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Aus der Orthopädischen Universitätsklinik im
Waldkrankenhaus St. Marien gGmbH Erlangen der
Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg Direktor: Prof. Dr. med. Raimund Forst
Differentialstrategien zum Weichteil-Balancing bei der Knieendoprothetik
in Abhängigkeit von der präoperativen Deformität
Inaugural-Dissertation zur Erlangung der Doktorwürde
der Medizinischen Fakultät der
Friedrich-Alexander-Universität Erlangen Nürnberg
vorgelegt von
Werner Krutsch
aus
Nürnberg
Gedruckt mit Erlaubnis der Medizinischen Fakultät der Friedrich-Alexander-Universität
Erlangen-Nürnberg
Dekan: Prof. Dr. J. Schüttler
Referent: Prof. Dr. R. Forst
Korreferent: Prof. Dr. T. Kuwert
Tag der mündlichen Prüfung: 27. Januar 2010
1 Zusammenfassung 1 2 Summary 5 3 Einleitung 8 3.1 Anatomie und Biomechnik des Kniegelenkes 10 3.2 Allgemeine Einführungen in das Weichteil-Management der Knie-TEP 15 4 Literaturanalyse über das Weichteil-Balancing der Knie-TEP 18 4.1 Methodik der Literaturanalyse 18 4.2 Operative Zugangswege 21 4.2.1 Allgemeine Vorbemerkungen 21 4.2.2 Mediale parapatellare Arthrotomie 23 4.2.3 Subvastus Zugang 28 4.2.4 Midvastus Zugang 34 4.2.5 Lateral parapatellarer Zugang 40 4.2.6 Zwischen Arthrotomie und Korrektur der Deformitäten 44 4.3 Korrekturen der Deformitäten 46 4.3.1 Allgemeines zur Technik des Weichteil-Balancing 46 4.3.2 Varus-Deformität 51 4.3.2.1 Allgemein 51 4.3.2.2 Release-Techniken 52 4.3.2.2.1 Gesamtes Innenband 54 4.3.2.2.2 Tiefes hinteres Innenband 56 4.3.2.2.3 Oberflächliches vorderes Innenband 59 4.3.2.2.4 Kapsel 61 4.3.2.2.5 M. semimembranosus 63 4.3.2.2.6 Pes anserinus 66 4.3.2.2.7 Hinteres Kreuzband 68 4.3.2.2.8 Laterales Advancement 72 4.3.2.2.9 Besonderheiten 74 4.3.2.3 Weichteil-Sequenzen 75 4.3.2.3.1 Eröffnung des Kniegelenkes 76 4.3.2.3.2 Osteophyten-Entfernung 76 4.3.2.3.3 Mediale Weichteilmanschette 77 4.3.2.3.4 Erster Release-Schritt zur Varuskorrektur 78 4.3.2.3.5 Zweite gelöste Struktur zur Varuskorrektur 79 4.3.2.3.6 Kapsel-Release 80 4.3.2.3.7 Pes anserinus oder Semimembranosus 81
4.3.2.3.8 HKB-Release 82 4.3.2.3.9 Schluß-Release 83 4.3.2.3.10 Laterale Straffung 84 4.3.3 Valgus-Deformität 85 4.3.3.1 Allgemein 85 4.3.3.2 Release-Techniken 89 4.3.3.2.1 Außenband 90 4.3.3.2.2 Popliteus-Sehne 93 4.3.3.2.3 Tractus iliotibialis 96 4.3.3.2.4 Posterolaterale Kapsel 100 4.3.3.2.5 Lateraler Gastrocnemius 103 4.3.3.2.6 Biceps femoris 104 4.3.3.2.7 Intermuskulares Septum 105 4.3.3.2.8 Laterales Retinakulum 105 4.3.3.2.9 Hinteres Kreuzband 107 4.3.3.2.10 Mediales Advancement 110 4.3.3.2.11 Besonderheiten 115 4.3.3.3 Weichteil-Sequenzen 116 4.3.3.3.1 Osteophyten-Entfernung 117 4.3.3.3.2 1. gelöste Struktur 118 4.3.3.3.2.1 Hinteres Kreuzband 118 4.3.3.3.2.2 Laterales Retinakulum 118 4.3.3.3.2.3 Pie-crust-Technik 119 4.3.3.3.2.4 Tractus iliotibialis 120 4.3.3.3.2.5 Außenband 121 4.3.3.3.3 Beziehung von Außenband zu Popliteus 121 4.3.3.3.4 Beziehung zwischen Außenband, Popliteus, Tractus iliotibialis 123 4.3.3.3.5 Kapsel 125 4.3.3.3.6 Letzter Schritt 126 4.3.3.3.6.1 Lateraler Gastrocnemius 126 4.3.3.3.6.2 Biceps femoris 126 4.3.3.3.6.3 Resektion des Fibulaköpfchens 127 4.3.3.3.6.4 Hinteres Kreuzband 127 4.3.3.3.7 Mediales Advancement 128 4.3.3.3.8 Zusätzliche Femurschnitte 129 4.3.3.3.9 Höhere Prothesenführung 129
4.3.4 Flexionsdeformität 131
4.3.4.1 Allgemein 131 4.3.4.2 Release-Techniken 136 4.3.4.2.1 Posteriore Osteophyten 136 4.3.4.2.2 Kollateralbänder und Varus-/Valgus-Korrektur 138
4.3.4.2.3 Posteriore Kapsel 140 4.3.4.2.4 Knie-Flexoren 144 4.3.4.2.4.1 Gastrocnemii 144 4.3.4.2.4.2 Semimembranosus 145 4.3.4.2.5 Hinteres Kreuzband 146 4.3.4.2.6 Zusätzliche distale Femurresektion 148 4.3.4.3 Weichteil-Sequenzen 152 4.3.4.3.1 Osteophyten-Entfernung 153 4.3.4.3.2 Kollateralbänder oder Semimembranosus 153 4.3.4.3.2.1 Kollateralbänder 154 4.3.4.3.2.2 Semimembranosus 154 4.3.4.3.3 Kapsel 155 4.3.4.3.4 Letzte gelöste Weichteil-Struktur 156 4.3.4.3.4.1 Hinteres Kreuzband 156 4.3.4.2.4.2 Gastrocnemius 157 4.3.4.3.5 Zusätzliche distale Femurresektion nach Weichteil-Release 158
4.3.5 Recurvatum-Deformität 160 4.3.5.1 Allgemein 160 4.3.5.2 Korrektur-Techniken 163 4.3.5.2.1 Veränderte Resektionsschnitte 163 4.3.5.2.2 Verwendung anderer Prothesenkomponenten 164 4.3.5.2.3 Balancing der Weichteilstrukturen 166 4.3.5.3 Korrektur-Sequenzen 168 4.3.5.3.1 Erst Resektion, dann Implantat-Wahl 168 4.3.5.3.2 Erst Resektion, danach Weichteile, zuletzt Implantatwahl 169 4.3.5.3.3 Zum Schluß Implantat mit höherem Führungsgrad 170 5 Diskussion 171 5.1 Zugangswege zum Kniegelenk 171 5.2 Weichteil-Balancing 174 5.3 Varus-Deformität 177 5.3.1 Release-Techniken 177 5.3.2 Release-Sequenzen 179 5.4 Valgus-Deformität 182 5.4.1 Release-Techniken 182 5.4.2 Release-Sequenzen 184 5.5 Flexionsdeformität 186 5.5.1 Release-Techniken 187
5.5.2 Release-Sequenzen 188 5.6 Recurvatum 190 5.7 Algorithmen zum Weichteilmanagement 191 5.7.1 Varus-Korrektur 191 5.7.2 Valgus-Korrektur 192 5.7.3 FC-Korrektur 194 5.8 Ausblick 195 6 Literaturverzeichnis 198 7 Abkürzungsverzeichnis 211 8 Danksagung 212 9 Lebenslauf 213
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1 Zusammenfassung 1.1 Hintergrund und Ziel Die Knieendoprothetik gilt als Goldstandard in der Behandlung der fortgeschrittenen
Gonarthrose. Als wichtigster und gleichzeitig schwierigster Part der chirurgischen Im-
plantation einer Knie-TEP gilt das sogenannte Weichteil-Balancing. Hierzu gehört ne-
ben der Korrektur verschiedener Deformitäten durch Weichteil-Release-Schritte auch
der individuelle Umgang mit den knieumgebenden Weichteilen. Entscheidend ist hier
vor allem die Wahl des optimalen Hautschnitts und der Arthrotomie.
1.2 Methodik In dieser Arbeit wird über eine umfassende Literaturanalyse das Thema des Weichteil-
Balancings bei der Knieendoprothese bearbeitet. Die Internet-Datenbank "Pubmed"
(www.pubmed.com), mit der eine strukturierte und nach Stichworten geordnete Suche
nach Publikationen möglich ist, diente in dieser Arbeit als Quelle für die medizinischen
Artikel, die zum Weichteil-Balacing bei der Knieendoprothetik veröffentlicht wurden.
876 Abstracts und davon 370 Vollartikel wurden zu diesem Thema kritisch ausgewertet.
249 Publikationen konnten für diese Arbeit verwendet werden.
1.3 Ergebnisse Beim Thema der Auswahl eines geeigneten Zugangsweges zum Kniegelenk wurden
die vier gebräuchlichsten Arthrotomien genauer vorgestellt. Die neueren Zugangswege,
Subvastus und Midvastus, bieten nur in der frühen postoperativen Phase deutliche Vor-
teile gegenüber dem medialen parapatellaren Zugang. Da diese Vorteile nur in der frü-
hen postoperativen Zeit vorhanden sind und mit der Zeit nach der Operation abnehmen
und der mediale parapatellare Zugang im Gegensatz zum Sub- und Midvastus-Zugang
beinahe bei jeder präoperativen Kniedeformität einsetzbar ist und nahezu keine Kontra-
indikationen bietet, entscheidet sich bis zum heutigen Tage immer noch die Mehrzahl
der Operateure für den medialen parapatellaren (Standard)-Zugang.
Er gilt auch bei Valgusdeformitäten als Zugang der Wahl, obwohl einige Operateure bei
dieser eher selten auftretenden Deformität den lateralen parapatellaren Zugang beim
Valgus präferieren.
Die Sequenz der einzelnen Weichteil-Balancing-Schritte muss abhängig von der vorlie-
genden Deformität differenziert durchgeführt werden.
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Die Varusdeformität ist die präoperativ am häufigsten vorliegende Deformität. Bei
deren chirurgischer Korrektur werden die medialen Weichteile des Kniegelenkes gelöst.
Zu den zu lösenden Strukturen gehören das oberflächliche Innenband, das tiefe Innen-
band, die Kapsel, der Semimembranosus, der Pes anserinus und das hintere Kreuzband.
Diese Strukturen werden je nach Autor in verschiedener Art und Weise von ihren tibia-
len Ansätzen in unterschiedlichster Reihenfolge gelöst, wobei viele Gemeinsamkeiten
bei den verschieden praktizierten Release-Sequenzen zu erkennen sind. Eine Sequenz
beginnt mit der Korrektur der Extensionslücke, was durch ein Release des tiefen Innen-
bandes sowie der posteromedialen Kapsel durchgeführt wird. Gefolgt wird dieser
Schritt von der Korrektur der Flexionslücke durch ein Release des oberflächlichen In-
nenbandes und des Semimembranosus. Pes anserinus und hinteres Kreuzband sind letz-
te Möglichkeiten für eine rigide Varus-Korrektur.
Bei der Valgusdeformität werden die kontrakten lateralen Weichteile gelöst. Zu diesen
Strukturen gehören das Außenband, der M. popliteus, der Tractus iliotibialis, die Kap-
sel, der Biceps femoris, der laterale Gastrocnemius, das hintere Kreuzband und das late-
rale Retinakulum. Diese Strukturen werden mit noch größerer Variation und zusätzlich
mit unterschiedlichen Release-Techniken sowohl von der Tibia als auch vom Femur
gelöst. Einheitliche Abfolgen einer Release-Sequenz sind in der Literatur kaum zu er-
kennen. Es werden sogar Weichteil-Strukturen behandelt, deren Release einerseits kom-
plett abgelehnt und ein unbedingter Erhalt empfohlen und andererseits generell ihre
komplette Resektion gefordet wird. Zu diesen Strukturen gehören bei Valgusdeformität
der M. popliteus und das HKB. Initialer Schritt einer Sequenz bleibt meist die Lösung
des Iliotibialbandes zur Korrektur der Extensionslücke des Valgus, gefolgt vom Release
des lateralen Seitenbandes und dem Popliteus, welche beide einen Einfluß auf Extensi-
ons- und Flexionslücke haben. Abschließend kann eine Korrektur der Extensionslücke
noch durch ein Release der posterolateralen Kapsel und lateralen Strukturen wie dem
Biceps femoris, dem lateralen Kopf des Gastrocnemius oder dem HKB erreicht werden.
Die Flexionsdeformität tritt überwiegend in Kombination mit einer Varusdeformität
auf, was bei den einzelnen Weichteil-Schritten zu berücksichtigen ist. Bei einer Flexi-
onsdeformität wird nach der Entfernung der Osteophyten zuerst eine begleitende Varus-
deformität korrigiert, bevor diejenigen Strukturen gelöst werden, die ausschließlich auf
eine Flexionsdeformität Einfluss haben. Zur Korrektur der Deformität in der koronalen
Ebene wird beim Varus das tiefe Innenband, das oberflächliche Innenband und der Se-
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mimembranosus gelöst, beim Valgus das laterale Seitenband. Danach wird zur Korrek-
tur der Flexionsdeformität die posteromediale bzw. posterolaterale Kapsel sowie die
posteriore Kapsel gelöst. Eine besondere Rolle spielt die distale Femurresektion, mit der
unter Umständen nach erfolglosen Weichteil-Schritten eine Flexionskontraktur nachkor-
rigiert werden kann, was aber extrem selten von Nöten ist.
Das Genu recurvatum tritt präoperativ sehr selten auf. Häufig ist diese Deformität eine
intraoperative Folge einer Überresektion vom Femurknochen. Weichteil-Strukturen
spielen hier bei der Korrektur eine eher untergeordnete Rolle. Entscheidende Maßnah-
men zur Korrektur des Genu recurvatum sind eine veränderte Wahl von Resektions-
schritten und Prothesenkomponenten. Dies wird erreicht durch eine verminderte Resek-
tion von proximaler Tibia und distalem Femur und durch eine kleinere femorale und
größere tibiale Prothesenkomponente.
1.4 Schlußfolgerung Die Forschung zur Weichteil-Balancierung bei der Knieendoprothetik ist bei weitem
noch nicht abgeschlossen. Es gibt bisher Hinweise aus Kadaver- und klinischen Studien,
dass bestimmte Release-Techniken bzw. bestimmte Release-Sequenzen gute bis sehr
gute klinische Ergebnisse erzielen lassen. Eine Balancing-Strategie mit einheitlicher
Reihenfolge des Releases von Weichteilstrukturen bei unterschiedlichen Knie-
Deformitäten ist bisher noch nicht beschrieben worden.
Bis Metaanalysen, prospektiv randomisierte Studien oder klinische Vergleichsstudien
zu diesem Thema existieren, muss man sich auf die bisher veröffentlichten Studien und
Erfahrungsberichte zahlreicher Operateure beziehen.
Auch beim Thema der chirurgischen Zugänge zum Kniegelenk können in Zukunft nur
valide Studien die Unterschiede der einzelnen Zugänge herausarbeiten. In besonderem
Maße gilt dies für die sich aktuell etablierende sog. "minimal-invasive Chirurgie" in der
Knieendoprothetik.
In der vorliegenden Arbeit werden erstmals systematisch aus der verfügbaren Literatur
die verschiedenen Vor- und Nachteil sowie Gemeinsamkeiten und Unterschiede der
unterschiedlichen Operationstechniken bei der Durchführung der Arthrotomie und des
Weichteil-Balancings bei der Knieendoprothetik zusammengestellt und darauf basie-
rend Algorithmen für das Weichteilrelease für die unterschiedlichen Kniedeformitäten
entwickelt.
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2 Summary 2.1 Aim and background Total knee arthroplasty is the gold standard in surgical treatment of osteoarthritis of the
knee. The most important and most difficult part of the knee replacement is the soft tis-
sue-balancing. This includes not only the steps for soft-tissue-release to correct different
deformities of the knee, but also the perioperative handling of the soft tissue around the
knee joint. The choice of the optimal incision of the skin and arthrotomy of the knee
joint play an important role in knee replacement.
2.2 Methods This manuscript reviews and analysis the literature on soft tissue-balancing in total knee
arthroplasty. The research of the internet was the fundament of this paper and pointed
out many adequat puplications about the topic of this paper. The homepage "pubmed”
(www.pubmed.com) allows a structured research into publications by headword. It
served as the repository for all important medical articles, which were published on soft
tissue-balancing. 876 abstracts and therefrom 370 full articles were evaluated on this
topic. 249 publications were quoted as suitable in this paper.
2.3 Results Concerning the adequate appraoch to the knee joint, the four most common arthroto-
mies are presented. The new approaches, subvastus and midvastus, offer significant
advantages only in the early postoperative period compared to the medial parapatellar
approach. Since the advantages of the subvastus and the midvastus are present only
temporary in the immediate postopertive period and the medial parapatellar approach in
contrast to midvastus and subvastus is suitable in every preoperative situation and offers
no contraindication, most surgeons still decide in favour for the medial parapatellar ap-
proach. This approach is an eligible appraoch for valgus deformities, although some
surgeons prefer the lateral parapatellar approach for the valgus knee.
The sequence of steps taken for soft-tissue-balancing differ depending on the various
deformities.
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The most frequent preoperative deformity is the varus deformity, which has to be cor-
rected by the release of the medial soft tissues. The released medial structures are: the
superficial medial collateral ligament, the deep medial collateral ligament, the capsule,
the semimembranosus muscle, the pes anserinus and the posterior cruciate ligament.
These structures are released in diverse techniques and sequences from their tibial inser-
tion, however several similarities of variable release-sequenzes are observed. One se-
quence of the soft tissue balancing starts with the correction of the extension gap, with
the release of the deep medial ligament and the posterolaterale capsule. This step is fol-
lowed by the correction of the flexion gap with a release of the superficial medial liga-
ment and the semimembranosus. The pes anserinus and the posterior cruciate ligament
are the last possibility for the correction of a rigid varus deformity.
In the valgus deformity the contracted lateral soft tissues are released. The lateral struc-
tures are: the lateral collateral ligament, the popliteus muscle, the iliotibial band, the
capsule, the biceps femoris, the gastrocnemius, the posterior cruciate ligament and the
lateral retinaculum. These structures are released in even greater variation and different
release-techniques from the tibial and also from the femoral origin. Uniform handling of
the release-sequences are hardly recognisable. Soft tissue structures are treated and re-
leased by some authors, which are considerd essential to remain interest by others. Parts
of these structures are the popliteus muscle and the posterior cruciate ligament in the
valgus deformity. Most frequently the first step of a sequence of the soft tissue balanc-
ing is the release of the iliotibial band for the correction of the extension gap followed
by the release of the lateral collateral ligament and the popliteus, which influenced both
the extension gap and the flexion gap. In a final step the extension gap can be corrected
through a release of the posterolateral capsule and laterale soft tissue structures like the
bisceps femoris, the lateral head of the gastrocnemius and the posterior cruciate liga-
ment.
The flexion deformity occurs mostly in combination with the varus deformity, which
has to be considered for the soft-tissue-release-sequence. In the soft-tissue-sequence of
the flexion contracture, after the excision of the osteophytes, the combined varus de-
formity has to be corrected before the release of those structures, which exclusively af-
fect the flexion contracture. For the correction of the deformity in the coronal plane the
deep medial collateral ligament, the superficial collateral ligament and the semimem-
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branosus are released in varus and the lateral collateral ligament is released in valgus
deformity. Then the posteromedial and the posterolateral capsule as well as the the pos-
terior capsule are released for the correction of the flexion deformity. In selected cases
an additional distal resection of the femur, which may correct the flexion contracture in
case of an ineffective soft tissue-sequence, may be necessary.
The recurvatum deformity occurs preoperatively very rarely, more commonly this
deformity is observed as an intraoperative consequence of an overresection of the fe-
mur. The soft tissue-balancing plays a subordinate role in the correction of the recurva-
tum. Essential steps for the correction of the recurvatum are a different step of resection
implant choice, by a reduced resection of the proximal tibia and the distal femur and by
using smaller femoral and comparatively larger tibial prosthesis components.
2.4 Conclusion The development and research of soft tissue-balancing in total knee arthroplasty is by
far not completed. Cadaver and clincial studies suggest definite release-techniques and
sequences with reproducible good to excellent results. A balancing strategy for different
deformities with a uniform sequence of definite soft tissue structures has not been de-
scribed until today.
As long as there are no metaanalysis, prospective randomized studies or clinical com-
parative studies, only the current published studies and field reports numerous of sur-
geons can be considered.
Concerning the surgical approaches to the knee joint, prospective randomized or clinical
comparative studies can objectively point out differences of the surgical approaches in
the future, especially for the minimally invasive surgery.
This paper systematically reviews the existing literature and presents advantages and
disadvantages as well as similarities and differences of the various surgical techniques
for arthrotomy and soft tissue balancing in total knee arthroplasty. Thereupon algo-
rithms for the soft tissue release in different knee deformities were developed.
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3 Einleitung Die Knieendoprothetik hat in den letzten 20 Jahren mit steigender Tendenz eine rasante
Entwicklung durchgemacht. Schmidt und Hamilton (1996) sprechen bereits 1996 von
einer jährlichen Knie-TEP-Implantationsrate von über einer halben Million künstlichen
Kniegelenken weltweit und Graichen et al (2007) berichten von heutzutage ca. 130.000
Knie-TEPs in Deutschland pro Jahr.
Besonders die Zahl der Oberflächenersatzgelenke hat sich in Deutschland deutlich er-
höht, während die Anzahl der anderen Prothesentypen mit höherem Kopplungsgrad
zurückgegangen ist (Jerosch et al 1997, von Eisenhart-Rothe et al 2007).
Die Standzeiten der heutigen Totalendoprothesen betragen in bis zu 90% der Fälle über
10 Jahre, die subjektive Zufriedenheit der Patienten liegt bei ca. 80%. Dies konnte in
großen endemischen wissenschaftlichen Erhebungen wie dem schwedischen Kniepro-
thesenregister nachgewiesen werden (Lüring und Grifka 2006, Lüring et al 2006a).
Für die Gelenkendoprothetik des Knies kommen Gelenkkrankheiten wie die rheuma-
toide Arthritis und die posttraumatische Gonarthrose in Frage, vor allem aber die idio-
pathische Gonarthrose, welche die häufigste Indikation zur Knie-TEP darstellt (Ficat
1977, Knutson et al 1994, Oliveria et al 1995).
Die Knieendoprothetik stellt für die Versorgung der fortgeschrittenen Gonarthrose heut-
zutage den Goldstandard dar (Graichen 2007, Graichen et al 2007, von Eisenhart-Rothe
et al 2007).
Die für die Arthrose charakteristischen degenerativen Veränderungen betreffen vorwie-
gend den Gelenkknorpel, aber auch knöcherne und bindegewebige Strukturen, was zur
Deformität des Kniegelenkes führen kann (Netter 1995, Whiteside 2004).
Kleinbart et al (1996) zeigen auf, dass in nicht unerheblichem Maße auch ligamentäre
Strukturen in den degenerativen Prozess miteinbezogen werden, was für die Implantati-
on wesentliche Konsequenzen hat, denn bei arthrosevorgeschädigten Bändern, wie am
Beispiel des hinteren Kreuzbandes (HKB), hat diese arthrotische Vorschädigung direk-
ten Einfluss auf die Wahl des Prothesendesigns, aber auch auf weitere Balancierungen
der Weichteile (Griffin et al 2000, Agneskirchner und Lobenhofer 2004).
Hauptziel der Knie-TEP-Implantation ist eine Schmerzreduktion und eine möglichst
physiologische Kniefunktion (Fehring 2006, Pape und Kohn 2007).
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Die Durchführung der Implantation einer Knie-TEP ist eine technisch anspruchsvolle
Operation. Damit ist das Ergebnis einer erfolgreichen Implantation auch abhängig von
der Präzision, mit welcher die Prothese implantiert wird und ist somit vom Können und
der Erfahrung des Operateurs (Kumar und Dorr 1997, Portheine et al 2002, Lüring et
al 2006a, Briard et al 2007).
Insbesondere die Durchführung des Weichteilmanagement ist eine genuine Aufgabe des
Operateurs und bedarf reichlicher operativer Erfahrung (Kohn und Rupp 2000, Grai-
chen 2007). Bellemans et al (2006) berichten, dass es eine lange Zeit dauern kann, bis
ein Operateur gelernt hat, ob ein Knie entweder adäquat balanciert ist, zu straff oder zu
schlaff ist. Dies zeigt die Schwierigkeit des Balacings auf, das nur durch eine hohe Er-
fahrung des Operateurs optimiert werden kann.
Während sich die Wissenschaft und die Weiterentwicklung in den vergangenen Deka-
den auf das Prothesendesign und die Materialien fokussierten, trat in den letzten Jahren
immer mehr die Operationstechnik und damit vor allem das Weichteil-Balancing in den
Vordergrund (Lüring et al 2006a). Das Management des Kapsel-Band-Apparates wird
von vielen Autoren als das entscheidende Kriterium für die erfolgreiche Implantation
einer Knie-TEP angesehen (Kohn und Rupp 2000, Asano et al 2004, Lüring et al 2005,
Graichen 2007). Da die Fehlstellungen immer aus einer knöchernen Deformität und
einer Dysbalance der Ligamente bestehen, hat die Korrektur der knöchernen Fehlstel-
lung immer auch Einfluss auf die Ausdehnung des Weichteileingriffs (Trepte und
Pflanzelt 2003).
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3.1 Anatomie und Biomechanik des Kniegelenkes Die genaue Kenntnis über den anatomischen Aufbau des Kniegelenks ist eine essentiel-
le Grundvorrausetzung zur Durchführung einer jeden Knieoperation. Gerade weil das
Kniegelenk komplex aufgebaute Ligamente und Gelenkflächen besitzt, deren Zusam-
menspiel auch bis heute nicht vollständig geklärt ist, ist eine genaue Grundkenntnis der
Anatomie und der Biomechanik relevant (Whiteside 2004, Putz et al 2007).
Kummer (1989) beschreibt das Kniegelenk als kraftschlüssiges Gelenk, bei dem der
Bandapparat und die knieumspannende Muskulatur für die Stabilität und einen geordne-
ten Bewegungsablauf sorgen. Das Knie besitzt keine primär knöcherne Führung. Die
beiden Kreuzbänder sind Hauptstabilisatoren gegen eine Anterior-posterior (AP)-
Translation der Tibia und ein wichtiger Teil der Gelenkkinematik des Kniegelenks.
Auch wenn es sekundäre Stabilisatoren gibt, welche die Funktion der Kreuzbänder teil-
weise kompensieren können, bedeutet eine Durchtrennung der Kreuzbänder eine deutli-
che Zunahme der Laxizität in AP-Richtung. In Außenrotation sind beide Kreuzbänder
entspannt, in Innenrotation sind beide gespannt (Butler et al 1980, Müller 1982, Kapan-
dij 1985).
Das vordere Kreuzband (VKB) verhindert ein Subluxieren der Tibia, limitiert die Ex-
tension und begrenzt in Flexionsstellung die Innen- und Außenrotation des Unterschen-
kels (Schultz et al 1984).
Das hintere Kreuzband (HKB) ist ein Flexionsstabilisator, verhindert bei Flexion eine
Subluxation nach vorne und verhindert zusammen mit der Streckmuskulatur ein Vor-
wärtsgleiten der Kondylen beim Laufen, Gehen und Stehen (Kapandij 1985).
Ein Zusammenwirken der beiden Kreuzbänder ist nur in der Endphase der Innenrotation
zu sehen, wo sich das VKB um das HKB wickelt und die Innenrotation dadurch bremst
(Putz et al 2007).
Die Kollateralbänder haben besonders in Extensionsstellung eine stabilisierende Funk-
tion, sowohl in AP-Richtung, als auch in Varus-Valgus. Sie haben somit eine wichtige
seitenstabilisierende Aufgabe am Kniegelenk. Das Innenband stabilisiert gemeinsam
mit dem VKB gegenüber Valgisierung und tibialer Innenrotation, das Außenband stabi-
lisiert zusammen mit dem HKB gegenüber einer Varisierung und einer Außenrotation
der Tibia. Im Gegensatz zum Außenband bleibt das Innenband aufgrund der unter-
schiedlichen Richtungen der einzelnen Faserzüge des Bandes auch in Beugebewegung
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etwas gespannt (Käfer 2002, Putz et al 2007). Wenn die Kreuzbänder reseziert werden,
was bei der Knie-TEP der Fall sein kann, steigt die Beanspruchung der Kollateralbänder
als sekundäre Stabilisatoren für das Kniegelenk weiter an (Briard et al 2007, Graichen et
al 2007).
Die Gelenkskapsel spannt sich um das gesamte Kniegelenk und lässt ventral eine Lü-
cke für die Patella frei. Sie hat eine stabilisierende Funktion besonders in voller Stre-
ckung und wird in unterschiedlicher Weise von Ligamenten verstärkt. Auf den hinteren
Teil der Gelenkskapsel ist bei der Knie-TEP besonders zu achten, da er bei einer Arth-
rose häufig kontrakt ist und ggf. gelöst werden muss (Briard et al 2007).
Die gelenksumspannende Muskulatur des Kniegelenks besteht zum einen aus den Ex-
tensoren, die zu den Teilen des M. quadrizeps femoris gehören und den Flexoren, wie
den Mm. gastrocnemii und der ischiokruralen Muskulatur, die neben ihrer beugenden
Wirkung auch eine rotatorische Wirkung besitzen. Dabei führt der M. biceps femoris als
einziger eine Außenrotation, andere Muskeln wie der M. semitendinosus oder der M.
semimembranosus eine Innenrotation an der Tibia durch (Kraus 2002, Platzer 2005).
Abb.1. Rückansicht des Kniegelenkes (aus Insall und Scott 2002).
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Abb.2. Vorderansicht des Kniegelenkes (aus Insall und Scott 2002). Auf der lateralen Seite des Kniegelenkes sorgen der M. popliteus (Popliteus), das Au-
ßenband, der posterolaterale Kapselbereich und der laterale Gastrocnemius, die alle na-
he der Femurkondyle ansetzen, für eine laterale Stabilisation im gesamten Bewegungs-
bereich. Für eine laterale Stabilisation nur in Extension sorgen der Tractus iliotibialis
(Tractus) und der laterale Teil der posterioren Kapsel, weil sie etwas weiter entfernt von
der epikondylären Achse ansetzen (Whiteside 2004, Putz et al 2007).
3 4 Abb.3. Laterale Seite des Kniegelenkes (aus Whiteside 2004). Abb.4. Wichtige Ansatzpunkte der Ligamente und Muskelsehnen der lateralen Seite (aus Hungerford et al 1984). Auf der medialen Seite des Kniegelenkes sorgt das Innenband mit beiden Teilen für die
primäre Stabilisation in Extension, aber auch in Flexion. Das oberflächliche Innenband
ist in Extension eher entspannt und in Flexion eher angespannt, während die hinteren
Fasern des Innenbandes, wegen ihrer eher posterior am Femur ansetzenden Fasern, in
Extension kontrahiert sind und in Flexion erschlafft. In Extension ist auch die postero-
12
mediale Kapsel angespannt. Die Sehnen des Pes anserinus (Pes) und des Semimembra-
nosus können als aktive Stabilisatoren zusätzlich für eine mediale Stabilität sorgen
(Whiteside 2004, Putz et al 2007).
5 6 Abb.5. Mediale Seite des Kniegelenkes (aus Whiteside 2004). Abb.6. Wichtige Ansatzpunkte der Ligamente und Muskelsehnen der medialen Seite (aus Hungerford et al 1984). In Flexion tragen auf der medialen Seite vor allem der tiefe und der oberflächliche Teil
des Innenbandes zur Stabilisation bei, während dies lateral vom Außenband, vom Popli-
teus, vom Gastrocnemius und der posterolateralen Kapsel getan wird. Als sekundärer
Stabilisator in Varus-Valgus-Richtung dient das HKB (Whiteside 2004).
In Extension tragen diejenigen Strukturen zu einer lateralen Stabilität bei, die senkrecht
zur Gelenksoberfläche laufen. Das sind die Gastrocnemii, die posterolaterale Kapsel,
das Außenband, die laterale hintere Kapsel, der Popliteus und der Tractus. Zur medialen
Stabilität in Extension trägt primär das Innenband mit oberflächlichem, eher lockerem
Teil und tiefem, eher strafferem Teil bei. Daneben spielt auch die posterolaterale Kapsel
eine Rolle, genauso wie der Pes und der Semimembranosus (Whiteside 2004).
Ob die unterschiedlichen Weichteilstrukturen auf der medialen oder lateralen Seite sta-
bilisierende Wirkung in Beugung oder Streckung haben, zeigt die folgende Tab..
13
Abb.7. Aufgaben der medialen und lateralen Weichteilstrukturen für die Stabilität am Kniegelenk (aus Bellemans et al 2005). Die Innenrotation der Tibia wird vor allem durch die Verdrillung der beiden Kreuz-
bänder begrenzt, die Außenrotation im Wesentlichen durch ein stark angespanntes
Außenband (Putz et al 2007).
14
3.2 Allgemeine Einführungen in das Weichteilmanagement der Knie-TEP
Zum Weichteilmanagement gehören einerseits das Weichteil-Balancing, bei dem kon-
trakte Weichteile gelöst werden, und andererseits eine weichteilorientierte Auswahl von
Implantaten. Präoperativ ist eine Beurteilung der Achsenverhältnisse des Kniegelenks
ebenso wichtig wie das Vorliegen von Fehlstellungen und Instabilitäten. Hierzu gehört
unter anderem auch die Betrachtung von Weichteilen, unter Einbeziehung ligamentärer
Insuffizienzen, Bandkontrakturen, Muskelatrophien und Hautnarben.
Aufgrund von Schmerzen und muskulärer Dysfunktion ist das präoperative Ausmaß der
Weichteildeformität bei der präoperativen Untersuchung oft schwer zu ermitteln.
Häufig lässt sich deshalb erst intraoperativ beim relaxierten Patienten, der genaue Zu-
stand der Weichteile feststellen (Jerosch und Heisel 1999, Laskin 1991a).
Die radiologische Untersuchung gibt bei der präoperativen Planung wichtige Hinweise
über das Vorliegen von medialen, lateralen oder dorsalen Osteophyten, die intraoperativ
entfernt werden müssen, da sie ansonsten zu signifikanten Flexionsbehinderungen füh-
ren können (Eike und König 2000). Die körperliche Untersuchung des Patienten gibt
Aufschluss über vorbestehenden Hautnarben und die Hautdurchblutung, was entschei-
dend für einen geeigneten Zugangsweg ist. Ebenso kann man durch diese Untersuchung
neurologische und propriozeptive Defizite, aber auch den präoperativen Bewegungsum-
fang in Flexion und Extension feststellen (Eike und König 2000).
Damit eine Fehlerquote beim Balancing der Weichteile möglichst gering bleibt, schla-
gen Jerosch und Heisel (1999) eine dreifache Überprüfung der Weichteilbalance vor.
Bereits direkt nach der Narkoseeinleitung wird das Bein nach Kontrakturen untersucht,
als zweites nach der Resektion des distalen Femur mit Hilfe von Distraktoren und Aus-
richtungsleitsystemen und abschließend nach Resektion der Tibia, wo der Einfluss von
vorhandenen Osteophyten ausgeschaltet ist. Diese mehrfache Untersuchung auf die
Weichteilbalance wird auch von anderen Autoren unterstützt (Freeman 1980, Insall
1984, Laskin 1991a). Für Briard et al (2007) ist die Kontrolle der Weichteile während
der Implantation der TEP der mit Abstand wichtigste Schritt der Operation um einen
adäquaten Erfolg verbuchen zu können.
Zum Begriff "Weichteil-Balancing" gehört neben der Auswahl spezieller und korrekter
Prothesenkomponenten, welche die Flexions- und Extensionsintervalle adäquat ausfül-
15
len sollen, auch die Erzielung eines physiologischen Beinalignments mit passender Li-
gamentspannung, das zumeist durch ein Release kontrakter Weichteile der konkaven
Seite der Deformität erreicht wird. Gut erhaltene Weichteile steuern das Bewegungs-
muster des künstlichen Gelenkes und kontrollieren die Stabilität des gesamten Bewe-
gungsausmaßes und sind deshalb von besonderer Bedeutung für die Gelenkmechanik
(Briard et al 2007).
Ziel des Weichteil-Balancings sind zum einen rechteckige und gleich große Extensions-
und Flexionslücken, zum anderen gleichmäßige Spannung der medial und lateral rele-
vanten Weichteile (Asano et al 2004).
16
Fragestellung
Ziel der vorliegenden Arbeit ist es, einen umfassenden Überblick über den derzeitigen
Kenntnisstand über das Weichteil-Balancing bei der Implantation der Knieendoprothese
darzustellen.
Zum Weichteil-Balancing der Knieendoprothese wird neben der klassischen Balancie-
rung der Bänder und Muskelansätze bei verschiedenen Deformitäten auch der weitere
Umgang mit den Weichteilen des Kniegelenkes implementiert.
Da nach Claus und Scharf (2007) der operative Zugangsweg zum Kniegelenk das
Weichteil-Balacing beeinflussen kann, wird in dieser Arbeit anfangs auf die Wahl des
operativen Zugangs zum Kniegelenk eingegangen. Es werden die Vor- und Nachteile
einer jeden Arthrotomie zum Kniegelenk aus der Literatur gefiltert und die Indikationen
und Kontraindikationen der genannten Zugänge miteinander verglichen.
Im Hinblick auf die bestehenden Techniken des Weichteil-Balacings wird speziell auf
die Release-Techniken der einzelenen Weichteilstrukturen bei verschiedenen Deformi-
täten des Kniegelenkes eingegangen. Neben der anatomischen und funktionellen Be-
schreibung der einzelnen Weichteilstrukturen, wird auch nach verschiedenen Release-
Techniken dieser Strukturen gesucht, nach dem besten intraoperativen Zeitpunkt eines
Releases, nach der Auswirkung eines möglichen Releases und nach dem bisherigen kli-
nischen Einsatz solcher Release-Vorgänge bei der Implantation einer Knie-TEP.
17
4. Literaturanalyse über das Weichteil-Balancing der Knie-TEP 4.1 Methodik der Literaturanalyse Die Informationsquelle dieser Literaturrecherche waren zum einen Fachberichte in me-
dizinischen Zeitschriften zum anderen medizinische Fachartikel in Büchern und Ge-
samtausgaben von medizischen Büchern.
Die Suche nach einzelnen Fachartikeln aus medizinischen Zeitschriften wurde durch
eine Internet-Recherche bei "PubMed" (www.pubmed.com) durchgeführt. Die Ent-
scheidung für die Literatursuche bei Pubmed lässt sich durch den gut strukturierten
Aufbau der Internetseite begründen. Nach Stichworten und Themen können hier viele
verschiedne Artikel gesucht und geordnet werden. Nach Auffinden eines passenden
Artikels können durch die Suchfunktion "related articles" die zu diesem bestimmten
Thema veröffentlichten Artikel aufgesucht werden.
Die Suche nach einzelnen Fachartikeln aus Büchern oder nach Gesamtausgaben von
Büchern wurde über die Internet-Seite der Zentralbibliothek der Medizin in Deutschland
(ZbMed) in Köln (www.zbmed.de) durchgeführt.
Folgende Schritte wurden in der Recherche nach passenden Artikeln in genauer Reihen-
folge ausgeführt:
1. Zur Systematisierung des Themas wurde als erstes auf der Internetseite der Zent-
ralbibliothek der Medizin in Deutschland (www.zbmed.de) nach zum Thema
passenden Gesamtausgaben von Büchern in deutscher und englischer Sprache
gesucht. Verwendete Suchbegriffe im "OPAC-Such-System" der Zbmed waren:
Knieendoprothetik, total knee arthroplasty, total knee replacement, knee arthro-
plasty, Weichteil-Balancing, soft tissue-balancing.
2. Sobald ein Überblick über die chirurgische Maßnahme der Implantation der
Knieendoprothese und der Weichteil-Balancierung bestand und eine Art Gliede-
rung und Systematisierung erstellt werden konnte, wurde in der Literaturdaten-
bank "PubMed" (www.pubmed.com) im Internet nach zum Thema passenden
Artikeln in englischer Sprache mit folgenden Stichworten gesucht:
• 1. Such-Durchgang (allgemein): knee endoprosthesis, total knee arthro-
plasty, total knee replacement, soft tissue-balancing, tka, knee surgery.
18
• 2. Such-Durchgang (Deformitäten): valgus knee tka, valgus deformity
tka, varus deformity tka, varus knee tka, flexion contracture tka, flexion
deformity tka, recurvatum tka.
• 3. Such-Durchgang (Weichteile): pcl tka, cruciate ligaments tka, mcl tka,
lcl tka, collateral ligaments tka, popliteus tka, iliotibialband tka.
• 4. Such-Durchgang (Zugangsweg): approach tka, medial parapatellar,
lateral parapatellar, midvastus, subvastus, mini-incision, minimally-
invasive.
3. Sobald ein passender Titel eines Artikels gefunden wurde, konnte durch den
"Abstract" des Artikels verifiziert werden, ob der Inhalt des Artikels zum Thema
passt.
4. Wenn der "Abstract" zum Thema passte, wurde dieser für die spätere Suche nach
den Volltexten ausgedruckt.
5. Sobald der "Abstract" eines Artikels gesichert war, wurde im "PubMed" nach
dem vorliegenden Artikel verwante Artikel gesucht, indem die Suchfunktion
"related articles" verwendet wurde.
6. Sobald wieder ein "Abstract" gefunden wurde, der zum Thema passte, wurde bei
diesem Artikel erneut nach "related articles" gesucht. Diese Art der Suche wurde
solange fortgesetzt, bis zu jedem Einzelthema der eigenen Gliederung möglichst
alle neuesten zum Thema gehörenden Artikel und dem Thema verwandten Arti-
kel zusammen gesammelt waren. 876 Abstracts wurden für diese Dissertation
ausgewählt.
7. Am Ende der PubMed-Suche wurde nochmals nach Autoren gesucht, die mehre-
re Artikel zum Thema veröffentlicht haben. Hier ragen vor allem folgende Auto-
ren heraus: Whiteside LA, Laskin RS, Krackow KA, Insall JN, Mihalko WM,
Ranawat CS, Scuderi GR und Lüring C.
Die Erlangung der Volltexte wurde danach anhand der ausgedruckten "Abstracts" vor-
rangetrieben. Einige Volltexte konnten bereits im Internet bei verschiedenen Online-
Seiten von Bücher-Verlagen heruntergeladen werden, weil diese im Internet frei zu-
gänglich waren. Andere Texte konnten über die Internet-Seite der Universitätsbibliothek
Erlangen erlangt werden, die für einige Fachzeitschriften eine Online-Berechtigung be-
sitzt. Der Großteil der Fachartikel musste jedoch über die Zbmed in Köln bestellt oder
vor Ort persönlich aus den Zeitschriften kopiert werden. 370 Artikel wurden für diese
Arbeit ausgewertet.
19
Am Ende der Literatur-Suche wurden über die Internet-Seiten der ZbMed in Köln zum
Thema passende bereits bestehende Dissertationen gesucht. Zum Weichteil-Balacing
der Knieendoprothese ließ sich zu diesem Zeitpunkt keine Dissertation finden.
20
4.2 Operative Zugangswege 4.2.1 Allgemeine Vorbemerkungen Zu den wichtigsten intraoperativen Entscheidungen, die ein Operateur treffen muss, ist
die Wahl des geeigneten Hautschnittes und die Wahl der geeigneten Arthrotomie.
Bereits der chirurgische Zugang zum Kniegelenk birgt mehrere potentielle Risiken für
Komplikationen. Ein unadäquat durchgeführter Zugang kann neben Infektionen auch zu
Wundheilungsstörungen, Rupturen des Extensor-Apparates und Patellafrakturen führen
(Clarke und Scuderi 2001). Es wurden viele unterschiedliche Zugangsmöglichkeiten
zum Kniegelenk zur TEP-Implantation entwickelt, die alle das gemeinsame Ziel haben,
den Extensor-Apparat möglichst zu schonen und eine Zerstörung der patellaren Blutzu-
fuhr zu reduzieren (Parentis et al 1999).
Der Zugang zum Kniegelenk sollte dem Operateur auf jeden Fall die Möglichkeit bie-
ten, die für eine korrekte Implantation einer Knie-TEP notwendigen chirurgischen
Schritte durchführen zu können. Wenn bei schwierigen Deformitäten bestimmte Weich-
teilrelease-Schritte notwendig werden, ist es für den Operateur von größter Wichtigkeit
ausreichende Exposition zum Kniegelenk zu haben, damit er sowohl bei Varus- als auch
bei Valgusdeformität die mediale und auch die laterale Kniegelenksseite, sowie beidsei-
tig auch die posterioren Ecken erreichen kann, weil sich dort die Ansätze von eventuell
zu lösenden Weichteilstrukturen befinden (Harwin 2003).
Neben dem medialen parapatellaren Zugang zur Arthrotomie des Kniegelenkes gibt es
den medialen Midvastus-Zugang, den Subvastus-Zugang und den direkten lateralen
Zugang. Diese Zugänge können mit Modifikationen und Erweiterungen der Öffnungs-
fläche versehen werden (Keblish 2002).
Fast alle heutzutage gängigen konventionellen Zugänge haben als Hautschnitt eine
anteriore Längsinzision in der Mittellinie gemeinsam, welche eine sehr ausgedehnte
Expostion auf das Kniegelenk bietet, sowohl für die primäre als auch für die Revisions-
TEP (Clarke und Scuderi 2001). Als Alternative gilt auch die Verwendung von media-
len und lateralen parapatellaren Hautschnitten, wie z.B. dem Payr-Schnitt auf der me-
dialen Seite. Die Mehrzahl der Operateure legt aber großen Wert auf eine ausreichende
Exposition zum Kniegelenk auf alle Kniekompartimente und will dies durch eine ab-
seits der Mittellinie durchgeführten Hautschnittt nicht gefährden.
21
Abb.8. Hautinzisionen: Durchgezogene Linie: Längsinzision in der Mittellinie; gestri-chelte Linie: parapatelllaren Inzisionen nach Payr (aus Eulert und Hassenpflug 2001).
In jüngster Zeit hat der Trend der minimal-invasiven Chirurgie auch in der Knieen-
doprothetik zunehmend Einzug gehalten. Scuderi et al (2004) berichten von einer Mi-
nimal-Inzision sowohl beim medialen parapatellaren Zugang, als auch beim Subvastus
und Midvastus. Bisher wurde eine Knie-TEP über einen 20-25 cm langen Zugang
durchgeführt. Bei der minimal invasiven Chirurgie und Verwendung von Mini-
Inzisionen werden Zugänge mit Hautschnitten von 10-14 cm Länge, teilweise auch nur
noch 8,5-12 cm, verwendet, was einem Schnitt vom oberen Rand der Tuberositas bis
zum oberen Rand der Patella entspricht (Scuderi et al 2004, Haas et al 2005, Tenholder
et al 2005). Mit einer kleineren Inzision auch im Kapselbereich soll die chirurgische
Dissektion besonders des Vastus medialis möglichst begrenzt werden, ohne den Opera-
tionsvorgang einzuschränken (Scuderi et al 2004, Haas et al 2005).
Zu den Vorteilen eines minimal-invasiven Hautschnitts gehören ein geringerer postope-
rativer Schmerz, weniger Blutverlust und eine schnellere und frühere Wiederkehr zur
vorherigen Kniefunktion (Scuderi et al 2004, Haas et al 2005). Für eine Mini-Inzision
sind aber nicht alle Patienten geeignet. Höhergradige Deformitäten des Kniegelenkes,
bei denen ein ausgedehnteres Weichteil-Balancing notwendig ist, sollten nicht mit einer
minimal-invasiven Inzision kombiniert werden (Scuderi et al 2004). Die Auswahl der
Patienten ist aufgrund der geringeren Sicht bei kleineren Inzisionen von besonderer Be-
deutung für den Erfolg der minimal-invasiven Zugänge (Scuderi et al 2004). Revisions-
operationen sehen Hart et al (2006) für minimal-invasive Zugänge als zu anspruchsvoll
und nicht geeignet.
