streetfotografie made in germany · es gibt unendlich viele motive da draußen. und manch - ......
Post on 17-Sep-2018
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TRANSCRIPT
082 | 083
Im Wasser
Traumwelt
Spiegellandschaft
Das Rad
Teamwork
Stairs to Heaven
Im Nebel
SPIEGELBILDER
084 | 085
Seit ich Streetfotografie betreibe, fotografiere ich immer wieder Was-
serpfützen. Warum das ein faszinierendes Tool für die Streetfotografie
sein kann, erläutere ich Ihnen anhand dieses Bildbeispiels.
Gute Motive sind meiner Erfahrung nach nicht nur auf Augenhöhe zu
finden. Wenn ich durch die Straßen ziehe, sind meine Augen oben, un-
ten, links und rechts. Das ist ein Kraftakt und macht müde. Ab und zu
werde ich jedoch entlohnt.
Das Bild »Im Wasser« ist genau so entstanden. Wenn es geregnet hat,
liebe ich es, die Reflexionen und Spiegelungen im Wasser als Stilmittel
einzusetzen. Ein weiterer Vorteil besteht darin, dass Sie kein Mensch
fragen wird, warum Sie eine Pfütze fotografieren. Somit können Sie
Ihre Ängste überwinden, gerade wenn Sie am Anfang Ihrer Streetfoto-
grafie-Karriere stehen. Nicht nur Menschen, auch ein Baum, eine Am-
pel oder ein Hund können in einer Spiegelung gut zur Geltung kommen.
Dieser Perspektivwechsel eröffnet oft ganz neue Sichtweisen. Ein be-
sonders interessanter Effekt kann auch dann entstehen, wenn Sie das
geschossene Bild umdrehen und auf den Kopf stellen. Hier zeigt sich
das Bild dann von einer »ganz anderen Seite«. In diesem Fall rückt die
Person in der Bildmitte, die sich in der Pfütze spiegelt, in den Fokus. Es
sieht so aus, als würde sie einen dreieckigen Hut auf dem Kopf tragen.
In Wirklichkeit trug sie jedoch eine Fahne über der Schulter. Die Spie-
gelung und der Perspektivwechsel spielen dem Betrachter hier einen
Streich.
Halten Sie Ihre Augen also stets offen, und beziehen Sie die ganze Um-
gebung mit ein. Es gibt unendlich viele Motive da draußen. Und manch-
mal zeigen sich diese erst durch eine Pfütze. Endlich hat der viele Regen
in Deutschland einen Sinn! Mehr Pfützen für Streetfotografen!
IM WASSER
CHRISTOPHER REUTERKÖLN
Digitales Kleinbild 29 mm | f9
1/500 s | ISO 1600 | +1 LW
Technik | Bildgestaltung | Idee | Nachbearbeitung
086 | 087
TRAUMWELT
MAX SLOBODDADÜSSELDORF
Digitales APS-C 18,3 mm | f5
1/250 s | ISO 100
Mit Spiegelungen zu arbeiten ist, glaube ich, einer der bekanntesten
Tricks in der Streetfotografie. Ich finde ihn dennoch nicht abgegriffen,
denn hin und wieder sind derartige Bilder sehr eindrucksvoll. Ich selbst
nutze diesen Trick zwar nicht sehr häufig, doch er bietet die sehr verlo-
ckende Möglichkeit, eine surreale Bildwirkung zu erzielen.
In diesem Fall hatte es kurz zuvor stark geregnet, und überall in der
Stadt bildeten sich große Pfützen. Zu meinem Glück schien anschlie-
ßend die Sonne, sodass sich die ganze Stadt – aus der richtigen Pers-
pektive gesehen – in den Pfützen spiegelte.
Mir fiel auf Anhieb das große silberne Gebäude auf, das sich in einer der
Pfützen wundersam spiegelte. Ich hielt die Kamera so nah wie möglich
ans Wasser, um die »reale« Umgebung auszublenden. Das Gebäude setz-
te ich zentriert ins Motiv und wartete nur noch darauf, dass Passanten
an mir vorbeigingen. Für einen außenstehenden Beobachter sah es be-
stimmt lustig aus, wie ich mit meiner Kamera über der Pfütze kniete.
Als Streetfotograf muss man jedoch in Kauf nehmen, dass man hin und
wieder die Blicke der anderen Menschen auf sich zieht. In diesem Fall
störte ich mich jedoch nicht daran, zumal ich niemanden behinderte.
Ich machte mehrere Fotos, bis ich mit dem Ergebnis zufrieden war. In
der Nachbearbeitung drehte ich das Bild dann um 180°, sodass es nun
auf dem Kopf steht. Die Spiegelung ist so klar, dass man sie erst auf den
zweiten Blick erkennt. Die surreale Bildwirkung ist mir also gut ge-
lungen.
