megatrends und nachhaltige entwicklung im tourismus - ein
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Christian Baumgartner*, Helga Mayr**
Megatrends und nachhaltige Entwicklung im Tourismus -
ein Unterrichtsbeispiel
* christian.baumgartner@htwchur.ch, HTW Chur
** helga.mayr@ph-tirol.ac.at, Pädagogische Hochschule Tirol
Abstract
Megatrends sind langfristige Entwicklungen, die für alle Bereiche von Gesellschaft und Wirtschaft
prägend sind. Nachhaltige Entwicklung wird zum Teil als ein solcher Megatrend gesehen, zum Teil sind
aktuelle Megatrends aber auch antagonistischer einer nachhaltigen Entwicklung.
Im Tourismus stellt eine Orientierung auf Nachhaltigkeit einen der Grundpfeiler für langfristigen Erfolg
dar, stellt allerdings in der konkreten Umsetzung Tourismusbetriebe, wie Destinationen und
Tourismuspolitik vor komplexe Herausforderungen.
Der vorliegende Beitrag beschäftigt sich mit Megatrends und nachhaltiger Entwicklung in der
unternehmerischen Praxis von Tourismusbetrieben. Der Unterrichtsvorschlag beinhaltet grundlegende
Informationen und Aufgaben für Schülerinnen und Schüler, die sie von der Auswahl und Bewertung
von Trends bis hin zur Entwicklung einer Innovationsidee und deren Konkretisierung in Form einer
Konzeptskizze als Basis für ihre Umsetzung begleiten.
Schülerinnen und Schüler setzen sich dabei mit dem aktuellen Stand der Trendforschung und mit
Innovationsmanagement auseinander und entwickeln gemeinsam in einem ergebnisoffenen Prozess
Ideen, wie Unternehmen Megatrends für die Gestaltung einer besseren Zukunft im Sinne einer
nachhaltigen Entwicklung nutzen können. Der Lernanlass bietet damit eine gute Möglichkeit,
unterschiedliche fachliche und überfachliche Kompetenzen zu trainieren.
Das Unterrichtseispiel ist auf viele Bereiche – andere Branchen, NGOs, Regionen, Gemeinden etc. –
übertragbar.
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1 Willkommen in der VUCA-Welt
Die Welt, in der wir heute leben, ist gekennzeichnet von Veränderungen bisher als stabil geltender
Zustände (Volatilitiy), von ungewissen Entwicklungen (Uncertainty), einer zunehmenden Komplexität
(Complexity) aufgrund von Globalisierung und Digitalisierung und der Mehrdeutigkeit von
Informationen (Ambiguity) (Gläser, 2019). Dazu gesellen sich weitere große globale
Herausforderungen im Zusammenhang mit der Überschreitung planetarer Grenzen, wie
beispielswiese den Klimawandel oder dem Verlust der Biodiversität, oder mit dem
Bevölkerungswachstum und der Veränderung der Bevölkerungsstrukturen (Steffen et.al. 2015).
Gerade in dem von globalen großen Herausforderungen und einer starken Veränderungsdynamik
geprägten 21. Jahrhunderts, sind Menschen gefährdet, verunsichert zu werden und überfordert zu
sein, weil sie sich immer wieder neu orientieren müssen. Demgegenüber steht ein individuell mehr
oder weniger stark ausgeprägtes Bedürfnis nach anderen Zugängen, die neue, innovative, Lösungen
ermöglichen.
Dieses Spannungsfeld ist vielen Bereichen von Gesellschaft und Wirtschaft spürbar. Es führt zur Frage,
wie es gelingen kann, in Anbetracht der „Mächtigkeit“ der oben beschriebenen Entwicklungen
passende und vor allem praktikable Lernanlässe zu gestalten, die Schülerinnen und Schüler die
Gelegenheit geben, sich mit Zukunft auseinanderzusetzen und dabei Kompetenzen zu entwickeln und
zu trainieren, die sie ermächtigen (im Sinne von „empowern“) und motivieren, proaktiv und
verantwortungsbewusst Zukunft mitzugestalten.
