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KULTURHAUPTSTADTDES FÜHRERS
Kunst und Nationalsozialismus in Linz und Öberösterreich
KULTURHAUPTSTADT DES FÜHRERSKULTURHAUPTSTADT DES FÜHRERS
KULTURHAUPTSTADT DES FÜHRERSKULTURHAUPTSTADT DES FÜHRERS
INHALTINHALT
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Vorwort 11
Linzer Torte und Hitler 15
Die Grenzen der Integrität. Überlegungen zur Situation der Künstler und Schriftsteller in totalitären Systemen 17
„Kulturhauptstadt des Führers“? Anmerkungen zu Kunst, Kultur und Nationalsozialismus in Oberösterreich und Linz 33
Wagner und Wilensky. Linz und Malvern Linz.Hitler. Erinnerungen an eine Linzer Künstlerfamilie 59
Adolf Hitlers Linz. Architektornische Visionen einer Stadt 65
Bildende Kunst in Oberdonau 79
Anmerkungen zum Verhältnis Politik und Phantastik in der Oberösterreich bezogenen Kunst der Zwischenkriegszeit 115
Fritz Fröhlich. Im Wandel 123
Wilhelm Dachauer. Pathos und Idylle 127
Hans Pollack. Auf der Suche nach dem Ideal 131
Ernst August von Mandelsloh.Maler und Landesleiter der Reichskulturkammer der bildenden Künste Oberdonau 135
Franz von Zülow.Ländliche Zurückgezogenheit als Überlebensmodell in politischen Krisenzeiten 139
Birgit Kirchmayr/Peter Assmann
Martin Heller
Anna Mitgutsch
Birgit Kirchmayr
Peter Huemer
Ingo Sarlay
Michaela Nagl
Peter Assmann
Michaela Nagl
Michaela Nagl
Michaela Nagl/Birgit Kirchmayr
Bernhard Barta
Bernhard Barta
7
Anton Lutz.Rezeption eines Erfolgsmalers im Kontinuum von Zwischenkriegs-,NS- und Nachkriegszeit 145
Robert Angerhofer.Anmerkungen zu Biographie, Werk und Rezeption 151
Herbert Ploberger.Vom neuschalichen Maler zum Kostüm- und Bühnenbildner für Film und Fernsehen 157
Literatur im Reichsgau Oberdonau 1938–1945 161
Das Wort als Tat.Grete von Uranitzky und Gertrud Fussenegger im Kontextvölkisch-nationaler und nationalsozialistischer Literatur 185
Maria Peteani.Eine Erfolgsschriftstellerin mit Publikumsverbot 197
Richard Billinger.Ambivalenzen eines Erfolgsautors 203
Arthur Fischer Colbrie.Die „stille“Karriere eines Dichters 209
Hermann Heinz Ortner.Selbstinszenierung eines Erfolgsdramatikers 215
Franz Tumler. Ein politscher Autor 219
Klänge der Macht.Musik und Theater im Reichsgau Oberdonau 223
Bernhard Barta
Gabriele spindler
Ingrid Radauer-Helm
Arnold Klaffenböck
Michaela Lehner
Renate Plöchl
Arnold Klaffenböck
Arnold Klaffenböck
Julia Danielczyk
Barbara Haiß
Regina Thumser
VORWORTVORWORT
VORWORTVORWORT
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Auch Ausstellungs und Forschungsprojekte haben eine Geschichte. Die Geschichte des Projekts „Kulturhauptstadt des Führers“ - Kunst und Nationalsozialismus in Linz und Oberösterreich reicht weit zurück. Ausgangspunkte ließen sich mehrere festlegen: Das Jahr 1999, in dem das Ober-österreichische Landesmuseum den Prozess der Proveni-enz bzw. Raubkunstforschung und damit der intensiven Auseinandersetzung mit der eigenen NS Geschichte einleitete, wäre ein denkbares Datum. Vielleicht ist der Anfang aber auch in die 1950er Jahre zu legen, als das Landesmuseum ein Depot von 17 Bil dern übernahm, bei denen es sich um Restbestände des „Linzer Führermu-seums“ handelte. Oder vielleicht sollte man noch weiter zurückgehen, in das Jahr 1938, als das Landesmuseum erste von der Gestapo beschlagnahmte Objekte in seine Bestände übernahm und die oberösterreichischen Künst-ler der Reichskulturkammer beitreten mussten und in ihrem künstlerischem Schaffen rigiden Einschränkungen gegen überstanden.Viele Jahrzehnte waren diese Themen in der öffentlichen Wahrnehmung und Diskus sion ausge-spart worden. Zu eng an biographischen Verschlungenhei-ten, zu peinlich, zu schmerzhaft, zu schwierig – die NS-Zeit und die eigene Verflechtung darin ist sowohl in der Geschichte kultureller Institutionen als auch in offiziellen Künstlerbio graphien nur selten zu finden. Im Bereich der Kunst und Kultur fungiert als recht praktisches Argu-ment dafür das Bild des „unpolitischen“ Künstlers. Weil angeblich nur den hehren Idealen der Kunst verpflichtet, erscheinen in Künstlerbiographien politische Verstrickun-gen nachrangig wenn nicht gar obsolet. Viele Fälle zeigen uns aber das Gegenteil. Erst vor wenigen Jahren wurde beispielsweise im oberösterreichi schen Lambach eine hitzige Diskussion um die Benennung einer Straße nach der Künstlerin Margarete Pausinger geführt. Ein von ihr, dem überzeugten NSDAP Mit glied, denunzierter Mitbürger, wurde zum Opfer des NS Regimes. Unpolitisch? Der Autor