22
4.2.2 Mediale parapatellare Arthrotomie Bereits 1879 beschrieb von Langenbeck den medialen parapatellaren Zugang. Dieser Zugang ist zusammen mit seinen Modifikationen der am häufigsten verwendetet
Zugang zur Kniegelenkseröffnung bei der Implantation einer Knieendoprothese seit
Entwicklung der Kniegelenksendoprothetik (Insall 1971, Hofmann et al 1991, Engh und
Parks 1998, Fiddian et al 1998, Fisher et al 1998, Cooper et al 1999, Dalury und Jiranek
1999, Keating et al 1999, Parentis et al 1999, White et al 1999, Roysam und Oakley
2001, Keblish 2002, Cushner 2003, Harwin 2003, Keblish 2003, Laskin et al 2004,
Scuderi et al 2004).
Dieser Zugang führt bei Deformitäten der koronaren Ebene zu unterschiedlichen Ergeb-
nissen, wobei dieser Zugang bei einer Valgusdeformität schlechter abschneidet als bei
einer Varusdeformität (Fiddian et al 1998, Tsai et al 2001). Da er beim Varusknie aber
sehr gut einsetzbar ist, und die Varusdeformität am häufigsten präoperativ vor einer
Knie-TEP vorliegt, ist dieser Zugang bei der überwiegenden Mehrzahl der Patienten
indiziert (Keblish 2002).
Technik: Der Schnitt zur Arthrotomie wird proximal medial der Quadrizepssehne angesetzt, und
entlang der medialen Seite der Quadrizepssehne gezogen, um dadurch den Rectus femo-
ris von den Fasern des Vastus medialis zu splitten, während letzter intakt bleibt. Dieser
Schnitt wird durch das mediale patellare Retinakulum um die mediale Seite der Patella
nach distal herumgezogen, wobei die medialen Fasern der Quadrizepssehne von ihrem
Ansatz an der Patella gelöst werden. Dabei wird beachtet, dass ausreichend Weichteile
an der Patella für den Wundverschluß verbleiben. Dieser Schnitt wird weiter distal über
die proximale Tibia geführt, am medialen Rand der Patellasehne entlang, nach distal bis
zur Höhe der Tuberositas tibiae (Engh et al 1997, Engh und Parks 1998, Fisher et al
1998, Cooper et al 1999, Parentis et al 1999, White et al 1999, Harwin 2003, Scuderi et
al 2004).
23
Modifikationen: Um verschiedene Schwierigkeiten dieses Zugangs zu vermeiden, haben unterschiedli-
che Autoren verschiedene Modifikationen zu diesem Zugang entwickelt und verwen-
det (Engh und Ammeen 2003, Harwin 2003, Scuderi et al 2004).
Die erste bekannte Modifikation des medial parapatellaren Zugangs entstand durch In-
sall (1971). Bei ihm wird die Kapselinzision nicht medial um die Patella herumgeführt,
sondern der Schnitt über das mediale Drittel der Patella hinweg gezogen um auf diese
Weise die Quadrizepssehne von der Patella zu lösen. Insall bezeichnete diese Modifika-
tion als Mittellinien-Zugang, welcher sich ebenfalls großer Beliebtheit erfreut, weil er
die Ansätze des Vastus medialis an der Patella schont (Keating et al 1999, White et al
1999, Engh und Ammeen 2003, Harwin 2003, Scuderi et al 2004).
Abb.9. Medialer parapatellarer Zugang (links), Mittellinien-Zugang von Insall (rechts) (aus Engh et al 1997) (gestrichelte Linie markiert jeweils die Schnittführung). Bei adipösen Patienten oder solchen mit eingeschränkter Knieflexion kann dieser Stan-
dardzugang, wie oben schon erwähnt, erweitert werden, indem mediale Fasern der Pa-
tellasehne, die an der Tuberositas tibiae ansetzen, gelöst werden (Engh et al 1997).
Cushner (2003) berichtet dagegen von einer anderen Möglichkeit der Erweiterung des
Zugangs, nämlich proximal durch einen sog. "Quadriceps-Snip".
24
Im Zusammenhang mit der minimal invasiven Technik in der Knieendoprothetik, be-
richten Scuderi et al (2004) von einer Mini-Inzision als chirurgischem Zugang zum
Kniegelenk. Diese Autoren sehen den medialen parapatellaren Zugang im Bereich Viel-
seitigkeit und Wandlungsfähigkeit in minimal invasiver Technik besser als den Sub-
oder Midvastuszugang. Hierbei ist der Schnitt von Haut und Kapsel auf Höhe der vor-
deren Mittellinie nur noch 10-14 cm lang und zieht vom oberen Patellapol zum oberen
Rand der Tuberositas tibiae. Dies erlaubt neben einer adäquaten Exposition zum Ge-
lenk, auch eine Subluxation der Patella, aber keine Eversion (Scuderi et al 2005, Ten-
holder et al 2005). Falls der Bedarf für eine Verlängerung des minimal invasiven
Zugnages besteht, kann der Schnitt durch eine Verlängerung der Inzision in der Quadri-
zepssehne auf eine traditionelle Länge gebracht werden. Ab 14 cm Länge wird der
Schnitt aber nicht mehr als minimal-invasiv bezeichnet (Scuderi et al 2004, Tenholder
et al 2005). Tenholder et al (2005) berichten zugleich, dass direkt anschließend an diese
Mini-Inzision eine Elevation des tiefen Innenbandes, der posteromedialen Kapsel und
des Semimembranosus durchgeführt werden kann, um dadurch eine adäquate Einsicht
in das Gelenk zu erlangen.
Indikationen: Haupindikationen für den Standardzugang sind das präoperative Varusknie und Kniege-
lenke mit normaler Beinachse (Keblish 2002). Daneben sind aufgrund der guten Sicht
auf alle Kniekompartimente, alle anderen Deformitäten über diesen Standardzugang
ebenfalls erreichbar und hierfür indiziert (Engh et al 1997, Scuderi et al 2004).
Durch die gute Kombinierbarkeit mit Expositionserweiterungen kann dieser Zugang in
nahezu allen Fällen uneingeschränkt eingesetzt werden und besitzt keine publizierten
Kontraindikationen (Clarke und Scuderi 2001, Scuderi et al 2004).
Vorteile: Die langjährige Verwendung des medialen parapatellaren Zugangs in der Knieen-
doprothetik zeigt eine große Anzahl an wichtigen Vorteilen, die den Erfolg und die häu-
fige Verwendung dieses Zuganges bis heute hin erklären.
Die folgende Tab. 1 zeigt die verschiedenen positiven Aspekte, welche der mediale pa-
rapatellare Zugang dem Operateur bei der Knieeröffnung bietet.
25
Tab. 1: Vorteile der medialen parapatellaren Arthrotomie
Vorteile Literaturangaben
Gute Sicht auf das Kniegelenk
Insall 1971, Hofmann et al 1991, Faure et al 1993, Engh et al 1997, Fisher et al 1998, Engh und Parks 1998, Dalury und Jiranek 1999, Keating et al 1999, Roysam und Oakley 2001, Harwin 2003, Scuderi et al 2004, Pape und Kohn 2007
Vielseitige Einsetzbarkeit Engh et al 1997, Roysam und Oakley 2001, Tsai et al 2001, Scuderi et al 2004
Lange Bekanntheit, häufige Verwendung, dadurch gute Erfahrungen
Fiddian et al 1998, Dalury und Jiranek 1999, Keblish 2003, Scuderi et al 2004
Einfache Durchführbarkeit Engh et al 1997, Engh und Parks 1998, Keating et al 1999, Scuderi et al 2004
Niedrige Inzidenz an Komplikationen Hofmann et al 1991, Cushner 2003, Scuderi et al 2004 Gute Kombinierbarkeit mit Schnitterweiterungen Clarke und Scuderi 2001, Scuderi et al 2004
Aufgrund der exzellenten Sicht, welche dieser Zugang auf das Kniegelenk bietet, kann
er bei verschiedenen Deformitäten vielseitig eingesetzt werden. Die einfache Durchfü-
hrbarkeit der Technik und die gute Kombinierbarkeit mit Erweiterungen wie VY-Plastik
oder Quadriceps-Snip sind Grundlage dafür, dass dieser Zugang seit langer Zeit von
allen Zugängen zum Kniegelenk am häufigsten verwendet wird. Ein zusätzlicher Faktor,
der ebenfalls mit der einfach durchzuführenden Technik zu belegen ist, ist das seltene
Auftreten von Komplikationen, die mit diesem Zugang erbunden sind.
Nachteile: Tab. 2 zeigt, dass die Durchführung des medialen parapatellaren Zuganges auch
nachteilige Folgen für das Kniegelenk und das Operationsergebnis haben kann.
Tab. 2: Nachteile des medialen parapatellaren Zuganges
Nachteile Literturangaben
Verletzung des Streckappartes Parentis et al 1999, White et al 1999, Matsueda und Gustilo 2000, Roysam und Oakley 2001
Verletzung der Blutversorgung der Patella
Insall 1971, Hofmann et al 1991, Keblish 1991, Faure et al 1993, Fiddian et al 1998, Cooper et al 1999, Parentis et al 1999, Maestro et al 2000, Roysam und Oakley 2001, Cushner 2003, Harwin 2003, Keblish 2003
Häufiger Notwendigkeit eines lateralen Retinakulum-Release
Faure et al 1993, Engh et al 1997, Engh und Parks 1998, Fiddian et al 1998, Parentis et al 1999, Maestro et al 2000, Tsai et al 2001, Keblish 2003
Hoher Blutverlust Parentis et al 1999 Probleme beim Wundverschluß Roysam und Oakley 2001, Tsai et al 2001
Probleme mit der Stabilität und dem Gleiten der Patella Keblish 1991, Matsueda und Gustilo 2000, Harwin 2003, Keblish 2003, Weinhardt et al 2004
Nur indirekter Zugang beim Valgusknie Keblish 1991, Keblish 2003 Probleme mit dem patellofemoralen Gelenk gelten als die häufigsten früh auftretenden
Komplikationen bei diesem Zugang (Faure et al 1993, Engh et al 1997). Eine patellofe-
26
morale Instabilität entsteht chirurgisch immer dann, wenn ein Teil des Streckapparates
durch die chirurgische Technik gelöst wird (Engh et al 1997). Zu den patellaren post-
operativen Komplikationen zählt neben einem patellaren Fehlgleiten im Lager auch eine
Subluxation und Dislokation der Patella.
In besonderem Maße wird vor einer Verletzung der Blutversorgung der Patella ge-
warnt, die im Zuge der Schnittführung auftreten kann. Dies kann zu einem erhöhten
Blutverlust führen. Es werden vor allem die deszendierende, die obere mediale und un-
tere mediale Geniculararterie bei der Schnittführung durchschnitten, aber ebenso die
intratendinöse und intraossäre Blutversorgung (Faure et al 1993, Parentis et al 1999,
Cushner 2003, Harwin 2003). Solch eine Verletzung der vaskulären Versorgung der
Patella, kann zu Patellanekrose und einer Patellafraktur oder anteriorem Knieschmerz
führen (Royam und Oakley 2001).
Es besteht beim medianen parapatellaren Zugang deutlich häufiger die Indikation zur
Durchführung eines lateralen Retinakulum-Release zur Erreichung einer patellofemo-
ralen Stabilität. Diese Kombination aus Standardzugang und lateralem Retinakulum-
Release führt zusätzlich zu Durchblutungsstörungen der Patella. Dies resultiert daraus,
dass der Standardzugang die mediale Blutzufuhr der Patella kompromittiert und ein
zusätzliches laterales Release auch die Blutzufuhr auf der lateralen Seite schädigt.
Im Falle einer Valgusdeformität gilt der Standardzugang bei einigen Operateuren als
zu indirekt und zu weit entfernt vom zu operierenden Gebiet mit der Schwierigkeit, an
die laterale Seite des Kniegelenkes zu gelangen, wo bei dieser Deformität zusätzlich ein
ausgedehntes laterales Weichteilrelease erforderlich ist. Zudem kann dieser Zugang
auch zu Problemen beim Wundverschluß führen.
27
4.2.3 Subvastus Zugang Der mediale Subvastus-Zugang, der auch "Southern Approach" oder "Subvastus" ge-
nannt wird, gilt als eine Alternative zum medialen parapatellaren Zugang (Hofmann et
al 1991, Faure et al 1993, Bindeglass und Vince 1996, Parentis et al 1999, Keblish
2002).
Dieser Zugang wurde zuerst von Erkes (1929) in Deutschland erwähnt, Hofmann et al
(1991) brachten diesen Zugang dann als Alternative bei der Knie-TEP in der englischen
Literatur ins Gespräch.
Technik: Der distale Teil des Zugangs wird in ähnlicher Weise wie beim medialen parapatellaren
Zugang durchgeführt. Ab der unteren Grenze des Vastus medialis obliquus wird die
Inzision nach proximal unterhalb des Muskels entlang der medialen Grenze des Vastus
medialis bis zum intermuskulären Septum gezogen, scharf mit einem Messer oder ei-
nem Elektrokauter. Mit stumpfem Finger oder scharf per Schere wird dann der Vastus
medialis vom medialen intermuskulären Septum und dem Femurknochen teilweise ge-
trennt, ungefähr 10 cm nach proximal bis zum Adduktorentuberkel. Dabei sollte auf die
deszendierende Genikulararterie geachtet werden, die entlang des medialen intermusku-
lären Septums verläuft und möglichst erhalten bleiben soll (Hofmann et al 1991, Faure
et al 1993, Engh und Parks 1999, Cooper et al 1999, Roysam und Oakley 2001, Keblish
2002, Cushner 2003, Gore et al 2003, Harwin 2003, Scuderi et al 2004). Um eine Ever-
sion der Patella zu ermöglichen wird dann eine transverse Inzision durch die mediale
Kapsel auf Höhe der mittleren Patella durchgeführt, ansteigend entlang der medialen
Seite der unteren Hälfte der Patella und der Patellarsehne (Roysam und Oakley 2001,
Cushner 2003).
28
Modifikationen: Gore et al (2003) stellen eine Modifikation des Subvastus durch proximale Erweiterung
vor, die diesem Zugang dazu verhilft auch, bei adipösen Patienten eingesetzt zu werden.
Die Autoren sehen durch ihre Modifikation eine bessere Einsicht aufs Gelenk, was zu-
vor ein Hauptkritikpunkt am Subvastus war und würdigen den Einsatz dieser Erweite-
rung in allen Situationen als gleichwertig zum medialen parapatellaren Zugang.
Für eine Erweiterung des Subvastus ist die lokale Anatomie in besonderem Maße
wichtig, da die Erweiterung dieses Zugangs proximal bis auf 10 cm vom Adduktorentu-
berkel beschränkt ist, weil in dieser Region der Hiatus adductor mit den femoralen Ge-
fäßen liegt und geschützt werden muss (Scuderi et al 2004). Eine Erweiterung der Er-
öffnung des Kniegelenkes kann durch Release der tibialen Weichteilmanschette in
schwierigen Fällen verbessert werden. Zur Verbesserung einer weiteren Mobilisation
der Patella kann eine kurze sagittale Inzision der unteren Vastus medialis obliquus-
Sehne durchgeführt werden (Keblish 2002).
Eine minimal-invasive Inzision ist bei diesem Zugang nur möglich, wenn die Patienten
sorgfälltig unter Berücksichtigung der Kontraindikationen ausgewählt werden (Scuderi
et al 2004). Der Hautschnitt ist hierbei nur 9-10 cm lang, der Vastus medialis wird be-
wahrt, die Gelenkkapsel nur so weit wie notwendig durchtrennt und die Patella wird
nach lateral verschoben und nicht evertiert, sodass die entstehende Öffnung als mobiles
Fenster benutzt werden kann. Die Vorteile dieses minimal-invasiven Zuganges sind nur
zeitlich begrenzt und nach etwa 6 Wochen postoperativ gibt es kaum noch Unterschiede
zum medialen parapatellaren Zugang (Hart et al 2006).
Boerger et al (2005) berichten von Vorteilen nicht nur in der frühen Kniebewegung,
sondern auch in der postoperativen Schmerzbewertung. Nachteile sind in einer verlän-
gerter OP-Zeit und einer höheren Komplikationsrate zu sehen.
Abb.10. Subvastus-Zugang (gestrichel-te Linie): Ansicht von vorne (aus Robbins et al 2001), von seitlich (aus Scuderi et al 2004).
29
Indikationen und Kontraindikationen: Trotz theoretischer Vorteile, gilt dieser Zugang nicht als operativer Standard in der or-
thopädischen Implantation von Knie-TEPs und wird in der Praxis nicht regelmäßig
verwendet (Hofmann et al 1991, Roysam und Oakley 2001, Weinhardt et al 2004). Der
Subvastus ist eine weniger invasive Methode als der mediale parapatellare Zugang
(Matsueda und Gustilo 2000) und gilt dadurch als das chirurgisch ästhetischere Verfah-
ren zur Eröffnung des Kniegelenkes (Roysam und Oakley 2001).
Tab. 3: Indikationen des Subvastus-Zuganges
Indikationen Literaturangaben
Ausgewählte Patienten bei Routine-Operationen
Maric 1991, Hofmann et al 1991, Peters et al 1992, Faure et al 1993, Engh et al 1997, Cooper et al 1999, Matsueda und Gustilo 2000, Roysam und Oakley 2001, Keblish 2002, Cushner 2003, Gore et al 2003, Harwin 2003, Weinhardt et al 2004
Unversehrtheit von muskulärer und vaskulärer Anato-mie
Hofmann et l 991, Matsueda und Gustilo 2000, Roysam und Oakley 2001
Geplante Osteotomie der Tuberositas tibiae Keblish 2002 Hohe Knieinstabilität mit leicht mobilisierbarem Streckapparat Keblish 2002
Tab. 4: Kontraindiaktionen des Subvastus-Zuganges
Kontraindikatioen Literaturangaben
Übergewicht und Fettleibigkeit
Hofmann et al 1991, Faure et al 1993, Engh et al 1997, Cooper et al 1999, Matsueda und Gustilo 2000, Roy-sam und Oakley 2001, Keblish 2002, Cushner 2003, Gore et al 2003, Harwin 2003
Revisionsoperationen Hofmann et al 1991, Engh et al 1997, Cooper et al 1999, Matsueda und Gustilo 2000, Roysam und Oak-ley 2001, Gore et al 2003
Jede vorherige Arthrotomie Hofmann et al 1991, Cooper et al 1999, Matsueda und Gustilo 2000, Roysam und Oakley 2001, Cushner 2003
Vorherige hohe Tibiaosteotomien Hofmann et al 1991, Cooper et al 1999, Matsueda und Gustilo 2000, Roysam und Oakley 2001, Cushner 2003
Schwere Deformitäten Hofmann et al 1991, Faure et al 1993, Engh et al 1997, Cooper et al 1999, Matsueda und Gustilo 2000, Roy-sam und Oakley 2001, Cushner 2003, Harwin 2003
Steife Kniegelenke Hofmann et al 1991, Cooper et al 1991, Roysam und Oakley 2001, Keblish 2002, Harwin 2003
Fixierter Valgus Hofmann et al 1991, Faure et al 1993, Fisher et al 1998, Cooper et al 1999, Roysam und Oakley 2001, Keblish 2002. Cushner 2003
Kurze muskuläre Beine Hofmann et al 1991, Cooper et al 1999, Matsueda und Gustilo 2000, Roysam und Oakley 2001, Keblish 2002, Cushner 2003
Hypertrophische Arthropathien Hofmann et al 1991, Cooper et al 1999, Roysam und Oakley 2001
Ischämiegefährdete Haut Hofmann et al 1991, Cooper et al 1999, Roysam und Oakley 2001, Cushner 2003
Patella infera / Patella baja Hofmann et al 1991, Cooper et al 1999, Roysam und Oakley 2001, Cushner 2003
30
Nach Cushner (2003) besitzt der Subvastus einige Vorteile verglichen mit dem media-
len parapatellaren Zugang. Er ist aber nicht bei jedem Kniegelenk der richtige Zu-
gangsweg zum Knie. Daneben führt der Subvastus bei ausgewählten Patienten zu besse-
ren Ergebnissen in der frühen postoperativen Periode, was sich aber mit der Zeit nach
der Operation den Ergebnissen des medialen parapatellaren Zuganges langfristig annä-
hert (Cushner 2003). Diese für die Verwendung des Subvastuszuganges ausgewählten
Patienten sollten möglichst wenige Deformitäten und Narben von vorherigen Operatio-
nen am Kniegelenk haben und einen möglichst funktionsfähigen Extensormechanismus.
In Tab. 4 werden einige der präoperativen Gegebenheiten aufgelistet, die als eine Kont-
raindikation des Subvastus in der Literatur aufgeführt werden.
Vorteile: Die theoretischen Vorteile, die der Subvastus bietet, basieren auf einer Erhaltung eines
intakten Streckapparates, was von vielen Autoren in Studien bestätigt wird. Diese Vor-
teile beziehen sich in vielen Studien im Vergleich zum medialen parapatellaren Zugang,
Vergleichsstudien zu anderen Zugängen sind eher selten.
Tab. 5: Auflistung der Vorteile des Subvastus-Zuganges
Vorteile Literaturangaben Inzision an der Anatomie orientiert Hofmann et al 1991, Scuderi et al 2004 Exzellente Sicht Hofmann et al 1991, Roysam und Oakley 2001
Frühere Rückkehr zu vollständiger Quadrizepskontrolle Maric 1991, Faure et al 1993, Engh et al 1997, Fisher et al 1998, Roysam und Oakley 2001, Gore 2003, Scuderi et al 2004, Weinhardt et al 2004
Gesenkter postoperativer Schmerz
Maric 1991, Peters et al 1992, Faure et al 1993, Engh et al 1997, Parentis et al 1999, Roysam und Oakley 2001, Gore et al 2003, Harwin 2003, Scuderi et al 2004, Weinhardt et al 2004, Hart et al 2006
Verbesserte Quadrizepskraft Faure et al 1993, Engh et al 1997, Parentis et al 1999, Chang et al 2002, Chila et al 2002, Scuderi et al 2004
Besseres zentralisiertes patellares Gleiten Maric 1991, Engh et al 1997, Parentis et al 1999, Matsueda und Gustilo 2000, Keblish 2002, Gore et al 2003, Scuderi et al 2004, Weinhardt et al 2004
Schonung der patellaren Blutzufuhr
Hofmann et al 1991, Faure et al 1993, Engh et al 1997, Cooper et al 1999, Matsueda und Gustilo 2000, Roy-sam und Oakley 2001, Keblish 2002, Gore et al 2003, Scuderi et al 2004, Weinhardt et al 2004
Seltener laterales Retinakulum-Release Faure et al 1993, Bindeglass und Vince 1996, Parentis et al 1999, Matsueda und Gustilo 2000, Keblish 2002, Gore et al 2003, Harwin 2003
Weniger Blutverlust Faure et al 1993, Roysam und Oakley 2001
Frühere Entlassung aus dem Krankenhaus Maric 1991, Faure et al 1993, Roysam und Oakley 2001
Leichte und schnelle Durchführbarkeit, keine Verlänge-rung der OP-Zeit Hofmann et al 1991, Matsueda und Gustilo 2000
Schnellere Rehablitation Cooper et al 1999, Keblish 2002, Harwin 2003 Weniger Wundkomplikationen Faure et al 1993
31
Geringere Quadrizepsverletzung
Hofmann et al 1991, Faure et al 1993, Engh et al 1997, Fisher et al 1998, Cooper et al 1999, Parentis et al 1999, White et al 1999, Matsueda und Gustilo 2000, Roysam und Oakley 2001, Keblish 2002, Gore et al 2003, Harwin 2003, Scuderi et al 2004, Weinhardt et al 2004
Geringerer valgisierender Effekt aufs Kniegelenk Lüring et al 2006a
Tab. 3 zeigt den Subvastus-Zugang im Vergleich zum medialen parapatellaren Zugang
als den mehr an der Anatomie orientierten Zugang. Dieser Zugang ist leicht und schnell
durchführbar und führt eben nicht zu einer verlängerten OP-Zeit. Außerdem bietet die-
ser Zugang eine exzellente Sicht auf das Kniegelenk (Hofmann et al 1991, Roysam und
Oakley 2001).
Es entsteht bei diesem Zugang weniger Verletzungsschaden am Streckapparat, weil die
Inzision nicht durch den Quadrizeps durchgezogen wird. Dadurch entsteht postoperativ
eine frühere Wiederkehr der Muskelkontrolle des Quadrizeps, der Streck- und Flexions-
fähigkeit. Insgesamt bleibt die Quadrizepskraft postoperativ größer, sodass postoperativ
das patellare Gleiten besser zentriert bleiben kann. Die Schonung der Blutzufuhr zur
Patella kann bei reduzierter Indikation für ein laterales Retinakulum-Release postopera-
tiv selteneren zu patellaren Problemen führen, was im Vergleich zum medialen parapa-
tellaren Zugang als großer Vorteil anzusehen ist. Weniger Wundkomplikationen, redu-
zierter Blutverlust und gesenkter postoperativer Schmerz werden ebenfalls als Vorteil
aufgelistet.
Patienten mit Subvastus-Zugang können die Klinik nach einigen Autoren durchschnitt-
lich 3 Tage früher verlassen als Patienten mit einem Standard-Zugang. Diese 3 Tage
werden von Roysam und Oakley (2001) aber als nicht wirklich signifikant eingestuft.
Andererseits werden die Vorteile des Subvastus, die gegenüber dem medialen parapatel-
laren Zugang gesehen werden, als temporäre Erscheinung erachtet, die sich bis zur Ent-
lassung aus der Klinik oder spätestens nach 6 Wochen postoperativ wieder ausgleichen
können.
Der Subvastus konnte in einer Kadaverstudie zur Testung valgisierender Effekte der
Zugangswege auf die Beinachse als bester abschneiden. Er konnte sowohl in Flexion als
auch Extension zeigen, dass er im Vergleich zum medialen parapatellaren Zugang und
Midvastus-Zugang die geringste Veränderung der Beinachse in Richtung Valgus be-
wirkt. Dies hat zur Folge, dass dieser Zugang im Hinblick auf die Beinachse und die
damit verbundene Spannung der Bänder des Kniegelenkes zu bevorzugen ist.
32
In der Patientengunst empfinden 40% der Patienten eine Besserung beim Subvastus-
Zugang in den Bereichen Komfort und erhaltene Muskelkraft, aber auch 40% keinen
Unterschied zum medialen parapatellaren Zugang (Faure et al 1993).
Nachteile: Trotz seiner bekannten theoretischen Vorteile, sind das Wissen und die Informationen
über den Erfolg dieses Zugangs und dadurch auch die Erfahrungswerte nur begrenzt
(Cushner 2003).
Tab. 6: Auflistung der Nachteile des Subvastus-Zuganges
Nachteile Literaturangaben
Eingeschränkte Indikation bei schwierigen Fällen
Hofmann et al 1991, Maric 1991,Faure et al 1993,.Peters et al 1992, Engh et al 1997, Cooper et al 1999, Matsueda und Gustilo 2000, Roysam und Oak-ley 2001, Keblish 2002, Cushner 2003, Harwin 2003, Weinhardt et al 2004
Anspruchsvolle Technik Keblish 2002, Weinhardt et al 2004
Mangelhafte Sicht aufs Kniegelenk
Hofmann et al 1991, Maric 1991, Peters et al 1992, Faure et al 1993, Engh et al 1997, Fisher et al 1998, Cooper et al 1999, Matsueda und Gustilo 2000, Gore et al 2003, Harwin 2003, Scuderi et al 2004
Begrenzte Erfahrungswerte Cushner 2003
Erschwerte Patellaeversion Hofmann et al 1991, Cooper et al 1999, Matsueda und Gustilo 2000, Roysam und Oakley 2001, Cushner 2003, Gore et al 2003, Scuderi et al 2004
Als wichtigste Nachteile des Subvastus gelten neben den begrenzten Erfahrungswerten
auch eine hohe Anzahl an Kontraindikationen, bei denen dieser Zugang nicht verwendet
werden kann (Tab. 3).
Neben der nur begrenzten Einsicht auf das Kniegelenk, zeigt der Subvastus auch
Schwierigkeiten bei der Eversion der Patella, was ebenfalls sekundär zu einer einge-
schränkten Sicht führt. Außerdem kann der Subvastuszugang als ein Zugang mit einer
operationstechnisch eher anspruchsvolleren Durchführung zu einer Verlängerung der
OP-Dauer führen, was aber bisher nicht signifikant aufgetreten sein soll (Keblish 2002,
Weinhardt et al 2004).
33
4.2.4 Midvastus-Zugang Es gibt Autoren, die den "Vastus medialis-Splitting"-Zugang als Alternative zum me-
dialen parapatellaren Zugang sehen (Engh et al 1997, Engh und Parks 1998, Cooper et
al 1999, Dalury und Jiranek 1999, White et al 1999, Keblish 2002, Scuderi et al 2004).
1997 wurde dieser auch als "Midvastus" genannte Zugang zum Kniegelenk von Engh et
al das erste Mal publiziert (Cooper et al 1999, Dalury und Jiranek 1999). Er ist nach
dem Standardzugang der am häufigsten verwendete Zugang zum Kniegelenk bei der
Implantation einer Knie-TEP (White et al 1999).
Technik: Der distale Teil der Arthrotomie, bis zum Erreichen der superioren medialen Ecke der
Patella, ist absolut identisch mit dem medialen parapatellaren Zugang, der medial das
patellare Retinakulum einige Millimeter von der Patella entfernt spaltet. Der Schnitt
wird durch die Faszie des Vastus medialis geführt, entlang des Randes der Quadri-
zepssehne, wobei die muskulären Ansätze des Vastus an der medialen Patella durch-
trennt werden und ab der medialen superioren Ecke der Patella anschließend nach medi-
al gehoben werden. Ab diesem oberen medialen Pol der Patella wird der tiefere Schnitt
entlang und parallel zu den obliquen Muskelfasern des Vastus medialis 4-5 cm nach
proximal gezogen (Engh et al 1997, Engh und Parks 1998, Cooper et al 1999, Dalury
und Jiranek 1999, Parentis et al 1999, White et al 1999, Maestro et al 2000, Keblish
2002, Engh und Ammeen 2003, Harwin 2003, Scuderi et al 2004). Dalury und Jiranek
(1999), Keblish (2002) und Scuderi et al (2004) führen diesen Schritt entweder stumpf
mit einem Finger oder durch ein kontrolliertes Release mit einem Messer oder einem
Elektrokauter durch, indem sie ab dem oberen medialen Patellapol den Schnitt nach
medial in Richtung des intermuskulären Septums erweitern. Beim diesem Zugang sollte
immer der Teil des Vastus medialis geschont werden, der sich in die Quadrizepssehne
erstreckt (Engh et al 1997).
34
Abb.11. Die gestrichelte Linie markiert die Schnittführung: Midvastus-Zuganges von vorne (aus Robbins et al 2001) und seitlich (aus Scuderi et al 2004). Modifikationen: Erweiterungen dieses Zugangs sind eine proximale Ausdehnung des Hautschnittes,
eine Ausdehnung des medialen Splits des Vastus medialis zum intermuskulären Septum
und Ausdehnung des posteromedialen Release an der Tibia besonders bei straffem Va-
rusknie, um dem Problem der schwierigen Sicht auf das Knie entgegenzuwirken (Dalu-
ry und Jiranek 1999). In schwierigen Fällen kann ein zusätzliches Release einer tibialen
Weichteilmanschette die ausreichende Eröffnung des Kniegelenks erbringen (Keblish
2002).
Eine minimale Inzision kann bei diesem Zugang nur bei ausgewählten Patienten erfol-
gen. Es wird eine 8,5-12,5 cm lange vordere Mittellinien-Inzision der Haut durchge-
führt. Ein weiteres Release des Vastus medialis obliquus entlang seiner Fasern kann
trotz des kleinen Hautschnitts leicht bewerkstelligt werden (Laskin et al 2004, Haas et al
2006). Die Arthrotomie führt von der proximalen Grenze der Patella bis nach distal 5
mm medial der Tuberositas tibiae. Die Faszie des Vastus medialis wird inzidiert und die
Muskelfasern werden mit den Fingern stumpf gespreizt (Haas et al 2006). Man beginnt
die Inzision nach Laskin et al (2004) 2 cm proximal der Patella, kreuzt das mediale Drit-
tel der Patella und endet 2 cm distal der Gelenklinie.
Haas et al (2006) berichten von Vorteilen des minimal-invasiven Midvastsus vor allem
beim postoperativen Bewegungsspielraum. Sie weisen aber auch auf Nachteile wie die
längere Operationszeit hin. Laskin et al (2004) berichten von einer schnelleren Wieder-
kehr der Quadrizepskraft durch eine geringere Zerreißung des Streckapparates und von
verringertem postoperativem Schmerz.
35
Indikationen und Kontraindikationen: Engh et al (1997), Cooper et al (1999) und Dalury und Jiranek (1999) halten diesen Zu-
gang für eine erfolgreiche Alternative zum medialen parapatellaren Zugang.
Tab. 7: Indikationen des Midvastus-Zuganges
Indikationen Literaturangaben
Nur ausgewählte Patienten Engh et al 1997, Cooper et al 1999, Dalury und Jiranek 1999
Mindestens 80° Flexionsfähigkeit Engh et al 1997, Engh und Parks 1998, Cooper et al 1999, Keblish 2002 Engh und Ammeen 2003, Scuderi et al 2004
Varusknie mit normaler Weichteillage Keblish 2002 Geplante tibiale Tuberkelosteotomie Keblish 2002
Indikation für Cooper et al (1999) sind ausgewählte Patienten, die zuvor noch keine
andere Arthrotomie oder Osteotomie erhalten hatten. Als Indikation für eine routinemä-
ßige Verwendung des Midvastus-Zugangs werden Kniegelenke mit mindestens 80°
Flexion, Varuskniegelenke mit normaler Weichteillage zur Erzielung einer erhaltenen
Quadrizepsintegrität und geplante Osteotomien der Tuberositas tibiae angesehen
(Engh und Parks 1998, Keblish 2002).
Der Midvastus wird bei Patienten verwendet, die aus Gründen ihres Körperhabitus oder
wegen mangelnder präoperativer Beinbewegung für den Subvastus kontraindiziert sind,
was aber im Ermessen des Operateurs steht (Scuderi et al 2004).
Bestimmte präoperative Gegebenheiten sind für den Midvastus Kontraindikationen
(Tab. 8).
Tab. 8: Kontraindikationen des Midvastus-Zuganges
Kontraindikationen Literaturangaben
Fettleibigkeit, Übergewicht Engh et al 1997, Engh und Parks 1998, Cooper et al 1999, Dalury und Jiranek 1999, Keblish 2002, Engh und Ammeen 2003, Scuderi et al 2004
Kurze muskulöse Beine Engh und Parks 1998, Cooper et al 1999, Dalury und Jiranek 1999,Keblish 2002, Engh und Ammeen 2003, Scuderi et al 2004
Schwere Deformitäten Engh und Parks 1998, Cooper et al 1999, Keblish 2002, Engh und Ammeen 2003, Scuderi et al 2004
Fixierter Valgus Engh und Parks 1998, Cooper et al 1999, Keblish 2002 Starre und steife Kniegelenke Engh und Parks 1998, Cooper et al 1999, Keblish 2002 Revisionseingriffe Cooper et al 1999 Vorherige hohe Tibia-Osteotomien Engh und Parks 1998, Cooper et al 1999
Hypertrophische Arthropathien Engh und Parks 1998, Cooper et al 1999, Engh und Ammeen 2003, Scuderi et al 2004
36
Als ungünstige und relative Kontraindikationen werden für den Midvastus-Zugang
unter anderem sowohl Übergewicht, hypertrophische Arthritis, als auch eine vorherige
hohe tibiale Osteotomie angesehen. Hier reicht die chirurgische Eröffnung des Mid-
vastus nicht aus, um eine Knie-TEP problemlos zu implantieren (Engh und Parks 1998,
Cooper et al 1999, Keblish 2002).
Vorteile: Durch ähnliche Vorteile wie beim Subvastus-Zugang kann auch der Midvastus-Zugang
einige theoretische Vorteile gegenüber dem medialen parapatellaren Zugang aufweisen
(Scuderi et al 2004).
Tab. 9: Vorteile des Midvastus-Zuganges
Vorteile Literaturangaben
Geringere Quadrizeps-Verletzung Engh et al 1997, Engh und Parks 1998, Cooper et al 1999, Dalury und Jiranek 1999, Parentis et al 1999, Maestro et al 2000, Keblish 2002
Bessere postoperative Kontrolle und Stärke des Quadri-zeps
Engh et al 1997, Dalury und Jiranek 1999, Scuderi et al 2004
Frühere Rückkehr zur normalen Funktion des Quadri-zeps
Engh et al 1997, Engh und Parks 1998, Cooper et al 1999, Dalury und Jiranek 1999, White et al 1999, Maestro et al 2000, Keblish 2002, Engh und Ammeen 2003, Scuderi et al 2004
Geringerer postoperartiver Schmerz Engh et al 1997, Dalury und Jiranek 1999, White et al 1999, Keblish 2002, Scuderi et al 2004
Schonung der patellaren Blutversorgung Engh et al 1997, Engh und Parks 1998, Cooper et al 1999, Dalury und Jiranek 1999, Parentis et al 1999, Keblish 2002, Scuderi et al 2004
Geringerer Blutverlust Engh et al 1997, Dalury und Jiranek 1999, Parentis et al 1999, Scuderi et al 2004
Bessere Stabilität und Gleiten der Patella Engh et al 1997, Engh und Parks 1998, Cooper et al 1999, Dalury und Jiranek 1999, Keblish 2002, Engh und Ammeen 2003, Scuderi et al 2004
Seltener Release des lateralen Retinakulums Engh et al 1997, Engh und Parks 1998, Dalury und Jiranek 1999, Parentis et al 1999, White et al 1999, Maestro et al 2000, Keblish 2002
Exzellente Sicht Engh et al 1997, Engh und Parks 1998, Cooper et al 1999, Keblish 2002, Harwin 2003
Bessere Patientenpräferenz Dalury und Jiranek 1999, Engh und Ammeen 2003 Einfache Durchführung Cooper et al 1999
Verkürzte Aufenthaltsdauer in der Klinik Engh et al 1997, Dalury und Jiranek 1999, White et al 1999, Scuderi et al 2004 ,
Erleichterte Rehabilitation Scuderi et al 2004 Die meisten Vorteile des Midvastus-Zuganges beruhen auf reduzierten Zerstörung des
Strecker-Appartes, welche zu häufigen Komplikationen bei der Implantation einer
Knie-TEP führen kann. Dies führt zu verringertem Blutverlust während der OP, besse-
rer postoperativer Kontrolle der Streckmuskulatur, frühere Rückkehr zur normalen
Quadrizepsfunktion und Reduktion des postoperativen Schmerzes. Ein weiterer Vorteil
liegt in der verkürzten Aufenthaltsdauer der Patienten in der Klinik, im Vergleich
37
zum medialen parapatellaren Zugang, was auf den reduzierten Schmerz und frühere
Wiederkehr der Beinkontrolle zurückgeführt werden kann (White et al 1999). Daneben
war eine deutliche subjektive Bevorzugung der Patienten auf Seiten des Midvastus-
Zugangs zu erkennen, als dieser von Dalury und Jiranek (1999) mit dem medialen para-
patellaren Zugang verglichen wird.
Ein anderer Vorteil des medialen Vastus-Splittings ist die Bewahrung der Blutversor-
gung der Patella durch eine geringere Zerstörung der patellaversorgenden Gefäße. Es
wird hier zwar die obere mediale Geniculararterie geopfert, die deszendierende Genicu-
lararterie, die medial viel Blut zuführt, bleibt aber erhalten (Cooper et al 1999).
Der Splitting-Zugang erhält nicht nur die mediale Blutzufuhr der Patella, sondern
schont sekundär auch die laterale Blutzufuhr, indem die Häufigkeit eines lateralen Re-
lease, das die laterale Blutversorgung der Patella einschränken würde, gesenkt wird (Pa-
rentis et al 1999). Ein optimaleres Patellagleiten und eine verbesserte patellofemorale
Stabilität sind ebenfalls Vorteile des Midvastus.
Tab. 7 zeigt als weiteren Vorteil eine exzellente Sicht auf das Kniegelenk sowohl in
Varus- als auch Valgusknien. Dies wird von Engh et al (1997) sogar bei adipösen Pati-
enten und eingeschränkter Flexion gesehen. Nach Keblish et al (1997), Cooper et al
(1999) und Keblish (2002) ist das Erreichen einer guten Sicht auf das Kniegelenk auch
deutlich einfacher als beim Subvastuszugang, weil eine ausgedehntere Eröffnung des
Kniegelenkes entsteht, besonders bei muskulären und geringfügig adipösen Patienten.
Der Midvastus ist außerdem technisch einfach durchzuführen. Der Vergleich des
Midvastus-Zugangs mit dem Subvastus-Zugang fällt nahezu gleich aus. Der Mid-
vastuszugang ist allerdings weniger schwierig durchzuführen. Durch die technisch
leichte Trennung des Vastus medialis vom medialen Rand der Patella lässt sich die Pa-
tella leichter evertieren, weshalb er häufiger verwendet wird (Engh und Parks 1998,
Keblish 2002, Scuderi et al 2004).
Nachteile: Neben den vielen theoretischen Vorteilen des Midvastus existieren aber auch einige
entscheidende Nachteile.
38
Tab. 10: Nachteile des Midvastus
Nachteile Literaturangaben Denervierung und verringerte Muskelkontrolle Cooper et al 1999, Parentis et al 1999 Schwierige Wiederanheftung des Muskelgewebes beim Wundverschluss Engh und Parks 1998
Erschwerte Sichtverhältnisse Dalury und Jiranek 1999, Parentis et al 1999, Engh und Ammeen 2003, Harwin 2003, Scuderi et al 2004
Eingeschränkte Indikation Engh et al 1997, Dalury und Jiranek 1999 In der Vergleichsstudie von Parentis et al (1999) wird bei 43% der Kniegelenke eine
Denervierung des M. vastus medialis bei der chirurgischen Schnittführung als Nachteil
dieses Zuganges bewertet. Keblish (2002) dagegen merkt an, dass klinische Ergebnisse
den Vastus medialis bei Durchführung dieses Zugangs als intakt erachten und, falls eine
Reduzierung der Muskelkontrolle der distalen Fasern des Vastus medialis doch auf-
treten, darf dies auch nicht als so kritisch angesehen werden. Als nachteilig und schwie-
rig bei der Durchführung dieses Zuganges wird von Engh und Parks (1998) eine Wie-
deranheftung der Muskelfasern an die Quadrizepssehne beim Wundverschluss ange-
sehen. Ebenfalls als nachteilig und sehr entscheidend wird ein im Vergleich zum media-
len parapatellaren Zugang deutlich eingeschränkte Eröffnung des Kniegelenkes angese-
hen, was zu einer erschwerten Sicht auf das Kniegelenk führt. Auch Dalury und Jira-
nek (1999) sehen besonders bei stämmigen, kurzen, muskulären und fettleibigen Beinen
ein schwieriges Problem mit diesem Zugang. Im Vergleich zum Subvastuszugang gilt
die Sicht auf das Kniegelenk aber als exzellent (Cooper et al 1999).
Der Midvastus-Zugang führt zwar zu einer besseren Quadrizeps-Schonung als der me-
diale parapatellare Zugang (Parentis et al 1999), aber dennoch ist die Schonung des
Quadrizeps beim Subvastuszugang besser (Roysam und Oakley 2001).
39
4.2.5 Lateral parapatellarer Zugang Keblish (1991) berichtet, dass die Technik des lateralen Zuganges bereits 1980 entwi-
ckelt wurde. 1991 entwickelte er dann diesen lateralen Zugang am Knie für die Knieen-
doprothese weiter.
Obwohl der mediale Zugang zum Kniegelenk auch erfolgreich ist, wird der laterale Zu-
gang von einigen Autoren als Indikation oder sogar Zugang der Wahl bei Knie-TEP mit
Valgus-Deformitäten gesehen (Keblish 1991, Krackow et al 1991, Fiddian et al 1998,
Maestro et al 2000, Keblish 2002).
Technik: Die laterale Arthrotomie beginnt proximal entlang der lateralen Grenze der Quadri-
zepssehne, 1-2 cm von dieser entfernt, zieht durch die mediale Ecke des Tuberculum
Gerdy und endet in der anterioren Kompartmentfaszie ca. 2 cm lateral der lateralen Pa-
tellarsehnengrenze (Keblish 1991, Burki et al 1999).
Nach einer Arthrotomie schließt sich dem lateralen Zugang häufig sofort ein Release
lateraler Weichteile an, häufig zuerst ein Release des kontrakten Iliotibialbandes
(Keblish 1991, 2003, Burki et al 1999, Goble und Justin 2004).
Abb.11. Lateraler parapatellarer Zugang zum Kniegelenk (aus Eulert und Hassenpflug 2001). Modifikationen: Hendel und Weisbort (2000) berichten von einem modifizierten lateralen Zugang, des-
sen Kapsel-Inzision lateral parapatellar verläuft und mit einem medialen Schnitt proxi-
mal durch die laterale Ecke der Quadrizeps-Sehne zieht, distal in die Faszie des vorde-
40
ren Kompartimentes. Fiddian et al (1998) berichten ebenfalls von einer Modifikation
des lateralen Zugangs, indem sie eine Quadrizeps-Inzision nach proximal um 2-3 cm
mit einer Schere verlängern, einen kontrakten Vastus lateralis damit komplett von Patel-
la und Quadrizepssehne lösen und dann den Vastus lateralis beim Wundverschluss wie-
der zu repositionieren, um damit einen Ausriß der Tuberositas tibiae und patellare
Gleitprobleme zu vermeiden.
Erweiterungen nach proximal führen entlang des Vastus lateralis und distal zwischen
Tuberculum Gerdy`s und Tuberositas tibiae (Keblish 2002). Bei durch vorherige Opera-
tionen verursachter Narbenbildung mit nachfolgend beschränkter Sicht auf das Kniege-
lenk kann durch eine Osteotomie der Tuberositas tibiae ebenfalls für ausreichende Sicht
gesorgt werden (Burki et al 1999). Klinisch sehen Hendel und Weisbort (2000) bei einer
Erweiterung des lateralen Zuganges eher den medialen Quadrizeps-Snip als sicherer und
einfacherer an. Im Gegensatz dazu gehen Buechel (1990) und Keblish (1991) mit einer
subperiostalen Aufklappung der Tuberositas tibiae das Risiko eines Patellarsehnen-
Abrisses ein.
Es gibt aber auch Berichte von minimal invasiven Techniken des lateralen Zuganges,
bei denen eine Inzision von begrenzter Länge zu schnellerer Rehabilitation, geringerem
Schmerz und verbesserter Mobilität im Vergleich zum Standardzugang führen soll
(Goble und Justin 2004). Dabei wird die Inzision direkt am proximalen Ende der Patella
begonnen, lateral an der Patellagrenze vorbei geführt und zwischen dem Tuberculum
Gerdy und der Tuberositas tibiae gezogen, wobei dies sowohl für den Hautschnitt als
auch für die Retinakuluminzision gilt (Goble und Justin 2004).
Indikationen und Kontraindikationen: Die Hauptindikation für den lateralen Zugang ist eine Valgusdeformität im Kniegelenk. Tab. 12: Indikationen des lateralen Zuganges
Indikationen Literaturangaben Kniegelenk mit Valgusdeformität Keblish 1991, Fiddian et al 1998, Keblish 2002 Laterale Sub- oder Dislokationen der Patella Keblish 2002 Sehr kontrakte laterale Weichteile Keblish 2002
Dieser Zugang ist für einige Autoren der beste Weg für die Korrektur eines Valgus, für
das Weichteil-Balancing beim Valgus und für eine Wiederherstellung des patellaren
Gleitens beim Valgusknie (Fiddian et al 1998).
41
Zu den Kontraindikationen des lateralen Zuganges gehören an erster Stelle fixierte Va-
rusdeformitäten und Revisionsoperationen (Tab. 14).
Tab. 13: Kontraindikationen des lateralen Zuganges
Kontraindikationen Literaturangaben Fixierte Varusdeformitäten Keblish 2002 Revisionsoperationen Burki et al 1999
Vorteile: In der Literatur werden einige Vorteile des lateralen Zuganges gegenüber den medialen
Zugängen beschrieben, die auch dessen Verwendung bei Valgus-Deformitäten rechtfer-
tigen.
