfalls eine be-stimmte Anzahl an geplanten Windkraftanlagen ver-hindert.Meine Strategie von »Wind und Wille« wird dadurchgestützt, dass auch die Abstandsflächenproblematikunklar ist und deswegen keine Maßnahmen gegen denörtlichen Willen »durchgesetzt« werden sollen unddürfen. Außerdem kritisiert die Wirtschaft den ausihrer Sicht nicht vertretbaren Energiepreisanstiegdurch unkonzeptionelle Erweiterung der regenerati-ven Energie. Strompreiserhöhungen betreffen durchErhöhung des EEG-Anteils auch Privathaushalte.Auch deswegen gibt es keinen Anlass, zum jetzigenZeitpunkt in Zweifel stehende Windkraftanlagen un-bedingt durchzusetzen.Ich habe auch aus den genannten Gründen für die Zu-rückstellung der Weiterentwicklung des Regionalplans

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Impressum

Verlag und Herstellung: Verlag HEPHAISTOS

EDITION ALLGÄU

Lachener Weg 2

87509 Immenstadt-

Werdenstein

Tel. 08379/728616

Fax 08379/728018

[email protected]

www.allgaeu-alternativ.de

Herausgeber:

Peter Elgaß

Redaktion:

Viola Elgaß (v.i.S.d.P.),

Thomas Niehörster,

Annette Müller,

Volker Wille

Gekennzeichnete Beiträge

stellen die Meinung des

Ver fassers, nicht aber des

Verlages dar.

Layout:

Bianca Elgaß,

Ramona Klein,

Dominik Ultes

Anzeigen:

Sven Abend (Ltg.)

Kathrin Geis

Tel. 08379/728616;

gültige Anzeigenpreisliste:

1/2010

Bankverbindung Verlag:

Raiffeisenbank Oberallgäu-

Süd eG, Konto 7282770,

BLZ 73369920

Druck und Bindung:

Kastner & Callwey

Medien GmbH

Jahnstraße 5

85661 Forstinning 7014

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Impressum

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Vorwort Seite 3

Richtig bauenAlles spricht für Naturholz Seite 6

EnergieberatungInformieren – sanieren – sparen Seite 10

EnergiepolitikDer European Energy Award Seite 12

WindkraftDer Dreh auf dem Dach Seite 14Das Kunst-Kraftwerk Seite 16Den wilden Drachen zähmen Seite 17Gegenwind für Windkraft Seite 18Kleinwindanlagen im Buch verglichen Seite 19

E-MobilitätE-Mobil: Geräuscharm und bärenstark Seite 20E-Bike: Volle Kraft auf zwei Rädern Seite 23E-Flugzeug: E-Genius auf Wolke sieben Seite 24E-Solar: »Wir sind Vizeweltmeister« Seite 25E-Bike: Die Kraft aus dem Hinterrad Seite 26

Technik-TraditionDas Tal der Tüftler Seite 28

Strom speichernWasser als Energie-Batterie? Seite 30

Energie und UmweltDer gläserne Iller-Fisch Seite 32

Ostallgäu/TirolFünf Betreiber im Verbund Seite 35

Neue BrennstoffeKohle aus der Abfallgrube Seite 36

Energie sparenWo die Kühlgeräte heizen Seite 40

Ökologisch bauenDas Nur-Holz-Haus »von hier« Seite 41

Energiesparend bauenMehrfamilienhaus betankt Auto Seite 42

SolarenergieFeuer am Dach Seite 43

SolarthermieMit Sonne und Wasser rechnen Seite 44

Pioniere der RegionDer schnelle Leo Müller Seite 45

Meldungen

Vortrag zum Thema LED-Lampen Seite 46»Röntgenblick« für Gebäudewände Seite 46Starke Impulse für den Klimaschutz Seite 46Neuer Strom kommt per Hubschrauber Seite 47Die Oberallgäuer kriegen ihr Fett weg Seite 47Erster Weißtannenpreis verliehen Seite 47Ein Roboter fährt Bergbahn Seite 48Klimawandel: Chancen für das Allgäu Seite 48Student prüft Biberacher Bauherren Seite 49Neue Klimaschutzbeauftragte Seite 50Energiemanagement wird gefördert Seite 50Neue Steuerung und neue Zertifikate Seite 50Altmaier auf Augsburger Energietag Seite 51Zweigleisige Illertalbahn statt A 7-Ausbau Seite 52Baubeginn: Hauptcampus für Zeppelin Uni Seite 52Praxishinweise für Bodenschutz beim Bau Seite 52Neue Energieeinsparverordnung Seite 53

Umwelt-ServicePer Roboter unter die Erde Seite 54

Für Sie vorausgelesen: »Schlaue Netze« Seite 55

OffensiveMeckatzer denkt regional Seite 56

Energie sparenBeispiel: Gymnasium Buchloe Seite 57

LebensraumZu viel Flächenverbrauch Seite 58

Ernte per InternetEinladung zum Pflücken Seite 60

MoorschutzVerkaufs-Hit torffreie Erde Seite 61

ÖkologieDer Rückzug der Schmetterlinge Seite 62Was flattert in der Region? Seite 64

PhänologiePflanzen kennen das Wetter Seite 65

ÖkologieSie fliegen auf Blumenwiesen Seite 66

Aktive AllgäuerHochprozentig energetisch Seite 67

LandschaftspflegeIm Einklang mit der Natur Seite 68

Hochschul-ProjektAllgäu – maßstäblich versorgt Seite 70

Redaktions- und Anzeigenschluss für die nächste Ausgabe ist der 17. Januar 2014

Inhalt

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Richtig bauen

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Teppiche und Teppichböden

Jahrhundertelang gab es bei Fußböden keine Fra-ge: Holz oder Stein waren die einzigen Alternativen.Wobei man schon in der Frühzeit dazu überging,Steinböden mit Stoffen zu belegen, um die natürlicheKälte des Steins zu dämpfen. Zu diesem Zweck sindTeppiche seit Jahrtausenden im Einsatz. Denken wirnur mal an die irrsinnig teuren Orientteppiche. Siesind zwar fast ausschließlich aus Naturfasern, aber dieBesitzer neigen dazu, sie aufgrund des hohen Preisesmöglichst lange zu nutzen. Es setzen sich schädlicheSubstanzen fest, die auch durch Reinigen nicht ganzzu vermeiden sind. Besser ist es, Teppiche aus Natur-fasern wie Wolle, Kokos und Sisal zu verwenden – undsie nach einigen Jahren der Verwendung zu ersetzen.Kunstfaser-Teppiche können schädliche Stoffe enthal-ten, die ausdünsten und deshalb die Gesundheit be-einträchtigen können. Naturfasern haben gegenübersynthetischen Teppichen den Vorteil, dass sie gut däm-men, atmungsaktiv sind und, soweit Wolle der Grund-stoff ist, auch natürliche Wollfette zur Schmutzabwei-sung haben.

HolzfußbödenSeit Urzeiten ist Holz ein bewährter Fußbodenbe-

lag. Es dämmt und erzeugt Wohlbehagen. Früher wur-den einfach Bretter der Länge nach hingelegt und ge-legentlich mit Naturwachs behandelt oder gescheuert.Heute gibt es eine Vielfalt unterschiedlicher Holzbö-den. Zuerst sollte man beim Kauf darauf achten, dassnur Holz aus heimischen Wäldern benutzt wird. Daswohl bekannteste Siegel für nachhaltige Holzprodukteweltweit ist das FSC-Zertifikat (Forest StewardshipCouncil). Fichte, Tanne, Kiefer, Lärche und Weißtannesind die europäischen Nadelgehölze, die zu Fußböden

verarbeitet werden. Bei den Laubhölzern ist die Aus-wahl größer. Buche, Eiche, Esche und Ahorn sind diemeist verwendeten Sorten.

Massivholzdielen sind elastisch und fußfreund-lich. Sie haben allerdings den Nachteil, dass sie bei Temperaturschwankungen in den Fugen arbeiten. Beimodernen Energiespar-Häusern dürfte das aufgrundder Wärmesteuerung aber kaum mehr ein Problem darstellen. Holzfußböden werden mit Wachs oder Ölbehandelt. Dabei bleibt das Holz offenporig. Der Vorteil: Der Boden fühlt sich natürlich an. Will manallerdings höchste Strapazierfähigkeit erhalten, ist eine Versiegelung mit Lack sinnvoll. Für die Herstellungvon Lacken und Lasuren werden oft gefährliche Stoffeeingesetzt, auf deren Verwendung auch künftig nichtganz verzichtet werden kann (Berufsgenossenschaftder Bauwirtschaft 2006). Sie können während undnach der Verarbeitung nicht nur die Umwelt, sondernauch die Gesundheit des Menschen beeinträchtigen.Erfreulich ist, dass durch die Verwendung umwelt-schonender Lacke in den letzten Jahren immer weni-ger Lösemittel verwendet wird. Für alle Anwendungs-bereiche werden inzwischen schadstoffarme Lacke angeboten, die mit dem Blauen Engel (RAL-UZ 12a)gekennzeichnet sind. Alle Dielenfußböden lassen sichmehrmals abschleifen und sind deshalb renovierungs-freundlich.

Architekt Michael Felkner teilte uns mit, dass es ein ausgezeichnetes lokales Angebot gibt: »Natur -belassene massive Dielenböden aus Fichte und Weiß-tanne, geerntet rings um den Niedersonthofener See,gesägt im Sägewerk Henseler (Ein-Mann-Betrieb) inThalkirchdorf, luftgetrocknet und gehobelt im Hobel-werk Weihele in Görisried – damit haben wir unser eigenes Haus ausgestattet. Auch manche Bauherren lassen sich davon inspirieren, einige Handwerker

Immer mehr Anwender achten beim Dämmen auf die Verwendung von langlebigen Produkten. Oft wird aber bei der energetischen Sanierung ein Part übersehen, der wichtig für eine sinnvolle Renovierung ist: der richtige Fußboden.

Alles spricht für NaturholzGute und weniger gute Bodenbeläge

Wer einen Teppich oder Teppichboden einsetzen will,

sollte Naturfasern bevorzugen

Der Naturholz-Boden gehört zu den Bodenbelägen, die seitFrühzeiten eingesetzt werdenund sehr hohe Dämmwirkung

und Haltbarkeit haben

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kaufen bei uns diese besonderen Dielenböden. Natür-lich wird die Oberfläche dieses wunderschönen Holzesnicht »versiegelt«, sondern nur mit Seife behandelt –so wie früher. Demnächst werden auch im denkmal-geschützen Dorfgemeinschaftshaus im Westallgäuer Grünenbach solchen Böden eingebaut.« Informatio-nen gibt es unter www.allgauer-mondholz.de.

Massivholzparkett lässt man am besten vomFachmann einbauen. Es wird am Boden verklebt undist in unterschiedlichen Dicken zu bekommen. Eskann mehrfach abgeschliffen werden – je nach Dicke.Im Gegensatz zu Massivholzparkett besteht Fertigpar-kett meist aus einer Laufschicht und einer Träger-schicht. Billige Fertigparkette haben oft nur eine dün-ne Laufschicht und können deshalb nicht öfter abge-schliffen werden.

LaminatLaminat hat das Image, ein gesunder Bodenbelag

zu sein, und wird gerne mit Holzparkettböden ver -glichen. Diese weitverbreitete Meinung erweist sich in Wirklichkeit oft als Trugschluss. Laminat hat mitHolzboden nichts gemein, höchstens in der Optik,doch auch hierbei kann Laminatboden echtem Holz-parkett das Wasser nicht reichen. Viele Laminate sindKunststoffprodukte und dienen sozusagen als Parkett-ersatz. Bei der Herstellung von Laminat kommen allerdings viele unterschiedliche, zum Teil stark ge-sundheitsschädigende und umweltbelastende Chemi-kalien zum Einsatz.

Laminatfußböden, die tatsächlich Holz als Grund -stoff verwenden, sollten ebenfalls die Nachhaltigkeits-zertifikate von FSC tragen. Laminate und Holzfuß -böden haben jedoch eines gemeinsam: Sie sind pfle-geleicht und deshalb geeignet für Allergiker und Familien mit Kindern.

PVC-Bodenbeläge

PVC ist die Abkürzung für Polyvinylchlorid. Die-ser Kunststoff ist in seiner Zusammensetzung hartund spröde. Es sind »Weichmacher« erforderlich, umdas Material formbar für Fußbodenbeläge zu gestal-ten. Als Weichmacher kommen Phthalate zum Ein-satz. Insbesondere in der ersten Zeit nach dem Verle-gen dünsten diese Weichmacher aus und könnenAtemwege schädigen. Aber auch später noch werdendurch Putzen und Abrieb Schadstoffe freigesetzt. Inden letzten Jahren wurde versucht, weniger schädlicheWeichmacher zu verwenden – sogar nachwachsendeRohstoffe kamen bereits zum Einsatz. Wir könnenüber Jahre beobachten, dass PVC-Fußböden immermehr verspröden, je mehr Weichmacher sie ausdüns-ten. Bisher ist es noch nicht gelungen, bei PVC ganzohne Phthalate auszukommen. Die Phthalate sind inKinderspielzeug und Plastikflaschen verboten.

Echter Holzfußboden wird auch heute noch weitgehendhandwerklich verlegt

Behandelte Holzböden (links) sind robuster und leichter zu reinigenals naturbelassene Bretterböden (auf dieser Seite)

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Linoleum

Eine unweltfreundlichere Alternative zu PVC istLinoleum. Es ist kein Kunststoff, sondern wird ausLeinöl, Korkmehl, Harzen und Jute hergestellt und be-reits seit über 150 Jahren verwendet. Alle Komponen-ten sind nachwachsend oder ausreichend verfügbar.Als in den 1960er-Jahren PVC den Markt eroberte, ver-schwand Linoleum nahezu gänzlich aus den Regalen. Inzwischen ist es wieder in vielen Farben verfügbar.

Fliesenböden

Die Farbauswahl ist schier unendlich und die Artder Oberfläche ebenfalls. Aber nicht jede Fliese eignetsich für jeden Raum. Steingutfliesen der Abriebgrup-pen eins bis drei sind eher für Räume geeignet, die weniger genutzt werden. Stark frequentierte Räumeund Gänge sowie Küchenböden sollten mit Steinzeug-

und Feinsteinzeugfliesen der Abriebgruppen vier oderfünf belegt werden. Hier sollten Sie sich auch über -legen, vielleicht auf glasierte Steinzeugfliesen zurück-zugreifen – der Schmutz gelangt nicht durch dieseSchutzschicht. Meist reichen bei glasierten Fliesen zurReinigung Wasser und Schwamm. Unglasierte Fliesendagegen nehmen schon mal Rotweinflecken oder öl-haltige Verschmutzung auf. Da Fliesenböden guteWärmeleitfähigkeit haben, werden sie gerne in Räu-men mit Fußbodenheizung verlegt. (aa)

Spielende Kinder empfinden einen lackierten Parkettboden(Foto oben) deutlich sympatischer als einen Steinfliesen -boden (links bei der Verlegung). Beide Varianten haben einesgemeinsam: Sie sind leicht zu pflegen und hygenisch sauber

Kater »Flauschi« kann sich mit dem Holzfußboden aus

Allgäuer Fichte ohne Wachsoder Lackierung am besten anfreunden

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Energieberatung

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Auf Grundlage einer solchen Beratung kanndann die konkrete Planung gestartet werdenund noch im Winter die Ausschreibung er-

folgen. »Später sind erfahrungsgemäß die Auftrags -bücher der Firmen schon ziemlich voll und die Preisesteigen«, erklärt Sambale. Zudem gelte es, sich die derzeit attraktiven Förder- und Zinskonditionen zu sichern. »Wer weiß, wie sich die Situation jetzt nachder Bundestagswahl weiter entwickelt.« Wer Sanierun-

gen vorhat, sollte deshalb noch in diesem Jahr mit derPlanung anfangen. Und die beginnt in der Regel miteiner guten Beratung.

Es gibt viel Geld vom StaatDer Staat übernimmt bei Einzelmaßnahmen wie

dem Austausch der alten Heizung maximal 5000 Eurostatt bisher 3750 Euro der Kosten. Größere Sanie-rungsmaßnahmen werden (je nach erreichtem Ener-

Wer im nächsten Jahr sein Haus energetisch sanieren möchte, sollte möglichst bald die ersten Schritte einleiten. Das empfiehlt Martin Sambale vom Energie- undUmwelt zentrum Allgäu (eza!). »Jetzt ist eine gute Zeit für eine fundierte Energie -beratung«, betont der eza!-Geschäftsführer. Ende 2012 hatte die Bundesregierung die Fördermittel für die Gebäudesanierung, die die KfW-Bank verteilt, für 2013 um 300 Millionen Euro auf 1,8 Milliarden Euro erhöht.

Informieren–sanieren–sparenIm Allgäu gibt es viele gute Anlaufstellen

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Einer generellen Beratung(Bild links) folgt eineeingehende Beratung am Objekt (Bild auf dervorhergehenden Seite)

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giestandard) mit maximal 18.750 – zuvor 15.000 –Euro subventioniert. Damit soll die Sanierungsquote,die für das Erreichen der deutschen Klimaschutzzielederzeit noch deutlich zu niedrig ist, erhöht werden.

Was viele Bauherren nicht wissen: Für eine qua-lifizierte Baubegleitung gibt es derzeit einen Zuschussvon bis zu 4000 Euro. Ziel ist es, mit einer neutralenBeratung durch einen Fachmann die Umsetzung vontatsächlich nachhaltigen und zukunftsfähigen Sanie-rungskonzepten zu garantieren. Martin Sambale be-tont die Bedeutung einer derartigen Baubegleitung:»Nach unserer Erfahrung lassen sich durch einen un-abhängigen und kompetenten Architekten, Ingenieuroder Techniker, der als Baubegleiter eine Sanierungüberwacht und die Handwerker koordiniert, Fehler inder Planung und Bauausführung vermeiden«, erklärter. »Das verhindert unnötige Mehrkosten und hilft da-bei, Energiesparpotenziale optimal ausschöpfen zukönnen.«

Ein Baubegleiter zahlt sich ausZu den Aufgaben der Sachverständigen, die die

fachlichen Anforderungen der KfW erfüllen müssen,zählen unter anderem die Antragstellung für KfW-Förderprogramme, die Planung von Baudetails sowievon Lüftungs- und Heizungskonzepten, die Prüfungvon Leistungsverzeichnissen und Angeboten bis hinzur Überwachung der Bauausführung und die Quali-tätssicherung. »Alles Dinge, mit denen der Bauherr inder Regel überfordert ist«, weiß Sambale. Daher rät er,

nicht nur bei einer Komplettsanierung, sondern schonbei Einzelmaßnahmen einen fachkundigen Baubeglei-ter hinzuzuziehen. »Wer das nicht tut, spart am falschen Fleck, zumal ein Großteil der Kosten ja über-nommen wird«, stellt Sambale fest. »Und häufig kannder Baubegleiter durch sein Know-how bei der Aus-schreibung die Kosten für seine Beratung zumindestteilweise schon wieder hereinholen.« Laut Sambalegibt es gerade im Allgäu genügend Experten, die kom-petente Hilfe anbieten und damit für das Gelingen einer Sanierungsmaßnahme sorgen.

Der erste Schritt ist wichtigGrundlage jeder Sanierung sollte immer eine

detaillierte Energieberatung sein, betont Martin Sam-bale. »Das ist der erste Schritt für eine Sanierung, die die Wohnqualität erhöht und wirtschaftlich auchsinnvoll ist.« Neben dem Besuch einer der AllgäuerEnergieberatungsstellen von eza!, der für die Bürgerder beteiligten Gemeinden kostenlos ist, bieten frei-berufliche Energieberater auch umfassendere Vor-Ort-Beratungen an. »Auch hier gibt es Zuschüsse«, erklärt Martin Sambale.

So übernimmt das Bundesamt für Wirtschaftund Ausfuhrkontrollen (BAFA) 50 Prozent (maximal400 Euro) der Kosten für eine qualifizierte Vor-Ort-Energieberatung. Diese beinhaltet eine detaillierteAnalyse des Gebäudes mit einem umfassenden Be-richt und einer persönlichen Erläuterung der Ergeb-nisse durch einen Energieberater.

Information gibt es onlineWeitere Informationen über die Energie beratungsstellen

im Allgäu und Listen mit selbstständigen Energieberatern,

die sich der Qualitätssicherung von eza! unterziehen,

finden sich unter www.eza-energieberatung. Die aktuell

gültigen Förderkonditionen und alle verfügbaren

Förderprogramme können leicht in der Förderdatenbank

unter www.eza-foerderung.de nachgelesen werden. Unter

www.eza-partner.de sind diejenigen Fachleute gelistet, die

sich der Qualitätssicherung von eza! unterziehen.

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Energiepolitik

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Es gibt Auszeichnungen, die nimmt man stolzentgegen und erinnert sich beim Anblick derUrkunde an der Wand gerne an den Erfolg

von damals. Beim European Energy Award ist das anders. »Den muss man sich ständig neu erarbeiten«,erklärt Sonthofens Bürgermeister Hubert Buhl. Sont-hofen ist neben Wildpoldsried, Pfronten, Bad Grönen-bach, Kempten und Scheidegg eine von sechs AllgäuerKommunen, die bislang mit dem European EnergyAward für ihre Klimaschutzaktivität ausgezeichnetworden sind und sich regelmäßig neuen Prüfungenunterziehen. Viele geplante Projekte sind auf dieseWeise umgesetzt worden, die sonst vielleicht in irgend-welchen Schubladen verschwunden wären, ist sichBuhls Amtskollege Ulrich Pfanner aus Scheidegg sicher.

Tatsächlich setzt der European Energy Awardnicht auf Aktionismus und einen schnellen, oberfläch-lichen Erfolg, sondern ist ein langfristiges Qualitäts-management und Zertifizierungsverfahren für eineumsetzungsorientierte Energie- und Klimaschutz -

politik in Städten, Gemeinden und Landkreisen. Erunterstützt Kommunen dabei, Potenziale der nach -haltigen Energiepolitik und des Klimaschutzes zuidentifizieren und zu nutzen – nach dem Prinzip: ana-lysieren, planen, durchführen, prüfen und wieder an-passen. Durch die eea-Teilnahme mit den turnus -mäßigen Re-Audits sollen auf lange Sicht positive Effekte erzielt werden. Stillstand gibt es nicht. Einezentrale Rolle spielen dabei die örtlichen Energie-teams, die aus engagierten Bürgern und Mitarbeiternder Gemeinde- bzw. Stadtverwaltung gebildet und inihrer Arbeit von Beratern – im Allgäu von eza! – un-terstützt werden.

Martin Sambale hofft, dass die Zahl der eea-Teil-nehmer in der Region rasch steigen wird. Der Geschäftsführer vom Energie- und UmweltzentrumAllgäu spricht von »einem sehr wirkungsvollen Instru-ment für eine nachhaltige Klimaschutzpolitik«. Daslasse sich auch mit Zahlen belegen. Sambale verweistauf eine Evaluierung in Nordrhein-Westfalen, derenZiel es war, die Effekte der eea-Teilnahme auf dieEnergie- und Klimapolitik zu untersuchen. »Die Er-gebnisse«, stellt Sambale fest, »sind beeindruckend.«So komme die Evaluierungskommission unter ande-rem zum Schluss, dass in den eea-Kommunen eindoppelt so hoher Zuwachs in puncto Energieeffizienzim Vergleich zum Durchschnitt der nordrhein-west-fälischen Städte und Gemeinden zu verzeichnen ist.

Insgesamt sind die Energieeinsparungen in deneea-Kommunen enorm, betont Sambale. Bezogen aufalle eea-Gemeinden in Nordrhein-Westfalen beträgtdie jährliche Energieeinsparung im Bereich kommu-naler Gebäude und Anlagen 109.050 MWh/a. Gleich-zeitig erzielen dieselben Gemeinde und Städte eine um40 Prozent höhere Reduktion der CO2-Emissionen alsder Durchschnitt aller Kommunen in Nordrhein-Westfalen. Nimmt man eea-Gemeinden als Grund - lage, die schon länger am Verfahren teilnehmen, ist dieCO2-Reduktionsrate noch viel höher.

Sechs Allgäuer Kommunen ist bislang der European Energy Award (eea) für ihre Energie- und Klimaschutzaktivitäten verliehen worden. Dabei steckt mehr als nur eine Auszeichnung dahinter – nämlich eine laufende Betreuung und Systematisierung der Energiepolitik von Landkreisen, Städten und Gemeinden, die Nachhaltigkeit garantiert. Ein Ansatz, der nicht nur für Einsparungen und sinkende CO2-Emissionen, sondern auch für eine hohe Wertschöpfung vor Ort sorgt. Das belegt eine Studie in Nordrhein-Westfalen.

Der European Energy Award Mehr als nur eine Auszeichnung

Ein Festtag für die mit dem Energy Award ausgezeichneten Kommunen

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Die positiven Effekte für Klimaschutz sind dieeine Seite des European Energy Award. »Die NRW-Studie belegt gleichzeitig, dass eea-Gemeinden ihreEnergiekosten deutlich senken«, erklärt Sambale.Demnach summieren sich die Einsparungen bei denkommunalen Gebäuden und Anlagen in den eea-Ge-meinden Nordrhein-Westfalens auf über sechs Millio-nen Euro pro Jahr. »Ohne dass die Nutzungsqualitätdarunter leidet und die Mitarbeiter in der Verwaltungetwa im Winter in kalten Büros sitzen müssten«, fügtSambale hinzu.

Und einen weiteren interessanten Aspekt fördertedie Evaluierung zutage. In den Jahren 2004 bis 2010ermöglichte der eea eine kommunale Wertschöpfungvon 58,7 Millionen Euro und sicherte rund 92 Arbeits-plätze in den nordrhein-westfälischen eea-Kommu-nen – allein durch die Neuinstallation von Photovol-taik- und Windenergieanlagen, die durch die eea-Teil-nahme über den Landestrend hinaus bewirkt wurde.»Es ist erwiesen, dass Maßnahmen zur Energieeinspa-rung und CO2-Vermeidung vor Ort eine wirtschaftli-che Wertschöpfung auslösen«, sagt Sambale. »Arbeits-plätze werden geschaffen, und ein entsprechendesSteueraufkommen wird generiert.« Diese Erfahrunghabe man auch schon im Allgäu gemacht.

»Die NRW-Studie belegt«, so der eza!-Geschäfts-führer, »dass der European Energy Award nicht nurgut für die Umwelt ist, sondern auch die örtliche Wirt-schaft ankurbelt – und das über einen langen Zeit-raum. Das Konzept garantiert ein hohes Maß anNachhaltigkeit.« Im Fazit zur Evaluierung heißt es un-ter anderem: Kommunen, die den eea bereits übermehrere Jahre anwenden, erzielen in allen Bereichen

deutlich höhere Effekte als Kommunen, die gerade erstin den eea-Prozess gestartet sind. Seine volle Wirkung,so die Schlussfolgerung des Evaluationsteams, entfalteder European Energy Award also über längere Zeit-räume besonders deutlich.

Martin Sambale kann Allgäuer Kommunen nurempfehlen, sich möglichst bald für die eea-Teilnahmezu entscheiden, um schnell und lange von der positi-ven Wirkung zu profitieren. »Die Erfahrungen in deneea-Gemeinden und -Städten, die von eza! betreutwerden, sind überaus vielversprechend. Der EuropeanEnergy Award optimiert die Findung, Planung undUmsetzung von konkreten energie- und klimapoliti-schen Aktivitäten. Und davon profitieren letztlichalle.« Roland Wiedemann

Ob Rathäuser, Schulen, Kindergärten, Ver anstal tungs säleoder Schwimmbäder – der Unterhalt der kommu nalen Lie gen - schaften belastet die Gemeindekassen, vor allem in Zei tensteigender Energiepreise. Die Energie kosten machen bis zu20 Prozent der Gesamt aufwendun gen für diese Lie gen schaf -ten aus. Die Experten vom Energie- und Umwelt zentrum Allgäukommen falsch eingestellten Heizungs- oder Lüftungs anlagenauf die Spur, sorgen für einen energetisch opti mier ten Be trieb,schulen Haus meister und bieten auch eine wert volle Hilfe -stellung bei einer anstehenden Sanie rung an. Nach eigenen Angaben hat beispielsweise die GemeindePfronten nach Einführung des kommunalen Energie manage -ments rund eine Million Euro in zehn Jahren ein sparen kön -nen – bei einem Aufwand von gerade mal 47.000 Euro Kos -ten für die eza!-Dienstleistungen. Letztere werden darüberhinaus auch noch staatlich geför dert. So über nimmt dasBayerische Staatsminis terium für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz im Rahmen des »CO2-Minderungs -programmes für kommunale Liegenschaf ten« 40 Prozentder zuwendungsfähigen Kosten des kommu nalen Energie -managements.

Seit Kurzem können Landkreise, Städte

und Gemeinden eine Förderung durch den

Freistaat Bayern für den European Energy

Award beantragen. Über das CO2-Min -

derungsprogramm des Bayerischen

Staatsministeriums für Umwelt und

Gesund heit wird der eea als Instrument

zur Optimierung der kommunalen Energie-

und Klimaschutzpolitik mit bis zu 40

Pro zent der Kosten für Neueinsteiger und

mit bis zu 50 Prozent bei den Kommunen,

bei denen der eea bereits etabliert ist,

gefördert. Interessant ist, dass Kom -

munen, die an dem European Energy

Award teilnehmen, auch bei Umsetzungs -

projekten wie dem Energiemanagement

für kommunale Liegenschaften vom

Umweltministerium eine höhere Förder -

quote erhalten.

eza! hilft bei der Beantragung von Förder -

geldern für den eea und steht den Kom -

munen in diesem Prozess auch als

Berater zur Seite. Weitere Informationen

gibt es unter www.eza-klimaschutz.de oder

unter Telefon 0831-9602860.