Franz Karl Ginzkey, bekannt als Schöpfer des Kinderbuchs „Hatschi Bratschis Luftballon“, war ebenfalls Parteiange-höriger und Mitglied des „Bundes deutscher Schriftstel-ler“, der sich für ein „arisches“ Schrifttum einsetzte. Als die Gemeinde See walchen in den späten 1980er Jahren eine Schule nach ihm benennen wollte, erhob sich eine antifaschistische Gegenbewegung. Unpolitisch? Was all diesen Diskussionen gemein ist, ist die starke Emotiona-lität, in der sie geführt werden. Schwarz/Weiß, Gut/Böse, Dafür/Dagegen sind die Pole, zwischen denen es offenbar keine Zwischenräume gibt. Mehr als 60 Jahre nach dem Geschehen erscheint eine von Sachargumenten dominier-te Diskussion immer noch schwer möglich.Genau dazu aber möchte das nun stattfindende Ausstellungsprojekt und der dazu vor gelegte wissenschaftliche Begleitband einen Beitrag leisten. Im Mittelpunkt stehen genau jene Fragen, die so lange nicht thematisiert wurden. Die Frage, die das Projekt von Anfang an wie ein roter Faden durch-zog, war jene nach Kontinuitäten und Brüchen rund um die Jahre 1938 und 1945. Was bedeuteten diese politische Zäsuren im Leben von Künstlern und Künstlerinnen? Inwiefern änderte sich ein Werk oder musste sich ändern?
Welche Handlungsspielräume waren innerhalb der vorgegeben rigiden Strukturen überhaupt noch möglich und inwiefern wurden sie genutzt? Wie die Fragestellung schon zeigt, geht es dabei nicht um Schwarz/Weiß-Malerei, nicht um die Schubladisierung von Künstlern als „Nazi Künstler“ oder „Nazi Opfer“. Zweifels frei gab es klar zu bezeichnende Mittäter, Mitläufer und Opfer. Aber dazwischen gab es viel Changierungen, die möglichst dif-ferenziert herausgearbeitet werden sollten.Im einleiten-den Essay zu diesem Katalog stellt die Autorin Anna Mit-gutsch die Frage: „Steht uns Nachgeborenen überhaupt ein Urteil zu?“ Alle Katalogautoren und auto rinnen sind „Nachgeborene“ und somit mit dieser Frage konfrontiert. Vielleicht geht es aber gar nicht so sehr um das Fällen ei-nes Urteils. Die Nachgeborenengeneration kann zweifellos nicht nachempfinden, was und wie es gewesen ist. Schon gar nicht im Fall von Zuständen,
Birgit KirchmayrPeter Assmann
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Auch Ausstellungs und Forschungsprojekte haben eine Geschichte. Die Geschichte des Projekts „Kulturhaupt-stadt des Führers“ - Kunst und Nationalsozialismus in Linz und Oberösterreich reicht weit zurück. Ausgangs-punkte ließen sich mehrere festlegen: Das Jahr 1999, in dem das Oberösterreichische Landesmuseum den Prozess der Proveni enz bzw. Raubkunstforschung und damit der intensiven Auseinandersetzung mit der eigenen NS-Geschichte einleitete, wäre ein denkbares Datum.
Vielleicht ist der Anfang aber auch in die 1950er Jahre zu legen, als das Landesmuseum ein Depot von 17 Bil-dern übernahm, bei denen es sich um Restbestände des „Linzer Führermuseums“ handelte. Oder vielleicht sollte man noch weiter zurückgehen, in das Jahr 1938, als das Landesmuseum erste von der Gestapo beschlagnahmte Objekte in seine Bestände übernahm und die oberöster-reichischen Künstler der Reichskulturkammer beitreten mussten und in ihrem künstlerischem Schaffen rigiden Einschränkungen gegen überstanden.Viele Jahrzehnte waren diese Themen in der öffentlichen Wahrnehmung und Diskus sion ausgespart worden. Zu eng an biographi-schen Verschlungenheiten, zu peinlich, zu schmerzhaft, zu schwierig – die NS Zeit und die eigene Verflechtung darin ist sowohl in der Geschichte kultureller Institutio-nen als auch in offiziellen Künstlerbio graphien nur selten zu finden. Im Bereich der Kunst und Kultur fungiert als recht praktisches Argument dafür das Bild des „unpoliti-schen“ Künstlers. Weil angeblich nur den hehren Idealen der Kunst verpflichtet, erscheinen in Künstlerbiographien politische Verstrickungen nachrangig wenn nicht gar obsolet. Viele Fälle zeigen uns aber das Gegenteil.