Tab. 14: Vorteile des lateralen Zuganges
Vorteile Literaturangaben
Gute Sicht auf das laterale Kompartment und laterale Weichteile
Keblish 1991, Hendel und Weisbort 2000, Tsai et al 2001, Keblish 2003, Goble und Justin 2003, Pape und Kohn 2007
Schutz der medialen Blutversorgung der Patella Keblish 1991, Fiddian et al 1998, Hendel und Weis-bort 2000, Tsai et al 2001, Keblish 2003
Weniger postoperative Hämatome Fiddian et al 1998
Seltenere patellofemorale Probleme Buechel 1990, Keblish 1991, Fiddian et al 1998, Keb-lish 2003
Besseres Balancing lateraler Weichteile Keblish 1991, Fiddian et al 1998, Keblish 2002, Keb-lish 2003, Goble und Justin 2004
Korrektur der tibialen Außenrotation Keblish 1991, Hendel und Weisbort 2000, Keblish 2002
Verbesserung des postoperativen Bewegungsspielraums Fiddian et al 1998, Tsai et al 2001, Keblish 2003 Seltenere Verwendung von höher geführten Prothesen Fiddian et al 1998 Verbesserung der Kniestabilität insgesamt Keblish 1991, Keblish 2003
Ein Vorteil beim lateralen Zugang ist die gute und direkte Einsicht auf die bei einem
Valgusknie lateral kontrakten Weichteile. Hierdurch wird ein optimaleres und einfache-
res Balancing betroffener lateraler Weichteile beim Valgusknie möglich.
Zusätzlich schützt der Zugang die mediale Seite der Kapsel und auch die mediale Blut-
versorgung der Patella. Ein Release des lateralen Retinakulum ist hier integraler Be-
standteil der Schnittführung und muss nicht zusätzlich durchgeführt werden. Patellofe-
morale Probleme, wie das Patellagleiten oder deren Stabilität, können durch Einsatz des
lateralen Zuganges vermindert werden, was als wichtigster Vorteil des lateralen Zu-
gangs gilt (Tab. 11).
42
Nachteile: Der laterale Zugang wird weniger häufig in der Praxis verwendet als der mediale para-
patellare Zugang. Nachteile dieses Zuganges zeigt Tab. 12.
Tab. 15: Nachteile des lateralen Zuganges
Nachteile Literaturangaben
Technisch anspruchsvoll und schwierig durchführbar Keblish 1991, Fiddian et al 1998, Tsai et al 2001, Keblish 2003, Goble und Justin 2004
Schwierigkeiten bei der Eversion der Patella Fiddian et al 1998 Subperiostale Aufklappung des Tibiatuberkels Buechel 1990, Keblish 1991, Pape und Kohn 2007
Abgelegenheit der medialen Weichteile beim Balancing Keblish 1991, Tsai 2001, Goble und Justin 2004, Pape und Kohn 2007
Die Technik dieses Zuganges ist schwierig, weil die Orientierung bei der Durchführung
dieses Verfahrens genau umgekehrt ist und die Anatomie eventuell weniger vertraut ist
als bei den medialen Zugängen. Zur Unpopularität des lateralen Zugangs trägt unter
anderem auch die subperiostale Aufklappung Tuberositas tibiae bei, die bei Buechel
(1990) und Keblish (1991) ein integraler Bestandteil dieser Technik ist, aber als Nach-
teil dieses Zugangs gesehen wird.
Einige Autoren stört es, dass eventuell rekonstruktionswürdige mediale Weichteile beim
lateralen Zugang von der Inzision abgelegen sind und nicht so einfach erreicht werden
können. Besonders die posteromedial gelegenen Weichteile sind durch den lateralen
Zugang schwierig zu erreichen, unter anderem auch weil die Tuberositas tibiae knapp 7
mm lateral von der Tibiamittellinie liegt und dies dadurch schwieriger wird (Goble und
Justin 2004, Pape und Kohn 2007).
43
4.2.6 Zwischen Arthrotomie und Korrektur der Deformitäten Nach dem Hautschnitt und dem Zugang durch die Kapsel zum Kniegelenk werden noch
vor den Knochenschnitten und dem eigentlichen Weichteil-Balancing nahezu obligat
einige Weichteilstrukturen entfernt. Dieses Vorgehen wird heutzutage bei nahezu jeder
Implantation einer Knie-TEP praktiziert und steht daher kaum zur Diskussion.
Nach der Eröffnung des Gelenksraumes wird von vielen Operateuren der infrapatellare
Hoffa-Fettkörper teilweise oder nahezu komplett entfernt. Ziel dieser Entfernung ist
die bessere Sicht auf das Kniegelenk, die durch diesen Fettkörper eingeschränkt wird
(Burke und O´Flynn 2001, Pape und Kohn 2007).
Bei Pape und Kohn (2007) wird direkt nach der Arthrotomie, der Resektion des Hoffa
und der Eversion der Patella das vordere Kreuzband entfernt. Das VKB ist eine wichti-
ge Struktur im Kniegelenk, die bei Exzision nicht nur Instabilität, sondern auch abnor-
me Kniegelenksbewegungen verursachen kann. Es gibt mittlerweile auch einige Knie-
prothesenmodelle, die einen Erhalt beider Kreuzbänder erlauben. Da aber das VKB in
vielen arthrotischen Kniegelenken bereits zerstört oder stark beschädigt ist, wird die
Entfernung dieser Struktur bis heute weitläufig empfohlen (Stern 2001, Insall und Eas-
ley 2002, Yagasur et al 2006). VKB-erhaltende Prothesen haben sich bisher noch nicht
in der Routine durchgesetzt, was aber von Chaudhari et al (2005) und Jacofsky (2005)
als zukünftiges Thema in der Entwicklung neuer Prothesen gesehen wird.
Auch die Menisken müssen entfernt werden, um damit den Gelenkspalt schon früh für
eventuelle posteriore Releasevorgänge freizumachen. Burke und O`Flynn (2001) raten
besonders bei der Entfernung des lateralen Meniskus zur Vorsicht, da am Hinterhorn bei
unachtsamer Entfernung des Meniskus eine laterale Genikulararterie verletzt werden
kann.
Es gibt viele Kniegelenke, die trotz erheblicher arthrotischer und/oder arthritischer Vor-
gänge im Kniegelenk und an den Weichteilen intakte und funktionell stabile Ligamente
aufweisen.
Immer wieder diskutiert wird der Erhalt oder die Entfernung eines intakten HKB, das
trotz Arthrose häufig anatomisch intakt bleibt, aber dennoch meist eine nicht normale
Funktion besitzt (Burke und O´Flynn 2001, Insall und Easley 2002). Nach Scott (1982)
bleibt bei bis zu 99% der zu operierenden Kniegelenke das HKB intakt und wird dabei
in der Mehrzahl der Fälle auch erhalten. Nach Beauchamp und Dickey (1996) wurden
bereits 1995 über 70% der Knie-TEP in den USA HKB-erhaltend implantiert, was
44
schon damals mit steigender Tendenz gesehen wurde. Das HKB kann zum einen wegen
seiner arthrotischen Beschädigung gelöst werden, zum anderen weil der Operateur von
der HKB-Entfernung überzeugt ist oder drittens um damit eine Deformität zu korrigie-
ren.
Nach Insall und Easley (2002) kann ein Erhalt des hinteren Kreuzbandes einige Vorteile
haben, die in der Literatur vielseitig diskutiert wurden, aber bis heute zu keiner einver-
nehmlichen Bewertung geführt hat. In dieser Arbeit wird daher auf das kontroverse
Thema über den Ersatz oder Erhalt des hinteren Kreuzbandes nicht gesondert eingegan-
gen, abgesehen von der Situation, in der ein Release des HKB zum Weichteil-Balancing
gehört, und damit zur Korrektur einer Deformität durchgeführt werden muss.
Generell kann ein HKB ohne besondere Straffheit erhalten werden. Wenn es aber durch
eine Deformität bereits zu straff geworden ist, sollte es gelöst oder entfernt werden
(Burke und O´Flynn 2001). Eine Opferung des HKB ist nach Burke und O´Flynn
(2001) speziell bei schwereren Deformitäten indiziert und in den Fällen, in denen das
Band selbst sekundär durch die Deformität verändert wurde. Ein geopfertes HKB
zwingt zu einer Prothese mit höherem Führungsgrad, bei der speziell das hintere Roll-
back des Femurs auf der Tibia während der Knieflexion durch eine posteriore Stabilisa-
tion verhindert werden muss (Burke und O`Flynn 2001). Sollte das HKB erhalten blei-
ben, wird es zusammen mit einem Knochenblock während der Resektionvorgänge
durch ein auf die Tibiaoberfläche vor das HKB platziertes Osteotom geschützt (Burke
und O`Flynn 2001). Nach Griffin et al (2006) gibt es sowohl für den Erhalt des HKB als
auch für eine Substitution gute klinische Ergebnisse.
45
4.3 Korrekturen der Deformitäten 4.3.1 Allgemeines zur Technik des Weichteil-Balancing
Eine Deformität des Kniegelenkes führt zu veränderten Maßnahmen bei der Durchfüh-
rung der Implantation der Knie-TEP. Ein deformitätenfreies Kniegelenk, das weder eine
Bandüberdehnung noch eine Bandkontraktur hat, kann bereits durch exakte Resektionen
der Gelenkknochenoberflächen mit entsprechendem Ersatz des Knochens durch ein
Implantat mit adäquater Dicke zu einer Weichteilbalance über den gesamten Bewe-
gungsumfang führen (Whiteside 2004). Kommt dagegen eine stärkere kontrakte Varus-
oder Valgusdeformität hinzu, kann ein Release von Weichteilen notwendig werden
(Graichen 2007).
Es gibt nicht nur Deformitäten in einer Achse, sondern auch die Tendenz, dass sich die
Deformität auf andere Ebenen ausbreitet. So sind z.B. ausgeprägtere Varusdeformitäten
häufig mit einer Flexionskontraktur vergesellschaftet (Sculco 1991). Wenn es aufgrund
der Deformität zu Kontrakturen der Ligamente auf der konkaven Seite der Deformität
kommt, sind im frühen Stadium meist nur die posterioren Weichteilstrukturen betroffen,
erst später trifft es die seitlicheren Strukturen (Briard et al 2007).
Eine wichtige Entscheidung bei der TEP-Implantation ist der Zeitpunkt, an dem das
Weichteil-Balancing durchgeführt werden soll. Insall et al (1985) empfehlen eine kom-
plette Korrektur der Deformität durch ein Balancing noch bevor die Knochenschnitte
durchgeführt werden, weil dadurch die Geometrie der Flexions- und Extensionslücken
leichter zu bewerten ist. Nach den Knochenresektionen kann das Weichteil-Balancing
noch komplettiert werden. Jerosch und Heisel (1999) sehen bei stärkeren Deformitäten
ebenfalls das Weichteilrelease vor den ersten Knochenschnitten indiziert, um den Zu-
gangsweg zum Knie und die Resektion der Knochen zu erleichtern. Diese Methode
nennen sie "Intervallbalance-Methode".
Yagishita et al (2003) führen ihre Release-Schritte dagegen nach den Knochenschnit-
ten durch, nur die Frage einer vorzeitigen HKB-Substitution oder eines HKB-Erhaltes
wird zwischen dem Femur- und Tibiaschnitt gelöst. Auch Laskin und Rieger (1989)
sowie Whiteside et al (2000), Whiteside (2004), Chiavetta et al (2006) und Briard et al
(2007) resezieren erst die Gelenkoberflächen von Tibia und Femur und beurteilen erst
danach die Ligamentfunktion. Bei Release-Vorgängen nach den Knochenresektionen
sind alle Osteophyten entfernt und können so keinen falschen Eindruck einer womög-
lich durch diese selbst ausgelöste Kontraktur verursachen. Jerosch und Heisel (1999)
46
sehen in ihrer sogenannten "Resektionsmesstechnik" ein von den Knochenschnitten
unabhängiges Weichteilmanagement, bei dem die Weichteile erst nach der Knochenre-
sektion gelöst werden.
Ein wichtiger Schritt bei der intraoperativen Bewertung der Weichteilverhältnisse im
Kniegelenk ist die zu Hilfenahme von Spannungsinstrumenten, mit denen die Weich-
teilspannung der medialen und lateralen Seite angeglichen werden kann (Graichen
2007). Bevor die Prothesenkomponenten endgültig implantiert werden, ist ein Balan-
cing der Flexions- und Extensionsdistanzen erforderlich, um die fixierte Deformität
durch ein eventuell nötiges Weichteilrelease korrigieren zu können (Jerosch und Heisel
1999). Freeman et al (1978) waren die ersten, die ein derartiges Spannungsinstrument
bei der Knie-TEP einführten, und Insall (1981) war einer der ersten, der dann die lami-
naren Spreizer etablierten.
Mihalko et al (2000), Whiteside et al (2000), Kanamiya et al (2002), Mihalko et al
(2003) und Briard et al (2007) führen ihre Weichteil-Beurteilung dagegen mit zu Hilfe-
nahme von Probekomponenten oder Distanzblöcken durch, um die Weichteile auch
unter Varus –und Valgusstress so weit zu spannen, bis zwischen kontrakter Seite und
gedehnter Seite des Kniegelenkes ein Gleichgewicht herrscht und die Lücken adäquat
gefüllt sind. Whiteside (1995) bestätigt diese Methode, fügt aber hinzu, dass auch der
Einsatz von Ligament-Spannungseinrichtungen und ein Lücken-Balancing vor dem
Einsetzen der Probekomponenten ebenfalls zu selben Ergebnissen führen können.
Laskin und Schob (1987) verwenden dagegen einen Distraktor als Ausrichtungs-
Instrument, mit dem man den Betrag des Weichteil-Release stufenweise erhöhen kann,
so dass nicht zu viel gelöst wird und so eine Überkorrektur mit eventueller Instabilität
vermieden werden kann. Ein Beispiel für diese Technik ist der laminare Spreizer, den
Laskin und Rieger (1989) für die beste Spannungseinrichtung halten.
Mihalko et al (2003) zeigen in ihrer Kadaverstudie auf, dass bei Anwendung gleicher
Release-Sequenzen, sowohl beim Valgus als auch beim Varus, ähnliche Tendenzen und
kaum große Unterschiede vorherrschen und dass sowohl die Distraktions-Technik als
auch die Probekomponenten-Technik mit angewendetem Varus-Valgus-Stress für eine
Bewertung der Lückenveränderungen sowohl in Flexion als auch in Extension in glei-
cher adäquater Weise in Frage kommen.
47
Abb.13. Spannungsinstrumente - Links: Laminare Spreizer (aus Scuderi und Tria 2006), Mitte: Probekomponenten (aus Bellemans et al 2005), rechts: Gelenksdistraktor (aus Clarke und Scuderi 2004). Ebenfalls entscheidend ist die Frage, ob der Operateur die kontrahierten Weichteile ein-
zeln in kleineren Schritten und sequentiell löst oder ob ein Gesamt-Release aller
Weichteile en-bloc in einem einzigen Schritt erfolgen soll (Jerosch und Heisel 1999).
Insall (1981, 1993) trat dafür ein, dass ein mediales Weichteil-Balancing in toto durch-
geführt werden soll, was ein Release der Weichteile in einem einzigen Schritt bedeutet.
Andere Autoren bevorzugen ein eher sequentielles, schrittweise vorgehendes Weichteil-
Balancing, bei dem je nach Art und Stärke der Deformität, die unterschiedlich kontrak-
ten Strukturen Schritt für Schritt nacheinander gelöst werden (Matsueda et al 1999,
Whiteside et al 2000, Kanamiya et al 2002, Lüring et al 2005, Sugama et al 2005, Chia-
vetta et al 2006, Fehring 2006, Claus und Scharf 2007). Besonders bei kombinierten
Deformitäten sollte ein schrittweises Release durchgeführt werden, weil z.B. eine be-
gleitende Flexionskontraktur posteromedial oder posterolateral nicht unabhängig von
medialen und lateralen Deformitäten angesehen und gelöst werden dürfen, da sie meist
zusammenhängen. Ein unkontrolliertes übermäßiges Release kann hier zu Instabilitäten
führen (Claus und Scharf 2007).
Ein chirurgisches Weichteilrelease kann die Extensions- und Flexionslücken ganz
unterschiedlich betreffen. Nach Kohn und Rupp (2000), Chiavetta et al (2006) und Pape
und Kohn (2007) sollte beim Weichteil-Balancing zuerst der Streckspalt wiederherge-
stellt werden und erst danach der Beugespalt, weil der Großteil der Belastung auf das
Kniegelenk in Extension entsteht. Auch nach Briard et al (2007) sollte ebenfalls zuerst
ein Weichteil-Balancing für eine stabile Extension des Kniegelenkes durchgeführt wer-
den und die Flexion erst danach über die Implantatgröße bestimmt werden. Andererseits
berichten Sugama et al (2005), dass umgekehrt auch eine Präparation der Flexionslücke
vor der Extensionslücke möglich ist.
48
Es ist auch darauf zu achten, dass ein Release der Weichteile der kontrakten Seite so
weit durchgeführt wird, bis die Weichteilspannung auf kontrakter und gedehnter Ge-
lenksseite symmetrisch erscheint. Einige Deformitäten müssen auf Grund der Schwere
der Deformität durch eine komplette Lösung eines Ligaments korrigiert werden, ande-
re, weniger schwer verkürzte Ligamente werden lediglich verlängert, um die Funktion
und den Stabilisationseffekt des jeweiligen Ligaments zu erhalten (Whiteside 2004).
Wenn ligamentäre Strukturen auf Grund von starker Kontraktur und daraus resultieren-
der Deformierung gelöst werden müssen, verlieren diese gelösten Strukturen ihre Funk-
tion als primäre Stabilisatoren in bestimmten Kniebewegungen. Nach der Lösung dieser
kontrakten Ligamente treten sekundäre Stabilisatoren an ihre Stelle und geben dem
Knie somit seine Stabilität zurück. Jeder primäre Stabilisator hat deshalb einen oder
mehrere sekundäre Stabilisatoren, die bei einem Ausfall oder einem Release des Primä-
ren dessen Funktionen, wenn auch nicht in vollem Umfang, übernehmen können (Whi-
teside 2004). Typische Strukturen, die häufig für sekundäre Stabilisation zuständig sind,
sind sowohl bei der Knie-TEP bei Varus und Valgus sowohl das HKB als auch die hin-
tere Kapsel (Whiteside 2004).
Band-Deformitäten können nicht nur durch Verlängerung eines straffen Bandes korri-
giert werden, sondern auch durch Straffung eines verlängerten Bandes (Delfico und
Tria 1996, Tria 2004, Briard et al 2007). Krackow (1990) präsentierte hierzu ein Kon-
zept zur Straffung überdehnter Bänder sowohl für die mediale Seite als auch für die
laterale Seite. Für Claus und Scharf (2007) dagegen kann ein erfolgreiches Weichteil-
Balancing nur durch ein Release kontrakter Strukturen entstehen und ausdrücklich nicht
durch eine Kürzung von laxen Kapsel-Band-Strukturen.
Whiteside (1999) definiert ein Kniegelenk in Extension mit weniger als 1 mm Auf-
klappbarkeit medial und lateral, und in Flexion weniger als 2 mm Aufklappbarkeit me-
dial und lateral als zu straff. Er definierte ein Knie in Extension mit 2 mm medialer Auf-
klappbarkeit und 3 mm lateraler Aufklappbarkeit als zu lax, während in 90° Flexion
medial 4 mm und lateral 5 mm ebenfalls zu lax sind.
Vor einem eventuell notwendigen Release von Bandstrukturen, sollte generell ein soge-
nanntes "Grobrelease" möglicher Osteophyten durchgeführt werden. Diese sind das
Ergebnis eines arthrotischen Prozesses im Kniegelenk und können durch Deformierung
und übermäßige Anspannung der Bänder zu Einschränkungen in Gleitfähigkeit und
49
Flexionsbewegungen des Kniegelenkes führen. Typische Stellen, an denen die Oste-
ophyten Einfluss auf die Ligamentbalance nehmen, sind das Innenband, das HKB und
die posteromediale Kapsel (Whiteside 2004, Claus und Scharf 2007).
50
4.3.2 Varus-Deformität 4.3.2.1 Allgemein Bei Patienten, die mit einer fortgeschrittenen Arthrose eine Indikation zum endoprothe-
tischen Knieersatz besitzen, ist eine Varusdeformität die am häufigsten vorzufindende
präoperative Deformität des Kniegelenkes (Laskin und Schob 1987, Laskin und Rieger
1989, Teeny et al 1991, Delfico und Tria 1996, Jerosch und Heisel 1999, Trepte und
Pflanzelt 2003). Hier findet sich medial eine Kontraktur und lateral eine Laxizität der
Weichteile (Delfico und Tria 1996, Jerosch und Heisel 1999, Trepte und Pflanzelt 2003,
Lüring et al 2005, Claus und Scharf 2007).
Eine Varusdeformität ist relativ häufig mit einer Flexionskontraktur kombiniert. Einen
besonderen Einfluss auf solch eine kombinierte Deformität hat eine kontrakte postero-
mediale Kapsel (Eulert und Hendrich 2000, Briard et al 2007). Eine zusätzlich zum Va-
rus bestehende Beugeeinschränkung kann durch kontrakte anteromediale Kapselstruktu-
ren, ein kontraktes HKB oder durch Osteophyten in der Kniekehle entstehen (Claus und
Scharf 2007).
Auf der medialen Seite der Varusdeformität befinden sich die kontrahierten und ver-
kürzten Weichteilstrukturen, die je nach Ausmaß der Gelenksdeformität gelöst werden
müssen, damit eine zufriedenstellende weichteilbalancierte Knie-TEP resultiert. Zu die-
sen betroffenen medialen Strukturen gehören der Pes anserinus, der Semimembranosus,
die mediale und posteromediale Kapsel, das oberflächliche und tiefe Innenband sowie
das HKB (Lüring et al 2005).
51
4.3.2.2 Release-Techniken Bei der Korrektur einer Varusdeformität werden die betroffenen kontrakten Weichteil-
strukturen abhängig von ihrer anatomischen Lage, ihrer Funktion im Kniegelenk und
der Schwere ihrer Kontraktur durch ein Release gelöst oder verlängert (Trepte und
Pflanzelt 2003). Solch ein Release der Weichteile sollte an der Tibia durchgeführt wer-
den, weil die medialen Strukturen an der Tibiametaphyse eine breitere Ansatzfläche als
am Femur besitzen und nach einem Release wieder breitflächig an dieser neuen Position
vernarben können. Hier ist folglich eine geringere postoperative Instabilität zu erwarten
(Robbins et al 2001, Tria 2004). Laskin und Schob (1987) fanden bereits 1987 in ihrer
klinischen Studie am Varusknie heraus, dass beim Lösen der Weichteile der medialen
Seite keine Wiederbefestigung an der Tibia durch den Operateur notwendig ist. Die
gelösten Weichteile werden weder genäht noch an den Knochen wiederangeheftet und
trotzdem bleibt die Stabilität im Kniegelenk erhalten.
Im Gegensatz zur lateralen Seite des Kniegelenkes, die eher bei einer Valgusdeformität
im Vordergrund steht, kann auf der medialen Seite des Knies beim Varus während der
Operation häufig keine eindeutige Unterscheidung zwischen den einzelnen anatomi-
schen Strukturen getroffenen werden. Aus diesem Grund wurden diese Strukturen vor
allem in der frühen Anfangszeit der Endoprothesenentwicklung in den 80er Jahren in
einer Art medialen Kapsel-Band-Manschette gemeinsam gelöst (Insall et al 1985,
Laskin und Schob 1987, Laskin und Rieger 1989). Auch heute noch finden es Matsueda
et al (1999) und Robbins et al (2001) schwierig, die spezifischen individuellen tibialen
Ansätze der einzelnen Strukturen beim Varusknie intraoperativ zu identifizieren, was
vor allem für den Pes anserinus, die mediale Kapsel und die oberflächlichen Fasern des
Innenbandes gilt.
Abb.14. Release einer Weichteilman-schette bestehend aus dem gesamten Innenband und dem Pes anserinus (aus Scuderi und Tria 2006).
52
Ein Release der medialen Seite beim Varusknie wird hauptsächlich durch die posterio-
ren und posteromedialen Strukturen reguliert. Die einzigen anterioren Strukturen, die
hierbei betroffen sind, sind die anteromediale Kapsel und der M. quadrizeps (Krackow
und Mihalko 1999a). Der Operateur muss vor einem Release wissen, dass jede Maß-
nahme des Weichteil-Balancings auf der medialen Seite auch die Lücke der lateralen
Seite des Kniegelenkes erhöhen kann. Die Korrektur der Flexionslücke kann insgesamt
größer ausfallen, als die Korrektur der Extensionslücke (Krackow und Mihalko 1999a,
Matsueda et al 1999, Yagishita et al 2003). Whiteside et al (2000) betonen dehalb, dass
ausschließlich solche Bänder gelöst werden dürfen, die straff und kontrakt sind, um das
Trauma damit zu minimieren und die Stabilität des Kniegelenkes durch möglichst viele
erhaltene Bänder so hoch wie möglich zu halten.
Einige Kadaverstudien zeigen deutlich die Auswirkungen einzelner Release-Schritte
und können somit den Effekt des Weichteil-Balancings teilweise voraussagen. Theore-
tisch entsteht der größte Effekt des Weichteil-Balancings auf die Gesamtbeinachse in
voller Extension durch ein Release einer anteromedialen Kapsel-Manschette 6 cm un-
terhalb der Gelenklinie und durch die Ablösung des gesamten Innenbandes an seinem
femoralen Ansatz. Den größten Effekt auf die Gesamtbeinachse in 90° Flexion hat ein
Release des HKB (Lüring et al 2005). Es zeigt sich deutlich, dass in dieser Kadaverstu-
die in Extension das Innenband für die größte Stabilität sorgt und in Flexion dies vom
HKB übernommen wird. Wenn das Innenband zur Korrektur der Varusdeformität gelöst
werden muss, hängt die Valgusstabilität ganz besonders in Flexion vom HKB ab (Saeki
et al 2001).
In Extensionsstellung zeigt die Kadaverstudie von Krackow und Mihalko (1999a),
dass ein Release des oberflächlichen Innenbandes die größten Veränderungen in der
Valgusstabilität nach sich ziehen wird. Diese Veränderungen haben sich bei zunehmen-
der Flexion dann sogar noch vergrößert. Auch der Semimmembranosus hat signifikant
dazu beigetragen, dass bei steigender Flexion des Kniegelenkes der Effekt auf die Val-
gusstabilität ansteigt. Der Innen- und Außenrotationseffekt durch das Weichteil-Release
ist bei Streckstellung des Kniegelenks kaum signifikant, wobei die Tibia bei jedem Re-
lease-Schritt zu einer leichten Innenrotation tendiert. Sobald das Knie aber gebeugt
wird, entstehen deutliche Erhöhungen, besonders in der Außenrotation, was bei 45°
Flexion vor allem auf das Release des Pes anserinus zurückgeführt werden kann. Bei
90° Flexion wird die innenrotatorische Komponente durch das Release der posterome-
53
dialen Kapsel zusammen mit dem Release des tiefen Innenbandes dominiert, die außen-
rotatorische Komponente dagegen durch das Release des Pes anserinus und des Semi-
membranosus (Krackow und Mihalko 1999a).
In Durchtrennungsexperimenten von Weichteilen ist der Beitrag einer jeden Struktur zur
Stabilisation des Kniegelenkes untersucht worden. Beim Varusknie in 25° Flexionsstel-
lung und appliziertem Valgusstress stehen die Fasern des Innenbandes als primäre Sta-
bilisatoren zur Verfügung. Danach wirken Kreuzbänder und Kapselstrukturen als se-
kundäre Stabilisatoren (Grood et al 1981).
Abb.15. Das Innenband (MCL) als primärer Stabilisator (aus Briard et al 2007). 4.3.2.2.1 Gesamtes Innenband Wenn das mediale Kollateralband angespannt ist, wird die Gelenklücke des Kniege-
lenks in Flexion trapezoidal, das heißt medial sind die Gelenkflächen von Tibia und
Femur enger beisammen als lateral (Freeman 1997).
Bei den meisten Studien wurde das Innenband nicht im Ganzen gelöst, sondern je nach
Funktion wurden seine beiden Teile, die oberflächlichen und die tiefen Fasern, allein
und meist unabhängig von einander gelöst (Krackow und Mihalko 1999a, Whiteside et
al 2000, Yagishita et al 2003). Die beiden Teile setzen zwar an der Femurkondyle mit
einem 1,5 cm breiten Ansatz gemeinsam an, breiten sich jedoch Richtung Tibia noch als
viel breiteres Band aus, getrennt in vorderen und hinteren schrägen Teil, sodass die Fa-
sern beider Teile in Extension und Flexion nicht identisch funktionieren können (White-
side et al 2000).
54
Technik des Release Das Innenband kann in verschiedener Weise gelöst werden. Trepte und Pflanzelt (2003)
schlagen in ihrer Studie vor, das Innenband zunächst in seinem Faserverlauf parallel zu
spalten und dann in Höhe des Pes anserinus-Ansatzes oder distal davon eine sukzessive
Querinzision durchzuführen. Unter Verwendung von Valgusstress erfolgt dann eine
gewollte iatrogene Rupturierung der Bandfasern bis zur Korrektur der Fehlstellung.
Dies sollte dosiert durchgeführt werden, damit eine Überkorrektur vermieden wird.
Bei Laskin und Schob (1987) wird das Innenband in einer medialen Kapselmanschette
mitgelöst, zu der neben dem gesamten Innenband, sowohl mit tiefem als auch oberfläch-
lichem Teil, auch die posteromediale Kapsel gehört.
Wirkung des Release Ein Innenband-Release hat seine größte Wirkung besonders in AP-Richtung, sowohl
in Extension als auch in Flexion. Es zeigt sich in der Kadaverstudie von Lüring et al
(2005) aber auch, dass das Innenband seine Hauptwirkung auf die Stabilität vor allem in
Extension hat.
Abb.16. A: Streckspalt trapezoidal. B: nach dem Release des Innenbandes mit recht-eckigem Gelenkspalt (aus Teeny et al 1991).
55
Klinik und Einsatz Yagishita et al (2003) lösen bei 11,1% der Varusknie in ihrer klinischen Studie das ge-
samte Innenband auf Höhe der Gelenklinie durch einen schrittweisen transversen
Schnitt unter Verwendung eines Elektrokauders, sogar nachdem die tiefen und ober-
flächlichen Fasern des Innenbandes zuvor in Einzelschritten bereits von ihren tibialen
Ansätzen gelöst wurden. Dieser Schritt hat zwar einen deutlichen Effekt auf die mediale
Lückenöffnung sowohl in Extension als auch in Flexion erbracht, es besteht aber hier
auch das Risiko, dass eine unkontrollierte mediale Öffnung entsteht. Dies ist laut Ya-
gishita in 40% der Fälle auch geschehen, weshalb diese komplette transverse Innen-
band-Durchtrennung auch vermieden werden sollte. Diese Studie zeigt zusätzlich, dass
ein Release des Innenbandes zu einer nicht zu vernachlässigenden Lückenerhöhung
auch der lateralen Seite führen kann, besonders in Flexion. Dieser Effekt muss vor
Durchführung des Release ebenfalls bedacht werden.
4.3.2.2.2 Tiefes hinteres Innenband Die tiefen hinteren Fasern des Innenbandes straffen sich in Extension und lockern sich
in Flexion (Whiteside 2004).
Zeitpunkt des Release Das tiefe Innenband kann bereits als Teil der Eröffnung des Kniegelenkes - schon vor
den Knochenschnitten - durchtrennt werden, indem es entlang der medialen Gelenklinie
durchtrennt wird. Dadurch ist es leichter die medialen Osteophyten vom distalen Femur
und der proximalen Tibia zu entfernen (Teeny et al 1991, Delfico und Tria 1996, Dixon
et al 2004, Tria 2004, Mullaji et al 2005). Solch ein frühes Release des tiefen Innenban-
des zusammen mit der medialen Kapsel wird auch als "Ranawat-Manöver" bezeichnet,
weil Ranawat zusammen mit Insall einer der ersten war, die diesen Vorgang für die ope-
rative Freilegung beschrieben (Scott 1994).
Kumar und Dorr (1997), Fehring (2007 und Claus und Scharf (2007) lösen das tiefe
Innenband dagegen als ersten initialen Release-Schritt nach den Knochenschnitten. Dies
wird auch von Krackow und Mihalko (1999a) sowie Yagishita et al (2003) in ihren Ka-
daverstudien durchgeführt.
56
Technik des Release Die Durchführung des Release des tiefen Innenbandes wird mit einem 10 mm großen
gebogenen Osteotom vollzogen (Whiteside et al 2000, Saeki et al 2001, Whiteside
2002, 2004). Die Autoren sind sich einig, dass ein solches Release an seinem tibialen
Ansatz erfolgen soll (Scott 1994, Delfico und Tria 1996, Kumar und Dorr 1997, White-
side et al 2000, Saeki et al 2001, Whiteside 2002, Yagishita et al 2003, Whiteside 2004,
Fehring 2006). Das Release sollte in subperiostaler Weise vom Tibiaknochen an seinem
distalen Ansatz durchgeführt werden (Kumar und Dorr 1997, Saeki et al 2001).
Whiteside löst das tiefe Innenband mit einem Osteotom in einem annähernd 45° Win-
kel, schräg posterior nach unten zur Tibialängsachse gerichtet, von der Tibia und der
Sehne des Semimembranosus. Dabei ist besonders darauf zu achten die Semimembra-
nosus-Sehnen nicht zu verletzen (Whiteside et al 2000, Whiteside 2002, 2004).
Abb.17. Release des tiefen Innenbandes mit einem Osteotom in Flexionsstellung (aus Eulert und Hassenpflug 2001). Nach Scott (1994) wird ein 1 cm gebogenes Osteotom an dem medialen Kortex der Ti-
bia entlang innerhalb des tiefen Innenbandes geführt. Die proximale Tibia umgreifend,
mit der Hälfte des Osteotoms oberhalb des Tibiarandes, kann ganz langsam und kontrol-
liert mit leichtem Hammerklopfen das tiefe Innenband angehoben werden. Dies wird
soweit durchgeführt bis die Tibia außenrotiert und nach vorne zum Femur disloziert
werden kann.
Claus und Scharf (2007) bringen eine neue Art des Release der tiefen Fasern des Innen-
bands ins Gespräch, indem sie sich mit der Inside-out-Methode an der "Pie-crust-
Technik" des Valgusknies orientieren. Nachdem die Autoren bereits initial die tiefen
medialen und posterioren Kapsel-Band-Strukturen gelöst haben, wird das Innenband auf
57
Höhe der Tibiaschnittfläche in Stichel-Technik kontrolliert und sicher verlängert. Diese
Technik kann besonders bei den minimal-invasiven Operationstechniken hilfreich sein.
Wirkung des Release Whiteside (2004) führt ein Release des tiefen Innenbandes zur Varuskorrektur durch,
um eine zu straffe Extensionslücke zu korrigieren. Beim Release des tiefen Innenbandes
entsteht vor allem eine deutliche Erhöhung der Valgus-Laxizität in voller Extension und
bei 30° Flexion. Dass ein Release bei 30° Flexion sogar eine höhere Laxizität entstehen
lässt als in voller Extension, hängt sicherlich noch mit anderen Weichteilstrukturen zu-
sammen, die in voller Extension eine höhere Laxizität verhindern (Whiteside et al 2000,
Mihalko et al 2003). Aus diesem Grund sollte das tiefe Innenband bei einer Kontraktur
in Streckstellung gelöst werden, da bei seiner Lösung eine mediale Laxizität besonders
in Extension erwartet werden kann. Der oberflächliche Teil des Innenbandes bleibt da-
bei intakt, damit dieser weiterhin zur Stabilität des Knies beitragen kann (Whiteside et
al 2000, Whiteside 2002, Putz et al 2007).
Krackow und Mihalko (1999a) lösen das tiefe Innenband gleichzeitig mit der postero-
medialen Kapsel in einem Zug. Sie führen diesen Schritt in ihrer Kadaverstudie von 12
Präparaten in 3 unterschiedlichen Release-Sequenzen immer als ersten Releasevorgang
durch. Der Korrektureffekt davon wurde in Extension, 45°-Flexion und 90°-Flexion -
also im gesamten Bewegungsablauf - als minimal angesehen, abgesehen davon, dass
durch dieses Release in 90°-Flexion ein Maximum an Innenrotation entstanden ist.
Auch Yagishita et al (2003) lösen das tiefe hintere Innenband zusammen mit der media-
len und posteromedialen Kapsel gleich als ersten Release-Schritt nach den Knochen-
schnitten und fanden heraus, dass dieses Release bei schwereren Deformitäten eine grö-
ßere Lücke schafft als bei milden Varusdeformitäten. Hierfür wird von den Autoren die
bei schwerem Varus oft bestehende posteromediale Straffheit als ursächlich angesehen.
Klinik und Einsatz In der klinischen Studie von Whiteside et al (2000) bekommen 76% der 82 untersuchten
Varuskniegelenke ein Innenband-Release und davon 35,5% nur ein Release des hinteren
tiefen Innenbandes, weil sie nur in Extension kontrakt sind. Hinzu kommen noch
14,5%, bei denen das komplette Innenband gelöst wird, d.h. zuerst die oberflächlichen
Fasern, danach die tiefen, weil diese sowohl in Extension als auch in Flexion straff sind.
58
In Whitesides klinischer Langzeit-Studie (1995) bekommen von den 289 Patienten mit
nur mildem Varus von 5-10° Deformität 70,6% ein Release von ausschließlich dem
tiefen Innenband, bei moderatem Varus mit 10-20° Deformität erhielten von den 98
Kniegelenken 95,9% ein Release des tiefen Innenbandes kombiniert mit einem Release
der hinteren Kapsel und von den 36 Kniegelenken mit schwerem Varus von über 20°
Deformität wurden 66,6% nur mit einem Release von tiefem Innenband und der hinte-
ren Kapsel versorgt.
In der Studie von Mullaji et al (2005) wird jedes der 173 Varusknie mit einem Release
des tiefen Innenbandes zur erfolgreichen Varuskorrektur versehen.
4.3.2.2.3 Oberflächliches vorderes Innenband Der vordere oberflächliche Teil des Innenbandes strafft sich in Flexionsstellung und
lockert sich in Extension (Whiteside 2004).
Zeitpunkt des Release Dieses Band kann bei einem schweren Varus von über 15° auch schon bei der initialen
Eröffnung des Kniegelenkes abgehoben werden (Kumar und Dorr 1997). Ansonsten
waren sich die Autoren einig, dass das oberflächliche Innenband eher erst nach den
Knochenschnitten gelöst werden sollte. Whiteside (2004) löst das Band sowohl bei al-
leiniger medial kontrakter Flexionslücke und als auch bei kombinierter medial kontrak-
ter Flexions- und Extensionslücke als erste Struktur. Fehring (2006) löst dieses Band
dagegen erst nach dem tiefen Innenband oder den Kapselstrukturen. Mullaji et al (2005)
und Claus und Scharf (2007) greifen nur in Ausnahmefällen auf ein Release des ober-
flächlichen Innenbandes zurück und sehen diesen Schritt nur an letzter Stelle einer Re-
lease-Sequenz.
Technik des Release Um dieses Band zu lösen, wird das Kniegelenk in 90° Flexionsstellung gebracht, in der
der Operateur dann mit einem straffen Band arbeiten kann (Whiteside 2004). Genauso
wie beim Release des tiefen Innenbandes wird hier ein subperiostales Release an seinen
tibialen Ansätzen bevorzugt (Teeny et al 1991, Whiteside 1995, Kumar und Dorr 1997,
Saeki et al 2001, Whiteside 2002, Whiteside 2004, Mullaji et al 2005, Claus und Scharf
2007). Das Release soll nach einhelliger Meinung der Autoren ausschließlich an seinem
distalen Ansatz an der Tibiaoberfläche durchgeführt werden (Teeny et al 1991, Whitesi-
59
de 1995, Delfico und Tria 1996, Kumar und Dorr 1997, Whiteside et al 2000, Saeki et
al 2001, Whiteside 2002, Mullaji et al 2005, Fehring 2006, Claus und Scharf 2007).
Abb.18. Oberflächliches Innenband-Release in 90° Flexion (aus Eulert und Hassenpflug 2001). Einzig und allein das Instrument, mit dem das oberflächliche Innenband von der Tibia
gelöst werden soll, unterscheidet sich in den Berichten der unterschiedlichen Autoren.
Es werden sowohl ein gebogenes Osteotom als auch ein Skalpell oder ein Elevator ver-
wendet (Tab. 16).
Tab. 16: Verwendetes Operationswerkzeug für das oberflächliche Innenband-Release
Osteotom Skalpell Elevator Whiteside et al (2000) Yagashita et al (2003) Delfico und Tria (1996) Saeki et al (2001) Kumar und Dorr (1997) Whiteside (2002) Mullaji et al (2005) Whiteside (2004) Fehring (2006)
Zu vermerken ist, dass bei diesem Release-Vorgang der hintere tiefe Anteil des Innen-
bandes und der Pes anserinus möglichst intakt bleiben sollen, weil sie beim Release des
gelösten oberflächlichen Innenbandes als sekundäre mediale Stabilisatoren in Flexion
wichtig sind (Whiteside 2004).
Wirkung des Release Da sich der oberflächliche Teil des Innenbanndes in Flexion strafft und in Extension
lockert, konnten Whiteside et al (2000) in ihrer Kadaverstudie nachgeweisen, dass es
bei einem Release hauptsächlich zu einer medialen Laxizität sowohl bei 60° als auch bei
90° Flexion führen kann. Im klinischen Teil dieser Studie bestätigen die Autoren ihre
Theorie, indem sie bei medialer Straffheit in Flexion als allererste Weichteilstruktur
immer das oberflächliche Innenband von der Tibia ablösen (Whiteside 2002).
60
Mihalko et al (2003) bestätigen ebenfalls mit ihrer Kadaverstudie, dass beim Release
dieses Bandes ein deutlich größerer Effekt in Flexion als in Extension entsteht. Das o-
berflächliche Innenband zeigt besonders dann eine signifikante Rotationsveränderung
des Kniegelenkes in allen Flexionsgraden von 30°-90° Flexion deutlicher als in Exten-
sion, wenn es als aller erste Weichteilstruktur gelöst wird (Whiteside et al 2000).
Klinik und Einsatz In der klinischen Studie von Whiteside et al (2000) bekommen 50% der 62 Varusknie
ein Release des vorderen oberflächlichen Innenbandes, wenn die Kniegelenke nur in
Flexion straff sind. Bei all diesen Kniegelenken hat dieses Release allein zur Korrektur
der Varusdeformität ausgereicht. Zusätzlich bekommen 14,5% der 62 Knie ebenfalls ein
Release des vorderen Innenbandes, aber direkt danach auch ein Release des tiefen hinte-
ren Innenbandes, weil diese Kniegelenke nicht nur in Flexion, sondern auch in Extensi-
on straff waren.
In Whitesides klinischer Studie (1995) wird das Release des oberflächlichen Innenban-
des bei keinem einzigen Varusknie mit milder Deformität von 5-10° verwendet, nur bei
6,1% der moderaten Varusknie zwischen 10°-20° und bei einem Drittel der schweren
Varusknie von über 20° Deformität. Bei Mullaji et al (2005) wird das oberflächliche
Innenband an letzter Stelle der Weichteil-Sequenz nur in 4 von 173 Fällen gelöst, und
dabei in 2 Fällen komplett durchtrennt. Die komplette Durchtrennung bezieht sich auf
schwer deformierte Kniegelenke bei adipösen Patienten.
Whiteside (2004) führt ein Release des oberflächlichen Innenbandes durch, um eine zu
straffe Flexionslücke zu korrigieren. Wenn die Flexionslücke und die Extensionslücke
zu straff sind, wird ebenfalls zuerst das vordere oberflächliche Innenband gelöst, weil
diese Fasern auch in Extension eine gewisse Wirkung haben, sodass Whiteside (2004)
hofft, dass dieser Schritt für beide Lücken zur Varuskorrektur ausreichen kann.
4.3.2.2.4 Kapsel Zeitpunkt des Release Kumar und Dorr (1997) sprechen beim ersten Schritt ihres Weichteil-Release zur Va-
ruskorrektur von einer initialen subperiostalen Kapsel-Ablösung von der Tibia. Dieser
Schritt kann von medial bis zur hinteren Mittellinie erweitert werden. Im späteren Re-
lease-Verlauf wird die posteromediale Kapsel vom distalen Femur gelöst und teilweise
auch ausgeschnitten (Kumar und Dorr 1997). Dies wird bei schwerem Varus durchge-
61
führt, indem die hintere mediale Kapsel mit einer Kocher-Klemme gefasst und durch-
trennt wird. Dabei muss auf die nervalen und vasalen Strukturen in der Poplitea geach-
tet werden. Auch in der klinischen Studie von Yagishita et al (2003) werden die mediale
und posteromediale Kapsel direkt nach den Knochenschnitten von ihrem tibialen Ansatz
gelöst. Bei Briard et al (2007) wird ein Release der medialen posterioren Kapsel und der
posteromedialen Eckkapsel ebenfalls am Anfang der Release-Schritte durchgeführt,
weil die Autoren diese posterioren Strukturen für die Hauptursache der Varusdeformität
halten. Beverland (2006) bevorzugt ein anfängliches Kapsel-Release sowohl zur Kor-
rektur einer Flexionsdeformität als auch einer Varusdeformität.
Bei Whiteside (2004) wird die Kapsel in Extension gleich nach dem Release des tiefen
Innenbandes gelöst. Auch Mullaji et al (2005) und Fehring (2006) lösen die posterome-
diale Kapsel nach dem tiefen Innenband, aber noch vor Strukturen wie dem oberflächli-
chen Innenband oder dem Semimembranosus.
Technik des Release Die Durchführung des Kapsel-Release erfolgt meist in subperiostaler Weise unter Zuhil-
fenahme eines 6 mm gebogenen Osteotoms (Whiteside et al 2000, Whiteside 2004).
Nur die Stelle, an der die Kapsel vom Knochen gelöst wird, unterscheidet sich bei eini-
gen Autoren. Die einen lösen die Kapsel eher vom Femur (Whiteside et al 2000), die
anderen eher von der Tibia (Laskin und Rieger 1989, Whiteside 1995, Laskin 1996,
Fehring 2006). Whiteside et al (2000) und Whiteside (2004) lösen die hintere Kapsel in
ihrer Kadaverstudie zur Korrektur der Varusdeformität nach der Entfernung der Probe-
komponenten. Zuerst lösen sie die Kapsel von ihrer femoralen Befestigung, dann von
der hinteren Femuroberfläche und zuletzt behutsam von ihrer tibialen Befestigung.
Fehring (2006) beginnt mit dem Kapsel-Release an der posteromedialen Ecke und füh-
ren es bis zur hinteren Mittellinie fort. Je nach der Größe des Kniegekelenkes wird die-
ses Release 1,5-2 cm tief von der tibialen Schnittfläche aus durchgeführt.
Abb.19. Kapsel-Release vom femoralen Ansatz (aus Whitesi-de 2004).
62
Wirkung des Release Die hintere Kapsel des Kniegelenkes ist in Flexion relaxiert und wird nur in voller Ex-
tension straff. Da sie schon sehr früh in Flexion relaxiert wird, hat sie bei Beugung
normalerweise keinen Effekt auf die Varus- und Valgusstabilisation. Wird das Innen-
band beim Weichteil-Balancing komplett durchtrennt, so wirkt die hintere Kapsel je-
doch als sekundärer Valgusstabilisator in Flexion. Dies konnte in der Kadaverstudie von
Whiteside et al (2000) durch ein Release der hinteren Kapsel und der daraus resultie-
renden deutlichen Relaxation in Flexion bewiesen werden. Die posteromediale Kapsel
wird von Krackow und Mihalko (1999a) in allen 3 verwendeten Release-Sequenzen
ihrer Kadaverstudie zusammen mit dem tiefen Innenband als erste Struktur gelöst.
Hierdurch wird bei 90° Flexion eine deutliche Zunahme der Innenrotation des Unter-
schenkels bewirkt.
Klinik und Einsatz In einer klinischen Studie von Whiteside et al (2000) benötigen nur 4,8% von 62 Knie-
gelenken ein Kapsel-Release, nachdem diese bereits ein komplettes Innenband-Release
bekamen. Diese Kniegelenke waren trotz Innenband-Release in Extension immer noch
straff und bekamen ein Kapsel-Release zur weiteren Korrektur einer Flexionskontraktur
und einer medialen Bandkontraktur. Von den 289 milden Varuskniedeformitäten mit 5-
10° Varus bekommen in der Whitesides Studie (1995) 22,5% der Kniegelenke ein Kap-
sel-Release, von den 98 moderaten Varusdeformitäten zwischen 10-20° erhielten 95,9%
ein Kapsel-Release und von den 36 schweren Varusdeformitäten über 20° bekommen
zwei Drittel der Kniegelenke ein Kapsel-Release.
Auch bei Teeny et al (1991) und Whiteside (1995) wird letztlich ein Release der poste-
romedialen Kapsel dann angestrebt, wenn sich eine Flexionskontraktur beim Varusknie
während des Weichteil-Balancing nicht anders korrigieren lässt.
Whiteside (2004) löst die hintere Kapsel vor allem zur Korrektur einer straffen Extensi-
onslücke nach dem Release des tiefen Innenbandes.
4.3.2.2.5 M. semimembranosus Zeitpunkt des Release Der Semimembranosus gilt als aktiver Stabilisator in Extension, während er in Flexion
relaxiert ist und nicht zur Stabilität des Kniegelenkes beiträgt (Whiteside 2002).
