am tag, als die brücken in die brüche gingen - mt.de · ral hipper" wird versenkt. ... dem...

1
Ostersonntag, 1. April: Alli- ierte schließen deutsche Heeresgruppe B mit 340 000 Mann in einem Kessel von rund 125 Kilometern Durch- messer im Gebiet zwischen Ruhr, Rhein und Sieg ein. Ostermontag, 2. April: Wien wird vom Nazi-Gauleiter Baidur von Schirach zum Verteidigungsgebiet gegen die Sowjettruppen erklärt. Dienstag, 3. April: Luftan- griff auf den Hafen von Kiel; der Schwere Kreuzer „Admi- ral Hipper" wird versenkt. SS-Führer Himmler gibt den berüchtigten „Flaggenbe- fehl", der die Deutschen zum Widerstand und Durchhal- ten um jeden Preis verpflich- tet; darin heißt es unter ande- rem: „Aus einem Haus, aus dem eine weiße Fahne er- scheint, sind alle männlichen Personen zu erschießen." Mittwoch, 4. April: Karlsru- he wird von der 1. französi- schen Armee eingenommen. Sowjets besetzen die slowa- kische Hauptstadt Bratisla- va. Die Rote Armee gibt die endgültige Befreiung Un- garns bekannt; alle deut- schen Truppen haben sich zurückgezogen. Donnerstag, 5. April: Sow- jets erreichen die südliche Stadtgrenze von Wien; Be- ginn der Schlacht um Wien, die am 13. April mit der Er- oberung durch die Rote Ar- mee endet. Freitag, 6. April: Königsberg wird vollständig von sowjeti- schen Verbänden einge- schlossen. Samstag, 7. April: Hitler be- fiehlt den deutschen Trup- pen in der „Festung Holland" das Durchhalten. Sonntag, 8. April: Die SS evakuiert das Konzentrati- onslager Buchenwald und transportiert die Häftlinge in das KZ Flossenburg. Magde- burg wird von US-Truppen eingenommen. Montag, 9. April: Das fast völlig zerstörte Königsberg kapituliert vor der sowjeti- schen Übermacht, die drei Armeen mit mehr als 500 Panzern und 5000 Geschüt- zen einsetzt; Festungskom- mandant General Otto Lasch wird auf Betreiben Hitlers wegen „Feigheit vor dem Feind" in Abwesenheit zum Tode verurteilt. Beim Luftan- griff auf den Hafen von Kiel wird der als Flüchtlingstrans- porter eingesetzte Schwere Kreuzer „Admiral Scheer" getroffen und kentert. Minden (mt). Seit dem Über- schreiten des Niederrheins am 23. März näherten sich die Alliierten unaufhörlich. Die Wehrmacht hatte den Befehl, den alliierten Vor- marsch an der Weser zu stoppen. Kein gutes Omen für die Stadt. „Am 3. April hörten wir ständig fernen Geschützdonner aus Richtung Süden von jenseits des Wiehengebirges. Es war un- heimlich still sonst", erinnert sich die damals 14-jährige Hel- ga Gieseking aus Kutenhausen. „Am Gebäude gegenüber klopf- te der Nachbar, der NSV-Bera- ter war, Emailleschilder mit ei- nem Hakenkreuz von der Wand." Kein gutes Zeichen für den Endsieg, an den einige noch immer glaubten. Die letzte Hoffnung daran hatte Helene Hoffmann noch nicht aufgegeben, obwohl die 22-jährige junge Frau, die seit 1939 Telefonistin bei der Luft- schutzpolizei war, wenige Tage zuvor am 28. März beim Voll- treffer auf das Stadthaus in der dortigen Meldestelle nur knapp dem Tode entronnen war. Zwei Kolleginnen, die aus den inzwi- schen besetzten Städten Köln und Lodz stammten, hatten sich - vermutlich um den 2. April - als Sekretärinnen den abziehenden Verbänden zum „Endkampf in der Lüneburger Heide", wo die Wunderwaffe stehen sollte, angeschlossen. Bürgermeister Dr. Werner Holle hatte ganz andere Sorgen. „Ich weiß nicht, was ich ma- chen soll", habe er angesichts der befohlenen Sprengung der Brücken gejammert, berichtet Helene Hoffmann. Denn bei ei- ner Übergabe der Stadt drohte ihm Vergeltung durch die Nazis - eine ernst zu nehmende Dro- hung, wie der Fall des ermorde- ten Bürgermeisters von Aachen zeigte. Andererseits seien es Männer des Volkssturms gewe- sen, die mit einer Zerstörung der Lebensadern der Stadt alles andere als einverstanden zu sein schienen. Die Bevölkerung flüchtete bereits am 3. April aus der Stadt. „Wir hatten an dem Tag in unser Haus ein paar Frauen aus Minden aufgenommen", be- richtet Helga Gieseking, die in der