2 Eine Frage der Orientierung
2.1. Ein Rahmen zur Orientierung
Aus Sicht der Autorin und des Autors bietet das vorliegende Unterrichtsbeispiel einer dieser
Lernanlässe. Die nachfolgenden Eckpfeiler - Internationale Politische Übereinkunft, wissenschaftlich
basierte Zukunftsszenarien und der Bezug zu einem konkreten Praxisort - bieten einen logisch
nachvollziehbaren Rahmen für eine erste Orientierung zur Auseinandersetzung. Im Beispielfalls sind
das:
▪ Die 17 Ziele für eine nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen (Sustainable Development
Goals)
▪ Allgemeine Megatrends (nach Definition des Zukunftsinstituts www.zukunftsinstitut.de) und
Megatrends, die für einen nachhaltigen Tourismus besonders relevant sind (European Travel
Commission, 2016)
▪ Der Bezug zu realen Tourismusbetrieben, im konkreten Fall zum Landhotel Stern, Obsteig/Tirol
(www.hotelstern.at) und zum Alpenresort Schwarz, Mieming/Tirol (www.schwarz.at)
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2.2. Erklärungen
Die Sustainable Development Goals, Global Goals oder die 17 Ziele für eine nachhaltige Entwicklung
wurden 2015 von den Vereinten Nationen im Rahmen der Agenda 2030 verabschiedet. Mit dem
Inkrafttreten der Agenda 2030 am 1. Jänner 2016 sind weltweit alle Menschen, Institutionen und
Organisationen aufgefordert, ihren Beitrag zur Erreichung dieser Ziele zu leisten. Die Ziele sind in
folgender Abbildung 1 kurz dargestellt. (Weitere Informationen unter
www.bundeskanzleramt.gv.at/entwicklungsziele-agenda-2030, sdgwatch.at/de/ueber-sdgs)
Abb. 1: Sustainable Development Goals (Bundeskanzleramt Österreich, o.D.)
Trends und Megatrends Ein Trend ist eine Veränderungsbewegung, ein Wandlungsprozess. Trends
lassen sich hinsichtlich ihrer Wirkkraft und der zeitlichen Ausprägung einordnen und reichen von
kurzfristigen Mikro- oder Modetrends bis zu Metatrends.
Megatrends sind die „Blockbuster“ des Wandels: Langfristige Entwicklungen, die für alle Bereiche von
Gesellschaft und Wirtschaft prägend sind und ihre Wirkung langfristig entfalten. Megatrends
verändern die Welt – zwar langsam, dafür aber grundlegend und langfristig (Zukunftsinstitut, 2018)
Megatrends sind zu einem wichtigen Werkzeug zu Analyse und Gestaltung von Wirtschaft und
Gesellschaft geworden. Dabei sind sie für Unternehmen unterschiedlich relevant, zum Teil betreffen
sie nur bestimmte Bereiche (z. Bsp. das Angebot, Zielgruppen, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter,
Prozesse), zum Teil das Unternehmen (dessen Business Model) als Ganzes oder auch die
Unternehmensumwelt, zum Teil gewinnen sie erst in einer mehr oder weniger absehbaren Zukunft an
Relevanz.
Verschiedene Institutionen beschäftigen sich mit der Erforschung von Trends. Das Zukunftsinstitut
(Zukunftsinstitut, 2018a) definiert beispielsweise die folgenden 12 Megatrends, die im
Unterrichtsbeispiel gemeinsam mit den spezifischen Trends im Tourismus mit Nachhaltigkeitsbezug
verwendet wurden:
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Individualisierung New Work Neo Ökologie Wissenskultur
Gesundheit Globalisierung Gender Shift Urbanisierung
Sicherheit Konnektivität Mobilität Silver Society
Dazu kommen Makro-Trends als spezifische Ausprägungen von Megatrends. Sie beschreiben
Trendströmungen mit unterschiedlichen Wirkungshorizonten und Berührungspunkten mit anderen
Trendströmungen und sind in der Megatrend-Map (siehe Abb. 4) dargestellt.
Den Megatrends liegen basale, sehr stabile Bedürfnisse zugrunde, die aufgrund von Entwicklungen
anders als bisher befriedigt werden. Ein Beispiel soll diesen Zusammenhang verdeutlichen: Der
Megatrend Konnektivität befriedigt das stabile Bedürfnis nach Beziehung mittels Social Media – und
dies aufgrund neuer technologischer Entwicklungen der Digitalisierung.
Trends im Tourismus mit Nachhaltigkeitsbezug
Wir befinden uns in einer Phase, in der die globalen Umweltauswirkungen der Menschheit rasant
zunehmen – und der Tourismus muss mit diesen Auswirkungen umgehen, hat aber selbst daran einen
wesentlichen Anteil.