63
Bei Kumar und Dorr (1997) wird die Semimembranosus-Sehne in Extensionsstellung
des Kniegelenkes an seinem fünften Kopf von der Tibia gelöst. Wenn das Kniegelenk
medial kontrakt ist, wird der Semimembranosus trotz eines Releases von Innenband und
Kapsel zusätzlich gelöst. Von Lüring et al (2005) und Matsueda et al (1999) wird der
Semimembranosus in Kadaverstudien von seinem tibialen Ansatz zusammen mit der
posteromedialen Kapsel als zweiter Release-Schritt gelöst. Auch bei Delfico und Tria
(1996), Dixon et al (2004), Tria (2004) und Mullaji et al (2005) wird der Semimembra-
nosus zusammen mit der posteromedialen Kapsel von der posteromedialen Ecke der
Tibiametaphyse gelöst, indem das vorherige Release von Innenband und Kapsel entlang
der Gelenklinie über die proximale Tibia nach hinten fortgeführt wird.
Bei Fehring (2006) wird der Semimembranosus dagegen nicht mit der posteromedialen
Kapsel zusammen gelöst, sondern wird im Gegenteil zur Beibehaltung der Kniegelenk-
stabilität vor einem Release bewahrt.
Technik des Release Beim Release des Semimembranosus wird wie bei den anderen medialen Weichteil-
strukturen ebenfalls darauf geachtet, dass er von seinem distalen Ansatz an der proxima-
len Tibia gelöst wird (Whiteside 1995, Delfico und Tria 1996, Matsueda et al 1999,
Yagishita et al 2003, Tria 2004, Whiteside 2004, Lüring et al 2005). Whiteside (2004)
schlägt auch einen Hohmann-Retraktor vor, der hinter der posteromedialen Kante des
tibialen Faserszuges platziert den Semimembranosus freilegt.
Dieses Release wird von Whiteside (1995) scharf und unter direkter Sicht durchgeführt.
Das heißt, dass das oberflächliche Innenband teilweise von seinem distalen Tibia-
Ansatz gelöst werden muss, es medial zurückgezogen wird, um so eine Exposition zum
Semimembranosus zu erhalten. Dieses Semimembranosus-Release wird nur bei
schwerwiegender Kontraktur durchgeführt. Dieser Meinung ist auch Laskin (1996) und
empfiehlt ein Semimembranosus-Release an seinen sehnigen Ansätzen, zusammen mit
der posteromedialen Kapsel.
64
Abb.20. Freilegung des Semimembranosus durch einen Hohmann-Retraktor (aus Whi-teside 2004). Wirkung des Release Bei Krackow und Mihalko (1999a) wird der Semimembranosus in 3 verschiedenen Se-
quenzen jeweils als dritte, vierte oder fünfte Struktur gelöst. Es wurde festgestellt, dass
ein Release des Semimembranosus in Extension zu deutlichen Valgusveränderungen
führen kann und diese bei steigender Flexion dann noch deutlich größer werden können.
Da der Semimembranosus ein Beuger im Kniegelenk ist, sind die erhöhten medialen
Lückenveränderungen in Flexion darauf zurückführbar. In 90° Flexion führt ein Release
des Semimembranosus auch zu einer deutlichen Zunahme der Außenrotation. Diese
maximale Außenrotation in Beugestellung ist auf die ursprüngliche innenrotatorische
Funktion des Semimembranosus im Kniegelenk zurückzuführen, welche durch ein Re-
lease des Semimembranosus folglich aufgehoben wird.
Klinik und Einsatz In der klinischen Studie von Whiteside (1995) wird ein Release des Semimembranosus
bei keiner Varusdeformität unter 20° verwendet. Nur 22,2% der 36 Kniegelenke, die
eine Varusdeformität von mehr als 20° aufwiesen, bekommen ein Release des M. se-
mimembranosus. Insgesamt bekommen nur 1,9% von allen 423 Kniegelenken, unab-
hängig von der Deformität, bei Implantation einer Knie-TEP ein Semimembranosus-
Release.
Bei Mullaji et al (2005) wird dagegen jedes der 173 Varusknie mit einem Release des
Semimembranosus versehen. Teeny et al (1991) streben ein Release des Semimembra-
65
nosus an, wenn nach komplettem Release des Innenbandes eine Flexionskontraktur
verbleiben sollte.
Von Yagishita et al (2003) wird in einer klinischen Studie ein Teil des tibialen Ansatzes
des Semimembranosus, zusammen mit dem tiefen Innenband und der posteromedialen
Kapsel, als erster Schritt nach den Knochenschnitten gelöst. Dieser Schritt, der bei 98%
der Kniegelenke dieser Studie durchgeführt wird, führt zu einer deutlich weiteren medi-
alen Lücke in Flexion im Vergleich zur Extension.
Bei schweren Kontrakturen der medialen Seite muss laut Laskin (1996) das Release in
die posteromediale Ecke verlagert werden, was eine Lösung des Semimembranosus und
der posteromedialen Kapsel einschließt. Retrospektiv fand Laskin heraus, dass dieses
Release nur dann vollendet werden kann, wenn vorher auch das HKB entfernt wurde.
4.3.2.2.6 Pes anserinus Der Pes anserinus ist ein aktiver Stabilisator in Extension, in Beugung zeigt er wenig
seitenstabilisierende Funktion am Kniegelenk (Whiteside 2002). Das Release des Pes
anserinus, wird an seinem tibialen Ansatz durchgeführt, wo es sich aus den 3 Muskelan-
sätzen des M. semimembranosus, des M. semitendinosus und des M. gracilis zusam-
mensetzt. Das Release des Pes anserinus wird in der Literatur im Vergleich zu anderen
medialen Weichteilstrukturen seltener beschrieben.
Zeitpunkt des Release Mullaji et al (2005) lösen den Pes nur schrittweise, wenn alle anderen Release-Schritte
keine Korrektur des Varus erbringen.
Technik des Release Zuerst wird der Pes anserinus nur teilweise vom tibialen Ansatz abgelöst, bei ausblei-
bendem Erfolg dann schrittweise mehr und mehr. Sollte dann immer noch keine Kor-
rektur des Varus bestehen, wird der Pes anserinus zuletzt komplett von der Tibia gelöst
(Mullaji et al 2005).
66
Abb.21. Release des Pes anserinus mit einem Skalpell mit Bein in 4er-Position (aus Teeny et al 1991). Die distale Befestigung des Pes anserinus ist durch die Verlängerung der subperiostalen
Lösung des oberflächlichen medialen Kollateralbandes zugänglich, wo im Folgenden
dann das Release des Pes anserinus durchgeführt werden kann (Whiteside 2004).
Wirkung des Release Der Pes anserinus wird in der Kadaverstudie von Krackow und Mihalko (1999a) als
eine von 5 Weichteilstrukturen in drei durchgeführten Sequenzen jeweils an Position 3,
4 oder 5 gelöst. Eine deutliche Auswirkung zeigt das Release des Pes anserinus bei 45°
Flexion und 90° Flexion im Vergleich zur Extension. In Extension kommt es eher zu
einer Erhöhung der Außenrotation. Dies ist leicht nachvollziehbar, denn die drei Mus-
kelansätze, aus denen sich der Pes anserinus zusammensetzt, gehören zu Muskeln, die
im Kniegelenk eine Innenrotation ausführen und die bei einem Release folglich eine
vermehrte Außenrotation zulassen.
67
Klinik und Einsatz
Whiteside (1995) empfiehlt ein Pes anserinus-Release nur zur Korrektur einer schwer-
wiegenden Varusdeformität und hält aber diesen Release-Schritt für sehr selten notwen-
dig. In seiner klinischen Studie kam dieser Fall nie vor. Auch Teeny et al (1991) be-
schreiben ein Release des Pes anserinus, raten aber ebenfalls zur Durchführung eines
solchen Releases bei vorhandener Notwendigkeit mit ausbleibendem Korrekturerfolg
des Varus. Whiteside (2002) empfiehlt im Gegenzug bei Flexionsstellung ein Belassen
des Pes anserinus, damit dieser bei straffer Flexionslücke und folgendem nötigen Re-
lease des oberflächlichen Innenbandes, zusammen mit dem intakten tiefen Innnenband
für Stabilität sorgen soll. Auch Fehring (2006) rät von einem routinemäßigen Release
des Pes anserinus ab und empfiehlt sein Belassen, weil er für die Innenrotation der Tibia
nützliche Hilfe leistet.
Mullaji et al (2005) empfehlen nicht nur ein Pes-anserinus-Release falls andere Release-
Schritte erfolglos bleiben, sondern sie berichten weiterhin auch, dass dieser nach kom-
pletter Durchtrennung und nach Implantation der Prothese wieder mit Nähten und
Klammern angeheftet werden soll. Dieses Verfahren wird in 3 von 173 Varuskniegelen-
ken durchgeführt, welche alle drei eine Varusdeformität von über 28° aufwiesen.
4.3.2.2.7 Hinteres Kreuzband Da das HKB anatomisch einen gewissen Abstand zu der medialen Femurkondyle be-
sitzt, kann es physiologischerweise nicht als primärer Valgusstabilisator dienen (White-
side et al 2000). Es ist ein sekundärer Varus-, Valgus- und Rotationsstabilisator des
Kniegelenkes und kann bei diesen Kniebewegungen vor allem bei Ausfall eines der
beiden Kollateralbänder eine wichtige Rolle in der Stabilität des Kniegelenkes über-
nehmen.
Besonders bei fehlendem Innenband in Flexion und bei valgusgerichtetem Streß auf das
Kniegelenk kommt dem HKB eine wichtige Rolle für die Stabilität zu. Da beim Va-
rusknie ein Innenband-Release für die Korrektur der Deformität häufig notwendig ist,
hängt die Valgusstabilität in Flexion in besonderem Maße vom HKB ab (Whiteside et al
2000, Saeki et al 2001). Dieses Band hat aber auch eine wichtige medial stabilisierende
Funktion in Extension, wenn das Innenband nicht funktionsfähig ist (Whiteside et al
2000). Da es eine "mediale Struktur" ist, ist das HKB genauso wie das Innenband bei
68
Varusdeformität meist kontrahiert, weshalb es beim Varus in gehäuftem Maße gelöst
werden muss (Whiteside 2004).
Zeitpunkt des Release Wenn die Korrektur der Varusdeformität durch das Release der gesamten anderen me-
dialen Weichteilstrukturen nicht gelingt, muss das HKB gelöst werden, was insbesonde-
re bei ausgeprägtem Varus nötig werden kann (Laskin und Rieger 1989).
Weil Delfico und Tria (1996) nicht der Überzeugung sind, dass das HKB selektiv ver-
längert werden und gleichzeitig seine vollständige Funktion behalten kann, entfernen sie
es in seiner Gesamtheit entweder von der Tibia oder vom Femur. Eine Prothese mit
posterior stabilisiertem Design soll dann ein posteriores Dislozieren verhindern.
Bei Yagishita et al (2003) wird das HKB im Falle der Entscheidung für eine HKB-
Substitution - bei mehr als 15° Varusdeformität oder einem kleineren Flexionsspielraum
als 120° im TEP-versorgten Kniegelenk - noch vor der Resektion der Tibiafläche, direkt
im Anschluss an den Femurschnitt, von seinem femoralen Ansatz entfernt. Im Falle
eines HKB-erhaltenden Designs wird es als letzter Release-Schritt partiell gelöst, wenn
es in maximaler Flexion abnorm straff ist. Dieses partielle Release wird mit kleinen
multiplen Inzisionen in die Mitte des Bandes durchgeführt bis die abnorme Straffheit
des Bandes korrigiert ist (Yagishita et al 2003).
Matsueda et al (1999) bringen den Gedanken ins Spiel, dass ein HKB-Release sehr
wohl zu Instabilität führen kann, wenn das Innenband bereits gelöst wurde. Wenn das
HKB aber schon zu Beginn der Release-Sequenzen gelöst wird, würde ein weniger aus-
gedehntes Release der anderen Weichteile nötig werden, um die Deformität zu korrigie-
ren und so eine Instabilität reduziert werden.
Auch Claus und Scharf (2007) lösen das HKB nach dem Release des tiefen Innenban-
des, würden es aber noch vor dem Release des oberflächlichen Innenbandes durchfüh-
ren.
Technik des Release Das Release des HKB wird am femoralen Ansatz durchgeführt. Hierzu wird das Knie-
gelenk in ausreichende Flexionsstellung gebracht, sodass man mit einem Skalpell oder
Osteotom an die femorale Ansatzstelle des HKB heranreicht (Claus und Scharf 2007).
69
Wirkung des Release Das HKB-Release zeigt bei Yagishita et al (2003) und Lüring et al (2005), dass es die
größten Veränderungen aller gelösten Strukturen auf den Streck- und Beugespalt aus-
üben kann, dies aber in Flexion ausgeprägter als in Extension. Die größere Wirkung auf
die Flexionslücke im Vergleich zur Extensionslücke gilt sowohl für eine komplette Ent-
fernung des Bandes als auch für ein partielles Release (Yagishita et al 2003, Mihalko et
al 2003). Diese große Auswirkung eines Release auf den Gelenksspalt kann eine Über-
korrektur mit Instabilität hervorrufen. Auch Mihalko et al (2003) warnen, dass eine Op-
ferung des HKB als Teil eines medialen Release zu signifikant höheren Werten in Fle-
xion als in Extension führt.
Lüring et al (2005) lösen das HKB in ihrer Kadaverstudie als letzten Release-Schritt in
ihrer Weichteil-Sequenz, zuerst nur die mediale Hälfte des Bandes am tibialen Ansatz,
danach das gesamte Band am tibialen Ansatz. Diese Lösung der medialen Hälfte des
HKB führt besonders in 90° Flexion zu einer starken Vergrößerung des medialen Ge-
lenkspaltes. Das Lösen des gesamten Bandes vom tibialen Ansatz führt zu einer Instabi-
lität in AP-Richtung bei 90° Flexion. Es führt aber auch zu der höchsten medialen Ge-
lenkspalterhöhung in Extension und in 90° Flexion im Vergleich zu anderen Weichteil-
Release-Maßnahmen. Matsueda et al (1999), die als Vorbild für die Sequenz von Lüring
et al (2005) dienen, führen ebenfalls erst ein Release des halben HKB durch, indem es
an seinem tibialen Ansatz um 5 mm angehoben wurde, danach wird das gesamte HKB
gelöst. Ein komplettes HKB-Release als Teil dieser medialen Release-Sequenz führt zu
einer höheren medialen Lücke in Flexion verglichen mit Extension. Beim Release des
halben HKB war der Unterschied zwischen Extension und Flexion der medialen Lücke
etwas kleiner.
Klinik und Einsatz In Laskins klinischer retrospektiver Studie von 1996 verglich er in 3 Gruppen den
HKB-Erhalt beim Varusknie mit einer HKB-Substitution beim Varusknie und einem
undeformierten Knie.
Die mittlere Gesamtflexion war beim HKB-Erhalt mit 86° deutlich kleiner als die der
beiden anderen Gruppen (108°, 105°), was laut dem Autor ein vernarbtes und kontra-
hiertes hinteres Kreuzband als Ursache haben kann. Auch der postoperative mediale
Tibiaschmerz war beim HKB-Erhalt mit 76% deutlich höher als bei den anderen beiden
70
Gruppen (6%, 4%). Wegen dieser nachteiligen Gründe des HKB-Erhaltes empfiehlt
Laskin bei solch schweren Varusdeformitäten eine HKB-Entfernung unter Einsatz einer
posterior substituierenden Prothese.
In der klinischen Studie von Laskin und Schob (1987) bekommen 43,7% der 71 Varus-
nie, welche ein Weichteil-Release erhalten, eine „HKB-erhaltende“ Prothese, 26,8%
bekommen nach HKB-Resektion äeine „HKB-ersetzende“ Prothese und bei 29,6% der
Fälle wurde das HKB entfernt, aber eine „HKB-erhaltende“ Prothese implantiert. In den
Bereichen Flexionsausmaß, Deformitätenkorrektur und verbleibender Flexionskontrak-
tur können die Autoren keine Unterschiede zwischen den Prothesen mit erhaltenem
HKB und ersetztem HKB erkennen, sodass ein routinemäßiges Opfern des hinteren
Kreuzbandes zum ligamentären Balancing nicht empfohlen wird. Nur bei schwerem
Varus in Verbindung mit fixierter Flexionsdeformität wird das hintere Kreuzband rese-
ziert und folglich ein posterior-substituiertes Implantat verwendet.
In der klinischen Studie von Whiteside et al (2000) bekommen 27% von 62 Kniegelen-
ken ein partielles HKB-Release, um das ausgedehnte Rollback der Femurkomponente
auf der Tibiaoberfläche zu korrigieren. Jedes dritte Knie der Varuskniegelenke, die ein
komplettes Release des Innenbandes erhalten, benötigen auch ein HKB-Release, aber
nur 29% der Kniegelenke, die wegen alleiniger Straffheit in Flexion nur ein oberflächli-
ches Innenband-Release erhalten, benötigen ein HKB-Release, um die ausgedehnte
Straffheit in Flexion und das ausgedehnte Rollback zu korrigieren.
Einige Autoren bevorzugen bei schweren Deformitäten und einem ausgedehnten
Bandrelease Knieprothesen mit Substitution des hinteren Kreuzbandes, weil eine HKB-
Entfernung die Durchführung der Releasevorgänge anderer Bänder einfacher macht und
weil eine die posterior stabilisierende Funktion des HKB durch eine Polyethylennocke
an der Prothese substituiert werden kann (Dorr et al 1988, Freeman und Railton 1988,
Laskin 1996).
Saeki et al (2001) aber weisen mit ihrer Kadaverstudie an 6 anatomischen Kniegelenken
nach, dass nach HKB-Entfernung die Rotations-, die AP- und die Valgus-Laxizität er-
heblich zunehmen wird, dass aber eine Substitution durch eine Prothese mit Polyethy-
lennocke die AP-Laxizität etwas verbessert werden kann, die Rotations-Laxizität aber
kaum und die Valgus-Laxizität, die vor allen Dingen durch den Verlust des Innenbandes
entsteht, gar nicht kompensiert werden kann. Diese Führung des Kniegelenkes kann
71
jedoch zu Knochenabrieb, Subluxation oder Dislokation führen. Das bedeutet, dass bei
Deformitäten, bei denen zur Korrektur das gesamte Innenband gelöst werden muss, das
HKB möglichst als sekundärer Valgusstabilisator erhalten werden sollte. Nach Laskin et
al (1988) und Kruger et al (2000) gibt es zwar Condylar-Typ Prothesen, deren Kompo-
nenten eine Varus- und Valgus-Stabilität in allen Graden der Flexion liefern können,
jedoch benötigen diese Designs eine vermehrte Opferung von interkondylärem Fe-
murknochen, was wiederrum zu erhöhtem Abrieb führen kann und deshalb nur bei
wirklich schwerer Instabilität empfohlen wird.
Der HKB-Erhalt wird von Ritter et al (2004) auch für schwerere Deformitäten von mehr
als 20° Varus empfohlen, weil in ihrer retrospektiven Studie kaum signifikante Unter-
schiede der postoperativen Resultate im Vergleich zu undeformierten Kniegelenken
gefunden wurden.
Wyss et al (2006) behaupten, dass die Entscheidung über die Wahl des Prothesendesign,
vor allem in Bezug auf HKB-Erhalt oder HKB-Substitution, eher eine Frage der persön-
lichen Überzeugung und Erfahrung ist, als eine Sache von "evidence base-line".
Abb.22. Links: HKB-erhaltende Prothese; rechts: Prothese mit tibialer Nocke zur poste-rioren Stabilisation (aus Tria 2004). 4.3.2.2.8 Laterales Advancement Krackow (1990) präsentierte das Konzept der Straffung laxer Bänder, das er sowohl
medial als auch lateral verwendet. Bei Translokation oder großer lateraler Laxizität des
Außenbandes kann man das Varusknie mit einer Kombination aus medialen Release-
Schritten und einer lateralen Außenband-Straffung balancieren (Delfico und Tria 1996).
72
Ein laterales Weichteil-Advancement kann indiziert sein, wenn nach einem medialen
Weichteil-Release eine unakzeptable laterale Laxizität bestehen bleibt. Andererseits ist
ein laterales Weichteil-Advancement auch indiziert, wenn auf der medialen Seite eines
Varusknie ein unrealistisches, stark ausgedehntes mediales Weichteil-Release nötig
wäre, um eine ligamentäre Balance herzustellen (Laskin und Schob 1987).
Technik Zum einen kann man einen sichernden Knoten durch das laterale Kollateralband ziehen
und verknüpft diesen mit einer Schraube am Femur, weiter proximal des ursprünglichen
Bandansatzes (Krackow et al 1986). Eine andere Variante ist die proximale Osteotomie
des Fibulakopfes und die Distalisierung des laxen Außenbandes unter Verwendung ei-
ner intramedullären Schraube zur Fixation. Wichtig ist aber die Kontrolle der korrekten
Platzierung der Schraube, um einen Schaden des Nervus fibularis zu vermeiden (Kra-
ckow et al 1986, Teeny et al 1991). Ebenfalls ist eine Straffung des Außenbandes mit
der Anhebung eines quadratischen Knochenblocks im Femur möglich. Dieser Block
sollte vorgebohrt und verschraubt werden. Nachdem weiterer Knochen an diesem Kno-
chenbett am Femur entfernt wurde, wird der Block in das nun tiefere Loch gesenkt und
das Band im Folgenden gestrafft. Bei dieser Technik wird das gute Heilungspotential
der Knochen-zu-Knochen-Heilung ausgenutzt (Krackow et al 1986).
Wirkung Diese Straffung gedehnter lateraler Strukturen beim Varusknie sind anspruchsvolle
Techniken und es ist zudem schwierig vorauszusagen, wie straff die Struktur nach der
jeweiligen Maßnahme sein wird (Tria 2004).
Klinik und Einsatz Bei Whitesides klinischer Studie (1995) bekommen nur 3 der 423 Varusknie ein latera-
les Advancement, weil diese drei durch ein Weichteilrelease der medialen Seite nicht
adäquat stabilisiert werden können. Dieser laterale Weichteileingriff beim Varusknie
war speziell in diesen Fällen ein Advancement des Iliotibialbandes. Bei Teeny et al
(1991) haben 2 von insgesamt 35 Varusknie eine schwere ligamentäre Dehnung des
lateralen Kollateralbandes und der lateralen Gelenkskapsel. Zur Korrektur dieser Über-
dehnung wird ein proximales Advancement des Außenbandes am Femur durchgeführt.
Delfico und Tria (1996) haben keine großen Erfahrungen mit Bandstraffungen, halten
73
diese Technik jedoch für eine durchführbare Alternative, aber auch für eine anspruchs-
volle und präzise Aufgabe für den Operateur.
4.3.2.2.9 Besonderheiten Trepte und Pflanzelt (2003) beschreiben als typische Einzelkomponente bei den media-
len Weichteilkontrakturen eines Varusknies einen verkürzten M. popliteus.
Solch ein straffer Popliteus wird sichtbar, wenn nach erfolgtem medialem Release die
Tibia durch die Popliteussehne nach innenrotiert gehalten wird, während das Femur
nach posterior auf der Tibia aufsitzt. Diese Rotationsfehlstellung der Tibia ist in Flexi-
onsstellung am deutlichsten, da sich die Tibia dabei um die straffe Popliteussehne dreht
(Whiteside 2004).
88,7% der 71 Kniegelenke in der klinischen Studie von Laskin und Schob (1987) zeigen
eine zusätzliche fixierte Subluxation der Tibia gegenüber dem Femur. In den meisten
Fällen mit präoperativ lateraler Subluxation der Tibia auf dem Femur infolge einer mög-
lichen Kontraktur des M. popliteus, wird dieser daraufhin tenotomiert, um eine exakte
Reposition der Tibia zu erlauben (Laskin und Rieger 1987). Whiteside (2004) löst die-
sen kontrakten Popliteus, indem das Knie in Flexionsstellung gebracht und die Popli-
teussehne an ihrem femoralen Ansatz mit einem Skalpell gelöst wird. Durch dieses Re-
lease ist es der Tibia wieder möglich nach hinten zu gleiten, damit das Femur wieder
normal auf der Tibia aufliegen kann.
Abb.23. Links: Release des Popliteuskomplex, rechts: Zurückgleiten der Tibia nach posterior (aus Whiteside 2004).
Ein Release der medialen Gastrocnemius-Sehne wird von Kumar und Dorr (1997) als
theoretisch mögliche Fortführung in einer Weichteil-Sequenz bei schwerer Varusdefor-
mität zwar erwähnt, aber von ihnen in keinem Fall eingesetzt.
74
4.3.2.3 Weichteil-Sequenzen Nachdem sich der Operateur einen Überblick über das Ausmaß der Deformität und die
vorliegenden Weichteilverhältnisse verschafft hat, kann er sich dem Release der einzel-
nen Weichteile zuwenden. Im vorherigen Kapitel wurden verschiedene Theorien und
Erfahrungen über die Techniken, Effekte und Auswirkungen der einzelnen Release-
Schritte auf das gesamte Weichteil-Balancing zusammen gestellt. Nun stellt sich die
Frage, wie und in welcher Reihenfolge diese Release-Techniken durchgeführt werden
sollen. Auch bezüglich der Reihenfolge der Releaseschritte gibt es zahllose Meinungen
und Vorschläge in der Literatur.
Tab. 17 zeigt einige Weichteil-Sequenzen zur Korrektur der Varusdeformität und in
welcher Reihenfolge die unterschiedlichen medialen Strukturen gelöst werden können.
Tab. 17: Release-Sequenzen zur Varuskorrektur (Med. Lappen: medialer Kapsellappen, ant. Lappen: anteromedialer Kapsellappen, post. Lappen: posteromedialer Kapsellappen, Ost.: Osteophyten, HKB: hinteres Kreuzband, Tiefes Innenband: tiefes hinteres mediales Seitenband, Oberfl. Innenband: oberflächliches vorderes mediales Seitenband, Semi: Semimembranosus, Pes: Pes anserinus, postmed Kapsel: posteromediale Kapsel, post Kapsel: posteriore Kapsel, Gastro: medialer Kopf des Gastrocnemius, Innenband: mediales Seitenband.)
1 2 3 4 5 6 7 Laskin und Schob 1987
med. Lappen HKB
Laskin und Rieger 1989 Ost. med. Lap-
pen HKB med. Lappen
Teeny et al 1991
tiefes Innenband Ost. oberfl.
Innenband Semi postmed Kapsel Pes HKB
Whiteside 1995 Ost. Tiefes Innenband
postmed Kapsel
oberfl. Innenband Semi Pes
Delfico und Tria 1996
tiefes Innenband Ost. postmed
Kapsel Semi oberfl. Innenband HKB
Kumar und Dorr 1997
Kapsel + tiefes Innenband
Ost. Semi oberfl. Innenband
postmed Kapsel
Burke und O`Flynn 2001 Ost. tiefes
Innenband oberfl. Innenband Pes post Kap-
sel Gastro
Nagamine et al 2003 Ost. tiefes
Innenband oberfl. Innenband Pes Semi Gastro
Yagashita et al 2003
postmed Kapsel
tiefes Innenaband Semi Ost. oberfl.
Innenband gesamtes innenband HKB
Ritter et al 2004
tiefes Innenband
oberfl. Innnenband Semi Pes
Tria 2004 tiefes Innenband
postmed Kapsel Semi oberfl.
Kapsel
Mullaji et al 2005
tiefes Innenband
postmed Kapsel Semi Ost. + post
Kapsel HKB oberfl. Innenband Pes
Sugama et al 2005 Ost. tiefes
Innenband Semi
Fehring 2006 Ost. tiefes Innenband
postmed Kapsel
oberfl. Innenband
Matsueda et al 1999 (Kadaver-studie)
ant. Lap-pen
post. Lap-pen Semi ant. Lap-
pen Innenband HKB
Lüring et al 2005 (Kadaver)
ant. Lap-pen
post. Lap-pen + Semi
ant. Lap-pen Innenband HKB
75
Trotz der großen Anzahl an unterschiedlichen Weichteil-Sequenzen, die zur Korrektur
einer Varusdeformität in der Literatur publiziert werden, lassen sich grundlegende Ten-
denzen erkennen.
4.3.2.3.1 Eröffnung des Kniegelenkes Bei der Eröffnung eines Kniegelenkes mit Varusdeformität sollen bereits nach der
Arthrotomie initial Weichteile entlang der medialen Gelenklinie gelöst werden (Laskin
und Schob 1987). Teeny et al (1991) praktizieren dies noch bevor die Knochenschnitte
durchgeführt werden. Es kann bereits bei der Eröffnung des Kniegelenkes sowohl das
tiefe als auch das oberflächliche Innenband mitgelöst werden (Tab. 18).
Tab. 18: Band-Release bei der Eröffnung
Release des tiefen Innenbandes Release des oberflächlichen Innenbandes Teeny et al (1991) Kumar und Dorr (1997) Delfico und Tria (1996) Dixon et al (2004) Tria (2004) Mullaji et al (2005)
Teeny et al (1991), aber auch Delfico und Tria (1996) lösen bereits bei der Eröffnung
des Kniegelenkes das tiefe Innenband von seinem tibialen Ansatz, was auch von Tria
(2004) als Teil des Standardzuganges empfohlen wird. Dixon et al (2004) und Mullaji et
al (2005) lösen das tiefe Innenband ebenfalls noch vor den ersten Knochenschritten, sie
tun dies aber zusammen mit dem Release des Semimembranosus.
Bei schwerem Varusknie (> 15°) empfehlen Kumar und Dorr (1997) dagegen, immer
ein Release des oberflächlichen Innenbandes von seinem tibialen Ansatz bei der Knie-
eröffnung mit durchzuführen.
4.3.2.3 2 Osteophyten-Entfernung Die Entfernung von Osteophyten kann zu unterschiedlichen Zeitpunkten erfolgen (Tab.
19).
Bevor das Feinrelease der Weichteile vorgenommen werden kann, sollte das Kniege-
lenk zu allererst ein "Grobrelease" erhalten und von allen seinen Osteophyten an Tibia
und Femur befreit werden. Dadurch wird die Exposition auf das Kniegelenk verbessert
und eine Entspannung der medialen Strukturen erreicht (Laskin und Schob 1987, Laskin
76
und Rieger 1989, Teeny et al 1991, Whiteside 1995, Delfico und Tria 1996, Trepte und
Pflanzelt 2003, Fehring 2006, Claus und Scharf 2007).
Tab. 19: Zeitpunkt der Osteophyten-Entfernung
Osteophyten-Entfernung vor dem Weichteil-Balancing Osteophyten-Entfernung während des Weichteil-Balancing
Laskin und Schob (1987) Kumar und Dorr (1997) Laskin und Rieger (1989) Yagishita et al (2001) Teeny et al (1991) Yagishita et al (2003) Whiteside (1995) Mullaji et al (2005) Delfico und Tria (1996) Claus und Scharf (2007) Trepte und Pflanzelt (2003) Fehring (2006) Claus und Scharf (2007)
Kumar und Dorr (1997), Yagishita et al (2001) und Yagishita et al (2003) berichten aber
auch, dass eine Osteophyten-Entfernung an der medialen Seite auch während des
Weichteil-Balancings zwischen den Release-Schritten durchgeführt werden kann.
Mullaji et al (2005) entfernen die Osteophyten erst nach dem Release der posteromedia-
len Strukturen, wie dem tiefen Innenband, der posteromedialen Kapsel und dem Semi-
membranosus. Sie entfernen dabei zuerst die Osteophyten der proximalen Tibia und
danach am Femur.
Claus und Scharf (2007) entfernen alle medialen Osteophyten bereits vor dem ersten
medialen Weichteilrelease. Falls auch nach dem medialen Weichteilrelease noch eine
Deformität fortbestehen sollte, empfehlen die Autoren eine weitere Osteophytenentfer-
nung im posterioren Bereich des Kniegelenkes, um damit die Spannung von den dorsa-
len Kapselstrukturen zu nehmen und den Weg für ein posteriores Weichteilrelease frei-
zumachen.
4.3.2.3.3 Mediale Weichteilmanschette Bereits 1987 schlugen Laskin und Schob in ihrer klinischen Studie von 870 Varus-
Kniegelenken - später dann auch Laskin und Rieger (1989) - vor, eine Varusdeformität
durch ein subperiostales Release der medialen Weichteilmanschette zu korrigieren.
Die Autoren lösen nach der Osteophyten-Entfernung den medialen Kapsel-Lappen, der
den tibialen Ansatz des gesamten Innenbandes, mit oberflächlicher und tiefer Kompo-
nente, und die posteromediale Kapsel beinhaltet. Dies bestätigt sich in ihrer Untersu-
chung als effektive Methode zur Korrektur des Varusknies (Laskin und Schob 1987).
Falls es notwendig wird, kann auch das Release dieser Kapselmanschette etwas distaler
77
angesetzt werden, womit im Folgenden jede übrig bleibende Deformität korrigiert wer-
den kann (Laskin und Rieger1989). Laskin löste (1996) in seiner retrospektiven Studie
ebenfalls die mediale Kapselmanschette als erste Struktur beim Weichteil-Balancing
subperiostal von der Tibia und bezeichnete diese Methode als Standard-Methode zur
Korrektur des Varusknie. Matsueda et al (1999) sowie Lüring et al (2005) beginnen die
Weichteil-Maßnahmen in ihren Kadaverstudien ebenfalls mit einer Ablösung der me-
dialen Kapsel-Manschette. Hier wird zuerst eine vordere Manschette gelöst, mit Pes
anserinus, oberflächlichem Innenband und medialer Kapsel. Danach folgt ein Release
einer posteromedialen Manschette mit posteromedialer Kapsel und dem Semimembra-
nosus.
Heutzutage wird nur noch selten und von wenigen Autoren eine Weichteilmanschette
mit mehreren Einzelstrukturen komplett zusammen gelöst, um eine Varusdeformität zu
korrigieren. Dies wird eher in Einzelschritten durchgeführt (Whiteside 2004, Fehring
2006, Claus und Scharf 2007).
4.3.2.3.4 Erster Release-Schritt zur Varuskorrektur Als erster Release-Schritt zur Varuskorrektur, der hauptsächlich nach den Knochen-
schnitten durchgeführt wird, werden sowohl das oberflächliche Innenband als auch noch
viel öfter das tiefe Innenband genannt (Tab. 20). Wie oben beschrieben, besteht auch die
Möglichkeit, diese beiden Strukturen bereits bei der Gelenkeröffnung, noch vor den
Knochenschnitten zu lösen. Die meisten Autoren führen die Release-Schritte aber nach
den Knochenschnitten und der Osteophyten-Entfernung durch.
Tab. 20: Der erste Release-Schritt: tiefes oder oberflächliches Innenband
Tiefes Innenband Oberflächliches Innenband Whiteside (1995) Whiteside et al (2000) Kumar und Dorr (1997) Whiteside (2002) Krackow und Mihalko (1999) Whiteside (2004) Whiteside et al (2000) Whiteside (2002) Yagishita et al (2003) Ritter et al (2004) Fehring (2006) Claus und Scharf (2007)
78
4.3.2.3.5 Zweite gelöste Struktur zur Varuskorrektur Als zweites Release zur Varuskorrektur befürworten einige Autoren das oberflächliche
Innenband, besonders nachdem bereits das tiefe Innenband gelöst wurde (Whiteside
1995, Krackow und Mihalko 1999a).
Andere Autoren bevorzugen dagegen ein Release des Semimembranosus noch vor der
Lösung des oberflächlichen Innenbandes (Tab. 21).
Tab. 21: Zweite gelöste Struktur: oberflächliches Innenband oder Semimembranosus
Oberflächliches Innenband-Release vor Semimembranosus-Release
Semimembranosus-Release vor oberflächlichem Innenband-Release
Teeny et al (1991) Delfico und Tria (1996) Whiteside (1995) Kumar und Dorr (1997) Mihalko et al (2003) Yagishita et al (2001) Ritter et al (2004) Tria (2004) Mullaji et al (2005)
Mihalko et al (2003) bescheinigen dem Release des oberflächlichen Innenbandes in
ihrer Kadaverstudie als zweitem Schritt nach dem tiefen Innenband-Release eine besse-
re Abstufung des Release bei voller Extension, als wenn Semimembranosus oder Pes
anserinus als zweiter Schritt gelöst werden. Auch Ritter et al (2004) verfolgen in ihrer
retrospektiven Studie eine Release-Sequenz beim Varusknie, die nach dem anfänglichen
Release des tiefen Innenband die Lösung des oberflächlichen Innenbandes als 2. Re-
lease befürwortet und später erst ein Release des Semimembranosus vorsehen.
Um für ein Semimembranosus-Release ausreichende Einsicht auf die Semimebranosus-
Ansätze zu haben, schlägt Whiteside ohnehin ein teilweises Release des oberflächlichen
Innenbandes vor dem Semimembranosus-Release vor, das in seiner Weichteil-Sequenz
ohnehin vorher schon von der Tibia gelöst wurde (Whiteside 1995).
Andere Autoren befürworten dagegen zuerst ein Release des Semimembranosus und
fahren danach erst mit dem Release des oberflächlichen Innenbandes fort. Delfico
und Tria (1996) führen ihr Weichteilrelease nach der Knieeröffnung und nach der Oste-
ophytenentfernung zuerst bei voller Extensionsstellung des Kniegelenkes nach posterior
an der proximalen Tibia entlang der Gelenklinie durch, indem die posteromediale Kap-
sel und der Ansatz des Semimembranosus an der posteromedialen Tibiametaphyse ge-
löst werden. Erst nachdem das Knie in Flexionsstellung gebracht wurde, wird das Re-
lease nach distal fortgeführt und das oberflächliche Innenband von der Tibia gelöst.
Auch Kumar und Dorr (1997) lösen zuerst den Semimembranosus und gehen erst da-
nach zum Release des oberflächlichen Innenbandes über, sobald das Knie in Beugestel-
79
lung gebracht wurde und es vorher noch nicht bei der Knieeröffnung gelöst wurde. Bei
schwerem Varus führen Yagishita et al (2001) eine Freilegung der posteromedialen Sei-
te durch, bei der sie ebenfalls zuerst den Semimembranosus lösen und danach erst das
oberflächliche Innenband. Auch bei Tria (2004) und Mullaji et al (2005) werden erst ein
Release der posterioren Seite der Tibia mit der posteromedialen Kapsel und dem Semi-
membranosus durchgeführt, bevor dann das oberflächliche Innenband von seinem An-
satz unterhalb des Pes anserinus gelöst wird. Claus und Scharf (2007) sehen ihrerseits
als allerletzte Möglichkeit, eine Varus-Deformität mit einem Release-Schritt zu korri-
gieren, indem sie nur in diesen Ausnahmefällen das oberflächliche Innenband lösen, das
sie in der Regel nicht lösen würden und intakt belassen.
4.3.2.3.6 Kapsel-Release Das Release der Kapsel des Kniegelenkes kann zum einen zur Korrektur einer Varusde-
formität genutzt werden, und zum anderen häufiger zur Korrektur einer begleitenden
Flexionskontraktur. Während das Release der posterioren Kapsel eher zur Korrektur
einer Flexionskontraktur führt, wird die posteromediale Kapsel eher zur Korrektur des
Varus gelöst (Tab. 22).
Tab. 22: Ziel des Kapsel-Release
Korrektur einer Varus-Deformität Korrektur einer begleitenden Flexionskontraktur Kumar und Dorr (1997) Whiteside (1995) Beverland (2006) Laskin (1996) Briard et al (2007) Whiteside et al (2000) Mullaji et al (2005) Whiteside (2002) Mullaji et al (2005)
Bei Kumar und Dorr (1997) wird das Release der posteromedialen Kapsel zur Va-
ruskorrektur am Femur durchgeführt, nachdem das gesamte Innenband und der Semi-
membranosus gelöst wurden. Auch Mullaji et al (2005) lösen zuerst die posteromediale
Kapsel, um damit die Varusdeformität zu korrigieren. Erst danach wird ein Release der
posterioren Kapsel zur Korrektur einer Flexionsdeformität durchgeführt.
Die Kapsel des Kniegelenkes wird während einer Varus-Release-Sequenz auch deshalb
gelöst, um damit eine begleitende Flexionskontraktur zu lösen. Wenn in Extensionsstel-
lung die Varusdeformität von einer Flexionskontraktur begleitet wird, wird nach Whi-
teside (1995) zuerst die posteromediale Kapsel vom tibialen Rand gelöst. Bei Whitesi-
de et al (2000) bekommen 4,8% der 82 Patienten dieser klinischen Studie ein Release
80
der hinteren Kapsel, weil eine kombinierte Flexionskontraktur neben der Varusdeformi-
tät besteht.
Whiteside (2004) berichtet, dass eine kontrakte hintere Kapsel erst dann gelöst werden
kann, wenn die Kontraktur im Innenband, die als primäre Kontraktur gilt, gelöst ist.
Nach Briard et al (2007) trägt eine Kontraktur der posteromedialen Kapsel sowohl zu
einer Varusdeformität als auch zu einem Streckdefizit bei, unabhängig von dem Zustand
der Kollateralbänder. Die Autoren gehen sogar soweit, dass sie ein Release der posterio-
ren Strukturen, wie der medialen posterioren Kapsel und der posteromedialen Kapsel,
noch vor einem Release des Innenbandes empfehlen. Damit wird bezweckt, dass zuerst
ein Streckdefizit korrigert wird und falls dann noch eine Varusdeformität vorliegen soll-
te, kann ein Innenband-Release folgen. Auch Beverland (2006) hält eine Korrektur des
Varus allein durch das Release kontrakter Kapselstrukturen schon am Anfang der Se-
quenz für möglich.
4.3.2.3.7 Pes anserinus oder Semimembranosus Wenn der Pes anserinus zur Korrektur einer Varusdeformität gelöst werden muss, wird
er von den meisten Autoren nach dem Semimembranosus gelöst.
Tab. 23: Reihenfolge des Release von Pes anserinus und Semimembranosus
Release des Pes anserinus nach dem Semimembranosus Release des Pes anserinus vor dem Semimembranosus Teeny et al (1991) Mihalko et al (2003) Whiteside (1995) Yagishita et al (2001) Ritter et al (2004) Mullaji et al (2005)
Nach Ablösung des Semimembranosus, des gesamten Innenbandes und der posterome-
dialen Kapsel führen Teeny et al (1991) und Muallaji et al (2005) ein Pes anserinus-
Release durch, falls durch die vorherigen Release-Schritte keine Korrektur der Defor-
mität eingetreten ist. Auch Whiteside (1995) schlägt ein Release des Pes anserinus bei
schwerwiegender Deformität vor, wenn die Varusdeformität vorher nicht durch das Re-
lease des gesamten Innenbandes, der Kapsel oder des Semimembranosus zu beherr-
schen sind. Bei Yagishita et al (2001) wird der Pes anserinus als letzte Struktur komplett
gelöst, wenn bei schwerem Varus ein weiterer Schritt zur Korrektur notwendig ist.
81
Nur Mihalko et al (2003) führen ein Release des Pes anserinus vor dem Release des
Semimembranosus durch (Tab. 23). Dies wird aber nur in einer Kadaverstudie durchge-
führt und ist deshalb nicht auf eine klinische Situation übertragbar.
4.3.2.3.8 HKB-Release Das HKB wird bei einigen Autoren als allerletzte Struktur gelöst, wenn vorher alle an-
deren medialen Weichteile gelöst wurden und nicht die erwünschte Korrektur der Va-
rusdeformität gelungen ist. Andererseits bringt solch ein spätes HKB-Release auch er-
hebliche Nachteile mit sich, weshalb einige Operateure davon abraten und den Erhalt
des HKB fordern (Tab. 24).
Tab. 24: HKB-Release oder HKB-Erhalt
HKB-Release als letzten Schritt einer Sequenz HKB auf jeden Fall erhalten Laskin und Schob (1987) Teeny et al (1991) Laskin und Rieger (1989) Whiteside (1995) Delfico und Tria (1996) Kumar und Dorr (1997) Laskin (1996) Matsueda et al (1999) Whiteside et al (2000) Yagishita et al (2003) Lüring et al (2005) Claus und Scharf (2007)
Yagishita et al (2003) entfernen das HKB schon vor dem Weichteil-Balancing zwischen
den Knochenschnitten, wenn die Varusdeformität größer als 15° ist. Wenn die Varusde-
formität kleiner als 15° ist, lösen sie das HKB partiell erst als letzte Struktur in ihrer
Release-Kaskade, vor allem wenn es in maximaler Flexion abnorm straff war.
Am Ende des Weichteil-Release kommt auch bei Laskin und Schob (1987) und bei
Laskin und Rieger (1989) die HKB-Resektion vor, um damit den hinteren Teil des me-
dialen Release bei schweren Varusdeformitäten zu beenden. Dies vor allem wenn der
Varus mit einer präoperativen Flexionskontraktur von mehr als 15-20° vergesellschaftet
war. In dieser Situation wird danach ein posterior stabilisiertes Implantat verwendet.
Whiteside et al (2000) lösen das HKB in ihrer Kadaverstudie immer als letzte aller
Strukturen und in ihrer integrierten klinischen Studie, nur wenn allein in Flexion eine
Straffheit besteht und nachdem das oberflächliche Innenband bereits gelöst wurde. Sie
empfehlen keine "Routine-Opferung" dieses Bandes. Delfico und Tria (1996) führen bei
Bedarf ebenfalls ein Release des HKB als letzten Weichteil-Release-Schritt durch, wo-
bei sie kein selektives Release des Bandes vorschlagen, sondern eine komplette Entfer-
nung der Bandansätze von der Tibia oder vom Femur.
82
Das HKB als letzte Struktur in einer medialen Weichteil-Sequenz zu behandeln, kann
auch deutlich Nachteile mit sich bringen. In einer Kadaverstudie äußern sich Saeki et al
(2001) besorgt über eine Opferung des HKB nach einem kompletten Innenband-
Release, weil das HKB ein sekundärer Stabilisator des Kniegelenkes zur Valgusstabili-
tät ist. Wenn diese Struktur durch ein Release entfernt werden würde, entstehen beson-
ders bei Valgusstreß größere Instabilitäten, die dann auch von einer posterior stabilisier-
ten Prothese nicht mehr kompensiert werden können. Während Laskin (1996) bei gro-
ßer Deformität eine HKB-Opferung mit Verwendung einer posterior stabilisierten Pro-
these empfehlen, weisen Saeki et al (2001) deutlich darauf hin, dass auch die frühzeitige
Benutzung einer posterior stabilisierten Prothese nicht unproblematisch ist, denn diese
Prothese liefert zwar eine Stabilität in AP-Richtung, aber stellt eine Valgus- oder Rota-
tionsstabilität nicht wieder her. Mihalko et al (2003) warnen in ihrer Kadaverstudie zu-
sätzlich, dass ein HKB-Release nach einem ausgedehnten medialen Weichteilrelease,
besonders einem Release des kompletten Innenbandes, zu einer unproportionalen Ver-
größerung der Flexionslücke führen kann, welche durch ein posterior stabilisiertes Imp-
lantat nicht mehr aufgefangen werden kann.
Andererseits sehen es Teeny et al (1991), Whiteside (1995) und Kumar und Dorr (1997)
auch bei schweren Varusdeformitäten als nicht notwendig an, das HKB herauszu-
schneiden.
4.3.2.3.9 Schluss-Release Als eine weitere Möglichkeit eine schwere Varusdeformität zu lösen, erwähnen Kumar
und Dorr (1997) ein Release der Sehne des medialen M. gastrocnemius, was in der
Studie dieser Autoren aber in keinem Fall notwendig war.
Wenn in ganz schweren Fällen der Varusdeformität trotz mehrerer Release-Schritte
immer noch keine adäquate Korrektur der Deformität erreicht ist, kann im Extremfall
die proximale Tibia auf ihrer medialen Seite völlig von allen Weichteilen befreit wer-
den (Teeny et al 1991, Whiteside 1995, Fehring 2006). Fehring (2006) verwendet hierzu
einen laminaren Spreizer, um damit die mediale Seite des Gelenkes zu spannen und
anschließend verbliebene, straffe mediale Weichteilstrukturen mit einem Messer in der
"Pie-crust-Technik" zu lösen und die Weichteilspannung der Gegenseite anzugleichen.
Falls alle Weichteile von der medialen Tibia abgelöst werden müssen, ist es nach Whi-
teside (1995) notwendig, dass die mediale Weichteilmanschette nach einem erfolgrei-
83
chen Release in diesem Fall wieder mit dem Knochen verbunden wird. Dies war in sei-
ner Studie bei 5 von 423 Varusknie (1,2%) notwendig, indem die Wiederanheftung mit
2 Polyethylen Weichteilschrauben und 2 Knochenschrauben umgesetzt wurde.
4.3.2.3.10 Laterale Straffung Erst wenn die Releases der Weichteile auf der medialen Seite der Varusdeformität nicht
zu einer ausgeglichenen Flexions- und Extensionslücke auf der medialen und lateralen
Seite geführt haben, kann auch die Überlegung angestellt werden, eine Straffung der
lateralen Weichteile ins Auge zu fassen (Tab. 25).