Gastwirtschaft „Zahs" in Kutenhausen aufgewachsen ist. Als die Gäste sich um ihr Eigen- tum sorgten, musste die 14-Jäh- rige „zu zweit mit einem Hand- wagen und Fahrrädern" zu de- ren Wohnung, um einige Sa- chen zu holen. „Auf dem Rück- weg setzten die Sirenen ein, die sonst bei Fliegeralarm heulten." Jetzt heulten sie, wie angekün- digt, 20 Minuten lang: Panzer- alarm. „Es war unheimlich." Bis zum Morgen des 4. April sprengten Pioniere im Raum Minden die Straßenbrücken Eisbergen, Uffeln-Vlotho, die oberstromige Autobahnbrücke (die unterstromige war bereits zerstört), die Kettenbrücke Por- ta Westfalica und die Eisen- bahnbrücke der MKB in Min- den. Die Eisenbahnbrücken in Vlotho und Vennebeck waren Sinnlose Zerstörung: Am 4. April 1945 mussten Pioniere die Kanalüberführung sprengen, weil ein Befehl aus Berlin zu spät kam. Foto: Nordsiek/Kommunalarchiv Minden Kriegsruine: Am 4. April 1945 brannte das Proviantmagazin, das heutige Weserkolleg, aus. Auch für jüngere Generationen blieb es bis in die 70er-Jahre hinein Mahnmal und Zeugnis des Zweiten Weltkriegs. Foto: Nordsiek/Westf. Amt für Denkmalpflege bereits früher zerstört. Auch fast alle Brücken über den Mit- tellandkanal seien im Laufe des 3. oder 4. April zerstört worden, schreibt Dr. Hans Nordsiek in seinem Buch „Die verdunkelte Stadt". Aber es gab drei Aus- nahmen: Bei der Stiftsallee ver- sagte die Sprengladung und riss nur ein großes Loch. Bei der Beethovenstraße versagte „ver- mutlich das Sprengkomman- do", so Nordsiek. Und bei der Sandtrift versagten offensicht- lich die Nerven einer der letzten Säulen des Tausendjährigen Reiches. „Dort war Wacholder- Jupp Posten", berichtet Helene Hoffmann, ohne sich an den ge- nauen Namen erinnern zu kön- nen. Plötzlich sei er von Bauern mit Schrotflinten umringt gewe- sen. „Wenn du die Brücke sprengst, schießen wir dich tot", drohten die Bauern, die Äcker und Wiesen auf beiden Seiten des Kanals hatten. Wacholder- Jupp suchte daraufhin das Wei- te, und die Bauern gingen nach Hause und legten den Mantel des Schweigens über diese Tat. So viel Glück war der Über- führung des Mittellandkanals über die Weser nicht beschie- den, obwohl sich zivile Stellen für die Erhaltung der nach Bombentreffern in die Uferbö- schung des Kanals inzwischen leer gelaufenen Brücke einsetz- ten. Doch der Kampfkomman- dant und der zuständige Pio- nierführer mochten allein nicht entscheiden. Wegen der unter- brochenen Telefonverbindung nach Berlin traf ein Kradmelder aus Hannover mit einem Ge- genbefehl sage und schreibe 35 Minuten nach der Sprengung der beiden östlichen Brücken- bogen am Abend des 4. April gegen 20 Uhr ein. Der Schiffs- verkehr auf der Weser und im Mittellandkanal waren dadurch auf Jahre beeinträchtigt. Kurz nach 21 Uhr wurde auch die Weserbrücke als letzte Verbindung zwischen den bei- den Stadthälften in die Luft ge- jagt, und mit ihr auch Versor- gungsleitungen für das rechte Weserufer, „so dass der östliche Stadtteil Mindens nun ohne Elektrizität, Gas und Leitungs- wasser war", wie Nordsiek be- richtet. Aber auch die öffentliche Ordnung brach in Teilen zu- sammen. Das Proviantmagazin und die Heeresbäckerei brann- ten aus, bevor alliierte Truppen die Stadt besetzten. „Im Wein- garten floss der Schnaps die Straße runter", erinnert sich Helene Hoffmann. Und die Alliierten? Um 23.45 Uhr drang das 1. Kanadische Fallschirmjäger-Bataillon unter Lieutenant Colonel Eadie in die Stadt ein und meldete um 2.30 Uhr des 5. April, dass sie voll- ständig „gesäubert" sei. Ein Glück für Minden, denn ohne den etwas unplanmäßigen Ein- zug der von der festgelegten Route abgekommenen Kana- dier hätten die Amerikaner 350 „Fliegende Festungen" starten lassen, um die Stadt für den Einzug von US-Truppen sturm- reif bombardieren zu lassen. Minden (mt/um). Eine unange- nehme Überraschung erlebte ein Autofahrer, der Freitag ge- gen 8 Uhr seinen Polo zum Par- ken an der Dankerser Straße abstellte. Als er gegen 16 Uhr