Förderung für den European Energy Award

Wo Gemeinden ständig Geld verlieren

Kundige Beratung durch Fachleute deckt die Energie-fallen in kommunalen Liegenschaften auf

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Windkraft

Bereits ab einer Windgeschwindigkeit von1,5 Metern pro Sekunde gewinnt unsere Anlage Energie«, sagt Entwickler Neil Cook,

Geschäftsführer der MRT (Multi Resource Technolo-gie)-Wind GmbH. Der von ihm mitentwickelte Wind-generator WG 100 mit einer Energiegewinnungs-leistung von 1,3 kW (Nennleistung) ist anders aufge-baut als herkömmliche Generatoren: Das 2,50 Meterhohe Windrad dreht sich nicht wie die bekannten Propeller-Systeme um die Horizontalachse, sondernum die Vertikalachse. »Das bringt den entscheidendenVorteil, dass man völlig unabhängig von der Wind-richtung Strom erzeugen kann. Bei Horizontal-Gene-ratoren muss der Propeller stets in Windrichtungstehen, um eine maximale Ausbeute zu erreichen«,so Cook.

Der WG 100 von MRT ist auf eine jährlicheStromgewinnung von über 1680 Kilowattstunden aus-gelegt, die er bereits bei einer durchschnittlichenWindgeschwindigkeit von vier Metern pro Sekundeerreicht. In Bayern beträgt die durchschnittliche

Windkraft für den Hausgebrauch: Was bisher großenEnergieunternehmen vorbehalten war, wird jetzt auch fürden Privat- und Gewerbehaushalt möglich. Die in Dösingenbei Kaufbeuren ansässige MRT-Wind GmbH hat weltweiteinzigartige Windkraftanlagen für zu Hause entwickelt,die im Betrieb sehr geräuscharm sind und sich, abhängigvon der geografischen Lage, bereits innerhalb von fünf Jahren amortisieren können.

Der Dreh auf dem DachAllgäuer Kraftwerk steht in 33 Ländern

Windgeschwindigkeit fünf Meter pro Sekunde, in hö-her gelegenen Gebieten oder in Küstenregionen liegtsie noch deutlich darüber. Ein Vier-Personen-Haus-halt verbraucht zwischen 4000 und 5500 Kilowattstun-den pro Jahr. Bei einer durchschnittlichen Windge-schwindigkeit von vier bis fünf Metern pro Sekundean vielen Orten im Allgäu lassen sich somit nahezu50 Prozent der Energiekosten sparen.

Mit dem neuen System ermöglicht der gebürtigeWaliser Neil Cook Energiesparen in einer ganz neuenDimension, nicht nur für Privathaushalte oder Unter-nehmen, sondern auch für Gemeinden. »Kleinere Ge-meinden oder auch Gewerbeparks können jetzt lokaleigene Windparks errichten, die mit den herkömmli-chen Windparks nichts mehr gemeinsam haben«, sagtNeil Cook. Die vielen Einwendungen, die derzeit ge-gen die großen Windräder im Allgäu gemacht werden,können bei den geräuscharmen Vertikal-Anlagen ausDösingen nicht ziehen. Im Gegenteil: Mit ihren unter-schiedlichen Designs stellen die Windräder eher eineoptische Bereicherung dar.

Die Liste aller Händlerund weitere Informatio-nen zu den Windgenera-toren von MRT-Wind gibtes unter www.mrt-wind.de. MRT-WindGmbH, Am Kiesgrund 4,D-87679 Dösingen, Tel. 08344/9929997,Mail: [email protected]

Info:

Das Windrad WG 100 von MRT-Wind ist auf den Gewinn von 1680 kW pro Jahr ausgerichtet,bei 4 m/s Windgeschwindigkeit

Windrad für die Bayern:das WG 100 von MRT-Windaus dem Allgäu

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Für den Einsatz der WG-100-Generatoren in Un-ternehmen bieten sich vielfältige Möglichkeiten. »Siekönnen beispielsweise sehr gut als Speicher und Not-fallstromversorgung dienen, für den Fall eines Strom-ausfalls. So wird die Gefahr des Verlustes von wichti-gen Daten ausgeschlossen«, erklärt Cook.

Nicht nur in Deutschland, sondern auch in Asiensorgt die Technologie für Furore. Auch Telekommu-nikationsunternehmen aus Ländern der dritten Welthaben bereits ihr Interesse bekundet, sie wollen mitden Generatoren aus dem Allgäu ihre auf Masten in-stallierten Relais-Stationen autark mit Energie versor-gen. Bisher werden dafür noch Diesel-Generatoreneingesetzt.

In den Industrienationen ist die Selbstversorgungvon Haushalten durch Windkraft auf dem eigenenHausdach in den Augen von Neil Cook ein weitererkonsequenter Schritt zur Unabhängigkeit von Atom-strom. »Wenn die Haushalte ihren Strom selbst gewin-nen, dann brauchen wir wirklich keine Atomkraftwer-ke mehr«, so der Entwickler aus dem Großraum Kauf-beuren. Größtes Potenzial sieht Cook in der Flexibili-tät des Systems: »Wir sind überhaupt nicht limitiert,was die Größe und den Output unserer Generatorenanbelangt. Unsere Lösung ist auch für den industriel-len Einsatz geeignet.«

In der Grundversion, die für Privathaushalte völ-lig ausreicht, kostet der WG-100 mit 1,3 kW Outputetwa 8000 Euro. Eine größere Versionen mit 3,5 kWLeistung befindet sich derzeit in der Entwicklung. Einekleinere Anlage mit der Leistungsstufe 0,5 kW ist inPlanung.

Der WG-100 wird als fertiger Bausatz mit Wind-radsegel, Generator, Inverter sowie Gehäuse geliefertund lässt sich innerhalb eines Tages auf dem Dach ei-nes Hauses installieren. In der Regel erfolgt die Instal-lation des Systems komplett über die Vertriebspartner.Derzeit ist MRT-Wind in mehr als 33 Ländern vertre-ten, unter anderem in Asien, Australien und auch aufHawaii. »Auch in Deutschland weiten wir unser Netzaus«, sagt Neil Cook.

Oben: Neil Cook, Geschäftsführer der MRT-Wind GmbH inDösingen im Allgäu

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Windkraft

Drehende Windspiele und vom Wind ange-triebenes Spielzeug sind seit 1440 aus Eng-land (Whirligig) belegt. Der italienische

Schiffbauer Jacopo Mariano zeichnete im Jahre 1438 einWindrad als Antrieb für einen Ziehbrunnen, und auchLeonardo da Vinci entwickelte 1595 Windräder mitKippschaufeln. Das Prinzip ist also nicht neu. HubertRössle (52), Naturstein- und Baufachmann in Markt-oberdorf, hat es jedoch als »Kunst-Kraftwerk« neukreiert. Die Rössle Bau- und Natursteine AG mit zehnMitarbeitern importiert die unterschiedlichsten Na-tursteine aus der gesamten Welt. Hubert Rössle ist vielunterwegs – seit 20 Jahren auch in China und Vietnam– um auf Messen Neuheiten aufzuspüren.

Auf einer Fahrt durch Italien entdeckte er einfa-che Windräder, die um eine vertikale Achse liefen.Seitdem ließ ihn der Gedanke nicht mehr los, mit die-ser Art von Windrädern Strom für den privaten Sektorzu produzieren. Allerdings überzeugten ihn die vor-gefundenen Windräder nicht. Mit einem chinesischenHersteller in der Wirtschaftssonderzone Shenzhenentwickelte er ein eigenes Windrad, das einen Dar-rieusrotor aus drei Flügeln mit zwei Savoniusturbinenverbindet. Solche Windturbinen verfügen über schau-felförmige, einander überlappende Flügel (auf demFoto rot und blau abgesetzt).

Ein Darrieusrotor wird dank seiner Strömungs-eigenschaften bereits von einem Windhauch in Bewe-

gung gesetzt. Er ist im Querschnitt mit dem einesFlugzeugflügels vergleichbar. Die Savoniusturbine»sitzt« auf einem elektrodynamischen Magnetlager,kann sich also ohne Reibungsverlust durch den Windin Bewegung setzen. Diese sogenannte Maglev-Tech-nik wird u.a. bei der Magnetschwebebahn eingesetzt.Die besondere Aerodynamik und die Leichtlauflage-rung – beide Rotoren bestehen zudem aus Aluminium– sind gemeinsam verantwortlich für eine fast lautloseBewegung und den Leistungserfolg des Generators.Die vertikale Achse ermöglicht einen kontinuierlichenLauf sogar bei wechselnden Windrichtungen. Auch,wenn das Windrad nur einen Teil des benötigtenStroms produziert, wird es sich auf Dauer rentieren,denn der Wind bläst (noch) kostenlos.

Gyrowin steht in sechs Größen von 123 bis 360Zentimeter Durchmesser und 109 bis 353 ZentimeterHöhe zur Verfügung. Er kostet je nach Größe zwi-schen 2000 und 15.000 Euro. Abhängig von der Größeder Rotoren und den vorherrschenden Windge-schwindigkeiten beträgt die jährliche Energieproduk-tion 600 bis 3800 kWh.

Das ist nun nicht unbedingt eine energetischeVollversorgung für Haushalt oder Betrieb. Aber dasansprechende Design und die Faszination der Kreisel-bewegung sind zusammen ein »Hingucker«, der sichzum Beispiel auf Firmengebäuden werbewirksam ein-setzen lässt. Thomas Niehörster

Der Stein-Fachmann Hubert Rössle in Marktoberdorf brachte die Ideevon einem Italien-Besuch mit. Dort sah er einfache Vertikal-Windräderund lies sich faszinieren von der Idee, das Prinzip selbst zu verfeinern.Heraus kam Gyrowin, eine Mischung aus Kraftwerk und Kunst.

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Das Kunst-KraftwerkGyrowin: Ein Windhauch genügt zur Rotation

Hubert Rössle ausMarktoberdorf mit einemModell seines Windrades

Anwendung des Klein-Windkraftwerkes auf einem Gewerbe-Silo

Die Leistung des Rades wird an diesem Panel abgelesen

Ein Windhauch genügtbereits, um das Windrad

anzutreiben

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Ein Kite, eine Spule und ein Kontrollpult sinddie Bestandteile einer neuen, bahnbrechendenMethode zur Energiegewinnung. Das gemein-

same Forschungs- und Entwicklungsprojekt der Empa,der Fachhochschule Nordwestschweiz, der ETH Zü-rich und der EPFL verbindet das Grundkonzept einesKite mit innovativer Technologie. Das Ziel: Strom ausWind. Das ist zwar nichts Neues, heutzutage wirdStrom bereits mit Windrädern produziert, allerdingserreichen diese nur eine Nabenhöhe von etwa 150 Me-tern. Mit dem »Twing« der Empa werden stärkere undregelmäßigere Windströme in bis zu 300 Metern Höhe»angezapft«. Ein wichtiger Bestandteil dazu ist dieTensairity-Struktur, ein tragendes Formelement, dasdas »Center for Synergetic Structures« der Empa er-forscht und entwickelt.

Doppelter Erfolg

Dass Kitepower nicht nur eine Idee ist, sondernauch wirtschaftlich bestehen kann, davon ist »venturekick« überzeugt. Das Programm, das Start-Up-Unter-nehmen unterstützt, investiert 10.000 CHF in das in-novative Projekt. Maximal 130.000 CHF kann ein Pro-jekt während des dreistufigen »venture kick«-Prozes-ses erhalten; die erste Hürde hat das Team nun genom-men. In einem weiteren Schritt wird die Idee mit tat-kräftiger Unterstützung von erfahrenen Unterneh-mern weiterentwickelt und anschließend neu ausge-wertet. Auch in der Öffentlichkeit stößt der innovativeAnsatz auf breites Interesse. So berichteten etwa»ServusTV« und das Schweizer Wissenschaftsmaga-zin »Einstein« in einem ausführlichen Beitrag über dieersten erfolgreichen Testflüge der Kites.

Aus Bewegung entsteht Energie

Das Funktionsprinzip ist einfach: Der Hightech-Kite ist mit Schnüren an den Spulen der Bodenstation

befestigt. Der Kite steigt in luftige Höhe, dadurch ent-steht Zug auf die Seile, die Spule setzt sich in Bewe-gung. Mittels elektromagnetischer Induktion wird ausdieser Bewegung elektrische Energie gewonnen. Hatder Kite seine maximale Höhe erreicht, zieht ihn dieSpule wieder nach unten, und er kann von Neuem auf-steigen. Erste Tests im Berner Jura waren erfolgreich.Ziel des Teams ist es nun, den »Twing« noch effizien-ter zu machen. Die Struktur basiert auf dem ultra-leichten Tensairity-Balken, einem Träger aus Stangen,Zugelementen, einer Membran und Luft mit enormerTragfähigkeit. Dieser Drache soll in Höhen bis zu 300Metern aufsteigen, den sehr starken Windkräftenstandhalten und vielleicht bald unsere Haushalte mitsauberem Strom aus luftiger Höhe versorgen.

Der Strom aus unseren Steckdosen könnte bald von einem fliegenden Hightech-Gerät am Himmel stammen – davon ist man bei Empa, der Eidgenössischen Materialprüfungs- und Forschungsanstalt, überzeugt. Ein innovatives Forschungsprojekt hat zum Ziel, Windenergie mithilfe eines Kite, eines Fluggerätes ähnlich einem großen Kinderdrachen, zu gewinnen

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Den wilden Drachen zähmenSchweizer zapfen Energie in größeren Höhen an

Das Herzstück der Versuchanlage: Die Zugkräfte werden in diesem Fahrzeug-Aufbauin Energie umgesetzt

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Windenergie

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Nicht nur der neue Film von Leo Hiemer »Heimat unter Strom«, der derzeit in den Allgäuer Kinos läuft, auch die deutsche Luftfahrt und das wetterwendische Verhalten des bayerischen Ministerpräsidenten Horst Seehofer haben für heftigen Gegenwind imPlanungsverband 16 gesorgt. Dort sollten bis Oktober 2013 die Vorrang-Gebiete fürWindkraftanlagen im Allgäu festgelegt werden. Planungsverbandsvorsitzender StefanBosse hat jetzt entschieden: »Die Planung liegt auf Eis.«

Sand im GetriebeViel Gegenwind für die Windkraft

Mit Engelszungen stellte der Oberbürger-meister der Stadt Kaufbeuren in vielenInfo-Veranstaltungen die Notwendigkeit

dar, Vorranggebiete für Windkraftanlagen im Allgäuzu finden, um Wildwuchs und den großen Energie-konzernen Einhalt zu gebieten. Als Vorsitzender desPlanungsverbandes war es seine Aufgabe, den Auftragder bayerischen Staatsregierung durchzuziehen. Bosseund die Mitglieder des Planungsausschusses stelltensich in diesen Veranstaltungen der Kritik von Wind-kraftgegnern und Bürgerinitiativen. Bosses großes Ta-lent zu Sachlichkeit verhinderte manche Eskalation.

Wenn Bosse jetzt klarstellt: »Unsere Planungenliegen auf Eis«, tut er dies mit der gleichen Sachlich-keit. Eigentlich müsste er bitterböse sein. Die Bayeri-sche Staatsregierung hat ihm vor zwei Jahren diesenmühevollen Auftrag erteilt, und kurz vor der Wahl hatder Ministerpräsident höchstpersönlich die Arbeit al-ler bayerischen Planungsverbände in die Tonne getre-ten. Allen Planspielen lag zugrunde, dass zwischenWindkraftanlagen und den nächsten Siedlungen min-destens 600 Meter Distanz liegen müssen. Horst See-hofer machte mit seiner Gesetzesinitiative daraus ineinem Handstreich 2000 Meter. Damit waren alle Un-tersuchungen der Planungsverbände auf einen SchlagMakulatur.

Alex Hilbig vom Bundesverband Windenergiesprach aus, was viele denken: »Die Staatsregierung istbei der Windenergie genauso zurückgerudert wiebeim Atomausstieg. Wir haben die ausgereifte Tech-nik, wir haben die Firmen, die die Anlagen bauen, In-vestoren und ein Emissionsgesetz. Wenn alle dahintergestanden hätten, wäre die Energiewende zu schaffen

gewesen.« Sollte Seehofer mit seiner GesetzesinitiativeErfolg haben, blieben in Bayern nur wenige Standortefür Windräder übrig.

Aber nicht nur die Kehrtwende von Horst See-hofer, auch der Einspruch des Luftamtes Süd, das kei-ne weiteren Windräder in einem Radius von 15 Kilo-metern um das Drehfunkfeuer Kempten herum mehrzulassen will, hat die Suche nach Vorranggebieten fürWindkraftanlagen belastet.

Leo Hiemer zeigt in seinem Film auf, dass dieEnergiewende langfristig mit Energiesparen und mitder Speicherung von Energie zu schaffen wäre. Er er-hält dafür viel Applaus. Doch leider sind die Erfolgeauf beiden Gebieten noch nicht ausreichend. Derscheidende Oberallgäuer Landrat Gebhard Kaiserstellt frustriert fest: »Ein Windrad kann man nach 25oder 30 Jahren wieder abbauen. Bei der Atomkraft istdie Frage der Endlager nach wie vor ungeklärt.«

Derzeit werden vor allem in den deutschen Küs -tengebieten und sogar in der Nordsee Windkraftanla-gen gebaut. Dort wird schon ein Vielfaches der benö-tigten Energie »geerntet«. Allerdings fehlen die großenÜberlandleitungen, die Stromautobahnen, die diesenstromo zu uns bringen könnten. Und wenn die kom-men, dann werden sie sicher von den globalen Kon-zernen »durchgesetzt« – zu Lasten der Menschen, diediese Leitungen »aufs Dach« bekommen.

Die Energiewende mit regionalen Lösungen istins Stocken geraten. Es fehlt an der nötigen koordinie-renden Hand und am festen Willen, bürgernahe Lö-sungen zu finden. Vielleicht wäre es doch besser ge-wesen, die Windräder in der Region als »Übergangs-technologie« zu akzeptieren. red

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Der Bundesverband Windener-gie hat eine Zusammenstellungvon kleinen Windenergie-An -lagen herausgebracht. Der Rat-geber vermittelt umfassendesWissen und auch für Laien ver-ständliche Informationen zu denwichtigen Aspekten von Klein-windanlagen. Zu empfehlen istdie Lektüre für alle, die sich mitdem Gedanken tragen, eineKleinwindanlage zu betreibenoder zu integrieren. BesondersEinsteiger können sich mit die-sem Handbuch binnen kürzesterZeit einen neutralen Überblickverschaffen. Der Leser gewinnteinen ehrlichen, realen Einblickin die Thematik. Anschließendgehen die Verfasser auf die Pla-nung ein: worauf bei der Stand-ortauswahl zu achten ist, welcheFehler gerne begangen werdenund wie sich diese vermeidenlassen, mit welchen bürokrati-schen Hürden zu rechnen istund wie sich die Anlagen mitHilfe der KfW finanzieren las-sen. Die Publikation nimmt denLeser an die Hand und hilft ihm,

sich zu orientieren. In punctoPraxis liegt der Rat geber ganzweit vorne. Es gibt einen Leit -faden für die erste grobe Planung.Auch zu möglichen Fallstrickenund Speicherlösungen gibt es ei-nige Seiten. Wer vor lauter Para-grafen nicht weiß, wo er anfan-gen soll, wird sich sehr freuen:Wertvolle Hinweise zum Geneh-migungsrecht sind ebenfalls ent-halten. Der hintere Teil des Buches be-steht aus einer qualitativ hoch-wertigen und objektiven Markt-übersicht der gängigen Modellevon Kleinwindenergieanlagen.Die über 130 Datenblätter ent-halten Herstellerangaben zu Leis -tung, Ertrag, Preis und techni-schen Details wie Anlagentypen,Anzahl der Rotorblätter, Naben-höhe usw. Enthalten ist eine CD-ROM mit Programm zur Be-rechnung der Wirtschaftlichkeit.

Format: DIN A5, Hardcover,

332 Seiten, Preis: 32 Euro.

ISBN: 978-3942579179

Fachliteratur

Kleinwindanlagen in einemBuch miteinander verglichen

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E-Mobil

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Vor knapp 23 Jahren an der Großglockner-Hochalpenstraße. Auf 1800 Metern Höheklatschen schwere Regentropfen auf den

Teer. Ein hochroter Kopf mit verzerrtem Gesichttaucht in der Kurve auf. Der Rest des Mannes ist ver-deckt von zwei seitlichen Solarpaneelen. Im Vorbei-fahren wird deutlich: Der Kopf gehört einem Sitz radler,der ächzend in die Pedale tritt. Hinten am Radschleppt er ein schweres Paket – unschwer als großeBatterie zu erkennen. Der Radler verschwindet imNebel der Passstraße. Schon huscht ein ulkiges Dreiradvorbei und dann ein Fiat 500 – langsam, als wolle erauf den nächsten Metern jegliche Kraft aushauchen.

Fast 80 Fahrzeuge waren damals gemeldet, bei einer der ersten E-Car-Rallyes der Welt. Die meistenwaren entweder umgebaute Kleinwagen oder aber Ei-genkonstruktionen mit schweren Batterien und aus-

klappbaren Solarpaneelen. Drei Tage waren die Pio-nierkisten unterwegs, 300 Kilometer Strecke von Salz-burg über den Großglockner an den Wörthersee. Undtrotz zweier Ladestationen über Nacht kam mehr alsdie Hälfte der Fahrzeuge nicht am Ziel an. Selbst Mus-kelkraft und Sonnensegel konnten nicht helfen, diekurvigen Bergstrecken zu bewältigen. Eindrucksvollfür die Zuschauer war es aber auf jeden Fall. Da gabes futuristische Dreiräder, Autos mit kraftstrotzendenBatteriepaketen beladen, und Fahrräder mit breitenSonnenkollektoren, denen man problemlos das Flie-gen zugetraut hätte.

Elektro-Pkw gleich »lahme Ente«?Wie sich die Zeiten ändern: Er hat moderne, aber

keinesfalls auffällige Formen. Und seinem Namen Zoe (altgriechisch: Leben) wird er erst gerecht, wennman sich ans Steuer setzt und das Gaspedal tritt. Werallerdings glaubt, dass nun der Motor des schwarzenKompaktwagens aufheult und das volle Leben heraus-brüllt, der sieht sich getäuscht. Unser Renault Zoe setztsich annähernd lautlos in Bewegung. Aber wie! Manist geneigt, »Nachbars Katz’« als Beispiel zu zitieren.Damit geht bereits das erste Vorurteil über Bord: Von wegen Elektroauto – lahme Ente. Der Zoe be-schleunigt gewaltig. Und dabei nahezu lautlos. Werschon mal Automatic gefahren ist, wird sich sofort

Welch eine Entwicklung hat in den letzten 25 Jahren bei E-Mobilen stattgefunden: Aus den futuristischen rollenden Batteriegestellen sind echte Autos geworden, die für viele Nutzerbereits einen vollwertigen Ersatz für Benzinkutschen darstellen.Die allgäuALTERNATIV-Redaktion hat einen Renault Zoe auf Alltagstauglichkeit überprüft. Hier unsere Erfahrungen.

Geräuscharm und bärenstarkallgäuALTERNATIV testet den Renault Zoe

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wohlfühlen – alle anderen müssen bei der Probefahrtmit zwei Besonderheiten klarkommen: mit dem feh-lenden Motorgeräusch und mit dem fehlenden Kupp-lungspedal. Doch daran gewöhnt man sich schnell.Nach den ersten Kilometern Probefahrt löst sich daszweite Vorurteil in Luft auf: E-Fahrzeuge sind nur et-was für den Stadtverkehr. Auf dem Land wie bei unsim Allgäu, mit weiteren Strecken, Hügeln und Berg-strecke, geht den E-Mobilen doch die Puste aus. Un-sere Mitarbeiter haben es ausprobiert: mal schnell zueinem Pressetermin am Berg in Oberstdorf-Reichen-bach. 120 auf der Schnellstraße nach Sonthofen, flottdie schmale Bergstraße hoch – nach 33 Kilometernzeigt der Bildschirm am Armaturenbrett gerade malzehn Prozent weniger Energiereserve an.

Faszinierende DatenfülleEine Anzeige, die man als E-Car-Neuling übri-

gens öfter beobachtet als den Verkehr in den beidenAußenspiegeln. Neben der Geschwindigkeit fasziniertdie halbrunde Anzeige des Energieverbrauches. Gehtman aufs Gas, springen schnell alle Leuchtdioden an.Lässt man das Auto rollen, geht die Anzeige »zufrie-den« zurück. Daneben wird der Ladezustand der Bat-terie in Prozent angezeigt. Und die restliche Reich -weite in Kilometern. Fahrer, die Benzin- oder Diesel-kutschen gewöhnt sind, interessieren sich für dieseAnzeige besonders. Denn fährt man am Limit (derZoe riegelt bei 140 km/h ab), kann man zusehen, wiedie Rest-Reichweite Prozent für Prozent abnimmt. MitBleifuß kann nach einer Strecke von 100 Kilometernbereits der kritische Bereich erreicht sein – im Wintersogar noch eher: Jetzt heißt es möglichst schnell eineStromzapfsäule aufsuchen.

Schon nach der zweiten oder dritten Tank -füllung – eh, dem Besuch an einer Stromsäule – ent-deckt der Zoe-Fahrer ein neues Hobby: Wie fahre ich,damit ich möglichst viel Reichweite übrig habe? Einvöllig neues Fahrgefühl, das man zwar mit Benzinernauch haben könnte – aber so deutlich wie im E-Mobilwird einem die Sparsamkeit dort nicht angezeigt. Werlässt bergab schon sein »Normalauto« rollen? BeimZoe wird »rollen lassen« schnell zum Sport. Denndann nutzt das Auto die Abwärts-Energie zum Rück-laden der Batterie. Bei längeren Abfahrten freut mansich, wenn plötzlich ein Energie-Prozent hinzukommt.Wie bei vielen Benzinautos kann man auch den Zoeim Öko-Modus fahren, den man wie beim Automa-tik-Fahrzeug über den Schaltknüppel einstellt. Hatman es wirklich mal eilig, gibt es auch eine »sportli-che« Einstellung an diesem Hebel.

Kurzinfo zu Auto und BatterieDer Renault Zoe wird als »eine neue ÄraAuto« vorgestellt. Dabei sind seine wichtig s -ten Kenndaten kaum anders als bei »norma-len« Pkw. Die drei angebotenen Varianten»Life«, »Intens« und »Zen« sind Ausstattungs -varianten – alle haben einen 68-kW-Motor(88 PS) und können über einen Wahlhebel in unterschiedlichen Modi von sparsam bissportlich gefahren werden. Die Preise fürdiese Varianten liegen zwischen 21.700 und23.500 Euro. Allerdings kommt dazu jeweilsnoch die mo nat liche Miete für die Batterie.Bei der Batte rie können Jahres-Laufzeitenzwischen 12.500 und 30.000 Kilometern

gebucht werden. Eine weitere Staffelung

erfolgt zwischen 12 und 48 Monaten. Je

nach gebuchtem Paket liegen die Monats -

mieten zwischen 79 und 162 Euro. Dafür

bekommt man aber auch die Leistungs -

garantie. Das bedeutet: Fällt die Leistung

der Batterie unter 75% der Neu-Leistung,

wird sie ausgetauscht.

Bei der Z.E.Assistance, die im Mietpreis

enthalten ist, handelt es sich um eine

kostenfreie Pannenhilfe inkl. Mobilitätslösung.

Bei Energieausfall werden Sie bis zu 80

Kilometer weit zum nächsten Ladepunkt

abgeschleppt.

Digitaler Komfort wird großgeschrieben: Radio undNavigation (Foto links oben), sensorische Einparkhilfe(darunter) und die Anzeige der Rest-Ladung. Das zurVerfügung stehende Tankstellennetz ist über die Appauf dem Smartphone abrufbar

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Die Hersteller von Renault geben eine Höchst-reichweite von 210 Kilometern zwischen den Ladehal-ten an. Wir haben es auf unseren Allgäuer Straßen aufknapp 150 Kilometer gebracht – allerdings hatten wirauch immer eine Reserve auf der Batterie-Anzeige,und das ist auch gut so. Denn nicht immer geht an derStromsäule alles glatt. In Immenstadt schafften wir es nur mit sanfter Gewalt, den Stecker in die Säule zubekommen – an der freien Steckdose behinderte unsder Mast eines Verkehrsschildes. Und am Forum inKempten fanden wir zwar einen freien, gut zugäng -lichen Steckplatz – jedoch der dazugehörige Parkplatzwar von einem frechen Spritfresser belegt. Auch wenndas Netz der Tanksäulen im Display an der Mittelkon-sole und sogar die freien Ladesäulen (per Handy/App)abgerufen werden können – nicht immer ist störungs-freies Laden möglich. Gut handelt, wer Reserven biszur nächsten Säule hat. Übrigens: Im Allgäu gibt esschon mehr davon als in anderen Regionen.

Geladen wird überwiegend zu Hause Die meisten Zoe-Interessenten werden sich so-

wieso eine sogenannte »Wallbox« (3,7 kW/rund sechsStunden Ladezeit) in der heimischen Garage installie-ren. »Volltanken« findet dann überwiegend an der eigenen Steckdose statt. Problematisch für den einenoder anderen Mieter oder Tiefgaragen-Nutzer: Ist überhaupt Strom dort vorhanden, und erlaubt derVermieter die Installation? Wie erfolgt die Abrech-nung, die Stromzählung?

An der AÜW-Station in Kempten stand unserZoe bereits nach 45 Minuten wieder auf »startklar«.Renault hat ziemlich raffiniert mit einem weiterenNachteil aufgeräumt: »Die Batterie lässt doch schon

bald nach. Dann werden die Fahrzyklen immer klei-ner.« Doch für den Zoe gibt es nur »Mietbatterien«,die – wenn sie erkennbar schwächer werden (wenigerals 75% der ursprünglichen Leistung) – kostenlos aus getauscht werden. Allerdings sind die Mietbatte-rien derzeit noch nicht besonders günstig .

Mobile Hilfe und umfangreicher ServiceWenn alle Stricke reißen und man bleibt doch

mal stehen, bietet Renault einen mobilen Hilfsdienstan. Überall und zu jeder Zeit wird das Auto zur nächs -ten Ladestation geschleppt. Und selbst, wenn man einelange Urlaubsreise-Strecke plant, hat der Autoherstel-ler eine pfiffige Idee: Er stellt dem E-Mobil-Nutzer da-für ein Miet-Auto mit Benzin- oder Dieselmotor zugünstigen Konditionen zur Verfügung. Damit nichtgenug: Über das mannigfaltige Service-Paket infor-miert man sich am besten beim Händler vor Ort. Diemeisten Hilfs- und Dienstleistungen stellt man sich gemeinsam mit dem örtlichen Anbieter individuell zusammen: Garantien aufs gesamte Fahrzeug je nachKilometerleistung und Alter.

