4. ergebnisse - technische universität...
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0 5 10 15 20 25 30 35 400
10
20
30
40
50
60
70
80
90
100
110
50GD1
40GD40SD
40WD
50GD2
Aktiv
ität [
ml H
2/ m
in g
]
Aluminiumkonzentration [At.%]
Abbildung 4.36: Aktivität als Funktion der Aluminiumkonzentration der Nickelkata-
lysatoren, die aus unterschiedlichen Nickel-Aluminium-Chrom-
Eisenlegierungen bei Laugentemperaturen von 75°C (offene Symbole)
und 110°C (gefüllte Symbole) hergestellt wurden
Die molybdändotierte Legierung 50GDMo zeigt keine signifikante Erhöhung der Aktivität
gegenüber undotierten Legierungen. Eine Änderung der Aktivität als Funktion des
Aluminiumgehaltes ist nicht zu beobachten. Sie unterscheidet sich nur durch eine
schnellere Abnahme der Aluminiumkonzentration am Anfang der Laugung. Dieses
Verhalten entspricht der von Kassab et al. (1987) beobachteten Erhöhung der
Korrosionsrate von Aluminium in Natronlauge bei Vorliegen von Molybdänionen in der
Lauge.
4.4 Struktur- und Morphologieänderung während des Laugens
Untersuchungen mit Atomabsorptionsspektroskopie zur Löslichkeit des Nickels in der
Lauge zeigen, daß sich Nickel, anders als Aluminium, nicht löst. Die Aluminatlauge der 30
min lang bei Raumtemperatur gelaugten Legierung 53G weist eine
Aluminiumkonzentration von 3200 ppm und eine Nickelkonzentration von 0,3 ppm auf.
Die Lauge enthält demnach um den Faktor 104 mehr Aluminium als Nickel. Es ist daher
Ergebnisse
58
davon auszugehen, daß nicht die gesamte Nickel-Aluminiumphase aufgelöst wird, sondern
nur das Aluminium.
Durch XRD-Untersuchungen konnte gezeigt werden, daß die Phasen Ni3Al oder NiAl
während des Laugens nicht auftreten. Untersuchungen am Transmissions-
elektronenmikroskop wurden an einer 45 min und einer 120 min gelaugten Probe der
Legierung 53G vorgenommen. Es wurden sowohl Abbildungs- als auch
Beugungsaufnahmen gemacht. In Abbildung 4.37 ist die Aufnahme eines typischen
Teilchens zu sehen. Die Katalysatorteilchen weisen noch die makroskopischen
Abgrenzungen der Ausgangspulver auf, die Oberfläche ist porös und wirkt schwammartig.
20 nm
Abbildung 4.37: TEM-Aufnahme eines Teilchens der 120 min gelaugten Legierung 53G
Neben den bekannten Phasen Nickel (fcc) und Ni2Al3 konnte im Beugungsmodus nach
Auswertung von Beugungsbildern eine Phase mit kubisch innenzentrierter (bcc) Struktur
mit einer Gitterkonstanten von 0,286 nm identifiziert werden (Abbildung 4.38). In dieser
Struktur sind die Nickel- und die Aluminiumatome auf den Gitterpositionen statistisch
verteilt. Eine EDX-Analyse ergab eine Zusammensetzung der Phase von etwa 80 Gew.%
(65 At.%) Nickel, Rest Aluminium. Im hochauflösenden Abbildungsmodus sind an dem
untersuchten Teilchen helle und dunkle Bereiche, d.h. Bereiche mit unterschiedlichem
Ergebnisse
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Streuabsorptionskontrast zu sehen (Abbildung 4.39). Dieser Kontrast ist auf die durch das
Laugen verursachte Erosion des Materials und damit auf verschiedene Massendicken
zurückzuführen. In der Aufnahme lassen sich einzelne Gitterebenen erkennen. Der
Abstand dieser (110)-Gitterebenen beträgt 2,0 Å. Es zeigt sich, daß die Gitterebenen nur
über Bereiche von einigen Nanometer ideal zueinander orientiert sind. Die Orientierungen
der einzelnen Bereiche sind zueinander um kleine Winkel verkippt. Die kohärent
streuenden Bereiche haben daher eine Größenordnung von nur wenigen Nanometern. Das
hat zur Folge, daß es bei Röntgen- und Elektronenbeugung zu einer Verbreiterung der
Beugungsreflexe kommt.
In einer Beugungsaufnahme (Abbildung 4.40) sind noch Beugungsreflexe der
Ausgangsphase Ni2Al3 zu erkennen, aber auch bereits Reflexe der kubisch innenzentrierten
Struktur.
Abbildung 4.38: TEM-Beugungsaufnahme der kubisch innenzentrierten Phase in der 45
min gelaugten Legierung 53G
Ergebnisse
60
4 nm
Abbildung 4.39: TEM-Aufnahme der 45 min gelaugten Legierung 53G
Abbildung 4.40: TEM-Beugungsaufnahme der 45 min gelaugten Legierung 53G:
innenzentrierte Phase (starke diffuse Reflexe), hexagonalen Ni2Al3-Phase
(zusätzlich: schwache scharfe Refelxe (Pfeile) kursiv indiziert)
Ergebnisse
61
Abbildung 4.41 zeigt eine Beugungsbild der 120 min bei 110°C gelaugten Legierung 53G.
Aufgrund der geringen Kristallitgröße und der gewählten größeren Selektorblende
erscheinen die Beugungsreflexe als Beugungsringe. Auch in dieser Probe konnte neben
fcc-Nickel die bcc-Phase anhand des (200)-Reflexes nachgewiesen werden (dritter
Beugungsring von innen, vgl. auch die Reflexlagen der einzelnen Phasen in Abbildung
4.42). Die mit EDX gemessene Zusammensetzung der bcc-Phase in dieser Probe beträgt 85
Gew.% (75 At.%) Nickel, Rest Aluminium.
Abbildung 4.41 Beugungsaufnahme eines Teilchens aus der 120 min gelaugten
Legierung 53G
In den Röntgendiffraktogrammen sind die Reflexe der einzelnen Phasen stark verbreitert.
Die Intensität nimmt mit zunehmendem Beugungswinkel stark ab. Die mit Abstand
intensivsten Reflexe der Phasen fallen zudem fast zusammen (d (111)fcc-Ni = 0,206 nm bei
2θ = 43,9°, d (110)bcc-Ni-Al = 0,202 nm bei 2θ = 44,8°), so daß es hohe Korrelationen
Ergebnisse
62
zwischen den Phaseninformationen gibt. Bei den Ergebnissen der Rietveld-Analyse muß
daher ein relativer Fehler in der Größenordnung von 10 % in Kauf genommen werden.