Tab. 25: Laterale Weichteil-Straffung
Letzter Weg zur Korrektur eines Varus Krackow et al (1990) Teeny et al (1991) Whiteside (1995)
Dieser Schritt wird von Krackow (1990) durch ein Advancement des Außenbandes um-
gesetzt. Bei Teeny et al (1991) war ein Advancement des Außenbandes bei 2 von 35
Varuskniegelenken (5,7%) notwendig. In Whiteside´s klinischer Langzeitstudie (1995)
bekommen 3 von 423 Varusknie (0,71%) wegen lateral unadäquater Stabilisation ein
Advancement des Iliotibialbandes.
84
4.3.3 Valgus-Deformität 4.3.3.1 Allgemein Bei der Durchführung einer Knie-TEP kommt eine Valgusdeformität mit 15% Anteil an
allen Deformitäten viel seltener vor als eine Varusdeformität (Tria 2004, Pape und
Kohn 2007). Diese Deformität ist mit einigen Schwierigkeiten bei der chirurgischen
Versorgung eine größere Herausforderung für den Operateur (Murray und Rand 1993,
Aglietti et al 1996). Neben der exakten Durchführung eines Ligament-Balancing muss
beim Valgus-Knie auch auf die Behandlung des knöchernen Defektes an Tibia und Fe-
mur, eine Korrektur der assoziierten Flexionskontraktur, eine Korrektur der lateralen
Patellasubluxation, eine Korrektur der Außenrotationsdeformität des distalen Femur und
eine Neuorientierung des Streckapparates geachtet werden (Aglietti et al 1996, Delfico
und Tria 1996, Healy et al 1998, Trepte und Pflanzelt 2003).
Von Krackow (1990) stammt eine Klassifikation der Valgusdeformität, um hierdurch
die chirugische Korrektur besser nach den vorgegebenen Ausgangsbedingungen des
deformierten Kniegelenkes einzuteilen. Eine Valgusdeformität mit lateralem Knochen-
defekt, lateraler Weichteilkontraktur, aber intakten medialen Weichteilen, beschreibt er
als Typ 1. Tritt zusätzlich eine Laxizität der medialen Weichteile auf, wird dies als Typ
2 bezeichnet. Ein Typ 3-Valgus-Knie ist das Ergebnis einer überkorrigierten proxima-
len tibialen Valgusosteotomie. Während die Typen 1 und 2 in der Regel mit einem un-
gekoppelten Oberflächenersatz behandelt werden können, ist für eine Behandlung des 3.
Typen häufig eine achsgeführte Prothese erforderlich (Pape und Kohn 2007).
Besonders die laterale Subluxation der Patella muss bei der Korrektur durch das
Weichteil-Balancing berücksichtigt werden, denn Stern et al (1991) berichten in ihrer
Studie von 76% Subluxationen der Patella, die dann mit einem lateralen Retinakulum-
Release versorgt werden musste.
Auch die Außenrotationsdeformität der Tibia ist häufig mit einem fixierten Valgus
verbunden und kann auch nach einer erfolgreichen lateralen Release-Korrektur der Val-
gusdeformität als funktionelles Problem bestehen bleiben (Buechel 1990). Ursache hier-
für ist nach Robbins et al (2001) ein persistierender Knochenverlust an der Femurkon-
dyle, der es schwierig macht, die Außenrotation der Femurkomponente korrekt zu beur-
teilen.
85
Ursachen für eine Valgusdeformität können zum einen eine entzündliche Arthritis, post-
traumatische oder primäre Arthrose oder eine ausgedehnte Überkorrektur einer valgisie-
renden Tibiakopf-Osteotomie sein. Ein Valgus kommt häufiger bei Frauen als bei Män-
nern vor (Murray und Rand 1993, Pape und Kohn 2007). Eine Valgusdeformität wirkt
sich negativ auf die Biomechanik des Kniegelenkes aus. Nach Heller et al (2007) führt
eine Valgusdeformität von über 8° zu einem Anstieg der maximalen Gelenkkontaktflä-
che von bis zu 140% beim Laufen und bis zu 53% beim Treppensteigen im Vergleich
zu undeformierten normalen Kniegelenken. Hier kommt es zu einer Straffung der latera-
len Weichteile des Kniegelenkes und zu einer Dehnung der medialen Weichteile.
Zu den betroffenen Strukturen, die auf der lateralen und posterolateralen Seite des
Kniegelenkes den pathologischen Prozessen unterliegen und sich daraufhin straffen und
später durch Release-Vorgänge gelöst werden können, gehören der Tractus iliotibialis,
die Popliteus-Sehne, das laterale Kollateralband, die posterolaterale Kapsel, der laterale
Kopf des M. gastrocnemius, das laterale Septum intermusculare, der lange Kopf des M.
biceps femoris, das laterale Retinakulum und das HKB (Ranawat 1985, Laurencin et al
1992, Murray und Rand 1993, Favorito et al 2002, Trepte und Pflanzelt 2003, Elkus et
al 2004, Clarke et al 2004, Clarke und Scuderi 2004, Tria 2004).
Ligamente, die wie das Außenband und der Popliteus in der Nähe der Femurepikondy-
len ansetzen, sind nahe der Achse, um welche die Tibia bei Streckung und Beugung
rotiert. Aus diesem Grund stabilisieren diese Strukturen das Kniegelenk über den ge-
samten Flexionsbogen hinweg. Das Außenband ist dabei eher in Extension wirksamer,
der Popliteus eher in Flexion. Strukturen, die wie der Tractus iliotibialis entfernter von
der epikondylären Achse ansetzen, stabilisieren das Kniegelenk nur in voller Extension
effektiv oder in Positionen mit tiefer Flexion. Das posterolaterale Kapselgewebe ist eng
an die laterale Gastrocnemiussehne gebunden und ist mit ihr zusammen eher in Exten-
sion wirksam, genauso wie die posteriore Kapsel, die ebenfalls nur in Extension eine
valgusstabilisierende Funktion hat.
Dieser Sachverhalt hat Auswirkungen auf das Weichteil-Balancing, da bei einer Kon-
traktur in Flexion andere Korrektur-Prozeduren notwendig sind als in Extension (Whi-
teside 1999, Whiteside 2004).
Gleichzeitig sind beim Valgus die medialen Weichteilstrukturen abgeschwächt, in be-
sonderem Maße das Innenband (Murray und Rand 1993, Elkus et al 2004, Clarke und
Scuderi 2004). Diese Situation einer großen Innenband-Laxizität mit einer Außenband-
86
Kontraktur wird von Delfico und Tria (1996) als schwierigster Fall einer Deformitäten-
korrektur bei einer Knie-TEP bezeichnet. Je mehr Weichteilstrukturen auf der lateralen
Seite gelöst werden, desto mehr tendiert die Tibia nach außen zu rotieren, was bei stei-
gender Flexionsstellung sogar noch verstärkt werden kann (Mihalko und Krackow
2000).
Im Gegensatz zum Varusknie, wo beim Weichteil-Release die betroffenen kontrakten
Strukturen der medialen Seite überwiegend von der Tibia gelöst werden, werden die
lateralen Strukturen beim Valgusknie auch vom Femur gelöst (Krackow und Mihalko
1999, Mihalko und Krackow 2000). Hier muss während der Release-Maßnahmen in der
posterolateralen Ecke mit äußerster Vorsicht hantiert werden, um den N. peroneus nicht
zu verletzen. Dieser ist bei Mihalko und Krackow (2000) in voller Extensionsstellung
des Kniegelenkes nur durchschnittlich 6-12 mm von der posterolateralen Ecke entfernt,
was die Hälfte einer Skalpellklinge bedeutet. Clarke et al (2004) berichten von 0,5-1%
Peronealnerv-Verletzungen nach einer Knie-TEP, insbesondere bei Patienten mit präo-
perativem Valgus und einer Flexionskontraktur (Murray und Rand 1993). Der Nerv
kann aber nicht nur direkt verletzt werden, sondern auch indirekt durch Zug oder indu-
zierte Ischämie, was bei Aglietti et al (1996) mit 3-4% und bei Easley et al (2000) mit
3% Nerv-Lähmungen zu sehen ist. Die meisten Fälle von Peronealnerv-Lähmungen
waren poststationär rückgängig, bei einigen Patienten aber ist solch ein Schaden trotz-
dem geblieben (Asp und Rand 1990).
Eine ebenfalls entscheidende Weichteilstruktur, die während des lateralen Weichteil-
Balancings geschützt werden sollte, ist die Arteria genicularis lateralis superior. Be-
sonders wenn das Knie mit einem medialen parapatellaren Zugang geöffnet wird und
dann ein Weichteil-Release der lateralen Seite durchgeführt wird, ist diese obere laterale
Kniearterie gefährdet. Sie sollte auch bei einer liegenden Knie-TEP für die Blutversor-
gung des Kniegelenkes zuständig sein, denn wenn diese Arterie während der OP durch-
trennt wird, kann es zu Minderdurchblutung des Knochens und folgender Knochen-
nekrose kommen, was bei Laurencin et al (1992) bei 3 von 25 Patienten (12%) mit einer
sekundären Knochennekrose der Patella und nachfolgender Fraktur der Patella gesche-
hen ist.
Zusätzlich befürworten einige Autoren und Operateure eine spezielle Arthrotomie beim
Valgusknie und zwar von lateral parapatellar. Auch dieser spezielle Zugang wird nicht
87
von allen Autoren beim Valgusknie verwendet und steht bis heute in der Diskussion
(Clarke und Scuderi 2004).
Eine Valgusstellung des Kniegelenkes zwischen 1- 7° wird nicht als Deformität gewer-
tet, sondern vielmehr als wünschenswertes Ergebnis und Neutralstellung der anatomi-
schen Beinachse, die auch nach liegender Knie-TEP Bestand haben soll (Laskin und
Rieger 1989, Pape und Kohn 2007). Eine Valgusdeformität mit Korrekturbedarf beginnt
deshalb erst ab einem anatomischen tibio-femoralen Winkel von mehr als 9° (Delfico
und Tria 1996, Pape und Kohn 2007).
88
4.3.3.2 Release-Techniken Auf der lateralen Seite des Kniegelenkes sind die einzelnen Bandelemente besser abzu-
grenzen als auf der medialen Seite. Es gibt lateral auch zahlreichere anatomische Vari-
anten der Bänder als medial, die auch in häufiger Form auftreten (Müller 1982).
Um das Alignment der Valgusdeformität zu korrigieren, verwenden die meisten Opera-
teure ein Release der lateralen Weichteilstrukturen (Krackow und Mihalko 1999).
Im Gegensatz zur medialen Seite des Kniegelenkes, wo die Release-Schritte fast nur auf
der tibialen Seite vollzogen werden, werden sie auf der lateralen Seite des Kniegelenkes
auch zusätzlich am Femur durchgeführt (Krackow und Mihalko 1999, Mihalko und
Krackow 2000). Verglichen mit dem Varusknie besteht beim Valgusknie beim lateralen
Release deutlich eher die Gefahr, dass eine Überkorrektur oder Unterkorrektur des A-
lignments resultiert. Eine Überkorrektur bei den Release-Vorgängen führt immer zu
einer Flexionsinstabilität und sollte möglichst vermieden werden (Peters et al 2001).
Wie auch beim Varus- führen Release-Schritte beim Valgusknie zu einer größeren Öff-
nung der Flexionslücke als der Extensionslücke. Dies wird vor allem nach dem Release
des Außenbandes und des Popliteus deutlich (Krackow und Mihalko 1999, Matsueda et
al 1999, Kanamiya et al 2002).
Die Kadaverstudie von Kanamiya et al (2002) zeigt, dass die primären Varusstabilisa-
toren in Extension der Tractus iliotibialis und die hintere Kapsel sind. Die einzigen
Strukturen, die bei mehr als 60° Flexion einen lateral stabilisierenden Effekt bieten, sind
das Außenband, der Popliteus und die posterolaterale Kapsel. Diese 3 Strukturen wirken
außerdem über den gesamten Flexionsbogen hinweg. Die Kadaverstudien von Krackow
und Mihalko (1999) und Mihalko und Krackow (2000) zeigen, dass in Extensionsstel-
lung nur minimale Rotationsveränderungen im Kniegelenk möglich sind. Erst wenn das
Außenband gelöst wird, entsteht eine deutliche Außenrotationveränderung. Sobald das
Kniegelenk in 45° Flexionsstellung gebracht wird, erhöhen sich die Außenrotationsver-
änderungen nochmals deutlich, die Tendenzen bleiben aber denen der Streckstellung
gleich. Je mehr laterale Strukturen gelöst werden, desto mehr neigt die Tibia zur Außen-
rotation.
89
4.3.3.2.1 Außenband Zeitpunkt des Release Obwohl das Weichteil-Balancing eigentlich erst nach dem Einsetzen der Probekompo-
nenten durchgeführt wird, ist bei 2% der 231 Valgusknie in Whitesides Studie (1999)
ein partielles Außenband-Release vor dem Einsetzen der Probekomponenten nötig, da-
mit die laterale Seite des Kniegelenkes soweit entspannt ist, um das Einsetzen der Pro-
bekomponenten zu erleichtern. Wenn das Außenband-Release am Anfang durchgeführt
wird, entsteht ein mehr abgestuftes, schrittweise einheitlicheres laterales Release, was
zu bevorzugen ist. Dies erklärt sich daher, dass bei einem Release des Außenbandes, als
primärer lateraler Stabilisator, die sekundären Stabilisatoren dessen Aufgaben überneh-
men. Wenn die sekundären Stabilisatoren nun anfänglich schon gelöst würden, diese
Releases für eine Korrektur der Deformität nicht ausreichen würden und erst daraufhin
ein Außenband-Release durchgeführt würde, könnte die laterale Seite des Gelenkes sich
plötzlich sehr weit öffnen und zu einer Überkorrektur und folgender Instabilität in Fle-
xion führen. Aus diesem Grund sollte zuerst ein Außenband-Release durchgeführt wer-
den und wenn dies zur Korrektur der Deformität nicht ausreichen sollte, können die
sekundären Stabilisatoren danach gelöst werden. Die Autoren dieser Kadaverstudie wol-
len aber damit nicht generell aussagen, dass das Außenband immer als erstes gelöst
werden soll, aber ein Operateur sollte diesen Gedanken im Auge behalten (Krackow
und Mihalko 1999). Mihalko et al (2003) bestätigen ebenfalls, dass ein Release des Au-
ßenbandes am Anfang einer Sequenz zu einer mehr abgestufteren Varusauslenkung des
Kniegelenkes führen kann.
Krackow und Mihalko (1999) und Mihalko und Krackow (2000) sind generell der Mei-
nung, dass nur dann ein effektives Release der lateralen Seite entsteht, sobald das Au-
ßenband gelöst ist. Whiteside (2004) löst dieses Band außerdem zur Korrektur von
straffer Flexions- und Extensionslücke als zweite Struktur, direkt nach dem Popliteus.
Wenn aber die Straffheit in Extension deutlich größer ausgeprägt ist als in Flexion, wird
das Außenband vor dem Popliteus gelöst, damit es die Extensionslücke korrigieren kann
und der Popliteus folglich die Flexionslücke korrigiert.
Kumar und Dorr (1997) berichten dagegen, dass nur bei extremen Valgusdeformitäten,
die ansonsten nicht anders korrigierbar sind, das Außenband gelöst werden soll.
Dieses Release zieht die Verwendung einer kondylär-geführten Prothese, wie zum Bei-
spiel die Total-Condylar-III-Typ-Prothese, nach sich. Pape und Kohn (2007) lösen die-
ses Band nur zur Korrektur des Beugespalts als letzte Struktur der Sequenz, nachdem
90
vorher zuerst der Streckspalt und danach durch Releases anderer Strukturen der Beuge-
spalt korrigiert werden soll. Healy et al (1998) sind der Meinung, dass ein solches Au-
ßenband-Release bei der Korrektur einer Valgusdeformität nicht notwendig ist und es
erhalten werden könne. Auch Whiteside (1999) würde nur bei einer lateralen Straffheit
in Extension das Außenband intakt lassen.
Technik des Release Insall et al (1979), Laskin und Rieger (1989), Whiteside (1993), Aglietti et al (1996),
Kumar und Dorr (1997), Peters et al (2001), Kanamiya et al (2002), Favorito et al
(2002), Trepte und Pflanzelt (2003), Whiteside (2004) und Fehring (2006) lösen das
Außenband von seinem Ansatz an der lateralen Femurkondyle von der Innenseite des
Gelenkes.
Es ist anterior und superior vom femoralen Ansatz des Popliteus entfernt (Kumar und
Dorr 1997). Pape und Kohn (2007) lösen es schrittweise und subperiostal von seinem
Ansatz. Es wird in maximaler Flexionsstellung Schritt für Schritt von seinem femoralen
Ansatz gelöst (Trepte und Pflanzelt 2003). Dabei sollte aber darauf geachtet werden,
dass vorab alle Verklebungen und Verwachsungen zwischen dem Tractus iliotibialis
und der anterolateralen Kapsel gelöst werden, damit die Patella ausreichend lateralisiert
werden kann. Favorito et al (2002) empfehlen beim Release zusätzlich die Popliteus-
Sehne zu identifizieren, damit eine versehentliche Durchtrennung vermieden wird.
Whiteside (1999, 2004) löst das Außenband direkt an seinem Ansatz am Knochen unter
Belassung seines Ansatzes am Periost und Intaktbelassung der Synovialmembran. Dies
lockert das Band, eliminiert aber nicht komplett seine Funktion.
Andererseits lösen es Mihalko und Krackow (2000) mit einem Stich in die posterolate-
rale Ecke, direkt nach einem Pie-crust-Release. Bei Clarke und Scuderi (2004) und
Clarke et al (2005) wird das Band ebenfalls während der Pie-crust-Methode und im
Rahmen der multiplen transversen Stichinzisionen in den lateralen Kapselbereich bei-
läufig mitgelöst.
91
Abb.24. Außenband-Release in Flexionsstellung des Kniegelenkes (aus Whiteside 2004). Nach einer kompletten scharfen Lösung des Außenbandes von der Femurkondyle emp-
fehlen Favorito et al (2002) eine Identifikationsnaht am Band-Stumpf anzubringen, da-
mit dieser später wieder erkannt werden kann.
Wirkung des Release Favorito et al (2002) sehen das Außenband beim Valgusknie als die straffste Struktur
der lateralen Seite an. In der Kadaverstudie von Kanamiya et al (2002) führt ein Release
des Außenbandes in mehreren Weichteil-Sequenzen zu einer deutlichen Zunahme der
Gelenklücke, ganz besonders bei 60° und 90° Flexion. Auch der Außenrotationseffekt
war in Flexion ausgeprägter als in Extension. Dieser Effekt wird auch von Mihalko und
Krackow (2000) bestätigt.
Mihalko et al (2003) erhalten in ihrer Kadaverstudie die größten Lückenveränderungen
aller Weichteilschritte sowohl in Flexion als auch in Extension, wenn das Außenband
gelöst wird. Die Veränderungen in Flexion fallen hier höher aus als in Extension.
In der Kadaverstudie von Krackow und Mihalko (1999) führt dieses Release zur höchs-
ten Lückenveränderung der lateralen Seite bei Varusstreß, wenn das Knie in Extensi-
onsstellung steht, wodurch es als primärer Stabilisator der lateralen Seite bei Va-
russtress in Extension gelten kann. Es zeigt sich auch, dass dieses Release in Extension
erhebliche außenrotatorische Veränderungen im Kniegelenk nach sich ziehen kann, be-
sonders dann, wenn es als erste Struktur der Release-Sequenz gelöst wird.
Das laterale Kollateralband hat aber nicht nur Auswirkungen in Extension, sondern im
gesamten Flexionsbogen (Kanamiya et al 2002). Peters et al (2001) lösen es zusammen
mit dem Popliteus und bekommen damit einen deutlich höheren Effekt in Flexion als in
Extension.
92
Klinik und Einsatz Bei Ritter (1990) wird mit großer Vorsicht an der Valgus-Korrektur gearbeitet, damit
das Außenband nicht zufällig mitgelöst wird. Eine Ablösung dieses Bandes würde folg-
lich zu einer Prothese mit höherer Führung der Rotationsstabilität führen. In der Studie
von Politi und Scott (2004) wird ein Release des Außenbandes nur bei 10% der Val-
gusknie durchgeführt, weil es als Hauptstabilisator im Kniegelenk gilt. Miyasaka et al
(1997) zeigen aber mit ihrem Außenband-Release, dass trotz dieses Release-Schrittes
76% der betroffenen Kniegelenke klinisch stabil sind. Dies lässt daraus folgern, dass ein
Außenband-Release nicht immer zu einer Instabilität der Flexionslücke führen muss.
Auch Whiteside (1999) löst dieses Band in der Mehrheit der Fälle und konnte keine
Instabilität finden. Laskin (1990) und Fehring (2006) glauben zudem, dass ein Außen-
band-Release auch dann indiziert ist, wenn eine schwere Valgusinstabilität bestehen
bleibt, was aber eher selten der Fall ist.
Whiteside (1999) löst das Außenband zusammen mit dem Popliteus, wenn das Knie auf
der lateralen Seite nur in Flexion straff ist. Dies ist nur bei 1% der 231 Valgusknie die-
ser Studie notwendig. Wenn das Knie lateral sowohl in Flexion als auch in Extension
straff ist, wird es alleine oder auch zusammen mit dem Popliteus gelöst. Dies ist bei
82% der 231 Valgusknie dieser Studie notwendig.
4.3.3.2.2 Popliteus-Sehne Nach Tria (2004) ist der Popliteus die zentrale Struktur des lateralen Kompartimentes. Zeitpunkt des Release Der Popliteus wird bei Kumar und Dorr (1997) noch vor den Knochenschnitten direkt
nach der Eröffnung gelöst. Zuerst werden der Tractus und die laterale Kapsel gelöst,
danach zusätzlich der Popliteus mit einem Elektrokauter an seinem Ansatz an der latera-
len Ecke der Femurkondyle zusammen mit der dort liegenden lateralen Kapsel.
Whiteside (2004) löst ihn als erste Struktur zur Valguskorrektur, wenn der laterale Ge-
lenksspalt sowohl in Flexion als auch in Extension kontrakt ist oder wenn nur der Flexi-
onsspalt allein kontrakt ist. Fehring (2006) löst den Popliteus andererseits als letzte
Struktur der Sequenz, wenn bereits Kapsel, Tractus und Außenband gelöst wurden.
Der Popliteus wird häufig zusammen mit dem Außenband in einem Schritt gelöst, kann
aber auch alleine gelöst werden.
93
Clarke und Scuderi (2004) halten diesen Muskel für die Funktion des Kniegelenkes als
unersetztlich und plädieren deshalb im Gegensatz zu anderen Autoren für einen Erhalt.
Nach Clarke et al (2005) gilt der er als wichtiger Stabilisator des Kniegelenkes vor al-
lem in höheren Graden der Flexion.
Technik des Release Ein Release des Popliteus erfolgt meistens von seinem proximalen Ansatz aus an der
lateralen Femurkondyle innerhalb des Gelenkes in 90° Flexion (Insall et al 1979, Laskin
und Rieger 1989, Murray und Rand 1993, Whiteside 1993, Aglietti et al 1996, Delfico
und Tria 1996, Kumar und Dorr 1997, Whiteside 1999, Peters et al 2001, Kanamiya et
al 2002, Whiteside 2004). Whiteside (1999) löst ihn direkt an seinem Ansatz am Femur
unter Belassung seines Ansatzes am Periost und Intaktbelassung der Synovialmembran.
Dies lockert den Popliteus, eliminiert aber nicht komplett seine Funktion. Delfico und
Tria (1996) lösen ihn andererseits entweder scharf an seinem Femuransatz oder mit ei-
ner Schuppe vom Periost.
Wegen der sekundären Anheftungen des Popliteus am Außenband und der Gelenkskap-
sel zieht sich die Popliteussehne nach einem Release nur 5-10 mm zurück (Whiteside
2004). Bei Mihalko und Krackow (2000) und Favorito et al (2002) wird der Popliteus
entweder direkt auf oder in der Nähe der Gelenksebene gelöst.
Zur Durchführung des Release schlagen Kumar und Dorr (1997) zum Beispiel die Ver-
wendung eines Elektrokauters vor, Whiteside (2004) verwendet hierfür ein Skalpell.
Abb.25. Popliteus-Release am femoralen Ansatz (aus Whiteside 2004). Sobald der Popliteus gelöst ist, wird er mit einer Naht an das bereits gelöste Außenband
angenäht, um eine ausgedehnte Trennung dieser beiden Strukturen zu vermeiden und so
eine Hilfe in Flexion zu gewährleisten.
94
Wirkung des Release Der Effekt des Popliteus, besonders als effektiver Varusstabilisator, erstreckt sich über
den gesamten Flexionsbogen hinweg (Kanamiya et al 2002). In den Sequenzen der Ka-
daverstudie von Kanamiya et al (2002) und Mihalko et al (2003) neigt dieser Muskel zu
einem ausgeprägten Varuseffekt in tiefer Flexion, aber auch relativ deutlich in Extensi-
on. Auch die Außenrotationsstabilität in 60° und 90° Flexion werden von ihm signifi-
kant beeinflusst. Bei Peters et al (2001) wird der Popliteus zusammen mit dem Außen-
band in einem Komplex gelöst, was einen viel höheren Effekt in Flexion als in Extensi-
on entstehen lässt.
Ein Release des Popliteus kann aber auch zu extremer lateraler Laxizität in Flexion füh-
ren, weshalb Fehring (2006) davor warnt, den Popliteus routinemäßig zu lösen.
Klinik und Einsatz Whiteside (1999) löst die Popliteus-Sehne zusammen mit dem Außenband, wenn das
Knie lateral in Flexion zu straff ist und wenn die laterale Straffheit mit einer Innenrota-
tionskontraktur verbunden ist. Dies ist bei 1% der 231 Valgusknie dieser Studie not-
wendig. Wenn das Knie in Flexion und in Extension lateral zu straff ist, wird von Whi-
teside (1999) entweder der Popliteus allein oder zusammen mit dem Außenband gelöst.
Dies war bei 82% der 231 Valgusknie dieser Studie notwendig. Bei Delfico und Tria
(1996) wird der Popliteus meist bei Valgus-Deformitäten über 25° von seinem Femu-
ransatz gelöst.
Andere Autoren halten eher die Unversehrtheit des Popliteus für unerlässlich. Clarke
und Scuderi (2004) und Clarke et al (2004) sprechen sich bei ihrer Pie-crust-Methode
dafür aus, den Popliteus während des transversen Schnittes durch die posterolaterale
Kapsel den Popliteus nicht zu verletzten und möglichst unversehrt zu lassen, weil er ein
wichtiger Stabilisator des Kniegelenkes in Flexionsstellung ist und er in dieser Position
auch eine Instabilität verhindern kann. Kanamiya et al (2002) halten die Erhaltung des
Popliteus ebenfalls für entscheidend für den Erfolg einer Implantation einer Knie-TEP,
denn er sorgt für eine Stabilisation des Kniegelenkes bei hohen Graden der Flexion. Bei
Verwendung einer posterior stabilisierten Prothese ist die Funktion des Popliteus ent-
scheidend, weil er einer Dislokation der Nocke der Prothese und des posterioren Me-
chanismus entgegenwirken kann, sobald das Knie in Flexionsstellung steht und Va-
russtress auf es einwirkt (Clarke und Scuderi 2004). Auch Whiteside (1999) spricht sich
95
dafür aus, den Popliteus möglichst intakt zu lassen, aber nur wenn das Knie ausschließ-
lich in Extension lateral zu straff ist. Die Popliteus-Sehne kann auch deshalb geschont
werden, um eine größere Stabilität in Flexion zu erhalten (Delfico und Tria 1996). Feh-
ring (2006) und Delfico und Tria (1996) warnen außerdem vor einem routinemäßigen
Gebrauch dieser Releases, weil es eine große laterale Laxizität in Flexion verursachen
kann.
Popliteus-Dysfunktion Bei einer Dysfunktion der Popliteus-Sehne in 90° Flexion, die entweder durch zurück-
gebliebene laterale Osteophyten auf der Femurkondyle oder durch Schnappen der Popli-
teusehne über die implantierte Femurkomponente verursacht wird, kann das Problem
intraoperativ durch ein scharfes Release von seinem femoralen Ansatz gelöst werden.
Dieser Vorgang musste bei Barnes und Scott (1995) bei 8 von 300 Patienten (2,7%)
durchgeführt werden. Allerdyce et al (1997) sehen die Inzidenz einer solchen Popliteus-
Dysfunktion nur bei 0,2%. Trepte und Pflanzelt (2003) resezieren den Popliteus wegen
dieser Probleme fast routinemäßig, weil seine Funktion für die Knie-Prothese laut die-
sen Autoren nahezu unbedeutend sei.
4.3.3.2.3 Tractus iliotibialis Eine Verlängerung oder ein Release des Tractus iliotibialis ist zu einer Standard-
Maßnahme bei der Knie-TEP geworden, wenn ein Valgusknie korrigiert werden muss
(Zenz et al 2002). Andererseits gibt es auch Autoren wie Insall (1981), die der Meinung
sind, dass der Tractus generell erhalten bleiben soll.
Durch Palpation oder rein durch visuelle Untersuchung der posterolateralen Ecke des
Kniegelenkes kann herausgefunden werden, ob der Tractus iliotibialis aktuell straff ist
oder nicht (Krackow und Mihalko 1999, Favorito et al 2002).
Zeitpunkt des Release In 50% der Fälle wird bei Kumar und Dorr (1997) das Release des Tractus bereits wäh-
rend der Eröffnung des Kniegelenkes gelöst. Bei Verwendung des lateralen parapatella-
ren Zuganges kann er als Teil der 3-Schritt-Technik ebenfalls als allererste Struktur auf
Höhe des Fibulaköpfchens gelöst werden (Buechel 1990). Bei Beverland (2006) wird
das Tractus-Release dagegen an letzter Stelle des Weichteil-Balacings durchgeführt.
96
Whiteside (1993,1999, 2004) war eher der Meinung, dass beim Vorliegen einer latera-
len Straffheit des Kniegelenkes nur in Extension der Tractus zuerst und eventuell nur als
einzige Struktur gelöst werden sollte. Bei gleichzeitiger Straffheit in Flexion und Exten-
sion wird der Tractus erst nach anderen Strukturen wie dem Außenband oder dem
Popliteus gelöst.
Tab. 26: Release-Möglichkeiten des Tractus iliotibialis
Z-Plastik
Multiple kleine
Inzisionen
Komplette Durchtrennung
Inzision auf Gelenkshöhe
V-Y-Plastik
Inzision oberhalb der Gelenkshöhe
Release an der Tibia-
kante
"Kaplan-Release"
Zenz et al (2002)
Laurencin et al (1992)
Zenz et al (2002)
Insall et al (1979)
Zenz et al (2002)
Insall et al (1979)
Buechel (1990)
Zenz et al (2002)
Aglietti et al (1996) Murray und
Rand (1993) Delfico und Tria (1996)
Aglietti et al (1996)
Delfico und Tria (1996) Whiteside
(1993) Whiteside (2002)
Delfico und Tria (1996)
Miyasaka et al (1997) Healy et al
(1998) Whiteside (2004)
Kumar und Dorr (1997)
Peters et al (2001)
Krackow und Mihalko (1999)
Matsueda et al (1999)
Zenz et al (2002) Peters et al
(2001) Pape und Kohn (2007)
Clarke et al (2004) Zenz et al
(2002)
Clarke und Scuderi (2004)
Kanamiya et al (2002)
Elkus et al (2004)
Clarke et al (2005)
Fehring (2006)
Pape und Kohn (2007)
Technik des Release Es gibt bei der Durchführung des Release des Tractus iliotibialis mehrere Ebenen und
mehrere Techniken, um den gewünschten Release-Effekt zu erhalten (Delfico und Tria
1996). Wenn die Valgusdeformität unter 25° und ohne begleitende Flexionskontraktur
ist, reicht ein kleineres Release des Tractus aus. Dies kann durch eine Z-Plastik von der
Innenseite des Gelenkes aus gelingen, aber auch durch ein Release auf Höhe des Tibi-
aknochenschnittes. Eine andere Möglichkeit wären auch multiple Einstiche in die tiefe
97
Schicht des Tractus, wo die distalen Fasern zwischen dem femoralen Epikondylus und
dem Tuberkulum Gerdy der Tibia verlaufen. Auch multiple Einstiche in die oberflächli-
che Schicht des Tractus, welche ein proximaler Teil der Fascia latae darstellt, sind mög-
lich (Zenz et al 2002).
Bei schwererer Valgusdeformität oder Vorliegen einer Flexionskontraktur ist ein ausge-
dehnteres Release notwendig, was entweder durch eine Z-Plastik oder durch eine kom-
plette Durchtrennung des Tractus erreicht werden kann (Zenz et al 2002).
Ein schrittweises Release des Tractus, statt einer kompletten Durchtrennung, halten
Zenz et al (2002) für angebrachter, um keine große anterolaterale Instabilität entstehen
zu lassen, was besonders bei fehlendem VKB die Gefahr sein kann.
Möglichkeiten unterschiedlicher Release-Techniken zur Lösung des Tractus iliotibialis
sind in Tab. 26 dargestellt.
Der Tractus kann in voller Extension auf Höhe der Gelenklinie oder etwas proximal
davon gelöst werden. Ein Release oberhalb der Gelenklinie kann nach Insall et al (1979)
10 cm proximal der Gelenklinie verlaufen. Whiteside (2004) löst das Band ebenfalls
über der Gelenklinie, aber extrasynovial, damit das Band zwar elongiert wird, aber
durch die weiterhin bestehende Befestigung an der Synovialmembran für die Stabilisie-
rung in Extension weiterhin unterstützend wirkt.
Abb.26. Release des Tractus iliotibialis knapp über der Gelenksebene in Extension (aus Whiteside 2004). Wie Tab. 26 zeigt, kann das Release des Tractus auch subperiostal an seinem tibialen
Ansatz am Tuberkulum Gerdy erfolgen. Es kann aber auch durch multiple quere hori-
zontale Stichinzisionen an oder 1 cm oberhalb der Gelenklinie fraktionell verlängert
98
werden. Diese multiplen Inzisionen werden bei Clarke et al (2005), Pape und Kohn
(2007) und anderen Autoren als Pie-crust-Methode zur Tractus-Verlängerung verwen-
det. Zenz et al (2002) schlagen zusätzlich eine Durchtrennung des Tractus vom inter-
muskulärem Septum auf Höhe des distalen Femur und ein Release aller Tractus-Ansätze
zur lateralen Femurkondyle vor. Dadurch werden vor allem die sog. Kaplan-Fasern
durchtrennt, was diesem Release-Vorgang den Namen "Kaplan-Release" erbrachte.
Zenz et al (2002) sehen in ihrer Kadaverstudie mehrere Möglichkeiten den Tractus zu
verlängern. Diese Methoden sind aber abhängig vom gewählten Zugang zum Kniege-
lenk. Beim medialen parapatellaren Zugang ist ein Release durch Z-Verlängerung mög-
lich, eine Durchtrennung auf Höhe der proximalen Tibia oder multiple Einstiche auf
Höhe der Gelenksebene. Beim lateralen Zugang zum Kniegelenk, der von einigen Auto-
ren beim Valgusknie bevorzugt wird, ist ebenfalls eine Z-Plastik möglich, daneben aber
auch ein V-Y-Plastik oder multiple Einstiche auf die proximale oberflächliche Schicht,
welches die bevorzugteste Technik beim lateralen Zugang ist.
Abb.27. Release-Methoden zur Verlängerung des Tractus iliotibialis (aus Keblish 1991). Durch Kombination zweier Release-Techniken kann nach Zenz et al (2002) der Effekt
der Tractus-Lösung nochmals deutlich vergrößert werden. Dies gelang diesen Autoren
mit der Tractus-Verlängerung durch das "Kaplan-Release" in Kombination mit den mul-
tiplen Einstichen.
Das für das Tractus-Release am häufigsten verwendete Instrument sowohl für Stiche-
lungen als auch für Releasevorgänge auf oder über der Gelenksebene ist ein Skalpell
(Whiteside 2004).
Wirkung des Release Der Haupteffekt des Tractus iliotibialis am Kniegelenk ist eine laterale Stabilisation in
Streckstellung (Peters et al 2001, Kanamiya et al 2002, Mihalko et al 2003, Elkus et al
2004). Der Effekt einer Tractus-Durchtrennung in den Sequenzen der Kadaverstudie
99
von Kanamiya et al (2002) ist aus diesem Grund in Streckstellung des Kniegelenkes
deutlich höher als in Beugung. Wird der Tractus zur Korrektur einer Valgusdeformität
gelöst, fungieren die hintere Kapsel, das HKB und der Biceps femoris als laterale Stabi-
lisatoren in Extension weiter (Whiteside 2004).
Klinik und Einsatz Bei Ritter (1990) war ein Release des Tractus iliotibialis bei Valgusdeformitäten von
10-45° in 93% der Fälle erforderlich. Laurencin et al (1992) lösen den Tractus mit hori-
zontalen Stabinzisionen bei 76% der Patienten mit schwerem Valgus von 25-40°.
Aglietti et al (1996) sehen bei leichten Valgusdeformitäten von 11-20° häufig ein allei-
niges Release des Tractus von der Tibia für ausreichend zur Korrektur einer Valgusde-
formität. Whiteside (1993) führt dagegen bei 32 von 59 Valguskniegelenken (54%), die
ein laterales Release bekommen sollen, nur ein Release des Iliotibialbandes durch, was
zur Korrektur dieser Valgusdeformität ebenfalls ausreichte. Whiteside (1999) ist zusätz-
lich der Meinung, dass bei einem initial lateral zu straffen Kniegelenk ausschließlich in
Streckstellung, nicht in Beugung, nur der Tractus allein gelöst werden solle. Dies war
bei 12 aller 231 Valgusknie (5,1%) dieser Studie notwendig. Wenn das Knie sowohl in
Extension als auch in Flexion lateral zu straff ist, sollte der straffe Tractus, erst nach
dem Release von Außenband und Popliteus gelöst werden. Der Tractus wird bei
verbleibender straffer Extension deshalb als erstes gelöst, weil es die am leichtesten zu
erreichende Struktur ist, was bei 45% der 231 Valgusknie dieser Studie nötig war.
4.3.3.2.4 Posterolaterale Kapsel Zeitpunkt des Release Die laterale Kapsel wird bei Kumar und Dorr (1997) schon vor den Knochenschnitten,
gleich bei der Knieeröffnung gelöst, indem sie komplett bis zur posterioren Mittellinie
des Kniegelenkes von der lateralen Femurkondyle gelöst wird. Beverland (2006) löst
die posterolaterale Kapsel ebenfalls als allerersten Schritt der Valguskorrektur. Laskin
und Rieger (1989) und Pape und Kohn (2007) führen ein Release der lateralen und
posterolateralen Kapsel direkt nach der Entfernung der peripheren Osteophyten durch.
100
Technik des Release Ein Kapsel-Release kann in zwei unterschiedlichen Methoden erfolgen. Zum einen kann
die Kapsel sowohl lateral als auch posterior von ihrem femoralen Ansatz gelöst werden,
zum anderen können multiple Stichinzisionen zu einer Verlängerung dieser Kapsel füh-
ren (Tab. 27).
Tab. 27: Möglichkeiten des Kapsel-Release
Release vom lateralen Femuransatz Multiple Inzisionen Laskin und Rieger (1989) Ranawat (1997) Whiteside (1993) Mihalko und Krackow (2000) Delfico und Tria (1996) Clarke und Scuderi (2004) Kumar und Dorr (1997) Clarke et al (2004) Peters et al (2001) Clarke et al (2005) Kanamiya et al (2002) Whiteside (2004) Pape und Kohn (2007)
Es wird empfohlen ein Release der posterolateralen Kapsel von intraartikulär scharf an
der Hinterseite des Femur durchzuführen, während das Knie in Extensionsstellung ver-
harrt. Bei diesem Release-Schritt sollte die Sehne des Popliteus möglichst geschont
werden (Delfico und Tria 1996, Peters et al 2001, Kanamiya et al 2002, Pape und Kohn
2007). Whiteside (1993, 2004) empfiehlt ebenfalls ein Release der hinteren Kapsel vom
femoralen Ansatz, führt dies aber in gebeugter Knieposition und unter direkter Sicht
durch. Die posterolaterale Kapsel sollte vom Femur gelöst werden, weil das Risiko der
Schädigung des Nervus peroneus bei einem Tibia-Release zu groß wäre (Whiteside
2004).
Abb.28. Kapsel-Release von seinem femoralen Ansatz zur Valguskorrektur (aus White-side 2004). Ranawat präsentierte 1997 eine Release-Technik bei der mit einer Skalpellklinge kleine
Inzisionen durch die straffe posterolaterale Kapsel in Extension durchgeführt werden.
Eine effiziente Korrektur dieser Methode entsteht aber nur dann, wenn dasAußenband
auch gelöst wird. Eine besondere Gefahr besteht bei dieser Methode für den Fibularis-
101
nerv, der bei einer Deformität nur 7-9 mm von der posterolateralen Kapsel entfernt ist
und bei diesen blinden Einstichen in die Kapsel verletzt werden kann (Ranawat 1997).
Mihalko und Krackow (2000) berichten in ihrer Kadaverstudie, dass diese Technik der
multiplen Einstiche erst deutliche Korrekturen eines Valgus ermöglicht, wenn mehr als
7 Inzisionen (7-14) durchgeführt werden. Auch bei Clarke et al (2004), Clarke und Scu-
deri (2004) und Clarke et al (2005) wird die Pie-crust-Methode verwendet, wobei vor
den multiplen Inzisionen in Kapsel und Tractus iliotibialis zuerst ein transverser Schnitt
durch das Arcuatusband auf Höhe der tibialen Resektionsfläche in der posterolateralen
Ecke gemacht wird, weil dieser Vorgang während des proximalen Tibiaknochenschnit-
tes durchgeführt wird. Hier muss mit Vorsicht gehandelt werden, um den Popliteus
nicht zu durchtrennen.
Abb.29. Multiple Inzisionen in die lateralen Kapselstrukturen zur Valguskorrektur (aus Clarke et al 2004).
Zum Release der Kapsel wird von mehreren Autoren ein Elektrokauter empfohlen (El-
kus et al 2004, Fehring et al 2006, Pape und Kohn 2007). Clarke et al (2005) und Bever-
land (2006) lösen die Kapsel dagegen mit einer kleinen Klinge unter direkter Sicht.
Whiteside (2004) verwendet zur Lösung der Kapsel vom posterioren Femur ein gebo-
genes Osteotom, das mit leichten Klopfschlägen gegen den femorale Ansatz der Kapsel
geschlagen wird.
Auswirkung des Release Die hintere Kapsel hat in Streckstellung des Kniegelenkes einen lateral stabilisierenden
Effekt. Die Kadaverstudie von Kanamiya et al (2002) zeigt, dass ein Release der hinte-
ren Kapsel zu einer deutlichen Lockerung in voller Extension und bei 30° Flexion füh-
102
ren kann, während dies bei 60° und 90° Flexion nur minimal der Fall ist. In Extension
hat ein Release der hinteren Kapsel auch einen ausgeprägten Effekt auf die Innen- und
Außenrotation. Ein Release der posterolateralen Eckkapsel führt über den gesamten
Flexionsbogen hinweg bei Innen- und Außenrotation zu einer Vergrößerung der latera-
len Gelenklücke (Matsueda et al 1999, Kanamiya et al 2002).
Klinik und Einsatz Bei Whiteside (1993) ist bei Kniegelenken mit Valgusdeformitäten unter 25° kein Re-
lease der posterolateralen Kapsel notwendig. Von den Kniegelenken mit präoperativem
Valgus von über 25° erhielten 42% ein Release der posterolateralen Kapsel. Whiteside
(1999) löst den lateralen Teil der hinteren Kapsel nur, wenn das Knie in Extension late-
ral zu straff ist und ein Tractus-Release keine Besserung erbringt. Dies ist bei 27% von
231 Valgusknie dieser Studie notwendig.
4.3.2.2.5 Lateraler Gastrocnemius Der M.gastrocnemius wird eher selten als eine der ersten Weichteilstrukturen gelöst,
sondern ungleich häufiger als einer der letzten Strukturen einer Weichteilsequenz zur
Korrektur einer starken Valgusdeformität.
Technik des Release Der laterale Kopf des Gastrocnemius wird hierfür mit einem Osteotom von seinem fe-
moralen Ansatz gelöst (Whiteside 1993, Murray und Rand 1993, Aglietti et al 1996,
Favorito et al 2002).
Abb.30. Release des lateralen Gastrocnemius-Kopfes vom Femur (aus Delfico und Tria 1996).
103
Auswirkung des Release Das Release des lateralen Gastrocnemius-Kopfes als letzter Struktur zur Korrektur einer
Valgus-Deformität in der Kadaverstudie von Krackow und Mihalko (1999) führt zu
einer relativ deutlichen lateralen Lückenerhöhung in Streckstellung des Kniegelenkes.
Klinik und Einsatz Insall et al (1979) führen ein Release des lateralen Gastrocnemius als finalen Schritt
einer Weichteil-Sequenz durch. Krackow et al (1991) und Favorito et al (2002) empfeh-
len ein Release dieses Muskelkomplexes nur, wenn die bleibende Deformität es nötig
macht, was besonders bei schweren Flexionskontrakturen der Valgusdeformität der Fall
sein kann.
4.3.3.2.6 Biceps femoris Der Biceps femoris kann nach Whiteside (2004) durch seine Straffheit zu einer Extensi-
onskontraktur beitragen und ein weiteres Release nötig machen.
Ob ein Release des M. biceps femoris sinnvoll ist oder nicht, wird kontrovers diskutiert.
Einige Autoren sind für ein Release des Biceps im Rahmen einer Korrektur eines Val-
gusknies, andere Autoren sprechen sich eher für einen generellen Erhalt des Biceps fe-
moris aus (Tab. 28).
Tab. 28: Release oder Erhalt des Biceps femoris
Erhalt des Biceps femoris Release des Biceps femris Laurencin et al (1992) Laskin und Rieger (1989) Delfico und Tria (1996) Laskin (1990) Favorito et al (2002) Laurencin et al (1992) Whiteside (2002) Murray und Rand (1993) Delfico und Tria (1996) Peters et al (2001) Tria (2004)
Meist wird ein Release des Biceps nur bei extremsten Valgusdeformitäten durchgeführt
(Laskin 1990) und dann als letzte aller gelösten lateralen Weichteilstrukturen in der Se-
quenz zur Valguskorrektur (Peters et al 2001, Tria 2004).
Favorito et al (2002) dagegen schreiben, dass ein Release des Biceps femoris generell
nicht empfehlenswert sei. Wann immer möglich sollte nach Laurencin et al (1992) der
Biceps intakt bleiben, damit der Peronealnerv vor einer Dehnung geschützt wird.
104
Technik des Release Wenn der Biceps schließlich doch gelöst werden muss, wird dies von innerhalb des Ge-
lenkes und unter Protektion des Peronealnerven durchgeführt, der hinter dem Biceps
verläuft. Ein schrittweises Vorgehen ist hier zu empfehlen (Laskin u Rieger 1989, Mur-
ray und Rand 1993). Delfico und Tria (1996) und Peters et al (2001) bevorzugen ein
Release des Biceps am Fibulaköpfchen. Dies kann entweder mit einem scharfen Release
am Ansatz der Sehne oder mit einer gleitenden Osteotomie am proximalen Fibula-
köpfchen durchgeführt werden. Bei über 1000 operierten Kniegelenken, war so ein Re-
lease des Biceps aber in keinem Fall nötig.
Auswirkung des Release Der Effekt beim Release des Biceps auf die laterale Gelenklücke ist in Flexion deutlich
höher als in Extension (Peters et al 2001).
Klinik und Einsatz Whiteside (2002) empfiehlt ebenfalls den Biceps als lateralen Stabilisator in Extension
zu erhalten, nachdem der Tractus wegen straffer Extensionslücke gelöst werden muss.
Auch Delfico und Tria (1996) empfehlen den Biceps bei extremsten Deformitäten als
letzte Struktur zu lösen. Er kann ansonsten auch erhalten werden und stattdessen alle
anderen Strukturen der lateralen Seite beim Valgusknie gelöst werden. Bei Laurencin et
al (1992) wird ein Release des Biceps aber immerhin bei 3% der schweren Valgusknien
mit einer Ablösung proximal seines fibularen Ansatzes durchgeführt.