Im Hinblick auf den Verbrauch von Energie, die CO2-Emissionen, den Wasserverbrauch, die
Landnutzung und den Nahrungsmittelbedarf werden sich die Auswirkungen des Tourismus innerhalb
der nächsten 20 bis 45 Jahre verdoppeln (Gössling, Peeters, 2015). Selbst wenn Ressourcen in Zukunft
deutlich effizienter genutzt würden, wird eine solche positive Entwicklung von der noch rascher
steigenden Anzahl an Reisen und der zunehmenden durchschnittlichen Reiseentfernung aufgehoben.
Hinzu kommt, dass die Ressourcennutzungsintensität im Tourismus keineswegs abnimmt. Im kleinen,
aber wachsenden Segment des gehobenen Tourismus nimmt sie sogar weiter zu.
Die potentiell positiven sozio-ökonomischen Auswirkungen des Tourismus werden aktuell von der
Diskussion zu punktuellen Überlastungen (‚Overtourism‘) überschattet. Lenkungsmaßnahmen und
Kapazitätsgrenzen stehen in diesen Diskussionen im Vordergrund.
Dennoch gibt es auch Trends, die auf eine Entwicklung in Richtung Nachhaltigkeit schließen lassen: Die
European Travel Commission (2016) hat acht Trends identifiziert, die den Tourismus der Zukunft
deutlich prägen werden:
▪ Gesundheit: Destinationen, die als ‚wenig gesund‘ empfunden werden, werden zunehmend nicht
mehr akzeptiert. Insgesamt wird die Stimmigkeit der Destination wichtiger.
▪ Zunehmende Reiseerfahrung: Erfahrene Reisende verlangen zunehmend höhere Qualität, besseres
Service und authentische Erlebnisse – und zwar in allen Preiskategorien. Höhere Erfahrung mündet
auch in höherer Kritikfähigkeit in Bezug auf künstliche, austauschbare Angebote.
▪ Informationstechnologie
▪ Demographischer Wandel: Die Nachfrage v.a. nach Gesundheits- und Kulturtourismus steigt, der
regionale Bezug wird (noch) wichtiger.
▪ Mobilität: Stadtbevölkerung verzichtet zunehmen auf eigene Autos, damit entsteht das Bedürfnis nach
neuen Mobilitätsangeboten im Urlaub und auf der Anreise.
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▪ Weniger, aber flexiblere Freizeit: Zunehmendes Bedürfnis nach Erholungsmöglichkeiten als Gegenwelt
zum Alltag. Chance für ländliche Gebiete im Besonderen mit ‘leisen Events’.
▪ Lifestyle: Stärkere Auseinandersetzung mit der Region / Destination, z.B. thematisches Wandern und
spirituelle Produkte basierend auf inneren Erlebnissen. LOHAS und andere Lifestyle Gruppen verlangen
nach entsprechenden Produkten, Gesundheits- und Spa-Produkte werden zunehmend nachgefragt.
▪ Sowie verschiedene Makroökonomische Trends.
Durch den deutlichen Rückgang der Stammgäste, der Verkürzung der durchschnittlichen
Aufenthaltsdauer und dem Drängen neuer Märkte auf den alpinen Markt wird die Gästestruktur
zunehmend heterogener. Trotz dieser scheinbaren Unübersichtlichkeit entwickelt sich die vielfältige
Gästegruppe der LOHAS (Lifestyle of Health and Sustainability) kontinuierlich zur größten
Urlauberinnen- und Urlaubergruppe (Baumgartner, 2018).
Der Gast der nahen Zukunft zeichnet sich generell aus durch
▪ Steigende Reiserfahrung und zunehmende Multioptionalität in den Reiseentscheidungen
▪ Steigendes Interesse an der Region, d.h. an authentischem Kultur- und Naturerleben; aber auch
der Bereitschaft für das qualitätsvolle Erleben des ‚Echten‘ angemessene Preise zu zahlen
▪ Steigendes Interesse an entschleunigter Sommer- und Winterfrische, an entspannter, stressfreier
Bewegung an der Luft, Erleben von Gastfreundschaft und Kulinarik
▪ Neue Mobilitätsansprüche: Vor allem Bewohnerinnen und Bewohner der Ballungsräume haben
oftmals keinen PKW oder wollen ihn im Urlaub nicht benutzten, daher werden innovative und
zuverlässige Mobilitätslösungen vor Ort benötigt
▪ Bedingt durch öffentliche Anreise und unterschiedlichsten Aktivitäten während des Urlaubs
Ankunft ohne Ausrüstung, Anspruch auf Leihgeräte
▪ Hohe Qualitätsansprüche bei der Unterkunft, weniger auf die Hardware (‚Sterne‘), sondern auf
Service, „Echtheit“ und vor allem an eine generelle Stimmigkeit in der Region. (vgl. Baumgartner,
2018, Future Foundation, 2015)
Die Herausforderung besteht darin, relevante Trends frühzeitig zu erkennen und proaktiv zur
Gestaltung einer guten Zukunft im Sinne einer nachhaltigen Entwicklung zu nutzen. Dieser Anspruch
führt uns zurück zum ersten orientierungsgebenden Element, den Sustainable Development Goals.