Die Zeiten, als die dreirädrigen Batterie-Kistenmit ihrem futuristischen Outfit sich keuchend durchRegen und Schnee über den Großglockner schleppten,sind endgültig vorbei. Die Energiezukunft hat Einzuggehalten – und sie wird noch manche Über raschungfür uns bringen. Eines allerdings haben wir heuteschon erreicht: Autos können ohne CO2-Ausstoß be-trieben werden. Am umweltfreundlichen Umfeld (Ei-genstrom-Erzeugung), an verbesserten internen undexternen Stromspeichern und Optimierung der Nut-zung (Car-Sharing, Langstrecken, E-Nutzfahrzeuge)wird weiter gearbeitet. red

Meist werden die Nutzerdes Zoe ihr Auto zu Hauseladen. Aber auch die Nut-zung der Strom-Tankstellenist bei weiteren Fahrten perKarte problemlos machbar.Unsere Fotos enstanden an der AllgäuStrom-Mobil-Säule am lmmenstädterKirchplatz

InfoDen Test-Renault-ZOE hat uns das Allgäuer Autohaus Sirch zurVerfügung gestellt. Wir danken für dieUnterstützung.

Autohaus SIRCH GmbHGewerbestr. 187439 KemptenTel. 0831-580010

Autohaus SIRCH GmbHDr.-Karl-Lenz-Str. 2787700 MemmingenTel. 08331-96840

Auto SIRCH GmbHHauptstr. 73a86871 RammingenTelefon: 08245-2504

[email protected]

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E-Bike

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Was bei Geländewagen und Fahrzeugender oberen Mittelklasse keine Seltenheitist, könnte in einigen Jahren auch bei

E-Bikes und E-Motorrädern zum Standard werden.Am Institut für Mess-, Regel- und Mikrotechnik derUniversität Ulm entwickelt Dr. Michael Buchholz einrein elektrisch betriebenes Kleinkraftrad, das durcheinen zusätzlichen Antriebsmotor am Vorderrad agilerund vor allem sicherer werden soll. In etwa drei Jahrensoll ein batterieversorgter Prototyp auf Teststreckenerprobt werden – mit einer Geschwindigkeit von biszu 45 Kilometern pro Stunde und einem zusätzlichenFreiheitsgrad gegenüber herkömmlichen Elektrozwei-rädern.

Die Herausforderungen: Das E-Bike muss weiter -hin einfach zu bedienen sein, und der Kaufpreis sollerschwinglich bleiben. »Wie kann ein Zweirad mit rei-nem Elektroantrieb in allen Fahrsituationen sicher be-trieben werden, wenn beide Räder durch je einenElektromotor mit einer funktionsintegrierten Gesamt-steuerung angetrieben werden?« fasst Michael Buch-holz das Forschungsvorhaben der Uni Ulm zusammen.

Bis die innovativen Zweiräder auch wirklich ver-kehrstüchtig sind, liegt noch viel Arbeit vor den UlmerIngenieuren. In der Versuchshalle an der Universitätsteht bereits ein Testfahrzeug für Messungen zur Verfügung. Während die Ingenieure tüfteln, erobernherkömmliche E-Bikes die Metropolen der Welt – bes -te Startbedingungen also für den Allradler.

Und so soll das Elektrorad der Zukunft funktio-nieren: Am Fahrzeug angebrachte Sensoren erfassen,in welcher fahrdynamischen Situation sich das E-Bikebefindet, und leiten diese Informationen an ein Steuer -gerät weiter. Dann berechnet eine Software wahr-scheinliche Aktionen des Fahrers und sendet entspre-chende Signale an zwei Elektromotoren, die Vorder-und Hinterrad unabhängig voneinander antreibenoder abbremsen, oder an eine zusätzliche Reibbremse.Die beiden Motoren dienen nicht nur dem Antrieb,sondern auch der Energierückgewinnung. Das E-Bikewird über den Lenker gesteuert, der Führer kann jeder -zeit die Kontrolle übernehmen – mechanische Not-bremsungen sind also möglich. Ein solches Elektro-kraftrad würde wohl ein besseres Fahrverhalten auflaub- oder schneebedeckten Wegen zeigen.

Im Entwicklungsprozess sind die Ulmer Ingeni -eure für die Informations- und Kommunikations -technik zuständig: Dabei haben die Wissenschaftlerstets die Energieeffizienz im Blick. Bei der konkreten

Umsetzung des allradgetriebenen Demonstrators kom-men die Projektpartner ins Spiel: »Gigatronic Techno-logies« stellt Entwicklungsleistungen und Kompetenzim Bereich der Leistungselektronik und im Batterie -management zur Verfügung. Die Firma IPDD fördertdas Projekt mit vielfältigen Entwicklungsarbeiten –unter anderem mit einer elektrisch betätigten Fahr-bremse. ID-Bike, Hersteller des E-Motorrades Elmoto,baut die Versuchsfahrzeuge auf.

Gemeinsam wollen sie nach etwa drei JahrenProjektlaufzeit entscheiden, ob es einen Markt für diehochgerüsteten Zweiräder gibt. Aktuell arbeiten etwa25 Wissenschaftler in verschiedenen Projekten. Dr.Michael Buchholz leitet in Ulm am Institut den For-schungsschwerpunkt Elektromobilität. idw/red

E-Bikes mit Allradantrieb? Was verrückt klingt, könnte in einigen Jahren zum Standard werden. Gemeinsam mit Industriepartnern tüfteln Ulmer Ingenieure an einem Versuchsmuster, das sicherer und agiler als konventionelle Elektrokrafträder sein soll. Dabei muss das innovative Zweirad natürlich erschwinglich bleiben.

Volle Kraft auf zwei RädernDas Rad denkt – der Mensch lenkt

Die Software eines E-Bikes mit Allradantrieb wird derzeit in der Universität Ulm auf Herz und Nieren getestet

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E-Flugzeug

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Das Batterie-elektrische Forschungsflugzeuge-Genius des Instituts für Flugzeugbau (IFB)der Universität Stuttgart wurde Anfang Sep-

tember als Einstimmung auf den Wettbewerb GreenSpeed Cup in Straußberg bei Berlin auf dem Luftwegvom Flugplatz Kornwestheim/Pattonville in das 560Kilometer entfernte Straußberg überführt. Bereits beimZwischenstopp zum Nachladen in Dessau hatte der e-Genius den ersten Weltrekord aufgestellt: 393 Kilo-meter Distanz hatte zuvor noch kein Batterieflugzeuggeschafft. Gleich am ersten Wertungstag des Green

E-Mobilität findet nicht nur am Boden statt. Ein Blick in die Forschungsabteilungen der Universitäten in der Allgäuer Nachbarschaft zeigt, dass E-Mobilität auch in die Luft geht. In Stuttgart werden neue Dimensionen in der Luftfahrt erobert: Das batteriegetriebene Forschungsflugzeug e-Genius stellte beeindruckende Rekorde auf.

E-Genius auf Wolke siebenWie die Batterie das Fliegen lernt

Speed Cups musste sich der e-Genius mit einer Tages-aufgabe von 405 Kilometern nochmals steigern. Dochauch diese Reichweite bewältigten die IFB-Pilotenerfolg reich und steigerten am 6. September 2013 denReichweitenrekord für Batterieflugzeuge ein zweitesMal.

Im Verlauf des Wettbewerbes hatten die konventio -nell motorisierten Konkurrenten keine Chance gegendas Stuttgarter Energiesparwunder: Bei gleicher Reise -geschwindigkeit verbraucht der E-Flieger nur einFünftel der Energie im Vergleich zu herkömmlichenZweisitzern. Noch ist der e-Genius nur ein zweisitzigerPrototyp, doch IFB-Professor Rudolf Voit-Nitsch mannist zuversichtlich, dass die Forschungsergebnisse inZukunft auch für größere Flugzeuge Verwendung fin-den: »Wir können mit dem e-Genius zeigen, dass derelektrische Antrieb im Flugzeug zuverlässig, lärmarmund mit herausragender Energieeffizienz funktioniert.Dies wird für zukünftige Flugzeuge z.B. im Zubringer-verkehr von Bedeutung sein, der heute noch überwie-gend durch Turboprop-Flugzeuge bedient wird.«

Das Elektroflugzeug e-Genius wurde unter derLeitung von Prof. Rudolf Voit-Nitschmann am Institutfür Flugzeugbau entworfen und gebaut. Der erfolgrei-che Erstflug wurde im Mai 2001 absolviert. e-Geniusist das zurzeit leistungsfähigste Batterieflugzeug welt-weit, hat eine Spannweite von 16,85 Metern, eineStartleistung von 65 Kilowatt bei ca. 900 KilogrammAbflugmasse. Die Akkupacks können 56 Kilowatt-stunden elektrische Energie speichern und tragen dabei 300 Kilogramm zur Abflugmasse bei. Die Rekord -distanz absolvierten die Piloten mit einer Durch-schnittsgeschwindigkeit von 160 Stundenkilometernund benötigten dabei ein Energieäquivalent von um-gerechnet einem Liter auf 100 Kilometer. red/idw

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Obwohl das Versuchsflugzeug einem Segelflugzeug ähnelt,bringt es abflugbereit 900 kg auf die Waage. 300 kg wiegenallein die Batterien (auf der Skizze hinter dem Piloten)

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E-Solar

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Der PowerCore SunCruiser ist in der in die-sem Jahr neu geschaffenen Cruiser-Klasse anden Start gegangen und musste sich gegen

sieben andere Solarfahrzeuge durchsetzen. Souveränund nahezu pannenfrei erreichte der deutsche Solar-renner Anfang Oktober nach einer Fahrzeit von 41Stunden und 38 Minuten als dritter in der Cruiser-Klasse das Ziel. Doch dieses Ergebnis war noch nichtdas Endresultat. Denn mittels einer Formel wurdenverschiedene Aspekte in die Klassen-Wertung einbe-zogen, etwa auch die Personenkilometer, also die An-zahl der Mitfahrer multipliziert mit der gefahrenenStrecke.

Während die meisten Teams der »BridgestoneWorld Solar Challenge«, der diesjährigen Weltmeister-schaft der Solarfahrzeuge in Australien, bereits direktnach dem Rennen Gewissheit über ihr Abschneidenhatten, musste das Bochumer Team um den Power-Core SunCruiser einen Tag länger warten, bis es wuss-te: »Wir sind Vizeweltmeister!« Erst bei der offiziellenAbschlussfeier des Events in Adelaide wurde das Urteilder Wettbewerbsjury bekanntgegeben. Und das Ergeb-nis war denkbar knapp. Das holländische Team ausEindhoven mit ihrem Viersitzer »Stella« lag klar mit97,5 Prozent vorne, Bochum folgte mit 93,9 Prozent,auf Platz drei dann das Sunswift-Team aus Sydney mit92,3 Prozent.

Warum mussten die Teams in der Cruiser-Klasselänger auf das Endergebnis warten? Eine Fachjurymusste die Eigenschaften gesondert beurteilen, die die neu eingerichtete Cruiser-Klasse besonders aus -zeichnet: die Alltagstauglichkeit der Solarautos. Undhier konnte das blaue Coupé aus der Bochumer Solar-rennwagen-Schmiede eindeutig punkten. Besondersdie Antworten auf die »Sonntagsfrage« für die Jury,

Der »PowerCore SunCruiser«, ein deutsches Solar-Auto, hat bei der WorldSolar Challenge in Australien Alltags-tauglichkeit unter Beweis gestellt. Es belegte den zweiten Platz auf der 3020 Kilometer langen Rallye-Strecke von Darwin nach Adelaide.

»Wir sind Vizeweltmeister!«3000 Kilometer durch Australien

nämlich, welches Fahrzeug unter den Konkurrentenaus aller Welt sie am ehesten selbst kaufen würden, fie-len zugunsten des SunCruiser aus.

Mit unterschiedlichen Strategien waren die dreiHauptkonkurrenten der Cruiser-Klasse angetreten:Hatten die Eindhovener mit ihren vier Sitzen auf eingroßes Platzangebot gesetzt, erfuhr sich das australi-sche Team mit seinem schnellen Wagen »eVe« die beste Fahrzeit. Mit dem PowerCore SunCruiser setztedas Team der Hochschule Bochum nicht zuletzt aufdie Energieeffizienz ihres Fahrzeugs. Das wichtigsteElement dabei: die selbstentwickelten Motoren mitElektroband von Hauptsponsor ThyssenKrupp. DiesesMaterial ist ein spezieller weichmagnetischer Stahl,der vor allem in Motoren zur effizienten Energieüber-tragung eingesetzt wird.

»Der zweite Platz ist ein super Ergebnis – nie warein deutsches Team unter den ersten drei bei der Welt-meisterschaft der Solarmobile!« freut sich Stefan Spy-chalski, der das SolarCar-Projekt an der BochumerHochschule seit gut zehn Jahren und auch vor Ort inAustralien begleitet.Fo

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Der SunCruiser einsam auf der 3000-Kilometer-Streckezwischen Darwin und Adelaide(oben) und bei der Siegesfeier in Adelaide (unten)

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E-Bike

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Mit dem Flykly haben New Yorker Erfindereine Nachrüstmöglichkeit für Fahrräderentwickelt, die dadurch zu Elektrofahrrä-

dern werden sollen. Auf der Radnabe des mit vier Kilo -gramm vergleichsweise leichten Hinterrades mit einer26- oder 29-Zoll-Bereifung steckt zwischen den Spei-chen nicht nur ein besonders flacher 250-Watt-Elektro -motor in einem robusten Gehäuse, sondern auch nochein 36-Volt-Lithium-Ionen-Akku, der für eine Reich-weite von ungefähr 50 Kilometern sorgen soll.

Die maximale Unterstützung reicht bis zu 25Stundenkilometern. Der Akku wird direkt am Rad geladen. Durch Rekuperation (Rückladung) lässt sichder Akku, der eine Lebensdauer von 1.000 Lade -vorgängen aufweisen soll, auch beim Rollen des Radesfüllen. Das Flykly kann allerdings nicht mit einer Ketten- oder Nabenschaltung kombiniert werden,sondern lässt sich nur an Ein-Gang-Fahrrädern nut-zen. Das ist ein deutlicher Nachteil gegenüber her-kömmlichen Pedelecs. Man stelle sich vor, Opas Wan-derrad wird durch einfaches Austauschen des Hinter-rades zum E-Bike! Allerdings ist das Bike auch nachder Montage des Hinterrades weiter ein Ein-Gang-Rad. Gangschaltung ist nicht vorgesehen.

Der Radfahrer benötigt auch noch ein Smart -phone, das mit Hilfe der beigelegten Lenkerhalterung

mit eingebautem Akku-Frontlicht befestigt wird. DerAkku kann über den Dynamo geladen werden undversorgt auch das Smartphone mit Strom, das perBluetooth Kontakt zum Hinterrad hält. Die App sollfür iOS, Android und die Pebble-Smartwatch erschei-nen.

Die App dient dazu, die maximale Unterstützungdes Elektromotors zu programmieren. Das ist bei an-deren Pedelecs auch möglich, allerdings nicht mit demSmartphone, sondern mit einer Steuerung, die am Raddauerhaft befestigt wird. Daten zur Fahrgeschwindig-keit, dem Akkustand und der zurückgelegten Streckewerden von der App ebenfalls visualisiert. Die Strecken -daten können auch mit Freunden geteilt werden. Werwill, kann über die App auch eine Wegfahrsperre ak-tivieren. Und einen ganz besonderen Vorteil hat dieErfindung des Amerikaners noch zusätzlich: Wird dasRad gestohlen, kann man es mit dem Smartphone orten und wiederfinden – am besten gleich in Beglei-tung der Polizei!

Ein Flykly kostet 590 US-Dollar (ca. 440 Euro)im weltweiten Versand. Der Minicomputer, auf demdas Smartphone befestigt wird, kostet noch einmal 59Dollar (ca. 43 Euro). Beim Import nach Deutschlandkommen noch der Zoll und Steuern dazu. Die Aus -lieferung soll im Mai 2014 beginnen. red

Das Hinterrad Flykly macht aus jedem normalen Fahrrad ein Pedelec. Neben dem Motor befindet sich auch der Akku in der Radnabe. Gesteuert wird die Elektronik per Smartphone am Lenker über eine App. Der amerikanische Tüftler Nico Klansek revolutioniert die E-Bike-Szene.

Die Kraft aus dem HinterradNormale Fahrräder werden motorisiert

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Durch den Wechsel desHinterrades wird ein Ein-Gang-Rad zum E-Bike

Nico Klansek, der Erfinder des Flykly, ermöglicht es,

aus einem einfachen Fahrradein E-Bike zu machen

Das Smartphone regelt, wie stark die Unterstützung

beim Fahren sein soll

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Um den kulturhistorischen Wert der Technik-geschichte unserer Heimat zu sichern undihn zugleich für den Tourismus zu erschlie-

ßen, entwickelten rührige Menschen in Pfronten dasProjekt »Allgäuer Mächlerwelten«. Ein Team um FritzHaff-Winkelmann, Lars Christian Kink und ManfredWünsch hatte bereits wertvolle Vorarbeit geleistet. Alserster Schritt wurde eine Ausstellung von Mächlerar-beiten im August 2013 in der Mittelschule organisiert,die bis auf wenige hervorragende Mächler-Exponatejedoch eher Hobbyarbeiten zeigte.

Um das Projekt »Allgäuer Mächlerwelten« rea-lisieren zu können, wurde ein Antrag auf Förderungdurch das LEADER-Programm gestellt. Von LEA-DER gab es nun grünes Licht für die Förderung der»Allgäuer Mächlerwelten«. Zum Sichern von Expo-naten, Erstellen von Fotodokumentationen undZeitzeugen befragungen sind Kosten von rund 70.000Euro notwendig. Dafür wurden 33.000 Euro Förder-gelder aus dem LEADER-Programm zur Verfügunggestellt. Die Ton- und Videoaufzeichnungen werden,

so Ethelbert Babl, der LEADER-Manager, Sendequa-lität beispielsweise für das Bayerische Fernsehen ha-ben. Wichtig war der Projektgruppe vor allem der»Forschungsansatz von unten«.

Ein Haus voller TechnikZiel ist ein eigenes Haus, in dem die Exponate

nach heutigem Standard präsentiert werden können,um damit Pfronten auch touristisch als »Tal der Tüftler« zu vermarkten. Als eine der ersten spendetedie Firma Haff historische Werkzeuge im Wert vonrund 130.000 Euro. Teilweise stammen die Reißzeugewie Zirkel und Zeichenfedern, die mathematischenGeräte wie Planimeter, mit denen man Flächeninhaltebestimmen kann, aus der Gründungszeit des Unter-nehmens.

Die Haff GmbH in Pfronten ist ein traditionsrei-ches Familienunternehmen, das weltweit bekannt istals Entwickler und Hersteller von feinmechanischenInstrumenten. Als Bayern nach den napoleonischenKriegen erstmals umfassend kartiert wurde, entwik-

In Pfronten entstand durch Pioniergeist, Erfindungsreichtum und Geschick seiner Einwohner ein industrieller Aufschwung. Bis heute sind die Feinmechanikund der Maschinenbau Säulen des wirtschaftlichen Lebens in der Region. Kein Wunder also, dass ausgerechnet in Pfronten die neue Ausstellung »Allgäuer Mächlerwelten« entstehen soll. Denn das Verständnis der Allgäuer Technik-Vergangenheit ist die Wurzel einer starken Energiezukunft.

Das »Tal der Tüftler«Allgäuer Mächlerwelten im Pfronten

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Auf dem Bild sind drei »Kreisteilmaschinen« zu sehen. Sie wurden gebaut, um genaue Kreis- oder Längenteilungen, namentlichzur Herstellung der Grad- und Längenteilungen auf astronomischen und geodätischen Messinstrumenten, Maßstäben, Skalen anThermometern und Barometern zu übertragen. Die gezeigten Maschinen stammen aus den Jahren 1830, 1860 und 1870

Technik-Tradition

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Einer langen Reihe von Tüftlern und Mächlernwill das geplante Museum in Pfronten ein ehrendesDenkmal setzen – die Ahnengalerie ist beeindruckend

kelte der Pfrontener Uhrmacher Thomas Haff (1775–1859) mathematische Werkzeuge wie zum Bei-spiel Stechzirkel, um die in freier Flur gemessenenWerte auf das Kartenblatt übertragen zu können. Seine Söhne gründeten 1835 die Firma Gebrüder Haff, inder viele Feinmechaniker ausgebildet wurden, die später selbst wieder Unternehmen gründeten und dadurch Pfronten zu einem Zentrum der feinmecha-nischen Industrie, des Maschinen- und Werkzeugbau-es wachsen ließen.

Die Ortschronik von Johann Baptist Doser undLudwig Holzner von 1925 verzeichnete 279 Mitarbeiter in den feinmechanischen Betrieben, zudenen noch Heimarbeiter hinzukamen. Heute sindüber 1.700 Mitarbeiter in Pfronten in der Branche tä-tig. Die bedeutendste Firma ist Deckel-Maho.

Die Tradition der MächlerThomas Haff war einer der Vorväter jener

»Mächler« (andernorts auch Mächlar), ein Begriff, mitdem wir heute eher jene Tüftler und Erfinder bezeichnen, die im stillen Kämmerchen sinnieren undwerkeln. Die Tradition der handwerklichen Eigen -arbeit als Zuverdienst in früherer Zeit stellt eine kultur -geschichtliche Besonderheit des Ostallgäus dar, da diePfrontener als sogenannte »freie Gotteshausleute«nicht leibeigen waren und somit nicht dem Landes-herrn gehörten. Als Rodungsfreie unterlagen sie zudem nicht dem Zunftzwang. Daher durften sie einHandwerk ausüben und damit den in dieser Gegendkärglichen bäuerlichen Broterwerb mit Handwerksar-beiten aufbessern. So standen in vielen Wohnstubenkleine Drehbänke, an denen die Handwerker auch ei-gene Ideen realisieren konnten. Sägen, Feilen, Polierenvon Hand gelang seinerzeit bis auf Zehntelmillimeter.

Das alte Wissen ist in Teilen der Bevölkerungzwar noch vorhanden, droht aber verloren zu ge-hen.

Ein Neubau ist möglichFür ein Haus zur Gründungs- und Wirt-

schaftsgeschichte Pfrontens hat die Gemeindebereits zwei Millionen Euro Eigenmittel ein -geplant. Nach Vorstellung der örtlichen CSUsollte hierfür die »Villa Goldonkel«, eindenkmalgeschütztes Bauernhaus in Pfron-ten, in Frage kommen, das sich seit2009 im Besitz der Gemeindebefindet. Auch die ehemaligePfrontener Berufsschule ist imGespräch. Beide Gebäude er-füllen jedoch nicht die Anfor-derungen an Raumangebot,Raumauteilung, Lage undBarrierefreiheit, sodass eswohl einen Neubau für die»Allgäuer Mächlerwelten« ge-ben wird.

Thomas Niehörster

BegriffserklärungLEADER (frz.: Liaison entre actions de

développement de l'économie rurale,

dt.: Verbindung von Aktionen zur Ent wicklung

der ländlichen Wirtschaft) ist ein

Förderprogramm der Europäischen Union,

mit dem seit 1991 modellhaft innovative

Aktionen im ländlichen Raum gefördert

werden. Lokale Aktionsgruppen erarbeitenmit den Akteuren vor Ort maßgeschneiderteEntwicklungskonzepte für ihre Region. Ziel ist es, die ländlichen Regionen Europas auf dem Weg zu einer eigenständigenEntwicklung zu unterstützen. Das Amt fürErnährung, Landwirtschaft und Forsten(AELF) in Kempten ist für die Beratung undBewilligung von LEADER-Projekten zuständig.

Von links: Heiko Gansloser (Netzwerk Ländliche Räume), Ethelbert Babl (LEADER-Manger AELF), Michaela Waldmann (Bürgermeisterin Pfronten), Dr. Alois Kling (Leiter AELF), Lars Christian Kink (AVA),Fritz Haff-Winkelmann, Manfred Wünsch (Mächlervereinigung)

Das Funktionsbodell dieses Fendt-Traktors gehört zur Grundaus -

stat tung der Ausstellung. Fendtist im Ostallgäu beheimatet.

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Strom speichern

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Im Grunde genommen unterscheidet sich einPumpspeicherkraftwerk kaum von einem norma-len Wasserkraftwerk. Es gibt nur einen gravieren-

den Unterschied: Beim Wasserkraftwerk läuft dasWasser nur in einer Richtung durch die Turbine, beimPumpspeicherkraftwerk kann sie in beide Richtungenlaufen. Besteht in Stoßzeiten Strommangel, wird Was-ser aus einem Oberbecken durch die Turbine in einUnterbecken geleitet, die Turbine treibt einen Gene-rator an, und der erzeugt Strom. Ist aufgrund von Son-neneinstrahlung und Wind überschüssiger Stromvorhanden, wird über die Turbine wieder Wasser insOberbecken gepumpt.

Dass es sich bei Pumpspeicherkraftwerken umeine bewährte Technologie handelt, beweisen die 36bereits in Betrieb befindlichen Kraftwerke in Deutsch-land. Die ältesten noch laufenden Anlagen wurden1926 installiert. Alle Pumpspeicherkraftwerke zusam-men erbringen eine installierte Leistung von etwa sie-ben GW (Gigawatt). Sie sind für eine Nutzungsdauervon täglich vier bis acht Stunden ausgelegt. Daraus er-gab sich im Jahr 2010 eine Gesamtspeicherkapazitätvon etwa 40 GWh (Gigawattstunden). Im Jahr 2006 er-zeugten die deutschen Pumpspeicherkraftwerke 4.042GWh elektrischer Energie. Dem stand eine Pumparbeitvon 5.829 GWh gegenüber, so dass der durchschnittli-che Wirkungsgrad bei etwa 70 Prozent lag.

Die jeweilige Leistungsfähigkeit eines Pumpspei-cherkraftwerkes ist abhängig von der Größe der Ober-

und Unterbecken und von der Fallhöhe des Wassers.Damit ein spürbarer Ausgleich der Energie stattfindenund auch über einen gewissen Zeitraum aufrechter-halten werden kann, müssen die technischen Anlagenund die Becken groß genug sein.

»Bereits seit geraumer Zeit sucht das AÜW imgesamten Allgäu nach geeigneten Standorten für einPumpspeicherkraftwerk. Insgesamt wurden 20 Stand-orte näher betrachtet. Von diesen haben sich bis jetztzwei Standorte – Breitenstein und Rottachsee – als in-teressant herauskristallisiert«, so Michael Fiedeldey,der technische Leiter beim AÜW, bei einer Vor-Ort-Information vor einigen Wochen. »Dort finden wir dietechnischen und ökologischen Voraussetzungen.«

Für eine wirtschaftliche Anlage müssen die topo-grafischen Verhältnisse passen. Da die gespeicherteEnergiemenge direkt proportional zum Höhenunter-schied zwischen Ober- und Unterbecken ist, sollte die-ser Höhenunterschied möglichst groß sein. Zudemsollte der Abstand zwischen Ober- und Unterbeckenmöglichst klein sein, um mit kurzen Rohrleitungenauszukommen. Das Gelände sollte also möglichst steilsein. »Die Ober- und Unterbecken dürfen nicht inökologisch sensiblen Gebieten liegen, und für dieDruckrohrleitung muss eine Trasse gewählt werden,die keine Biotope beeinträchtigt«, schränkt man in derAÜW-Zentrale in Kempten ein.

Die Kennzahlen für die beiden untersuchtenStandorte beschreiben die AÜW-Fachleute wie folgt:Die geplante Pumpspeicheranlage Breitenstein weisteinen Bruttoenergie-Gehalt von ca. 360 MWh (Mega-wattstunden) auf und kann somit etwa sechs Stundenlang für Strom bei maximaler Leistung (60 MW) sor-gen. Der Höhenunterschied beträgt 450 Meter, dieDruckleitung wäre drei Kilometer lang und hätte ei-nen Durchmesser von 2,2 bis drei Metern. Für dieBreitenstein-Anlage müssten zwei Becken mit jeweils

Die Pumpspeicherkraftwerke gelten als »ausgereifteste« allerStromspeicher-Technologien. Kein Wunder also, dass sich dieAllgäuer Überlandwerke (AÜW) damit intensiv beschäftigen.

Rund 20 Standorte wurden auf »Machbarkeit« untersucht. Am Rottachsee und am Breitenstein/Grünten waren die Vor-untersuchungen aus Sicht des Stromversorgers aussichtsreich.

Wasser als Energie-Batterie?AÜW untersucht Pumpspeicherkraftwerke

Sensible Uferbereiche des Rottachsees (Foto) sind nochnicht ausreichend ökologisch untersucht. Michael Luckevom AÜW (rechts) erklärt, dass dies nun gemacht wird

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einem Volumen von 400.000 Kubikmetern angelegtwerden. Die geplante Pumpspeicheranlage Rottachseeweist einen Bruttoenergie-Gehalt von 240 bis 360MWh (Megawattstunden) auf und kann ebenfallssechs Stunden lang für Strom bei maximaler Leistung(30 bis 50 MW) sorgen. Die Fallhöhe dort würde (jenach Standort) zwischen 150 und 250 Meter betragen,und die Leitungstrasse wäre ebenfalls drei Kilometerlang. Da der Rottachsee als Unterbecken genutzt wer-den kann, ist nur ein Oberbecken mit 600.000 bzw.900.000 Kubikmetern Speichervolumen erforderlich.Dieses Becken, etwa so groß wie sechs Fussballfelder,könnte bei den Weilern Wachsenegg oder Gereuteüber dem Rottachsee angelegt werden und sie hätteeine Tiefe von etwa zehn Metern. Die Baukosten fürein Pumpspeicherkraftwerk veranschlagt AÜW mit 60 bis 80 Millionen Euro.