4.3.3.2.7 Intermuskuläres Septum 1979 wird von Insall et al ein Release des lateralen intermuskulären Septum als letzte
Maßnahme der lateralen Weichteil-Release beim Valgusknie durchgeführt (Insall et al
1979).
4.3.3.2.8 Laterales Retinakulum Insall et al (1979) führen das longitudinale Release des lateralen Retinakulums routine-
mäßig durch. Auch nach Murray und Rand (1993) ist ein Release des lateralen Retina-
kulums beim Valgus häufig erforderlich. In den neueren Studien wird ein Release des
lateralen Retinakulums kaum noch verwendet.
105
Zeitpunkt des Release Bei schwerem Valgus kann ein laterales Retinakulum-Release bereits während der
Knieeröffnung sehr häufig notwendig sein. Hierdurch wird die Patella mobilisiert, in-
dem das straffe laterale Retinakulum zwischen lateralem Tibiofemoralgelenk und der
Patella entspannt wird (Kumar und Dorr 1997).
Technik des Release Die Durchführung des lateralen Retinakulum-Release wird von innerhalb des Kniege-
lenkes mit einer vertikalen Inzision in das laterale Retinakulum vollzogen, 2 cm lateral
der lateralen Kante der Patella. Eine Verlängerung dieses Releases wird nach distal zur
Gelenklinie und zum intermuskulären Septum nach proximal durchgeführt. EinRetina-
kulum-Release wird bei allen Patienten (10%) mit einem Valgus von 25-40° Deformität
durchgeführt (Laurencin et al 1992).
Healy et al (1998) führen bei der initialen Eröffnung des Kniegelenkes ein laterales Re-
tinakulum-Release nach der "inside out"-Methode durch, damit die patellare Auswärts-
drehung gefördert wird. Bei dieser Methode empfehlen Easley et al (2000) auf die Un-
versehrtheit der oberen lateralen Geniculararterie zu achten.
Abb.31. Vertikaler Schnitt in das Retinakulum (aus Politi und Scott 2004). Politi und Scott (2004) stellen mit ihrer Form des lateralen Retinakulum-Release eine
Möglichkeit vor, mit der eine Valgusdeformität bereits allein durch ein Retinakulum-
Release korrigiert werden könne. Dieses Release, das sie "cruciformes Retinakulum-
Release" nennen, vermeidet ein Release von Außenband und Popliteus. Bei der Technik
dieses Releases muss darauf geachtet werden, dass neben der üblichen vertikalen Kap-
sel-Inzision auch ein kleiner horizontaler Schnitt vollzogen wird, der den vertikalen
Schnitt in der Mitte kreuzt un die Form eines Kreuzes einnimmt.
106
Auswirkung des Release Dieses Release des lateralen Retinakulums kann einerseits zu einer weiteren Korrektur
einer Valgusdeformität führen (Murray und Rand 1993, Politi und Scott 2004), anderer-
seits allein zu einer leichteren Mobilisierung der Patella (Kumar und Dorr 1997, Healy
et al 1998).
Klinik und Einsatz Laurencin et al (1992) führen bei jedem der 25 Patienten ihrer Studie mit einem Valgus
von mehr als 25° ein laterales Retinakulum-Release durch. Danach lösen sie die übrigen
lateralen Strukturen je nach Notwendigkeit. Ein laterales retinakuläres Release wird bei
43% der Valgusknie auch in der Studie von Easley et al (2000) durchgeführt. Bei Stern
et al (1991) wird ein laterales Retinakulum-Release bei 76% der Patienten durchgeführt,
wenn intraoperativ zusätzlich eine laterale Subluxation der Patella auftritt. Bei Insall et
al (1979) wird beim "lateralen Patella-Release" nicht nur das Retinakulum inzidiert,
sondern auch eine Durchtrennung der tiefen Fasern des Vastus lateralis durchgeführt.
Ein laterales Retinakulum-Release ist bei Aglietti et al (1996) in 49% aller Valgusknie
notwendig. Bei 77,1% der 35 Valgusknie mit über 15° Deformität hat das cruciforme
Retinakulum-Release zur Korrektur des Valgus ausgereicht (Politi und Scott 2004).
4.3.3.2.9 Hinteres Kreuzband Das HKB ist - obwohl "mediale Struktur" - beim Valgusknie häufig defekt oder über-
dehnt (Whiteside 2004). Wenn durch Balancierungsvorgänge zur Valguskorrektur die
sekundären posterioren Stabilisatoren Popliteus und Außenband zusätzlich gelöst wer-
den, kann das Valgusknie ohne funktionierendes HKB häufig posterior instabil werden
(Whiteside 2004). Zu unterscheiden ist generell ein HKB-Release am Ende einer
Weichteil-Maßnahme zur Korrektur einer Valgusdeformität, von einer Entfernung des
HKB schon zu Beginn einer TEP-Implantation, weil eine schwere Deformität den Er-
halt des hinteren Kreuzbandes gefährdet.
Zeitpunkt des Release Das HKB kann bereits am Anfang eines Weichteil-Balancings gelöst werden, häufig
aber auch erst am Ende einer Sequenz als ultima ratio einer Valguskorrektur.
Aglietti et al (1996), Krackow und Mihalko (1999), Mihalko und Krackow (2000) und
Clarke und Scuderi (2004) starten ihre lateralen Release-Sequenzen beim Valgusknie
107
mit einer generellen Opferung des hinteren Kreuzbandes, indem es durch einen Schnitt
am Tibiaplateau durchtrennt wird. Manche Operateure beginnen ihre Release-
Sequenzen bereits mit einem Release des HKB, damit ein weniger ausgedehntes Re-
lease der anderen Weichteile von Nöten ist, um die Korrektur der Deformität zu errei-
chen. Solch ein initiales HKB-Release am Tibiaplateau wird auch von Scott (1994)
empfohlen, wobei ein erneutes Release zu einem späteren Zeitpunkt bei einem immer
noch angespannten HKB am femoralen Ursprung mit scharfer Dissektion erfolgen wür-
de.
Das HKB kann durch die Operationsvorgänge der TEP-Implantation gedehnt werden,
was zu einem instabilen Knie führen kann. Deshalb wird es von einigen Autoren, wel-
che anfänglich einen HKB-Erhalt angestrebt haben, häufig sekundär im Laufe der Ope-
ration entfernt (Aglietti et al 1996). Andererseits wird in den Kadaverstudien von Mat-
sueda et al (1999) und Mihalko et al (2003) ebenso wie bei Buechel (1990) das HKB in
allen Sequenzen als letzte Struktur gelöst.
Technik des Release
Das HKB wird meist an seinem tibialen Ansatz gelöst (Scott 1994, Aglietti et al 1996,
Krackow und Mihalko 1999, Mihalko und Krackow 2000). Scott (1994) sowie Pape
und Kohn (2007) schlagen auch ein Release am femoralen Ansatz vor. Dies wird aber
erst dann durchgeführt, wenn das Release am tibialen Ansatz nicht den gewünschten
Erfolg erbracht hat.
Abb.32. Links: HKB-Release am tibialen Ansatz, rechts: HKB-Release am femoralen Ansatz (aus Bellemans et al 2005).
108
Auswirkungen des Release Man sollte beim Release des hinteren Kreuzbandes bei vorherigem ausgedehntem late-
ralen Weichteil-Release darauf achten, dass sich dadurch die Flexionslücke unproporti-
onal erhöhen kann und folglich die Sprunghöhe des PE-Zapfens der posterior stabilisier-
ten Prothese zu Stabilisation nicht mehr ausreicht (Mihalko et al 2003). In der Kadaver-
studie von Matsueda et al (1999) löst vor allem das komplette HKB-Release an letzter
Stelle einer Sequenz die höchste Lückenveränderung aller gelösten lateralen Weichteil-
strukturen in Flexion aus. Dabei ist auch zu beachten, dass ein Release des HKB zu
deutlichen Veränderungen der Flexionslücke sowohl der lateralen Seite als auch der
medialen Seite führen kann. Insgesamt ist die Flexionslücke nach diesem Release im-
mer größer als die Extensionslücke, weil das HKB bei der Knie-TEP in 90° Flexion
immer mehr angespannt wird als in Extension. Das bedeutet, dass ein Release des HKB
eine Valgusdeformität in 90° Flexion deutlicher beheben kann als in Extension.
Klinik und Einsatz Whiteside (2004) berichtet, dass das HKB als mediales Ligament beim Valgusknie häu-
fig gedehnt ist und deshalb beim Valgus folglich ersetzt werden sollte. Ist es bei Val-
gusdeformität normal beschaffen, wird es erhalten und eine dementsprechende Prothese
verwendet. Ist es bei einer Valgusdeformität überdehnt, sei es durch eine Flexi-
onskontraktur oder durch ein Recurvatum, wird es geopfert und ein HKB-
substituierendes Implantat verwendet (Healy et al 1998).
Bei Politi und Scott (2004) wird das HKB nur bei 14,3% der Valgusknie durch ein par-
tielles Release am Femur entfernt, um eine Balancing der Flexionslücke nach einem
Retinakulum-Release zu erreichen. Auch bei Laurencin et al (1992) wird es vorerst er-
halten und nur am Ende des Weichteil-Balancing zur Korrektur der Deformität wird es
bei 16% der Valgusknie geopfert.
Bei Whiteside (1999) wird bei präoperativem Valgus von unter 15° kein HKB exzidiert
oder gelöst, weshab hier auch kein HKB-substituierendes Prothesendesign nötig war.
Nur 5,6% der 231 Valgusknie in dieser Studie mit präoperativem Valgus von über 15°
bekommen aufgrund ihrer schweren Deformität solch ein HKB-substituierendes Design.
Selbst bei sehr schweren Valguskontrakturen mit kombinierter Laxizität der medialen
Weichteile, wird bei Healy et al (1998) nur bei einem von 8 Valgusknien (12,5%) das
HKB entfernt, bei 87,5% wird eine ungeführte Prothese verwendet und das HKB erhal-
ten. Krackow et al (1991) berichten, dass eine HKB-erhaltende Prothese auch bei
109
schwerem Valgus mit zufriedenstellender ligamentärer Stabilität verwendet werden
kann. In einigen Fällen kann aber ein HKB-Release nötig werden, um die Korrektur und
Balance des konkaven Weichteilrelease zu unterstützen.
Delfico und Tria (1996) führen ein HKB-Release durch, wenn die Deformität weiterhin
persistiert und wenn eine geführte Prothese die steigende Instabilität besser reduzieren
kann. Trepte und Pflanzelt (2003) dagegen verwenden bei schwerer Deformität des
Valgus und bereits erfolglosem Versuch die Fehlstellung mit dem lateralen Weichteil-
Release zu korrigieren, eine posterior stabilisierte Prothese, weil dann das HKB rese-
ziert werden muss.
Bei Laurencin et al (1992) bekommen von 25 Patienten mit einem präoperativen Valgus
von mehr als 25° 84% der Patienten eine Prothese mit erhaltenem HKB. Der Valgus
konnte postoperativ bei 24 der 25 Patienten unter 10° Valgus korrigiert werden, 9 Knie
zeigten deutliche Komplikationen. Stern et al (1991) implantierten bei 134 Patienten mit
einem Valgus von mehr als 10° eine TEP ein und berichten, dass sie enorme Schwierig-
keiten beim Erreichen der Korrektur mit der Femurkomponentenrotation haben, was auf
die geschädigte Femurkondyle zurückzuführen ist. Deshalb bekamen 87% der Patienten
ihrer Studie eine posterior stabilisierte Prothese eingesetzt.
Wenn nach einer Korrektur einer präoperativen Valgusdeformität eine Instabilität vor-
herrscht, ist es nicht selten, dass dann eine Prothese eingesetzt wird, die eine größere
Führung hat, um eine Dislokation zu vermeiden (Laurencin et al 1992). Bei älteren Pati-
enten, die ein ausgedehntes Weichteil-Release benötigen, sollte nach Aglietti et al
(1996) eine Prothese mit höherem Führungsgrad verwendet werden, die eine spezifi-
schere mediolaterale Stabilität liefert. Eine posterior stabilisierte Prothese bietet zusätz-
lich eine Sicherheit gegen posterolaterale Subluxation in Flexion.
4.3.3.2.10 Mediales Advancement Zeitpunkt des Release Wenn auf der lateralen Seite des Kniegelenkes die Release-Sequenzen beendet sind und
immer noch eine Instabilität zwischen medialer und lateraler Seite vorherrscht, kann,
noch bevor man zu einem stärker interkondylar geführten Implantat greift, als nächster
Schritt zur Valguskorrektur eine Straffung der gedehnten medialen Weichteile durchge-
führt werden (Krackow 1984). Da nach Insall und Easley (2002) dem Release und der
110
Verlängerung von Ligamenten Grenzen gesetzt sind, kann zusätzlich eine Straffung
oder Raffung von gedehnten Strukturen in Betracht gezogen werden. Wenn bei Valgus-
deformität eine Flexionslücke deutlich kleiner ist als die Extensionslücke, empfehlen
Healy et al (1998) neben einer HKB-Opferung auch eine Anhebung des Innenbandes.
Technik des Release Beim medialen Advancement ist vor allem an ein Avancement des medialen Kollateral-
bandes zu denken (Krackow 1984, Krackow et al 1991).Dieses Band hat eine kleine
Ursprungsfläche an der medialen Femurkondyle und einen breiten Ansatz an der proxi-
malen Tibia, weshalb der proximale Ursprung an der Femurkondyle eher angehoben
und zurückgesetzt werden sollte (Healy et al 1998). Das Innenband wird von seinem
epikondylären Ursprung am Femur abgetrennt, um der Laxizität entgegenzuwirken. Um
das Band dann an seiner neuen Stelle zu befestigen, wird eine sichernde Naht verwendet
und eine chirurgische Klammer wird an den epicondylären Ursprung des Bandes gesetzt
(Favorito et al 2002).
Ein proximales Advancement des Innenbandes am Femur kann durch eine Abhebung
des proximalen Ursprungs ohne Knochen durchgeführt werden. Durch eine Schraube
und eine Bandfixationsnaht wird der Ansatz weiter proximal und etwas anterior befes-
tigt und das Band dadurch gestrafft (Insall und Easley 2002). Bei dieser Proximalisie-
rung und Ventralisierung des proximalen Innenband-Ansatzes muss zusätzlich zu einem
anderen Prothesenmodell gegriffen werden, das eine höhere mediolaterale Stabilität
gewährleistet (Krackow 1990).
33 34
35
111
Abb.33. Krackow-Technik: Entfernung des proximalen Innenband-Ansatzes ohne Kno-chen (Insall und Scott 2002) Abb.34. Anfertigung der Ligament-Fixationsnaht (aus Krackow 1990). Abb.35. Nahttechnik nach Krackow: Verschiebung des femoralen Innenband-Ansatzes nach proximal (aus Eulert und Hassenpflug 2001). Das Innenband kann aber auch in der Mitte quer geteilt werden und die geteilten Enden
werden wieder miteinander "verschuppt" (Favorito et al 2002)(Abb. 36).
Abb.36. „Verschuppung“ des Innenbandes in 3 Schritten (aus Favorito et al 2002). Healy et al (1998) beschreiben eine Technik, bei der der Innenband-Ansatz mit einem
Knochenstück von der femoralen Epikondyle zurückgesetzt wird. Dabei wird das Band
mit einem Knochenstück nach proximal und lateral befördert und an der lateralen Kor-
tex befestigt (Abb. 38). Diese Methode sollte eine Knochen-zu-Knochen-Heilung er-
möglichen, damit das Innenband isometrisch gestrafft wird. Ein solches Advancement
kann auch durch eine Abhebung des distalen Ansatzes des Innenbandes mit einem Kno-
chenblock an der Tibia und einem weiter distaleren Transfer dieses Blockes durchge-
führt werden (Insall und Easley 2002).
Abb.37. Links: proximaler Transfer des Innenband-Ansatzes mit einem Knochenstück (aus Pritsch et al 1984), rechts: distaler Transfer des Innenband-Ansatz mit einem Kno-chenstück (aus Pritsch et al 1984). Healy et al (1998) beschreiben in ihrer Studie das Innenband-Advancement mit samt
einem Knochenstück. Dabei wird mit einem Osteotom ein viereckiges Knochenstück
112
samt dem femoralen Ansatz des Bandes, der sowohl den Ansatz des oberflächlichen als
auch des tiefen Innenbandes enthält, von der Femurepikondyle hochgehoben. An der
Stelle am Femur, von der das Knochenviereck samt Innenband angehoben wird, wird
die Spongiosa der Femurkondyle 1-2 cm tief reingepresst und 2 kleine Bohrlöcher
durch das distale Femur von der medialen zur lateralen Seite des Femurs gebohrt.
Nachdem am Innenband und am daran hängenden Knochensegment eine Naht befestigt
wurde, wird es anhand dieser Naht durch die kleinen Bohrlöcher, die durch das distale
Femur ziehen, in das eingepresste Knochenbett wieder eingefügt. Dieses Mal aber sitzt
das Knochensegment in seinem Knochenbett tiefer und wird je nach gewünschter Span-
nung des Innenbandes mehr oder weniger tief und fest in das eingepresste Knochenbett
hineingezogen.
1 2 3 4 Abb.38. Proximales Advancement des Innenbandes mit Knochen nach Healy: 1: Release des proximalen Innenband-Ansatzes mit einem Knochenstück, 2: Kompres-sion der Spongiosa an der Entnahme-Stelle, 3: Ligament-Naht nach Krackow am In-nenband (A+B), 4: Durchziehen der Fäden durch das Femur und Neuplatzierung im Knochenbett (aus Healy et al 1998). Solch ein Advancement des Innenbandes kann nicht nur am proximalen Femur durchge-
führt werden, sondern auch an der distalen Tibia (Healy et al 1998). Dabei unterliegt es
dem Willen und der Erfahrung des Operateurs, ob er eine proximale oder eine distale
Anhebung des medialen Bandkomplexes durchführt (Krackow et al 1991). Aglietti et al
(1996) bevorzugen ein Advancement der medialen Weichteilmanschette, bei dem der
tibiale Ansatz eher nach distal versetzt wird als der femorale Ansatz nach proximal.
113
Auswirkungen des Release Die Auswirkungen dieses medialen Advancements beziehen sich auf eine Verminde-
rung der medialen Gelenklücke, um diese mediale Gelenklücke der lateralen Gelenklü-
cke anzupassen.
Klinik und Einsatz Bei Whiteside (1993) bekommen 11 von 19 Valgusknie mit präoperativer Deformität
von mehr als 25° eine Überresektion der medialen Femurkondyle, damit dadurch das
Risiko einer N. peroneus-Lähmung minimiert wird. Da aber dadurch eine mediale Laxi-
zität provoziert wird, war in Whiteside`s Studie bei 6 dieser 11 Fälle (54,5%) ein Ad-
vancement des Innenbandes notwendig, um das mediale Kollateralband zu straffen und
die Stabilität in Extension herzustellen. Bei Healy et al (1998) benötigen 12,5% der 64
Valgusknie von mehr als 10° Deformität ein Advancement des Innenbandes. Murray
und Rand (1993) berichten dagegen, dass ein solches Advancment eher sehr selten von
Nöten war. Whiteside (1999) benötigt bei seiner klinischen Studie von 231 präoperati-
ven Valgusknie kein einziges Advancement der medialen Weichteile.
Dieses mediale Advancement ist technisch sehr anspruchsvoll und beeinflusst die
Bandfestigkeit und seine Isometrie. Trotzdem wird es nach Favorito et al (2002) relativ
häufig angewendet. Stern et al (1991) verwenden dagegen bei nicht adäquat balancier-
baren Kollateralbändern keine Bandanhebung, sondern eine Prothese mit höherer Füh-
rung. Healy et al (1998) sehen die Methode eines medialen Weichteil-Advancements
bei einer nicht geführten Prothese vor allem bei jungen aktiven Patienten indiziert, die
von einer balancierten Flexions- und Extensionslücke, von balancierten Kollateralbän-
dern und einer minimalen Prothesenführung profitieren würden. Ältere und weniger
aktive Patienten bekommen eine weniger anspruchsvolle Versorgung mit Implantation
eines geführten Implantats.
Ein Problem des medialen Advancement ist die schwache Fixation am Knochen und das
exakte Finden des Epizentrums der Rotation am Femur (Murray und Rand 1993, Agliet-
ti et al 1996). Beim Innenband-Advancement muss auch davon ausgegangen werden,
dass sich die Dauer der OP um durchschnittlich bis zu 40 Minuten verlängert (Krackow
et al 1991, Aglietti et al 1996, Robbins et al 2001). Aus diesem Grund sollten die
Weichteil-Advancements nach Murray und Rand (1993) so selten wie möglich durchge-
führt werden. Es gibt nach Robbins et al (2001) auch ein Innenband-Advancement der
114
proximalen und distalen Ansätze, die als sekundäre Maßnahmen schlechte Ergebnisse
liefern, weshalb hier zum Erreichen einer Stabilität eher an eine höhere prothetische
Führung als an ein ligamentäres Advancement gedacht werden sollte.
4.3.3.2.11 Besonderheiten Wenn nach dem Release des Außenbandes und des Popliteus der N. peroneus zu
"subluxieren" beginnt, sollte das Fibulaköpfchen reseziert werden (Buechel 1990). Dies
wird als letzter Teil der 3-Schritt-Technik beim lateralen parapatellaren Zugang ausge-
führt. Eine Resektion des Fibulaköpfchens am Hals des Knochens kann nach Buechel
(1990) auch durchgeführt werden, wenn das gesamte Periost des Fibulaköpfchens als
letzter Schritt des Weichteil-Release beim Valgusknie frei von Weichteilen ist. Da diese
Resektion bei 90° Flexion durchgeführt wird, wird das Knie nach der Resektion in
Streckstellung gebracht und geprüft, ob der N. peroneus in die Lücke gleitet, die durch
diese Fibulaköpfchenresektion entstanden ist.
Bei schwerer, überkorrigierter proximaler Valgus-Osteotomie der Tibia muss das
Weichteil-Balancing bei einer Knie-TEP-Versorgung in modifizierter Art und Weise
durchgeführt werden. Es muss ein komplexes ligamentäres Advancement durchgeführt
werden, vor allem der posteromedialen Strukturen und des Innenbandes, wenn eine un-
geführte Prothese eingesetzt wird. Dadurch wird folglich die OP-Dauer um 50% bis
sogar um fast 100% verlängert. Dies wird durchgeführt, um den Einsatz einer geführten
Prothese zu verhindern (Krackow und Holtgrewe 1990). Murray und Rand (1993) hal-
ten ein adäquates Weichteil-Release in Verbindung mit einer minimalen Knochenresek-
tion der Tibia für eine ideale Behandlung. Das Kriterium, nach welchem man sich für
den Grad der Führung der Prothese entscheidet, wird intraoperativ anhand der Weich-
teilbalance getroffen. Diese Situation gilt als äußerst schwierig und bedarf einer exakten
präoperativen Planung und einer präzisen chirurgischen Technik für den gewünschten
Erfolg (Murray und Rand 1993).
115
4.3.3.3 Weichteil-Sequenzen
Die Weichteil-Sequenzen zur Korrektur einer Valgus-Deformität variieren in der Litera-
tur noch mehr als diejenigen bei einer Varus-Deformität (Tab. 29).
Tab. 29: Unterschiedliche Reihenfolge von Release-Schritten bei der Valguskorrektur:
(Antlat Kaspel: anterolaterale Kapsel, postlat Kapsel: posterolaterale Kapsel, lat Kapsel: laterale Kap-sel, post Kapsel: posteriore Kapsel, lat. Retinakulum: laterales Retinakulum, intermusk. Septum: in-termuskuläres Septum, Ost.: Osteophyten, HKB: hinteres Kreuzband, Tractus: Tractus iliotibialis, Außenband: laterales Kollateralband, Pop: Popliteus-Sehne, Biceps: Biceps femoris, Gastro: lateraler Kopf des Gastrocnemius, Fibula-Res.: Fibulaköpfchen-Resektion).
1 2 3 4 5 6 7
Insall et al 1979 Tractus Außenband lat Kapsel Pop post Kap-
sel intermusk. Septum
Gastro
Cameron und Har-ris 1981
Tractus intermusk. Septum Biceps
Clayton et al 1986
Außenband + Pop + lat Kapsel
postlat Kapsel + Gastro
Tractus Biceps
Ranawat 1988 Tractus Pop +
Außenband post Kap-sel Gastro
Laskin und Rie-ger 1989
Ost. Lat Kapsel Tractus Außenband+ Pop Biceps
Buechel 1990 Tractus Außenband
+ Pop Fibula-Res. HKB
Keblish 1991 Tractus postlat
Kapsel Fibula-Res.
Krackow et al 1991 Tractus Außenband Pop postlat
Kapsel Gastro
Laurencin et al 1992
lat. Retina-kulum Tractus Pop Außenband Biceps
Murray und Rand 1993
Ost. Tractus Pop + Außenband
postlat Kapsel + Gastro
Biceps lat. Retina-kulum
Whiteside 1993 Tractus Pop Außenband Gastro post Kap-
sel
Aglietti et al 1996 HKB Tractus Außenband Pop postlat
Kapsel Gastro
Delfico und Tria 1996
Außenband postlat Kapsel Tractus HKB Pop Biceps
Kumar und Dorr 1997
Tractus lat Kapsel Pop Ost. Außenband
Healy et al 1998 Ost. Tractus Pop postlat
Kapsel HKB
Whiteside 1999 Außenband Pop Tractus postlat
Kapsel
Burke und O`Flynn 2001
Tractus Pop Außenband postlat Kapsel + PCL
Biceps
Peters et al 2001 (4er)
HKB Tractus Pop + Außenband Biceps
Peters et al 2001 (5er)
HKB postlat Kapsel Tractus Pop Außenband
Favorito Außenband Pop postlat Gastro Tractus
116
et al 2002 Kapsel Whiteside 2002 Außenband Pop Tractus postlat
Kapsel
Trepte und Pflanzelt 2003
Außenband Tractus HKB lat. Retina-kulum
Clarke und Scu-deri 2004
Postlat Kapsel Tractus lat Kapsel Außenband
Lombardi et al 2004 Ost. Tractus postlat
Kapsel Pop Außenband lat. Retina-kulum
HKB
Tria 2004 Tractus Außenband post Kaspel HKB Pop Biceps
Clarke et al 2005
postlat Kapsel Tractus lat Kapsel Außenband
Fehring 2006
postlat Kapsel Tractus Außenband Pop
Pape und Kohn 2007
Ost. HKB postlat Kapsel Tractus Außenband
Matsueda et al 1999 (Kadaver)
antlat Kap-sel + Trac-tus
postlat Kapsel
Außenband + Pop HKB
Mihalko und Kra-ckow 2000 (Kadaver)
HKB postlat Kapsel Außenband Pop
Mögliche gemeinsame Tendenzen und deutliche Unterschiede verschiedener Sequenzen
zum Weichteil-Balancing des Valgusknies sollen in folgenden Kapiteln dargestellt und
beschrieben werden.
4.3.3.3.1 Osteophyten-Entfernung Bei den Kniegelenken mit Valgusdeformität gibt es gewöhnlich weniger Osteophyten
als beim Varusknie (Beverland 2006). Der Zeitpunkt der Osteophyten-Entfernung wird
von den Autoren unterschiedlich angegeben. Tab. 30: Zeitpunkt der Osteophyten-Entfernung
Osteophyten-Entfernung vor dem Weichteil-release Osteophyten-Entfernung nach dem Weichteil-Release Murray und Rand (1993) Kumar und Dorr (1997) Healy et al (1998) Favorito et al (2002) Trepte und Pflanzelt (2003) Pape und Kohn (2007)
Am Anfang des Weichteil-Balancings steht auch beim Valgusknie die Entfernung der
Osteophyten von Tibia und Femur (Murray und Rand 1993, Healy et al 1998, Favorito
et al 2002, Trepte und Pflanzelt 2003, Pape und Kohn 2007).
Dieser Vorgang ist besonders wichtig für die adäquate Bestimmung der Weichteilspan-
nung der lateralen Knieseite, weil Osteophyten die Spannung der Bänder und Kapsel
117
verfälschen können (Whiteside 1993). Bei Kumar und Dorr (1997) werden die Oste-
ophyten nach dem Weichteil-Release, aber noch vor den Knochenschnitten durchge-
führt.
4.3.3.3.2 1. gelöste Struktur 4.3.3.3.2.1 Hinteres Kreuzband Das HKB kann zur Korrektur eines Valgusknies bereits als allererster Schritt in einer
Weichteil-Sequenz durchgeführt werden. Dies wird allerdings kontrovers diskutiert, ob
es in dieser Phase des Weichteil-Balancings gelöst oder ob es geschont werden sollte.
Tab. 31: HKB-Release oder –Erhalt
HKB als erster Schritt im Weichteil-Balancing Schonung des HKB Scott (1994) Krackow et al (1991) Aglietti et al (1996) Politi und Scott (2004) Peters et al (2001) Clarke und Scuderi (2004) Pape und Kohn (2007)
Bei Scott (1994), Aglietti et al (1996) und Peters et al (2001) wird das Release des HKB
als erster Release-Schritt routinemäßig beim Weichteil-Balancing zur Korrektur des
Valgusknie durchgeführt. Auch Clarke und Scuderi (2004) lösen das HKB vor ihrer Pie-
crust-Methode und verwenden dann eine posterior stabilisierte Prothese.
Krackow et al (1991) und Politi und Scott (2004) befürworten dagegen eher eine an-
fängliche Schonung des hinteren Kreuzbandes mit konsekutiv minimaler Führung der
Prothese.
4.3.3.3.2.2 Laterales Retinakulum
Einige Autoren führen als ersten Schritt des Weichteil-Balancings ein Release des late-
ralen Retinakulums durch.
Tab. 32: Retinakulum-Release
Release des lateralen Retinakulums als erster Schritt des Weichteil-Balancings Insall et al (1979) Laurencin et al (1992) Healy et al (1998) Politi und Scott (2004)
Bei schwerem Valgus wird das laterale Retinakulum bei der Knieeröffnung gelöst, um
die patellare Auswärtsdrehung zu fördern (Healy et al 1998). Laurencin et al (1992)
lösen bei 100% ihrer Patienten als ersten Release-Schritt das laterale Retinakulum von
118
innerhalb des Kniegelenkes mit einer vertikalen Inzision. Politi und Scott (2004) führen
ein "cruciformes Release" des Retinakulums als ersten Release-Schritt durch, sowohl
zum Balancing der Extensionslücke als auch zum Balancing der Flexionslücke.
Nachdem auch Insall (1979) ein routinemäßiges Retinakulum-Release empfahl, führten
Aglietti et al (1996) dieses Release nur bei 49% ihrer Patienten durch, Stern et al (1991)
bei 76%.
4.3.3.3.2.3 Pie-crust-Technik
Bei der so genannten Pie-crust-Technik, die von Insall initial vorgestellt wurde, wird als
erster Schritt in Extension die posterolaterale Kapsel transversal eingeschnitten. Danach
wird bei unbalancierter Extensionslücke der Tractus iliotibialis mit multiplen Inzisionen
verlängert (Scuderi und Insall 1995, Elkus et al 2004). Auch Clarke et al (2004), Clarke
und Scuderi (2004) und Clarke et al (2005) verwenden die Pie-crust-Methode, führen
dabei eine transversale Inzision des Ligamentum arcuatum in der posterolateralen Ecke
durch. Danach werden der Tractus iliotibialis und die laterale Kapsel mit multiplen Sti-
chinzisionen verlängert.
Abb.39. "Pie-crust-Technik" (aus Scuderi und Tria 2006). Abb.40. Multiple Stiche in Tractus (I) und Kapsel. Transverse Inzision des Arcuatus-bandes (A) , unter Schonung des Popliteus (P) (aus Clarke und Scuderi 2004). Tab. 33: Pie-crust-Methode
Durchführung der Pie-crust Methode zur Korrektur des Valgusknies Scuderi und Insall (1995) Miyasaka et al (1997) Mihalko und Krackow (2000) Clarke et al (2004) Clarke und Scuderi (2004) Elkus et al (2004) Clarke et al (2005)
119
Nach Clarke et al (2005) ist diese Methode in besonderem Maße bei Kniegelenken mit
Deformitäten von unter 20° geeignet.
4.3.3.3.2.4 Tractus iliotibialis Einige Autoren empfehlen ein Release des Tractus iliotibialis als ersten Schritt bei einer
Weichteil-Sequenz, wobei es auch Autoren gibt, die diesen Schritt kritisch sehen.
Tab. 34: Zeitpunkt des Tractus-Release
Als 1.Schritt Als letzter Schritt Tractus-Schonung Cameron und Harris (1981) Favorito et al (2002) Insall (1981) Laskin und Rieger (1989) Beverland (2006) Kumar und Dorr (1997) Healy et al (1998)
Bereits Anfang der 80er Jahre lösen Cameron und Harris (1981) den Tractus als erste
laterale Struktur in der Release-Sequenz. Laskin und Rieger (1989), Kumar und Dorr
(1997) genauso wie Healy et al (1998) führen in der Folgezeit ebenfalls als ersten
Schritt des Balancings das Release des Tractus durch.
Andere Autoren wie Favorito et al (2002) und Beverland (2006) lösen den Tractus da-
gegen erst als letzten Schritt der Release-Maßnahme. Berverland (2006) löst den Trac-
tus zur Valguskorrektur aber eher selten, Insall (1981) empfiehlt sogar diese Struktur
generell zu erhalten, wenn nicht eine Außenrotationsdeformität beim Valgus vorliegt.
4.3.3.3.2.5 Außenband Auch beim Außenband werden in der Literatur unterschiedliche Angaben zum Zeit-
punkt gemacht, zu welchem diese Struktur gelöst werden soll. Die Angaben sind so
unterschiedlich, dass einige Autoren es als erste Struktur lösen wollen, andere wiederum
erst nach dem Release anderer lateraler Weichteile oder manchmal aber auch überhaupt
nicht.
Tab. 35: Zeitpunkt des Außenband-Release
Als erste gelöste Struktur
Nach dem Tractus-Release
Nach dem Pie-crust Als letzte gelöste Struktur
Erhalt des Au-ßenbandes
Delfico und Tria (1996)
Laskin (1990) Mihalko und Kra-ckow (2000)
Kumar und Dorr (1997)
Ritter (1990)
Krackow und Mihalko (1999)
Fehring (2006) Pape und Kohn (2007)
Whiteside (1999) Mihalko et al (2003)
120
Das Release des Außenbandes als erste Struktur sollte bei lateraler Straffheit in Fle-
xion durchgeführt werden (Whiteside 1999). Auch Delfico und Tria (1996), Krackow
und Mihalko (1999) und Mihalko et al (2003) bevorzugen dieses Release als ersten
Schritt. Dagegen wird auch berichtet, dass ein Außenband-Release als erste Maßnahme
der Sequenz zu einer mehr schrittweisen, abgestufteren Korrektur führen wird. Ein Re-
lease von Sekundärstabilisatoren vor dem Release des Außenbandes als Hauptstabilisa-
tor führt zu einer insuffizienten Korrektur, was im Folgenden zu Überkorrektur und
Instabilität führen kann (Krackow und Mihalko1999, Whiteside 1999, Mihalko et al
2000, Mihalko et al 2003).
Kumar und Dorr (1997) und Pape und Kohn (2007) führen ein Außenband-Release da-
gegen als letzten Weichteil-Releasechritt durch, nachdem bereits vorher Strukturen wie
der Tractus, der Popliteus, die Kapsel oder das HKB gelöst wurden.
Ritter (1990) wiederrum empfiehlt einen Erhalt des Außenbandes, weil bei einem Re-
lease ansonsten die Verwendung einer geführten Prothese für die Rotationsstabilität
notwendig werden würde, was möglichst vermieden werden sollte. Andere Autoren
sehen ein Außenband-Release eben erst als zweite zu lösende Struktur. Laskin (1990)
und Fehring (2006) lösen das Außenband direkt nach dem Tractus iliotibialis. Mihalko
und Krackow (2000) lösen es nach ihrem Pie-crust-Vorgang.
4.3.3.3.3 Beziehung von Außenband zu Popliteus Auch über die Beziehung des Außenbandes zum Popliteus bei einer Weichteil-Release-
Sequenz zur Valguskorrektur gibt es unterschiedliche Angaben in der Literatur. Zum
einen werden das Außenband und der Popliteus auf Grund ihrer gemeinsamen Funktio-
nen in einem Schritt gelöst oder in nah aufeinander abfolgenden Release-Schritten. Zum
anderen werden sie jedoch auch zu unterschiedlichen Zeitpunkten in einer Weichteil-
Sequenz gelöst.
Das Außenband und der Popliteus, die wichtigen Stabilisatoren in Flexion, werden
von einigen Autoren in einem Release-Schritt zusammen, direkt aufeinander folgend,
vom Femur gelöst (Tab. 36). Weil keine anderen Strukturen solch eine deutliche Stabili-
tät in Flexion bieten, wird bei lateraler Straffheit nur in Flexion zuerst das Außenband,
danach der Popliteus gelöst. Dies ist bei Whiteside (1999) aber nur bei 1% der Val-
gusknie notwendig. Bei alleiniger lateraler Straffheit in Flexion werden bei Whiteside
(2002) zuerst der Popliteus und danach das Außenband gelöst. Beide Strukturen werden
in Kniegelenken gelöst, die sowohl in Flexion als auch in Extension eine zu straffe late-
121
rale Lücke aufweisen, weil beide sowohl in Flexion als auch in Extension eine varussta-
bilisierende Funktion und einen rotatorischen Effekt haben. Der Popliteus wird dabei
vor dem Außenband gelöst. Dies führt bei den meisten Valguskniegelenken bereits zu
einer erfolgreichen Korrektur. Ist der Streckspalt deutlich straffer als der Beugespalt
wird das Außenband vor dem Popliteus gelöst (Whiteside 1999, Whiteside 2004). Miy-
asaka et al (1997) und Politi und Scott (2004) lösen das Außenband und den Popliteus
ebenfalls direkt nacheinander, was bei letzten aber nur bei 8,6% der Patienten ihrer Stu-
die vorkommt.
Tab. 36: Verhältnis der Release-Vorgänge von Außenband und Popliteus
Release direkt nacheinander Release sequentiell getrennt voneinander Buechel (1990) Delfico und Tria (1996) Laurencin et al (1992) Kumar und Dorr (1997) Murray und Rand (1993) Tria (2004) Aglietti et al (1996) Miyasaka et al (1997) Matsueda et al (1999) Whiteside (1999) Peters et al (2001) Whiteside (2002) Mihalko et al (2003) Politi und Scott (2004) Whiteside (2004) Fehring (2006)
Whiteside (2004) berichtet, dass nach dem Release des Popliteus immer sofort die Wir-
kung dieses Releases getestet werden muss, denn durch seine sekundäre Anhaftung an
Außenband und Kapsel kann der Popliteus nur 5-10 mm nach hinten rutschen und kann
deshalb zu einem unbefriedigenden Release-Ergebnis führen. Danach muss folglich ein
Release des Außenbandes oder Kapsel durchgeführt werden.
Außenband und Popliteus können dagegen auch deutlich getrennt von einander gelöst
werden. Insalls Forschungsgruppe soll 1995 in unpublizierten Daten eine Technik ver-
wendet haben, bei der sie die Popliteus-Sehne im Gegensatz zum Außenband schonen
und dadurch eine größere Stabilität in Flexion ermöglicht haben (Delfico und Tria
1996). Delfico und Tria (1996) und Tria (2004) machen ebenfalls am Valgusknie die
eigene Erfahrung, dass ein Release von Außenband und Popliteus in separaten Release-
Vorgängen das Beste für die Stabilität des Kniegelenkes wäre. Bei Kumar und Dorr
(1997) wird z.B. der Popliteus deutlich vor dem Außenband gelöst.
122
Abb.41. Gemeinsames Release von Außenband und Popliteus an deren femoralen An-sätzen (gestrichelte Linie) (aus Whiteside 2004). 4.3.3.3.4 Beziehung zwischen Außenband, Popliteus und Tractus iliotibialis Es gibt auch unterschiedliche Angaben über die Reihenfolge von Außenband und Popli-
teus auf der einen Seite und dem Tractus iliotibialis auf der anderen Seite. Dabei ist zu
beachten, dass zum einen die Beziehung zwischen dem Tractus iliotibialis und dem Au-
ßenband allein beschrieben wird, anderseits aber auch zwischen dem Tractus und dem
Außenband zusammen mit dem Popliteus (Tab. 37).
Tab. 37: Verhältnis von Außenband-/Popliteus- und Tractus-Release
Außenband-und Popli-teus-Release vor dem
Tractus-Release
Außenband-Release-vor dem Tractus-Release
Tractus-Release vor dem Außenband und Popli-
teus-Release
Tractus-Release vor dem Außenband-
Release Aglietti et al (1996) Hungerford et al (1983) Insall et al (1979) Laskin (1990) Whiteside (1999) Delfico und Tria (1996) Laskin und Rieger (1989) Tria (2004) Favorito et al (2002) Trepte und Pflanzelt
(2003) Buechel (1990) Clarke et al (2005)
Whiteside (2002) Krackow et al (1991) Pape und Kohn (2007) Whiteside (2004) Laurencin et al (1992) Whiteside (1993) Murray und Rand (1993) Aglietti et al (1996) Kumar und Dorr (1997) Miyasaka et al (1997) Matsueda et al (1999) Fehring (2006)
Nach Aglietti et al (1996) wurden in den frühen 80er Jahren das Außenband und der
Popliteus gemeinsam als erstes vom Femur gelöst und, wenn dieser Schritt keine Kor-
rektur der Deformität erbrachte, der Tractus direkt danach von der Tibia. Whiteside
(1999) löst Außenband und Popliteus ebenfalls vor dem Tractus, wenn das Knie lateral
123
sowohl in Flexion als auch in Extension straff ist, was auch bei 82% der Patienten die-
ser Studie der Fall ist. Dabei wird der Tractus nur dann gelöst, wenn das Release des
Außenbandes und des Politeus keine adäquate Korrektur erbringt und weil es für eine
erwünschte zusätzliche Stabilität der Extensionslücke wegen seiner oberflächlichen La-
ge die am leichtesten zu erreichende Struktur ist. Whiteside (2002, 2004) berichtet, dass
bei gleichzeitiger Straffheit in Flexion und Extension, zuerst die straffe Flexionslücke
korrigert werden soll, was ebenfalls mit dem Release von Außenband und Popliteus
erreicht wird. Erst danach wird die straffe Extensionslücke mit dem Release des Tractus
und der lateralen hinteren Kapsel korrigiert.
Aglietti et al (1996) sehen dagegen als neuesten Trend, dass zuerst der Tractus gelöst
wird und erst danach das Außenband und der Popliteus. Dieser wird von Insall bereits
1979 publiziert. Whiteside (1993) führt in seiner klinischen Studie als ersten Release-
Schritt ebenfalls den des Tractus durch, wenn das Knie in Extension lateral zu straff ist.
Damit wird der Tractus bei allen Valgusknien unabhängig vom Deformitätsgrad dieser
Studie gelöst, bei 54% der Knie mit einer Valgusdeformität unter 15° hat dieses Release
allein zur Korrektur des Valgus ausgereicht. Wenn die laterale Lücke straff bleibt, wird
das Knie im Folgenden gebeugt und das Außenband und der Popliteus vom Femur ge-
löst. Dies ist bei 95% der Valgusknie mit einer Deformität über 15° bei dieser Studie
erforderlich. Laurencin et al (1992) lösen zuerst den Tractus mit einer horizontalen Inzi-
sion auf Gelenksebene, was bei 76% der Valgusknie nötig war, und gehen dann erst
zum Release von Außenband und Popliteus über, welches bei 53% der Patienten direkt
an deren femoralen Ursprung durchgeführt wird.
Wenn man allein das Release von Tractus und Außenband gegenüberstellt, sieht es in
der Literatur ebenfalls nicht einheitlich aus. Bei Delfico und Tria (1996) wird das Trac-
tus-Release erst nach dem Release des Außenbandes durchgeführt, aber noch vor
dem Popliteus-Release. Trepte und Pflanzelt (2003) lösen bei ihrem Weichteil-Release
zuerst das Außenband, erst danach wird der Tractus gelöst, was auch von Hungerford et
al (1983) bestätigt wird..
Von Laskin (1990) und Tria (2004) wird degegen zuerst der Tractus gelöst und da-
nach erst das Außenband. Auch Pape und Kohn (2007) lösen den Tractus zuerst zur
Korrektur des Extensionsspaltes, dann anfänglich auch bei der Balancierung des Flexi-
onsspaltes und gehen danach erst zur Ablösung des lateralen Seitenbandes über (Tab.
37).
124
4.3.3.3.5 Kapsel Bei ungenügender Korrektur der Deformität durch die vorher gelösten Strukturen emp-
fehlen Aglietti et al (1996) und Healy et al (1998) das Release der posterolateralen Kap-
sel. Dabei wird die Kapsel von verschiedenen Autoren zu unterschiedlichen Zeitpunkten
und bei unterschiedlichen Gelegenheiten durchgeführt.
Tab. 38: Zeitpunkt des Kapsel-Release
Nach dem Release von Tractus, Außenband und Popliteus
Zwischen den Release-Schritten von Tractus, Außenband und
Popliteus Nur bei straffer Extensionslücke
Insall et al (1979) Delfico und Tria (1996) Whiteside (1999) Krackow et al (1991) Kumar und Dorr (1996) Whiteside (2002) Murray und Rand (1993) Matsueda et al (1999) Fehring (2006) Favorito et al (2002) Pape und Kohn (2007)
Da die posterolateralen Kapselstrukturen nur in voller Extension straff sind, werden sie
nur bei lateraler Straffheit in Extension gelöst, wenn das Tractus-Release alleine nicht
den gewünschten Erfolg gerbracht hat (Whiteside 1999, 2002). Auch Pape und Kohn
(2007) lösen die posterolaterale Kapsel zur Korrektur des Extensionsspalts, wenn ein
Release des HKB vorher nicht ausreicht. Fehring (2006) und Beverland lösen die poste-
rolaterale Kapsel ebenfalls zur Korrektur der Extensionslücke, führen diesen Vorgang
aber bereits als ersten Schritt in ihrer Weichteil-Sequenz zur Valguskorrektur durch.
Insall et al (1979), Krackow et al (1991) und Murray und Rand (1993) empfehlen eben-
falls nach dem erfolgten Release von Tractus iliotibialis, Außenband und Popliteus bei
nicht erfolgter Valguskorrektur, die Lösung der posterolateralen Kapsel. Weitere unter-
schiedliche Release-Zeitpunkte der posterolateralen Kapsel sind bei Favorito et al
(2002) nach dem Außenband- und Popliteus-Release bei Flexionskontrakturen, bei Del-
fico und Tria (1996) nach dem Außenband-Release, aber noch vor dem Tractus-Release
und bei Kumar und Dorr (1997) nach dem anfänglichen Tractus-Release, aber noch vor
dem Popliteus-Release.
4.3.3.3.6 Letzter Schritt Nach Whiteside (2002) können bei erfolgtem Release aller statischen lateralen Stabilisa-
tionstrukturen der Biceps femoris, der laterale Gastrocnemius und die tiefe Faszie das
Knie solange sekundär unterstützen, bis die Kapselheilung beendet ist. Diese Strukturen
können aber auch als weiterer Korrekturversuch beim Valgusknie gelöst werden.
125
4.3.3.3.6.1 Lateraler Gastrocnemius Der laterale Gastrocnemius wird von einigen Autoren als diejenige Struktur angesehen,
die am Ende einer Weichteil-Sequenz gelöst werden kann, damit eine Korrektur des
Valgusknies erreicht wird.
Tab. 39: Zeitpunkt des lateralen Gastrocnemius-Release
Als letzte Struktur In der Mitte einer Weichteil-Sequenz Insall et al (1979) Whiteside (1993) Krackow et al (1991) Murray und Rand (1993) Aglietti et al (1996) Favorito et al (2002)
Als letzte gelöste Struktur in der Release-Sequenz sehen Insall et al (1979) und Aglietti
et al (1996) ein Release des lateralen Kopfes des M. gastrocnemius vom Femur vor.
Auch Murray und Rand (1993) führen das Release des lateralen Gastrocnemiuskopfes
durch, wenn außer den anfangs gelösten Strukturen wie Außenband, Popliteus und
Tractus auch die posterolaterale Kapsel bereits gelöst ist. Krackow et al (1991) und Fa-
vorito et al (2002) sehen dieses Release nach einem Kapsel-Release vor allem bei be-
gleitender Flexionskontraktur von Nöten. Whiteside (1993) dagegen löst den lateralen
Gastrocnemiuskopf zur Valguskorrektur zusammen mit dem Außenband und dem
Popliteus in Flexion noch bevor die posteromedialen Kapsel gelöst wird (Tab. 39).