Technik | Bildgestaltung | Idee | Nachbearbeitung
088 | 089
SPIEGELLANDSCHAFT
TORSTEN KÖSTERWALDBACH (HOHENLOHE)
Digitales APS-C 23 mm | f8
1/125 s | ISO 200
Dieses Bild entstand im Rahmen meines »Landlust«-Projekts, bei dem
ich den städtischen Raum hinter mir lasse und mich fotografisch dem
Dorfleben in Deutschland widme.
An dieser schmuddeligen Ecke der kleinen Ortschaft in Hohenlohe war
ich schon des Öfteren vorbeigelaufen, bevor ich mich dazu entschloss,
die Szene fotografisch einzufangen. Mir gefiel der Gesamteindruck
dieses Sets. Obwohl die Tür ein Stück weit offen stand, wirkte das Haus
unbewohnt und verwahrlost. Der Ausschnitt der Dorfszenerie ist un-
persönlich, der Straßenname austauschbar. Heruntergelassene Fens-
terläden untermauern die Distanz zum Betrachter.
Die angegriffene Fassade mit den schimmelbefallenen Wänden sollte
bewusst nicht mit einem Weichzeichner beschönigt werden. Trotzdem
half ich in der Nachbearbeitung etwas nach: Ich entsättigte die Farbe
auf der Fassade etwas und erhöhte gleichzeitig den Kontrast. So tritt die
Struktur der vernachlässigten Bausubstanz hervor. Der Blick ins Innere
des Hauses durch das große Fenster bleibt verwehrt. Gleichzeitig er-
öffnet sich durch die Spiegelung eine zweite Wahrnehmungsebene: Das
Bild eines gegenüberliegenden Hauseingangs wird in der wellenförmi-
gen Struktur der Gardinen abgebildet. Dieser belebte und von der Sonne
beleuchtete Hauseingang stellt einen Gegensatz zur tristen, unbewohn-
ten Fassade dar und wirkt wie eine unwirkliche Parallelwelt. Mit viel
Fantasie erhält man auch den Eindruck, dass der gespiegelte Hausein-
gang ein Gesicht darstellt, das sein Gegenüber beobachtet.
Dieses Bild zeigt, dass Streetfotografie auch in der Peripherie und ohne
Menschen im Bild funktionieren kann.
Technik | Bildgestaltung | Idee | Nachbearbeitung
090 | 091
Dieses Bild stammt aus meinen Anfängen in der Streetfotografie. Ich
hatte damals große Hemmungen, in der Öffentlichkeit zu fotografieren,
und habe nach Lösungen gesucht, um diese »Hürde« zu überwinden.
Als ich an einem Tag durch die Stadt ging, beobachtete ich durch einen
Zufall, wie sich entgegenkommende Menschen auf einer Werbetafel
spiegelten. Die Fläche des Glases bot sich perfekt dazu an, ein schönes,
symmetrisches Bild zu schießen. Zudem konnte ich mich hinter der Ta-
fel zumindest aus einer Richtung »verstecken«.
Ich stand mehr als eine Stunde an diesem Ort und schoss bestimmt 100
Fotos. Ich blieb unbemerkt, da es so aussah, als würde ich lediglich die
Werbetafel fotografieren. Das Schaufenster und die Werbetexte des ge-
genüberliegenden Sexshops machen den Ausschnitt zusätzlich span-
nend.
Beim folgenden Durchsehen der Bilder fiel mir dieses Bild mit dem
Fahrradreifen auf. Ich hatte den richtigen Moment erwischt, an dem der
hintere Reifen schon fast aus dem Bild verschwunden war und durch
die Spiegelung doch wieder vervollständigt wurde. Dadurch, dass sich
auch die Umgebung in der Scheibe spiegelt, fragt man sich als Betrach-
ter, wo der Rest des Fahrrades geblieben ist. Erst beim zweiten Blick
wird deutlich, dass es sich um eine Spiegelung handelt.
Auch heute noch, viele Jahre später, versuche ich, Menschen in meine
Bilder einzubeziehen, ohne dass sie zu erkennen sind. Das bringt mich
in dieser Hinsicht rechtlich auf die sichere Seite, und ich muss mir
keine Gedanken darüber machen, ob ich das Bild veröffentlichen kann
oder nicht.