Abbildung 4.42 zeigt die Ergebnisse einer Rietveld-Verfeinerung eines Diffraktogramms
der 45 min gelaugten Probe. Dargestellt ist (von oben nach unten): das gemessene bzw.
berechnete Diffraktogramm, die durch Striche angedeuteten Reflexlagen der Phasen fcc-
Ni, bcc-Ni-Al, Ni2Al3 und die Differenz zwischen gemessenem und berechnetem
Diffraktogramm. Die Rietveld-Analyse des Röntgendiffraktogramms ergab, daß die 45
min gelaugte Probe aus 19 Gew.% fcc-Ni, 75 Gew.% bcc-Ni-Al-Phase und 6 Gew.%
Ni2Al3 besteht. Die Gitterkonstante des Nickels beträgt 0,357 ± 0,002 nm.
Abbildung 4.42: Rietveld-Verfeinerung des Röntgendiffraktogramms der 45 min
gelaugten Legierung 53G, von oben nach unten: gemessenes bzw.
berechnetes Diffraktogramm, Reflexe der Phasen Ni(fcc), Ni-Al(bcc) und
Ni2Al3, Differenz von gemessenen und berechneten Werten
Ergebnisse
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Es wurden weitere Proben mit Röntgenbeugung untersucht, die unter den gleichen
Bedingungen jeweils 15 und 30 min gelaugt wurden. Die aus den Rietveld-Analysen
bestimmten Phasenanteile für verschieden lang gelaugte Proben sind in Abbildung 4.43 als
Funktion der Laugungszeit dargestellt. Die Ausgabeplots der Rietveld-Verfeinerungen
selbst sind im Anhang gezeigt.
Die bei 120 min Laugungszeit eingetragenen Werte sind Daten der Legierung 53G bei
75°C aktiviert. Es zeigt sich, daß sich die bcc-Phase am Anfang bildet und ihre Menge mit
zunehmender Laugungszeit wieder zugunsten eines Nickelmischkristalls abnimmt. Die
Ni2Al3-Phase nimmt mit zunehmender Laugungszeit ab.
Die Ausgangslegierung besteht aus etwa 62 At.% (70 Gew.%) Ni2Al3, nach einer
Laugungszeit von 15 Minuten sind noch etwa 4 At.% (15 Gew.%) Ni2Al3 vorhanden, d.h.
der Großteil der Ni2Al3-Phase ist bereits umgewandelt.
In Abbildung 4.44 ist das Röntgendiffraktogramm der 10 min gelaugten NiAl3-Legierung
dargestellt. Die Reflexe der innenzentrierten Phase treten nicht auf.
0 20 40 60 80 100 1200
10
20
30
40
50
60
70
80
90
100
Ni2Al3 Ni bcc Ni-Al-Phase
Phas
enan
teile
[Gew
.%]
Laugungszeit [min]
Abbildung 4.43: Ergebnisse aus der Rietveld-Analyse
Ergebnisse
64
20 30 40 50 60 70 80 90 100 1100
2000
4000
6000
8000
10000
Inte
nsitä
t [co
unts
]
2 Theta [°]20 40 60 80 100
NiNi2Al3
Abbildung 4.44: Röntgendiffraktogramm der 10 min gelaugten Legierung NiAl3
65
5. Diskussion
Im folgenden werden die Ergebnisse in die Zielsetzung der Arbeit eingeordnet. Im ersten
Teil wird ein Modell für den Laugungsmechanismus abgeleitet. Im zweiten Teil wird der
Einfluß der Ausgangslegierungen diskutiert.
5.1 Modell des Laugungsmechanismus
Die in dieser Arbeit gewonnenen Ergebnisse ermöglichen es, die mikrostrukturellen
Prozesse, die während des Laugens ablaufen, zu klären. Prinzipiell sind verschiedene
Möglichkeiten zur Entstehung des Raney-Nickels aus der Nickel-Aluminium-
Ausgangslegierung denkbar:
A) Auflösung der Nickel-Aluminiumphasen (Ni2Al3 und NiAl3) und Abscheidung einer
nickelreichen Phase. Dieser Mechanismus entspricht dem Mechanismus, der zur
Entzinkung von Messing von Hashimoto et al. (1963) vorgeschlagen wurde
B) Sequentielle Keimbildung und Wachstum der Phasen NiAl, Ni3Al und schließlich
Nickel nach dem Vorschlag von Presnyakov et al. (1967)
C) Direkte Keimbildung und Wachstum von fcc-Nickel im Festkörper
D) Restrukturierung der verbleibenden Nickelatome, d.h. Umordnung der Atome über
kurze Distanz, wie es von Wainwright (1996) für die Laugung von Aluminium aus
Kupfer-Aluminiumlegierungen angenommen wird
Im Falle von Mechanismus A würden sowohl Aluminium als auch Nickel in Lösung
gehen. Bei den Mechanismen B, C, und D ist das selektive Lösen des Aluminiums der
entscheidende Schritt.
Die vollständige Auflösung der Ausgangsphasen Ni2Al3 und NiAl3 und ein
Wiederabscheiden des Nickels ist unwahrscheinlich. Die gemessene Nickelkonzentration
der Aluminatlauge ist um den Faktor 104 niedriger als die Aluminiumkonzentration. Es ist
daher anzunehmen, daß der Übergang von Nickel in die wässrige Lösung für den Prozeß
ohne Bedeutung ist. Diese Annahme stimmt mit den Untersuchungen von Yasuda et al.
(1983) überein. Die Autoren beschreiben, daß Nickel gegen Korrosion in heißer
Diskussion
66
konzentrierter Natronlauge resistent ist. Es ist daher davon auszugehen, daß das
Aluminium selektiv gelöst wird, und die verbleibenden Nickelatome den resultierenden
Katalysator bilden. Mechanismus A wird somit ausgeschlossen.
Mechanismus B, d.h. die entsprechend dem Phasendiagramm in Richtung einer
zunehmenden Nickelkonzentration aufeinanderfolgende Bildung der intermetallischen
Phasen NiAl und Ni3Al (Presnyakov et al., 1967) kann ebenfalls ausgeschlossen werden.
Zum einen wurde bei den Untersuchungen mittels Elektronenmikroskopie und
Röntgenbeugung keine dieser Phasen in den gelaugten Proben detektiert. Zum anderen ist
nach Sassoulas et al. (1964) aus den nickelreichen Phasen NiAl und Ni3Al aufgrund ihrer
geringen Laugbarkeit kein Raney-Nickel herzustellen. Würden sich diese Phasen während
des Laugungsprozesses bilden, so müßten sie im Katalysator noch vorhanden sein.