„Man muss etwas vom Wesen der Bewegung verstehen, um einen Sinn für die Zukunft zu
erlangen“ Aristoteles (384-322 v. Chr.)
3 Fachdidaktische Bezüge
Das vorliegende Unterrichtsbeispiel ist eingebettet in das lerntheoretische Konzept eines (moderaten)
Konstruktivismus (vgl. Dubs, 1995), indem es u.a. die folgenden Kriterien erfüllt:
▪ Den Ausgangspunkt bildet eine komplexe, lebens- und berufsnahe ganzheitlich zu betrachtende
Aufgabenstellung.
▪ Lernen wird als aktiver Prozess verstanden, während dem das individuell vorhandene Wissen und
Können aus neuen, eigenen Erfahrungen verändert und personalisiert wird.
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▪ Kollektives und selbstreguliertes Lernen ist erwünscht.
▪ Das Lernen ist nach Möglichkeit auf die Vorerfahrungen und Interessen der Lernenden
ausgerichtet.
Bei der Entwicklung des Unterrichtsbeispiels wurde neben dem lerntheoretischen Ansatz der
Kohärenzsinn (sense of coherence) nach Antonovsky (Bengel et. al., 2001) mitgedacht. Die Triade aus
Bedeutsamkeit, Sinnhaftigkeit und Handhabbarkeit bietet einen aus Sicht der Autorin und des Autors
passenden Anker im Umgang mit der Komplexität, Volatilität und Unsicherheit des 21. Jahrhunderts
und davon abgeleiteten zukunftsorientierte Themen, die im Unterricht aufgegriffen werden können.
Das Beispiel bietet durch seine Zukunftsorientierung einen dem Kompetenzmodell für Geographie und
Wirtschaftskunde (GW) entsprechenden Lernanlass, bei dem eine Vielzahl von überfachlichen und
fachlichen Kompetenzen trainiert werden:
Überfachliche Kompetenzen wie beispielsweise
▪ vorausschauendes, analytisches und systemisches Denken
▪ Kreativität
▪ Kollaboration und Kooperation
▪ Kommunikation
▪ kritisches Denken,
Methodenkompetenzen wie
▪ Gestaltung von Innovationsprozessen
▪ Recherchekompetenzen
und fachliche Kompetenzen, mit von der Innovationsidee abhängigen unterschiedlichen thematischen
Bezügen zu
▪ Unternehmensgründung (Produkt- und Geschäftsidee entwickeln)
▪ Unternehmensführung (Grundlagen betrieblichen Managements, Strategien individuellen
betrieblichen Handelns)
▪ Personalmanagement
▪ Marketing
▪ Destinationsmanagement
▪ Organisationsentwicklung
▪ und die Bereitschaft, zumindest auf kommunalpolitischer Ebene gestaltend mitzuwirken.
Aus der taxativen Aufzählung lassen sich Bezüge zu verschiedenen Basiskonzepten im GW-Unterricht
der AHS (Hinsch et.al., 2014) herstellen, wie beispielsweise zu 4.6. Nachhaltigkeit und Lebensqualität,
4.8. Arbeit, Produktion und Konsum, 4.11. Mensch-Umwelt-Beziehungen und 4.13. Kontingenz.
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Abbildung 2: Kompetenzmodell für Geographie und Wirtschaftskunde (Keller, 2012)
Darüber hinaus eignet sich das Unterrichtsbeispiel für einen zukunftsorientierten und innovativen
Unterricht in den Unterrichtsgegenständen Betriebswirtschaft an BMHS (Wirtschaftliche Berufe,
Kaufmännische Schulen, Tourismus) oder Tourismusmarketing und Kundenmanagement an BMHS
(Tourismus).
