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Prof. Dr. Johann Graf Lambsdorff
Universität Passau
SS 2011
1. Die Zahlungsbilanz
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Literatur
Jarchow, H.-J. und P. Rühmann (2000), Monetäre Außenwirtschaft I. Monetäre Außenwirtschaftstheorie, 5., Aufl., Göttingen, S. 1-32.
Krugman, P.R. und M. Obstfeld (2003), International Economics, 6. Aufl., S. 294-323.
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Zahlungsbilanz• Systematische Aufzeichnung aller wirtschaftlichen Transaktionen zwischen Inländern und Ausländern für eine bestimmte Periode.• Inländer:
- natürliche Personen mit ständigem (mindestens ein Jahr) Wohnsitz im Inland und- alle anderen Wirtschaftssubjekte einschließlich rechtlich unselbstständiger Produktionsstätten und Zweigniederlassungen, soweit der Schwerpunkt ihrer wirtschaftlichen Aktivität im Inland liegt. - Ausnahme: ausl. Streitkräfte und Botschaftsangehörige.
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• Wirtschaftliche Transaktionen: - Waren, Dienstleistungen, Faktorleistungen oder Vermögenstitel (Geld, Forderungen oder Eigentumsrechte) werden von Inländern auf Ausländer (oder anders herum) übertragen. - Bewertung zu laufenden Preisen. - Wertveränderungen von Auslandsaktiva werden nicht erfasst.
• Zu den Wertveränderungen gibt es eine eigenständige außenwirtschaftliche Bestandsstatistik. Nur unter Berücksichtigung solcher Wertveränderungen kann der vollständige Vermögensstatus (international investment position) eines Landes gegenüber dem Ausland erstellt werden.
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• Der Begriff der Zahlungsbilanz ist missverständlich, da
- eine Bilanz normalerweise eine Bestandsstatistik ist, sich also auf einen Zeitpunkt bezieht. Hier werden jedoch Ströme während eines Zeitraums erfasst. - nicht nur Zahlungsvorgänge. Zumeist stehen den einzelnen Buchungen Zahlungsvorgänge entgegen, doch auch hier gibt es Ausnahmen (die unentgeltliche Lieferung von Waren).
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• Folgende Kategorien existieren für die Zahlungsbilanz:
- Außenhandel und Dienstleistungsverkehr,- Erwerbs- und Vermögenseinkommen,- laufende Übertragungen,- Kapitalverkehr (Direktinvestitionen, Portfolioinvestitionen und Finanzderivate, übriger Kapitalverkehr)- Veränderung der Währungsreserven- statistisch nicht aufgliederbare Transaktionen (Restposten).
• Alle Transaktionen werden zweimal in der Zahlungsbilanz registriert.
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Außenhandel und Dienstleistungsverkehr
• Der Außenhandel umfasst die Lieferung von Waren an das Ausland und die Bezüge von Waren aus dem Ausland.
• Warenexporte erscheinen auf der Habenseite des Unterkontos „Handelsbilanz“, da sie zu Zahlungseingängen führen.
• Eine Gegenbuchung hierzu wird später behandelt.
Handelsbilanz 2006
Einfuhr (cif) 731 Ausfuhr (fob) 875
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• Der Dienstleistungsverkehr umfasst Verkäufe (Käufe) von Dienstleistungen von Inländern an Ausländer (von Ausländern an Inländer).
• Hierzu gehören u.a. Reiseverkehr, Transportleistungen (Frachten, Personenbeförderung, Hafendienste), Versicherungs- und Finanzdienstleistungen, Patente und Lizenzen, Bauleistungen. Ferner gehören zu den Dienstleistungsexporten die Ausgaben von im Inland stationierten ausländischen militärischen Dienststellen.