zu seinem Wagen zurückkehrte, stellte er Beschädigungen am Außenspiegel fest. Der Verursa- cher hatte sich von der Unfall- stelle entfernt, ohne sich um den Schaden zu kümmern. Zeugen werden gebeten, sich bei der Polizei, Telefon: (05 71) 8 86 60, zu melden. Minden (mt/jd). Der Kreisver- band Bündnis 90/Die Grünen veranstaltet morgen, 20 Uhr, eine Info- und Diskussionsver- anstaltung zum Thema „Schule der Vielfalt - Die Zukunft der Schule". Landtagskandidatin Sigrid Beer, wird im Hotel Victoria, die Situation an den Schulen in NRW und die Vision „Schule der Vielfalt" vorstellen. Dazu werden Ausschnitte des Films von Reinhard Kahl „Treibhäuser der Zukunft" ge- zeigt. Die Leitung hat der Land- tagskandidat Axel Nicke. Minden (um). „Unfairer Han- del trifft uns alle - Lebens- mittel sind mehr wert". Mit diesem Slogan demonstrier- ten Samstagmorgen rund 20 heimische Landwirte gegen die Aktion „Größenwahn- Samstag von real. Das Unternehmen bot den Ver- brauchern einen Liter Milch zum Preis von 33 Cent. „Wir Bauern haben bei der Milcher- zeugung bereits Vollkosten von 32 bis 36 Cent je Liter. Hinzu kommen die Kosten für Verar- beitung, Kontrolle, Verpa- ckung, Transporte und Ver- kauf", erklärt Klaus-Günther Huebner, Geschäftsführer des Landwirtschaftlichen Kreisver- bandes Minden-Lübbecke. Real verkaufe die Ware somit deut- lich unter Einstiegspreis und das sei verboten. Aus Protest kauften die Land- wirte 120 Liter Milch auf. „Es kann doch nicht sein, dass ein Liter Milch weniger kostet als ein Liter Wasser", appellierten die Landwirte an die Verbrau- cher. Durch einen wahnsinni- gen Preiskampf würden auf lan- ge Sicht Werte und Arbeitsplät- ze zerstört. „Wir wollen Ihnen weiterhin höchste Qualität und Sicherheit von Lebensmitteln liefern. Dass die gesichert sind, liegt in Ihrer Hand", meinte auch Rainer Meyer vom Vor- standsamt des Landwirtschaftli- chen Kreisverbandes. Die erworbenen 120 Liter Milch spendeten die Landwirte der „Mindener Tafel". „Wir wer- den die Milch in unserem Kühl- raum Zwischenlagern und im Laufe der Woche an die Bedürf- tigen verteilen", erklärten Hel- mut Mai und Claus-Dieter Feil- bach von der Mindener Tafel. Klaus-Günther Huebner (2. v. r.) und Rainer Meyer (3. v. r.) vom Landwirtschaftlichen Kreisverband riefen zu einer Protestaktion gegen die „Tage des Wahnsinns" bei real auf. Landwirte kauften 120 Liter Milch und übergaben sie Helmut Mai (links) und Claus-Dieter Feilbach (2. v. I.) von der „Minde- ner Tafel". MT-Foto: Ulrike Mißbach Minden (mt/mm). Die Minden- Lübbecker SPD-Landtagsabge- ordneten Inge Howe und Karl- Heinz Haseloh richten am 23. April, das Fußball-Frühlingstur- nier „Landtags-Cup 2005" aus. Der Wettkampf beginnt um 10 Uhr auf dem Sportplatz Hahler Feld. Anmeldung bis Sonntag, 10. April, bei Dymo Hormann, Telefon (05 71) 80 19 5195 oder unter (05 71) 3 72 52. • Die Kammerpuppenspiele Bielefeld gastieren am 4. und 5. April, mit „Pettersson und Fin- dus" im Forum des Herder- Gymnasiums. Karten können unter (05 21) 2 60 81 50 reser- viert werden, oder sind am Ver- anstaltungstag ab 15 Uhr an der Tageskasse erhältlich. • Die Juso-AG Minden trifft sich am 6. April, 19 Uhr, im SPD-Büro an der Lübbecker Straße 202. Besprochen werden die Erstellung eines Flyers und der Kampf gegen den Rechtsex- tremismus, der in Minden wie- der aufkeimt. Interessierte Ju- gendliche und junge Erwachse- ne sind eingeladen. (mt/um) 60 Jahre Kriegsende Übeltäter entfernte sich Schule der Vielfalt- Zukunft der Schule Fußballturnier zum Frühlingsauftakt Nummer 77 Montag, 4. April 2005 Von Jürgen Langenkämper CHRONOLOGIE 4 Mindener Tageblatt Am Tag, als die Brücken in die Brüche gingen 4. April 1945: Wehrmacht kappt Verbindungen und Bauern aus dem Volkssturm retten Brücke / Kanadier ziehen ein | MT-SERIE Landwirte protestieren gegen Dumpingpreise 120 Liter Milch aufgekauft / Aktion gegen „Unfairen Handel" / Spende für „Mindener Tafel" 1 KURZ NOTIERT | LOKALES