4.3.3.3.6.2 Biceps femoris Murray und Rand (1993) führen als letzten Schritt ihrer Weichteil-Releasechritte die
stufenweise Verlängerung des Biceps femoris durch, nachdem bereits vorher der
Gastrocnemius gelöst wurde. Der Biceps gilt als eine Struktur der lateralen Knieseite,
die eigentlich erhalten werden sollte, aber von manchen Autoren zur Korrektur einer
schweren Valgusdeformität gelöst wird.
Tab. 40: Release oder Erhalt des Biceps femoris
Release des Biceps als letzte Struktur Erhalt des Biceps Cameron und Harris (1981) Favorito et al (2002) Laurencin et al (1992) Whiteside (2002) Murray und Rand (1993)
Auch Cameron und Harris (1981) lösen den sehnigen Teil des Biceps femoris als letzte
Struktur in ihrer Release-Sequenz. Laurencin et al (1992) lösen den Biceps in 3% der
126
Valgusknie ihrer Studie als letzte Struktur von seinem fibularen Ursprung, was aber nur
bei einem von 25 Valgusknien mit präoperativem Valgus von über 25° vorkam.
Delfico und Tria (1996) und Favorito et al (2002) halten es dagegen häufig für notwen-
dig, bis auf den Biceps alle anderen lateralen Strukturen zu lösen und dessen Release
möglichst zu vermeiden. Auch Whiteside (2002) empfiehlt bei einer Straffheit in Exten-
sion den Biceps als lateralen Stabilisator in Extension zu behalten, nachdem der Tractus
iliotibialis bereits gelöst wurde. Nur in Fällen der extremsten Deformität ist es notwen-
dig, den Biceps entweder am fibularen Ansatz scharf oder durch Osteotomie des proxi-
malen Fibulaköpfchens zu lösen, was aber bei mehr als 1.000 Knie-TEPs nicht einmal
nötig war (Delfico und Tria 1996).
4.3.3.3.6.3 Resektion des Fibulaköpfchens Buechel (1990) führen als letzten Schritt der 3-Schritt-Technik einer lateralen Release-
Technik nach dem lateralen Zugang eine Resektion des Fibulaköpfchens durch. Auch
Laskin (1990) spricht von schweren Fällen, bei denen Teile der Fibula exzidiert werden
mussten. Dieses Verfahren wird aber nur selten beschrieben und kaum angewendet.
4.3.3.3.6.4 Hinteres Kreuzband Falls das HKB vorher noch nicht gelöst oder entfernt wurde, schlagen einige Autoren
vor, dieses am Ende einer Weichteil-Sequenz zur Valguskorrektur zu lösen.
Tab. 41: HKB-Release als letzter Schritt
Letzter Schritt einer Weichteil-Sequenz zur Valguskorrektur
Laurencin et al (1992) Delfico und Tria (1996) Healy et al (1998) Whiteside (1999) Matsueda et al (1999) Trepte und Pflanzelt (2003) Politi und Scott (2004) Tria (2004)
Nach Healy et al (1998) und Trepte und Pflanzelt (2003) kann am Ende einer Release-
Sequenz ein HKB-Release erforderlich sein, um die Flexions- und Extensionslücken zu
balancieren und die korrekte Platzierung der Prothesenkomponenten zu ermöglichen.
Auch Laurencin et al (1992) müssen bei 16% ihrer Patienten am Ende der Weichteil-
Sequenz das HKB lösen, um die Deformität zu korrigieren. Politi und Scott (2004) füh-
127
ren ebenfalls ein HKB-Release als letzten Schritt durch, um eine Balancing der Flexi-
onslücke zu erzielen, was bei 14,3% der Valgusknie der Fall ist. Bei Whiteside (1999)
brauchen 5,6% der Patienten mit einer Valgusdeformität von über 15° ein Release des
HKB. Ansonsten wird das HKB erhalten. Auch bei Delfico und Tria (1996) und Tria
(2004) wird bei persistierender Deformität nach einem erfolglosen lateralen Weichteil-
Release abgewogen, ob ein HKB-Release von Nöten ist.
4.3.3.3.7 Mediales Advancement Sollte nach den Verlängerungen der kontrakten lateralen Weichteile immer noch kein
Gleichgewicht zwischen medialer und lateraler Kniegelenksseite beim Valgusknie er-
reicht sein, kann eine Straffung der elongierten medialen ligamentären Weichteilman-
schette durchgeführt werden, welches vor allem bezogen auf das Innenband durchge-
führt wird (Aglietti et al 1996, Favorito et al 2002).
Tab. 42: Mediales Advancement
Mediales Advancement nach erfolglosem lateralen Weichteil-Balancing
Krackow et al (1991) Murray und Rand (1993) Whiteside (1993) Aglietti et al (1996) Healy et al (1998) Easley et al (2000) Favorito et al (2002) Tria (2004)
Murray und Rand (1993), aber auch Tria (2004) berichten davon, dass ein mediales Ad-
vancement nach erfolglos vollzogenem lateralem Release, zur Vermeidung von weiter
ausgedehntem lateralen Release und der Verwendung einer höher geführten Prothese
durchgeführt wird. Easley et al (2000) sehen das Anheben des Innenbandes ebenfalls als
Alternative zum Release der lateralen kontrakten Weichteile. Healy et al (1998) sieht
das Advancement des Innenbandes besonders bei jungen aktiven Patienten indiziert, wo
eine geführt Prothese noch nicht so sinnvoll wäre. 31,6% der Valgusknie mit einer De-
formität von über 25° bekommen ein Innenband-Advancement, um das Innenband in
Extension zu straffen (Whiteside 1993). Krackow et al (1991) haben mit diesem Schritt
nach einem lateral erfolgten Release ein sehr gutes Ergebnis dieser Maßnahme bei 84%
der Patienten mit einem Typ 2-Valgus erreicht.
128
4.3.3.3.8 Zusätzliche Femurschnitte Bei Elkus et al (2004) können nach erfolglos durchgeführter Pie-crust-Technik und bei
Bedarf einer Balancierung der Flexionslücke nochmals zusätzliche Femurschnitte
durchgeführt werden, um eine korrekte Weichteil-Balance zu erhalten. Für Easley et al
(2000) ist eine Überresektion des distalen Femur zur Korrektur des Valgus die allerletz-
te Option. Danach sollte ein Implantat mit höherer Führung verwendet werden.
4.3.3.3.9 Höhere Prothesenführung Wenn das laterale Weichteil-Balancings sich als erfolglos herausstellt oder wenn es
schon vorab als zu ausgedehnt erachtet wird, empfehlen einige Autoren die Verwen-
dung einer Prothese mit höherem Führungsgrad. Hierfür existieren unterschiedliche
Begründungen und Methoden. Tab. 43: Höhere Prothesenführung
Verwendung einer Prothese mit höherem Führungsgrad
Stern et al (1991) Murray und Rand (1993) Aglietti et al (1996) Kumar und Dorr (1997) Clarke et al (2004) Whiteside (2004) Pape und Kohn (2007)
Sollte das laterale Ligament-Release sich als sehr ausgedehnt erweisen, bevorzugen
Aglietti et al (1996) und Clarke et al (2004) vor allem bei älteren Patienten die Verwen-
dung einer Prothese mit höherem Führungsgrad zur Verbesserung der mediolateralen
Stabilität und zur Vermeidung einer übermäßigen lateralen Weichteilzerstörung. Kumar
und Dorr (1997) empfehlen bei Patienten mit schwerem Valgus und fehlendem Innen-
band generell ein höher geführtes Implantat, z.B. die Total-Condylar-III-Prothese. Auch
Murray und Rand (1993) sehen eine Indikation zu einer geführteren Prothese, wenn die
Weichteil-Balance nur sehr knapp oder fast gar nicht erreicht wird. Healy et al (1998)
sprechen von einem wichtigen Einfluss des HKB auf die Wahl des Implantates. Ein
normales HKB wird erhalten, ein gedehntes HKB wird gelöst und durch ein Implantat
mit höherer Führung ersetzt. Daneben spielen auch die mediale und laterale Bandbalan-
ce eine Rolle bei der Implantatwahl, genauso wie eine Symmetrie der Extensions- und
Flexionslücken (Stern et al 1991). Pape und Kohn (2007) halten eine Verwendung eines
höher geführten Prothesenmodells für notwendig, wenn die tibialen Resektionen tiefer
als 10 mm sind und die Kollateralbänder als insuffizient beurteilt werden. Whiteside
129
(2002) empfiehlt sogar, dass man darüber nachdenken sollte, eine konformere tibiale
Polyethylenkomponente zu verwenden, noch bevor der Biceps oder der Gastrocnemius
gelöst werden, weil eine Stabilität in Außenrotation und eine posteriore Beschränkung
durch diese sekundären Stabilisatoren nicht adäquat gewährleistet werden kann.
Auch wenn alle lateralen Strukturen zur Valguskorrektur gelöst werden, können die
medialen Weichteile locker und überdehnt sein, so dass Whiteside (2004) auch in die-
sem Fall die Verwendung einer höher geführten Prothese für erforderlich hält.
130
4.3.4 Flexionsdeformität 4.3.4.1 Allgemein Jedes gesunde Kniegelenk kann sich auf 0° oder sogar einige Grad Hyperextension stre-
cken (Tanzer und Miller 1989). Wenn das Kniegelenk von einer Arthritis oder Arthrose
befallen ist, können pathologische Veränderungen im Kniegelenk ein volles Strecken
verhindern, was als Flexionskontraktur (FC) bezeichnet wird (Tew und Forster 1987).
Wenn eine Flexionskontraktur präoperativ 40° überschreitet, können die Patienten sich
in der Regel nicht mehr ohne fremde Hilfe bewegen und sind dadurch auf einen Roll-
stuhl angewiesen (Ishikawa et al 1991).
Abb.42. Flexionskontraktur bei rheumatoider Arthritis: in vivo und Röntgenbild (aus Scuderi und Tria 2006). Eine fixierte Flexionskontraktur ist eine kombinierte Deformität, die sowohl aus einer
ligamentären und kapsulären Komponente als auch aus einer knöchernen Komponente
besteht (Firestone et al 1992, Bellemans et al 2006a). Die meisten Kniegelenke mit FC
sind aber durch zu straffe Ligamente verursacht. Eine Varusdeformität ist dabei häufiger
mit einer FC kombiniert als eine Valgusdeformität (Whiteside und Mihalko 2002, Mi-
halko und Whiteside 2003, Whiteside 2004). In der Studie von Whiteside und Mihalko
(2002) haben 97,9% aller Kniegelenke eine Deformität mit der Kombination von Varus-
und Flexionskontraktur und nur 2,1% eine Kombination von Valgus und FC.
Eine Flexionskontraktur sollte präoperativ am besten auf einem lateralen Röntgenbild
bewertet werden (Robbins et al 2001). Bei der FC sind Ligamente, die hauptsächlich in
Extension wirksam sind, wie der Tractus, das tiefe Innenband und die posteriore Kapsel
besonders wirksam. Andere Ligamente, wie das Außenband, der Popliteus und das o-
berflächliche Innenband, die primär in Flexion wirksam sind, sind bei der FC unwirk-
sam (Whiteside 2004).
131
Jeder schmerzhafte Prozess in und um das Kniegelenk herum kann bei einer Arthrose zu
einer Flexionskontraktur im Kniegelenk führen, die hauptsächlich durch eine Kontrak-
tur der posterioren Kapsel verursacht wird. Kontrakturen von Kreuzbändern oder der
Harmstring-Muskulatur spielen eine eher untergeordnete Rolle (Tew und Forster 1987,
Tew et al 1989, Tanzer und Miller 1989, McPherson et al 1994, Delfico und Tria 1996,
Briard et al 2007). Delfico und Tria (1996) berichten, dass bei Ausbildung einer Flexi-
onskontraktur die Harmstring-Sehnen und die Gastrocnemiusköpfe sich der neu gebil-
deten Position anpassen und sich dabei eher sekundär kontrahieren. Mihalko und Whi-
teside (2003) und Whiteside (2004) berichten andererseits, dass die meisten Flexi-
onskontrakturen durch zu straffe Kollateralbänder verursacht werden. Allein die Tatsa-
che, dass durch die Anästhesieverfahren präoperativ eine Verbesserung der Flexi-
onskontraktur um durchschnittlich bis zu 4° entstehen kann, zeigt, dass eine dabei ver-
wendete Relaxation der knieumgebenden Muskulatur Einfluss auf die FC hat (Firestone
et al 1992). Für Briard et al (2007) sind beim Streckdefizit neben dem Gastrocnemius
und dem Biceps femoris auch der Semimembranosus und der Pes anserinus betroffen.
Für Tanzer und Miller (1989), aber auch für Firestone et al (1992) und McPherson et al
(1994) gehört die Korrektur einer fixierten Flexionsdeformität zu den wichtigsten Kor-
rekturmaßnahmen bei der Implantation einer Knie-TEP überhaupt. Bei Tanzer und
Miller (1989) haben in ihrer retrospektiven Studie von 697 arthritischen Kniegelenken
61% eine präoperative Flexionskontraktur, die einer Korrektur bedarf. Starke Flexions-
deformitäten, die fortschreitend sind und mit starken Schmerzen einhergehen, können
für sich selbst schon an einem unoperierten Knie eine Indikation für eine Knie-TEP sein
(Tew und Forster 1987).
Eine Flexionskontraktur hat einen ungünstigen Einfluss auf die Funktion des Kniege-
lenkes und muss deshalb korrigiert werden, weil bei nicht ganz vollendeter Extension
zu hohe Kräfte vor allem über den M. quadrizeps aufgewendet werden müssen, damit
schwere Lasten vom Knie getragen werden können. Bei erhaltener Extension ist das
Tragen von schweren Lasten für das Kniegelenk mit einem ungleich geringeren Ener-
gieaufwand verbunden (Swanson 1980, Bellemans et al 2006a). Auch das Gehen, be-
sonders das Treppenhoch- und -runtergehen, benötigt ein möglichst streckbares Knie.
Ansonsten würde dies zu einer sehr starker Belastung der Muskulatur und dadurch zu
schneller Ermüdung des Patienten führen (Tew und Forster 1987). Solche erhöhten
Kräfte, die bei Flexion zur Kniestabilisation von Nöten sind, wirken sich ungünstig auf
132
eine Knie-TEP aus und beeinflussen das Langzeitergebnis und die Stabilität der Prothe-
se negativ (McPherson et al 1994).
Auch nach adäquater Durchführung von Knochenschnitten und Weichteil-Balancing
können ungleichmäßige Fehlanpassungen zwischen Extensions- und Flexionslücke be-
stehen bleiben und so intraoperativ zu einer FC führen. Das häufigste Problem ist eine
persistierende Flexionskontraktur, die dadurch entsteht, dass der Extensionsspalt klei-
ner als der Flexionsspalt geraten ist (Whiteside und Mihalko 2002, Clarke und Scuderi
2003). In dieser Situation von unterschiedlich groß ausgefallenen Gelenkslücken,
besonders bei zu kleiner Extensionslücke, sollte man nicht versuchen, dieses Ungleich-
gewicht der Gelenkslücken mit Größenveränderungen der Polyethyleneinlagen zu kor-
rigieren. So würde eine kleinere Polyethyleneinlage zwar besser in die Extensionslücke
passen, würde dann aber auch zu einer relativen Laxizität und dadurch akuter Dislokati-
onsgefahr in Flexion führen, was unter allen Umständen vermieden werden sollte (Clar-
ke und Scuderi 2003).
Abb.43. Situation der FC: Extensionlücke zu klein, Flexionslücke zu groß (aus Whitesi-de 2004). In der Studie von Bellemans et al (2006) wird die Flexionskontraktur in 3 Schwere-
grade geteilt. Eine milde FC besteht bei 5-15° Abweichung, eine moderate FC bei 15-
30° und schwere FC bei über 30° Abweichung. In dieser Studie von 2.898 Kniegelen-
ken, die mit einer TEP versorgt werden, haben 27,4% der Kniegelenke eine milde FC,
3,28% eine moderate FC und 1,21% eine schwere FC.
Diskussionswürdig ist die Frage, ob eine fixierte Flexionskontraktur noch intraoperativ
vollständig korrigiert werden muss (Savastano 1980, Hungerford et al 1984, Schurmann
et al 1985, Tew und Forster 1987) oder ob sich postoperativ mit der Zeit nach und nach
eine Verbesserung einer übrig gebliebenen Flexionskontraktur einstellen würde (Ritter
133
und Springer 1979, Tanzer und Miller 1989). Es ist zu beachten, dass bei konsequenter
Durchführung einer intraoperativen Korrektur einer Flexionskontraktur auch damit zu
rechnen sein muss, dass zusätzliche Knochenresektionen am distalen Femur oder der
proximalen Tibia und ein ausgedehntes Weichteilrelease nötig sind, um eine vollständi-
ge Extension zu erreichen. Dies hat einen erheblichen Einfluss auf die Kinematik des
Kniegelenks, indem es zu Hyperextension, Imbalance der Kollateralbänder oder zu La-
xizität des Quadrizeps führen kann (Savastano 1980, Tanzer und Miller 1989).
Ritter und Springer (1979) zeigen bei 145 Knie-TEP auf, dass sich trotz eines gewissen
Grades an FC direkt nach der Operation innerhalb eines halben Jahres postoperativ na-
hezu komplett eine vollständige Extension einstellte. McPherson et al (1994) sehen eine
postoperative Verbesserung der FC im ersten Jahr nach der OP, Aderinto et al (2005)
halten dies sogar bis zu 3 Jahren postoperativ noch für möglich.
Für eine gute und erfolgreiche Korrektur der FC noch in der postoperativen Phase ist
neben einer kontinuierlichen Passivbewegung eine physikalische Therapie mit Dehnung
des HKB oder der hinteren Kapsel, neben einer aggressiven Rehabilitation auch eine
adäquate Schmerztherapie hilfreich (Johnson 1990, McPherson et al 1994, Kurosaka et
al 2002). Auch Firestone et al (1992) sehen einen leichten Rückgang einer übrig geblie-
benen Flexionskontraktur postoperativ und diess sogar bei präoperativ sehr schweren
Flexionskontrakturen bis zu 20°.
App.44. Rückgang der Flexionskontraktur postoperativ (aus McPherson et al 1994). Schurmann et al (1985) und Tanzer und Miller (1989) sehen eine deutliche Verbesse-
rung der Flexionskontraktur in der postoperativen Phase, empfehlen dann aber doch bei
Flexionskontrakturen von über 10° bzw. über 20° intraoperativ eine weitere zusätzliche
Korrektur der Flexionskontraktur durchzuführen. Tew und Forster (1987) finden dage-
134
gen bei 697 Knie-TEP keine einzige postoperative Verbesserung einer residualen Flexi-
onskontraktur, was eher für eine intraoperative Korrektur spricht.
Tab. 44: Zeitpunkt der Korretur der Flexionsdeformität
Intraoperative Korrektur Postoperative Besserung Savastano (1980) Ritter und Springer (1979) Hungerford et al (1984) Tanzer und Miller (1989) Schurmann et al (1985) Firestone et al (1992) Tew und Forster (1987) McPherson et al (1994) Aderinto et al ( 2005)
Ritter et al (2003) finden heraus, dass neben der präoperativen Extension auch das Alter
und das Geschlecht der Patienten eine Auswirkung auf die postoperative Extension ha-
ben, wobei ältere und weibliche Patienten hierbei einen Nachteil aufweisen.
Eine verbleibende FC kann ein gutes Ergebnis der Operation gefährden, weil eine be-
friedigende Bewegung des Kniegelenkes und eine Schmerzreduzierung wichtig für eine
gute Kniefunktion sind (Aderinto et al 2005).
135
4.3.4.2 Release-Techniken Die Knieendoprothese wird allein für die Korrektur einer Flexionskontraktur als ein
sehr erfolgreiches Verfahren angesehen (Tew und Forster 1987).
Nachdem der Standardknochenschnitt durchgeführt wurde, wird zuerst bei der Flexions-
lücke, danach bei der Extensionslücke ein Weichteil-Balancing durchgeführt. Hierbei
wird zuerst die mediolaterale Stabilität des Kniegelenkes angepasst, indem Varus- und
Valgusfehlstellungen korrigiert werden. Erst danach wird eine eventuell bestehende
Flexionskontraktur korrigiert (Whiteside und Mihalko 2002, Clarke und Scuderi 2003,
Mihalko und Whiteside 2003). Bei Firestone et al (1992) haben 41,2% der 51 unter-
suchten Kniegelenke mit FC eine kombinierte Varusdeformität, 31,4% einen kombinier-
ten Valgus und 27,5% ein normales Alignment. Dies deutet darauf hin, dass bei Korrek-
tur einer Flexionskontraktur zusätzlich mit einer anderen Deformität zu rechnen ist, die
ebenfalls zu korrigieren sind.
Generell haben diejenigen Weichteilstrukturen den größeren Effekt auf die Extensions-
lücke im Vergleich zur Flexionslücke, die sowohl medial als auch lateral am Kniege-
lenk weiter posterior liegen. Dazu gehören neben dem hinteren tiefen Teil des Innen-
bandes auch das HKB, vor allem aber die posteriore Kapsel und die posteromediale und
posterolaterale Eckkapsel (Mihalko et al 2003).
Für geringe Flexionskontrakturen unter 15° können dorsale Osteophyten die einzige
Ursache für die Kontraktur sein, weshalb in diesen Fällen auch eine alleinige Entfer-
nung der Osteophyten zur Korrektur der FC reichen kann. Größere Flexionskontraktu-
ren werden meistens auch durch kontrahierte Weichteile beeinflusst, weshalb hier dann
Weichteil-Release notwendig werden (Laskin und Rieger 1989).
4.3.4.2.1 Posteriore Osteophyten Nach Pape und Kohn (2007) werden die posterioren Osteophyten auf einer streng seitli-
chen Röntgenaufnahme markiert, damit sie intraoperativ noch vor Implantation der Pro-
thesenkomponenten abgetragen werden können.
Zeitpunkt Nach Whiteside (2004), Bellemans et al (2006a) und Berend et al (2006) wird die Ent-
fernung aller Osteophyten des Kniegelenkes bereits als ersten Schritt des Weichteil-
Balancings durchgeführt. Wenn bei Clarke und Scuderi (2003) intraoperativ die Situati-
136
on einer FC auftritt, empfehlen diese zuerst eine Begutachtung der posterioren Kondy-
len des Femurs, um dort eventuell vorhandene Osteophyten abzutragen. Dieses Vorge-
hen wird auch von Laskin und Rieger (1989), aber auch von Tanzer und Miller (1989),
Firestone et al (1992) und Robbins et al (2001) empfohlen.
Technik Die Durchführung der Osteophyten-Entfernung wird an der hinteren Seite des Femur
durchgeführt (Tanzer und Miller 1989, Firestone et al 1992, Clarke und Scuderi 2003).
Kumar und Dorr (1997) berichten, dass neben den Osteophyten von den hinteren Flä-
chen des Femur auch die Osteophyten des hinteren Tibiaknochens entfernt werden müs-
sen. Laskin und Rieger (1989) und Laskin (1996) sehen auch anteriore Osteophyten auf
der Tibiaoberfläche als eine mögliche Ursache für die FC, welche dann bei der proxima-
len Tibiaresektion mit entfernt werden sollten.
Tab. 45: Ort der Osteophyten-Entfernung
Hinteres Femur Hintere Tibia Vordere Tibia Tanzer und Miller (1987) Kumar und Dorr (1997) Laskin und Rieger (1989) Firestone et al (1992) Laskin (1996) Kumar und Dorr (1997) Burke und O`Flynn (2001) Clarke und Scuderi (2003)
Zur Durchführung der Osteophyten-Entfernung posterior empfehlen Kumar und Dorr
(1997) die Verwendung eines Osteotom, Whiteside verwendet bei anterioren Osteophy-
ten einen Lühr.
Abb.45. Osteophytenentfernung posterior mit Osteotom (aus Eulert und Hassenpflug 2001), anterior mit einem Lüer (aus Whiteside 2004).
137
Auswirkungen Entfernte Osteophyten können zu einer Verlängerung der Kollateralbänder und der
posterioren Kapsel in Streckstellung führen, ohne dass die Stabilität in Flexion gefähr-
det wird (Firestone et al 1992, Burke und O`Flynn 2001). Wenn die posterioren Oste-
ophyten entfernt werden, können sie sowohl die Weichteilbalance als auch das Bewe-
gungsausmaß der Prothese nicht mehr stören (Whiteside 2004, Pape und Kohn 2007).
Klinik und Einsatz In der Klinik spielt die Entfernung von posterioren Osteophyten zur Korrektur der FC
besonders bei einer begleitenden Varusdeformität bei 68% der Kniegelenke eine Rolle.
Beim Valgusknie und Knie in Neutralstellung spielt die Osteophyten-Entfernung mit
12% bzw. 21% eine eher untergeordnete Rolle (Firestone et al 1992). Bei Laskin und
Rieger (1989) tritt ein anteriorer Tibia-Osteophyt in 96% der behandelten Knie präope-
rativ auf und kann womöglich bei FC von weniger als 15° Deformität sogar die einzige
Ursache für diese Kontraktur sein. Auch Whiteside und Mihalko (2002) berichten in
ihrer klinischen Studie, dass manchmal gar keine Release-Schritte am Bandapparat von
Nöten sind, weil die FC bereits durch ein alleiniges Entfernen der Osteophyten korri-
giert werden kann. Bei Bellemans et al (2006a) führt die Osteophytenentfernung in
Verbindung mit einer anfänglichen Überresektion des Femurs von 2 mm bei 91,2% der
milden FC bis zu 15°, bei 56,8% der moderaten FC mit 15-30° und bei 25,7% der
schweren FC über 30° als erster und alleiniger Schritt zur Korrektur des FC zum Erfolg.
4.3.4.2.2 Kollateralbänder und Varus-/Valgus-Korrektur Die Kollateralbänder erreichen ihre größte Spannung in Extensionsstellung und kontrol-
lieren vor allem in dieser Kniestellung die Stabilität des Gelenkes. Wenn die Kollateral-
bänder verkürzt oder durch Osteophyten kontrakt sind, schränken sie das Kniegelenk in
Extensionsstellung ein und haben somit eine kausale Mitwirkung bei der Flexi-
onskontraktur (Whiteside und Mihalko 2002). Whiteside (2004) hält die Kollateralbän-
der ebenso wie die posteriore Kapsel für die Hauptursache einer FC. Da eine Flexi-
onskontraktur häufig mit einer anderen Deformität wie der Varus- oder Valgusdeformi-
tät kombiniert ist, kann es häufig der Fall sein, dass bereits eine Korrektur der Varus-
oder Valgusdeformität zu einer verbesserten FC führt, da teilweise hierbei bereits die
Kollateralbänder balanciert werden müssen (Firestone et al 1992, Whiteside 2004).
138
Zeitpunkt des Release Whiteside (2003, 2004) führt bei der Korrektur einer begleitenden Deformität der koro-
naren Ebene und bei alleiniger Straffheit in Extension ebenfalls zuerst ein Release des
Innenbandes beim Varusknie durch, genauer gesagt ein Release der hinteren schrägen
Fasern. Bei alleiniger Straffheit eines Valgusknies in Extension führt er zuerst ein Re-
lease des Tractus iliotibialis auf der lateralen Seite durch, weil dies im Vergleich zum
Außenband sich ausschließlich auf die Extensionslücke auswirkt.
Technik des Release Die Durchführung der Kollateralband-Release wird medial und lateral unterschiedlich
durchgeführt. Das Innenband-Release wird mit Zuhilfenahme eines Osteotoms subperi-
ostal am tibialen Ansatz durchgeführt. Dies kann bis zu einer Tiefe von 8 cm unterhalb
des tibialen Knochenschnittes durchgeführt werden (Mihalko und Whiteside 2003). Da
der hintere Teil des Innenbandes am wahrscheinlichsten für die FC verantwortlich ist,
wird es zuerst gelöst. Danach kann bei ausbleibendem Erfolg der vordere Teil gelöst
werden (Whiteside 2004). Das Außenband-Release wird mit zur Hilfenahme einer
Skalpellklinge an der lateralen Femurepikondyle durch eine scharfe Dissektion durchge-
führt. Dabei sollte aufgepasst werden, dass sowohl der Ansatz des Popliteus als auch die
Ansätze der posterolateralen Ecke intakt bleiben (Mihalko und Whiteside 2003).
Klinik und Einsatz Bei Firestone et al (1992) werden bei vorliegender Flexionskontraktur bei 91% aller
Varusknie das Innenband gelöst, wobei dies auch beim Valgusknie mit 13% und beim
Knie mit normalem Alignment in 21% der Fall war. Ein Außenband-Release wird bei
63% der Valgusknie durchgeführt, aber auch bei 27% der Varusknie und 14% der Knie
mit neutralem Alignment. Dies zeigt, dass neben dem Release eines Kollateralbandes an
der konkaven Seite der Deformität zur Korrektur der "koronaren" Deformität, auch auf
der konvexen Seite der Deformität, auch wenn sie nur gering ist, Releases der Kollate-
ralbänder durchgeführt werden können und zur Verbesserung der FC führen.
Mihalko und Whiteside (2003) berichten von ihrer Studie, dass 56% der Varusknie mit
einer FC zuerst ein Release des Innenbandes bekommen und dass 57% der Valgusknie
mit FC zuerst ein Release des Außenbandes bekommen. Whiteside und Mihalko (2002)
führen in ihrer retrospektiven klinischen Studie an Kniegelenken mit FC bei 79% aller
Varusknie ein Release des Innenbandes durch und bei 100% aller Valgusknie ein Au-
139
ßenband-Release. 95% der Kniegelenke mit FC können bereits durch die Release-
Vorgänge an den Kollateralbändern und durch die Entfernung der Osteophyten dabei
korrigiert werden.
4.3.4.2.3 Posteriore Kapsel Bei einer signifikanten fixierten Flexionskontraktur von über 15° ist in der Regel eine
Kontraktur der hinteren Kapsel zu finden, die bei kombinierter Varusdeformität medial
am größten ist, bei kombiniertem Valgusknie auf der lateralen Seite der Kapsel (Bever-
land 2006). Auch Whiteside (2004) hält eine straffe hintere Kapsel, neben straffen Kol-
lateralbändern, für die hauptsächliche Ursache einer FC.
Zeitpunkt des Release Um ein Release der hinteren Kapsel zur Korrektur einer Flexionskontraktur durchzufüh-
ren, ist es hilfreich die Knochenschnitte abzuwarten, denn dadurch bekommt man den
richtigen Zugang und den nötigen Einblick für ein exaktes Release der hinteren Kapsel
(Tew und Forster 1987). Auch Bellemans et al (2006a) führen das Kapselrelease erst
nach den Knochenschnitten und der Entfernung der Osteophyten durch. Nach Whiteside
und Mihalko (2002), Whiteside (2002) und Mihalko und Whiteside (2003) sollte das
Kapsel-Release erst durchgeführt werden, wenn mediale und laterale Laxizität in Exten-
sion einander angepasst wurden, womit ein Balancing der Kollateralbänder gemeint ist.
Wenn eine kontrakte Kapsel noch vor einem straffen Seitenband gelöst wird, wird das
Kapselrelease allein wohl nicht die FC korrigieren, weil wahrscheinlich das straffe Sei-
tenband eher der Verursacher ist. Deshalb sollte nach Whiteside (2004) zuerst ein straf-
fes Seitenband gelöst werden, um damit mediolaterale Straffheit, aber auch ein Streck-
defizit zu korrigieren. Die Kapsel stabilisiert nach diesem Release die posteriore Seite
sekundär und kann nach ausbleibendem Erfolg dann immer noch gelöst werden. Ein
Release der hinteren Kapsel zur Korrektur der FC wird von Laskin und Rieger (1989),
Robbins et al (2001), Clarke und Scuderi (2003) und von Berend et al (2006) direkt
nach der Entfernung der Osteophyten zur Korrektur der FC angestrebt.
Liegt eine Kombination der FC mit einer Varus- oder Valgusdeformität vor, wird je
nach zugrunde liegender Deformität der laterale hintere Kapselrand beim Valgus oder
der mediale hintere Kapselrand beim Varus in Streckstellung des Kniegelenkes gelöst
(Firestone et al 1992). Bei der häufigen Kombination der FC mit einem Varus lösen
Whiteside und Mihalko (2002) nach dem Kollateralband-Release zuerst die mediale
140
hintere Kapsel auf der konkaven Seite der Deformität und erst danach, wenn keine er-
folgreiche Korrektur eingetroffen ist, die laterale hintere Kapsel. Beim Valgusknie wird
in umgekehrter Weise vorangegangen. Auch Teeny et al (1991) und Whiteside (1995)
führen bei zugrunde liegendem Varus zuerst ein Innenband-Release und eine Osteophy-
ten-Entfernung durch und danach wird der mediale Teil der hinteren Kapsel zur Korrek-
tur einer vorliegenden FC gelöst.
Technik des Release Kumar und Dorr (1997) durchtrennen die hintere Kapsel, die durch die Deformität be-
reits kontrakt und verdickt ist, und entfernen jedes lockere Teil dieser Kapsel von deren
Ansatz. Die Durchführung des Kapsel-Release erfolgt bei den meisten Autoren an der
hinteren Kante der Femurkondylen (Tew und Forster 1987, Tanzer und Miller 1989,
Laskin 1996, Delfico und Tria 1996, Mihalko und Whiteside 2003, Clarke und Scuderi
2003, Tria 2004, Whiteside 2004, Bellemans et al 2006a).
Abb.46. Posteriores Kapsel-Release vom Femur (aus Whiteside 2004). Delfico und Tria (1996) empfehlen auch ein Release der Kapsel von der hinteren Seite
der Tibia, das sie aber erst nach einem bereits vollzogenen Release des femoralen Kap-
selansatzes durchführen und bei dem sie herausfanden, dass sie damit eine größere Ex-
tension als durch die vorherigen Release-Schritte erhalten. Tria (2004) führt nach an-
fänglichem Kapsel-Release vom Femur ebenfalls das selbige auch an der Tibia durch,
spricht dem Release an der Tibia aber eine nicht so gute Effektivität wie beim Femur zu.
Whiteside (2004) fügt hinzu, dass ein Release der Kapsel von der Hinterseite der Tibia
als nicht sicher gilt, weil dadurch der Nervus peroneus sehr leicht geschädigt werden
kann.
141
Abb.47. Das hintere Kapsel-Release von der proximalen Tibia (aus Whiteside 2004). Tab. 46: Ort des Kapsel-Release
Femur Tibia Tew und Forster (1987) Delfico und Tria (1996) Tanzer und Miller (1989) Tria (2004) Laskin (1996) Delfico und Tria (1996) Clarke und Scuderi (2003) Mihalko und Whiteside (2003) Tria (2004) Whiteside (2004) Bellemans et al (2006a)
Laskin (1996) und Clarke und Scuderi (2003) bevorzugen beim Kapsel-Release eine
subperiostale Abhebung der Kapsel und Delfico und Tria (1996) und Tria (2004) emp-
fehlen eine scharfe Durchtrennung, warnen dabei gleichzeitig aber auch vor einer
vaskulären Verletzung. Einige Autoren fügen noch hinzu, dass ein Release der hinteren
Kapsel am einfachsten und sinnvollsten durchzuführen ist, wenn es unter direkter Sicht
geschieht (Tew und Forster 1987, Tanzer und Miller 1989, Mihalko und Whiteside
2003).
Tab. 47: Möglichkeiten des Kapsel-Release
Subperiostale Abhebung Scharfe Durchtrennung Laskin (1996) Delfico und Tria (1996) Clarke und Scuderi (2003) Tria (2004) Bellemans et al (2006a)
Bellemans et al (2006a) führen das Kapsel-Release zuerst durch eine Querdurchtren-
nung auf der posteromedialen oder posterolateralen Seite durch, bei mangelndem Erfolg
wird danach der zentrale Teil der Kapsel am femoralen Ansatz mit einem Elektrokauter
gelöst. Whiteside (2004) verwendet zur Lösung der Kapsel dagegen ein gebogenes 10
mm Osteotom.
142
Auswirkung des Release Nachdem die Kapsel gelöst ist, kann das Kniegelenk ohne Hindernisse frei gestreckt
werden.
Klinik und Einsatz In der Klinik wird ein Release der peripheren Kapsel auf der konkaven Seite einer De-
formität, sowohl bei begleitender Varusdeformität mit 82%, als auch bei begleitender
Valgusdeformität mit 75% durchgeführt. Dieses periphere Kapsel-Release bei kombi-
nierter axialer Deformität wird etwas häufiger durchgeführt als bei Kniegelenken mit
neutralem Alignment mit 57% (Firestone et al 1992).
Eine komplette Durchtrennung der hinteren Kapsel zur Korrektur der FC war bei Fire-
stone et al (1992) bei 24% der Varusknie und bei 6% der Valgusknie von Nöten und ist
als eher selten einzustufen. Bei Tanzer und Miller (1989) war ein Kapsel-Release zur
Korrektur der FC dagegen bei 41% der Kniegelenke notwendig.
Bei Mihalko und Whitesides (2003) prospektiver Studie benötigen nur 14,5% der einge-
setzten Knie-TEP mit einer FC ein Release der hinteren Kapsel auf der konkaven Seite
der Deformität, und 6,8% brauchen ein Release der hinteren Kapsel auf der entgegenge-
setzten konvexen Seite der Deformität.
Im Detail wird berichtet, dass 33,3% der Valgusknie ein Release der posterioren Kapsel
auf der konkaven Seite erhalten, um eine FC zu korrigieren. 14,3% der Valgusknie be-
kommen ein Release der hinteren Kapsel auf der konvexen entgegengesetzten Seite der
Deformität. Bei den Varusknien bekommen 29,3% ein Release der hinteren Kapsel auf
der konkaven Seite und 6,6% ein hinteres Kapsel-Release auf der konvexen Seite der
Deformität. Whiteside und Mihalko (2002) müssen nur 5% der 552 Patienten mit FC in
ihrer Studie mit einem Release der hinteren Kapsel versorgen, da die restlichen 95% der
Patienten bereits durch Kollateralband- und Osteophyten-Balancing korrigiert wurden.
Bei Bellemans et al (2006a) wird ein Release des posterioren Kapselgewebes als zweiter
Schritt der Korrektur einer FC nach der Osteophytenentfernung durchgeführt.
Bei milden FC von bis zu 15° bedürfen 9,8% der Kniegelenke einer Korrektur der FC
durch ein Kapsel-Release, bei den moderaten FC von 15-30° sind es 30,6%, bei schwe-
ren FC von über 30° sind es 22,9%.
143
4.3.4.2.4 Knie-Flexoren Delfico und Tria (1996) erwähnen zwar ein Release der Kniebeuger wie den Biceps
femoris oder die Pes-anserinus-Sehnen, die bekanntlich ebenfalls bei einer Flexi-
onskontraktur in geringem Maße mitwirken können. Dies wird aber in dieser Studie
nicht befürwortet, da ein Release der Kniebeuger keine weitere Vergrößerung der Ex-
tension beisteuern würde. In der klinischen Studie von Whiteside und Mihalko (2002)
werden bis auf 3 von 552 Patienten mit einer präoperativen Flexionskontraktur von über
10° ohne eine FC postoperativ entlassen. Die 3 Patienten, die mit einer Flexionskontrak-
tur von 5° aus der Klinik entlassen werden, behalten diese Fehlstellung wegen einer
bleibenden Straffheit der Hamstring-Muskulatur. Die Autoren sehen aber keine Veran-
lassung, diese straffe Hamstring-Muskulatur in ihre Release-Sequenz mit einzubezie-
hen.
Bellemans et al (2006a) führen eine scharfe Tenotomie aller übriggebliebenen straffen
medialen und lateralen Beugersehnen als letzten Schritt durch, nachdem bereits ein bis-
heriges Weichteil-Balancing und zwei zusätzliche Knochenresektionen keine Korrektur
der FC erbracht haben. Milde und moderate FC von unter 30° Deformität benötigen bei
Bellemans et al (2006a) kein Tenotomie der Hamstring-Muskulatur, nur bei den schwe-
ren FC von über 30° benötigen 22,9% eine solche Tenotomie. Davon wird bei 17,1%
der schweren FC der Biceps femoris auf Höhe der Gelenklinie transversal tenotomiert,
bei 5,7% der schweren FC der Semimembranosus.
4.3.4.2.4.1 Gastrocnemii Laskin und Rieger (1989), Delfico und Tria (1996), Robbins et al (2001) und Bellemans
et al (2006a) führen zur Behandlung einer Flexionskontraktur neben dem kompletten
Release der hinteren Kapsel und der Entfernung der Osteophyten auch ein Release der
Mm. gastrocnemii durch, falls dies die Situation und die erhöhte Deformität verlangt.
Tab. 48: Gastrocnemius-Release
Gastrocnemius-Release zur Korrektur einer Flexionskontraktur
Laskin und Rieger (1989) Krackow et al (1991) Delfico und Tria (1996) Robbins et al (2001) Bellemans et al (2006a)
144
Krackow et al (1991) berichten von einem Release des lateralen Gastrocnemiuskopfes
bei vorliegender Flexionskontraktur, das als letzter Schritt einer Weichteil-Sequenz zur
Korrektur eines Valgusknies dient.
Das Release der Gastrocnemii wird an deren Ansätzen an der hinteren Seite des Femur
durchgeführt (Laskin und Rieger 1989, Delfico und Tria 1996, Bellemans et al (2006a).
Bellemans et al (2006a) lösen entweder den medialen oder den lateralen Gastrocnemi-
uskopf subperiostal durch blinde Dissektion. Als Instrument zum Release des Gastroc-
nemius wird ein periostaler Elevator verwendet (Laskin und Rieger 1989, Bellemans et
al 2006a).
Abb.48. Gastrocnemius-Release zur Korrektur einer FC (aus Scuderi und Tria 2006). 4.3.4.2.4.2 Semimembranosus Der Semimembranosus wird nach Delfico und Tria (1996) beim Weichteil-Release zur
Korrektur einer Flexionskontraktur als aller erste Struktur gelöst, weil bei vorliegender
begleitender Varusdeformität, die bekanntlich deutlich häufiger eine FC begleitet als
eine Valgusdeformität, diese Struktur ohnehin als Teil dieser Varus-Korrektur gelöst
werden würde. Auch Teeny et al (1991) führen während des medialen Weichteil-
Release bei begleitender Varusdeformität eine Korrektur der FC durch, indem sie nach
dem bereits gelösten gesamten Innenband und der Osteophyten-Entfernung auch den
Semimembranosus lösen. Dieser Schritt ist aber nur gelegentlich notwendig. Der Se-
mimembranosus wird an seinem 15-20 mm breiten Ansatz von der posteromedialen
Seite der Tibia gelöst. Dabei kann eine Hyperflexion der Tibia unter das Femur den
Semimembranosus-Ansatz bereits sichtbar machen und so das Release erleichtern (Del-
fico und Tria 1996).
145
Bei Bellemans et al (2006a) wird der Semimembranosus knapp proximal seiner tibialen
Ansatzstelle gelöst, während das Knie in 90° Flexion gebeugt ist. Dieser Schritt wird als
letzter Schritt zur Korrektur einer FC verwendet und wird von den Autoren nur bei
5,7% der schwer deformierten FC von über 30° verwendet. Unter 30° FC wird dieses
Release gar nicht eingesetzt.
4.3.4.2.5 Hinteres Kreuzband Nach Freeman (1980) können auch Kreuzband-Entfernungen, welche ohnehin bei man-
chen Prothesen-Typen durchgeführt werden, zu einer Korrektur der FC führen.
Wenn ein verkürztes HKB zu einer FC beiträgt, kann bereits durch eine Entfernung des
dieses Bandes sofort eine Besserung der FC eintreten (Freeman 1980). Es herrscht eine
rege Diskussion in der Literatur, ob ein Release des HKB zur Korrektur der FC sinnvoll
und angebracht ist oder nicht.
Zeitpunkt des Release Für Morrey und Trousdale (1996) ist bei mittelschweren Flexionsdeformitäten das Re-
lease des HKB das wichtigste Element in der Weichteil-Maßnahme, während Laskin
und Rieger (1989) erst bei größeren FC eine Indikation zum HKB-Release sehen.
Laskin und Schob (1987) sehen bei präoperativer FC von über 15° eine HKB-Resektion
als teilweise notwendig an, weil bei kombinierter Varusdeformität damit auch der hinte-
re Teil des medialen Weichteil-Release komplettiert wird und das HKB bei >15° FC
selbst kontrakt wird und dadurch an der FC mitwirkt. Aber schon ab 10° FC-Deformität
ist es schwierig das HKB vollständig zu bewahren (Delfico und Tria 1996). Berend et al
(2006) versuchen anfänglich bei der Korrektur der FC von über 20° das HKB zu bewah-
ren, wenn aber das Weichteil-Balancing und Überresektion des Femur erfolglos bleiben
sollten und eine volle Extension nicht erreicht werden kann, resezieren sie das HKB und
verwenden eine posterior stabilisierte Prothese. Bei schweren Kontrakturen soll das
HKB deshalb geopfert werden, weil eine zusätzlich nötige Knochenresektion vom dista-
len Femur die Gelenklinie anheben würde und dadurch einen starken nachteiligen Ef-
fekt auf das HKB ausüben würde (Kumar und Dorr 1997). Kumar und Dorr (1997) hal-
ten ein geopfertes HKB auch insofern für vorteilhaft, als dass es ein komplettes Release
der hinteren Kapsel leichter möglich machen würde. Wenn das HKB gelöst oder geop-
fert werden soll, ist bei solch einer Flexionskontraktur die Verwendung einer HKB-
opfernden oder –substituierenden Prothese angezeigt (Healy et al 1998).
146
Technik des Release
Die Durchführung eines HKB-Release wird mit einem gebogenen Osteotom am tibialen
Ansatz vollzogen (Mihalko und Whiteside 2003).
Auswirkungen des Release In der biomechanischen Kadaverstudie von Mihalko und Krackow (1999) wird dagegen
gezeigt, dass beim Management der Flexionskontraktur am Kniegelenk das HKB keine
entscheidende Rolle spielt und deshalb ein HKB-Release zur FC-Korrektur nicht wei-
terhilft. Es wird sogar davor gewarnt, das HKB bei Flexionskontraktur zu opfern, weil
sich dadurch das nachteilige Missverhältnis zwischen Extensionslücke und Flexionslü-
cke noch vergrößern kann (Mihalko und Krackow 1999). In der Weichteil-Sequenz zur
Korrektur der FC kann auch ein Release des HKB vorkommen, das keine komplette
Extension erreichen soll, sondern eine zu straffe Flexionslücke korrigieren soll (Firesto-
ne et al 1992, Mihalko und Krackow 1999, Mihalko und Whiteside 2003).
Zusätzlich kann ein HKB auch dann gelöst werden, wenn exzessives hinteres Rollback
auftritt und damit einer Straffheit in Flexion entgegengewirkt werden kann (Mihalko
und Whiteside (2002, 2003).
Klinik und Einsatz In der Klinik zeigt sich bei Firestone et al (1992), dass das HKB bei 36% der Varusknie
und bei 38% der Valgusknie die Flexion begrenzt und deshalb gelöst werden muss,
während in Kniegelenken, die in Neutralstellung stehen, keines ein Release des HKB
zur FC-Korrektur benötigt. Dies deutet darauf hin, dass ein HKB-Release in dieser Stu-
die nur zur Korrektur einer koronaren Deformität dient, nicht zur FC-Korrektur. Auch
bei Mihalko und Whiteside (2003) wird in keinem einzigen Fall ein HKB-Release
durchgeführt, um damit eine Flexionskontraktur zu korrigieren, sondern 20% der HKB-
Release werden wegen einer Straffheit in Flexion durchgeführt, davon 18% bei kombi-
niertem Varusknie und 2% bei kombiniertem Valgusknie. Bei Whiteside et al (2000)
muss ebenfalls bei keinem einzigen Knie der klinischen Studie ein HKB zur Korrektur
der FC gelöst werden. Dafür wird das HKB aber zur Korrektur eines ausgedehnten
Rollback der Femurkomponente auf der Tibiaoberfläche bei 27% der Knie gelöst.
In der Studie von Berend et al (2006) wird das HKB erst nach erfolglosem Weichteil-
Balancing und Überresektion des Femur zur Korrektur einer FC von über 20° Deformi-
tät durchgeführt. 60% der Kniegelenke mit über 20° FC, die von den Autoren eine TEP
147
implantiert bekommen, erhalten eine HKB-erhaltende Prothese, was darauf schließen
lässt, dass eine Resektion des HKB zur FC-Korrektur nicht notwendig war und es be-
wahrt werden kann. 27% der Kniegelenke erhalten wegen reseziertem HKB eine poste-
rior stabilisierte Prothese, 10% erhalten eine posterior stabilisierte Prothese mit gleich-
zeitig erhöhter Gelenkführung, weil neben einem resezierten HKB auch sonstige
Weichteile insuffizient sind.