Bei der Info-Veranstaltung des AÜW am Rot-tachspeicher waren auch die Bürgermeister der betrof-fenen Gemeinden Sulzberg, Oy-Mittelberg und Wert-ach, Thomas Hartmann, Theo Haslach und EberhardJehle, zugegen. Hartmann machte deutlich: »Pump-speicher sind ein wertvoller Beitrag zur Energiewende,die wir gerne unterstützen. Was mich bei den Gesprä-chen mit den Grundeigentümern gefreut hat, war, dasswirklich Wohlwollen vorhanden war und alle gesagt ha-ben, dass dies ein gutes Projekt ist.«

Das heißt natürlich nicht, dass in Sachen Pump-speicher im Allgäu bereits alles in trockenen Tüchernist. Noch etwa zwei Jahre werden laut AÜW die weite-ren Untersuchungen dauern. Beispielsweise müssen dieökologischen Auswirkungen der Wasserspiegel-Schwankungen auf den Rottachspeicher näher betrach-tet werden. Fauna und Flora sind besonders im Ufer-bereich betroffen. Aus genau diesem Grund sindPumpspeicherwerke am Großen Alpsee bei Immen-stadt derzeit nicht weiter untersucht worden. Dort wä-

ren zwar ideale Standorte für Oberbecken, aber der Seekönnte die ökologischen Folgen von Wasserspiegel-schwankungen bis zu 20 Zentimetern nicht vertragen.Allerdings ergaben die Untersuchungen im KonstanzerTal westlich des Alpsees noch technisch möglicheStandorte für Pumpspeicherkraftwerke mit künstlichenOber- und Unterbecken. Wohl, weil die landschaftlicheBeeinträchtigung durch die Unterbecken erheblichwäre, konzentriert man sich auf andere Standorte.

Auf die Frage, wie lange der Bau der beiden mög-lichen Pumpspeicher dauern würde, schätzt man beimAÜW: »Vorlaufzeit und Genehmigungsverfahren miteinbezogen, muss mit einer fünfjährigen Planungsphasegerechnet werden. Für die Bauphase sind weitere zweiJahre anzusetzen. Somit summiert sich die gesamteBauzeit bis zur Inbetriebnahme auf sieben Jahre.«

In den betroffenen Bereichen gibt es natürlichauch kritische Fragen aus der Bevölkerung. So zumBeispiel nach der Lärmentwicklung und dem Land-schaftsverbrauch während der Bauzeit und beim Be-trieb. Die Vertreter des AÜW versuchten nicht zu be-schönigen: »Es wird während der Bauzeit Lärment-wicklung wie auf einer normalen Baustelle geben. DieTrasse wird mit Baustraße rund 50 Meter breit werden.Nach Fertigstellung der Anlagen wird es aber keineSchallemissionen mehr geben.« Der Aushub, der beimTrassenbau anfällt, kann laut Fideldey beim Bau derBeckenränder wiederverwendet werden.

Die neu anzulegenden Becken werden nicht füreinen Badebetrieb oder andere touristische Zwecke ge-nutzt werden können. Michael Lucke, Geschäftsführerdes AÜW, macht deutlich: »Es handelt sich um reintechnische Bauwerke. Aufgrund der Wasserspiegel-schwankungen ist eine solche Nutzung nicht möglich.Die Becken müssen sogar eingezäunt werden. Die Rän-der werden aber so begrünt, dass der technische Cha-rakter der Bauwerke nicht so stark ins Auge sticht.«

Foto ganz oben: Die unter such tenStandorte in der Oberallgäu-Karte.Rechts (v.l.); Mi chael Fideldey, EberhardJehle, Theo Haslach, Thomas Hart mannund Michel Lucke. Darüber: die drei Bürgermeister, die vonVorhaben eventuell betroffen wären

Michael Fideldey denkt über die Kraft des Wassers nach

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Energie und Umwelt

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Der Startschuss für das EU-Projekt »Fluss-raum Iller-Wasserkraft und Natur am All gäuer Illerdurchbruch erleben!« im

schwäbi schen Legau ist gefallen. Ethelbert Babl, LEADER-Manager am Amt für Ernährung, Landwirt-schaft und Forsten (AELF) Kempten, überreichte zu-sammen mit dem schwäbischen EuropaabgeordnetenMarkus Ferber und dem Unterallgäuer Landrat Hans-Joachim Weirather den LEADER-Förder bescheid inHöhe von 435.000 Euro.

Mitten ins Schwarze getroffen haben der Land-kreis Unterallgäu und die Bayerische Elektrizitäts -werke GmbH (BEW) mit ihrer Idee, den Naturraum

Iller wieder stärker in den Blickpunkt der Bevölkerungzu rücken und den Zugang zu erleichtern. Zu diesemZweck wird im Bereich der Illerstaustufe 6 bei Sack inder Unterallgäuer Gemeinde Legau ein Aussichtsturmmit Erlebnissteg über die Iller errichtet.

Wanderhilfe für die FischeZusätzlich wird der Uferbereich abgeflacht und

ein naturnaher Illerstrand geschaffen, der den Besu-chern einen Zugang zum Gewässer ermöglicht. EineFischbeobachtungsstation mit Zählbecken an der neuerrichteten Fischwanderhilfe sowie ein Wassertret -becken bieten Möglichkeiten zur Umweltbildung und

»Wasserkraft und Natur – das muss kein Widerspruch sein«, sagte Ralf Klocke von den Bayerischen Elektrizitätswerken bei der LEADER-Förderbescheid-Übergabe am Illerkraftwerk bei Legau Mitte Oktober. Mit dem EU-Geld, regionalen und bayerischenMitteln wird dort ein neuer Erlebnissteg mit Umweltstation entstehen.

Der gläserne Iller-FischNatur-Bildungsprojekt mit Aussichtsturm

Die Planskizze desGesamtprojektes an der

Staustufe 6 bei Legau mitFischtreppe, Bachlandschaft,

Fischbeobachtungsstation und Aussichtssteg

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Die Computer-Animationmit dem Aussichtssteg amIllerdurchbruch bei Legau

Ralf Klocke, der Leiter des Was serbaues bei den Bayeri -schen Elektrizitätswerken, erklärte in ei nem engagiertenVortrag die verschiedenen Teile des Projektes

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für den Tourismus. Besucher und auch Schulklassensollen in einem gläsernen Durchlaufbecken die Fisch-wanderungen beobachten können. Außerdem dientdie Station der Forschung. In fünf Jahren sollen dortnach der Fertigstellung Erkenntnisse über die Fisch-population und die Veränderungen in den Wander -gewohnheiten der Fische gewonnen werden.

Bei der Übergabe des Bescheides vor lokaler Prominenz konnten die Besucher einen ersten Ein-druck von dem Vorhaben gewinnen. Vom Steg warzwar erst ein pixeliges Montage-Bild zu sehen, aber dieFischtreppe konnte im Rohbau schon besichtigt wer-den. Mächtige Granitblöcke in einem mäanderndenBachbett neben der Iller – derzeit noch ohne Wasser-lauf. Klocke meinte nicht ohne Stolz: »Diese Fischtrep-pe ist 'best practice' in Bayern.«

Lob von Landrat WeiratherAn drei weiteren Staustufen der Iller sind eben-

falls solche Anlagen im Bau, um den größten AllgäuerFluss wieder »fischdurchgängig« zu machen. Das lobtebesonders der Unterallgäuer Landrat Hans-JoachimWeirather. Er war nicht nur als Politiker eine derTriebfedern, die fünf Jahre lang das Projekt angescho-ben haben, sondern begrüßte das Projekt auch als Präsident des Fischereiverbandes Schwaben. DerLandrat freute sich über die Belebung des Wander-und Radtourismus, der durch dieses naturnahe Projekt gestärkt werde. Es sei zusammen mit dem Stegbei Altusried ein Bestandteil des Iller-Radweges.

Das Amt für Ernährung, Landwirtschaft undForsten (AELF) Kempten, allgäuweit für die Beratung

und Bewilligung von LEADER-Projekten zuständig,hat grünes Licht für dieses Projekt an der Iller gege-ben. Es erfüllt die strengen Förderkriterien, so Ethel-bert Babl, LEADER-Manager am AELF: »Durch diegeplanten Maßnahmen wird die Iller als Erholungs-und Erlebnis raum wieder stärker in den Fokus der Öf-fentlichkeit gerückt und die Attraktivität des Illerrau-mes deutlich gesteigert«, ist er überzeugt.

Lechwerke als Projektträger»Wasserkraftwerke sind eine tragende Säule der

Energiezukunft, denn sie erzeugen kontinuierlich undplanbar Strom. Wir wollen zeigen, dass Ökologie und

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Foto oben: Wo jetzt noch Bau -stelle ist, wird demnächst viel

für interessierte Besucher ge zeigt. Die Treppe für Fisch -

wan derung ist gut zu erken nen.Noch fließt kein Wasser, dafür

aber Finanzmittel: Das Fotorechts zeigt die Übergabe desLEADER-Förderbescheides im

Beisein von viel Prominenz

Wer ist wer?Die Lechwerke AG (LEW) gehört zur RWE-Gruppe.

Die LEW AG ist ein regionaler Energie versorger in Bayern

und Teilen Baden-Württembergs. Die Lechwerke bieten

sowohl Strom- als auch Gasprodukte sowie alle energie -

nahen Dienstleistungen an. Als Partner der Kommunen ist

LEW auch im Bereich der Straßen beleuchtung sowie der

Entwicklung und Umsetzung von Energieeffizienzprojekten

und umfassenden Energiekonzepten tätig.

Unter dem Dach der Lechwerke AG sind der Vertrieb,

die Energiebeschaffung sowie Querschnitts- und

Steuerungsfunktio nen für die LEW-Gruppe gebündelt.

Die LEW Verteilnetz GmbH ist der Netzbetreiber

im Netzgebiet der Lechwerke AG. Das Unter nehmen

ver antwortet die Netzbetriebs führung sowie Planung,

Ausbau und Instand haltung von Leitungen und Netz -

anlagen. Das Netzgebiet der Lechwerke deckt sich

weit gehend mit dem Regierungs bezirk Bayerisch-

Schwaben, reicht aber auch in Teile Ober bayerns.

Über das Stromnetz versorgt LEW mehr als eine

Million Menschen mit Energie.

Bei der Bayerische Elektrizitätswerke GmbH (BEW)

sind alle Erzeugungsaktivitäten der LEW-Gruppe zu -

sammengefasst. Die BEW gehört zu den führenden

Wasserkraftwerks betreibern in Bayern. In den 35

eigenen und betriebsgeführten Kraftwerken an Donau,

Iller, Günz, Lech und Wertach erzeugt sie jährlich mehr

als eine Milliarde Kilowatt Strom aus Wasserkraft.

Außerdem bietet BEW Unternehmen und Kommunen

vielfältige Dienstleistungen rund um das Thema Energie

an. Dazu gehören umfassende Energie konzepte ebenso

wie dezentrale Lösungen für die Strom- und Wärme -

erzeugung. Das Angebot der LEW Netzservice GmbH

an Unternehmen und Kommunen umfasst Lösungen

rund um die elektrische Energie-Infrastruktur wie etwa

Planung und Bau von Netzanlagen und weitere

technische Dienstleistungen.

Die BEW, eine Tochterfirma der Lechwerke AG, betreibt

an der Iller zwischen Altusried und Lautrach fünf Wasser -

kraftwerke, die jährlich rund 120 Millionen Kilowattstunden

Strom erzeugen. Als Projektträger setzt die BEW die

Maßnahmen um: von der Planung bis zur Errichtung

des Erlebnissteges beim Illerkraftwerk 6 bei Legau.

Ökonomie dabei gut in Einklang zu bringen sind. Deshalb sind wir bereit, unseren Beitrag zu leisten,und beteiligen uns an Infrastruktur- und Umweltpro-jekten, die der Region zugutekommen«, sagte NorbertSchürmann, Vorstandsmitglied der Lechwerke. »Wirfreuen uns sehr, dass die Förderung des Projektes ausdem LEADER-Programm bewilligt wurde.«

Die Hängebrücke überspannt die Iller auf einerLänge von insgesamt 81 Metern. Am südlichen Uferwird auf einer Höhe von rund 23 Metern eine Aus-

sichtsplattform errichtet, die einen Blick in die nahe-liegende Illersteilwand ermöglicht.

Baubeginn im FrühjahrDr. Frank Pöhler, Leiter Wasserkraft der BEW, er-

läuterte: »Mit dem Bau des Illerüberganges wollen wirim Frühjahr 2014 beginnen. Parallel dazu werden dieFischbeobachtungsstation und das Wassertretbeckenerrichtet sowie Uferbereiche an den Staustufen Altus-ried, Legau und Fluhmühle naturnah gestaltet.«

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Ostallgäu/Tirol

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Fünf Betreiber im VerbundHöchste Stromversorgungssicherheit im Ostallgäu

Landrat Johann Fleschhut hatte sich bei demGespräch im Landratsamt nach den Auswir-kungen der Energiewende auf die Versor-

gungssicherheit und Netzstabilität im Ostallgäu

erkundigt: »Wir werden von fünf Energieversorgungs-unternehmen bedient, und deshalb ist es wichtig, wiedie Versorgungssicherheit und Vernetzung ist.« Alleim Ostallgäu tätigen Netzbetreiber sind sehr optimis -tisch: Durch die hervorragende Anbindung an dasHöchstspannungsnetz mittels des Transformators beiBidingen bestünde jetzt und auch zukünftig optimaleVersorgungssicherheit.

Für einen weitergehenden Ausbau der erneuer-baren Energien ist das Ostallgäu bestens gerüstet:»Bayerisch-Schwaben und das Allgäu verfügen überideale Voraussetzungen zum Ausbau der Photovoltaik.Allein im LEW-Netzgebiet sind bereits über 60.000EEG-Anlagen angeschlossen«, erklärte Josef Wagner,Leiter der Netzplanung bei LEW.

Netzbetreiber investieren massivAlle im Ostallgäu tätigen Netzbetreiber investie-

ren gerade massiv, um das Netz fit zu machen für diezunehmende Einspeisung regenerativer Energien. Mi-chael Lucke, Geschäftsführer des Allgäuer Überland-werks, sagte: »Seit 2004 haben wir im Ostallgäu schonüber 1,3 Millionen Euro investiert. Weitere 4,1 Millio-nen Euro werden bis 2015 hinzukommen.« FrankBackowies, Geschäftsführer von VWEW, erläuterte:»Unsere Teilnahme am Regelenergiemarkt mit flexi-blen Blockheizkraftwerken trägt ein weiteres Stück zurVersorgungssicherheit bei.« Heinrich Schlichtherle,Geschäftsführer des Elektrizitätswerks Reutte, ergänz-te: »Durch die vor kurzem abgeschlossene Umrüstungdes Rotlechspeichers zum Pumpspeicherkraftwerkkönnen wir schon heute flexibel auf die schwankendeEinspeisung aus Wind und Sonne reagieren.«

Nach Einschätzung von Norbert Schürmann,Vorstand der Lechwerke, kommt der starke Ausbauder erneuerbaren Energien der Region sehr zugute:»Die zusätzlich in die Region fließenden Mittel wirkenwie ein kleines Konjunkturprogramm.« Die fünf Netz-betreiber waren sich einig, dass Investitionen in erneu-erbare Energien aufgrund der Rechtslage künftig nichteinfacher werden dürften. Trotzdem hätten bereits ei-nige entsprechende Potenzialanalysen angefertigt.

Die Ostallgäuer müssen sich trotz der Energiewende keine Sorgen um ihre Stromversorgung machen. Wie die regionalen Energieversorger des Ostallgäus im Gespräch mit Landrat Johann Fleschhut erläuterten, besteht dank der hervorragenden Anbindung des Landkreises an dasHöchstspannungsnetz beste Versorgungssicherheit.

KurzinfoDie fünf Stromnetzbe treiber im Ostallgäu sind: AÜW(Allgäuer Überland werk), EBT (EnergieversorgungBuching-Trauchgau), EWR (Elektrizitätswerk Reutte),LEW (Lechwerke), VWEW (Vereinigte Wer tach-Elektrizitätswerke)

Der RotlechspeicherVon 1975 bis 1977 wurde der Speicher amRotlech zusammen mit der Überleitung desKraftwerks Heiterwang und eines Unter was -ser kanals erbaut. Die ElektrizitätswerkeReutte (EWR) berichten auf ihrer Homepageüber die Entstehung: »Im Rotlechtal wurdeunter Ausnutzung einer Schluchtstrecke beider Raazwaldalm eine Schwergewichts be ton -mauer mit anschließendem Damm er richtet.Der dadurch entstandene Stausee ist etwa ei-nen Kilometer lang. Er hat einen nutzbarenInhalt von 1,1 Millionen Kubik metern. DasTriebwasser wird knapp oberhalb desSperren bau werkes entnommen und übereinen 4,6 Kilometer langen Druck stol len unterdem Thanellermassiv nach Heiter wang über -ge leitet. Der Stollen mit einem Durch messervon 3,2 Metern wurde in Frästechnik vor -getrieben. Am Ende des Druck stollens ober -halb von Heiterwang befindet sich das Was -

serschloss. Im An schluss daran geht das

Trieb wasser system in eine einen Kilometer

lange unterirdische Druck rohrleitung mit

Einbindung in das Krafthaus über.

Die beiden vertikalachsigen Francisturbinen

mit Drehstrom -Synchron -Generator haben

zusammen eine Leistung von 8200 Kilowatt.

Die Stromerzeugung im Regeljahr beträgt 15

Millionen Kilowattstunden. Die Stromab gabe

erfolgt in das 25.000-Volt-Versorgungs netz.

Durch den vorgelagerten Wochenspeicher

wird das Kraftwerk weitgehend zur Mitab -

deckung der Leistungsspitzen herangezogen.

Das abgearbeitete Wasser wird über einen

rund 1,5 Kilometer langen offenen Unter was -

serkanal dem Heiterwanger See und somit

dem Planseespeicher zugeführt.«

Wie Heinrich Schlichtherle, Geschäftsführer

des Elektrizitätswerks Reutte, mitteilt, wurde

der Rotlechspeicher nun umgenutzt zum

Pumpspeichersee.

Foto

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Page 36: allgäuALTERNATIV Herbst/Winter-Ausgabe 2013

Neue Brennstoffe

Seit Juli läuft in Halle eine Demonstrationsanlage zur Herstellung von hochwertigen Brennstoffen aus Bioabfällen. Erforscht wird die hydrothermale Carbonisierung (HTC). Vereinfacht gesagt: Aus biologischen Abfällen soll Kohle zum Heizen gemacht werden. Wirhaben den Geschäftsführer Karl Heinz Lumer vom Zweckverband für Abfallwirtschaft (ZAK) gefragt, ob die Ergebnisse der Demo-Anlage auch im Allgäu beobachtet werden.

Kohle aus der AbfallgrubeBio-Forschungsanlage ging in Betrieb

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37allgäuALTERNATIV

Das Forschungsvorhaben in Sachsen-Anhaltwird von der Halleschen Wasser- und Stadt-wirtschaft (HWS) und dem Deutschen Bio-

masseforschungszentrum (DBFZ) getragen und imRahmen des vom Bundesministerium für Umwelt,Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU) initiiertenFörderprogramms »Energetische Biomassenutzung«bearbeitet.

Nur wenige Stunden soll es dauern, bis aus Bio-abfällen Brennmaterial wird, das Braunkohle ähnelt.Die neue Anlage steht auf dem Gelände der DeponieHalle-Lochau. »Ziel des Projektes ist ein Verwertungs-konzept, das auch auf andere kommunale Unterneh-men übertragbar und nachnutzungsfähig ist. Ein la-gerfähiges Produkt als Energieträger mit einer vorzeig-baren Energiebilanz könnte erhebliche Mengen fossi-ler Energieträger ersetzen. Die HTC-Kohle von derHWS kann dieses Produkt sein. Mit der nachnut-zungsfähigen Herstellung von HTC-Kohle in der An-lage ist ein großer Schritt zur industriellen Produktioneines klimafreundlichen Ersatzes für fossile Kohle ge-tan. Damit leistet die HWS einen wichtigen Beitrag fürden Klimaschutz«, sagt Matthias Lux, der Vorsitzendeder Stadtwerke Halle GmbH, zu der die HWS gehört.Zweieinhalb Jahre wurde zuvor unter Laborbedingun-gen geforscht, ob und wie das Verfahren funktionierenkann. Jetzt ist die Zeit der Bewährungsprobe gekom-men.

Dr. Marco Klemm, Projektleiter beim DBFZ undfür die wissenschaftliche Begleitung des Projektes ver-antwortlich, erklärt: »Vor dem Bau der Demonstrati-onsanlage führte das DBFZ umfangreiche Laborver-suche zur HTC durch. Im Mittelpunkt standen dieFragen: Sind die bei der HWS vorhandenen Substratefür das HTC-Verfahren geeignet? Wie beeinflussendie Prozessparameter die Ausbeute und die Qualitätder HTC-Kohlen?« Am DBFZ wurden verschiedeneSubstrate wie Bioabfall, Landschaftspflegematerial undGärreste unter Laborbedingungen hydrothermal carbonisiert. Dr. Klemm weiter: »Die Laborversuchehaben gezeigt, dass die Substrate der HWS im HTC-Verfahren in eine kohlenstoffreiche HTC-Kohle um-gewandelt werden. Ihre chemische Zusammensetzungund der Brennwert sind mit fossiler Kohle vergleich-bar. Im Labor konnten optimale Prozessparameteridentifiziert werden. Diese Erkenntnisse werden nunauf die Demonstrationsanlage übertragen.«

Künftig sollen jährlich 2.500 Tonnen des kom-munalen Grünschnitts im HTC-Verfahren in einenBiobrennstoff umgewandelt werden.

DBFZ – Forschung für die Energie der Zukunft Das Deutsche Biomasseforschungszentrumarbeitet als zentraler und unabhängigerVordenker im Bereich der energetischenBiomassenutzung an der Frage, wie diebegrenzt verfügbaren Biomasseressourcennachhaltig und mit höchster Effizienz zumbestehenden, vor allem aber auch zu einemzukünftigen Energiesystem beitragen können.

Im Rahmen der Forschungstätigkeit

identifiziert, entwickelt, begleitet, evaluiert

und demonstriert das DBFZ die viel -

versprechendsten Anwendungsfelder

für Bioenergie und die besonders positiv

herausragenden Beispiele gemeinsam

mit Partnern aus Forschung, Wirtschaft

und Öffentlichkeit. Info: DBFZ Deutsches

Biomasseforschungszentrum gemeinnützige

GmbH in Leipzig, www.dbfz.de

Hydrothermale Carbonisierung (HTC) ist ein Prozess, bei dem unter hohem Druck und hoher Temperatur, beispielsweise 220Grad Celsius und 25 bar Druck, Biomasse inwenigen Stunden in Kohle umgewandelt wird.Der Einsatz von HTC-Kohle, deren Brennstoff -eigenschaften weitgehend jenen von Braun -kohle entsprechen, besitzt ein bedeutendesPotenzial zur Minderung klimaschädlicherEmissionen.

Anaerobe Fermentierung Ursprünglich wurdemit Fermentation (lat. fermentum/Gärung)eine biotische Reaktion unter Ausschluss von Luft bezeichnet. Heute umfasst dieFermen tation jegliche tech nische Bioreaktion.Dies geschieht entweder durch Zugabe derbenötigten Enzyme oder durch Zugabe vonBakterien-, Pilz-, sonstigen biologischenZellkulturen, die die Fermentation im Rahmenihres Stoffwechsels ausführen. Die Gärung ist ein Teilbereich der Fermentation und läuftausschließlich anaerob ab, also sauerstofffrei.

Die anaerobe Fermentierung ist das

Verfahren, das in Biogas-Anlagen zur

Anwendung kommt.

Exothermie Als exotherme Reaktion

bezeichnet man einen chemischen

Vorgang, bei dem Energie, zum Beispiel

in Form von Wärme, an die Umgebung

abgegeben wird. Den Gegensatz dazu

bildet die endotherme Reaktion.

Pyrolyse ist eine thermo-chemische Spaltung

organischer Verbindungen. Durch hohe

Temperaturen (500–900 Grad Celsius) wird

ein Bindungsbruch innerhalb großer Moleküle

erzwungen. Sie werden in kleinere Moleküle

zerlegt. Im Gegensatz zur Vergasung und zur

Verbrennung geschieht dies ausschließlich

unter der Einwirkung von Wärme und ohne

zusätzlich zugeführten Sauerstoff. Die

Pyrolyse wurde und wird bei den

Holzvergasern angewendet.

Begriffserklärungen

Die Bilder zeigen die erste Versuchsanlage für die Herstellung von hochwertigen Brennstoffen aus Bioabfällen in Halle

Foto

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BFZ

Page 38: allgäuALTERNATIV Herbst/Winter-Ausgabe 2013

38 allgäuALTERNATIV

Karl Heinz Lumer leitet den ZweckverbandAbfallwirtschaft (ZAK) in Kempten. Im ZAK werdenAbfälle der Landkreise Lindau und Oberallgäu sowie derStadt Kempten verwertet und entsorgt. Die Prämissedes ZAK lautet: vermeiden, verwerten und entsorgen. Somit ist der Zweckverband vielfach schon als Anwendermoderner Innovationen und Verfahren aufgetreten.allgäuALTERNATIV wollte von Karl Heinz Lumer wissen,was er von der hydrothermalen Carbonisierung hält undob er darin ein Verfahren sieht, das zukünftig auch beiZAK eingesetzt werden könnte. Lumer verweist auf eineDissertation aus dem letzten Jahr von Dipl.-Ing. AxelFunke aus Berlin, der sich mit diesem Verfahren intensivbeschäftigt hat. Er gibt dem Verfahren nach der weiterenErforschung durchaus Praxis-Chancen.

»Die Forscher haben noch viel Arbeit vor sich!«

»In jahrelangen Laborversuchen wurde das Ver-fahren vorerkundet. In der Anlage in Halle sollen Er-kenntnisse gewonnen werden, die es – nach Hoffnungder Wissenschaftler und Techniker – zukünftig erlau-ben, daraus eine praxistaugliche Technologie zu ent-wickeln. Bis zur technologischen Anwendung desHTC-Verfahrens bestehen noch viele ‚Baustellen‘, andenen weiter gearbeitet und geforscht werden muss.

Beim HTC-Verfahren handelt es sich nicht um eineeinfache Technologie im Vergleich zur klassischen Py-rolyse und zur anaeroben Fermentation (wird vomZAK in den bestehenden Biovergärungsanlagen ange-wandt). Der Anlagenaufwand ist erheblich. Inwieweitsich dieses Verfahren – soweit es praxistauglich wei-terentwickelt werden kann – durchsetzen wird, hängtauch entscheidend von den ökonomischen und ener-getischen Parametern ab. Diese Punkte kann derzeitniemand abschließend beurteilen.

In der Dissertationsarbeit von Axel Funke wirdzum Beispiel deutlich darauf hingewiesen, dass die‚Exothermie‘ des Verfahrens bisher deutlich über-schätzt wurde. Es besteht Hoffnung, dass die Demon-strationsanlage in Halle Antworten auf die zahlreichennoch offenen Fragen liefert.

Nach meiner Einschätzung ist das Verfahrendurchaus interessant. Es werden aber noch viele Wei-terentwicklungsjahre vergehen, bis alle technischenAnforderungen für die Praxistauglichkeit gewährleis -tet werden können. Man wird dann auch sehen, obdieses Verfahren im Vergleich zu den bisherigen er-probten technischen Verfahren (zum Beispiel dieanaerobe Fermentation) tatsächlich energetische undökonomische Vorteile bietet.

Im ZAK-Gebiet fallen jährlich etwa 45.000 bis50.000 Tonnen an organischen Bioabfällen an, diegrößtenteils über Biovergärungslagen energetisch(Biogas durch anaerobe Fermentation) und stofflich(Biokompost, etwa als Torfersatz) genutzt werden. Dieangewandte Biovergärung bewerten die Umweltinsti-tute mit der besten Ökoeffizienz.

Wir werden als ZAK die weitere HTC-Technolo-gieentwicklung mit Interesse verfolgen. Ein möglicherEinsatz ist allerdings erst nach ausreichender Klärungder zahlreichen offenen Fragen denkbar.«

Bei der Inbetriebnahme derhallensischen Anlage war

viel Prominenz zugegen.allgäuALTERNATIV hat zuden Chancen der neuen

Technologie den FachmannKarl Heinz Lumer (Foto

ganz oben) von ZAK befragt

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Energie sparen

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MPreis setzt im gesamten Unternehmenbereits seit vielen Jahren ganz bewusstauf Energieeffizienz. Das Passivhaus In-

stitut Innsbruck hat die Errichtung dieses Gebäudeswissenschaftlich begleitet. In nur sechs Monaten wur-den die Planung und Fertigstellung umgesetzt. Nachumfassender Kontrolle der Passivhaus-Richt linien er-hielt dieses Bauwerk die Auszeichnung »ZertifiziertesPassivhaus-Pilotprojekt«.

Diese ökologische Investition rechnet sich auchwirtschaftlich. Die Amortisationszeit dieses Passiv-haus-Supermarktes liegt bei sechs Jahren. Das TirolerUnternehmen wird diesen Weg weitergehen und diePassivhaus-Technologie auch bei zukünftigen Bau -projekten einsetzen.

Der Standort bietet mit Naturschutzgebiet undBetonwerk besondere Voraussetzungen, die vom Ar-chitekten optimal genützt wurden. Architekt RaimundRainer hat das attraktive Gebäude im Passivhaus-Status entworfen. Er hat sich intensiv mit der faszinie-renden Landschaft, die vom Fluss Lech geprägt ist, beschäftigt. Fluss-Kieselsteine aus dem Lech werdenim Bauwerk verarbeitet, und gut sichtbar sind Blätteraus dem angrenzenden Auwald in der betoniertenDecke eingelassen. Das Gebäude besteht zur Gänzeaus Stahlbeton. Verarbeitet wurde das Material ausdem benachbarten Betonwerk.

Einen kontrollierten Luft- und Wärme-Aus-tausch ermöglichen die gute Dämmung mit luftdich-ter, hochwärmegedämmter Gebäudehülle und einWindfang. Der hygienische Luftwechsel wird durcheine Lüftungsanlage mit Wärme-Rückgewinnungbewerk stelligt. Zugleich wird die durch das angren-zende Schotterwerk staubbelastete Außenluft gefiltert.Durch die Passivhaus-Bauweise wird im Geschäft einangenehmes Wohlfühl-Klima mit frischer und tempe-rierter Luft geschaffen.