Erst vor wenigen Jahren wurde beispielsweise im oberösterreichi schen Lambach eine hitzige Diskussion um die Benennung einer Straße nach der Künstlerin Margarete Pausinger geführt. Ein von ihr, dem überzeug-ten NSDAP Mit glied, denunzierter Mitbürger, wurde zum Opfer des NS Regimes. Unpolitisch? Der Autor Franz Karl Ginzkey, bekannt als Schöpfer des Kinderbuchs „Hatschi
Bratschis Luftballon“, war ebenfalls Parteiangehöriger und Mitglied des „Bundes deutscher Schriftsteller“, der sich für ein „arisches“ Schrifttum einsetzte. Als die Gemeinde See walchen in den späten 1980er Jahren eine Schule nach ihm benennen wollte, erhob sich eine antifa-schistische Gegenbewegung. Unpolitisch? Was all diesen Diskussionen gemein ist, ist die starke Emotionalität, in der sie geführt werden. Schwarz/Weiß, Gut/Böse, Dafür/Dagegen sind die Pole, zwischen denen es offenbar keine Zwischenräume gibt. Mehr als 60 Jahre nach dem Ge-schehen erscheint eine von Sachargumenten dominierte Diskussion immer noch schwer möglich.Genau dazu aber möchte das nun stattfindende Ausstellungsprojekt und der dazu vor gelegte wissenschaftliche Begleitband einen Beitrag leisten. Im Mittelpunkt stehen genau jene Fragen, die so lange nicht thematisiert wurden. Die Frage, die das Projekt von Anfang an wie ein roter Faden durchzog, war jene nach Kontinuitäten und Brüchen rund um die Jahre 1938 und 1945. Was bedeuteten diese politische Zäsuren im Leben von Künstlern und Künstlerinnen?
Inwiefern änderte sich ein Werk oder musste sich än-dern? Welche Handlungsspielräume waren innerhalb der vorgegeben rigiden Strukturen überhaupt noch möglich und inwiefern wurden sie genutzt? Wie die Fragestellung schon zeigt, geht es dabei nicht um Schwarz/Weiß-Malerei, nicht um die Schubladisierung von Künstlern als „Nazi Künstler“ oder „Nazi Opfer“. Zweifels frei gab es klar zu bezeichnende Mittäter, Mitläufer und Opfer. Aber dazwischen gab es viel Changierungen, die möglichst differenziert herausgearbeitet werden sollten.Im einlei-tenden Essay zu diesem Katalog stellt die Autorin Anna Mitgutsch die Frage: „Steht uns Nachgeborenen über-haupt ein Urteil zu?“ Alle Katalogautoren und auto rinnen sind „Nachgeborene“ und somit mit dieser Frage konfron-tiert. Vielleicht geht es aber gar nicht so sehr um das Fällen eines Urteils. Die Nachgeborenengeneration kann zweifellos nicht nachempfinden, was und wie es gewesen ist. Schon gar nicht im Fall von Zuständen, die sich jeg-lichen menschlichen Nachfühlungsvermögens ent ziehen,
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im Fall von Schicksalen, die von nationalsozialistischer Verfolgung und Repression geprägt waren. Dieser Band – und mit ihm die dazugehörige Ausstellung – wollen vorwiegend informieren und eine fachliche Grundlage zu einer offenen Aus einandersetzung bieten. Auf Basis wissenschaftlicher Recherchen, in der interdiszipli nären Zusammenarbeit von Zeitgeschichte, Kunstgeschichte, Musikwissenschaft und Literaturwissenschaft, wird ein breites Bild eines kulturellen Geschehens und seiner Rahmenbedingungen gezeichnet, auf dessen Basis es der Leserin und dem Leser selbst ansteht, sich ein Bild oder ein Urteil zu bilden. Anna Mitgutsch leitet den Bogen der Beiträge mit ihren Betrachtungen zur Integrität des Künstlers in diktatorischen Regimen ein. Aus der eigenen Position als Schriftstel lerin reflektiert sie das Thema; ausgehend von Schriftstellerbiographien des „Dritten Reichs“ aber auch der stalinistischen Diktatur. Birgit Kirchmayr entwirft in ihrem persönlicher Erinnerungen: Erinnerungen an die Linzer Tänzerin Edith Wilensky, die 1938 gemeinsam mit ihrer Mutter Anna als Jüdin aus Linz vertrieben wurde. Ein ver lorenes Stück Linzer Kulturge-schichte, der Erinnerung bis heute entzogen.
Ingo Sarlay wiederum illustriert in seinem Beitrag die oft zitierten, meist aber in nebulösen Vor stellungen ver-bleibenden, architektonischen NS Planungen für Linz. Die Kunsthistorikerin Michaela Nagl eröffnet mit ihrem Bei-trag zur bildenden Kunst den Katalogteil, in dem einzelne Kunstsparten, ihre Vertreter und deren Werk im Kunst“. Wie die oberösterreichischen Malerinnen und Maler dem Diktum der Zeit entsprochen oder nicht entsprochen haben, zeigt sich in ihren Ausführungen und den ausge-wählten Bildbeispielen. Anhand einzelner Künstlerbiogra-phien, jenen von Fritz Fröhlich, Wilhelm Dachauer, Hans Pollack, Ernst August von Mandelsloh, Franz von Zülow, Anton Lutz, Robert Angerhofer und Herbert Ploberger, bearbeitet von Michaela Nagl, Birgit Kirchmayr, Bernhard Barta, Gabriele Spindler und Ingrid Radauer Helm, werden diese Fragen vertieft. Einen anderen Zugang wählte Peter Assmann in seinen Anmerkungen zum Verhältnis von
Politik und Phantastik in der oberösterreichischen Kunst der Zwischenkriegszeit. Die Faszination von „Führerfigu-ren“ im verschlunge nen Werk der Phantasten wie Alfred Kubin oder Franz Sedlacek eröffnet eine eigene Dimen-sion in dieser Frage.Neben der bildenden Kunst nimmt die Literatur im vorliegenden Ausstellungskatalog eine zentrale Rolle ein. Der Germanist Arnold Klaffenböck vermittelt in seinem Bei trag zur Literatur im Reichsgau Oberdonau ein Bild des kulturpolitischen Hinter grunds, vor dem sich die oberösterreichischen Autoren in den NS-Jahren zu bewegen hatten.