Dienstleistungsbilanz 2006
Einfuhr 165 Ausfuhr 141
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Erwerbs- und Vermögenseinkommen
• Einkommen aus unselbstständiger Arbeit: Erwerbseinkommen von Grenzgängern, Saisonarbeitern oder anderen kurzfristig im Ausland Beschäftigten. • Einkommen aus Kapitalerträgen (Vermögenseinkommen): Zinsen und Dividenden, die Inländer von Ausländern erhalten aus Direkt-investitionen, Portfolioinvestitionen oder Krediten.
Einkommensbilanz 2006
Geleistete Erwerbs-einkommen 7
Empfangene Erwerbs-einkommen 5
Geleistete Vermögens-einkommen 158
Empfangene Vermögens-einkommen 183
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Laufende Übertragungen• Übertragungen sind unentgeltliche Leistungen. Erfasst werden alle Gegenbuchungen zu Bewegungen von Gütern und finanziellen Aktiva, die ohne ökonomische Gegenleistung erfolgen. • Überweisungen von Gastarbeitern, Entwicklungshilfe, Wiedergutmachungsleistungen, Renten und Pensionen des Staates und Beiträge an internationale Organisationen sind die wichtigsten Posten.
Bilanz der laufenden Übertragungen 2006
Geleistete Übertragungen 46
Empfangene Übertragungen 19
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• Neben den laufenden Übertragungen werden von der Bundesbank auch Vermögensübertragungen ausgewiesen. Dies ist international nicht mehr Praxis und wird hier unterlassen. • Stattdessen werden hier nur diejenigen Positionen erfasst, die in einem Zusammenhang zu laufender Produktion und Einkommenserzielung stehen. • Insofern ergibt sich, dass für alle Positionen eine analoge Buchung im Produktions-, Einkommens- oder Vermögensänderungskonto einer Volkswirtschaft erfolgt.
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• Im Folgenden sind diese Konten dargestellt. Bei den Daten des Statistischen Bundesamts ergeben sich kleine Abweichungen von den bisher aufgeführten Daten der Bundesbank.
Gesamtwirtschaftliches Produktionskonto, Deutschland 2006
Verwendung
Aufkommen
Importe
915
Abschreibungen
334
Indir. Steuern ./. Subventionen
254
Faktorentlohnung An Inländer
1549
An Ausländer
172
Privater Konsum
1349
Staatskonsum
425
(Brutto-) Investitionen410
Exporte
1040
Quelle: Stat. Bundesamt, Juli 2007, Angaben in Mrd. €, gerundet.
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Gesamtwirtschaftliches Einkommenskonto, Deutschland 2006
Verwendung Aufkommen
Transferzahlungen an das Ausland
38
Privater Konsum
1349
Staatskonsum
425
Ersparnis
200
Faktorentlohnung aus dem Inland 1549 aus dem Ausland 198Indir. Steuern ./. Subventionen 254Transferzahlungen aus dem Ausland 11
Gesamtwirtschaftliches Vermögensänderungskonto, Deutschland 2006
Verwendung Aufkommen
(Brutto-) Investitionen410
Finanzierungsüberschuss124
Ersparnis
200
Abschreibungen
334
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Darstellung als Flussdiagramm
Einkommens-konto
Auslandskonto(aus Sicht des
Inlands)
Vermögens-änderungskonto
Produktions-konto
S 200
FI1549
C1349
T254
Ib 410
Abschreibungen 334
X ́ 1040J´915
FIA172
Tr (netto)
IA
27
FAI198
Nettokapitalexporte 124
G425
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Kapitalverkehr• Transaktionen, durch die Ansprüche und Verbind-lichkeiten von Inländern gegenüber Ausländern in ihrer Höhe und (oder) Zusammensetzung geändert werden. • Eine Zunahme der Ansprüche stellt einen Kapitalexport dar (z.B. Kauf ausländischer Wertpapiere). • Eine Zunahme der Verbindlichkeiten stellt einen Kapitalimport dar.• Kapitalexporte (-importe) erscheinen auf der Sollseite (Habenseite), da sie zu Zahlungsausgängen (-eingängen) führen.