4 Unterrichtsbeispiel Das vorliegende Unterrichtsbeispiel wurde im Rahmen einer bundesweiten Lehrerfortbildung zu
Tourismus und nachhaltiger Entwicklung vorgestellt und von den Teilnehmerinnen und Teilnehmern
durchgespielt.
Es werden dabei Unterlagen vom Zukunftsinstitut (www.zukunfstinstitut.de) und der Trendradar und
der leicht adaptierte Consumer Trend Canvas von Trendwatching (www.trendwatching.com)
verwendet.
Das Beispiel kann im Unterricht ohne Adaptierung verwendet werden, alternativ ist es jedoch relativ
einfach möglich, Schritte vorwegzunehmen und an einem beliebigen Punkt zu starten oder es auf eine
andere Branche als den Tourismus und/oder andere Unternehmen zu übertragen. Damit ist das
Unterrichtsbeispiel flexibel einsetzbar. Es kann in eine Exkursion eingebettet sein und/oder durch
Gespräche mit Expertinnen und Experten ergänzt werden.
Der Ablauf wird nachfolgend kurz skizziert, ist aber im Anhang im Detail als Unterrichtsplanung
dargestellt. Die Schülerinnen und Schüler arbeiten in Teams von 4 – 6 Personen.
4.1 Recherche
Nach einer einführenden kurzen Keynote zu den Global Grand Challenges, den Sustainable
Development Goals, den Allgemeinen Megatrends und den für einen nachhaltigen Tourismus
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relevanten Megatrends besteht die erste Aufgabe der Schülerinnen und Schüler, weiter zu
recherchieren (desk research) und Fragen für das anschließende Interview mit den Vertreterinnen /
Vertretern der Unternehmen auszuarbeiten.
Im Vorfeld erhalten die Schülerinnen und Schüler die Kurzbeschreibung der Megatrends, die
Megatrends-Map, das Whitepaper Megatrend und den Trendradar, der in vier Segmente (Business
Model, Vision, Produkt/Dienstleistung und Marketing/Kampagnen) unterteilt ist. Die Segmente
können ebenfalls flexibel an die jeweiligen Bedarfe angepasst werden.
Abbildung 3: Megatrends Beschreibung (Zukunftsinstitut, o.D.)
Abbildung 4: Megatrends Map (Zukunftsinstitut, 2018b)
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Die zentrale Frage ist, welche der Trends für das Unternehmen – für die Gäste und/oder für das
Personal – wie stark in welchem der vier Segmente Vision, Business Model, Marketing - Kampagnen,
Produkt - Service bereits jetzt oder absehbar später relevant sind oder wo die Relevanz zum jetzigen
Zeitpunkt nicht absehbar ist.
Als Instrument wird in Anlehnung an Trendwatching (www.trendwatching.com) ein Trendradar
verwendet. Der Trendradar ermöglicht es, die verschiedenen Trends für das Unternehmen nach
Relevanz und Reifegrad zu kategorisieren und priorisieren und damit handhabbarer zu machen. Er
bringt „Ordnung und System“ in die Arbeit mit Trends und hilft, in komplexe Innovationsprojekte
strukturiert einzusteigen.
Folgende drei Dimensionen werden dabei berücksichtigt:
1. Innovationsziel: In welchem der vier Segmente (Vision/Unternehmenskultur, Geschäftsmodell,
Marketing/Kampagnen oder Produkt/Dienstleistung) des Kreises wird der Trend relevant?
2. Zeitliche Relevanz: Wann wird der Trend relevant spürbar?
3. Intensität der Reaktion: Mit welcher Intensität (schwach, stark oder total) wird der Trend relevant?
Abbildung 5: Trend Radar leer (eigene Darstellung; nach Trendwatching, o.D.)
4.2 Fokussierung
Nach erfolgter Recherche werden von den Schülerinnen und Schülern für das Unternehmen und der
jeweiligen Perspektive (Gast oder Mitarbeiterin bzw. Mitarbeiter) alle Megatrends entsprechend
zugeordnet. Das Ergebnis einer Gruppe ist in Abbildung 6 exemplarisch dargestellt:
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Abbildung 6: Trend Radar ausgefüllt (eigene Darstellung; nach Trendwatching, o.D.)
4.3 Entwicklung
Die Teams erhalten im Anschluss daran die Aufgabe, einen der Trends auszuwählen und diesen Trend
nun genauer zu untersuchen (ANALYZE). Sie sollen sich dabei unter anderem damit
auseinandersetzen, wie der Trend bereits von anderen Unternehmen genutzt wird, auf welchen
Bedürfnissen der Trend basiert, was die Treiber des Wandels und die aufkommende
Kundenerwartungen sind.