Die Keimbildung stabiler Phasen wie NiAl, Ni5Al3, Ni3Al und auch fcc-Nickel erfordert
Keimbildung und Keimwachstum. Sie beinhaltet Konzentrationssprünge zwischen dem
Keim und dem benachbarten Bereich. Für die Bildung der Keime müssen
Diffusionsprozesse ablaufen. Die Diffusionskoeffizienten sind für die spezifische Situation
während des Laugens nicht bekannt. Sie werden im folgenden für die Diffusion der in
diesem Fall relevanten Nickelatome abgeschätzt. Der Diffusionskoeffizient bei 100°C
berechnet sich nach der Formel:
��
�
�
��
�
�
⋅−⋅=
TRQDD exp0
mit D0 = materialspezifische Diffusionskonstante
D0(Ni in Ni) = 1⋅10-4 m2/s (Mehrer, 1990)
Q = Aktivierungsenergie für die Diffusion
Q(Ni) = 260 kJ/mol (Mehrer, 1990)
Der Diffusionskoeffizient von Nickel in Nickel beträgt etwa 6⋅10-44 m2/s. Dieser sehr
niedrige Diffusionskoeffizient kann durch die beim Herauslösen der Aluminiumatome
entstehenden Leerstellen stark erhöht werden. Nach Godard (1999) gilt für den Fall der
Leerstellenübersättigung näherungsweise folgende Formel für den Einfluß der
Leerstellenkonzentration auf den Diffusionskoeffizienten:
Diskussion
67
��
�
�
��
�
�
⋅−⋅⋅=
TRQD
ccD eqL
LL exp0
DL = Diffusionskoeffizient bei gegebener Leerstellenkonzentration
cL = Leerstellenkonzentration
cLeq = Leerstellenkonzentration im Gleichgewicht
Der Wert für die Gleichgewichtsleerstellenkonzentration cLeq berechnet sich nach
Wollenberger (1996) für Nickel bei Raumtemperatur näherungsweise zu cLeq = 2,6⋅10-31.
Die Leerstellenkonzentration für das beim Laugungsprozeß entstehende Nickel ist
unbekannt. Durch das Herauslösen der Aluminiumatome werden sehr viele Leerstellen
erzeugt, so daß die Annahme einer hohen Leerstellenkonzentration sinnvoll ist. Als
Näherung wird angenommen, daß die Leerstellenkonzentration derjenigen bei der
Schmelztemperatur von Nickel cL(1455°C) = 5,7⋅10-6 entspricht. Setzt man diese Werte in
die obige Gleichung ein, so ergibt sich, daß der Diffusionskoeffizient durch die Leerstellen
um den Faktor 1025 vergrößert wird, und einen Wert von DL = 6,7⋅10-16 m2/s erreicht.
Diffusion ist mit diesen abgeschätzten Diffusionskoeffizienten über einen Bereich von
einigen Nanometern möglich. Es ist zudem bekannt, daß der Diffusionskoeffizient für den
Fall der Oberflächendiffusion noch höher ist. Die zu Keimbildung und -wachstum nötige
Diffusion ist daher grundsätzlich in begrenztem Umfang möglich.
Allerdings ist es unrealistisch, daß der Laugungsprozeß über die sequentielle Keimbildung
mehrerer Phasen (NiAl, Ni5Al3 etc.) verläuft, da für jede Phase neue Keimbildung und
-wachstum notwendig wäre. Es ist zudem nicht zu erwarten, daß die Keimbildungsraten
bei den gegebenen Temperaturen so hoch sind, daß nanokristalline Strukturen entstehen.
Wie im nachfolgenden gezeigt, verläuft der Laugungsmechanismus nicht über
Keimbildung und -wachstum im klassichen Sinne, d.h. das Aufbringen von
Grenzflächenenergie zur Bildung eines Keims und Keimwachstum nach Überwindung
eines kritischen Keimradius. Vielmehr besitzen die nach Herauslösen des Aluminiums
verbleibenden Nickelatome eine sehr hohe Grenzflächenenergie. Diese Energie wird
verringert, indem sich die Atome durch Umordnung über kurze Distanzen in einer anderen
Struktur anordnen.
Diskussion
68
In dieser Arbeit wurde eine innenzentrierte (bcc) metastabile Phase der Zusammensetzung
Ni70Al30 detektiert. Diese Phase ist in der Ausgangslegierung nicht vorhanden. Sie bildet
sich während der Laugung. Aus Abbildung 4.40, in der die Reflexe der Ni2Al3-
Ausgangsphase und der neuen innenzentrierten Phase gleichzeitig zu sehen sind, wird
geschlossen, daß sich die innenzentrierte Phase aus der Ni2Al3–Phase bildet. Zwischen den
Kristallgittern der beiden Phasen besteht eine enge Korrelation. Wie in Abbildung 5.1
gezeigt, kann die innenzentrierte Elementarzelle bereits mit leichten Verzerrungen in der
hexagonalen Struktur der Ni2Al3–Phase dargestellt werden. Die hexagonale Ni2Al3-Phase
kann als eine CsCl-Struktur mit nur zu 2/3 besetzten Cs- (oder Cl)-Positionen aufgefaßt
werden. Die Leerstellen sind dabei geordnet. Bei völliger Fehlordnung von Aluminium-
und Nickelatomen (sowie der Leerstellen) entsteht eine kubisch innenzentrierte Struktur.
Zur Bildung der innenzentrierten Phase aus dem hexagonalen Ni2Al3 müssen die Atome
nur relativ geringe Positionsverschiebungen ausführen, Diffusionssprünge über Leerstellen
sind nicht nötig.
Abbildung 5.1: Beziehung der Kristallstrukturen der hexagonalen Ni2Al3-Phase (große
Elementarzelle) und der kubisch innenzentrierten Phase (kleine
Elementarzellen). Die großen Kreise stellen Nickelatome, die mittleren
Kreise Aluminiumatome, die kleinen Kreise Leerstellen dar.
Diskussion
69
Den TEM-Ergebnissen zufolge liegen die Nickel- und Aluminiumatome in der bcc-Phase
ungeordnet, d.h. statistisch verteilt auf den Gitterpositionen vor. Die Zusammensetzung
entspricht näherungsweise der Formel Ni70Al30. Mit dieser Struktur und der
Zusammensetzung entspricht die bcc-Phase keiner bisher für das Nickel-Aluminiumsystem
beschriebenen Phasen. Die im Phasendiagramm enthaltene Phase Ni5Al3 kommt aufgrund
ihrer orthorhombischen Struktur nicht in Frage. Die von Reynaud (1976) beobachtete
Ni2Al-Phase besitzt ebenfalls eine ähnliche Zusammensetzung, hat aber im Unterschied zu
der bcc-Phase eine hexagonale Kristallstruktur.