DAS RAD
CHRISTOPHER REUTERKÖLN
Digitales Kleinbild 36 mm | f8 1/500 s | ISO 1000 | +1/3 LW
Technik | Bildgestaltung | Idee | Nachbearbeitung
092 | 093
TEAMWORK
MAX SLOBODDADORTMUND
Digitales APS-C 18,3 mm | f9
1/250 s | ISO 800
Auf dem Vorplatz eines Einkaufscenters in Dortmund konnte ich schon
von Weitem erkennen, wie zwei Menschen von einem Kran aus die
Fenster der Fassade putzen. Ich beobachtete die Szenerie ein Weile, da
es amüsant anzusehen war, wie die Menschen, die gerade aus dem Ein-
kaufscenter kamen, von den Wassertropfen getroffen wurden und oft-
mals erschrocken aufsprangen und nach oben blickten.
Ich versuchte mehrmals, einen dieser Momente einzufangen, was mir
jedoch leider nicht gelang. Entweder war ich zu weit weg, sodass die
Szene auf dem Foto nicht zu erkennen war, oder ich war zu nah dran
und konnte nur die beiden Menschen oben oder die Menschen am Bo-
den in den Bildausschnitt nehmen.
Also entschloss ich mich, den Fokus zu ändern und ein paar Bilder un-
terhalb der beiden Fensterputzer zu machen. Ich entdeckte so die Spie-
gelung der beiden in der Fassade. Hierbei fand ich es interessant, wie
aus Maschine und Mensch ein Körper wurde, da auf den ersten Blick
nur die Arme der beiden zu sehen sind. Die Auflösung erschließt sich
zwar relativ schnell, doch bedarf es eines genaueren Hinsehens, um den
Unterschied zwischen Spiegelung und Realität zu erkennen.
Technik | Bildgestaltung | Idee | Nachbearbeitung
094 | 095
STAIRS TO HEAVEN
CHRISTOPHER REUTERKÖLN
Smartphone | 8 mm
In einem langen Fotoprojekt hatte ich es mir zu Aufgabe gemacht,
verschiedene Reflexionen und Farben im öffentlichen Raum mit dem
Smartphone zu fotografieren. Mehr als vier Monate war ich in vielen
verschiedenen Städten unterwegs und habe Glasscheiben abfotogra-
fiert. »Stairs to Heaven« ist eines von vielen Motiven der Serie, die da-
bei entstand.
Der Vorteil eines Smartphones ist wohl der, dass man es immer dabeihat
und bei geschicktem Verhalten kein Mensch darauf kommt, dass Sie
Fotos machen. Ich konnte somit alle erdenklichen Situationen nutzen,
um zu fotografieren.
Vor einem Möbelhaus ist dieses Bild entstanden. Beim Anblick der
Spiegelungen in der Scheibe war mir sofort klar, dass ich hier ein Bild
machen musste. Für mich sah es aus wie eine Treppe zum Himmel mit
tollen Farben. Für eine charmante Bildgeschichte war also gesorgt. Für
meine Vision fehlte jetzt nur noch eine Person im Bild.
Ich wartete darauf, dass jemand auf der Treppe erscheinen und sich in
der Mitte des Bildes einordnen würde. Schließlich ging eine Frau die
Treppe hinunter, und man kann sehen, dass sie zu mir schaut, ohne dass
man ihr Gesicht erkennt. Vielleicht dachte sie: Warum fotografiert der
Typ die Scheiben eines Möbelhauses? So interessant kann das doch gar
nicht sein. Genau da liegt für mich ein wesentlicher Aspekt der Street-
fotografie: Betrachten Sie die Dinge um sich herum immer wieder aus
ungewöhnlichen Blickwinkeln, auch wenn sie auf den ersten Blick noch
so unscheinbar und alltäglich wirken! Es kann zudem sehr hilfreich
sein, ein bestimmtes Thema über einen längeren Zeitraum zu verfolgen,
so wie ich es für diese Serie tat. So schärfen Sie Ihren fotografischen
Blick und können spannende Motive leichter aufspüren.