Michaela Lehner fokussiert auf die völkisch nationale Literatur, dargestellt an zwei mit Oberösterreich ver-bundenen, wenn auch nicht in der NS Zeit hier tätigen Autorinnen, Grete von Urbanitzky und Gertrud Fus-senegger. In Einzeldarstellungen werden die teils sehr ambivalenten Biographien der erfolgreichen NS Autoren Richard Billinger, Heinz Hermann Ortner und Franz Tum-ler, jene des „stillen“ Dichters Arthur Fischer Colbrie und der verbotenen Erfolgsautorin Maria Peteani von Arnold Klaffen böck, Julia Danielczyk, Barbara Hoiß und Renate Plöchl dargestellt. Die Historikerin Regina Thumser beleuchtet das kulturpolitische Feld der Musik und des Theaters in der NS Zeit in Oberösterreich. Mit zahlreichen Mythen versehene Erzähltraditionen rund um dieses Themenfeld (Stichworte Reichs Bruckner Orchester, Hitler und das Linzer Landestheater) werden einer kritisch-wissenschaftlichen Bearbei tung zugeführt. Die tragische Absurdität nationalsozialistischer Kulturpolitik spiegelt sich in der im Beitrag „Land des Lächelns“ thematisier-ten Aufführung von Hitlers Lieblingsoperette von Franz Lehar in Linz wider: Während mit pompösen Führeraus-stattungen in Linz die Operette regierte, wurde ihr Librettist, Fritz Beda Löhner, im nationalsozialistischen Vernichtungslager ermordet. Regina Thumser skizziert weiters die Biographien oberösterreichischer Musiker und deren Verstrickung im NS System, am Beispiel Franz Schnopfhagens, Adolf Trittingers und Franz Kinzls, sowie aus dem Bereich des Theaters anhand der Biographien
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Auch Ausstellungs und Forschungsprojekte haben eine Geschichte. Die Geschichte des Projekts „Kulturhauptstadt des Führers“ - Kunst und Nationalsozialismus in Linz und Oberösterreich reicht weit zurück. Ausgangspunkte ließen sich mehrere festlegen: Das Jahr 1999, in dem das Oberösterreichische Landesmuseum den Prozess der Proveni enz bzw. Raubkunstforschung und damit der intensiven Auseinandersetzung mit der eigenen NS Geschichte einleitete, wäre ein denkbares Datum. Vielleicht ist der Anfang aber auch in die 1950er Jahre zu legen, als das Landesmuseum ein Depot von 17 Bil dern übernahm, bei denen es sich um Restbestände des „Linzer Führermuseums“ handelte.
Oder vielleicht sollte man noch weiter zurückgehen, in das Jahr 1938, als das Landesmuseum erste von der Gestapo beschlagnahmte Objekte in seine Bestände übernahm und die oberösterreichischen Künstler der Reichskulturkammer beitreten mussten und in ihrem künstlerischem Schaffen rigiden Einschränkungen gegen überstanden.Viele Jahrzehnte waren diese Themen in der öffentlichen Wahrnehmung und Diskus sion ausgespart worden. Zu eng an biographischen Verschlungenheiten, zu peinlich, zu schmerzhaft, zu schwierig – die NS Zeit und die eigene Ver-flechtung darin ist sowohl in der Geschichte kultureller Institutionen als auch in offiziellen Künstlerbio graphien nur selten zu finden. Im Bereich der Kunst und Kultur fungiert als recht praktisches Argument dafür das Bild des „unpolitischen“ Künstlers. Weil angeblich nur den hehren Ide-alen der Kunst verpflichtet, erscheinen in Künstlerbiographien politische Verstrickungen nachrangig wenn nicht gar obsolet. Viele Fälle zeigen uns aber das Gegenteil. Erst vor wenigen Jahren wurde beispielsweise im oberösterreichi schen Lambach eine hitzige Diskussion um die Benennung einer Straße nach der Künstlerin Margarete Pausinger geführt. Ein von ihr, dem überzeugten NSDAP Mit glied, denunzierter Mitbürger, wurde zum Opfer des NS Regimes. Unpolitisch? Der Autor Franz Karl Ginzkey, bekannt als Schöpfer des Kinderbuchs „Hatschi Bratschis Luftballon“, war eben-falls Parteiangehöriger und Mitglied des „Bundes deutscher Schriftstel-
ler“, der sich für ein „arisches“ Schrifttum einsetzte. Als die Gemeinde See walchen in den späten 1980er Jahren eine Schule nach ihm benennen wollte, erhob sich eine antifaschistische Gegenbewegung. Unpolitisch? Was all diesen Diskussionen gemein ist, ist die starke Emotionalität, in der sie geführt werden. Schwarz/Weiß, Gut/Böse, Dafür/Dagegen sind die Pole, zwischen denen es offenbar keine Zwischenräume gibt.1 Mehr als 60 Jahre nach dem Geschehen erscheint eine von Sachargumenten dominierte Diskussion immer noch schwer möglich.Genau dazu aber möchte das nun stattfindende Aus-stellungsprojekt und der dazu vor gelegte wissenschaftliche Begleitband einen Beitrag leisten. Im Mittelpunkt stehen genau jene Fragen, die so lange nicht thematisiert wurden. Die Frage, die das Projekt von Anfang an wie ein roter Faden durchzog, war jene nach Kontinuitäten und Brüchen rund um die Jahre 1938 und 1945. Was bedeuteten diese politische
Martin Heller
1 Lebrecht, Norman: „How do you solve a problem like the Fuhrer?“ In: Evening Standard London, 28. 05. 2008, http://www. scena.org/columns/lebrecht/080528-NL-Fuhrer.html.