In Analogie zum System Kupfer-Gold, bei dem neben der geordneten Cu3Au-Struktur eine
ungeordnete Hochtemperaturphase existiert (Massalski, 1996), wäre es denkbar, daß es
sich im Rahmen der Fehlertoleranz der EDX-Analyse bei der innenzentrierten Phase um
eine ungeordnete Modifikation von Ni3Al handelt. Voraussetzung dafür wäre, daß die
Zentrierung der Zelle in der geordneten und der ungeordneten Struktur dieselbe ist. Diese
Voraussetzung ist nicht erfüllt: Die Ni3Al-Struktur ist kubisch flächenzentriert, die neue
Phase ist kubisch innenzentriert. Außerdem stimmen die Gitterkonstanten der Ni3Al-Phase
und der innenzentrierten neuen Phase nicht überein. Eine ungeordnete Ni3Al-Phase ist
daher auszuschließen.
Die von Ivanov et al. (1990, 1992, 1993) beobachtete Nickel-Aluminiumphase entstand
während des Laugens aus mechanisch legiertem Ausgangsmaterial. Im Gegensatz zu den
hier gezeigten Ergebnissen wird beschrieben, daß bereits in der Ausgangslegierung eine
kubische Ungleichgewichtsphase von NiAl (CsCl-Struktur) vorlag, deren
Konzentrationsbereich durch das mechanische Legieren stark ausgedehnt wurde. Den
Befunden der Autoren zufolge wurden etwa 5/6 der Aluminiumatome (das entspricht etwa
50At.% Al) herausgelaugt. Die Struktur ändert sich beim Laugen nicht und der
Gitterparameter sowie die Kristallitgröße bleiben unverändert. Da die Autoren zum Teil
bei denselben Daten sowohl von einer CsCl- und von einer bcc-Struktur sprechen, ist es
schwierig, diese Ergebnisse mit den hier gefundenen zu vergleichen. Da die Reflexlagen
der Ausgangsphase durch die Laugung bei den Autoren nicht verändert werden, ist
anzunehmen, daß es sich bei der beobachteten Struktur um eine CsCl-Struktur handelt.
Die in dieser Arbeit nachgewiesene Entstehung einer innenzentrierten metastabilen Phase
legt folgenden Laugungsmechanismus nahe: Die Struktur der Ausgangsphase wird durch
das selektive Lösen des Aluminiums und die dadurch entstehenden Leerstellen lokal
instabil. In diesen instabilen Bereichen ordnen sich die vorhandenen Nickel- und
Diskussion
70
Aluminiumatome neu zu der innenzentrierten Struktur an. So entstehen Bereiche gleicher
Orientierung mit einer Größe von mehreren Nanometern, die in der hochauflösenden
Aufnahme (Abbildung 4.39) zu sehen sind und die zu der beobachteten
Reflexverbreiterung in den Röntgendiffraktogrammen führen.
Die innenzentrierte Phase ist metastabil, d.h. sie bildet sich bei
Gleichgewichtsbedingungen, wie sie zur Erstellung des Phasendiagramms verwendet
werden, nicht. Mit weiterem Herauslösen von Aluminiumatomen erfolgen weitere
Umordnungen der Atome und es bildet sich der stabile fcc-Nickelmischkristall. Die
Strukturkorrelation zwischen bcc- und fcc-Struktur ist unter dem Namen Bain-
Transformation bekannt (Wayman und Bhadeshia, 1996). Da bereits für die Umwandlung
von Ni2Al3 zur innenzentrierten Phase eine Umordnung der Atome angenommen werden
muß, ist es sehr wahrscheinlich, daß auch die Umwandlung von der innenzentrierten Phase
zum fcc-Nickelmischkristall über die Verschiebung von Atomen über kurze Distanzen
erfolgt. Damit ist der oben genannte Mechanismus D der plausibelste. Basierend auf
diesem Mechanismus konnten alle Befunde erklärt werden.
Für den hier untersuchten Laugungsvorgang besteht eine enge Analogie zur selektiven
Korrosion von binären Legierungen. Beispielsweise beobachten Keir und Pryor (1980) für
das Herauslösen von Aluminium aus Kupferlegierungen bzw. Pryor und Fister (1984) für
das Herauslösen von Mangan aus Kupferlegierungen ähnliche Phänomene: Pryor und
Fister (1984) berichten, daß die elektronegativeren Atome an der Oberfläche und im
oberflächennahen Bereich der Legierung leicht herausgelöst werden können. Die Struktur
des verbleibenden Materials wird instabil. Durch Umordnung in der Art einer "short range
reorientation" formen sich kleine, stabile kupferreiche Kristallite. Dabei lagern sich die
Leerstellen um und es entsteht eine große innere Oberfläche. Durch die poröse Struktur
kann die Lösung weiter an die ungelaugte Legierung vordringen und das Herauslösen der
elektronegativeren Atome geht weiter. Das Modell dieser Autoren stimmt gut mit dem hier
diskutierten Mechanismus überein und unterstützt die im Rahmen dieser Arbeit
entstandene Vorstellung.
Wie die Ergebnisse in Abbildung 4.44 zeigen, bildet sich aus NiAl3 keine kubisch
innenzentrierte Phase. Eine enge Korrelation der Gitterpositionen zwischen der
orthorhombischen NiAl3-Struktur und der bcc-Struktur ist nicht offensichtlich. NiAl3
wandelt sich direkt in fcc-Nickel um. Colin et al. (1992) zeigen, daß in der NiAl3-Struktur
entlang der <100> Richtung größere Freiräume zwischen den Atomen existieren. Das
Diskussion
71
Aluminium ist in wellenförmigen Ebenen parallel zur <001> Richtung angeordnet und
ermöglicht den Hydroxidionen einen guten Zugang in die Struktur. Es ist davon
auszugehen, daß dieser geometrische Effekt und die hohe Aluminiumkonzentration die
direkte Bildung des fcc-Nickels ermöglichen.
Abbildung 4.43 zeigt, daß am Anfang der Laugung überwiegend die bcc-Phase als
Phasenbestandteil vorliegt. Im weiteren Verlauf nimmt der Anteil der bcc-Phase zugunsten
des fcc-Nickels ab. Mit diesen Resultaten können die Ergebnisse von Rothe et al. (2000)
erklärt werden. Die von den Autoren bei XANES-Messungen an unterschiedlich lang
gelaugten Nickel-Aluminiumlegierungen (50 Gew.% Nickel) beobachtete stark
ungeordnete Struktur am Anfang der Laugung kann auf die in dieser Arbeit beobachtete
bcc-Phase zurückgeführt werden. Rothe et al. (2000) zeigen auch, daß im weiteren Verlauf
das System in einen geordneten Zustand übergeht, der dem des fcc-Nickels entspricht.