Als Unterstützung erhalten sie einen Trend Canvas (siehe Abb. 7), der am Beispiel des Trends „Neo
Ökologie“ von der Lehrperson eingeführt wird.
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Abbildung 7: Erklärungen an Hand eines fiktiven Trend Canvas (eigene Darstellung; nach Trendwatching, o.D.)
In einem nächsten Schritt entwickeln die Schülerinnen und Schüler mit Hilfe einer
Ideenfindungsmethode (z.B. der Methode 10 + 10, Brainstorming, Brainwriting ...) innovative Ideen.
Sie wählen mit Hilfe eines Portfolios schließlich eine der Ideen aus.
Abbildung 8: Ideenbewertung an Hand einer Portfolio Analyse (eigene Darstellung)
Die ausgewählte Idee wird im Trend Canvas ergänzt. In einem weiteren Schritt werden die Zielgruppe,
und das Innovationsziel für diese Innovationsidee ergänzt sowie festgehalten, zu welchen der 17 Ziele
für eine nachhaltige Entwicklung die gewählte Innovationsidee einen Beitrag leistet.
Neo-Ökologie
TREND CANVAS: Beispiel
ANALYZE
InspirationWie nutzen andere
den Trend?
aufkommende
ErwartungenWelche neuen Kundenerwartungen
zeichnen sich ab?
dahinter liegende
BedürfnisseWelche Bedürfnisse und
Wünsche stecken wirklich
dahinter? Was sind die „pain
points“?
Treiber des WandelsWarum taucht der Trend jetzt auf? Was ändert
sich?
Verschiebungen (langfristig)
Trigger/Auslöser(kurzfristig)
InnovationszielWie/Wo kann der Trend im Unternehmen
genutzt/angewendet werden?
APPLY
Innovations-
idee
ZielgruppeWelche (neue) Zielgruppe (persona) soll
angesprochen werden?
Trend
Sustainable Development
GoalsWelchen konkreten Beitrag leistet die Innovationsidee
zu Erreichung welcher Sustainable Development
Goals?
Sustainabledance floor
Freitag
Patagonia
PositiverSelbstwert
zukunftsfähige,ge-rechteGesellschaft
Selbstverbesserung
SozialerStatus
Verbundenheit
Komfort
Klimawandel
Ereignisse-Katastrophen
ErsteneueAngebote-Alternativen
DruckübersozialeMedien
WirkungaufdieGesellschaft(ethischeStandards)
WirkungaufdaseigeneLeben(z.B.Wohlbefinden,Gesundheit)
WirkungaufdieUmwelt(nachhaltigeLösungen)
„WiekönnenwirdenTrend
Wissenskulturnutzen,umdieZukunft
desUnternehmensHotelSchwarzm
SinneeinernachhaltigenEntwicklung
(<->SDGs)zugestalten?
Führungen
Protokoll
Gruppe# 2
QuickWins
Gäste-Stammtsich-wochen
Workshops
KochschuleDownloadbareInformationen
KulturellesAngebot
Baumschnitt-kurs
Gäste-Blogs
Affinity-Groups
Gesundheits-netzwerk
Peer-Learning
InternerWissens-transfer
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Abbildung 9: Ergebnis Trend Canvas (eigene Darstellung; nach Trendwatching, o.D.)
4.4 Konzeptskizze
Die Erstellung einer anschließenden Konzeptskizze dient der weiteren Auseinandersetzung mit der
Innovationsidee und deren Konkretisierung als Basis für die Umsetzung.
Spätestens bei diesem Schritt erfolgt eine nochmalige Auseinandersetzung mit den
zugrundeliegenden Bedürfnissen und der Zielgruppe sowie dem Nutzen für Unternehmen,
Gesellschaft und Natur. Die Eigenschaften der Zielgruppe können auch an Hand der Persona Methode
verdeutlicht werden. Die Persona stellt einen Prototyp für eine Gruppe von Nutzern dar, mit konkret
ausgeprägten Eigenschaften und einem konkreten Nutzungsverhalten. Als archetypische Nutzer
repräsentieren Persona die Ziele und Bedürfnisse der Zielgruppe und machen es möglich, von Beginn
an fundierte Entscheidungen bei der Entwicklung zielgruppen-orientierter Maßnahmen oder Produkte
zu treffen.