Aber steht uns Nachgeborenen überhaupt ein Urteil zu?
Zäsuren im Leben von Künstlern und Künstlerinnen? Inwiefern änderte sich ein Werk oder musste sich ändern? Welche Handlungsspielräume waren innerhalb der vorgegeben rigiden Strukturen überhaupt noch möglich und inwiefern wurden sie genutzt? Wie die Fragestellung schon zeigt, geht es dabei nicht um Schwarz/
LINZER TORTE UND HITLER
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2 Sahl, Hans: Memoiren eines Moralisten. Das Exil im Exil,
München 2008, 235.
3 Arendt, Hannah: Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft,
München 1986, 561.
Strukturen überhaupt noch möglich und inwiefern wurden sie genutzt? Wie die Fragestellung schon zeigt, geht es dabei nicht um Schwarz/Weiß Malerei, nicht um die Schubladisierung2 von Künstlern als „Nazi Künstler“oder „Nazi Opfer“. Zweifels-frei gab es klar zu bezeichnende Mittäter, Mitläufer und Opfer. Aber dazwischen gab es viel Changierungen3, die mög-lichst differenziert herausgearbeitet werden sollten.Im einleitenden Essay zu diesem Katalog stellt die Autorin Anna Mitgutsch die Frage: „Steht uns Nachge-borenen überhaupt ein Urteil zu?“ Alle Katalogautoren und auto rinnen sind „Nachgeborene“ und somit mit dieser Frage konfrontiert. Vielleicht geht es aber gar nicht so sehr um das Fällen eines Urteils. Die Nachgeborenengeneration kann zweifellos nicht nachempfinden, was und wie es gewesen ist. Schon gar nicht im Fall von Zuständen, die sich jeglichen
Musikwissenschaft und Literaturwissenschaft, wird ein breites Bild eines kulturellen Geschehens und seiner Rahmenbedingungen gezeichnet, auf dessen Basis es der Leserin und dem Leser selbst ansteht, sich ein Bild oder ein Urteil zu bilden. Anna Mitgutsch leitet den Bogen der Beiträge mit ihren Betrachtungen zur Integrität des Künstlers in diktatorischen Regimen ein. Aus der eigenen Position als Schriftstel lerin reflektiert sie das Thema; ausgehend von Schriftstellerbiographien des „Dritten Reichs“ aber auch der stalinistischen Diktatur. Birgit Kirchmayr entwirft in ihrem persönlicher Erinnerungen: Erinnerungen an die Linzer Tänzerin Edith Wilensky, die 1938 gemeinsam mit ihrer Mutter Anna als Jüdin aus Linz vertrieben wurde.
Ein ver lorenes Stück Linzer Kulturgeschichte, der Erinnerung bis heute entzogen. Ingo Sarlay wiederum illustriert in seinem Beitrag die oft zitierten, meist aber in nebulösen Vor stellungen verbleibenden, archi-tektonischen NS Planungen für Linz. Die Kunsthistorikerin Michaela Nagl eröffnet mit ihrem Beitrag zur bildenden Kunst den Katalogteil, in dem einzelne Kunstsparten, ihre Vertreter und deren Werk im Kunst“. Wie die oberösterreichischen Malerinnen und Maler dem Diktum der Zeit entspro-chen oder nicht entsprochen haben, zeigt sich in ihren Ausführungen und den ausgewählten Bildbeispielen. Anhand einzelner Künstlerbiogra-phien, jenen von Fritz Fröhlich, Wilhelm Dachauer, Hans Pollack, Ernst August von Mandelsloh, Franz von Zülow, Anton Lutz, Robert Angerhofer und Herbert Ploberger, bearbeitet von Michaela Nagl, Birgit Kirchmayr, Bernhard Barta, Gabriele Spindler und Ingrid Radauer Helm, werden diese Fragen vertieft. Einen anderen Zugang wählte Peter Assmann in seinen Anmerkungen zum Verhältnis von Politik und Phantastik in der oberösterreichischen Kunst der Zwischenkriegszeit. Die Faszination von „Führerfiguren“ im verschlunge nen Werk der Phantasten wie Alfred Ku-bin oder Franz Sedlacek eröffnet eine eigene Dimension in dieser Frage.Neben der bildenden Kunst nimmt die Literatur im vorliegenden Ausstel-lungskatalog eine zentrale Rolle ein. Der Germanist Arnold Klaffenböck vermittelt in seinem Bei trag zur Literatur im Reichsgau Oberdonau ein Bild des kulturpolitischen Hinter grunds, vor dem sich die oberösterrei-chischen Autoren in den NS Jahren zu bewegen hatten. Michaela Lehner fokussiert auf die völkisch nationale Literatur, dargestellt an zwei mit Oberösterreich verbundenen, wenn auch nicht in der NS Zeit hier tätigen Autorinnen, Grete von Urbanitzky und Gertrud Fussenegger. In Ein-zeldarstellungen werden die teils sehr ambivalenten Biographien der
Immer wieder taucht in den Briefen und Selbstzeugnissen von Künstlern, die sich mit dem Nationalsozialismus arrangierten, die Erklärung auf, nur für die Kunst gelebt zu haben und an der Politik nicht interessiert gewesen zu sein.