Technik | Bildgestaltung | Idee | Nachbearbeitung
DER ENTSCHEIDENDE MOMENT
ETWAS ZUM SCHMUNZELN
ICH SEHE DOPPELT
018 Die Konferenz der Tiere
021 Kipppunkt
023 Timing und Zufall
024 Im Flug
027 Schaukeln
028 Keep on walking
030 Die Lesende
033 Das Geländer
034 Der gelbe Schirm
036 Der zufällige Aufstieg
039 Balance
042 Die Welt steht schief
045 Ein Sommertag
046 Das Auge
049 Zähne zeigen
051 Der Teufel steckt im Detail
052 Symmetrie im Park
055 Hommage an Edvard Munch
057 Sitzstudie
058 Spuren einer langen Nacht
063 Turteltauben
064 Auf den Punkt
067 Die doppelte Skyline
068 Inspiring views
070 Unerwartete Dopplung
072 Die vergängliche Skulptur
075 Aus Fehlern lernen
076 Die Anpassung
078 Zwillinge
080 Vier Kappen
SPIEGELBILDER GEHEIMNISVOLLE SILHOUETTEN
FLÜCHTIGE BEWEGUNGEN
084 Im Wasser
086 Traumwelt
088 Spiegellandschaft
091 Das Rad
092 Teamwork
094 Stairs to Heaven
097 Im Nebel
100 Früher war alles Schlächter
102 Klimmzug am Strand
105 Ein versöhnliches Ende
106 Das Schattentheater
109 Schnell
110 Leselandschaft
113 Shattered
114 Life in a Tube
117 Orange
119 Unter Beobachtung
120 Lichtstrahlen
123 Mitternacht in Marrakesch
125 Auf dem Weg
126 Zwei und Drei
131 En passant
132 Ripped
134 Zwei Sekunden Straße
137 City Cowboys
138 Was ist schon real?
GESCHICHTEN, DIE DAS LEBEN SCHREIBT
DIE GEOMETRIE DER STRASSE
WAS SEHE ICH HIER?
142 Die alten Hände
144 Musik im Kopf
147 Straßenbild
148 Waschtag
151 Wegweisend
152 Flirtversuche
154 Fünf Silhouetten
157 Das Theaterstück
158 Ein flüchtiges Lächeln
160 Dorflegenden
163 Sommertage
165 Zeitlose Eleganz
169 Der Tropfen
170 Formen und Schattierungen
172 Am seidenen Faden
175 Kurztrip
176 Abstract reality
179 Abwärts
180 Frame in Frame
183 Berlin Flat White
184 Enjoy the silence
186 Planung und Zufall
189 Switch House
192 Die geheimnisvolle Schnur
194 I am Amsterdam
197 Hinterhofschönheit
198 Hinter den Kulissen
201 Um die Ecke gedacht
202 Mars is yellow
204 Perspektivwechsel
207 Der Baumkran
208 Das Geländer
210 Pastelltöne
WENIGER IST MEHR GUT VERSTECKT WO LICHT IST, IST AUCH SCHATTEN
214 Der Sonnenanbeter
217 Drahtseilakt
218 All you have to do is stay
220 Whiteout
222 Lunchtime
224 Die pure Form
227 Bayerische »Haxn«
228 Two people, three feet
233 Der erwartete Zufall
234 Großstadtdschungel
237 Chimära
238 Undercover in Florenz
240 Old School
242 Selbstporträt
244 Das Runde muss ins Eckige
247 Micky und seine Doppelgängerin
251 Schlossgespenster
252 Der Denker
255 Geschäftiges Treiben
256 Rot
259 Shadow of a stranger
261 Cat Walk
262 Black out
265 Alte Muster
267 Der Höhlenmensch
268 Spotlight
270 Märchentempel
272 Upside down
274 Das Schattenmonster
Thematische SchwerpunkteZu jedem Bild finden Sie oberhalb der Bildbeschreibung folgende Kate-
gorien: Technik | Bildgestaltung | Idee | Nachbearbeitung. Am schwarz
hervorgehobenen Themenschwerpunkt erkennen Sie, welchen Aspekt
der Fotograf in der jeweiligen Bildbeschreibung hervorgehoben hat. So
erfahren Sie, welche Faktoren für die Entstehung des Bildes besonders
wichtig waren und trainieren Ihren fotografischen Blick. Unter »Was
ist wo?« sehen Sie, auf welchen Seiten die einzelnen Themen zu finden
sind.
AufnahmedatenZu jedem Bild werden die wichtigsten technischen Aufnahmedaten
angegeben – Sensorgröße der Kamera, Brennweite, Blendenöffnung,
Belichtungszeit, ISO-Wert und eine gegebenenfalls eingestellte Belich-
tungskorrektur (LW). Die angegebene Brennweite bezieht sich immer
auf die jeweilige Sensorgröße und wurde nicht in das Kleinbildformat
umgerechnet.
ALLES SO SCHÖN BUNT HIER
278 Warum in die Ferne schweifen ...
280 Blickkontakt
282 Light Urban Rain
285 Die Möwe
287 Ich sehe Rot
288 Vorweihnachtszeit
290 Hommage an Piet Mondrian
010 Einführung
292 Die Autoren
301 Wer ist wo?
302 Was ist wo?
304 Rechtslage in Deutschland
310 Index
DIE WUNDER DES TÄGLICHEN LEBENS SIND AUFREGEND; KEIN FILMREGISSEUR KANN DAS UNERWARTETE, DAS MAN AUF DER STRASSE FINDET, ARRANGIEREN.
»
Robert Doisneau
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