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Kapitalverkehr• Er umfasst Direktinvestitionen, Portfolioinvestitionen, Finanzderivate und den übrigen Kapitalverkehr. • Direktinvestitionen sind finanzielle Engagements von inländischen (ausländischen) Investoren an Unternehmungen im Ausland (Inland), sofern sie 10 v.H. oder mehr Anteile oder Stimmrechte unmittelbar halten. Dies beinhaltet auch Zweigniederlassungen, Betriebsstätten und Grundbesitzerwerb im Ausland (greenfield investments).
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• Portfolioinvestitionen sind finanzielle Engagements in Aktien, Anleihen, Investmentzertifikaten und Geldmarktpapieren, welche hier über Landesgrenzen hinweg erfolgen.• Finanzderivate umfassen Optionen, Terminkontrakte und Zins- und Währungsswaps.• Der übrige Kapitalverkehr beinhaltet insbesondere den Kreditverkehr, d.h. Darlehen (Buchkredite, Schuldscheindarlehen, Handelskredite), Bankguthaben sowie Noten und Münzen. Dieser Kreditverkehr wird auch nach seiner Fristigkeit gegliedert. Als kurzfristig gelten Transaktionen mit einer Laufzeit unter einem Jahr und alle Handelskredite.
18
• Netto ergeben sich aus diesen stark gerundeten Angaben Kapitalexporte i.H.v. 149 Mrd. €.• Die Angaben unterliegen starken Schwankungen. In manchen Jahren können sich Portfolio- und Direktinvestitionen auf dreistellige Milliardenbeträge belaufen.
Kapitalbilanz 2006
Kapitalexporte:Direktinv. 63Porfolioinv. 165Kredite 210
Kapitalimporte:Direktinv. 34Porfolioinv. 160Kredite 95
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• In einer älteren Darstellung für den gesamten Euroraum (Monthly Bulletin, ECB, Juli 2003) sind die starken Schwankungen der letzten Jahre abgetragen. • Was war im Jahr 2000 passiert?
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Devisenbilanz• In der Devisenbilanz werden die Veränderungen der Nettoauslandsaktiva der Deutschen Bundesbank gebucht. • Sie umfassen insbesondere den Goldbestand, Reserveposition im Internationalen Währungsfonds und die Devisenreserven in Form liquider Forderungen in Fremdwährung gegenüber Ansässigen außerhalb des Euro-Währungsgebiets.
Devisenbilanz 2006
Zunahme der Währungsreserven
Abnahme der Währungsreserven 3
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Restposten• Eine lückenlose Erfassung ist nicht möglich. • Manche Transaktionen werden nur geschätzt. • Es liegt oftmals eine zeitliche Verzögerung in der Erfassung vor. Bei den Handelskrediten können sich beispielsweise die Zahlungsziele ändern, was nicht gemessen werden kann. • Zum Ausgleich der Bilanz werden Restposten berücksichtigt
Restposten 2006
Nicht aufgliederbare Netto-Zahlungsausgänge
30
22
Zahlungsbilanz 2006
Außenhandel +144
Saldo Dienstleistungen -24
Saldo der E- und V-einkommen +23
Saldo lfd. Übertragungen -27
Saldo Direktinvestitionen -29
Saldo Portfolioinv./Finanzderiv. -5
Saldo übriger Kapitalverkehr -115
Abnahme Währungsreserven +3
Restposten +30
Saldo Leis-tungsbilanz +116
Saldo Kapitalbilanz -149
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Bewertungsproblem im Warenhandel
• Waren können auf fob-Basis (free on board) oder auf cif-Basis (cost, insurance, freight) erfasst werden.
• Der fob-Wert erfasst den Warenwert einschließlich der Aufwendungen für Transport und Versicherung bis zur Zollgrenze des exportierenden Landes.
• Der cif-Wert beinhaltet die Aufwendungen für Transport und Versicherung bis zur Zollgrenze des Inlands.