Upload: vanlien

Post on 17-Sep-2018

217 views

Category:

Documents


0 download

TRANSCRIPT

Ostersonntag, 1. April: Alli-ierte schließen deutscheHeeresgruppe B mit 340 000Mann in einem Kessel vonrund 125 Kilometern Durch-messer im Gebiet zwischenRuhr, Rhein und Sieg ein.Ostermontag, 2. April: Wienwird vom Nazi-GauleiterBaidur von Schirach zumVerteidigungsgebiet gegendie Sowjettruppen erklärt.Dienstag, 3. April: Luftan-griff auf den Hafen von Kiel;der Schwere Kreuzer „Admi-ral Hipper" wird versenkt.SS-Führer Himmler gibt denberüchtigten „Flaggenbe-fehl", der die Deutschen zumWiderstand und Durchhal-ten um jeden Preis verpflich-tet; darin heißt es unter ande-rem: „Aus einem Haus, ausdem eine weiße Fahne er-scheint, sind alle männlichenPersonen zu erschießen."Mittwoch, 4. April: Karlsru-he wird von der 1. französi-schen Armee eingenommen.Sowjets besetzen die slowa-kische Hauptstadt Bratisla-va. Die Rote Armee gibt dieendgültige Befreiung Un-garns bekannt; alle deut-schen Truppen haben sichzurückgezogen.Donnerstag, 5. April: Sow-jets erreichen die südlicheStadtgrenze von Wien; Be-ginn der Schlacht um Wien,die am 13. April mit der Er-oberung durch die Rote Ar-mee endet.Freitag, 6. April: Königsbergwird vollständig von sowjeti-schen Verbänden einge-schlossen.Samstag, 7. April: Hitler be-fiehlt den deutschen Trup-pen in der „Festung Holland"das Durchhalten.Sonntag, 8. April: Die SSevakuiert das Konzentrati-onslager Buchenwald undtransportiert die Häftlinge indas KZ Flossenburg. Magde-burg wird von US-Truppeneingenommen.Montag, 9. April: Das fastvöllig zerstörte Königsbergkapituliert vor der sowjeti-schen Übermacht, die dreiArmeen mit mehr als 500Panzern und 5000 Geschüt-zen einsetzt; Festungskom-mandant General Otto Laschwird auf Betreiben Hitlerswegen „Feigheit vor demFeind" in Abwesenheit zumTode verurteilt. Beim Luftan-griff auf den Hafen von Kielwird der als Flüchtlingstrans-porter eingesetzte SchwereKreuzer „Admiral Scheer"getroffen und kentert.