Diese Beobachtung entspricht der hier beschriebenen Transformation der bcc-Phase zu fcc-
Nickel.
Auch die Frage nach dem Vorliegen des Restaluminiums kann mit den erzielten
Ergebnissen weitgehend geklärt werden. Aus der durch die Rietveld-Verfeinerung für das
Raney-Nickel erhaltenen Gitterkonstante von 0,357 nm im Vergleich zu der
Gitterkonstante von Referenznickel (0,352 nm) wird gefolgert, daß Aluminium in einem
Nickelmischkristall gelöst vorliegt. Die Berechnung der Aluminiumkonzentration nach der
Vegardschen Regel ergibt, daß etwa 15 At.% Aluminium im Nickel gelöst sind. Diese
Rechnung ist aufgrund der starken Linienverbreiterung des Raney-Nickel allerdings nur
eine Näherung und kann nicht als quantitative Angabe herangezogen werden. Qualitativ
wird allerdings das Vorliegen eines Nickel-Aluminiummischkristalls bestätigt. Die
innenzentrierte Phase, die auch noch im Endkatalysator, d.h. in dem zwei Stunden lang
gelaugten Material, vorliegt, trägt mit einer Aluminiumkonzentration von etwa 25 At.%
(15 Gew.%) zusätzlich zur Restaluminiumkonzentration im Raney-Nickel bei.
5.2 Einfluß der Ausgangslegierungen
Die Gefügebestandteile Ni2Al3 und NiAl3 zeigen unterschiedliche Reaktivität gegenüber
der Natronlauge. Dieses Verhalten spiegelt sich in den in Tabelle 5.1 angegebenen Werten
für die freie Standardreaktionsenthalpie ∆G°(298) der Nickel-Aluminiumphasen bei der
Diskussion
72
Laugung in Kalilauge (40 Gew.% KOH) wieder. Mit abnehmender
Aluminiumkonzentration sinkt die treibende Kraft für die Reaktion.
Die Tatsache, daß die Phasen NiAl und Ni3Al trotz der negativen freien Reaktionsenthalpie
nicht angegriffen werden, ist auf eine Passivierung der Phasen zurückzuführen. Für die
selektive Korrosion binärer Legierungen tritt mit zunehmender Konzentration des edleren
Metalls eine Verschiebung des kritischen Potentials, ab dem schnelle selektive Auflösung
des unedleren Metalls stattfindet, ein (Heusler, 1997). Bei hohen Konzentrationen des
edlen Metalls kommt es durch Bildung einer Oberflächendeckschicht aus dem edleren
Metall zu Passivierung (Kaesche, 1990). Dies ist für die nickelreichen Phasen des Nickel-
Aluminiumsystems der Fall (Rausch, 1983).
Standardreaktionsenthalpie
∆G°(298) [kJ/mol]
NiAl3 -1146
Ni2Al3 -510
NiAl -308
Ni3Al -84
Tabelle 5.1.: Freie Standardreaktionsenthalpie ∆G°(298) der intermetallischen Nickel-
Aluminiumphasen nach Rausch (1983)
Wie in den Ergebnissen der vorliegenden Arbeit an eingebetteten Legierungen gezeigt,
verläuft die Laugung der Ni2Al3-Phase in Anwesenheit der NiAl3-Phase schneller. Dieser
Effekt kann auf die Bildung von elektrochemischen Lokalelementen zurückgeführt
werden. Aufgrund des höheren Aluminiumanteils hat die NiAl3-Phase das negativere
Potential gegenüber der Lauge und wird schneller angegriffen. Es bildet sich ein
Lokalelement aus, das die Auflösung von NiAl3 verstärkt und die Reaktion von Ni2Al3
hemmt. Nachdem NiAl3 vollständig zu Nickel reagiert ist, liegt Nickel und Ni2Al3 vor. Da
Nickel gegenüber Natronlauge stabil ist, wird nun die Ni2Al3-Phase schneller angegriffen.
Diskussion
73
Aufgrund der langsameren Reaktion von Ni2Al3 ist zu erwarten, daß die
Reaktionsfreudigkeit der Legierung mit zunehmendem Anteil an Ni2Al3 in der
Ausgangslegierung zurückgeht und die Restaluminiumkonzentration im Katalysator mit
zunehmendem Anteil an Ni2Al3 steigt. Ein Vergleich zwischen den verdüsten Legierungen
40S, 50S, 50W bestätigt diese Erwartung (Abbildung 4.23).
Es zeigt sich jedoch auch, daß die gemahlene Legierung 53G, die im Vergleich zu den
verdüsten Legierungen 50S und 50W höhere bzw. gleich große Ausgangsanteile an Ni2Al3
besitzt, nach dem Laugen eine niedrigere Restaluminiumkonzentration aufweist als die
verdüsten Legierungen (Abbildung 4.23).
In dem feindendritischen Gefüge der verdüsten Legierungen ist das Ni2Al3 von NiAl3
umhüllt. Die Reaktion der Lauge mit der Ni2Al3-Phase könnte deshalb durch die äußere
NiAl3-Schicht bzw. dem daraus entstehenden Nickel behindert werden. Diese Annahme
konnte experimentell nicht nachgewiesen werden. Es wurden nachträglich gemahlene
verdüste Legierungen gelaugt. Ein Vergleich der Abnahme der Aluminiumkonzentration
während des Laugens mit ungemahlenen verdüsten Legierungen ist in Abbildung 5.2
dargestellt.
Die Abnahme der Aluminiumkonzentration am Anfang des Laugens ist bei den
gemahlenen verdüsten Legierungen höher, insgesamt führt das Mahlen der verdüsten
Legierungen jedoch nicht zu einer niedrigeren Aluminiumkonzentration im Katalysator. In
den gemahlenen verdüsten Legierungen ist wie in den verdüsten Legierungen noch
ungelaugte Ni2Al3-Phase vorhanden. Der Grund für die etwas schnellere Abnahme der
Aluminiumkonzentration kann eine durch das Mahlen etwas verkleinerte Partikelgröße
sein. Mikroskopische Aufnahmen der gemahlenen verdüsten Legierungsteilchen
(Abbildung 4.28 und 4.29) zeigen, daß die sehr feine Mikrostruktur durch das Mahlen
nicht beeinflußt und die NiAl3-Umhüllung nicht zerstört wurde.