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Abbildung 10: Canvas für eine Konzeptskizze (eigene Darstellung)
4.5 Abschluss
Die Gruppen präsentieren entweder nach jedem Schritt, nach mehreren Schritten oder zum Abschluss
gesammelt ihre Ergebnisse, beispielsweise im Rahmen einer „Museumsführung“ und stehen für
Fragen zur Verfügung. Den Präsentationen kann eine Feedback-Runde, beispielsweise in Form eines
„grün-roten Feedbacks“ folgen, um Bestätigung und Verbesserungsvorschläge von den Kolleginnen
und Kollegen und der Lehrperson bzw. den Lehrpersonen zu erhalten.
4.6 Reflexion
Eine Reflexionsphase folgt idealerweise den Präsentationen bzw. den einzelnen Schritten, um eine
Auseinandersetzung mit dem eigenen Lernen, der Sinnhaftigkeit und mit Transfermöglichkeiten zu
ermöglichen. Im Rahmen der Reflexionsphase am Ende des Unterrichtsbeispiels ist die Thematisierung
von Umsetzungsperspektiven empfehlenswert – vielleicht lässt sich die eine oder andere
Innovationsidee tatsächlich im Rahmen des Projektunterrichts umsetzen oder ist Gegenstand einer
weiteren intensiven Auseinandersetzung im Rahmen einer Vorwissenschaftlichen Arbeit (AHS) oder
Diplomarbeit (BMHS).
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Quellenangaben: Baumgartner, C. (2018): Sustainable Tourism and International Development. Unterrichtsmaterialien an der HTW Chur Bengel, J. (2001): „Was hält Menschen gesund?“: Antonovskys Modell der Salutogenese - Diskussionsstand und Stellenwert; eine Expertise / von Bergen, J., Schrittmacher, J. und Willmann, H. Im Auftrag der BZgA. Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, Köln. Erw. Neuauflage – Köln: BZgA 2001 (Forschung und Praxis der Gesundheitsförderung; Band 6) Bernasconi, N. (2016): Consumer Trend Canvas: Ideen einfach entwickeln. In: HWZ Hochschule für Wirtschaft Zürich, Institute für Digital Business, #hwzmultichannel, Zürich, 2/2016. www.hwzdigital.ch/consumer-trend-canvas-ideen-einfach-entwickeln (Zugriff am 14. April 2019) BMBF (Hrsg.) (2012): Die kompetenzorientierte Reifeprüfung - Geographie und Wirtschaftskunde: Richtlinien und Beispiele für Themenpool und Prüfungsaufgaben, Wien. bildung.bmbwf.gv.at/schulen/unterricht/ba/reifepruefung_ahs_lfgw_22201.pdf?6aanml (Zugriff am 14. April 2019) Bundeskanzleramt Österreich (o.D.): https://www.bundeskanzleramt.gv.at/nachhaltige-entwicklung-agenda-2030 (Zugriff am 21.4.2019) Dubs, Rolf (1995): Konstruktivismus: Einige Überlegungen aus der Sicht der Unterrichtsgestaltung – In: Zeitschrift für Pädagogik 41 (1995) 6, S. 889-903 – URN: urn:nbn:de:0111-pedocs-105357 European Travel Commission (2016): Lifestyle Trends & Tourism. How changing Consumer Behaviour impacts travel to Europe. Future Foundation (2015): Future Traveller Tribes 2030. Understanding Tomorrow’s Travellers, London Gläser, D. (2019): VUCA-Welt, www.vuca-welt.de (Zugriff am 21.4.2019) Gössling, S, Peters, P (2015): Assessing tourism's global environmental impact 1900–2050. In: Journal
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Hinsch, S., Pichler, H., Jekel, T., Keller, L., Baier, F. (2014): Semestrierter Lehrplan AHS, Sekundarstufe II. Ergebnis der ministeriellen Arbeitsgruppe, in GW-Unterricht 136, 4/2014, S 51-61 Keller L. (2012): Kompetenzmodell für Geographie und Wirtschaftskunde. In: Bundesministerium für Bildung und Frauen (Hgb.) (2012): Die kompetenzorientierte Reifeprüfung. Geographie und Wirtschaftskunde. Richtlinien und Beispiele für Themenpool und Prüfungen.