Minden (mt). Seit dem Über-schreiten des Niederrheinsam 23. März näherten sichdie Alliierten unaufhörlich.Die Wehrmacht hatte denBefehl, den alliierten Vor-marsch an der Weser zustoppen. Kein gutes Omenfür die Stadt.

„Am 3. April hörten wir ständigfernen Geschützdonner ausRichtung Süden von jenseitsdes Wiehengebirges. Es war un-heimlich still sonst", erinnertsich die damals 14-jährige Hel-ga Gieseking aus Kutenhausen.„Am Gebäude gegenüber klopf-te der Nachbar, der NSV-Bera-ter war, Emailleschilder mit ei-nem Hakenkreuz von derWand." Kein gutes Zeichen fürden Endsieg, an den einigenoch immer glaubten.

Die letzte Hoffnung daranhatte Helene Hoffmann nochnicht aufgegeben, obwohl die22-jährige junge Frau, die seit1939 Telefonistin bei der Luft-schutzpolizei war, wenige Tagezuvor am 28. März beim Voll-treffer auf das Stadthaus in derdortigen Meldestelle nur knappdem Tode entronnen war. ZweiKolleginnen, die aus den inzwi-schen besetzten Städten Kölnund Lodz stammten, hattensich - vermutlich um den 2.April - als Sekretärinnen denabziehenden Verbänden zum„Endkampf in der LüneburgerHeide", wo die Wunderwaffestehen sollte, angeschlossen.

Bürgermeister Dr. Werner

Holle hatte ganz andere Sorgen.„Ich weiß nicht, was ich ma-chen soll", habe er angesichtsder befohlenen Sprengung derBrücken gejammert, berichtetHelene Hoffmann. Denn bei ei-ner Übergabe der Stadt drohteihm Vergeltung durch die Nazis- eine ernst zu nehmende Dro-hung, wie der Fall des ermorde-ten Bürgermeisters von Aachenzeigte. Andererseits seien esMänner des Volkssturms gewe-sen, die mit einer Zerstörungder Lebensadern der Stadt allesandere als einverstanden zusein schienen.

Die Bevölkerung flüchtetebereits am 3. April aus derStadt. „Wir hatten an dem Tagin unser Haus ein paar Frauenaus Minden aufgenommen", be-richtet Helga Gieseking, die inder Gastwirtschaft „Zahs" inKutenhausen aufgewachsen ist.Als die Gäste sich um ihr Eigen-tum sorgten, musste die 14-Jäh-rige „zu zweit mit einem Hand-wagen und Fahrrädern" zu de-ren Wohnung, um einige Sa-chen zu holen. „Auf dem Rück-weg setzten die Sirenen ein, diesonst bei Fliegeralarm heulten."Jetzt heulten sie, wie angekün-digt, 20 Minuten lang: Panzer-alarm. „Es war unheimlich."

Bis zum Morgen des 4. Aprilsprengten Pioniere im RaumMinden die StraßenbrückenEisbergen, Uffeln-Vlotho, dieoberstromige Autobahnbrücke(die unterstromige war bereitszerstört), die Kettenbrücke Por-ta Westfalica und die Eisen-bahnbrücke der MKB in Min-den. Die Eisenbahnbrücken inVlotho und Vennebeck waren

Sinnlose Zerstörung: Am 4. April 1945 mussten Pioniere die Kanalüberführung sprengen, weil einBefehl aus Berlin zu spät kam. Foto: Nordsiek/Kommunalarchiv Minden