Das Passivhaus-Gebäude ist extrem energiespa-rend. Durch die Technologie der Wärme-Rückgewin-nung liefert die Abwärme der Kühlmöbel im Super-markt die benötigte Energie zum Heizen. Erstmaligwird ein gesamter Supermarkt mit der Abwärme derKühlmöbel geheizt. Die Abwärme der Geräte reichtfür die Raumheizung aus, auch trotz verringerterKühlleistung, da der Passivhaus-Supermarkt einen geringeren Bedarf hat. Alle Kühlmöbel im Geschäfthaben Türen, dadurch ergibt sich eine Energie-Erspar-nis von 50 Prozent. Bei normalen Supermärkten ver-schlingt vor allem die Lebensmittelkühlung viel Strom.Der Stromverbrauch im Passivhaus-Supermarkt Pins-wang wird auf ein Drittel reduziert.

Der erste Supermarkt Pinswang spart im Vergleich zu einem herkömmlichen neuen Markt proJahr 10.000 Liter Heizöl bzw. 32,5 Tonnen CO2 ein.Die Filiale in Pinswang ist mit einer Photovoltaik- Anlage zur Eigen-Stromerzeugung ausgestattet. Durchdiese Investition wird erstmals die Selbstversorgungmit Strom in einem MPreis-Supermarkt realisiert. Aufdas Gesamtjahr gerechnet wird dieser Markt dann sogar mehr Strom erzeugen, als er verbraucht.

Das Tiroler Familienunternehmen MPreis hat im Außerfern in Pinswang bei Füssen den ersten Passivhaus-Supermarkt in Mitteleuropa und einen derersten weltweit eröffnet. Damit sind in der Region wieder einmal Maßstäbegesetzt worden. Der Markt erreicht Passivhaus-Standard.

Wo die Kühlgeräte heizenErster Supermarkt mit Passivhaus-Standard

Von außen gibt es kaum einen Unterschied zu einem»normalen« Supermarkt. Und doch: Er hat Passiv haus-Standard

Die Abwärme der Kühltheken wird im PinswangerSupermarkt zur Heizung des Gebäudes benutzt

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Seit einem Jahr bietet Holzbau Zeh zusätzlichzu vielen anderen Haus-Varianten auch dasNur-Holz-Haus an. »Die Nachfrage der

Kun den war für uns ausschlaggebend, diesesausschließ lich aus Vollholz gefertigte Haus anzubie-ten«, sagt Geschäftsführerin Sonja Zeh-Rudolph. DieNur-Holz-Elemente bestehen aus unbehandeltemNadel schnittholz. Im Nur-Holz-System werdenWand-, Decken- und Dach-Elemente nach den Plänendes Bauherrn gefertigt und auf der Baustelle zum Hauszusammengesetzt. Die einzelnen Lagen für die Ele-mente werden mit einer speziellen Vollholzschraubeaus Buche leim- und metallfrei miteinander verbun-den. Das Nur-Holz-Haus ist schadstofffrei und auchvollständig rückbaubar. Damit ist der Ideal zustandeines ökologischen Hauses erreicht.

Für diese Art zu bauen sprechen nach Ansichtder Firma Zeh auch der schnelle Baufortschritt dankdes Systembaues und das gesunde Wohnklima. ImSommer ist das Holz natürlicher Hitzeschild, im Win-ter hält es wohlige Wärme im Inneren, und der Schall-schutz ist hoch. Die Holzelemente sind innen sichtbarund geben so den Wohnräumen ein warmes und be-hagliches Ambiente.

»Holz ist unsere Leidenschaft« ist das Motto von Holzbau Zeh in Maierhöfen. Die 1881 gegründete Firma hat sich der nachhaltigen Nutzung des BaustoffesHolz verschrieben. Es ist keineswegs der letzte Schrei, sondern bewährteQualität. Die Schwarzwälder Holzbaufirma Rombach aus Oberharmersbachhat das Nur-Holz-Verfahren erfunden. Zeh ist im Allgäu dafür zuständig.

Attraktive Außenansicht und ein Innenleben aus »Nur-Holz«kombiniert die Firma Zeh ausdem westallgäuer Maierhöfen

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Anzeigen

Dass die Firma Zeh einen besonderen Standardbeim Holzbau gewährleistet, zeigte sich jüngst bei derVerleihung des ersten Weißtannenpreises, ein trans-nationales Leaderprojekt. Bauherr Martin Metzger hatfür die von Holzbau Zeh vorwiegend mit Weißtannegebaute IT-Werkstatt im Maierhöfener Gewerbegebietden Regionenpreis erhalten.

Ökologisch bauen

Das Nur-Holz-Haus »von hier«Metall- und leimfrei aus Maierhöfen

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Energiesparend bauen

allgäuALTERNATIV

getisch berechnet. Am 1. Juli zogen die ersten Bewoh-ner ein – dann sollen die Verbrauchswerte des Hausesin einem Monitoring-Projekt nachgewiesen werden.

Baumeister Angerer: »Grundlage des gesamtenBaukonzeptes ist das in den vergangenen Jahren opti-mierte Konzept der Angerer NiedrigenergiehäuserGmbH. Zentraler Punkt ist die spezielle handwerkli-che Vorfertigung für die Hauptbauteile Wand undDach. Dieses Haus ist ein Meilenstein auf dem Wegzur Unabhängigkeit von fossilen Brennstoffen.«

Mit den einzelnen Gewerken des Modellhauseswurden wie immer lokale Handwerksunternehmen be-auftragt, die schon sehr lange mit der Hans AngererNiedrigenergiehäuser GmbH in einem definiertenQualitätsprozess zusammenwirken. Weiter gibt es einefruchtbare Zusammenarbeit mit der Industrie zu denThemen Baustoffe und Anlagentechnik. Das Konzept,mit lokalen oder regionalen Handwerkern zusammen-zuarbeiten, ermöglicht schon beim Bau die Einsparunglanger Lieferwege und eröffnet innovativen Betriebenzum Beispiel auch aus dem Allgäu, bei »Energieplus-Häusern« als Partner zu fungieren, wie das ja schon beinormalen Niedrigenergiehäusern der Fall ist.

Das »Energieplus-Haus in den Bergen« wurde inHolzständerbauweise errichtet und übertrifft den Pas-sivhausstandard. Basis der Anlagentechnik ist eineSole/Wasser-Wärmepumpe zur Wärmeenergieerzeu-gung in Kombination mit einer zentralen Lüftungs -anlage. Erdsonden steuern den Einsatz der Wärme-pumpe. Zur Wohnungsbeleuchtung werden dimm -bare LEDs verwendet. Die Steuerung erfolgt über Prä-senzmelder.

Hintergrund des Forschungsprojektes ist die EU-Gebäuderichtlinie, laut der ab 2021 alle Neubautennur noch einen sehr geringen Energiebedarf habendürfen.

Ein in enger Zusammenarbeit von Wissenschaftlern der Hochschule

für Technik, Wirtschaft und Kultur Leipzig (HTWK Leipzig) und der

Unternehmensgruppe Hans Angererentwickeltes »Energieeffizienzhaus

Plus« wurde im Juni in Bischofs wiesen (Berchtesgadener Land) von Bundes -

bauminister Dr. Peter Ramsauer eröffnet.

Mehrfamilienhaus betankt AutoAuch im Berg-Winter noch Energie-Plus

Das Energieplus-Haus in den Bergen, Juni 2013

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KurzinfoMehr zum Programm »Energieeffizienzhaus

Plus« des Bundesministeriums für Verkehr,

Bau und Stadtentwicklung finden Sie unter

www.bmvbs.de/effizienzhausplus.

Die Unternehmensgruppe Angerer gibt es

seit über 50 Jahren. In den letzten 15 Jahren

entstanden 150 neue energiesparende

Eigenheime.

Bauherrenzentrum AngererSilbergstraße 91, 83483 Bischofswiesen,

Tel. 08652/9494-0, info@bauherren-

zentrum.de, www.bauherrenzentrum.de

Es ist das erste Mehrfamilienhaus (sechs Wohn-einheiten) seiner Art. Die Messungen und Ergebnisse der nächsten zwei Jahre werden

Aufschluss darüber geben, wie man Energieplus- Häuser auch im Allgäu künftig gestaltet. Das Energie-effizienzhaus Plus erzeugt dank einer sehr gutenDämmung, der Nutzung von Erdwärme und Photo-voltaik sowie eines verringerten Energiebedarfs mehrEnergie, als es benötigt – und das trotz der verlänger-ten Heizperiode an seinem geografischen Alpen-Standort, der durchaus mit den Regionen Ostallgäuund Oberallgäu vergleichbar ist. Mit der überschüssi-gen Energie wird in Berchtesgaden ein Elektroauto betankt. Bei all den beschriebenen Neuerungenkommt das Angerer-Haus ohne futuristische Archi-tektur aus – es wurde in der ortstypischen regionalenArchitektur gebaut.

»Der Bau in regionaler Bauweise war eine zusätz-liche Herausforderung«, sagt Professor Ulrich Möllervon der Fakultät Bauwesen in Leipzig und erklärt:»Die messtechnischen Ergebnisse aus diesem Modell-projekt sind wegweisend für das zukünftige Bauennicht nur an den Nordalpen. Wenn es hier funktio-niert, dann funktioniert es überall.« Möller hatte seit2012 in einem gemeinsamen, vom Bundesministeriumfür Verkehr, Bau und Stadtentwicklung gefördertenForschungsprojekt das Haus mitentwickelt und ener-

Bundesbauminister Dr. PeterRamsauer (Mitte) mit den

Bauherren des Hauses.Darüber: der Energieausweis

des landestypischen Gebäudes

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Solarenergie

allgäuALTERNATIV

Dazu werteten sie unter anderem eine Online-Umfrage aus. »Die Entstehung von Licht -bögen zu vermeiden, ist ein wesentlicher

Bestandteil beim Schutz vor Brand durch PV-Anla-gen«, erklärt Projektkoordinator Florian Reil vomTÜV Rheinland. Getrennte Steckverbindungen oderdefekte Lötkontakte können Auslöser für einen Kurz-schluss sein. Ist die Anlage bereits in Brand, könnendurch die Feuerhitze Kabelisolierungen schmelzenund mit offenen Metallteilen in Kontakt treten. Eskann zu einem mehrere Tausend Grad Celsius heißenSpannungsüberschlag kommen, dem sogenanntenLichtbogen.

Gemeinsam mit dem Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE fragte der TÜV Rheinlandin einer Online-Umfrage Details zu Schäden und Zwischenfällen im Zusammenhang mit Photovoltaik-Anlagen ab. In den meisten der bisher ausgewertetenFälle waren mangelhafte Produkte oder eine nichtfachgerechte Installation Brandauslöser. Fehler beimBlitzschutz, bei der Leitungsverlegung oder unzurei-chende Haftverbindungen von Löt-, Klemm- oderSchraubkontakten erhöhen das Risiko, dass sich Licht-bögen bilden. Gefahren also, die bei jeder elektrischenAnlage auftreten können und nicht nur für Photo -voltaik-Anlagen gelten.

Brandursache MontagefehlerNeben kritischen Kontaktstellen innerhalb der

Anlage spielen auch die verwendeten Werkstoffe eineentscheidende Rolle. Wichtig bei der Auswahl des Materials für PV-Anschlussdosen ist etwa, in welchemAusmaß dieses nach einer Lichtbogenbildung selbst-ständig weiterbrennt, wie die Flammen sich ausbreiten

und wie das Abtropfverhalten ist. Schmelzendes brennendes Material, das auf eine Folie der Unterkon-struktion tropft, kann diese im schlechtesten Fall inBrand setzen. Detektoren reduzieren die Brandgefahr.»Lichtbögen können durch adäquate und fachgerechteMontage mit zuverlässigen Komponenten vermiedenwerden«, so Reil, Leiter des Geschäftsfeldes Solar- Innovation beim TÜV Rheinland.

Um eine Erhöhung der Brandsicherheit zu errei-chen, kann der Einsatz von Lichtbogendetektoren hilf-reich sein. Diese erkennen Lichtbögen frühzeitig undschalten die betroffenen Strings ab. Reil: »Hierbei fehltes gegenwärtig jedoch an umfassenden Anforderun-gen und Normregelwerken für diese Geräte, die wirjetzt aber unter anderem innerhalb des Projektes erarbeiten.«

Feuerwehrleute schützenNeben Forschungen zur Brandvermeidung ist

die aktive Bekämpfung von Bränden Thema des Forschungsprojektes. Gemeinsam mit der Berufs -feuerwehr München entwickeln die WissenschaftlerHandlungsempfehlungen für Einsatzkräfte. Ziel ist es,diese vor einem elektrischen Schlag zu schützen. Derkann erfolgen, wenn der Löschstrahl auf die nochStrom führende Anlage trifft und ein zu geringer Sicherheitsabstand besteht. Feuerwehrleute setzenScheinwerfer ein, wenn die Sichtverhältnisse schlechtsind. Treffen die Strahlen auf die Photovoltaik-Anlage,können sie gefährliche Spannungen und Ströme er-zeugen.

Für diesen Fall entwickelten die Forscher eineFormel, die definiert, welcher Abstand zwischenScheinwerfer und Modul eingehalten werden sollte.

Feuer am DachBrandrisiken erkennen und minimieren

Versuchsaufbau im Labor des Fraunhofer-Instituts

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Bisher haben 120 Photovoltaik-Anlagen in Deutschland einen Brandausgelöst. Bei derzeit 1,3 Millioneninstallierten Anlagen ist diese Feuer-ursache also viel seltener, als in Medienberichten vermittelt wird. DerTÜV Rheinland und das Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme(ISE) untersuchen derzeit, wann eineSolaranlage zum Brandauslöser werden kann.

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Solarthermie

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Der Fachingenieur für Solarthermie, AxelHorn, erklärt in seinem Interview mit derVerbraucherschutzorganisation Bauherren-

Schutzbund e.V. (BSB), warum sich gute Planungrechnet. Laut BSB sind gut geplante Anlagen immerrentabel. Wer staatliche Förderungen beansprucht,kann sogar Amortisationszeiten von unter zehn Jahrenerreichen. Bei der Auswahl des Anbieters rät Horn, in-tensiv zu vergleichen. Wer pauschal nur ein Systemanbiete, dessen Fachkompetenz gehe möglicherweisenicht über die technischen Unterlagen eines einzigenHerstellers hinaus. Horn rät den Interessenten zu her-stellerneutraler Beratung.

Bei der Dimensionierung der Kollektorflächengibt es vor allem zwei Optimierungskriterien: die maximale Wirtschaftlichkeit der Investition oder denmaximalen energetischen Spareffekt. Als Daumenwertfür die Untergrenze in der Größe nennt Horn in beiden Fällen neun Quadratmeter. Denn kleinere Anlagen schaffen selbst im Sommer nur dann eineDeckung des Warmwasserbedarfs, wenn die Nutzerihren Verbrauch in sonnenärmeren Phasen einschrän-ken. Neben der Fläche spielen auch Qualität und

Leistungsfähigkeit der Kollektoren eine wichtige Rolle.Gute Hinweise gibt die Liste »Förderbare Kollektorenund Solaranlagen« des Bundesamtes für Wirtschaftund Ausfuhrkontrolle (BAFA). Die dort aufgeführtenModelle haben das »Solar Keymark«-Zertifikat erfolg-reich durchlaufen. Zusätzlich lohnt ein Blick in denKurzbericht zur Zertifikatsnummer, da sich die Leis -tungsparameter auch bei den zugelassenen Anlagenzwischen mittelmäßig und hervorragend bewegenkönnen.

Wie groß der Warmwasserspeicher für eineSolar thermie-Anlage ausfällt, liegt an der Gesamt -auslegung. Kleinere Anlagen für 100 Prozent solareTrinkwassererwärmung im Sommer kommen mit 50 Litern je Quadratmeter Kollektorfläche aus. Wirddie Fläche verdoppelt, muss das Speichervolumen über-proportional steigen – auf 80 bis 100 Liter je Quadrat -meter. Eine Anlage mit zwölf Quadratmetern Flächeund rund 1000 Litern Speicher kann im Einfamilien-haus als wirtschaftliches Optimum gelten. Sie lieferthohen Solarertrag bei gutem Systemwirkungsgrad undüberschaubarer Investition. djd/red

Die Idee ist bestechend: Die Sonne, die gratis aufs Haus scheint, erzeugt über Solarkollektoren Wärme und lässt sich zur Bereitung vonwarmem Brauchwasser oder zur Unterstützung der Heizung einsetzen.Doch nicht in allen Fällen funktionieren thermische Solaranlagen so, wie ihre Besitzer es erwartet haben. Mit entscheidend ist die richtige Planung der Anlage, sagt Dipl.-Ing. Axel Horn.

Mit Sonne und Wasser rechnenAuf die gute Planung kommt es an

Bei Solarthermie-Anlagen kommt es auf die richtige Planung und Dimensionierung an

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Je nach Größe und Leistungsfähigkeit könnensolarthermische Anlagen Warmwasser bereiten oder zusätzlich die Heizung unterstützen

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Pioniere der Region

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Leo Müller wurde am 13. Februar 1799 in Riez-lern als zweites von zwölf Kindern eines Gast-wirts aus dem Kleinwalsertal geboren. Er

absolvierte eine Lehre als Tischler in Hindelang undwanderte dann als Geselle in Bayern. Um 1826 trat ereine Stelle als Modelltischler in der Firma von Fried-rich Koenig und Andreas Friedrich Bauer an. Die bei-den erzeugten im ehemaligen Kloster Oberzell beiWürzburg Zeitungsdruckmaschinen. Er wird sehrschnell zum Abteilungsleiter befördert und bildet sichin Mathematik und Physik weiter.

Sein besonderes Interesse galt schon damals derEntwicklung einer leistungsfähigen Schnellpresse.Nach einem erfolglosen Versuch, als Teilhaber auf -genommen zu werden, trat Müller wieder aus der Firma aus. Er kehrte nach Hause zurück und lieh beiVerwandten Geld zur Gründung einer eigenen Maschi-nenfabrik. Daraufhin eröffnete er eine Werkstatt in derGießerei des staatlichen Hüttenwerkes Jenbach in Tirol.Kurz darauf erhielt er von der renommierten Wag-ner'schen Universitätsdruckerei in Innsbruck den Auftrag zum Bau einer Druckerschnellpresse.

1833 bekam Müller ein Privileg (Patent) auf einetechnisch verbesserte Presse. Nun zeichnete sich einKonkurrenzkampf mit dem Maschinenbauer Fried-rich Helbig ab; der war ein Neffe von Friedrich Koenigund betrieb eine Maschinenbau-Werkstatt in Wien.Nach anfänglichen Auseinandersetzungen einigtensich die beiden jedoch darauf, fortan einen gemeinsa-men Betrieb zu führen. Dabei stellte Helbig kaufmän-nisches Wissen undKapital zur Verfü-gung, Müller brachteseine patentierte Ma-schine ein. 1836 er-hielt er ein weiteresPatent. Im selben Jahrverkauften die beidenGesellschafter zweiDruckmaschinen andie Hof- und Staats-druckerei in Wien.Binnen sechs Jahren

lieferte die Wiener Firma 52 einfache sowie siebendoppelte Schnellpressen in verschiedene größere Städ-te der Habsburger-Monarchie und nach Deutschland;dabei gelang es den Gesellschaftern auch, Kunden ih-rer ehemaligen Lehrmeister Koenig & Bauer zu gewin-nen. Sie warben für ihre Produkte in Fachzeitschriftenund durch Vorführungen.

Kurze Zeit darauf erlebte der Betrieb allerdingseinen entscheidenden Rückschlag: 1843 starb Helbig,im Jahr darauf Leo Müller. Da Frauen nach dem Ge-werberecht keinen Betrieb führen durften, mussteMüllers Witwe Maria einen Geschäftsführer bestellen.Doch gingen die im Betrieb beschäftigten Maschinen-bauer vielfach denselben Weg, den Helbig und Müllervor ihnen gewählt hatten: Nach ihrer Lernzeit mach-ten sie sich in diesem vielversprechenden Gewerbeselbstständig. 1860 musste die Firma in Wien dahergelöscht werden.

Während der kurzen Zeit ihres Bestehens leistetedie Firma Helbig & Müller einen wichtigen Beitragzum frühen Maschinenbau in der Habsburger-Mon-archie. Müller musste sein Glück außerhalb suchen,denn im Milieu seiner engeren Heimat bestand keinBedarf an verbesserten Druckerpressen, etwa für Zei-tungen mit höheren Auflagen. Noch heute erinnerteine Tafel in Riezlern an den Kleinwalsertaler Erfinder,und eine Straße im Ort wurde nach ihm benannt.

Info aus »Vorarlberger Chronik«

Vor fast 200 Jahren zog ein Kleinwalsertaler aus, um die Medienlandschaft zu verändern. Leo Müller stieg vom Tischlergesellenauf zum Hersteller von Schnellpressen für den Zeitungsdruck. Kurze Zeit war seine Schnellpresse führend in Europa.

Das Prinzip der Schnelldruckpresse in einer zeitgenössischen Skizze

Der »schnelle« Leo MüllerEin Revolutionär der Drucktechnik

Leo Müller – ein Klein-walstertaler, der die Weltder Medien eroberte

Eine Erinnerungstafel für Leo Müller in Riezlern

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Was ist »Augmented Reality«?Augmented Reality (AR), zu deutsch »Erweiterte Wirklichkeit«, ist einecomputerunterstützte Darstellung, die real aufgenommene Bilder mitzusätzlichen Informationen versieht. Erstmals eingesetzt wurde die AR-Technikim Fernsehen, wenn zum Beispiel die Laufstrecke eines Sportlers mit einer Linienachgezeichnet wird. Heute, im mobilen Bereich, sind die Programme so perfek-tioniert, dass der Benutzer lediglich die Kamera seines Smartphones auf eineStraße oder einen anderen Gegenstand halten muss, und auf dem Handy-Display erscheinen Informationen. Beispielsweise die Wegstrecke, der Kaufpreiseiner Immobilie, Historisches zu einem Gebäude. Die Darstellung stützt sich aufdie Bilderkennung, die Ortung, die momentane Position und den Blickwinkel desBetrachters.

In Zusammenarbeit mit dem fran-zösischen Centre Scientifique etTechnique du Bâtiment CSTB ent-wickelten Forscher am Fraunhofer-Institut für Graphische Datenverar-beitung IGD in Darmstadt eineSmartphone-App, die künftig Käu-fer von alten Häusern vor bösen

»Röntgenblick« für Gebäudewände

Vortrag zum Thema LED-Lampen

findet am Mittwoch, 13. November,um 19 Uhr im Kurhaus in Ober-staufen (Argenstraße 3) statt. DerEintritt ist frei, Anmeldungen sindaber erwünscht unter der Telefon-nummer 0831 2521-450 oder perE-Mail an [email protected] red

Überraschungen schützen soll. DieApp dokumentiert, wo elektrischeLeitungen und Wasserrohre verlau-fen und wann diese zuletzt moder-nisiert, gewartet oder repariertwurden. Dazu muss der Käufer nursein Smartphone zücken, die inte-grierte Kamera einschalten und auf

Das Licht von LED-Lampen gilt alsangenehme und ideale Alternativezur Glühbirne. Was steckt nochhinter der innovativen Beleuch-tungstechnologie? Detlef Mikulskyvon der Ledon-Lamp GmbH refe-riert im Rahmen der Vortragsreihe

von AllgäuStrom über das Wohl-fühllicht mit Energiespareffekt underläutert, worauf es bei der richti-gen Beleuchtung ankommt, wieStrom eingespart werden kann undwas beim Kauf von LED-Lampenbeachtet werden muss. Der Vortrag

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die jeweilige Wand richten. DasSmartphone zeigt ihm dann über»Augmented Reality« den Verlaufder Leitungen an – die App blendetdie gewünschten Informationenüber das aufgenommene Kamerabild ein. Auch bei der Kon-struktion neuer Häuser kann dieTechnologie hilfreich sein. Dokumentieren die Architektenmit ihrer Hilfe die dreidimensiona-len CAD-Daten eines neuen Hau-ses, so können sie später bei ähnli-chen Projekten darauf zurückgrei-fen und sehen, wo nachträglich Än-derungen nötig waren. Die Soft-ware ist fast fertig, im Augenblickwird sie noch von Kunden getestet.Anschließend soll die NewMediaYuppies GmbH die App zum Pro-dukt weiterentwickeln. red

Der Landkreis Ostallgäu hat seinEnergieteam erweitert. Die Gruppebesteht nun neben Mitarbeitern desLandratsamtes auch aus Vertreternder Energieversorger, der IHK undder Handwerkskammer sowie denOstallgäuer Kreisräten Benno Bö-nisch, Waltraud Joa, Tom Nieberleund Bernd Singer. Aufgabe desEnergieteams ist die Begleitung der

Starke Impulse für denKlimaschutz im Ostallgäu

Umsetzung des »Masterplan Ener-giezukunft 2020« im LandkreisOstallgäu. Dieser beinhaltet neueAnsätze und Projektideen in denBereichen »Nachhaltig Bauen undSanieren«, »Erneuerbare Energien«,»Energieeffizienz« und »Mobilität«.Mit dem Masterplan begegnet derLandkreis den Herausforderungender Energiewende und des Klima-wandels und leistet einen effektivenBeitrag zum schnellstmöglichenAusstieg aus der Atomenergie. red

Das neue, verstärkte Energieteam des Landkreises Ostallgäu

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Seit über 40 Jahren haben sie Windund Wetter getrotzt: die gut 100Strommasten zwischen Rauhenzellbei Immenstadt und Zell bei Ober-staufen. Bis Ende Juli 2013 hat dasAllgäuer Überlandwerk für die Er-weiterung und Umstrukturierungseines 110-kV-Hochspannungsnet-zes 53 Masten rückgebaut.

Der Zweckverband für Abfallwirt-schaft Kempten (ZAK) stellt ange-meldeten Haushalten seit Kurzemeinen neuen kleinen Haushaltshel-fer zur Verfügung und unterstütztdamit die Umwelt. In dem 3-Liter-

Die Oberallgäuer kriegen ihr Fett weg

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Maierhöfen ist mit dem Westall-gäuer Regionenpreis des ersten Internationalen Weißtannenpreisesausgezeichnet worden. Die Verlei-hung ist ein Kooperationsprojekt derLeader-Regionen Westallgäu, Nord-schwarzwald und Vorarlberg. Aus-richter war die Waldbesitzervereini-gung Westallgäu als bayerischer Pro-jektträger und einer der Koopera-tionspartner des Projektes. Ausge-zeichnet wurde – als bislang einzigesAllgäuer Bauprojekt – die IT-Werk-statt im Gewerbegebiet von Maier-höfen. Das Gebäude wurde geplant

Erster Weißtannenpreis verliehen

von Kamm Architekten in Stuttgartund gebaut von der MaierhöfenerFirma Ulrich Zeh. Als preiswürdigwurde das Gebäude empfunden,weil hier »der Baustoff Weißtannevon der Konstruktion über den Innenausbau, die Fenster bis zurFassadenausbildung konsequentund gelungen umgesetzt wordenist«, so das Fazit der Jury. Ziel desWettbewerbes war es, die Einsatz-möglichkeiten der Tanne als Bau-und Werkstoff aufzuzeigen – unddas Image der ökologisch wertvol-len Weißtanne zu verbessern. red

Seit Anfang August hat nun derAufbau der neuen Masten begon-nen – unter Einsatz eines Hub-schraubers. Da ein Arbeiten mit einem Kran in diesem Geländenicht überall möglich ist, werdeninsgesamt 30 der neuen Rohrma-sten mit einem Hubschrauber anihren Standort transportiert. DerNeubau ist notwendig, um denkünftig zu erwartenden Zubau anErneuerbaren Energien optimal indas 110-kV-Hochspannungsnetz zuintegrieren. Bis zum kommendenWinter soll der erste Teilabschnittabgeschlossen sein. red

Mehrwegeimer »Öli« können Alt-speisefette und -öle gesammelt undan allen ZAK-Wertstoffhöfen abge-geben und gegen neue Eimer ge-tauscht werden. Aus den gesam-melten Ölen wird anschließend in

einer Tiroler Kläranlage Biodieselerzeugt. Die erste Lieferung vonvollen Ölis soll noch im Dezembererfolgen. Aus rund 16 Tonnen Alt-speisefett soll im Verhältnis eins zueins der Diesel entstehen. red

Links und rechts: In Zell funktioniertealles reibungslos. Zentimetergenaukommen die Mastteile perHubschrauber eingeflogen, pendeln sichaus und werden von Monteuren vor Ort zusammengebaut. Fo

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Der neue Strom kommt per Hubschrauber

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Ein Roboter fährt Bergbahn

nen. »FluxCrawler« nennen dieForscher vom Fraunhofer-Institutfür Zerstörungsfreie Prüfverfahrendas System. Es eignet sich für dieregelmäßige Qualitätskontrolle vonTragseilen und Spannkabeln ausStahl, wie sie in Seilbahnen undSkiliften, aber auch in Brücken,Kränen und Aufzügen verbaut sind.Mittels magnetischer Streuflussprü-fung spürt der Roboter nicht nurwinzige Risse an der Oberflächeauf, sondern auch solche, die tiefergehen. Bei diesem Verfahren wirddas Seil einem Magnetfeld ausge-setzt, das im Fall eines Defektes »gestört« ist – an den Fehlerstellenentsteht ein messbares Streufeld. ImGegensatz zu den gängigen, um-fangbegrenzten Spulen, die bisherfür diese Methode verwendet wur-

Der Roboter »FluxCrawler« kann Stahlseile mit einem

Durchmesser von 4 bis 20Zentimetern prüfen und

erkennt, ob ein Riss rechts,links, oben oder unten

entstanden ist. Bilder rechts:CAD-Modell des Prüfroboters

auf einem Drahtseil

den, prüft FluxCrawler durchmes-serunabhängig: Der rund 70 Zenti-meter lange Roboter scannt zylin-derförmige Oberflächen, indem erdas Seil einmal umläuft, er muss esalso nicht umfassen. red

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Kein Urlaub bei 40 Grad Celsius:Mehr als ein Fünftel der deutschenTouristen will zukünftig Reisezielemit hohen Temperaturen meiden.Das zeigten Kasseler Wirtschafts-forscher in ihrer Studie zum Ein-fluss der globalen Erwärmung aufdie Tourismusbranche. Auf dieAuswirkungen dieser Studie kannsich das Allgäu als Alternativeschon heute gezielt einrichten.Die Studie ist Teil des Forschungs-projektes, bei dem kürzlich über6000 repräsentativ ausgewähltedeutsche Haushalte befragt wur-den. Mehr als 22 Prozent der deut-schen Touristen wollen demnachihre Reisepläne an steigende Tem-peraturen anpassen und gegebe-nenfalls auf kühlere Reiseziele aus-weichen. »Oberstaufen statt Mal-lorca«, so könnte zukünftig Wer-bung ausgerichtet werden.Die statistisch-ökonometrischenAnalysen zeigen auch, von welchenFaktoren es abhängt, ob ein Touristin Zukunft seine Reisegewohnhei-ten aufgrund höherer Temperatu-