Die Ergebnisse zum Einfluß der Aluminiumkonzentration auf die katalytische Aktivität des
gelaugten Nickels zeigen, daß die Aktivität mit abnehmender Aluminiumkonzentration
zunimmt. Durch das zunehmende Herauslösen des Aluminiums entsteht mehr poröses
Raney-Nickel, so daß die spezifische Aktivität steigt. Dementsprechend ist die generell
niedrigere Aktivität der Legierungen 50S und 50W auf die hohe
Restaluminiumkonzentration bzw. das Vorliegen ungelaugter Ni2Al3-Phase
zurückzuführen.
Diskussion
74
0 20 40 60 80 100 1200
10
20
30
40
50
60
70
80
0
10
20
30
40
50
60
70
80
50W 50W gemahlen 50S 50S gemahlen
Alum
iniu
mko
nzen
tratio
n [A
t.%]
Laugungszeit [min]
Abbildung 5.2: Aluminiumkonzentration als Funktion der Laugungszeit der gemahlenen
verdüsten Legierungen (Laugentemperatur von 110 °C) im Vergleich zu
den ungemahlenen verdüsten Legierungen.
In dieser Arbeit wurde gezeigt, daß die Nickelkatalysatoren aus verdüsten Nickel-
Aluminiumlegierungen bei einer Laugentemperatur von 110°C mit zunehmender
Laugungszeit an Aktivität verlieren und bei einer Laugentemperatur von 75°C an Aktivität
dazu gewinnen. Dagegen erfahren gemahlene Nickel-Aluminiumlegierungen bei beiden
Temperaturen eine Zunahme der Aktivität. Untersuchungen von Robertson et al. (1976)
zeigen, daß bei partieller Aktivierung von Nickel-Aluminiumlegierungen die Oberfläche
und das Porenvolumen des Raney-Nickels aus einer Legierung mit 50 Gew.% Ni
kontinuierlich zunimmt, während bei der Legierung mit 42 Gew.% Ni zunächst eine
Zunahme, später jedoch eine Abnahme der Oberfläche und des Porenvolumens auftritt.
Diese Beobachtung führen die Autoren auf einen Sinterprozeß zurück. Auch Kagan et al.
(1973) beobachten eine Abnahme der Oberfläche des Raney-Nickels bei
Laugentemperaturen oberhalb von 100°C und führen dies auf eine Vergröberung der
Nickelkristallite zurück.
Diskussion
75
Makroskopisch wurde ein Sintern der Teilchen aus den verdüsten Legierungen in dieser
Arbeit nicht beobachtet. Die hier untersuchten Nickelkatalysatoren aus den verdüsten
Legierungen weisen nach dem Laugen ein dendritisches Gefüge auf. Aufgrund der großen
inneren Oberfläche könnten Sinterprozesse, die makroskopisch nicht sichtbar sind, das
Porenvolumen bzw. die Oberfläche erniedrigen. Der Vergleich der gemessenen
Oberflächen der aktiven Nickelpulver, die bei 110°C aus der verdüsten Legierung 40S und
der gemahlenen Legierung 53 G gelaugt wurden, spricht für diese Möglichkeit. Aufgrund
der dendritischen Struktur ist bei dem Nickelpulver aus der verdüsten Legierung eine
höhere Oberfläche zu erwarten als bei dem Nickelpulver aus der gemahlenen Legierung.
Es zeigte sich, daß das Nickelpulver aus der verdüsten Legierung eine um etwa 15 %
kleinere Oberfläche hat, als das Nickelpulver aus der gemahlenen Legierung. Es wäre
möglich, daß die durch das feindendritische Gefüge größere Grenzflächendichte der
Katalysatoren aus der verdüsten Legierung ein Sintern begünstigt. Da bei einer
Laugentemperatur von 75°C bei den verdüsten Legierungen keine Aktivitätsabnahme zu
beobachten ist, scheint dieser Sinterprozeß nur bei höheren Temperaturen (> 80°C)
einzutreten.
Neben der Abnahme der inneren Oberfläche kann auch die Abnahme der Menge des im
Raney-Nickel gespeicherten Wasserstoffs bei hoher Laugentemperatur eine Rolle spielen.
Mit zunehmender Laugungszeit geht weniger Aluminium in Lösung und es wird weniger
Wasserstoff erzeugt. Die hohe Laugentemperatur könnte aber gleichzeitig zu einer
stärkeren Desorption von Wasserstoff aus dem Nickelkatalysator führen. Da der im
Nickelkatalysator gespeicherte Wasserstoff maßgeblich an der Katalyse beteiligt ist, wäre
dann eine verringerte Aktivität zu erwarten.
Die besprochenen Ergebnisse ermöglichen somit, das Wissen über den Herstellungsprozeß
von Raney-Nickel zu vertiefen und insbesondere den Laugungsmechanismus zu klären.
5.3 Schlußfolgerungen
Die Ergebnisse dieser Arbeit lassen hinsichtlich des Laugungsmechanismus und des
Einflusses der Ausgangslegierung folgende Schlüsse zu:
Die Kombination von Transmissionselektronenmikroskopie mit Röntgenbeugung und
Rietveld-Analyse stellt ein erfolgreiches Verfahren zur Untersuchung des
Diskussion
76
Laugungsmechanismus von Nickel-Aluminiumlegierungen dar. Das Laugen von Nickel-
Aluminiumlegierungen mit den Phasenbestandteilen Ni2Al3, NiAl3 und Aluminium in
Natronlauge zu Nickelkatalysatoren geschieht über das selektive Lösen von Aluminium
und die Umordnung der verbleibenden Atome. Dazu müssen die Atome nur geringe
Positionsverschiebungen ausführen. Die NiAl3-Phase wandelt direkt in fcc-Nickel um. Bei
der Reaktion von Ni2Al3 entsteht eine aluminiumreichere innenzentrierte
Ungleichgewichtsphase, die sich im weiteren Verlauf der Laugung in fcc-Nickel
umwandelt.
Das im Katalysator vorhandene Restaluminium liegt sowohl als gelöstes Aluminium im
fcc-Nickelmischkristall als auch in der innenzentrierten Nickel-Aluminiumphase vor. Bei
unvollständig gelaugten Legierungen existiert außerdem Aluminium in Form von Ni2Al3.
Verdüste Ausgangslegierungen zeigen während des Laugens aufgrund ihrer
feindendritischen Struktur Unterschiede zu gemahlenen Legierungen. Die Reaktion der
Ni2Al3-Phase ist durch die Umhüllung mit NiAl3 bzw. den enstehenden
Nickelmischkristall behindert. Das führt dazu, daß bei etwa gleicher
Ausgangszusammensetzung der Legierung mehr ungelaugte Phase im Nickelkatalysator
übrig bleibt. Um eine niedrige Restaluminiumkonzentration zu erreichen, sollten verdüste
Ausgangslegierungen eine aluminiumreichere Zusammensetzung aufweisen.