Kriegsruine: Am 4. April 1945 brannte das Proviantmagazin, dasheutige Weserkolleg, aus. Auch für jüngere Generationen bliebes bis in die 70er-Jahre hinein Mahnmal und Zeugnis des ZweitenWeltkriegs. Foto: Nordsiek/Westf. Amt für Denkmalpflege

bereits früher zerstört. Auchfast alle Brücken über den Mit-tellandkanal seien im Laufe des3. oder 4. April zerstört worden,schreibt Dr. Hans Nordsiek inseinem Buch „Die verdunkelteStadt". Aber es gab drei Aus-nahmen: Bei der Stiftsallee ver-sagte die Sprengladung und rissnur ein großes Loch. Bei derBeethovenstraße versagte „ver-mutlich das Sprengkomman-do", so Nordsiek. Und bei derSandtrift versagten offensicht-lich die Nerven einer der letztenSäulen des TausendjährigenReiches. „Dort war Wacholder-Jupp Posten", berichtet HeleneHoffmann, ohne sich an den ge-nauen Namen erinnern zu kön-nen. Plötzlich sei er von Bauernmit Schrotflinten umringt gewe-sen. „Wenn du die Brückesprengst, schießen wir dich tot",drohten die Bauern, die Äckerund Wiesen auf beiden Seitendes Kanals hatten. Wacholder-Jupp suchte daraufhin das Wei-te, und die Bauern gingen nachHause und legten den Manteldes Schweigens über diese Tat.

So viel Glück war der Über-führung des Mittellandkanals

über die Weser nicht beschie-den, obwohl sich zivile Stellenfür die Erhaltung der nachBombentreffern in die Uferbö-schung des Kanals inzwischenleer gelaufenen Brücke einsetz-ten. Doch der Kampfkomman-dant und der zuständige Pio-nierführer mochten allein nicht

entscheiden. Wegen der unter-brochenen Telefonverbindungnach Berlin traf ein Kradmelderaus Hannover mit einem Ge-genbefehl sage und schreibe 35Minuten nach der Sprengungder beiden östlichen Brücken-bogen am Abend des 4. Aprilgegen 20 Uhr ein. Der Schiffs-verkehr auf der Weser und imMittellandkanal waren dadurchauf Jahre beeinträchtigt.

Kurz nach 21 Uhr wurdeauch die Weserbrücke als letzteVerbindung zwischen den bei-

den Stadthälften in die Luft ge-jagt, und mit ihr auch Versor-gungsleitungen für das rechteWeserufer, „so dass der östlicheStadtteil Mindens nun ohneElektrizität, Gas und Leitungs-wasser war", wie Nordsiek be-richtet.

Aber auch die öffentlicheOrdnung brach in Teilen zu-sammen. Das Proviantmagazinund die Heeresbäckerei brann-ten aus, bevor alliierte Truppendie Stadt besetzten. „Im Wein-garten floss der Schnaps dieStraße runter", erinnert sichHelene Hoffmann.

Und die Alliierten? Um 23.45Uhr drang das 1. KanadischeFallschirmjäger-Bataillon unterLieutenant Colonel Eadie in dieStadt ein und meldete um 2.30Uhr des 5. April, dass sie voll-ständig „gesäubert" sei. EinGlück für Minden, denn ohneden etwas unplanmäßigen Ein-zug der von der festgelegtenRoute abgekommenen Kana-dier hätten die Amerikaner 350„Fliegende Festungen" startenlassen, um die Stadt für denEinzug von US-Truppen sturm-reif bombardieren zu lassen.

Minden (mt/um). Eine unange-nehme Überraschung erlebteein Autofahrer, der Freitag ge-gen 8 Uhr seinen Polo zum Par-ken an der Dankerser Straßeabstellte. Als er gegen 16 Uhr zuseinem Wagen zurückkehrte,stellte er Beschädigungen amAußenspiegel fest. Der Verursa-cher hatte sich von der Unfall-stelle entfernt, ohne sich umden Schaden zu kümmern.Zeugen werden gebeten, sichbei der Polizei, Telefon: (05 71)8 86 60, zu melden.

Minden (mt/jd). Der Kreisver-band Bündnis 90/Die Grünenveranstaltet morgen, 20 Uhr,eine Info- und Diskussionsver-anstaltung zum Thema „Schuleder Vielfalt - Die Zukunft derSchule". LandtagskandidatinSigrid Beer, wird im HotelVictoria, die Situation an denSchulen in NRW und die Vision„Schule der Vielfalt" vorstellen.Dazu werden Ausschnitte desFilms von Reinhard Kahl„Treibhäuser der Zukunft" ge-zeigt. Die Leitung hat der Land-tagskandidat Axel Nicke.