Klimawandel: Chancen für das Allgäu

ren ändert. Eine besonders großeRolle spielte für die Studienteilneh-mer, ob sie die Folgen des Klima-wandels als negativ bewerten, wieanfällig sie für starke Hitze sindund ob sie finanziell flexibel sind,um auf alternative Ferienorte aus-zuweichen. Dabei ist hinlänglichbekannt, dass Urlaub im Allgäu so-gar günstiger sein kann als am Mit-telmeer. Als Konsequenz aus derKasseler Studie müsste aber auch anden Ausbau der »Schlechtwetteran-gebote« in unserer Region gedachtwerden. Denn leider – und das hatder Sommer dieses Jahr bewiesen –gibt es bei uns Schlechtwetter- undKälte-Phasen auch in der Haupt-Reisesaison. Hier besteht im Allgäunoch Nachrüstungs-Bedarf.Eine wichtige Rolle scheint laut derKasseler Studie auch die immer be-deutsamere Gruppe älterer Touris-ten zu spielen, die aufgrund ihrerAnfälligkeit für hohe Temperaturenihre Reisegewohnheiten besondersstark den Folgen des Klimawandelsanpassen wird. red

In Zukunft könnten sich mehr Urlauber für das Allgäu entscheiden.Projekte wie der neue Ruhe- und Naturbadeerlebnisplatz am

Grüntensee, aber auch Schlechtwetter-Angebote sind dann sinnvoll

Weitere InfosFraunhofer Gesellschaft zurFörderung der angewandtenForschung e.V.Postfach 10073380007 MünchenTel. 089/1205-1399Fax 089/1205-7531www.fraunhofer.de

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Die majestätische Allgäuer Berg-welt betrachtet jedermann gernemal von oben. Der Bergbahntouris-mus boomt bei uns. Die zuständi-gen Trag- und Spannseile von Seil-bahnen sind enormen Belastungenausgesetzt. Ihre Funktionstüchtig-keit muss daher regelmäßig über-prüft werden. Ein neuartiger Robo-ter erkennt Risse, bevor sie ein ge-fährliches Ausmaß annehmen kön-

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In seiner Abschlussarbeit hat JanMichael Schaub, Student der Ge-bäudeklimatik an der HochschuleBiberach, das Bauprojekt »Bürger-heim Biberach« unter die Lupe ge-nommen und dessen weitere Ent-wicklung unter dem Aspekt derEnergieversorgung und Energieef-fizienz untersucht. Bei dem Bauhandelt es sich um ein öffentlich gefördertes Forschungsprojekt desBundesministeriums für Wirtschaftund Technologie. Sieben Partnerarbeiten an diesem Projekt, unteranderem das Institut für Gebäude-und Energiesysteme der Hochschu-le Biberach. Das derzeit im Umbaubefindliche Hochhaus, das künftigdem betreuten Wohnen dient, wur-de mithilfe einer Computersimula-tion auf den Prüfstand gestellt. Da-bei berücksichtigte Schaub nichtnur aktuelle Klimadaten, sondern

Student schaut Biberacher Bauherren auf die Finger

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In seinen Simulationen hatJan Michael Schaubdetailliert denHeizenergiebedarf und dieRaumtemperaturen inexemplarischenWohneinheiten inStundenschritten über dasganze Jahr berechnet

auch die zukünftige Klimaentwick-lung. Nach diesen Daten muss inZukunft zwar weniger geheizt wer-den, aber es ist nach wie vor mitKälteperioden zu rechnen, auchkönnte es in der Zukunft häufigerund länger warm sein. Die Gefahreiner Überhitzung von Gebäudenim Sommer und in den Übergangs-zeiten wird also noch ansteigen, wasgerade für ältere Menschen eine Be-lastung darstellt.In den Simulationsstudien unter-suchte Jan Michael Schaub deshalbvor allem, mit welchen Maßnah-men das zu erwartende sommerli-che Raumklima im Gebäude posi-tiv beeinflusst werden kann. Die bekannten Maßnahmen – kon-sequentes Schließen des Sonnen-schutzes und nächtliches Lüften –bleiben als Basis weiterhin unab-dingbar, müssen laut Schaub aber

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um eine Automatisierung des Son-nenschutzes ergänzt werden, damitbei Bedarf unabhängig von denNutzern eine wirkungsvolle Ver-schattung sichergestellt ist. Wennsich das Außenklima in Zukunftweiter erwärmt, kann außerdemeine zusätzliche Kühlung der Zuluftin der Lüftungsanlage erforderlichwerden. red

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Das kommunale Energiemanage-ment des Energie- und Umweltzen-trums Allgäu (eza!) hilft Gemein-den, den Energieverbrauch ihrerkommunalen Liegenschaften wiezum Beispiel Rathäuser, Kinder-gärten, Veranstaltungssäle oderSchwimm bädern deutlich zu sen-ken und Kosten einzusparen. Die eza!-Experten kommen falscheingestellten Heizungs- oder Lüf-tungsanlagen auf die Spur, sorgenfür einen energetisch optimiertenBetrieb und bieten Hilfestellung beiSanierungen an. Nach eigenen An-gaben hat beispielsweise die Ge-meinde Pfronten nach Einführungdes kommunalen Energiemanage-ments rund eine Million Euro in

zehn Jahren eingespart – bei einemAufwand von 47.000 Euro Kostenfür die eza!-Dienstleistungen. Letztere werden staatlich gefördert.So übernimmt das BayerischeStaatsministerium für Umwelt, Ge-sundheit und Verbraucherschutzim Rahmen des »CO2-Minde-rungsprogrammes für kommunaleLiegenschaften« 40 Prozent der zu-wendungsfähigen Kosten des kom-munalen Energiemanagements.Unter besonderen Bedingungen,wenn die Kommune am EuropeanEnergy Award teilnimmt, sind essogar bis zu 50 Prozent. eza! hilftbei der Antragsstellung und bereitet– falls gewünscht – auch unter-schriftsreife Förderanträge vor. red

Kommunales Energiemanagement wird gefördert

Das Ziegelwerk Klosterbeuren op-timiert sein Energiemanagement-system und investiert erneut in dieSchonung der Ressourcen. Derzeitin der Umsetzung: Im Werk 1 wirddie Steuerung für Öfen und Trock-ner komplett ausgetauscht. Ziel istes, den Energieverbrauch um weite-re sechs Prozent zu reduzieren. DieInvestitionssumme beträgt 500.000Euro. Das Unternehmen hatte be-reits im Jahr 2012 mehr als eine Mil-lion Euro in Energiesparmaßnah-men investiert und geht diesen Wegkonsequent weiter. Unter anderem

Neue Steuerung und neue Zertifizierung

Mit Antje Kramer hat der LandkreisUnterallgäu seit dem 1. Septembereine Klimaschutzbeauftragte. Zu-künftig wird sie die Projekte desLandkreises koordinieren, darüberinformieren und neue Ideen ver-wirklichen. Außerdem ist sie ersteAnsprechpartnerin in Belangenrund um den Klimaschutz. Beson-ders wichtig ist der 33-Jährigen,

Klimaschutzbeauftragte für den Landkreis Unterallgäu

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den Klimaschutz nachhaltig zu ge-stalten. »Nachhaltiger Klimaschutzumfasst ökologische, ökonomischeund soziale Bestandteile«, sagt sie.Ziel sei es, alle Akteure ins Boot zubekommen. Antje Kramer hat Eth-nologie, amerikanische Kulturge-schichte und Rechtswissenschaftenstudiert. Zunächst hatte sie in einerKanzlei gearbeitet, ehe sie in die

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Zum Dienstleistungsangebot der eza!-Ingenieure gehört unter anderem auch eine Hausmeisterschulung

InfoAntje Kramer ist unter [email protected] erreichen

Branche der erneuerbaren Energienwechselte. Zuletzt war sie bei einemBeratungsunternehmen für erneu-erbare Energien in Berlin tätig. red

InfoZiegelwerk Klosterbeuren

Ludwig Leinsing GmbH & Co. KG

Ziegeleistraße 12

87727 Babenhausen-Kloster -

beuren

Tel. 08333/9222-0

Fax 08333/9222-46

E-Mail: [email protected]

www.zwk.de

Als erster Mauerziegelhersteller weltweit war das ZiegelwerkKlosterbeuren im vergangenen Jahr vom TÜV Süd für sein Energie-

managementsystem nach DIN EN 16001 zertifiziert worden. Mittlerweileerfolgte auch das Audit nach der neuen Norm DIN EN 50001

setzt das Ziegelwerk Klosterbeurenzwei neue Gabelstapler ein, die sichmit einem sehr niedrigen Kraftstoff-verbrauch auszeichnen. red

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Energiewende, Energie sparen,Energieeffizienz – das waren dieThemenschwerpunkte des viertenAugsburger Energietages, zu demdie Handwerkskammer Schwabenin den Botanischen Garten eingela-den hatte. Zum Auftakt der Veran-staltung referierte Bundesumwelt-minister Peter Altmaier über denaktuellen Stand der Energiewende,die notwendigen Visionen und dieRolle des Handwerks. Insbesonderedie Chancen für Deutschland,durch innovative Ideen eine Vorrei-terrolle einzunehmen, hob er her-vor. Im anschließenden Besuch derHandwerker-Ausstellung informier-te sich Altmaier bei der EisenbeißSolar AG über die Möglichkeiten in-telligenter Thermicom Hybridheiz-technik. Er zeigte sich beeindruckt

Umweltminister Altmaier auf dem Augsburger Energietag:»Innovationen sind dringend notwendig!«

Bundesumweltminister Peter Altmaier (2.v.l), KUMAS-GeschäftsführerThomas Nieborowsky (l.) und Handwerkskammerpräsident JürgenSchmid (r.) informieren sich bei Johannes Hintersberger (2.vr..) überintelligente Thermicom Hybridheizungstechnologie

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von der Möglichkeit, regenerativeEnergiequellen maximal in dieWärme- und Warmwasserversor-gung von Gebäuden zu integrierenund bis zu 60 Prozent an fossilenBrennstoffen einzusparen. red

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Die Zeppelin-Universität (ZU) inFriedrichshafen am Bodensee hatmit den Um- und Neubauarbeitenfür ihren künftigen Hauptcampusbegonnen. Die Bauzeit wird rundzwei Jahre betragen. Oberbürger-meister Andreas Brand: »Im Fallen-brunnen 3 entsteht ein lebendigesAreal mit Hochschulen, weiterenBildungsanbietern, Kulturprodu-zenten, Unternehmen und Wohn-anlagen. Wir sind glücklich, dassdie nun zehn Jahre alte ZU hier ih-ren Hauptcampus haben wird.«Insgesamt werden ungefähr 14.500Quadratmeter Bruttogeschossflä-che entstehen, davon die Hälfte Alt-bau, die andere Hälfte Neubau. Ge-baut wird der Sieger-Entwurf desArchitektur-Wettbewerbes unterEinbindung des Technischen Aus-schusses und Stadtplanungsamtes,den die Universität im Jahr 2010durchgeführt hatte. red

Baubeginn für neuen Hauptcampus der Zeppelin-Universität

Das Bundesinstitut für Bau-, Stadt-und Raumforschung (BBSR) gibt ineiner neuen Veröffentlichung Hin-weise für eine bodenschonendeBautätigkeit. Boden erfüllt als Um-weltmedium neben Wasser undLuft wichtige Funktionen. Er istnicht nur Pflanzenstandort und

Praxishinweise für Bodenschutz beim Bauen

Den sechsspurigen Ausbau der A7zwischen dem AutobahndreieckHittistetten und dem Autobahn-kreuz Memmingen halten dieKreisgruppen Neu-Ulm und Mem-mingen-Unterallgäu im Bund Na-turschutz sowie der BUND-Regio-nalverband Donau-Iller für teuer,umweltschädlich und verkehrspoli-tisch fragwürdig. Als Alternativeschlagen sie der bayerischen und

Zweigleisige Illertalbahn statt A 7-Ausbau

baden-württembergischen Landes-regierung den zweigleisigen Aus-bau der parallel verlaufenden Iller-talbahn vor. Dies sei umweltscho-nender und stehe seit langer Zeitauf dem Wunschzettel der regiona-len Politik.Der BUND hat von seinem RechtGebrauch gemacht, eigene Vorschlä-ge zur Verbesserung der Verkehrs-infrastruktur vorzulegen. Im De-

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Start für den neuen Hauptcampus der Zeppelin-Universität: Oberbürgermeister Andreas Brand, ZF-Vorstandsvorsitzender Dr. Stefan Sommer, ZU-Präsident Prof. Dr. Stephan A. Jansen und ZU-Geschäftsführerin

Katja Völcker (v. l.)

InfoFür Rückfragen:Thomas FreyBN-Regionalreferent für SchwabenTel. 089/548298-63;0160-95501313E-Mail:[email protected]

zember 2012 hatte das Bundesver-kehrsministerium dazu aufgerufen,Alternativen zu prüfen und diesedann einzureichen. Ein BUND-Hin-tergrundpapier zur Bundesverkehrs-wegeplanung, die BUND-Liste der30 Alternativvorschläge zu bundes-weiten Straßenbauvorhaben sowieeine Deutschlandkarte dazu gibt esim Internet unter www.mobil-statt-verplant.de/alternativen. red

Ausgleichskörper im Wasserkreis-lauf, sondern auch Speicher undPuffer im Ökosystem. Gerade beiBaumaßnahmen werden große Bo-denmassen durch Verdichtung undUmlagerung geschädigt. Anhandeines üblichen Bauablaufs zeigt dasHeft, wie Belange des Bodenschut-

zes berücksichtigt werden können– von der Ausschreibung und Rea-lisierung bis zur Nachsorge. Mit derPraxishilfe möchte das BBSR Bau-herren, Planer und Bauausführen-de, aber auch Behörden erreichenund den Diskurs um vorsorgendenBodenschutz fördern. red

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Die Bundesregierung hat im Okto-ber die Novelle der Energieeinspar-verordung (EnEV) mit den vomBundesrat geforderten Änderungenverabschiedet. Sie soll im Frühsom-mer 2014 in Kraft treten. Die Bundesregierung will bis 2050einen nahezu klimaneutralen Ge-bäudebestand erreichen. Die Verab-schiedung der EnEV-Novelle ist einSchritt in diese Richtung. Ab dem 1. Januar 2016 werden die energeti-schen Anforderungen an Neubautenangehoben, und zwar um durch-schnittlich 25 Prozent beim Jahres-Primärenergiebedarf und durch-schnittlich 20 Prozent bei den Wärmedurchgangskoeffizienten derGebäudehülle. Sanierungsvorhaben

Neue Energieeinsparverordnung verabschiedet

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Unten links: Laut derüberarbeiteten EnEV sollenenergetische Anford erungenan Neubauten ab 2016steigen. Zudem müssen inZukunft Energie ausweise(unten rechts) potenziellenKäufern und Mietern zumZeitpunkt einer Gebäude -besichtigung vorgelegtwerden. Bisher hieß es nur,dass sie zugänglich ge -macht werden müssen

betrifft die Verschärfung nicht. Ex-plizit in den Text aufgenommenwurde (unter Paragraf 1), dass par-allel zur EnEV Instrumente wie eineModernisierungsoffensive für Ge-bäude, ein Sanierungsfahrplan undFörderprogramme eingesetzt wer-den sollen. Der Bundesrat forderthierzu, Förderprogramme zur Ge-bäudemodernisierung mit zweiMilliarden Euro pro Jahr auszustat-ten, zu verstetigen und in den Bun-deshaushalt zu überführen. Außerdem sollen die Energieaus-weise wirksamer werden. Darinwerden Effizienzklassen, ähnlichwie bei Haushaltsgeräten, einge-führt. Solche energetischen Kenn-werte sollen dann auch in Immobi-

lienanzeigen erscheinen. Die Pflicht,Energieausweise auszuhängen, wirdausgedehnt. Am 11. Oktober 2013 hatte der Bun-desrat einer Änderung der EnEVdurch die Bundes regierung weitge-hend zugestimmt. Seine Ände-rungswünsche hat die Bundesregie-rung mit Beschluss vom 16. Oktoberakzeptiert. Damit wurde das Verord-nungsgebungsverfahren erfolgreichabgeschlossen. Als nächstes wird der Text redak-tionell aufbereitet und anschlie-ßend im Bundesgesetzblatt veröf-fentlicht. Das könnte noch in die-sem Jahr geschehen. Sechs Monatedanach tritt die novellierte EnEVin Kraft. bine

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Umwelt-Service

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So schlimm muss es nicht kommen. Schad-hafte Hausanschlüsse können repariert wer-den, ohne dass der Bagger anrücken muss.

Fachfirmen wie beispielsweise die Bendl ServiceGmbH in Günzburg können das Problem »schonend«angehen. Mit einer Kamera-Befahrung lässt sich dieUrsache des Problems im Hauskanal feststellen. Undselbst, wenn eine oder mehrere Schadstellen fest -gestellt werden, muss nicht gleich gegraben oder derKellerboden aufgerissen werden. Margot Bendl, Marketingleiterin des Günzburger Service-Betriebes,erklärt: »Seit über drei Jahren haben wir unserSanierungs angebot um das Segment Hausanschlüssemit Erfolg erweitert. Wir sanieren Hausanschlüsse miteinem Filz-Inliner. Das ist ein Tuchschlauch, der mitHarz getränkt und ausgehärtet wird. Unser Teamkommt morgens, und im Normalfall ist am Abend derHausanschluss wieder in Betrieb – sauber, leise, nach -haltig – Toilette und Waschbecken laufen wieder ein-wandfrei ab! Und das Schöne daran: Ein dichterHausanschluss ist aktiver Umweltschutz, denn keinAbwasser wird künftig mehr den Untergrund verun-reinigen.«

Die Sanierung mit Inlinern ist die nachhaltigsteMethode, Kanäle langfristig zu sanieren. Nach derAushärtung mit UV-Licht und der Fertigstellung derSanierungsarbeiten bekommt der Kunde ein detail-

liertes Sanierungsprotokoll. Diese Art der Sanierungist nicht nur kostengünstiger als die konventionelle,offene Sanierung, sondern speziell bei Kanälen, dieunter Gebäuden oder Fabriken verlaufen, nahezu dieeinzige Möglichkeit, noch dazu mit relativ geringemAufwand.

Aber auch andere »kleine Baustellen« bewältigendie Service-Leute von Bendl professionell. Was nutztein sanierter Kanal, wenn der Schacht schadhaft ist?Durch beschädigte Einläufe, Versätze oder Risse ge-langt Abwasser ins Grundwasser oder umgekehrt.Bendl verpresst die Schadstellen mit Injektionsharzund verspachtelt bei Bedarf die Schachtwand neu. Was im Kleinen geht, funktioniert auch im Großen.Auch kommunale Kanäle mit größeren Durchmessernhat Bendl bereits mit der Inliner-Methode wieder her -gestellt.

Die Kamera-Befahrung mit dem Kanal-Roboterdeckt nicht nur Fehlstellen auf. Die Methode ermög-licht auch die Rekonstruktion von Verlegeplänen. Eskommt nicht selten vor, dass zum Beispiel bei älterenFirmen keine solchen Kanalpläne mehr aufzufindensind. Mit einer 3D-TV-Kamera können alle Ent -wässerungsleitungen und Schächte absolut genau indie Lagepläne eingezeichnet und vermaßt werden.Wie das funktioniert? Ganz einfach – die Kamera istmit einem GPS-Empfänger ausgestattet und kann soin die im Sys tem hinterlegten, aktuellen Pläne derVermessungs ämter die Leitungspläne einarbeiten.Sanierungs konzepte können in die Leitungspläne ein-gearbeitet werden, ebenso wie Fotos der Schächte oderGoogle-Earth-Ausschnitte. So bekommt man exakteund aktuelle Revisions- und Zustandspläne. Das Teamvon Bendl ist seit 2007 Partner von eza!. Damit ist einehohe Qualität der Leistungen garantiert. red

»Was man nicht sieht, stört auch niemanden.« Leider stimmt diese Weisheit nichtimmer. Wenn die Toilette nicht mehr abläuft oder das Wasser sich im Waschbeckenstaut, ist das ein Warnhinweis aus dem Untergrund. Kanal verstopft oder gar defekt –was jetzt? Den Garten aufgraben und selber suchen? Oder eine Fachfirma rufen?

Per Roboter unter die ErdeLeckstellen im Kanal auf der Spur

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Kurzliner wird eingeharzt,ausgehärteter GFK-Inliner

Förderband zum Einziehen von GFK-Großlinern; rechts:

Liner wird inversiert

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Schlaue Netze:Wie die Energie- und Verkehrswende gelingt

100 Prozent erneuerbare Energienbis 2050 sind möglich, sagen Exper-ten und Umweltverbände. Wie lässtsich dieses Ziel erreichen? Jenseitsdes Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG)wird es Zeit für neue Denkansätze. »Bei der Umstellung auf Erneuerbare müssen Energie- und Verkehrswende Hand in Handgehen«, meinen Andreas Knie (Innovationszentrum für Mobilitätund gesellschaftlichen Wandel, InnoZ) und Weert Canzler (Wis-senschaftszentrum Berlin für Sozialforschung, WZB). Um dieDebatte voranzubringen, haben die beiden Wissenschaftler ihrenDenkansatz zu diesem Thema in dem Buch »Schlaue Netze –wie die Energie- und Verkehrswende gelingt« im oekom verlagveröffentlicht. Kerngedanke ist die Formulierung eines Schlaue-Netze-Gesetzes als Hebel für das Gelingen der Wende. Der Vor-schlag ist gleichermaßen radikal wie komplex und zielt auf einestarke Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern.

Das Buch aus dem Oekom-Verlag hat 136 Seiten, kostet 9,95 Euro und kann in jeder Buchhandlung mit der ISBN: 978-3-86581-440-1 bestellt werden.

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Offensive

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Michael Weiß ist sich der Lage seiner Me -ckatzer Brauerei sehr bewusst: »Um imKonzert der Großen mitzuspielen, sind

wir zu klein, und unter den Kleinen sind wir zu groß!«Eigentlich eine sehr gefährliche Situation, denn hatman keine richtige »Heimat«, verliert man seine geschäftliche Orientierung. Der Chef der WestallgäuerBrauerei hat dies schon lange erkannt und einen eigenen Weg beschritten. Entgegen dem Trend im stagnierenden Biermarkt wächst in Meckatz der Um-satz. 170.000 Hektoliter setzt die Traditionsbrauereijährlich ab. Das Erfolgsrezept heißt »Qualität in allenBereichen«.

Das beginnt natürlich zuerst beim Bier. Die kon -sequente Qualitätsphilosophie wurde dadurch be-lohnt, dass Meckatzer als erste Brauerei überhaupt indie Vereinigung »slowBrewing – Das Brauen mit Zeitund Geschmack e.V.« aufgenommen wurde. Um dasdamit verbundene Siegel zu erhalten, müssen die Mitglieder bei der Herstellung ihrer Biere hohe ökologische und soziale Standards erfüllen. MichaelWeiß sagt, was das bedeutet: »Den Bieren soll durch

schonende Gärung, Reifung und Lagerung Zeit ge -geben werden, Geschmackscharakter aufzubauen undan Bekömmlichkeit zu gewinnen.« So, wie sich dieBrauerei der absoluten Produktqualität verschriebenhat, so konsequent vermarktet sie sich auch als echtesAllgäuer Unternehmen mit starken Heimat-Wurzeln.

Ein letzter Schritt zu diesem ganzheitlichen Unternehmensbild wurde in den letzten Monaten vor Ort getan. Die Braustätte, mitten im Ort nicht gerade ein »Raumwunder«, wurde in einigen wichti-gen Bereichen umgestaltet. Dem Bau des neuen Verwaltungsgebäudes (2011 eröffnet) folgte die innereErneuerung. Die Dämmung der Altgebäude ent-spricht neuesten Regeln. Die Räume werden mit Recyclingwärme geheizt, auf den Dächern glänzenPhotovoltaik-Anlagen, und ein eigenes Blockheiz-kraftwerk ging in Betrieb. 50 Prozent des Strombe-darfs decken die Meckatzer durch Eigenproduktionab. Emissionen wurden auf ein Mindestmaß reduziertund sollen weiter sinken. Der Lohn für diese Bemü-hungen: Meckatzer ist wieder nach den Vorgaben desÖko-Audits EMAS zertifiziert, und zwar seit 2002 un-unterbrochen.

Abgerundet wird die Qualitätsoffensive durch die Einweihung der neuen Außenanlagen und des neuenPavillons. Man fühlt sich fast ein wenig nach Italienversetzt, blickt man von den Gaststätten-Terrassen inRichtung Braugebäude. Blumenrabatten, Sitzterrassenrund um eine Freiluftbühne, eine im Mittelpunkt plat-zierte Fassstemmer-Bronzeskulptur von Max Schmel-cher laden die Gäste zum Verweilen ein. Ab 2014 solles hier ein vielfältiges Kulturprogramm geben. Mandarf gespannt sein.

Das neu gestaltete Bräustüble mit seinen 100Plätzen wurde um den Pavillon für 50 Gäste erweitertund bietet gediegene Allgäuer Küche an. Der bis dahin störende Straßenlärm der Ortsdurchfahrt wurdedurch einen begrünten Lärmschutzwall fast völlig aus-geblendet, und da sich die Brauerei als Aufenthaltsortfür die ganze Familie versteht, gibt es jetzt auch einenSlackline-Parcours, ein Großschach und ein Klang-spiel zur Unterhaltung der Kleinen. red

Dass Meckatzer als erste Brauerei von der Vereinigung »slowBrewing« ausgezeichnet wurde, fällt dem Besucher der Braustätte wohl erst beim erstenSchluck Bier auf. Dass das mittelständische Unternehmen aber auf Ambienteund Qualität aus dem Allgäu setzt, das sieht man sofort. Kunst, Architekturund Kulinarik ergänzen sich dort nicht erst, seit der Biergarten mit Kinder-spielplatz, der Markenraum und der neue Pavillon eröffnet wurden.

Qualität und WohlbefindenMeckatzer setzen auf Gediegenheit

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Der Blick vom Biergarten auf dieBrauereigebäude strahlt einwenig italienisches Flair aus.

Ganz oben: Welcher Gast möch -te nicht von so sympa thischen

Bedienungen verwöhnt werden?

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Energie sparen

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Landrat Johann Fleschhut: »Arno Lederer ist einemotionaler und emphatischer Architekt, derProjekte gewissermaßen mit einem humanis -

tischen Ansatz angeht und sie als ganzheitliche Formdes Lebens sieht. Er hat bei seiner Planung nicht nuran Kosten gedacht, sondern vor allem an die Kinder.Das war uns ganz wichtig.«

Der Planer des neuen Gymnasiums Buchloe,Professor Arno Lederer, Gründer des Architektur -büros LRO in Stuttgart, ist für seine architektonischeUmsetzung des Kunstmuseums Ravensburg mit demDeutschen Architekturpreis 2013 ausgezeichnet wor-den.

Anfang 2012 hatte der Kreistag den Zuschlag fürdie Planung, den Bau und den Betrieb des Gymnasi-ums Buchloe an die Baufirma Reisch aus Bad Saulgauerteilt. Dadurch ist die vertragliche Zusammenarbeitzwischen Landkreis Ostallgäu und der privatrechtlichorganisierten Firma Reisch zwecks Erfüllung öffent -licher Aufgaben in einer öffentlich-privaten Partner-schaft (ÖPP) gegründet worden.

Das Unternehmen verpflichtete sich damals nebender Herstellung des Bauwerkes auch zum Unterhalt inden ersten 20 Jahren. Im Gegenzug muss der Land-

Professor Arno Lederer, Architekt des neuen Gymnasiums in Buchloe, ist mit dem Deutschen Architekturpreis 2013 ausgezeichnet worden. Der Landkreis Ostallgäu ist stolz,

dass ein solch renommierter Experte derzeit ein Projekt in unserer Region verwirklicht und gratuliert ihm ganz herzlich.

Beispiel: Gymnasium BuchloeArno Lederer denkt an Kinder und Geld

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kreis nach der Fertigstellung 23,3 Millionen Euro be-zahlen. Die Beteiligung der Stadt Buchloe, des MarktesWaal und der Gemeinden Jengen und Lamerdingenbeträgt 5,1 Millionen Euro. Vom Freistaat Bayern kom-men 9,2 Millionen Euro.

Das Gymnasium hat 32 Unterrichtsräume, 18Fachräume, die Ganztagsbetreuung mit Küche und eine Zweifach-Sporthalle. 700 Schüler besuchen dieSchule, und 60 Lehrer unterrichten dort. Das Gebäudewurde nicht nur im Passivhausstandard erbaut, sondernhat auch eine ganz besondere menschliche Note.

Am Neubau des Gymnasiums, entworfen vom ArchitektenArno Lederer (Bild ganz oben), wird letzte Hand angelegt.

Inzwischen ist der Bau seiner Bestimmung übergeben

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Lebensraum

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Der Bund Naturschutz hat eine Dokumenta-tion »Flächenfraß und Flächenschutz – Positiv- und Negativbeispiele politischen

Handelns« erstellt und will damit aufzeigen, wie flächensparende Gemeindeentwicklung möglich istund welche politischen Entscheidungen den Flächen-verbrauch in die Höhe treiben.

»Wenn landwirtschaftliche Flächen bebaut wer-den, auf denen bisher Nahrungsmittel produziert wur-den, dann sind diese unwiederbringlich verloren. DenFlächenverbrauch zu stoppen, ist daher vordringlicheAufgabe von Politik, Naturschützern und Bauern«,sagt Andreas Steidele, Kreisvorsitzender des BDM im

Oberallgäu. Der Flächenverbrauch geht fast ausschließ-lich zu Lasten landwirtschaftlicher Flächen und be-droht oftmals nicht nur die Existenz landwirtschaft -licher Betriebe, sondern führt auch dazu, dass immermehr landwirtschaftliche Produkte importiert werdenmüssen.