menschlichen Nachfühlungsvermögens ent ziehen, im Fall von Schicksalen, die von nationalsozialistischer Verfolgung und Repression geprägt waren. Dieser Band – und mit ihm die dazugehörige Ausstellung – wollen vorwiegend infor-mieren und eine fachliche Grundlage zu einer offenen Aus einandersetzung bieten. Auf Basis wissenschaftlicher Recherchen, in der interdiszipli nären Zusammenarbeit von Zeitgeschichte, Kunstgeschichte,
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Auch Ausstellungs und Forschungsprojekte haben eine Geschichte. Die Geschichte des Projekts „Kulturhauptstadt des Führers“ - Kunst und Nationalsozialismus in Linz und Oberösterreich reicht weit zurück. Ausgangspunkte ließen sich mehrere festlegen: Das Jahr 1999, in dem das Oberösterreichische Landesmuseum den Prozess der Proveni enz bzw. Raubkunstforschung und damit der intensiven Auseinandersetzung mit der eigenen NS Geschichte einleitete, wäre ein denkbares Datum. Vielleicht ist der Anfang aber auch in die 1950er Jahre zu legen, als das Landesmuseum ein Depot von 17 Bil dern übernahm, bei denen es sich um Restbestände des „Linzer Führermuseums“ handelte. Oder vielleicht sollte man noch weiter zurückgehen, in das Jahr 1938, als das Landesmuseum erste von der Gestapo beschlagnahmte Objekte in seine Bestände übernahm und die oberösterreichischen Künstler der Reichs-kulturkammer beitreten mussten und in ihrem künstlerischem Schaffen rigiden Einschränkungen gegen überstanden.Viele Jahrzehnte waren diese Themen in der öffentlichen Wahrnehmung und Diskus sion ausgespart worden. Zu eng an biographischen Verschlungenheiten, zu peinlich, zu schmerzhaft, zu schwierig – die NS Zeit und die eigene Verflechtung darin ist sowohl in der Geschichte kultureller Institutionen als auch in offiziel-len Künstlerbio graphien nur selten zu finden.
Im Bereich der Kunst und Kultur fungiert als recht praktisches Argument dafür das Bild des „unpolitischen“ Künstlers. Weil angeblich nur den hehren Idealen der Kunst verpflichtet, erscheinen in Künstlerbiographi-en politische Verstrickungen nachrangig wenn nicht gar obsolet. Viele Fälle zeigen uns aber das Gegenteil. Erst vor wenigen Jahren wurde beispielsweise im oberösterreichi schen Lambach eine hitzige Diskussion um die Benennung einer Straße nach der Künstlerin Margarete Pausin-ger geführt. Ein von ihr, dem überzeugten NSDAP Mit glied, denunzierter Mitbürger, wurde zum Opfer des NS Regimes. Unpolitisch? Der Autor Franz
Karl Ginzkey, bekannt als Schöpfer des Kinderbuchs „Hatschi Bratschis Luftbal-lon“, war ebenfalls Parteiangehöriger und Mitglied des „Bundes deutscher Schriftsteller“, der sich für ein „arisches“ Schrifttum einsetzte. Als die Gemeinde See walchen in den späten 1980er Jahren eine Schule nach ihm benennen wollte, erhob sich eine antifaschistische Gegen-bewegung. Unpolitisch? Was all diesen Diskussionen gemein ist, ist die starke Emotionalität, in der sie geführt werden.
Anna Mitgutsch
ÜBERLEGUNGEN ZUR SITUATION DER KÜNSTLER UND SCHRIFTSTELLER IN TOTALITÄREN SYSTEMEN
1 Zuckmayer, Geheimreport, 164. Hg von Nickel, Gunther/Schrön, Johanna, Göttingen 2002
„Innere Emigration“ ist ein nachgereichter Begriff, eine literarische Entnazifizierung.