Verdüste Legierungen zeigen bei hohen Laugentemperaturen mit zunehmender
Laugungszeit eine Abnahme der Aktivität. Es wird angenommen, daß Sinterprozese
stattfinden, und die Oberfläche der Nickelkatalysatoren verkleinert wird. Daher sollten
verdüste Legierungen bei niedrigerer Temperatur gelaugt werden, um optimale
Katalysatoraktivitäten zu erhalten.
Die Ergebnisse an Katalysatoren aus gemahlenen Legierungen deuten darauf hin, daß die
bcc-Phase wenig zur Aktivität des Nickelkatalysators beiträgt, da die Aktivität mit
abnehmendem Anteil der bcc-Phase zunimmt.
Insgesamt wurde in dieser Arbeit ein plausibles und konsistentes Bild darüber entwickelt,
wie die Umwandlung der Ausgangslegierung zu Raney-Nickel stattfindet. Zwar konnte der
lückenlose Beweis für die Umwandlung der beobachteten bcc-Phase zu fcc-Nickel nicht
erbracht werden, jedoch ist diese Umwandlung aufgrund der restlichen erbrachten
Ergebnisse naheliegend.
77
6. Zusammenfassung
In dieser Arbeit wird die Herstellung von Raney-Nickel aus verschiedenen
Ausgangslegierungen untersucht. Dabei werden die Schwerpunkte auf die Aufklärung des
Laugungsmechanismus und den Einfluß der Ausgangslegierung auf die Eigenschaften des
Nickelkatalysators gelegt. Ziel der Arbeit ist es, die Prozesse, die bei der Laugung
ablaufen, zu klären, um das Fundament zu einer gezielten Optimierung von
Nickelkatalysatoren zu schaffen.
In einer umfassenden Literaturübersicht über Raney-Nickel wird der Stand der Forschung
zu den Mechanismen des Laugungsvorgangs, zur Laugungskinetik, zu den physikalischen
und chemischen Eigenschaften des Katalysators, sowie zum Einfluß von
Promotorelementen dargestellt. Dabei zeigt sich, daß insbesondere über den
Laugungsmechanismus, der die Grundlage der Katalysatorherstellung darstellt, keine
Klarheit besteht. Es wird außerdem deutlich, daß eine systematische Untersuchung zum
Einfluß von unterschiedlich hergestellten Ausgangslegierungen fehlt.
Als Ausgangsmaterial wurden gegossene und gemahlene Nickel-Aluminiumlegierungen,
sowie stickstoffverdüste bzw. wasserverdüste Nickel-Aluminiumlegierungen benutzt. Zum
Teil wurden auch Chrom und Eisen als Dotierung zugesetzt. Die verschiedenen
Legierungen wurden mit Röntgenbeugung und quantitativer Gefügeanalyse charakterisiert.
Die Herstellung des Raney-Nickels erfolgte durch Laugen der Legierungen in Natronlauge.
Die physikalischen Eigenschaften der resultierenden Nickelkatalysatoren wurden
untersucht. Die Morphologie und die Mikrostruktur wurden mit mikroskopischen
Verfahren (REM, TEM) und Röntgendiffraktometrie bestimmt. An einigen Proben wurde
mit Stickstoffadsorption die Oberfläche gemessen. Die Restaluminiumkonzentration wurde
mit energiedispersiver Röntgenanalyse bestimmt. Zur Beschreibung der katalytischen
Eigenschaften der resultierenden Nickelkatalysatoren wurde die Hydrieraktivität bei der
Hydrierung von Nitrobenzol gemessen. Als Maß für die Aktivität wurde der Verbrauch
von Wasserstoff pro Minute und Gramm Katalysator festgelegt.
Die Ausgangslegierungen bestehen aus den intermetallischen Phasen NiAl3 und Ni2Al3 und
Aluminium. Die Laugungsgeschwindigkeit der jeweiligen Gefügebestandteile ist
unterschiedlich. Je aluminiumreicher die Phase, desto schneller wird sie gelaugt.
Dementsprechend reagiert zuerst das Aluminium. Die NiAl3-Phase reagiert ebenfalls sehr
schnell, während die Ni2Al3-Phase nur langsam angegriffen wird. Durch
Zusammenfassung
78
Laugungsversuche an einphasigen und mehrphasigen Legierungen wird gezeigt, daß die
Reaktion von Ni2Al3 mit der Lauge in Anwesenheit von NiAl3 beschleunigt wird.
Der Laugungsmechanismus besteht aus dem selektiven Lösen des Aluminiums und der
Umordnung der verbleibenden Atome. Die NiAl3-Phase wandelt sich während des
Laugens direkt zu Nickel um. Bei der Laugung von Ni2Al3 entsteht eine metastabile
Zwischenphase. Diese Phase hat die ungefähre Zusammensetzung Ni70Al30 und entspricht
keiner der bisher in der Literatur beschriebenen Phasen in diesem
Zusammensetzungsbereich. Die Kristallstruktur wurde durch Transmissionselektronen-
mikroskopie und Röntgendiffraktometrie als kubisch innenzentriert, mit einer statistischen
Verteilung der Nickel- und Aluminiumatome auf den Gitterplätzen, identifiziert. Die
Entstehung dieser kubisch innenzentrierten Phase erfolgt durch eine geringe
Positionsverschiebung der nach Auslaugens eines Großteils des Aluminiums verbleibenden
Atome. Dieser Mechanismus beruht auf der engen Korrelation der Ni2Al3-Struktur mit der
kubisch innenzentrierten Struktur. Im weiteren Verlauf der Laugung, d.h. mit weiterer
Abnahme der Aluminiumkonzentration wandelt sich die kubisch innenzentrierte Ni-Al-
Phase in den kubisch flächenzentrierten Nickel-Aluminiummischkristall um.
Die Nickelkatalysatoren enthalten auch nach der vollständigen Umwandlung der im
Ausgangsmaterial enthaltenen Phasen noch erhebliche Anteile an Restaluminium. Es
wurden Restaluminiumkonzentrationen von bis zu 15 At.% (7 Gew.%) Aluminium
beobachtet. Dieses restliche Aluminium liegt sowohl im Nickelmischkristall als auch in der
kubisch innenzentrierten Phase vor.
Die Ausgangslegierungen besitzen unterschiedliche Anteile der Phasen NiAl3 und Ni2Al3.