• Sollen die Waren mit ihrem Wert an der Zollgrenze des Inlands registriert werden, dann müssen die Exporte auf fob-Basis und die Importe auf cif-Basis erfasst werden.
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• Eine Erfassung der Warenausfuhren auf fob-Basis und der Wareneinfuhren auf cif-Basis ist gängige Praxis.• Hierbei werden dann allerdings beim Warenimport Bestandteile gebucht, welche eher einen Dienstleistungsimport darstellen. • Zudem wären die vom Exportland angegebenen Werte nicht identisch mit denjenigen des importierenden Landes.• Dies ließe sich vermeiden, wenn auch die Importe auf fob-Basis bewertet würden. Eine solche Darstellung wurde früher in den Statistiken der Deutschen Bundesbank angewandt, ist allerdings nicht mehr üblich.
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Saldenmechanik
Das Nettoinlandsprodukt zu Marktpreisen ergibt sich von der Verwendungsseite:
YnM= Cpr+ Cst+ In +X– J
YnM +J = Cpr+ Cst+ In +X.
Konsum, Investitionen und Exporte enthalten Importanteile:
YnM-(Cpr+ Cst+ In)= X– J.
Absorption
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Der Außenbeitrag kann nur dann positiv sein, wenn die Absorption der Inländer geringer ist als das Inlandsprodukt.
Ein negativer Außenbeitrag stellt sich dann ein, wenn die Inländer mehr Güter beanspruchen, als von ihnen selber produziert wird.
Eine Erhöhung des Außenbeitrags ist auf zwei Wegen möglich: durch eine Erhöhung des Inlandsprodukts oder eine Reduktion der Absorption.
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Leistungsbilanzsaldo und Ersparnis
Es gilt gemäß Produktionskonto:
FI+FIA+(Ti – Z) = C+In+X– J.
Werden auf beiden Seiten der oben formulierten Gleichung die netto aus dem Ausland zugeflossenen Primäreinkommen hinzugezählt (FAI-FIA=+23 Mrd €),
dann erhält man
FI+FAI+(Ti–Z) = C+In+(X’+FAI) – (J’+FIA).
Volkseinkommen
Nettonationaleinkommen zu Marktpreisen
X J
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Das durch Umformung aus dem gesamtwirtschaftlichen Produktionskonto hergeleitete Nettonationaleinkommen zu Marktpreisen lässt sich auch aus dem gesamtwirtschaftlichen Einkommenskonto ermitteln. Eine Erfassung aller eingehenden und ausgehenden Buchungen erbringt:
FI+FAI+(Ti – Z)=C + S + TrIA.
Es folgt bei Vernachlässigung von Vermögensübertragungen:
C + In + (X – J) = C + S + TrIA
S=In + (X – J – TrIA)
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• Auf der rechten Seite steht in Klammern der Leistungsbilanzsaldo. Dieser entspricht den Kapitalexporten.
• Die Gleichung bringt zum Ausdruck, dass die heimische Ersparnis entweder in heimische Investitionen fließt oder in Kapitalexporte.
• Ein positiver Leistungsbilanzsaldo setzt voraus, dass im Inland mehr gespart als investiert wird.
• Eine Verbesserung der Leistungsbilanz ist nur möglich, wenn die Ersparnis ansteigt oder die Investitionen sinken.
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• Ersparnis und Investitionen lassen sich in einen privaten und einen staatlichen Anteil zerlegen:
Spr+ Sst – Inpr
– Inst = (X – J – TrIA).
• Da gilt Sst – Inst = – BD,
folgt Spr – Inpr – BD = (X – J – TrIA)
=Saldo Kapitalbilanz.
• Dies illustriert das, was als twin-deficit bezeichnet wird: Ein erhöhtes Budgetdefizit geht bei konstantem Verhalten inländischer Haushalte und Investoren mit Kapitalimporten einher, also einem Saldo in der Leistungsbilanz. Ein Finanzierungssaldo des privaten und öffentlichen Sektors geht daher mit einem Leistungsbilanzdefizit einher.
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