Schwarz/Weiß, Gut/Böse, Dafür/Dagegen sind die Pole, zwischen denen es offenbar keine Zwischenräume gibt. Mehr als 60 Jahre nach dem Geschehen erscheint eine von Sachargumenten dominierte Diskussion immer noch schwer möglich.Genau dazu aber möchte das nun stattfin-dende Ausstellungsprojekt und der dazu vor gelegte wissenschaftliche Begleitband einen Beitrag leisten. Im Mittelpunkt ste-hen genau jene Fragen, die so lange nicht thematisiert wurden. Die Frage, die das Projekt von Anfang an wie ein roter Faden durchzog, war jene nach Kontinuitäten und Brüchen rund um die Jahre 1938 und 1945. Was bedeuteten diese politische Zäsuren im Leben von Künstlern und Künstlerinnen? Inwiefern änderte sich ein Werk oder musste sich ändern? Welche
DIE GRENZEN DER INTEGRITÄT
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2 Zuckmayer, Geheimreport, 164.
Handlungsspielräume waren innerhalb der vorgegeben rigiden Strukturen überhaupt noch möglich und inwiefern wurden sie genutzt? Wie die Fragestellung schon zeigt, geht es dabei nicht um Schwarz/Weiß Malerei, nicht um die Schubladisie-rung von Künstlern als „Nazi Künstler“ oder „Nazi Opfer“. Zweifels frei gab es klar zu bezeichnende Mittäter, Mitläufer und Opfer. Aber dazwischen gab es viel Chan-gierungen, die möglichst differenziert herausgearbeitet werden sollten.Im einlei-tenden Essay zu diesem Katalog stellt die Autorin Anna Mitgutsch die Frage: „Steht uns Nachgeborenen überhaupt ein Urteil zu?“ Alle Katalogautoren und auto rinnen sind „Nachgeborene“ und somit mit dieser Frage konfrontiert. Vielleicht geht es aber gar nicht so sehr um das Fällen eines Urteils. Die Nachgeborenengeneration kann zweifellos nicht nachempfinden, was und wie es gewesen ist. Schon gar nicht im Fall von Zuständen, die sich jeglichen menschlichen Nachfühlungsvermögens ent ziehen, im Fall von Schicksalen, die von nationalsozialistischer Verfolgung und Repression geprägt waren. Dieser Band – und mit ihm die dazugehörige Ausstellung – wollen vorwiegend informieren und eine fachliche Grundlage zu einer offenen Aus einandersetzung bieten. Auf Basis wissenschaftlicher Recherchen, in der interdiszipli nären Zusammenarbeit von Zeitgeschichte2, Kunstgeschichte, Musik-wissenschaft und Literaturwissenschaft, wird ein breites Bild eines kulturellen Geschehens und seiner Rahmenbedingun-gen gezeichnet, auf dessen Basis es der Leserin und dem Leser selbst ansteht, sich
ein Bild oder ein Urteil zu bilden. Anna Mitgutsch leitet den Bogen der Beiträge mit ihren Betrachtungen zur Integrität des Künstlers in diktato-rischen Regimen ein. Aus der eigenen Position als Schriftstel lerin reflek-tiert sie das Thema; ausgehend von Schriftstellerbiographien des „Dritten Reichs“ aber auch der stalinistischen Diktatur. Birgit Kirchmayr entwirft in ihrem persönlicher Erinnerungen: Erinnerungen an die Linzer Tänze-rin Edith Wilensky, die 1938 gemeinsam mit ihrer Mutter Anna als Jüdin aus Linz vertrieben wurde. Ein ver lorenes Stück Linzer Kulturgeschichte, der Erinnerung bis heute entzogen. Ingo Sarlay wiederum illustriert in seinem Beitrag die oft zitierten, meist aber in nebulösen Vor stellungen verbleibenden, architektonischen NS Planungen für Linz. Die Kunsthis-torikerin Michaela Nagl eröffnet mit ihrem Beitrag zur bildenden Kunst den Katalogteil, in dem einzelne Kunstsparten, ihre Vertreter und deren Werk im Kunst“. Wie die oberösterreichischen Malerinnen und Maler dem Diktum der Zeit entsprochen oder nicht entsprochen haben, zeigt sich in ihren Ausführungen und den ausgewählten Bildbeispielen.