Die Flächenstatistik weist dem Oberallgäu wei-terhin den unrühmlichen Titel »Bayerischer Meisterim Flächenverbrauch« zu, wenn man die Zahlen zwi-schen 2000 und 2012 betrachtet. Aber auch die Land-kreise Ostallgäu und Unterallgäu liegen weit über dembayerischen Durchschnitt. Die vom BN vorgelegteDokumentation zu »Flächenfraß und Flächenschutz

»Das Allgäu verliert zunehmend sein Gesicht. Bürgermeister und Landräte müssen jetzt eine deutliche Trendwende beim Flächenverbrauch einleiten, ansonsten droht der Charakter des Allgäus weiter verlorenzugehen«, kommentiertRichard Mergner, BN-Landesbeauftragter, die nach wie vor überdurchschnittlichhohen Zahlen zum Flächenverbrauch im Allgäu.

Zu viel FlächenverbrauchBund Naturschutz fordert Umkehr

Bund Naturschutz: Negatives Beispiel»Dietmannsried ist eine attraktive Gemeinde. Vor den Toren Kemptens und mit eigener Autobahnzufahrt direkt an der A7 gelegen, sind gerade Einzelhandelsgewerbe -treibende von der ansonsten eher unauffälligen Gemeindeangetan. Dieses Merkmal weiß Dietmannsried für sichgewinnbringend zu nutzen, und so entstanden in den letzten Jahren rund um den Ortskern verschiedeneGewerbe gebiete. Unweit der Autobahn, direkt am Ortsrand gelegen auch das Gewerbe gebiet Steinriesel. Von Aldi, Lidl, Penny und Feneberg bis Kik & Co. ist hier alles schön aneinandergereiht: Einkaufs märkte, Textil -discounter, eine Tankstelle und diverse Klein betriebe.Eigentlich alles ganz praktisch, nur ein Auto sollte man schon haben, wenn man im Alter nicht mehr so gut zu Fuß ist. Der Einzelhandel im Ortskern hat dagegen wenigChancen. Viele ehemalige Läden stehen leer, die Haupt -straße gibt ein eher trostloses Bild ab. Auch in den um -liegenden Gemeinden zog sich der private Einzelhandelzurück. Bürgerschaft und Gemein den organisierten Dorf läden, um noch eine wohnortnahe Grund versorgungsicher zustellen. So in Haldenwang, Heising, Krugzell,Probstried und Börwang. In Diet mannsried hingegenmussten viele Gewerbetreibende aufgeben, weil sie imPreiskampf gegen die Groß märkte das Nachsehen hatten.Hier kann man nun günstig leer stehende Geschäfte kaufen, während sich im Gewerbe gebiet ein Auto an das anderereiht.«

Fazit: Ein großes Einzelhandels-Neubaugebiet führt zu Leerstand und Geschäftsaufgaben im Ortskern sowie in den umliegenden Gemeinden. Eine Fläche von 65.000 Quadratmetern ging verloren.

Leerstehende Geschäfte imZentrum von Dietmannsried

und große Einzelhändler imGewerbegebiet

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Bund Naturschutz: Positives Beispiel»Nicht mehr als 400 Quadratmeter für den Einzelhandel« –dieser Grundsatzbeschluss der Gemeinde Seeg hat dieinnerörtliche Einzelhandelsstruktur erhalten, da dieseFlächengröße für Discounter am Ortsrand unattraktiv ist.Hier kann man ein intaktes Allgäuer Dorf im Original erleben.Die Gemeinde politik hat mit ihren Entscheidungen maß -geblich dazu beigetragen, einen lebendigen Ortskern mitkurzen Wegen zu erhalten. Hier ist man bisher nicht der Verlockung verfallen, die Gemeindekasse durch den Verkaufgroßer Gewerbeflächen aufzubessern, was zur Folge hätte,dass Arbeitsplätze im innerörtlichen Einzelhandel vernichtetwürden. Denn fast immer gehen mehr Arbeitsplätze in den

im Allgäu« zeigt, dass politische Entscheidungen übermehr oder weniger Flächenverbrauch bestimmen.Zentrale Ansatzpunkte zur Verminderung von Flä-chenverbrauch aus Sicht des Bund Naturschutz sind: • Erhalt statt Neubau im Straßenbau: kein Straßen -

neubau mehr, außer in ganz wenigen begründetenAusnahmen.

• Innenentwicklung fördern: Umschichtung vonFinanzmitteln aus dem Straßenneubau inStädtebauförderung und Dorferneuerung.

• Verpflichtendes kommunales Flächenressourcen -management: Ein Nachweis, dass alle Innen -entwicklungspotenziale genutzt wurden, dient inVerbindung hiermit als zwingende Voraussetzungfür die Ausweisung von Neubaugebieten außerhalbdes Ortskerns.

• Verbot der Neuausweisung von Einzelhandels -flächen auf der grünen Wiese, verankert imLandesentwicklungsprogramm.

• Striktes Anbindegebot ohne Ausnahmeregelungen,außer für extrem emissionsintensive industrielleGroßbetriebe (verankert im Landesentwicklungs -programm).

• Rückverlagerung der Genehmigungspflicht fürFlächennutzungspläne – weg von den Landrats -ämtern und hin zu den Bezirksregierungen – inVerbindung mit klaren Prüfkriterien.

• Grundsteuer- und Grunderwerbsteuerreform,deren Bemessungsgrundlage nur an Grund undBoden, nicht aber an die darauf befindlichenGebäude geknüpft ist, welche finanzielle Anreizezum flächensparenden Bauen gibt.

alten Betrieben verloren, als durch großflächige Super -märkte am Ortsrand neu geschaffen werden.Dynamik mit Augenmaß – dies ist ein Grundsatz in Seeg, und vielleicht gab es auch deswegen den Dorf Vital Preis2008 in der Kategorie: »Dörfer mit viel fältigen Ansätzen zur Vitalitätsverbesserung, mit weit fortgeschrittenenEntwicklungsprozessen und bereits umgesetztenMaßnahmen«.Fazit: Ein Grundsatzbeschluss der Gemeinde sichert die innerörtliche Einzelhandelsinfrastruktur und schützt vor Neubauten auf der grünen Wiese. Gerettete Fläche:25.000 Quadratmeter.

Bayern

Region München

Allgäu gesamt

Oberallgäu (Lkr)

Ostallgäu (Lkr)

Unterallgäu (Lkr)

Lindau (Bodensee) (Lkr)

Kaufbeuren (Krfr. St)

Kempten (Allgäu) (Krfr. St)

Memmingen (Krfr. St)

0,0 5,0 10,0 15,0 20,0

Quelle: Auswertung der Daten des Bayerischen Landesamtes für Statistik und Datenverarbeitung

Flächenverbrauch im Allgäu Veränderung der Siedlungs- und Verkehrsfläche zwischen 2000 und 2012

Angaben in Prozent

In Seeg freuen sich die Ein -wohner über einen intaktenOrtskern mit Einzelhandels -geschäften

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Ernte per Internet

Eine neue Internet-Plattform (www.mundraub.org) zeigt Obst- und Kräuterfans, wo sie in ihrer Region kostenlos ernten dürfen. Auch erste Eintragungen im Allgäusind zu finden – zum Beispiel Holunderblüten in der Nähe von Kißlegg, Bärlauch bei Blaichach, Zwetschgen in Obergünzburg und Heidelbeeren am Auerberg.

Einladung zum PflückenKostenlos und online zur schmackhaften Ernte

Obstbäume im öffentlichenRaum (unten ein Apfelbaum),

Beerenstandorte im Wald wiebeispielsweise wilde Schlehen

(darunter) werden neuenNutzern »verraten«

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Das Mundräuberhandbuch84 Seiten mit zahlreichen handgemachten Illustrationen

und Fotos, gedruckt auf FSC-Papier. In sechs Kapiteln

erfährt der Leser alles über Ernten, Verarbeiten, Pflanzen

und Pflegen. Natürlich geht das Buch auch auf rechtliche

Aspekte und Gemeingüter ein und gibt Ideen und

Anregungen zum kreativen Mundräubern. Preis: 12,95

Euro inkl. 7% MwSt. Zu bestellen in jeder guten Buchhand-

lung unter der ISBN-Nummer 978-3-00-040288-3

Geordnet nach Sorten, klickt sich der »Mundräu-ber« von Salzburg bis nach Flensburg, um die bestenPlätze für den »Früchteklau« zu entdecken. Mitmachendarf jeder, der Eintrag ist simpel: Obstsorte und mög-lichst genaue Beschreibung des Baumes reichen. DieInitiative kümmert sich dann um die formelle Freigabedurch den Besitzer, damit niemand aus Versehen zumDieb von privatem Obst wird.

Andere Nutzer haben sie nach bestem Wissenund Gewissen veröffentlicht. Auch öffentliche Verwal-tungen stellen inzwischen Daten im Rahmen ihrerOpen Data Policy zur Verfügung, oder private Eigen-tümer und Unternehmen wollen ihre ungenutzten Res-sourcen teilen. Es gibt bereits einige Einträge aus allenAllgäuer Landstrichen. Allerdings sind das noch nichtallzu viele bei www.mundraub.org. Auch unsere Leserkönnen dazu beitragen, dass das Allgäu bald »flächen-deckend« auf der Internet-Karte erscheint. An Bäu-men, Sträuchern und Pflanzen ist unser Allgäu ja reichgesegnet. Wie man selbst Eintragungen vornimmt, istauf der Homepage erklärt. Die Betreiber von Mund-raub haben für ihre Idee einen Preis im Rahmen desWettbewerbes »Land der Ideen« bekommen.

Sie verlangen vom Nutzer aber auch Rücksicht:»Die Website lebt davon, dass ihr respektvoll mit derNatur und den kulturellen und privatrechtlichen Ge-gebenheiten in eurer Region umgeht.

1. Stellt vor dem Eintragen bzw. Ernten sicher,dass keine Eigentumsrechte verletzt werden.

2. Geht behutsam mit den Bäumen, der umgeben-den Natur und den dort lebenden Tieren um.

3. Teilt die Früchte eurer Entdeckungen und gebtetwas zurück.

4. Engagiert euch bei der Pflege und Nachpflan-zung von Obstbäumen.« (aa)

Apfel, Birne, Pflaume – so mancher Stadt- oderDorfbewohner hat das letzte Mal in seinerKindheit die süßen Früchtchen vom Baum

gepflückt. Terra Concordia will das ändern und ruftganz legal zum Mundraub auf: Eine interaktive Karte,ein Online-Portal und ein Reiseführer für Selbstpflü -cker zeigen »Mundräubern«, bei welchen Obstbäumen,Wildfrüchten und Kräutern sie kostenlos in ihrer Stadtoder Gemeinde zugreifen dürfen.

Fünf junge Leute aus Berlin sind auf die Idee ge-kommen, dass es doch eigentlich schade ist, wennObstbäume nicht abgeerntet werden und die Früchtevergammeln. Was liegt da in digitalen Zeiten näher,als eine Webseite ins Leben zu rufen und solche her-renlosen Bäume auf einer interaktiven Landkarte zumarkieren? Ziel der Initiative ist es, Menschen auf dieNaturschätze ihrer Region aufmerksam zu machenund gemeinsam mit Kommunen nachhaltige Modellezur Pflege öffentlicher Obstbaumbestände zu entwik-keln. Es sollen in Vergessenheit geratene Früchte undBeeren »wieder entdeckt« werden, um sie als Teil un-serer Kulturlandschaft und der Biodiversität dauerhaftzu erhalten. Hinter den Icons auf der MundraubMapstehen echte Bäume, Sträucher und Kräuter.

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Moorschutz

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Mit der Allgäuer torffreien Blumen- undPflanzerde sowie der begleitenden Kam-pagne »torffrei gärtnern« macht die All-

gäuer Moorallianz deutlich, wie leicht jeder Einzelnedurch bewusstes Einkaufsverhalten den Moor- undKlimaschutz persönlich unterstützen kann.

Viele Gründe sprechen dafür, torffrei zu gärtnernund den Schutz der Moore damit zu unterstützen:• Moorschutz ist Klimaschutz. Der Torf, der in je-

der herkömmlichen Blumenerde enthalten ist,stammt aus dem Moor. Für den Abbau werdendie Moore entwässert, und der zersetzte Torfgeht als CO2 in die Luft. Das passiert in kürzesterZeit auch mit dem Torf, der als Gartenerde ver-wendet wird.

• Moorschutz bedeutet Schutz der Vielfalt des Lebens. Moore sind wertvolle, unersetzliche Le-bensräume für eine ganze Reihe seltener Tier-und Pflanzenarten, die als Spezialisten auf dieseUmgebung angewiesen sind – etwa der Sonnen-tau, Schmetterlinge wie der Hochmoor-Gelblingoder seltene Libellen. In Mitteleuropa wurden be-reits 95 Prozent der Moore entwässert und damitdie Lebensräume dieser Arten zerstört.

• Allgäuer torffreie Blumen- und Pflanzerde ist einregionales Qualitätsprodukt. Die Bestandteile derAllgäuer torffreien Blumen- und Pflanzerde, etwader Kompost, kommen zu einem großen Teil ausdem Allgäu. Das reduziert Transportwege undunterstützt regionale Unternehmen. Eine sorgfäl-tig ausgewählte Mischung hochwertiger Rohstof-fe sichert die hohe Qualität – damit nicht nur dieMoore, sondern auch die Gärten erblühen.Die Allgäuer Moorallianz führt die Kampagne

»torffrei gärtnern« mit vielen Partnern wie den Kreis-fachberatern für Gartenkultur und Landespflege, denKreisgartenverbänden sowie dem Bund Naturschutz

und dem Landesbund für Vogelschutz durch. Inner-halb der Kampagne werden Vorträge für Verbrauchergehalten, es finden Gespräche mit dem Handel undSchulungen für Verkaufspersonal sowie zahlreicheweitere Aktionen statt.

Die Kampagne wird im Rahmen des Bundespro-jekts »chance.natur« mit Mitteln des Bundesministe-riums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbrau-cherschutz und des Bayerischen Staatsministeriumsfür Ernährung, Landwirtschaft und Forsten gefördert.

Das unter dem Motto »global denken – regionalhandeln« ins Leben gerufene regionale Produkt »Torf-freie Pflanzerde« ist mittlerweile bei 90 Verkaufsstellenim Allgäu und darüber hinaus erhältlich, unter ande-rem nun auch in den V-Markt-Filialen sowie in denKaufmärkten der Firma Feneberg, in den Wertstoff-höfen des ZAK und in vielen Gärtnereien und Gar-tencentern. Die ständig aktualisierte Liste der Ver-kaufsstellen ist im Internet unter www.moorallianz.dezu finden.

Die torffreie Blumen- und Pflanzerde der Allgäuer Moorallianz wurde in kürzesterZeit ein echter Verkaufsschlager. Mehr als 10.000 Säcke à 45 Liter sind seit Mitte

März 2013 in den Vertrieb gelangt. Landrat und Zweckverbandsvorsitzender Johann Fleschhut: »Wir hätten diese Resonanz nicht erwartet. Das entspricht der

Menge, die die Allgäuer Moorallianz mit dem Produzenten, den EinheitserdewerkenPatzer aus Buchenberg, eigentlich für drei Jahre vorgesehen hatte.«

Verkaufs-Hit: Torffreie ErdeAnerkennung für ein regionales Produkt

Die Erhaltung undRenaturierung der Allgäuer

Moore (oben) liegt demVorsitzenden der Moorallianz,

Landrat Johann Fleschhut(unten), am Herzen

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Ökologie

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Der Rückgang des Grünlandes ist besorgnis-erregend, so der Bericht der EUA, weil dieWiesenschmetterlinge als repräsentative In-

dikatoren gelten: Sie zeigen die Trends für die meistenanderen Insektenarten auf, die zusammen zwei Drittelaller Arten auf dem Planeten ausmachen. Das heißt:Schmetterlinge sind nützliche Zeigerarten für den Zu-stand der Artenvielfalt (Biodiversität) und der gene-rellen Gesundheit der Ökosysteme.

17 Schmetterlingsarten wurden im »EuropeanButterfly Grassland Indicator: 1990-2011« näher un-tersucht. Acht von ihnen sind in Europa zurückgegan-gen, lediglich bei zwei Arten sind die Populationenstabil geblieben, und nur eine hat zugenommen. Fürsechs Arten war kein eindeutiger Trend zu erkennen.Zu den Arten, die untersucht wurden, gehören derHauhechel-Bläuling, der deutlich zurückgegangen ist,der Aurorafalter, der seit 1990 stabil zu sein scheint,und der Mattscheckige Braun-Dickkopffalter, dessenEntwicklung über die letzten zwei Jahrzehnte unsicher

ist. »Dieser dramatische Rückgang an Grünland-schmetterlingen sollte die Alarmglocken läuten lassen.Generell schrumpfen die Wiesenflächen in ganzEuropa. Wir müssen uns der Bedeutung von Schmet-terlingen und anderer Insekten bewusst werden, dennderen Populationen sind entscheidend für natürlicheÖkosysteme und auch für die Landwirtschaft«, sagtHans Bruyninckx, Direktor der Europäischen Um-weltagentur (EUA).

UrsachenforschungDie Intensivierung von Landwirtschaft und die

vermehrte Nutzung von Brachflächen sind zwei derHaupttrends, die die Populationen von Grünland-schmetterlingen beeinflussen. Sie führen zu einheitli-chen Grünflächen, die nahezu steril für die Artenviel-falt sind. Dazu kommt, dass Schmetterlinge sehr emp-findlich auf Pestizide reagieren, die intensiv in solchenAgrarsystemen eingesetzt werden. Landwirtschaftli-che Flächen werden oft aus ökonomischen Gründen

Die Zahl der Schmetterlinge auf Europas Wiesen hat sich zwischen 1990 und 2011 dramatisch reduziert. Als Ursache werden die Intensivierung der Landwirtschaft und ein Mangel an Grünland-Ökoystemen genannt. Das betrifft auch das Allgäu, das zwar noch die größte Vielfalt in Bayern hat, aber die »Vermaisung« gefährdet diesen Arten-Reichtum. Ein Bericht der Europäischen Umweltagentur (EUA) warnt vor weiteren Verlusten.

Rückzug der Schmetterlinge 50 Prozent weniger Arten in 20 Jahren

Eine der beobachtetenGrünland-Schmetterlingsarten

ist der Dickkopffalter

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stillgelegt. Wenn das Bewirtschaften von Flächen mitniedriger Produktivität nur geringe Einkommen er-zielt und es wenig oder keine Unterstützung durch dieEU gibt, dann geben Landwirte ihre Unternehmen aufund das Land bleibt unbestellt. Die Wiesen überwu-chern schnell und werden durch Büsche und Wälderersetzt. In einigen Regionen sind Gründlandschmet-terlinge bereits jetzt auf Straßenrandstreifen, Eisen-bahnbrachen, felsige oder feuchte Orte, Städte undNaturschutzgebiete beschränkt. Regionen mit tradi-tionell extensiver Landwirtschaft, bekannt als Agrar-land mit hohem Naturschutzwert, sind ebenfalls wich-tige Lebensräume.

Jede Monokultur schadet den Wiesenschmetter-lingen. Die Blütenvielfalt der Wiesen geht verloren.

Grünes Allgäuer EinerleiIm Allgäu – das sich ja oft selbst als das »grüne

Allgäu« bezeichnet – sind es vor allem die Maisfelder,die zur Biogas-Produktion angelegt werden und vomUnterallgäu im Eiltempo nach Süden bis an die Bergevordringen. Nimmt man das soeben erschieneneNachschlagewerk »Tagfalter in Bayern« zur Hand,stellt man schnell fest, dass im Allgäu mehr Schmet-terlingsarten vorkommen als in allen anderen bayeri-schen Regionen. Wie lange noch? Derzeit dürften diebunten Bewohner der Bergregionen noch nicht gefährdet sein – doch die Wiesenschmetterlinge imAllgäu spüren den Umbruch der Wiese zu Ackerlandmit Sicherheit. Leider wird diese Tatsache noch nichteinmal erfasst (siehe den Aufrufn im Kasten rechts).

Schmetterlinge beobachten Der Bericht über den Rückgang der Arten basiert

auf dem Europäischen Grünlandschmetterlingsindi-kator (European Butterfly Grassland Indicator), dessenDaten von 1990 bis 2011 erhoben wurden. Dieser In-dikator ist das Ergebnis von Informationen aus dennationalen Schmetterlingsmonitoring-Netzwerken in19 Ländern Europas. Tausende ausgebildeter profes-sioneller und freiwilliger Beobachter haben dazu rund3500 Transekte quer über Europa beobachtet. Diesefreiwillige Feldarbeit ist grundlegend notwendig, umden Status und die Trends der europäischen Schmet-terlingsarten herausfinden zu können.

Auch, wenn der Report auf Daten von 1990 bis2011 basiert, sollte bedacht werden, dass die aktuellenLandnutzungsänderungen bereits vor 1990 begonnenhaben. Der Bericht vermutet daher, dass die aktuelleHalbierung der Schmetterlingszahlen nur die momen-tane Entwicklung auf einer viel größeren Zeitskala seinkönnte.

Maßstab für die AgrarpolitikDie EU-Biodiversitätsstrategie hat den schlechten

Erhaltungszustand der Grünflächen erkannt. Grünflä-chen sollten angemessen betrieben werden – sowohl

innerhalb von Natura-2000-Schutz-gebieten als auch innerhalb von natur-schutzwürdigen Agrargebieten, schlussfolgert der Be-richt und betont, dass ein neues System an Ausgleichs-zahlungen unter der Gemeinsamen Agrarpolitik(GAP) der EU ein besseres Management dieser Wie-sen unterstützen würde. Der Europäische Grünland-schmetterlingsindikator könnte als Maßstab genutztwerden, um den Umwelterfolg oder -misserfolg derAgrarpolitik zu messen. Die nachhaltige Finanzierungvon solchen Indikatoren würde helfen, eine Reihe vonPolitikinstrumenten zu überprüfen, und wäre einwichtiger Schritt auf dem Weg zum EU-Ziel, denRückgang der Biodiversität bis 2020 zu stoppen.

Das Projekt Tag -falter-MonitoringDeutschland star tete im Jahr2005. Dem Bei -spiel aus Groß -britannien und

Holland folgend, machten sich ehrenamtlichtätige Naturfreunde auf, um entlang festgeleg-ter Strecken (den so genannten Transekten)regelmäßig Tag falter zu zählen. Dabei wirdnach einer einheit lichen Methode möglichsteinmal pro Woche in der Zeit von April bisSeptember eine be stim mte Streckeabgeschritten, und alle dort vor kom mendenTagfalter werden notiert und gezählt.Mitmachen kann im Prinzip jeder, der etwasZeit hat und die Lust, die heimischen Schmet -terlinge kennenzulernen. Da es sich um eineLangzeiterfassung über viele Jahre hinweghandelt, kann auch jederzeit mit der Zählungbegonnen werden. Koordiniert wird das Pro -jekt vom Helmholtz-Zentrum für Um welt for -schung - UFZ in Halle/Saale. Das UFZ ist einestaatlich finanzierte Forschungs ein richtung,die die erhobenen Daten in einer Datenbank

erfasst und wissenschaftlich auswertet. DasBesondere ist hierbei, dass Ehrenamtlicheeine Vielzahl von Daten erfassen, die für dieWis senschaft von großem Interesse sind –eine Arbeit, die, von Profis durch geführt, nichtbe zahlbar und ver mutlich auch vom Zeitauf -wand nicht durchführbar wäre. Das Projekt wird deutschlandweit durch ge -führt und in vielen Regionen von Schmetter -lings experten vor Ort unterstützt. Für dieRegion Allgäu ist die Beteiligung am Tagfalter-Monitoring jedoch noch relativ gering. Auchkonnten wir bislang leider noch keine Re gional -experten finden, die die Zähler vor Ort fachlichberaten. Freiwillige Helfer für das Tagfalter-Monitoring Deutschland im Allgäu wer denalso dringend gesucht! Wer hat Lust auf einen»Spaziergang im Dienste der Wissen schaft«?

Interessenten melden sich beim Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung – UFZElisabeth Kühn (Projektkoordination) Tel. 0345/5585263E-Mail: [email protected]

Helfer werden gesucht!Tagfalter-Monitoring im Allgäu

Bläuling (unten), Scheckenfalter(oben rechts) und Mauerfuchs(links oben) gehören zu denbeobachteten Arten – auch im Allgäu

Elisabeth Kühn suchtnoch Zähler im Allgäu

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Tagfalter in BayernDieser Schmetterlingsatlasist ein Mammutwerk, nichtnur an Umfang und Gewicht,sondern vor allem an Inhalt.

Die wissenschaftliche Aufarbeitung lässt keineFragen offen. Neben den Abbildungen der Fal -ter, meist in Ober- und Untersicht, finden sichin vielen Fällen Fotos der Raupen an ihrer Fut -terpflanze. Ausführliche Beschreibungen desLebensraumes und der Lebensweise gebenerste Hinweise zur möglichen Bedrohung der

Populationen. Die Beschreibung der typischenArtmerkmale ist in Fachsprache gehalten, dieallerdings für den interessierten Laien gut ver - ständlich ist. Neben einer textlichen Be schrei -bung des gesamten Verbreitungsge bietes,auch über Bayern hinaus, wird die regionaleVerbreitung in Bayern mit Hilfe einer Kartedargestellt.

Das Buch ist ein ideales Nachschlagwerk fürNaturbeobachter. 784 Seiten, reich bebildert,49,90 Euro; im Buchhandel (ISBN 978-3-8001-7985-5)

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Ökologie

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Martin Eiblmaier arbeitet seit drei Jahrenkontinuierlich mit der Leistungsgruppe,der sich aus Interesse auch Schüler des

örtlichen Gymnasiums angeschlossen haben. DieGruppe beobachtet die Tagfalter auf den Halbtrocken-wiesen beim Naturdenkmal »Siechenhalde«, einemPrallhang am Lech. Bedingt durch den Wasser- undNährstoffmangel des Bodens, gibt es dort Magerrasenmit vielen Futterpflanzen für die Raupen der Tagfalter.Die Gruppe um Martin Eiblmaier ist derzeit die ein-zige Erfasser-Gruppe in unserem Raum.

Die Tagfalter werden auf einer geraden Weg-strecke von 200 Metern in einem Bereich von drei Me-tern links und rechts beobachtet und erfasst. Mit einerjährlich zu erneuernden Genehmigung der Natur-schutzbehörde im Landratsamt Weilheim dürfen im

Dr. Martin Eiblmaier (44) ist Fachlehrer für Biologie an der Pfaffenwinkel-Realschule Schongau. Im Rahmen des seines Unterrichtes betreut er eine Leistungsgruppe zum Thema Tagfalter. Beteiligt sind Schüler der 5. bis 9. Klasse. Die Gruppe liefert Informationen zum bundesweiten Tagfalter-Monitoringan das Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung.

Was flattert in der Region?Beobachtungsgruppe am Lechufer

Zweifelsfall Schmetterlinge zur näheren Bestimmungmit einem Netz eingefangen werden. Das ist sonststreng verboten!

Allein im Bereich der »Siechenhalde« existierenfünf verschiedene Arten von Bläulingen, bei denensich die weiblichen von den männlichen noch einmaldurch die Farbgebung unterscheiden. Zur Bestim-mung kommen die Schmetterlinge in eine Becherlupeund werden danach umgehend wieder freigelassen.Wichtig ist auch, der korrekten Bezeichnung den la-teinischen Namen hinzuzufügen.

Allerdings beschränkt sich die Aufgabe derGruppe nicht allein auf das Erfassen der Tagfalter. DieSchülerinnen und Schüler sind in alle damit verbun-denen »bürokratischen« Vorgehensweisen eingebun-den. Im Herbst- und Winterhalbjahr werden die Er-fassungsbögen im Rahmen des Tagfalter-Monitoringsausgewertet und am PC in Masken, die vom Helm-holtz-Zentrum vorgegeben werden, übertragen. DieWerte werden anschließend von Wissenschaftlernausgewertet. Ist Bayern – bedingt durch viele Schutz-maßnahmen – einer der artenreichsten Schmetter-lingsräume, so finden sich auf den oft steilen Trocken-wiesen der »Siechenhalde«, die jährlich von den eh-renamtlichen Helfern von Hand gemäht wer-den, sehrseltene Schmetterlingsarten wie der HimmelblaueBläuling, verschiedene Dickkopffalter oder der auffäl-lige Schachbrettfalter. Thomas Niehörster

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Die Tagfalter am Lech

Kleiner Würfel-Dickkopffalter

Schwarzbrauner Würfel-Dickkopffalter

Schwarzkolbiger Braun-Dickkopffalter

Braunkolbiger Braun-Dickkopffalter

Braun-Dickkopffalter

RostfarbigerDickkopffalter

Zitronenfalter

Hufeisen-/Weißklee-Gelbling

Wander-Gelbling/Postillon

Aurorafalter

Grünaderweißling

Kleiner KohlweißlingKl. Kohl-/Grünaderweißling

Kleiner FeuerfalterZwergbläuling

Kl./Gr. Sonnen röschen-Bläuling

Himmelblauer Bläuling

Hauhechel-BläulingAdmiralDistelfalterTagpfauenaugeKleiner FuchsSchwalbenschwanzSchornsteinfegerRotbraunesWiesenvögelchen

Kleines Wiesenvögelchen

Großes Ochsenauge

Schachbrettfalter

Rundaugen-Mohrenfalter

Kontakt:Dr. Martin EiblmaierAngerkapellenstr. 5 82362 Weilheim Tel. 0881/12231068 Mobil 0176/96213459

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Phänologie

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Die Wissenschaft, die die Entwicklung vonwild wachsenden und landwirtschaftlichenPflanzenkulturen regelmäßig beobachtet,

trägt den Namen Phänologie. Der Begriff ist demGriechischen entlehnt und bedeutet in wörtlicherÜbersetzung Lehre von den Erscheinungen. In Mem-mingen beschäftigt sich Rudolf Schnug seit vielen Jah-ren mit der Beobachtung der Pflanzen.