Minden (um). „Unfairer Han-del trifft uns alle - Lebens-mittel sind mehr wert". Mitdiesem Slogan demonstrier-ten Samstagmorgen rund 20heimische Landwirte gegendie Aktion „Größenwahn-Samstag von real.

Das Unternehmen bot den Ver-brauchern einen Liter Milchzum Preis von 33 Cent. „WirBauern haben bei der Milcher-zeugung bereits Vollkosten von32 bis 36 Cent je Liter. Hinzukommen die Kosten für Verar-beitung, Kontrolle, Verpa-ckung, Transporte und Ver-kauf", erklärt Klaus-GüntherHuebner, Geschäftsführer desLandwirtschaftlichen Kreisver-bandes Minden-Lübbecke. Realverkaufe die Ware somit deut-lich unter Einstiegspreis unddas sei verboten.

Aus Protest kauften die Land-wirte 120 Liter Milch auf. „Eskann doch nicht sein, dass einLiter Milch weniger kostet alsein Liter Wasser", appelliertendie Landwirte an die Verbrau-cher. Durch einen wahnsinni-gen Preiskampf würden auf lan-

ge Sicht Werte und Arbeitsplät-ze zerstört. „Wir wollen Ihnenweiterhin höchste Qualität undSicherheit von Lebensmittelnliefern. Dass die gesichert sind,liegt in Ihrer Hand", meinte

auch Rainer Meyer vom Vor-standsamt des Landwirtschaftli-chen Kreisverbandes.

Die erworbenen 120 LiterMilch spendeten die Landwirteder „Mindener Tafel". „Wir wer-

den die Milch in unserem Kühl-raum Zwischenlagern und imLaufe der Woche an die Bedürf-tigen verteilen", erklärten Hel-mut Mai und Claus-Dieter Feil-bach von der Mindener Tafel.

Klaus-Günther Huebner (2. v. r.) und Rainer Meyer (3. v. r.) vom Landwirtschaftlichen Kreisverbandriefen zu einer Protestaktion gegen die „Tage des Wahnsinns" bei real auf. Landwirte kauften 120Liter Milch und übergaben sie Helmut Mai (links) und Claus-Dieter Feilbach (2. v. I.) von der „Minde-ner Tafel". MT-Foto: Ulrike Mißbach

Minden (mt/mm). Die Minden-Lübbecker SPD-Landtagsabge-ordneten Inge Howe und Karl-Heinz Haseloh richten am 23.April, das Fußball-Frühlingstur-nier „Landtags-Cup 2005" aus.Der Wettkampf beginnt um 10Uhr auf dem Sportplatz HahlerFeld. Anmeldung bis Sonntag,10. April, bei Dymo Hormann,Telefon (05 71) 80 19 5195oder unter (05 71) 3 72 52.

• Die KammerpuppenspieleBielefeld gastieren am 4. und 5.April, mit „Pettersson und Fin-dus" im Forum des Herder-Gymnasiums. Karten könnenunter (05 21) 2 60 81 50 reser-viert werden, oder sind am Ver-anstaltungstag ab 15 Uhr an derTageskasse erhältlich.

• Die Juso-AG Minden trifftsich am 6. April, 19 Uhr, imSPD-Büro an der LübbeckerStraße 202. Besprochen werdendie Erstellung eines Flyers undder Kampf gegen den Rechtsex-tremismus, der in Minden wie-der aufkeimt. Interessierte Ju-gendliche und junge Erwachse-ne sind eingeladen. (mt/um)

60 JahreKriegsende

Übeltäterentfernte sich

Schule der Vielfalt-Zukunft der Schule

Fußballturnier zumFrühlingsauftakt

Nummer 77 • Montag, 4. April 2005

Von Jürgen Langenkämper

CHRONOLOGIE

4 Mindener Tageblatt

Am Tag, als die Brücken in die Brüche gingen4. April 1945: Wehrmacht kappt Verbindungen und Bauern aus dem Volkssturm retten Brücke / Kanadier ziehen ein

| MT-SERIE

Landwirte protestieren gegen Dumpingpreise120 Liter Milch aufgekauft / Aktion gegen „Unfairen Handel" / Spende für „Mindener Tafel"

1 KURZ NOTIERT |

LOKALES