Anhand einzelner Künstlerbiographien, jenen von Fritz Fröhlich, Wilhelm Dachauer, Hans Pollack, Ernst August von Mandelsloh, Franz von Zülow, Anton Lutz, Robert Angerhofer und Herbert Ploberger, bearbeitet von Michaela Nagl, Birgit Kirchmayr, Bernhard Barta, Gabriele Spindler und Ingrid Radauer Helm, werden diese Fragen vertieft. Einen anderen Zugang wählte Peter Assmann in seinen Anmerkungen zum Verhält-nis von Politik und Phantastik in der oberösterreichischen Kunst der Zwischenkriegszeit. Die Faszination von „Führerfiguren“ im verschlunge-nen Werk der Phantasten wie Alfred Kubin oder Franz Sedlacek eröffnet eine eigene Dimension in dieser Frage.Neben der bildenden Kunst nimmt die Literatur im vorliegenden Ausstellungskatalog eine zentrale Rolle ein. Der Germanist Arnold Klaffenböck vermittelt in seinem Bei trag zur Literatur im Reichsgau Oberdonau ein Bild des kulturpolitischen Hinter-grunds, vor dem sich die oberösterreichischen Autoren in den NS Jahren zu bewegen hatten. Michaela Lehner fokussiert auf die völkisch nationale Literatur, dargestellt an zwei mit Oberösterreich verbundenen, wenn auch nicht in der NS Zeit hier tätigen Autorinnen, Grete von Urbanitzky und Gertrud Fussenegger. In Einzeldarstellungen werden die teils sehr ambivalenten Biographien der erfolgreichen NS Autoren Richard Billinger, Heinz Hermann Ortner und Franz Tumler, jene des „stillen“ Dichters Ar-thur Fischer Colbrie und der verbotenen Erfolgsautorin Maria Peteani von Arnold Klaffen böck, Julia Danielczyk, Barbara Hoiß und Renate Plöchl
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Auch Ausstellungs und Forschungsprojekte haben eine Geschichte. Die Geschichte des Projekts „Kulturhauptstadt des Führers“ - Kunst und Nationalsozialismus in Linz und Oberösterreich reicht weit zurück. Ausgangspunkte ließen sich mehrere festlegen: Das Jahr 1999, in dem das Oberösterreichische Landesmuseum den Prozess der Proveni enz bzw. Raubkunstforschung und damit der intensiven Auseinandersetzung mit der eigenen NS Geschichte einleitete, wäre ein denkbares Datum. Vielleicht ist der Anfang aber auch in die 1950er Jahre zu legen, als das Landesmuseum ein Depot von 17 Bil dern übernahm, bei denen es sich um Restbestände des „Linzer Führermuseums“ handelte. Oder vielleicht sollte man noch weiter zurückgehen, in das Jahr 1938, als das Landesmuseum erste von der Gestapo beschlagnahmte Objekte in seine Bestände übernahm und die oberösterreichischen Künstler der Reichs-kulturkammer beitreten mussten und in ihrem künstlerischem Schaffen rigiden Einschränkungen gegen überstanden.Viele Jahrzehnte waren diese Themen in der öffentlichen Wahrnehmung und Diskus sion ausgespart worden. Zu eng an biographischen Verschlungenheiten, zu peinlich, zu schmerzhaft, zu schwierig – die NS Zeit und die eigene Verflechtung darin ist sowohl in der Geschichte kultureller Institutionen als auch in offiziel-len Künstlerbio graphien nur selten zu finden.
Im Bereich der Kunst und Kultur fungiert als recht praktisches Argument dafür das Bild des „unpolitischen“ Künstlers. Weil angeblich nur den hehren Idealen der Kunst verpflichtet, erscheinen in Künstlerbiographien politische Verstrickungen nachrangig wenn nicht gar obsolet. Viele Fälle zeigen uns aber das Gegenteil. Erst vor wenigen Jahren wurde beispiels-weise im oberösterreichi schen Lambach eine hitzige Diskussion um die Benennung einer Straße nach der Künstlerin Margarete Pausinger geführt. Ein von ihr, dem überzeugten NSDAP Mit glied, denunzierter Mitbürger, wurde zum Opfer des NS Regimes. Unpolitisch? Der Autor Franz Karl Ginzkey, bekannt als Schöpfer des Kinderbuchs „Hatschi Bratschis Luftballon“, war ebenfalls Parteiangehöriger und Mitglied des „Bundes
deutscher Schriftsteller“, der sich für ein „arisches“ Schrifttum einsetzte. Als die Gemeinde See walchen in den späten 1980er Jahren eine Schule nach ihm benennen wollte, erhob sich eine antifaschistische Gegenbewegung. Unpolitisch? Was all diesen Diskussionen gemein ist, ist die starke Emotionalität, in der sie geführt werden. Schwarz/Weiß, Gut/Böse, Dafür/Dagegen sind die Pole, zwischen denen es offenbar keine
Birgit Kirchmayr
„KULTURHAUPTSTADT DES FÜHRERS?“
Abb. 1: Ausstellungskatalog „Entartete Kunst“, 1937
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Abb. 2: Die Linzer Nibelungen-brücke, um 1943
Zwischenräume gibt. Mehr als 60 Jahre nach dem Geschehen erscheint eine von Sachargumenten dominierte Diskussion immer noch schwer möglich.Genau dazu aber möchte das nun stattfindende Ausstellungsprojekt und der dazu vor gelegte wissenschaftliche Begleitband einen Beitrag leisten. Im Mittelpunkt stehen genau jene Fragen, die so lange nicht thematisiert wurden. Die Frage, die
das Projekt von Anfang an wie ein roter Faden durchzog, war jene nach Kontinuitäten und Brüchen rund um die Jahre 1938 und 1945. Was bedeuteten diese politische Zäsuren im Leben von Künstlern und Künstlerinnen? Inwiefern änderte sich ein Werk oder musste sich ändern? Welche Handlungsspielräume waren innerhalb der vorgegeben rigiden Strukturen überhaupt noch möglich und inwiefern wurden sie genutzt? Wie die Fragestellung schon zeigt, geht es dabei nicht um Schwarz/Weiß Malerei, nicht um die Schubladisierung von Künstlern als „Nazi-Künstler“ oder „Nazi Opfer“. Zweifels frei gab es klar zu bezeichnende Mittäter, Mitläufer und Opfer. Aber dazwischen gab es viel Changierun-
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Abb. 3: Teppich „Oberdonau – Des Führers Heimatgau“, Entwurf Karl Sellner, 1940
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