Es ist dabei nicht nur interessant, die Eintrittszei-ten der verschiedenen Wachstumsphasen in einzelnenJahren zu kennen, sondern auch ihren gewöhnlichenVerlauf über mehrere Jahrzehnte zu erfassen. Mithilfesolcher mittleren Eintrittszeiten kann man nämlichdie Klimagunst eines bestimmten Gebietes beurteilenund zum Beispiel abschätzen, ob in einer definiertenHöhenlage noch Mais angebaut werden kann. WeilPflanzen die billigsten Messinstrumente für die jewei-lige Witterung sind, betreut der Deutsche Wetterdienst(DWD) seit einigen Jahrzehnten ein sogenanntes phä-nologisches Messnetz. Zurzeit stellen etwa 1300 eh-renamtliche Beobachter während der Vegetationszeitetwa ein- bis zweimal pro Woche das Wachstum vonmehr als 50 Pflanzenarten und ca. 160 Entwicklungs-phasen wie Blattentfaltung, Blüte, Reife usw. fest undgeben diese Beobachtungen entweder sofort oder ineinem Jahresbogen an die Zentrale des DeutschenWetterdienstes weiter, wo die Daten in einem Groß-rechner verarbeitet werden.

Die Beobachtungen stellen wertvolle Daten undInformationen für die agrarmeteorologische undpflanzenbauliche Beratung des DWD dar. Sie sind zu-sammen mit Meldungen zusätzlicher agrarmeteorolo-gischer Wochenmelder Zeitgeber in agrarmeteorolo-gischen und landwirtschaftlichen Modellen für die Be-rechnung des Gefahrenpotenzials von Pilzkrankheitenund Schädlingen, der Bodenfeuchte, des Bestandskli-mas oder des Ertrags. So richten sich beispielsweiseder Wasserbedarf der Ackerkulturen und damit auchentsprechende Beregnungshinweise nach dem jewei-

ligen Entwicklungsstand. Auch detaillierte Hinweisefür Pollenallergiker, die in den vergangenen Jahrenimmer mehr Bedeutung gewonnen haben, wärenohne flächendeckende Beobachtung von Pflanzenpha-sen nicht möglich. Ein ebenso großes Anwendungs-gebiet finden langjährige Beobachtungen. Die geradein den vergangenen Jahren häufig diskutierten Ände-rungen des Klimas lassen sich an veränderten Ein-trittszeiten von Pflanzenphasen beobachten.

Witterung und Klima sind die wesentlichen Faktoren, die dasWachstum unserer Pflanzen bestimmen. So lässt zum Beispiel ein zeitiges Frühjahr die Pflanzen viel früher ergrünen odererblühen als ein kalter Frühling, in dem sich der Aufgang der Saaten und die Blüte von Obstbäumen um Wochen verspätenkönnen. Der Deutsche Wetterdienst sammelt auch im Allgäu Informationen zu diesem Thema.

Pflanzen kennen das WetterRudolf Schnug sammelt Informationen

25 Jahre im Dienst der PhänologieDer Deutsche Wetterdienst ist allenphänologischen Beobachtern, die für ihreTätigkeit nur eine geringe jährlicheAufwandsentschädigung erhalten, für ihreDienste zu großem Dank verpflichtet. Einbesonderer Dank gilt all jenen, die ausIdealismus und Naturverbundenheit übereinen längeren Zeitraum diese

Beobachtungen in ihrer näheren Umgebungdurchführen und damit eine langjährigeBeobachtungsreihe erst möglich machen.Und genau das hat Rudolf Schnug ausMemmingen über 25 Jahre bewiesen. Er hat sich damit um das Gemeinwohl inhervorragender Weise verdient gemacht. Im Auftrag des Bundesministers für Verkehr,Bau und Stadtentwicklung wurde ihm deshalbkürzlich im Memminger Rathaus dieWetterdienstplakette verliehen.

Lothar Bock (links) vom Deutschen Wetterdienst überreicht die Medaille an Rudolf Schnug

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Das mangelnde Nahrungsangebot für Bienensei neben der Gefahr durch die Varroamilbeeine der größten Sorgen der Imker, so Donat

Waltenberger. Durch die Zunahme blütenarmer Kul-turen würden die Insekten, die als Hauptbestäuber vie-ler Pflanzen eine wichtige Rolle im Ökosystem spielen,immer weniger Nahrung finden. Besonders schlimmsei es, wenn es wie in diesem Frühjahr lange kalt bleibtund die Pflanzen erst spät zu blühen beginnen. In die-sem Fall müssten die Imker mit Zucker und Honig zu-füttern.

Im Gegensatz zu einem einfachen Grünstreifenist eine artenreiche Blumenwiese für Bienen wie einreich gedeckter Tisch. So wachsen und blühen auf derrund 250 Quadratmeter großen Fläche vor dem Land-ratsamt mehr als 50 verschiedene Pflanzen, wie Mar-kus Orf, Kreisfachberater für Gartenbau und Landes-

pflege, sagt – vom Wiesensalbei, der Moschus-Malveund der Königskerze bis hin zur Färberkamille. DieBlumenwiese ist Teil der Aktion »Unser Landkreisblüht auf«, mit der ein Beitrag zum Erhalt der Arten-vielfalt geleistet und die Bevölkerung für das Themasensibilisiert werden soll.

In dem nun in der Wiese platzierten Bienenstockleben rund 30.000 Bienen. Waltenberger hat eines sei-ner Völker über die Sommermonate zur Verfügunggestellt. Er kommt regelmäßig zur Kontrolle und wirdauch versuchen, etwas Honig aus den Waben zu ge-winnen. Angst vor den Tieren braucht man laut Wal-tenberger in der Regel nicht zu haben. »Es handelt sichum die sehr sanftmütige Rasse Carnica.«

Gelb, blau, lila und weiß: Eine bunt blühende Blumen-wiese ist nicht nur ein Augenschmaus für den Menschen,

sondern auch ein Schlaraffenland für Bienen. Denn imGegensatz zu vielen herkömmlichen Grünflächen finden

die Tierchen hier reichlich Nahrung. Um noch stärkerauf diesen Zusammenhang aufmerksam zu machen,haben Landrat Hans-Joachim Weirather und Donat

Waltenberger, Kreisvorsitzender der Unterallgäuer Imker,in der Blumenwiese vor dem Landratsamt einen

Bienenstock aufgestellt.

Sie fliegen auf BlumenwiesenBienenstock vor dem Unterallgäuer Landratsamt

Donat Waltenberger (links),Kreisvorsitzender der

Unterallgäuer Imker, kontrolliertden Bienenstock in derBlumenwiese vor dem

Landratsamt. Markus Orf, Kreisfachberater für Gartenbau

und Landespflege, schaut ihmdabei über die Schulter

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Fakten rund ums Thema

• Imker und Bienen: Der Kreisverband der Unterall -gäuer Imker besteht aus rund 500 Imkern mit mehrals 4000 Bienenvölkern.

• Honig: Ein durchschnittlich großes Bienenvolk benötigtpro Jahr rund 25 Kilogramm Pollen und hat einenEigenbedarf von etwa 40 Kilogramm Honig. Was darü-ber hinaus an Honig in den Waben vorhanden ist, kannder Imker entnehmen. In guten Jahren gewinnt einImker pro Bienenvolk 20 bis 30 Kilogramm Honig.

• Pflege: Für die Imker ist der Honig laut Donat Walten -berger eine Entschädigung für Unkosten, Pflege undSchutz vor der Varroamilbe das ganze Jahr über.»Ohne diese Arbeit des Imkers würde heute keinBienenvolk überleben.«

Ökologie

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Aktive Allgäuer

Traditionelle Brennkunst, modernste Technik und ein ganzheitlichesEnergiekonzept hat Stephan Günther in der Allgäu-Brennerei inSulzberg vereinigt. Feinste Destillate, Liköre und Spirituosen mit

regionalem Bezug werden dort hergestellt.

Hochprozentig energetischVon Schlempe, Mus und Brennblasen

Führungen mit VerkostungNach vorheriger Anmeldungkann man an Führungen durchdie Produktionsstätte mitVerkostung teilnehmen. Allgäu-Brennerei GüntherGmbH, Gewerbepark1, 87477Sulzberg, Tel.: 08376-929920,www.allgaeu-brennerei.de

Stephan Günther vor der kupfernen Brennblase miteinem Fassungsvermögen von 500 Litern

Er sei der »größte Alkoholsteuerzahler im Allgäu«, berichtet Stephan Günther (28), Destillateur-Meister und Mitinhaber einer

Brennerei in der vierten Generation. Mit der Kombi-nation von Tradition und modernen Techniken führter das Unternehmen in eine hochprozentige Zukunft.Erster Schritt dazu war die eigene Produktionsstätteim Gewerbegebiet in Sulzberg an der A 980, die 2012in Betrieb genommen wurde. Das Unternehmen, dasursprünglich als Apfelweinkelterei gegründet war, ent-wickelte sich nach dem Zweiten Weltkrieg zur Wein-kellerei, bevor es sich der Produktion hochwertigerBrände zuwandte. Heute produziert die GüntherGmbH fünfzig verschiedene Brände und Liköre in vierFlaschengrößen. Dreimal in Folge wurde ihr Wil-liams-Christ-Brand mit dem DLG-Gold prämiert. Ineinem eigenen Labor entwickelt Günther neue Pro-dukte wie die Limes-Liköre aus dem Fruchtmark.Auch ein »Allgäuer Whiskey« ist nach drei Jahren undnachfolgender Lagerung im Portwein-Fass gerade aus-gereift. Natürlich führt der einheimische Betrieb auchdie blaue Qualitätsmarke »Marke Allgäu«.

Energie selbst erzeugtDie Früchte kommen aus dem Bodenseeraum.

Aromaschonend werden sie in den kupfernen Brenn-blasen mit einem Fassungsvermögen von 500 Literndestilliert. Die Früchte werden zu Obstmus verarbei-tet, das kontrolliert zum Gären gebracht wird, wo-durch die Maische entsteht, die in der Brennerei er-hitzt wird. Durch das Erhitzen bildet sich Alkohol-dampf, der aufsteigt und durch Abkühlung wiederflüssig gemacht wird. Dies geschieht im sogenanntenKühler, der mit kaltem Wasser im Gegenstrom den Al-

koholdampf abkühlt. Bei diesem Prozess erhitzt sichjedoch das kalte Wasser durch die Wärme, die der Al-koholdampf abgibt. Um das nun warme Wasser ausdem Kühler effektiv nutzen zu können, wird es durcheinen Wärmetauscher geschickt und kann so im ge-samten Gebäude für die Fußbodenheizung und dasWarmwasser verwendet werden.

Endstation Biogasanlage Das ausgekochte Obstmus, das nach der Destil-

lation übrig bleibt, wird als Schlempe bezeichnet.Landwirte aus der Region holen die Schlempe ab undnutzen sie für die Energiegewinnung in ihren Biogas-anlagen. So werden die Überreste aus dem Brennpro-zess nicht verschwendet, sondern als neuer Rohstoffoptimal weiterverwendet.

Auf den Dächern der Allgäu-Brennerei sindüberall, wo es sinnvoll ist, Photovoltaik-Kollektoreninstalliert. Ein Teil der gewonnenen Energie wird indas Stromnetz eingespeist. Der andere Teil wird direktin der Firma verbraucht. Somit laufen alle Elektroge-räte des Unternehmens, zum Beispiel Computer, Licht,Pumpen, Etikettier- und Füllmaschinen, der Elektro-gabelstapler und die Elektroameise mit Strom, der vonder eigenen Solaranlage erzeugt wird. Die Energiewird somit nachhaltig genutzt.

Das Unternehmen beschäftigt derzeit acht Mit-arbeiter in Produktion und Verkauf. Vertrieben wer-den die Brände über Großmärkte wie Feneberg oderdie V-Märkte wie auch im eigenen Laden in Sulzberg,Gewerbepark 1. Thomas Niehörster

Die drei »Abteilungen« des Brennereibetriebes in Sulzberg:Produktion, Lager und attraktive Verkaufsräume

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Landschaftspflege

Die Marktgemeinde Bad Hindelang wird seit100 Jahren von Touristen besucht. Mittler-weile ist das Einkommen von etwa 80 Pro-

zent der rund 5.000 Einwohner zumindest mittelbarvom Tourismus abhängig. Die Statistik weist jährlichrund eine Million Übernachtungen aus. WesentlicherGrund für die vielen Besucher ist die reizvolle Land-schaft. Das »Ökomodell Hindelang« verfolgt die Be-wahrung der traditionellen Berglandwirtschaft unddie Erhaltung der Kulturlandschaft, und zusätzlichversuchen einzelne Landwirte die Direktverarbeitungund Direktvermarktung eines Teils ihrer landwirt-schaftlichen Produkte vor Ort. Die Internationale Alpenschutzkommission CIPRA und der World WideFund for Nature (WWF) beurteilen deshalb die Bergeum Bad Hindelang als eine der schützenwertesten Regionen der Alpen.

Bergwiesen würden ohne die Pflege durch dieWeidewirtschaft schnell verbuschen und dann demWald Vorschub leisten. Die bunte Vielfalt der Berg-wiesen ginge verloren und damit auch der Reichtum

der Heilkräuter, der Orchideen, der Enziane sowie die»Weide« für Bienen, Schmetterlinge und andere In-sekten.

Einzigartiges KonzeptDas seit über zwei Jahrzehnten konsequent ver-

folgte einmalige Konzept wurde mehrfach nationalund international ausgezeichnet. Eine wesentlicheRolle spielen dabei die ortsansässigen Landwirte, diedie Ursprünglichkeit der Landschaft mit den typischenBuckelwiesen, farbenprächtigen Pflanzenteppichenund dem klaren Wasser erhalten.

Zusammengeschlossen zum Projekt »Natur undKultur«, bewirtschaften 68 Bergbauern, darunter 22Biobetriebe, in der Marktgemeinde Bad Hindelangihre alpinen Wiesen nach strengen ökologischen Richt -linien, in erster Linie durch den völligen Verzicht aufKunstdünger und den flächigen Einsatz chemischerSpritzmittel. Darüber hinaus werden 90 Prozent desbenötigten Futters innerhalb des Gemeindegebietesselbst erzeugt. Auf Gentechnik wird komplett verzich-tet. Zudem achten die Landwirte auf eine artgerechteTierhaltung. Der Verein Natur und Kultur Hindelange.V. erhält hierfür von der Marktgemeinde eine jähr-liche Entschädigung in Höhe von 60.000 Euro, die eranteilig an seine Mitglieder für Landschaftspflegemaß-nahmen weiterleitet. Eine eher bescheidene Summe,wenn man ihr die Gegenleistung der Bergbauern fürden Tourismus – allein die Bereitstellung von Flächenfür die Langlaufloipen – entgegenhält.

Der Verein Natur und KulturSepp Agerer (56), Biolandwirt und Vorsitzender

des Vereins »Natur und Kultur«, zudem Mitglied derWald- und Weidegenossenschaft (WWG) Hinterstein,deutet auf einen bewaldeten Hang gegenüber seinemHaus: »Dort an der unteren Kante verlief früher ein

Ohne Landwirte keine Kulturlandschaft, ohne Kulturlandschaft kein Tourismus – auf diesen

schlichten Nenner kommt man nicht nur in Bad Hindelang. Die Erhaltung der Kulturlandschaft

steht in engem Zusammenhang mit sanftem Tourismus: Wandern, Radeln oder Ski-Langlauf,

Schlitten fahren oder einfach nur Spaziergänge instimmungsvoller Landschaft. Das Ökomodell Bad

Hindelang sieht genau das vor.

Im Einklang mit der NaturGemeinsame Sache in Bad Hindelang

Im Hintergrund am Bewuchsnoch zu erkennen: Hier verlief

früher ein Viehtrieb, der von Wald und Natur

»zurückerobert« wurde

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Viehtrieb, der es ermöglichte, ohne Kontakt mit demStraßenverkehr die unterschiedlichen Weiden zu nut-zen. Heute hat ihn der Wald geschluckt.« Gerne säheer den Viehtrieb, der zugleich ein idealer Wanderwegdurch das Tal wäre, wieder nutzbar und frei vom Wald.Kaspar Weber von der WWG war vehementer Vor-kämpfer des Projektes »Ökomodell Hindelang«. Erkennt sich nicht nur bestens mit der Kraft und derWirkung von Heilpflanzen aus, sondern ist seit 60 Jah-ren kenntnisreicher Imker. Für ihn ist der Honig, denseine Bienen auf den artenreichen Bergwiesen sam-meln, Medizin für viele Leiden: »Unser Herrgott hatuns diese Natur geschaffen – daher haben wir keinRecht, sie zu zerstören.«

Vierbeinige RasenmäherZu den »Rasenmähern« der Bergwiesen gehören

nicht nur die Kühe – für Sepp Agerer aus vielerleiGründen natürlich mit Hörnern –, sondern auch ihrekleineren Verwandten, die Schafe und Ziegen. So wur-den im Jahr 2012 im Hintersteiner Tal sechsunddrei-ßig Ziegen als Landschaftspfleger eingesetzt. »Rinderfressen nur Gras, aber die Ziegen haben eine spezielleTechnik, auch dorniges Gestrüpp und Büsche kahl zufressen«, weiß Sepp Agerer. »Das übrig gebliebene Ge-äst wird dann von Jugendlichen geschwendet, also bisauf den Stock gekürzt. Die jungen Leute arbeiten in ei-nem Projekt, das vom Bayerischen Naturschutz-Pro-gramm gefördert wird.« Da die Landwirte der Markt-gemeinde keine eigenen Ziegen mehr halten, wurdendie Tiere von Biolandwirt Herbert Siegel aus Missenausgeliehen. Thomas Niehörster

Kaspar Weber kennt die Heilpflanzen seiner Heimat

Beginnende Verbuschung auf einer Bergwiese: DieLandwirtschaft ist gefordert, die Flächen offen zu halten

Sepp Agerer ist Vorsitzender des Vereins »Natur und Kultur«

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Hochschul-Projekt

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Neuer Wind fürs Allgäu

Die Großstruktur Staatsforsten versorgt diegroßen Städte mit mehr als 5000 Einwoh-nern mit Energie durch große Windräder.Diese Zuordnung hat den Vorteil, dass sichviele dieser Wälder in öffentlicher Hand be-finden. Spekulationen über mögliche Stand-orte wird somit Einhalt geboten, die Ein- nahmen aus der Stromerzeugung kommenzudem den Landkreisen und Kommunen zu-gute, somit jedem einzelnen Bürger. So be-steht eine unabhängige und gesicherte Strom-versorgung über Jahrzehnte.

Zur Versorgung der Städte werden ins-gesamt für den heutigen Stromverbrauch 28Windkraftanlagen benötigt. Diese Zahl kann

Das Konzept »Allgäu - maßstäblich versorgt« setzt sich aus drei Ebenen zusammen,einer übergeordneten Ebene der Großstrukturen, einer Verbindungs- und Vermitt-lungsebene und der Ebene der Selbstversorgung. Alle drei versorgen die Bevölkerungin verschiedenen Maßstäben und durch eine andere erneuerbare Energieform.

Auf diesem großen Bild sind die drei Versorgungs-Ebenenzusammengeführt: Wald mit Windrädern für die Stadt, Bioenergie für den

dörflichen Raum und Selbstversorgung in einzeln stehenden Gebäuden

Im Oktober vergangenen Jahres starteten Studenten der TU München (Land-schaftsarchitektur) und der Hochschule Kempten (Tourismus und Maschinenbau)das Forschungsprojekt »Energielandschaft Allgäu«. Zweck dieser Studienarbeit wardie Frage, wie die nötigen Maßnahmen des Energiewandels positiv und gestaltendin die Allgäuer Kulturlandschaft integriert werden können. In den letzten beidenAusgaben von allgäuALTERNATIV haben wir bereits fünf unterschiedliche Ansätzeder Studenten-Teams vorgestellt. Hier folgen nun zwei weitere Vorschläge aus derStudentenschaft. In allen zehn Studien-Objekten ist festzustellen, dass es eine Kluftgibt zwischen der derzeit gepflogenen Planung der Studenten und Professoren aufder einen Seite und der Verwirklichung durch die Praktiker auf der anderen Seite.In fast allen Konzepten stecken Ideen, die weiterverfolgt werden können.

Allgäu – maßstäblich versorgtStrukturen in drei Ebenen

Groß-, Mittel- und Kleinstrukturen versorgen sich jeweilsaus eigenen Energiequellen

In der ersten Ebeneversorgen die Wälder mit

Windrädern die Städte.Rechts: Reliefbild von

Kempten RichtungBuchenberg

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Energielandschaft

in den Staatsforsten jedoch noch erweitert werden.Die Anlagen haben eine Laufleistung von sieben Me-gawatt und sind ca. 200 Meter hoch.

Der Wald befindet sich im Allgäu meist auf An-höhen, so formen die Windenergieanlagen durch ihreAnordnung auf verschiedenen Höhen die Topografienach. Trotzdem wird dabei auf eine sinnvolle Platzie-rung in Richtung der Hauptwindrichtung Süd-Westgeachtet. Zusätzliche Eingriffe in das Ökosystem Waldsollen durch Installation in bestehenden Waldlichtun-gen und Nähe zu vorhandener Wegeinfrastruktur ver-mieden werden. Der Wald in seiner Form und Gestaltbleibt erhalten.

Energie pflanzenDie zweite Ebene spielt eine besondere Rolle. Sie

fungiert als Vermittlerebene zwischen groß- undkleinmaßstäblicher Ebene. Sie verbindet diese nichtnur räumlich, sondern auch gestalterisch. Diese Ebeneversorgt die kleinen Gemeinden unter 5000 Einwoh-ner mit Energie aus Biomasse. Hierzu werden im Allgäu Konzentrationszonen gebildet, die sich aus Ackerflächen mit Mais, einem Energiesaum, der sich andie Waldränder schmiegt, und auch Grünland zusam-mensetzt. Im Allgäu werden 140 Biogasanlagen ange-ordnet, die primär mit der Gülle der 80.000 Rinder inder Region betrieben werden. Auf dem Grünlandselbst wird durch die anderweitige Verwertung derGülle weniger Stickstoff ausgebracht, was eine sukzes-sive Extensivierung nach sich zieht. Das Grünlandwird dadurch artenreicher und wieder zu attraktivenHabitaten für Pflanzen und Tiere. Der Mais aus denKonzentrationsbereichen wird anstelle des importier-ten Sojaschrots an die Rinder verfüttert. Es bildet sicheine Marke regionaler Fleisch- und Milchprodukte ausdem Allgäu, die sowohl für Einheimische als auch fürTouristen interessant ist.

Holz auf kurzem WegZusätzlich gibt es auf dieser Ebene Holzheizkraft-

werke, die Stromspitzen im Winter und am Abendauffangen. Hiervon gibt es im Planungsgebiet vierStück. Sie werden durch das Material, das in den Ener-

Im Allgäu müssen 140 Biogas -anlagen die zweite Ebene, dieDörfer versorgen. Dazu werdenKurz umtriebsplantagen (unten)angelegt und abgeerntet

giesäumen wächst, betrieben. Der Energiesaum istkeine typische Kurzumtriebsplantage. Er ist artenrei-cher, es wachsen dort auch Arten, die weniger wegenihres schnellen Wachstums gepflanzt werden, sondernwegen ihrer Funktion als Futter und Lebensraum fürverschiedene Tiere. Der Saum wird nicht in einemStück abgeerntet, sondern nur wellenförmig ausgelich-tet. Einzelne Reihen werden entnommen, ein leererRaum vermieden. Pflanzen und Tiere haben so dieMöglichkeit, zu reagieren und sich der Situation an-zupassen. Am Waldrand innerhalb der Stränge ist derEnergiesaum zehnreihig, am Außenrand nur vierrei-hig. Ab und zu werden bei der Anlage des Energie-saums auch Werthölzer eingepflanzt, die länger stehenbleiben und so das Gerüst des Saumes bilden. DerEnergiesaum wird zu einem künstlichen Saum für denFichtenforst, der aber alle Funktionen eines natürli-chen Waldsaumes erfüllt.

Um die einzeln stehenden Gehöfte und Gebäude werden sogenannte Blühstreifen angelegt, die auch der

energetischen Eigenversorgung dienen können

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Hochschul-Projekt

Wegeränder zu Einödhöfen und Übergange zwi-schen Acker- und Grünland werden von Blühstreifenbegleitet, die überdies Biodiversität fördern. Um dieBiogasanlagen und Holzheizkraftwerke zu verwalten,bilden sich im Allgäu Interessenverbände, die dieKommunikation unter den Menschen in einem Ortund unter den Gemeinden fördern. Beide Kraftwerks-typen werden innerhalb der Konzentrationszonen an-geordnet und versorgen so ihr Umfeld.

Selbst ist der AllgäuerDie kleinstmaßstäbliche Ebene setzt auf eine ty-

pische Eigenschaft der Allgäuer, die Selbstständigkeit.Geschichtlich ist diese aus der Entwicklung hin zuEinödhöfen entstanden. Da die Höfe vereinzelt in derLandschaft lagen, mussten sich deren Bewohner stetsselbst helfen und waren immer an Techniken interes-siert, die ihr Leben einfacher gestalteten.

Das Konzept setzt darauf, dass sich durch gezielteFörderungen und Information die Bewohner im All-gäu, die auf Einödhöfen wohnen, selbst mit Energieversorgen. Dazu sind besonders Photovoltaik und So-larthermie geeignet, aber auch Kleinwindanlagen sindfür den privaten Gebrauch möglich.

Die Landwirtschaft im Allgäu ist heute von derMilchwirtschaft geprägt. In den letzten Jahren kam esallerdings immer wieder zu Krisen. Obwohl wir durchunser Konzept das typische Allgäu mit seiner Grün-landschaft erhalten wollen, bieten die Entwicklung hinzu partiellem Ackerbau, Biogasanlagen und Holzheiz-kraftwerken und die Selbstversorgung mit Strom neueEinkommensmöglichkeiten für die angeschlageneLandwirtschaft. Dies wiederum stärkt jeden einzelnenHof und erhält die typische Siedlungsstruktur derEinödhöfe im Allgäu. Anja Höhl, Eva Grömling und Lydia Mitterhuber haben das Allgäu in Ebenen unterteilt

Vereinzelt in der Landschaft liegende Gebäude versorgen sich selber. Dabei stehenPhotovoltaik, Solarthermie und Klein-Windkraft zur Verfügung

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Das Solarband ist eine erneuerbare Energie,die die Form des Allgäus und dessen beson-dere Ästhetik unterstützt, während es gleich-

zeitig in der großräumigen und gerechten Verteilungalle Allgäuer gleichermaßen mit einbezieht. Die So-larstromerzeugung löst sich von den heutigen punk-tuellen Ansätzen der Energietechnik. Eine gemeinsameSprache von Energie und Landschaft entsteht. In sei-ner Form nimmt das Solarband die Landschaftsqua-litäten auf und wird dabei selbst zu einer neuenLandschaftsqualität.

Wenn wir es richtig machen, müssen erneuerbare Energien in 20 bis 30 Jahren nicht mehrals hässlich oderstörend empfunden werden. Die Generation der Kinder,die jetzt gerade im Kindergarten ist, wächst in einer an-deren Welt und in einer neuen Landschaft auf. Was jetztgestaltet wird, werden sie als normal empfinden. UnserEntwurf zielt darauf ab, Solarenergie eine neue Form zugeben, sodass sie die Faszination hervorrufen kann, diedie Betrachtungsweise auf Energieproduktion undEnergietransport verändert.

Allgäuer KraftbänderDas Empfinden für Schönheit ist wandelbar

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Energielandschaft

Energieerzeugung: Das Band erstreckt sich über240 Kilometer und erzeugt mit einer durchschnittli-chen Breite von 3,5 Metern 924 Millionen kW/h. Dasentspricht der doppelten Menge des Energiever-brauchs aller Privathaushalte im Allgäu. Das Solar-band stellt eine neue Ebene in der Landschaft dar, dieso großflächig ist, dass überall Nutzungen oder Erwei-terungen angeschlossen werden können.

Ästhetik: Die Form des Bandes variiert in denverschiedenen landschaftlichen Einflussbereichen desAllgäus und verbindet sich mit der Umgebung. DieSchwünge des Bandes und die Schwünge des Allgäusspielen miteinander, unterstützen und betonen sichund bestärken das Gesamtbild.

Gerechte Verteilung: Niemand trägt den Ge-winn alleine. Bei herkömmlichen Modellen gab es ei-nen oder mehrere Investoren, die den gesamten Ge-winn eines Solarfeldes bekamen, während das Land-schaftsbild vor den Augen aller stark verändert wurde.Das Band dagegen verläuft über Tausende von Grund-stücken. Jeder kann etwas vom Gewinn abhaben, wäh-rend die erneuerbare Energieproduktion losgelöst vonjeglicher Wertung für alle gleich viel und gleich wenigTeil des Allgäus wird.

Energiebänder an sonnigen Hängen durchziehen das Allgäu und gestalten die Landschaft So stellen sich die Studenten eine -Landschaft mit Energieband vor

Moritz Eschenlohr Judith Schweizer und Philipp Steinbacher wollen entlang von Straßen und Wegen, aber auch in der Landschaft des Allgäus sogenannte »Kraftbänder« anlegen. Damit verteilen sie die Akzeptanz der Energieerzeugung auf alleBürger gleichermaßen

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Vorschau auf die Themen der Frühjahrsausgabe von

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Energie

Windkraft Pro und Kontra: Wir fragen Befürworter und GegnerWasserkraft Pumpspeicher als ZwischenlösungPhotovoltaik Wer bietet Komplettsysteme zur Eigennutzung?

Flächenanlagen im Allgäu – Beitrag zur Energiezukunft?

Mobilität

E-Mobile Die neuen Modelle: Kauf, Miete und ProbefahrenE-Bike Dienstfahrzeug auf zwei RädernBoote Mit sauberer Batteriekraft über den See

Energiesparen

Wirtschaft Allgäuer Unternehmen: Kampf gegen Stromfresser Dämmen Denkmalschutz und EnergiesparenRecycling Welche Materialien sind besonders lukrativ? Kraft-Wärmekopplung Komplett-Systeme, die bares Geld sparenSanierung Alles über Fördermittel, Programme und HilfsangeboteHolzbau Allgäuer Betriebe setzen neue Maßstäbe

Regionales

Neue Ideen Pfiffige Vorschläge aus dem Allgäu-WettbewerbUrlaub Nachhaltiges Reisen – die Top-Angebote der Region

Reportage

Im Portrait Gemeindewerke: Die Chancen kleiner Anbieter Allgäuer Banken Wer hat die besten Angebote zum Energiesparen? Bürgerinitiativen Die »Sonnenwende e.V.« in Bad Hindelang

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Die nächste Ausgabe erscheint am 1. März 2014A

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