Langsamere Abkühlungsbedingungen erhöhen den Anteil an Ni2Al3. Je mehr Ni2Al3 in der
Ausgangslegierung vorhanden ist, um so höher ist der Restaluminiumgehalt der
Nickelkatalysatoren. Dabei zeigen sich signifikante Unterschiede zwischen den
Nickelkatalysatoren aus verdüsten Legierungen und den Nickelkatalysatoren aus
gemahlenen Legierungen. Bei den gemahlenen Legierungen werden trotz ähnlichem
Ni2Al3-Gehalt niedrigere Restaluminiumkonzentrationen erreicht. Bei den verdüsten
Legierungen ist die Ni2Al3-Phase mit NiAl3 umhüllt. Diese Umhüllung durch die NiAl3-
Phase bzw. durch das während des Laugens aus der NiAl3-Phase entstehende Nickel
behindert die Reaktion der Ni2Al3-Phase. Bei den verdüsten Legierungen mit hoher
Restaluminiumkonzentration liegt das Aluminium in Form von ungelaugter Ni2Al3-Phase
vor.
Zusammenfassung
79
Die Aktivität der Katalysatoren steigt prinzipiell mit zunehmender Laugungszeit bzw.
abnehmendem Aluminiumgehalt. Bei den verdüsten Legierungen zeigt sich ein Einfluß der
Laugentemperatur. Bei einer Laugentemperatur von 75°C steigt die Aktivität mit
zunehmender Laugungszeit. Bei einer Laugentemperatur von 110°C sinkt die Aktivität mit
zunehmender Laugungszeit. Die Abnahme der Aktivität bei der hohen Temperatur wird
auf eine Abnahme der inneren Oberfläche durch Sinterprozesse zurückgeführt.
Die Ergebnisse erlauben es, Aussagen über die zu wählenden Ausgangslegierungen
hinsichtlich optimaler Katalysatoraktivität zu treffen. Die Ausgangslegierung sollte einen
hohen Anteil an NiAl3-Phase besitzen, daher ist eine Legierungszusammensetzung mit
höherem Aluminiumanteil (40 Gew.% Ni, 60 Gew.% Al) zu verwenden. Verdüste
Legierungen sollten außerdem bei niedrigeren Temperaturen (75°C) gelaugt werden.
80
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92
8. Anhang
Rietveld-Verfeinerungen
Abbildung A-1: Rietveld-Verfeinerung des Röntgendiffraktogramms der 15 min
gelaugten Legierung 53G
Abbildung A-2: Rietveld-Verfeinerung des Röntgendiffraktogramms der 30 min
gelaugten Legierung 53G
Anhang
93
Abbildung A-3: Rietveld-Verfeinerung des Röntgendiffraktogramms der 120 min
gelaugten Legierung 53G
Danksagung
Die vorliegende Arbeit entstand von August 1997 bis Dezember 2000 im Rahmen einer
Zusammenarbeit zwischen dem Fachgebiet Physikalische Metallkunde der Technischen
Universität Darmstadt und der Degussa-Hüls AG, Hanau-Wolfgang. All denjenigen, die
mit ihrer Hilfsbereitschaft, Erfahrung und durch zahlreiche Diskussionen zum Gelingen
dieser Arbeit beigetragen haben, möchte ich an dieser Stelle herzlich danken.
Besonders bedanken möchte ich mich bei
Herrn Prof. Dr. H.E. Exner, dem Leiter des Fachgebiets Physikalische Metallkunde der TU
Darmstadt, der diese Arbeit betreut hat und mir durch zahlreiche Diskussionen und
Gespräche viele Anregungen gegeben hat
Herrn Dr. P. Panster und Herrn Dr. D. Ostgard vom Bereich Sivento der Degussa-Hüls AG
für interessante Diskussionen sowie für die großzügige Bereitstellung von Probenmaterial
und experimentellen Einrichtungen
Herrn Prof. Dr. H. Fueß, Leiter des Fachgebiets Strukturforschung der TU Darmstadt für
die Übernahme des Mitberichts
Weiterhin gebührt mein Dank
Herrn Dr. G. Miehe vom Fachgebiet Strukturforschung der TU Darmstadt für die
Durchführung der transmissionselektronenmikroskopischen Untersuchungen, die Hilfe bei
deren Auswertung, sowie die Hilfe bei den Rietveld-Analysen
Herr Dr. M. Rettenmayr für zahlreiche konstruktive Anregungen
Frau M. Berweiler, Frau B. Bender und Herrn S. Röder von der Degussa-Hüls AG für die
Unterstützung und Hilfsbereitschaft im Labor
Frau Dr. S. Klein für die Unterstützung bei den BET-Messungen,
Frau Dr. Ch. Brockmann vom Fachgebiet Chemische Analytik der TU Darmstadt für die
Durchführung der ICP-Messungen
Darüber sei allen Institutsangehörigen für die angenehme Arbeitsatmosphäre gedankt.
Insbesondere möchte ich Herrn Dipl.-Phys. Sven Thomas danken. Durch seine herzliche
und hilfsbereite Art hat er mir geholfen, manche Hürde dieser Arbeit zu nehmen.
Schließlich möchte ich der Studienstiftung des deutschen Volkes, für mich vertreten durch
Herrn Prof. M. Kluge und Dr. M. Brocker, für die Förderung im Rahmen meines
Promotionsstipendiums aufrichtig danken.
Lebenslauf
Sonja Knies
Gernsheimerstraße 29
64665 Alsbach-Hähnlein
Geboren am 07.07.1973 in Jugenheim
Schulausbildung:1979 - 1983 Grundschule in Hähnlein
1983 - 1989 Gymnasialer Zweig der Melibokusschule in Alsbach
1989 - 1992 Gymnasiale Oberstufe des Schuldorfs Bergstraße in
Seeheim-Jugenheim
Abschluß: Abitur
Studium:1992 - 1997 Studium der Materialwissenschaft an der TH Darmstadt
Diplomarbeit: „Herstellung und Charakterisierung von
kristallinen Silicium-Dünnschichtsolarzellen auf
Fremdsubstraten“
Abschluß: Diplom-Ingenieurin
seit 1997 Doktorandin im Fachgebiet Physikalische Metallkundedes Fachbereichs Material- und Geowissenschaften derTU Darmstadt
Alsbach-Hähnlein, den 21. Dezember 2000
Sonja Knies Gernsheimerstr.29
64665 Alsbach-Hähnlein
Eidesstattliche Erklärung
Ich erkläre hiermit an Eides Statt, daß ich die vorliegende Dissertation selbständig und nur mitden angegebenen Hilfsmitteln ausgeführt habe.
Ich habe bisher noch keinen Promotionsversuch unternommen.
Alsbach-Hähnlein, den 21. Dezember 2000
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