Steffen, W., K. Richardson, J. Rockström, S.E. Cornell, et.al. (2015): Planetary boundaries: Guiding human development on a changing planet. Science 347: 736, 1259855 Trendwatching (o.D.): Your Big Idea. The Consumer Trend Canvas: understand & apply a trend today. trendwatching.com/quarterly/applying-trends/consumer-trend-canvas (Zugriff am 23.4.2019)
15
Trend-Watching (2014): Consumer Trend Canvas: Understand and apply any consumer trend. Today. 5/2014. Zugriff am 14. April 2019 unter: trendwatching.com/trends/consumertrendcanvas
Zukunftsinstitut (o.D.): Kleiner Trendscout Reiseführer. www.zukunftsinstitut-workshop.de/shop/trendscout-reisefuehrer (Zugriff am 23.4.2019) Zukunftsinstitut (2018): Die Megatrends Dokumentation, Liederbach Zukunftsinstitut (2018a): White Paper Megatrend-Innovation, Liederbach Zukunftsinstitut (2018b): Megatrend Map, www.zukunftsinstitut.de/artikel/die-megatrend-map (Zugriff am 21.4.2019) Christian Baumgartner, Landschaftsökologe, ist Professor für Nachhaltigen Tourismus an der HTW Chur und Leiter des Majors Sustainable Tourism and International Development. Mit seiner Firma response & ability gmbh hat er langjährige Moderations- und Umsetzungserfahrung.
Helga Mayr, ist Wirtschaftspädagogin mit langjähriger Unterrichtserfahrung an Tourismusschulen und Lehranstalten für wirtschaftliche Berufe und Hochschullehrerin für Bildung für nachhaltige Entwicklung an der Pädagogischen Hochschule Tirol.
Unterrichtsskizze
Tourismus und nachhaltige Entwicklung Megatrends
PL = Plenum, GA = Gruppenarbeit Unterrichtseinheiten gesamt: 5 - 6
Phase Dauer (min.)
Sozial- Form
Material/ Medium
Methodisch-didaktische Hinweise/Umsetzung
Einstieg 10 PL PC Beamer
Präsentation der Sustainable Development Goals, der Allgemeinen Megatrends und der Megatrends im Tourismus
Recherche #1 5 PL
Megatrends-Map Whitepaper Megatrends Checkliste Megatrends Trendradare, Post it’s
Gruppeneinteilung und 1. Aufgabenstellung (Recherche, Vorbereitung von Interviewfragen für das Gespräch mit der Expertin und dem Experten)
25 GA Bearbeitung der 1. Aufgabenstellung (s.o.)
Ergebnis-sicherung # 1
10 PL Präsentation der Rechercheergebnisse und der ausgearbeiteten Fragen; kurze Reflexion, Ausblick
Recherche #2 35 GA Interviewleitfaden, Trendradare, Post it’s
Durchführung der Interviews; Einordnung der Megatrends in den Trendradar (auf Basis der Recherche), Auswahl eines Megatrends
Ergebnis-sicherung #2
15 PL Trendradare Präsentation der Trendradare, Diskussion; kurze Reflexion, Ausblick
Entwickeln #1
10 PL Trend Canvas Post it’s
Einstieg anhand eines Beispiels durch die Lehrperson
30 GA Ausarbeitung des 1. Teils („ANALYZE“) des Trend Canvas: Zerlegung des Trends in konkrete Einzelteile
Ergebnis-sicherung #3
10 PL Trend Canvas Kurzpräsentation (pitch) des Trend Canvas; kurze Reflexion, Ausblick
Anmerkung: bei Feedback zu Präsentationen (z. B. grünes und rotes Feedback) dauern die Ergebnissicherungsphasen eher länger
Entwickeln #2
10 GA Post it’s Anleitung einer Ideenfindungsmethode zur Generierung von Innovationsideen
10 GA Idea portfolio Einordnung der Ideen in das Portfolio, Auswahl einer Innovationsidee
20 GA Trend Canvas Fertigstellung des Trend Canvas („APPLY“)
Ergebnis-sicherung #4
10 PL Trend Canvas Kurzpräsentation (pitch) des Trend Canvas; kurze Reflexion, Ausblick
Entwickeln #3 25 GA Konzeptskizzen, Post it’s Fertigstellung der Konzeptskizze
Ergebnis-sicherung #5
15 PL Konzeptskizzen, Post it’s Präsentation der Konzeptskizzen, kurze Reflexion
Abschluss 10 PL Flipchart, Post it’s o.ä. Gesamtreflexion und Feedback
Phase Dauer (min.)
Sozial- Form
Material/ Medium
Methodisch-didaktische Hinweise/Umsetzung
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