4.3.4.2.6 Zusätzliche distale Femurresektion Eine zusätzliche Knochenresektion vom distalen Femur soll nicht nur eine volle Exten-
sion möglich machen, sondern auch einen Ausgleich zwischen den Extensions- und
Flexionslücken erbringen (Kumar und Dorr 1997). Traditioneller Weise wird eine zu-
sätzliche Resektion des distalen Femurknochen durchgeführt, um damit noch intraope-
rativ eine präoperative Flexionskontraktur zu behandeln (Clarke und Scuderi 2003, Mi-
halko und Whiteside 2003, Bellemans et al 2006a, Berend et al 2006).
Zeitpunkt Eine Indikation zur zusätzlichen distalen Femurresektion besteht für Laskin und Rieger
(1989) erst dann, wenn eine schwere Flexionskontraktur mehr als 45° Fehlstellung auf-
weist, für Whiteside und Mihalko (2002) bereits bei 20-45° Fehlstellung, für Kumar und
Dorr (1997) und Berend et al (2006) schon ab 20° FC und bei Sugama et al (2005) be-
reits ab 15° FC. Firestone et al (1992) finden retrospektiv dagegen keinen Anhalt für
einen Zusammenhang zwischen der Schwere der Flexionskontraktur und dem Ausmaß
einer zusätzlichen Femurresektion. Bellemans et al (2006a) führen eine Überresektion
des distalen Femurs zur Erhöhung der Extensionslücke bereits als ersten Schritt der
Korrektur des FC durch. Bei fehlendem Erfolg wird dann nach zwischenzeitlichem
Weichteil-Balancing nochmals eine zusätzliche Femurresektion durchgeführt. Auch
Berend et al (2006) führt nach anfänglicher zusätzlicher Femurresektion und zwischen-
zeitlichem HKB-Release, das beides erfolglos blieb, ebenfalls nochmals eine zusätzli-
che Femurresektion durch.
Einige Autoren weisen darauf hin, dass nur bei bereits voll ausgeschöpftem Weichteil-
Balancing und trotzdem verbleibender FC eine Indikation für eine zusätzliche distale
Femurresektion besteht um eventuell auf diese Weise eine Korrektur der FC zu erzwin-
gen (Delfico und Tria 1996, Kumar und Dorr 1997, Robbins et al 2001, Whiteside und
Mihalko 2002, Mihalko und Whiteside 2003, Tria 2004, Whiteside 2004).
148
Technik Die Resektion eines zusätzlichen Knochenstückes vom distalen Femur wird durch die
Ansatzstellen der Kollateralbänder limitiert, die auf beiden Seiten nicht gleichzeitig
gelöst werden dürfen (Delfico und Tria 1996, Tria 2004). Bei der zusätzlichen Kno-
chenresektion vom distalen Femur empfehlen Firestone et al (1992), Clarke und Scuderi
(2003), Sugama et al (2005), Bellemans et al (2006a) und Berend et al (2006) eine zu-
sätzlich resezierte Knochenmenge von 2-3 mm, Kumar und Dorr (1997) je nach Schwe-
regrad der FC 2-4 mm, Mihalko und Whiteside (2003) empfehlen genau 4 mm. Wäh-
rend die distalen Gelenkflächen des Femur durch eine zusätzliche Knochenresektion für
eine Korrektur der FC reseziert werden, bleiben die anterioren und posterioren Gelenk-
flächen des Femurs unversehrt und sorgen dadurch für die Erhaltung der Stabilität in
Flexionsstellung (Mihalko und Whiteside 2003).
Auswirkungen Eine Überresektion oder eine zusätzliche Resektion des distalen Femurknochens soll
eine Erhöhung der Extensionslücke bewirken, um die Extensionslücke der Flexionslü-
cke beim FC-Knie anzugleichen (Whiteside 2004, Bellemans et al 2006a). Die Anwen-
dung einer exzessiven Knochenresektion am Femur zur Korrektur einer FC kann zu
Laxizität der Kollateralbänder, Quadrizeps-Redundanz, veränderter Knie-Kinematik
und Hyperextension führen (Tanzer und Miller 1989, Delfico und Tria 1996). Dabei
kann es bei solch einer zusätzlichen distalen Femurresektion zu einer leichten Anhe-
bung der Gelenkebene kommen (Delfico und Tria 1996, Clarke und Scuderi 2003,
Wyss et al 2006). Nach Robbins et al (2001) sollte eine korrekte Gelenkebene möglichst
erhalten bleiben, damit ein gutes patellares Gleiten und eine Symmetrie der Kollateral-
bänder im gesamten Bewegungsspielraum hinweg gesichert werden. Nach Laskin und
Rieger (1989) und Wyss et al (2006) ist daher eine exakte Rekonstruktion bzw. der Er-
halt der natürlichen Gelenklinie ein Schlüsselfaktor für eine erfolgreiche Knie-
arthroplastik. Ist die Gelenklinie um mehr als 8 mm verändert, ist mit einer erhöhten
Zahl an Revisionen oder Manipulationen zu rechnen, aber selbst bei Kranialisierung der
Gelenkslinie von 2-3 mm kann das Risiko für patellare Schmerzen und Probleme erhöht
sein (Tria 2004, Wyss et al 2006). Eine solche Anhebung der Gelenksebene um bis zu 8
mm kann nach Clarke und Scuderi (2003) akzeptiert und toleriert werden, aber nur
dann, wenn eine posterior stabilisierte Prothese eingesetzt wird.
149
Falls das bei der FC nicht selten auftretende Phänomen der ungleichmäßig großen Ge-
lenklücken mit einer zu klein geratenen Extensionslücke durch eine zusätzliche Resek-
tion des distalen Femur ausgeglichen werden soll, kann es zu einer Überresektion der
posterioren Kondylen und dadurch zu einem größeren Risiko einer hinteren Dislokation
führen (Clarke und Scuderi 2003). Auch McPherson et al (1994) berichten in ihrer ret-
rospektiven Studie, dass eine übermäßige Entfernung von Knochen am distalen Femur
zu nachteiligen klinischen Ergebnissen führen kann. Es wird daher empfohlen, eine
komplette Korrektur der FC mit weniger als 30° Deformität noch intraoperativ zu ver-
suchen, aber dies nicht auf Kosten einer zusätzlichen Knochenresektion auszubauen, da
sich eine FC postoperativ mit der Zeit auch noch selbst bessern kann. Eine Überresekti-
on des Femurs und exzessiver Verlust von femoralem Knochen führt zu einer lockeren
Extensionslücke und macht den Einsatz von dickeren Tibiakomponenten erforderlich. In
dieser Situation entsteht eine Gelenklinie, die proximaler sitzt als die ursprünglichere
Gelenklinie. Diese Situation führt zu Problemen bei der Kniebeugung und einem even-
tuellen Patellaimpingement. (Whiteside 2004).
Abb.49. Proximalisierung der Gelenklinie bei deutlich dickerer Tibiakomponente (aus Whiteside 2004). Klinik und Einsatz In der Klinik werden bei Firestone et al (1992) 55% der Knie mit vorbestehender FC
von über 20° mit einer zusätzlichen Femurresektion von 2 mm bedacht, 38% mit zusätz-
licher Femurresektion von 4-5 mm und nur 6% brauchen überhaupt keine zusätzliche
Femurresektion zur Korrektur der FC. Bei Whiteside und Mihalko (2002) bekommen
nur 2% der 552 Patienten mit präoperativer FC eine zusätzliche distale Femurresektion,
aber all diese Patienten haben eine Flexionskontraktur mit einem Schweregrad von 25-
40°. In der prospektiven Studie von Mihalko und Whiteside (2003) benötigen nur 2 von
103 eingesetzten Knie-TEP eine zusätzliche Resektion des Femurknochen, um nämlich
150
eine Flexionskontraktur von 25° und 45° Deformität zu korrigieren. Die Autoren emp-
fehlen aber keine routinemäßige zusätzliche Resektion vom distalen Femur bevor nicht
Osteophyten-Entfernung oder Weichteil-Balancing durchgeführt wurde, um damit eine
Korrektur der FC zu versuchen. Auch Robbins et al (2001) empfehlen erst ein komplet-
tes Release der hinteren Weichteile und eine Osteophyten-Entfernung, bevor zu der
Maßnahme einer zusätzlichen Knochenresektion des Femurs gegriffen werden kann.
Wyss et al (2006) berichten, dass durch adäquate Technik des Weichteil-Balancings in
den meisten Fällen nicht nur die natürliche Gelenklinie möglichst exakt rekonstruiert,
sondern dass damit auch soviel wie möglich an Knochenmasse erhalten werden kann.
Delfico und Tria (1996) sehen zwar eine natürliche Neigung das Weichteil-Release we-
gen der nahen neurovaskulären Strukturen möglichst zu meiden und stattdessen eine gut
zugängliche Knochenresektion durchzuführen, aber man sollte sich eher für die Weich-
teil-Maßnahmen entscheiden, um einerseits Probleme mit der Gelenklinie zu vermeiden
und andererseits um die anderen Deformitäten mitzukorrigieren.
Bei Bellemans et al (2006a) wird eine zusätzliche distale Femurresektion als dritter
Schritt der Korrektur einer FC durchgeführt, nachdem vorher die Osteophyten und das
posteriore Kapselgewebe gelöst werden. Milde FC von unter 15° bedürfen in dieser
Studie keiner zusätzlichen Femurresektion, moderate FC von 15-30° in 11,6% und
schwere FC von über 30° in 28,6%.
Whiteside (2004) kann mit dem Ligament-Balancing fast alle Streckdefizite beseitigen,
sodass eine zusätzliche Resektion des distalen Femur nur sehr selten von Nöten ist.
Auch bei Tanzer und Miller (1989) wird trotz vorbestehender FC von bis zu 30° keine
einzige zusätzliche Knochenresektion zur Korrektur einer FC durchgeführt. Sie halten
eine knöcherne Korrektur in ihrer prospektiven Studie von 35 mit FC deformierten
Kniegelenken bei FC unter 20° für gänzlich unnötig. Bei FC zwischen 21-30° sei sie
wahrscheinlich ebenfalls unnötig.
4.3.4.3 Weichteil-Sequenzen Da viele Flexionskontrakturen mit einem Varus oder Valgus kombiniert sind, finden
sich bereits in den Weichteil-Sequenzen der Varus- oder Valgus-Maßnahmen Release-
Schritte, die eine mögliche Flexionskontraktur mitkorrigieren können, sodass die Kor-
rektur der FC nicht immer erst in einer eigenen Sequenz durchgeführt werden muss.
151
Da viele arthrotische Kniegelenke, die eine Indikation zur Implantation einer Knie-TEP
besitzen, eine Deformität in koronarer Ebene haben, wird zuerst immer die Korrektur
von Varus und Valgus vorgenommen, und erst danach zwischen den medialen und late-
ralen Weichteilschritten die Korrektur der FC.
Auch bei der Korrektur der Flexionskontraktur können in der Literatur verschiedene
Sequenzen gefunden werden, die mit unterschiedlicher Reihenfolge der Release-Schritte
beabsichtigen, ein normales Alignment wiederherzustellen.
Tab. 49: Unterschiedliche Reihenfolge der Release-Schritte zur FC-Korrektur: (Post Kapsel: posteriore Kapsel, postmed Kapsel: posteromediale Kapsel, postlat Kap-sel: posterolaterale Kapsel, Semi: Semimembranosus. Gastro: beide Köpfe des Gastroc-nemius, Hamstring: Hamstring-Muskulatur, Ost.: Osteophyten, HKB: hinteres Kreuz-band, Seitenbänder: mediales und laterales Seitenband, Resektion: zusätzliche distale Femurresektion)
1 2 3 4 5 6 Laskin und Rieger 1989 Ost. HKB post Kapsel Gastro Resektion
Tanzer und Miller 1989 Ost. post Kapsel
Firestone et al 1992 Ost. Resektion post Kapsel
postmed + postlat Kap-sel
HKB
Delfico und Tria 1996
Semi post Kapsel HKB post Kapsel Gastro Resektion
Kumar und Dorr 1997 HKB Ost. post Kapsel Resektion
Whiteside und Mihal-ko 2002
Seitenbänder + Ost.
postmed + postlat Kap-sel
HKB Resektion
Clarke und Scuderi 2003
Ost. post Kapsel Resektion
Mihalko und White-side 2003
Seitenbänder post Kapsel Resektion HKB
Tria 2004 post Kapsel Resektion Whiteside 2004 Ost. Seitenbänder post Kapsel
Mullaji et al 2005 post Kapsel Ost. HKB
Bellmans et al 2006
Seitenbänder + Ost. + Resektion
Kapsel + Gastro Resektion Hamstring
Berend et al 2006 Ost. post Kapsel Resektion Seitenbänder HKB Resektion
Bei der Korrektur der FC dreht sich die Diskussion in der Literatur weniger um die Rei-
henfolge und die Anordnung einzelner Release-Schritte von bestimmten Weichteilstruk-
turen, wie dies bei Varus- oder Valgus-Deformitäten der Fall ist, sondern eher um die
152
Tatsache, ob einige Balancing-Schritte bestimmter Strukturen überhaupt nötig sind oder
nicht. Dies gilt vor allem für ein HKB-Release und eine zusätzliche Femurresektion.
4.3.4.3.1 Entfernung von Osteophyten Tab. 50: Zeitpunkt der Osteophyten-Entfernung
Als 1. Schritt Nach dem Kollateralband-Release Laskin und Rieger (1989) Tanzer und Miller (1989) Firestone et al (1992) Clarke und Scuderi (2003) Whiteside und Mihalko (2002) Mihalko und Whiteside (2003) Bellemans et al (2006a) Berend et al (2006)
Osteophyten sollten als erster Schritt des Weichteil-Balancing entfernt werden. Dies
sollte noch vor dem Kollateralband-Release durchgeführt werden, weil die Osteophyten
die Spannung und Länge der Kollateralbänder und der Kapselstrukturen verändern und
falsch darstellen können (Laskin und Rieger 1989, Firestone et al 1992, Mihalko und
Whiteside 2003, Bellemans et al 2006a, Berend et al 2006). Nach Whiteside und Mihal-
ko (2002) schafft eine Entfernung der Osteophyten häufig bereits allein eine Korrektur
der FC, weil dadurch bereits eine Imbalance ligamentärer posteriorer Strukturen korri-
giert werden kann. Auch Laskin und Rieger (1989) sehen eine alleinige Osteophyten-
Entfernung als Korrektur der FC bei unter 15° Deformität als ausreichend an.
Anders handhaben es Tanzer und Miller (1989) und Clarke und Scuderi (2003). Sie lö-
sen die posterioren Osteophyten erst nach dem Release der Kollateralbänder, aber noch
vor dem Release der hinteren Kapsel.
4.3.4.3.2 Kollateralbänder oder Semimembranosus Sowohl ein Release der Kollateralbänder als auch ein Release des Semimembranosus
wird von verschiedenen Autoren als eventuelle zweite Release-Möglichkeit nach der
Osteophytenentfernung ins Gespräch gebracht. Dabei wird sowohl daran gedacht, dass
beide Strukturen an einer die FC begleitenden Deformität der koronaren Ebene mitwir-
ken, als auch dass beide selbst zu einer Flexionskontraktur beitragen können. Tab. 51: Zweiter Release-Schritt: Kollateralbänder oder Semimembranosus
Kollateralband-Release als 2. Schritt Semimembranosus-Release als 2.Schritt Tanzer und Miller (1989) Teeny et al (1991) Firestone et al (1992) Delfico und Tria (1996) Whiteside und Mihalko (2002) Clarke und Scuderi (2003) Mihalko und Whiteside (2003) Whiteside (2004)
153
4.3.4.3.2.1 Kollateralbänder Nachdem die Osteophyten entfernt wurden, sollten bei den Release-Schritten die Kolla-
teralbänder als nächste gelöst werden (Whiteside und Mihalko 2002, Whiteside 2004).
Ein Grund dafür ist, dass ein Kollateralband-Release sowohl medial als auch lateral zu
den Standard-Schritten bei dem Balancing von Varus und Valgus gehören. Eine Korrek-
tur von Varus oder Valgus sollte vor der Korrektur einer Flexionskontraktur durchge-
führt werden (Tanzer und Miller 1989, Firestone et al 1992, Whiteside und Mihalko
2002, Clarke und Scuderi 2003). Ein anderer Grund dafür ist, dass die Kollateralbänder
entscheidend zur Entwicklung und Aufrechterhaltung einer Flexionskontraktur beitra-
gen und deshalb bei einer Korrektur der FC gelöst werden sollten (Mihalko und White-
side 2003, Whiteside 2004). Tab. 52: Ziel des Kollateralband-Release
Korrektur von Varus-/Valgus-Deformität Direkte Korrektur der Flexionsdeformität Tanzer und Miller (1989) Mihalko und Whiteside (2003) Firestone et al (1992) Whiteside (2004) Whiteside und Mihalko (2002) Clarke und Scuderi (2003)
Firestone et al (1992), Whiteside und Mihalko (2002) und Mihalko und Whiteside
(2003) lösen aus diesem Grund bei der die FC begleitenden Varusdeformität zuerst das
Innenband, bei begleitender Valgusdeformität das Außenband und erst danach die hinte-
re Kapsel.
4.3.4.3.2.2 Semimembranosus Auch Delfico und Tria (1996) führen als ersten Schritt der Weichteilrelease-Sequenz
zur Korrektur des FC eine Korrektur der koronaren Deformität durch. Da eine beglei-
tende Varusdeformität sehr häufig mit einer FC kombiniert ist, lösen die Autoren als
erste Struktur den medial posterior an der Tibia ansetzenden Semimembranosus. Dieser
Schritt wird vor dem Release der hinteren Kapsel durchgeführt. Teeny et al (1991) füh-
ren nach der Entfernung der Osteophyten und einer Korrektur der Varusdeformität
durch ein Release des Innenbandes, ein Release des Semimembranosus zur Korrektur
der FC. Diesem Release folgt dann ein Release der hinteren Kapsel. Auf der lateralen
Seite zu einer die FC begleitenden Korrektur einer Valgusdeformität gibt es keine dem
154
Semimembranosus vergleichbare Struktur, die abgesehen von den Kollateralbändern zur
Korrektur der FC gelöst werden kann.
4.3.4.3.3 Kapsel Tanzer und Miller (1989), Firestone et al (1992), Delfico und Tria (1996), Whiteside
und Mihalko (2002), Clarke und Scuderi (2003), Mihalko und Whiteside (2003), Tria
(2004) und Whiteside (2004) führen ein Release der hinteren Kapsel direkt nach der
Entfernung der Osteophyten und einem Balancing einer Varus- und Valgusdeformität
durch, dass heißt erst wenn eine angemessene mediale und laterale Laxizität in Extensi-
on, entweder durch ein Kollateralband-Release oder ein Semimembranosus-Release,
wiederhergestellt wurde. Übereinstimmend wird das Release der hinteren Kapsel als
wichtige Maßnahme bei der Korrektur der FC beschrieben, nach dem Release von Kol-
lateralbändern und der Osteophyten-Entfernung, aber noch vor dem HKB-Release oder
einer zusätzlichen distalen Femurresektion.
Bei Delfico und Tria (1996) wird nach einer bereits erfolgten Korrektur einer Varusde-
formität, dem Release der hinteren Kapsel und dem Release des HKB zusätzlich ein
wiederholtes Release der hinteren Kapsel durchgeführt, im Unterschied zum ersten hin-
teren Kapsel-Release aber nicht vom femoralen Ansatz, sondern vom tibialen Ansatz.
Tab. 53: Verhältnis von Kapsel-und HKB-Release
Kapsel-Release vor dem HKB-Release Kapsel-Release nach dem HKB-Release Tanzer und Miller (1989) Laskin und Rieger (1989) Firestone et al (1992) Delfico und Tria (1996) Delfico und Tria (1996) Kumar und Dorr (1997) Whiteside und Mihalko (2002) Clarke und Scuderi (2003) Mihalko und Whiteside (2003) Tria (2004) Berend et al (2006)
Whiteside und Mihalko (2002) berichten, dass beim Kapsel-Release zuerst der auf der
konkaven Seite der koronaren Deformität liegende Kapselanteil gelöst wird, danach der
auf der konvexen Seite. Dies bedeutet, dass eine mit Varusdeformität begleitende FC
zuerst ein hinteres Kapsel-Release der medialen Seite und, wenn dann nötig, der latera-
len Seite erhält. Beim Valgus ist dies umgekehrt. Zuerst erfolgt ein laterales Release der
hinteren Kapsel, danach ein mediales Release. Wie zum Beispiel Berend et al (2006)
sehen die meisten aufgeführten Autoren ein Kapsel-Release noch vor dem Release des
HKB, nur Laskin und Rieger (1989), Delfico und Tria (1996) und Kumar und Dorr
(1997) führen das Kapsel-Release nach demjenigen des HKB durch.
155
4.3.4.3.4 Letzte gelöste Weichteil-Struktur Auch bezüglich derjenigen Weichteilstruktur, die als letzte in der Release-Sequenz der
Weichteile zur Korrektur einer FC behandelt werden sollte, herrscht Uneinigkeit in der
Literatur.
In der Literatur wird diesbezüglich sowohl ein Release des HKB als auch ein Release
des Gastrocnemius zur Korrektur einer FC vorgeschlagen.
Tab. 54: Letzter Release-Schritt zur FC-Korrektur:
HKB-Release als letzter Schritt Gastrocnemius-Release als letzter Schritt Laskin und Schob (1987) Laskin und Rieger (1989) Laskin und Rieger (1989) Delfico und Tria (1996) Firestone et al (1992) Robbins et al (2001) Delfico und Tria (1996) Kumar und Dorr (1997) Whiteside und Mihalko (2002) Mihalko und Whiteside (2003)
4.3.4.3.4.1 Hinteres Kreuzband
Das HKB-Release wird bei Firestone et al (1992) nach dem Release von Kollateralbän-
dern und Kapsel durchgeführt, aber noch vor einer zusätzlichen Femurresektion. Mihal-
ko und Whiteside (2003) lösen das HKB nach dem Release von Kollateralbändern und
Kapsel und, wenn nötig, sogar erst nach einer zusätzlichen Femurresektion (Mihalko
und Whiteside 2003). Bei Kumar und Dorr (1997) dagegen wird ein HKB bereits vor
dem Release der hinteren Kapsel durchgeführt, weil durch eine Opferung des HKB ein
komplettes Release der hinteren Kapsel vom dorsalen Femur erst möglich gemacht
wird. Außerdem sehen die Autoren bei einer nötigen zusätzlichen Femurresektion den
Erhalt des HKB sowieso in Gefahr, weil dies sich nachteilig durch eine Hebung der
Gelenklinie auswirken würde.
Tab. 55: HKB-Release am Schluss
Vor dem Kapsel-Release Nach dem Kapsel-Release Laskin und Rieger (1989) Firestone et al (1992) Delfico und Tria (1996) Delfico und Tria (1996) Kumar und Dorr (1997) Mihalko und Whiteside (2003)
Es gibt unterschiedliche Berichte, ob ein Release des HKB zur Korrektur einer FC ü-
berhaupt notwendig ist. Es gibt einige Autoren, die ein HKB-Release zur Korrektur ei-
ner FC durchführen (Laskin und Schob 1987, Laskin und Rieger 1989, Delfico und Tria
1996, Kumar und Dorr 1997). Andere Autoren sind der Meinung, dass das HKB keinen
156
Effekt auf die Extensionslücke hat und so auch nicht zur Korrektur der FC gelöst wer-
den muss (Mihalko und Krackow 1999, Whiteside und Mihalko 2002, Mihalko und
Whiteside 2003). Wiederum andere Autoren führen ein HKB-Release zwar durch, aber
nicht um eine FC zu korrigieren, sondern um eine zu straffe Flexionslücke zu behandeln
(Firestone et al 1992, Whiteside und Mihalko 2002, Mihalko und Whiteside 2003). Man
führt ein HKB-Release auch deshalb durch, um ein posteriores Rollback zu verhindern
(Whiteside und Mihalko 2002, Mihalko und Whiteside 2003).
Tab. 56: Ziel eines HKB-Lösung
Zur Korrektur einer FC Zur Straffung der
Flexionslücke in der FC-Sequenz
Zur Verhinderung eines posterioren Rollback in
der FC-Sequenz
Freeman (1980) Firestone et al (1992) Whiteside und Mihalko (2002)
Laskin und Schob (1987) Mihalko und Krackow (1999)
Mihalko und Whiteside (2003)
Laskin und Rieger (1989) Whiteside und Mihalko (2002)
Delfico und Tria (1996) Mihalko und Whiteside (2003)
Morrey und Trousdale (1996)
Kumar und Dorr (1997) Healy et al (1998)
4.3.4.3.4.2 Gastrocnemius Delfico und Tria (1996) führen nach der Korrektur einer koronaren Deformität wie Va-
rus oder Valgus, nach einem hinteren Kapsel-Release und sogar nach einem nötigen
HKB-Release noch ein Release des entsprechenden M. gastrocnemius durch. Dieses
Release wird als letzter Schritt einer Weichteil-Release-Sequenz durchgeführt, bevor
zum Mittel einer zusätzlichen Femurresektion gegriffen wird. Auch Laskin und Rieger
(1989) und Robbins et al (2001) lösen als allerletzte Struktur einer Weichteil-Sequenz
den M. gastrocnemius.
4.3.4.3.5 Zusätzliche distale Femurresektion nach Weichteil-Release Wenn alle Schritte des Weichteil-Balancings keine Korrektur der FC erbracht haben,
kann eine zusätzliche Resektion des distalen Femurknochen durchgeführt werden, um
dadurch die Extensionslücke zu vergrößern (Ranawat et al 1984, Laskin und Rieger
1989, Firestone et al 1992, Delfico und Tria 1996, Kumar und Dorr 1997, Lu et al 1999,
Robbins et al 2001, Whiteside und Mihalko 2002, Clarke und Scuderi 2003, Tria 2004).
157
Bellemans et al (2006a) führen bereits am Anfang der Korrektur einer FC eine Überre-
sektion des distalen Femur durch, direkt nach der Entfernung aller Osteophyten. Bei
mangelndem Erfolg wird zu einem späteren Zeitpunkt nochmals eine zusätzliche Resek-
tion des distalen Femur durchgeführt. Berend et al (2006) führen eine zusätzliche Fe-
murresektion routinemäßig bei FC mit über 20° Deformität durch. Whiteside und Mi-
halko (2002) dagegen warnen vor einer zu frühen Überkorrektur der Knochenoberflä-
che, bevor nicht alle Osteophyten entfernt sind und alle betreffenden Ligamente balan-
ciert sind. Es gibt aber auch Stimmen, die eine zusätzliche distale Femurresektion zur
Korrektur einer FC für nicht angebracht halten. Mihalko und Whiteside (2003) halten
ein routinemäßiges zusätzliches Resezieren des Femurs für nicht notwendig, auch wenn
sie dies bei 2 von 103 Patienten ihrer Studie durchführen. McPherson et al (1994) sehen
eine zusätzliche Femurresektion als nachteilig für die Kniekinematik an und empfehlen
selbst bei verbleibender FC nach dem Korrekturversuch durch Weichteil-Release auf
zusätzliche Knochenschnitte zu verzichten, weil eine FC sich auch postoperativ von
selbst verbessern kann. Auch Tanzer und Miller (1989) halten eine postoperative Ver-
besserung der FC ebenfalls für möglich, sodass sie ebenfalls empfehlen, intraoperativ
nicht unbedingt eine komplette Korrektur der FC zu erzwingen und sie deshalb keine
zusätzliche Femurresektion durchführen, zumindest nicht unter 30° FC. Bei Laskin und
Rieger (1989) wird eine zusätzliche Femurresektion bei FC von über 45° Deformität
vollzogen, vorher nicht. Whiteside (2004) korrigiert dagegen fast alle Streckdefizite
durch ein Weichteil-Balancing, sodass er eine zusätzliche Femurresektion zwar für
möglich hält, aber nur sehr selten notwendig ist.
Tab. 57: Zusätzliche distale Femurresektion: pro oder contra
Pro Contra Ranawat et al (1984) Tanzer und Miller (1989) Laskin und Rieger (1989) McPherson et al (1994) Firestone et al (1992) Robbins et al (2001) Delfico und Tria (1996) Mihalko und Whiteside (2003) Kumar und Dorr (1997) Wyss et al (2006) Lu et al (1999) Robbins et al (2001) Whiteside und Mihalko (2002) Clarke und Scuderi (2003) Tria (2004) Bellemans et al (2006a) Berend et al (2006) Claus und Scharf (2007)
Die zusätzliche Femurresektion am distalen Ende wird nach dem Kollateralband-
Release und nach dem Kapsel-Release durchgeführt (Firestone et al 1992, Whiteside
158
und Mihalko 2002, Clarke und Scuderi 2003, Mihalko und Whiteside 2003), nur dass
bei Firestone et al (1992), Delfico und Tria (1996) und Whiteside und Mihalko (2002)
die zusätzliche Femurresektion auch nach dem HKB-Release durchgeführt wird, bei
Mihalko und Whiteside (2003) noch vor dem HKB-Release. Berend et al (2006) führen
die erste zusätzliche Femurresektion vor dem HKB-Release durch, bei mangelndem
Erfolg wird nach dem HKB-Release nochmals eine zusätzliche Femurresektion durch-
geführt.
Tab. 58: Verhältnis von HKB-Release und zusätzlicher Femurresektion
Zusätzliche Femurresektion nach dem HKB-Release Zusätzliche Femurresektion vor dem HKB-Release Firestone et al (1992) Mihalko und Whiteside (2003) Delfico und Tria (1996) Berend et al (2006) Whiteside und Mihalko (2002)
159
4.3.5 Recurvatum-Deformität 4.3.5.1 Allgemein Während über Varus-, Valgus- und Flexionskontrakturen umfassend in der Literatur
publiziert wird, gibt es über die Implantation einer Knie-TEP bei Genu recurvatum nur
sehr wenige Berichte (Meding et al 2003). Bei Krackow (1990) und Krackow und
Weiss (1990) tauchen Recurvatum-Deformitäten von mindestens 5° nur bei 0,25-1% der
Fälle aller implantierten Knie-TEP auf. Meding et al (2001, 2003) fügen hinzu, dass das
Recurvatum eine eher ungewöhnliche Ausgangssituation vor der Implantation einer
Knie-TEP ist. Das Genu recurvatum präsentiert sich als eine Hyperextension im tibio-
femoralen Gelenk (Ilario et al 2004).
Abb.50. Klinische Untersuchung eines Genu recurvatum mit Hyperextension (aus McRae 2004). Beim Genu recurvatum herrscht im Gegensatz zur Flexionskontraktur eine im Vergleich
größere Extensionslücke und eine kleinere Flexionslücke (Whiteside 2004). Genauso
wie die Flexionskontraktur, ist auch das Recurvatum häufig mit einer Deformität der
koronaren Ebene verbunden, was im Fall des Recurvatum besonders häufig mit einer
Valgusdeformität vergesellschaftet ist (Freeman 1980, Whiteside und Mihalko 2002,
Meding et al 2003, Whiteside 2004).
160
Abb.51. Recurvatum-Deformität: Die Extensionslücke ist größer als die Flexionslücke (aus Whiteside 2004). Es existieren 2 Varianten der Recurvatum-Deformität. Die eine Variante ist eine physio-
logische naturgegebene Form des Recurvatum, die generell bilateral und symmetrisch
auftritt und meist eine Deformität unter 15° hat und dabei asymptomatisch bleibt. Die
zweite Form des Recurvatum ist eine pathologisch erworbene Variante, die gewöhnlich
nur unilateral auftritt, dabei aber meist eine Deformität von über 15° aufweist und da-
durch für den Patienten als symptomatisch erscheint (Ilario et al 2004). Ein erworbenes
Recurvatum kann viele verschiedene ursächliche Faktoren haben. Dazu gehören physi-
sche Traumata, eine Osteomyelitis, eine Poliomyelitis oder Weichteiltraumata (Meding
et al 2003, Ilario et al 2004). Eine Hyperextension tritt gehäuft während der intraopera-
tiven Maßnahme bei der Implantation einer Knie-TEP auf, nämlich dann, wenn zur Kor-
rektur einer Flexionskontraktur beim zusätzlichen Schnitt durch Tibia- oder Femurkno-
chen zuviel vom Knochen entfernt wird (Tew und Forster 1987, Scuderi und Tria 2006).
Tew und Forster (1987) sprechen von einer höheren Anzahl von hyperextendierten
Kniegelenken, die als Konsequenz einer OP entstehen, als präoperativ allein durch eine
Arthritis selbst. Auch Krackow und Weiss (1990) bestätigen, dass es keine Seltenheit
ist, dass ein Recurvatum sekundär durch Knochenabnutzung vom distalen Femur oder
der proximalen Tibia entsteht, was zu einer Lockerung der Implantat-Komponenten
führen kann.
Wenn Patienten mit einem Genu recurvatum eine Indikation zur Knie-TEP haben, kann
dieses Recurvatum ursächlich sowohl eine knöcherne als auch eine ligamentäre Kom-
ponente haben (Krackow und Weiss 1990, Ilario et al 2004). Als ligamentäre Ursachen
kommen sowohl schwache oder gedehnte posteriore Weichteil-Strukturen, wie eine
gedehnte posteriore Kapsel, die eigentlich eine Hyperextension verhindern sollte, in
Frage, als auch gedehnte Kollateral- und Kreuzbänder (Krackow und Weiss 1990, Rob-
bins et al 2001, Meding et al 2003). Knöcherne Ursachen können sowohl ein Verlust
161
des Knochenstocks vom distalen Teil des Femurs als auch des proximalen Teils der
Tibia oder beides in Frage kommen (Krackow und Weiss 1990). Auswirkung einer sol-
chen tibiofemoralen Laxizität beim Recurvatum kann die Unfähigkeit sein, das Kniege-
lenk "einzurasten". Zusätzlich kommt es noch zu einer Senkung des patellofemoralen
Hebelarms und einer beeinträchtigten Funktion des M. quadriceps (Ilario et al 2004).
Symptome eines Recurvatum, mit denen Patienten zur geplanten Knie-TEP erscheinen,
können neben einem Schwächegefühl im betroffenen Kniegelenk auch Schmerzen und
ein Gefühl der Instabilität sein (Ilario et al 2004). Wegen einer verbundenen muskulären
Schwäche oder einer eventuell vorhandenen Lähmung gilt das Genu recurvatum als
relative Kontraindikation zur Knie-TEP Implantation, weshalb Insall und Haas (1993)
ebenso wie Giori und Lewallen (2002) und Meding et al (2003) größten Wert auf die
präoperative Untersuchung von Quadrizeps, Gastrocnemius und der Hamstring-
Muskeln legen. Insall und Haas (1993) stellen fest, dass intraoperativ bereits korrigierte
Recurvatum-Kniegelenke nach der OP kein neues Recurvatum mehr entwickeln, es sei
denn es liegt eine fehlende Muskelkontrolle um das Kniegelenk herum vor. Giori und
Lewallen (2002) berichten von Poliomyelitis betroffenen Kniegelenken, die nach einer
Knie-TEP Implantation zu Wiederkehr einer Instabilität und einer fortschreitenden
funktionellen Schädigung aufgrund der muskulären Schwäche tendieren. In Abwesen-
heit von neuromuskulären Schäden tendiert das Recurvatum nach einer Knie-TEP-
Implantation aber meist nicht wiederzukehren und ein Recurvatum allein ist keine Kont-
raindikation für die Implantation einer Knie-TEP (Meding et al 2003). Meding et al
(2001, 2003) sehen deshalb das Vorhandensein eines präoperativen Recurvatum prinzi-
piell nicht als hinderlich für eine gut funktionierende Knie-TEP an und sehr wohl als
Indikation für die Implantation einer Knie-TEP.
162
4.3.5.2 Korrektur-Techniken Nach normaler Durchführung der Knochenresektionen bei Kniegelenken mit Recurva-
tum findet man einen übermäßig großen Extensionsraum und einen im Vergleich dazu
zu kleinen Flexionsraum, was bei Resektion der "normalen" Knochenmenge zu einer
laxen Extensionslücke und einer straffen Flexionslücke führen wird, genau umgekehrt
zur Flexionskontraktur (Whiteside und Mihalko 2002, Whiteside 2004). Ziel der Kor-
rektur des Recurvatum ist es eine Straffung der Extensionslücke, um eine Hyperexten-
sion zu verhindern (Krackow und Weiss 1990).
Meding et al (2001) führen in ihrer klinischen Studie bei 53 Patienten mit präoperati-
vem Recurvatum von >5° die Implantation einer Knieendoprothese durch. Postoperativ
verschwindet jede Art von Hyperextension und kehrt auch nicht wieder zurück. Dabei
schaffen es die Autoren, dieses Recurvatum allein durch die Implantation der Knie-TEP
bei 98% der Patienten zu korrigieren. Dies ohne Unter- oder Überresektion von Kno-
chen, ohne zusätzliches für das Recurvatum spezifisches Weichteil-Balancing und ohne
Verwendung einer stärker geführten Prothese. Man sollte nur ausreichend dafür sorgen,
dass selbst mildeste verbleibende Instabilitäten in koronarer Ebene intraoperativ ver-
mieden oder korrigiert werden, weil solche Instabilitäten zu einer erhöhten Extension
führen können und dies wiederum eine Hyperextension erleichtern könnte (Meding et al
2003). Falls eine vorliegende Recurvatum-Deformität trotzdem zu Handlungsbedarf
Anlass geben sollte, können neben veränderten Resektionsschritten und veränderten
Prothesengrößen auch Release-Schritte an den Weichteilen vorgenommen werden.
4.3.5.2.1 Veränderte Resektionsschritte Zur Korrektur des Ungleichgewichts der Gelenklücken, das beim Recurvatum mit lo-
ckerem Extensionsraum und straffem Flexionsraum vorherrscht, werden Anpassungen
bei der initialen Knochenresektion vorgenommen (Whiteside 2004). Besonders wenn
der Verlust von Knochenstock an Tibia oder Femur der einzige Grund für das Recurva-
tum ist, ist die alleinige Therapie des Recurvatum der Ersatz oder die Rekonstruktion
des mangelhaften Knochens (Krackow und Whiteside 1990).
Krackow und Weiss (1990) berichten über die Korrektur des Recurvatum von einer
kleiner gehaltenen Extensionslücke im Vergleich zur Flexionslücke, die durch zurück-
haltende Resektionsschritte am distalen Femur und der proximalen Tibia besonders in
der gestreckten Kniehaltung erzielt werden soll. Auch Insall (1993), Favorito et al
(2002), Insall und Easley (2002) und Whiteside und Mihalko (2002) sprechen von einer
163
Unterkorrektur der Knochenenden des Kniegelenkes zur operativen Korrektur des Re-
curvatum. Zu den veränderten Resektionsschritten gehören nach Whiteside (2004) bei
vorliegendem Recurvatum ebenfalls eine Unterresektion der distalen Femuroberfläche
und eine Überresektion der hinteren Femuroberfläche, damit der Extensionsraum ge-
strafft wird und der Flexionsraum gelockert. Die Tibiaoberfläche wird zusätzlich in ei-
nem nach posterior geneigten Winkel reseziert, um damit den Flexionsraum zu vergrö-
ßern und den Extensionsraum einzuengen (Whiteside 2004).
Abb.52. Distale femorale Unterresektion (a), posteriore femorale Überresektion (b), Tibianeigung nach posterior (aus Whiteside 2004). Ergebnis der veränderten Schneidelehre beim Recurvatum ist eine Resektionsmenge,
die kleiner ist als die spätere Dicke der verwendeten Femurkomponente (Whiteside
2004). Als Ziel und Ergebnis der Schneidelehre gelten zwei ausgeglichene und gleich-
große Abstände zwischen dem Anheftungspunkt der Kollateralbänder an der Tibia auf
der einen Seite und den Resektionsflächen des distalen und posterioren Femur auf der
anderen Seite (Whiteside 2004). Meding et al (2001) halten bei ihrer klinischen retro-
spektiven Studie von 53 Patienten mit einer Recurvatum-Deformität eine Unterkorrek-
tur der Knochen aber für nicht notwendig.
4.3.5.2.2 Verwendung anderer Prothesenkomponenten Da Krackow und Weiss (1990) eine Korrektur des Recurvatum eher durch Weichteil-
Prozeduren erreichen wollen, wenn sie darin die Ursache sehen, sprechen sie sich bei
der Art der gewählten Prothesenkomponenten für eine möglichst minimale Führung aus.
Insall (1993) dagegen berichtet von paralytischen Typen des Recurvatum, die eine Ten-
denz zur Wiederkehr des Recurvatum besitzen, und aus diesem Grund die Verwendung
einer Prothese mit höherem Führungsgrad zu empfehlen ist. Auch Giori und Lewallen
164
(2002) sprechen von der Verwendung einer Prothese mit größerer Führung, sogar von
einer Scharnierprothese. Sie sprechen auch von der Arthrodese des mit Recurvatum
betroffenen Kniegelenkes, wenn dieses Kniegelenk zugleich von einer schwerwiegen-
den Quadrizeps-Schwäche begleitet wird. Whiteside und Mihalko (2002) berichten e-
benso zwar von der Möglichkeit der Verwendung einer höher geführten Prothese oder
sogar eines Scharniers, wenn ein Weichteil-Balancing zur Korrektur des Recurvatum
sehr schwierig ist, aber raten deshalb davon ab, weil solche Prothesen mit höherer Füh-
rung zu Prothesenlockerung und mechanischem Versagen neigen und ihre klinische
Studie auch ohne Prothese mit höherer Führung erfolgreich ein Recurvatum korrigieren.
Sollte eine Instabilität der prothetischen Komponenten der Grund für das Auftreten des
Recurvatums sein, fassen Krackow und Weiss (1990) als Therapievorschlag eine Ver-
wendung von prothetischen Komponenten ins Auge, die eine exakte Größe besitzen.
Laskin (1991), Insall (1993) und Insall und Easley (2002) sprechen bei der Verwendung
passender Prothesenkomponenten zur Korrektur eines Recurvatum von der Verwen-
dung von relativ dickeren femoralen oder tibialen Komponenten, um damit die Weich-
teilstrukturen zu spannen. Whiteside und Mihalko (2002) bevorzugen bei vorliegendem
Recurvatum kleinere Femurkomponenten, um damit die Flexionslücke aufzuweiten. Ein
solches "down-sizing" der Femurkomponenten ermöglicht dann eine Unterresektion der
Tibia, was wiederum die Stabilität in Extension verbessert, ohne dass die Flexionslücke
überfüllt ist. Auch Favorito et al (2002) empfehlen zur Korrektur eines initialen Recur-
vatum die Verwendung einer kleineren Femurkomponente, um dadurch eine größere
Flexionslücke zu erreichen.
Zur Anpassung an die beim Recurvatum vorkommenden Gegebenheiten mit zu kleiner
Extensionslücke und größerer Flexionslücke, wird eine geringgradig kleinere Femur-
komponente gewählt, die durch die Unterresektion des Femurs, auf dem Femur distaler
als gewöhnlich platziert wird, um dadurch den Flexionsraum zu vergrößern (Whiteside
2004). Da am hinteren Femur eine Überresektion durchgeführt wird, kann ein hinten
dickerer Polyethyleneinsatz verwendet werden (Whiteside 2004).
Krackow und Weiss (1990) und Robbins et al (2001) sprechen davon, dass bei der ge-
wählten Geometrie der Femurkomponente als Teil einer Korrektur des Recurvatum der
Radius der Krümmung auf der anterioren Seite der Femurkomponente stufenweise grö-
ßer sein soll, verglichen mit dem der posterioren Seite der Femurkomponente.
165
Die Wahl einer dickeren Tibiakomponente führt in Flexion zu einer korrekten Liga-
ment-Spannung und einer korrekten Ausfüllung des Flexionsraumes, der durch die
Wahl einer kleineren Femurkomponente entstanden ist (Whiteside 2004).
Abb.53. Recurvatum-Deformität: Dickere Tibiakomponente zur korrekteren Liga-mentspannung (aus Whiteside 2004). 4.3.5.2.3 Balancing der Weichteilstrukturen Sollte das Recurvatum ein Resultat von mangelhafter Spannung der Kollateralbänder
und der Gelenkskapsel sein, sehen Krackow und Weiss (1990) weniger die Indikation
für prothetische Komponenten mit höherer Führung, um damit die Hyperextension zu
verhindern, sondern denken dabei eher an ein Weichteil-Balancing zur Korrektur des
Recurvatum.
Die Funktion der Kollateralbänder in einem Kniegelenk mit Recurvatum-Deformität gilt
als uneingeschränkt und optimal (Whiteside 2004). Der distale Abstand zwischen den
Anheftungspunkten der Ligamente am Femur und der distalen Gelenksfläche des Femur
imponiert als zu kurz und zu klein, sodass im Rahmen einer Kniestreckung eine Straf-
fung der Kollateralbänder und der posterioren Kapsel erst dann eintritt, wenn es zur
Hyperextension kommt (Whiteside 2004). Generell ist zu vermerken, dass eine Hyper-
extension dann verhindert wird, wenn die Kollateralbänder eine adäquate Spannung
besitzen, auch wenn der posteriore Teil der Kapsel gedehnt bleibt (Krackow und Weiss
1990). Bevor eine Korrektur des Recurvatum über ein Weichteil-Balancing durchge-
führt werden kann, wird eine begleitende Varus- oder Valgusdeformität durch Re-
leaseschritte an den medialen und lateralen Weichteilstrukturen korrigiert (Krackow und
Weiss 1990, Insall und Haas 1993, Meding et al 2001), wie dies auch in ähnlicher Wei-
se vor einer Flexionskontraktur geschieht. Wenn es beim initialen Balancing einer Va-
rus- oder Valgusdeformität nicht zu einer adäquaten Spannung der Kollateralbänder
166
kommt und das Recurvatum weiterhin persistiert, wird eine operative Reposition der
Kollateralbänder auf medialer oder lateraler Seite unternommen, um damit das Recurva-
tum zu korrigieren (Krackow und Weiss 1990). Dabei unterliegen die Kollateralbänder
einem Transfer ihrer femoralen Ansätze nach proximal und posterior (Krackow 1990,
Krackow und Weiss 1990). Erst nachdem die Kollateralbänder korrekt positioniert sind,
können sie sich in voller Extension angemessen straffen und so für eine adäquate Stabi-
lität sorgen und eine Hyperextension verhindern (Krackow 1990, Krackow und Weiss
1990). Die zur Therapie des Recurvatum vollzogene Versetzung der Kollateralbänder
sollte reiflich überlegt sein und eine dadurch mögliche Insuffizienz der versetzten Kol-
lateralbänder sollte abgeschätzt werden bzw. sollten die versetzten Kollateralbänder in
der postoperativen Periode vor übermäßiger Belastung immer geschützt werden (Kra-
ckow und Weiss 1990). In der retrospektiven klinischen Studie von Meding et al (2001)
mit 53 Patienten mit Recurvatum-Deformität war ein solcher Transfer der Kollateral-
bänder nicht notwendig.
Auch um den Erhalt des HKB ist sich die Literatur nicht einig, denn während Healy et
al (1998) eher von der Opferung des HKB ausgeht und eine substituierte Prothese beim
Recurvatum bevorzugt, wird bei Meding et al (2001) das HKB erhalten.
167
4.3.5.3 Korrektur-Sequenzen Bei der Recurvatum-Deformität kann man im Vergleich zu den anderen Deformitäten
weniger von einer Weichteil-Sequenz sprechen, weil nur in bestimmten Fällen und von
wenigen Autoren ein Weichteil-Balancing zur Korrektur des Recurvatum durchgeführt
wird. In der Regel werden Veränderungen in den Resektionsschritten und der Auswahl
der Prothesenkomponenten zur Recurvatum-Korrektur durchgeführt. Da es sich bei der
Korrektur des Recurvatum nicht um aufwendige Release-Schritte an den Weichteilen
handelt, sondern höchstens ein Balancing der Kollateralbänder oder der hinteren Kapsel
und da auch die Komponentenauswahl der Prothesen und die Resektionshöhe der Kno-
chen im Mittelpunkt stehen, werden die in der Literatur vorgeschlagenen Korrektur-
Maßnahmen des Recurvatum einzeln vorgestellt.
4.3.5.3.1 Erst Resektion, dann Implantat-Wahl Verschiedene Autoren führen zur Korrektur des Recurvatum veränderte Resektions-
schritte durch, bevor sie danach zur Auswahl von adäquat angepassten Prothesenkom-
ponenten übergehen.
Tab. 59: Zuerst Resektion, dann Implantat-Wahl
1. Schritt eine veränderte Knochenresektion, 2. Schritt die Auswahl von passenden Prothesenkomponenten
Krackow und Weiss (1990) Insall (1993) Favorito et al (2002) Whiteside und Mihalko (2002) Whiteside (2004)
Insall (1993) und Whiteside und Mihalko (2002) berichten von der Korrektur des Re-
curvatum durch eine anfängliche Unterresektion des distalen Femur und eine Unterre-
sektion der proximalen Tibia, um die Extensionslücke dadurch einzuschränken und zu
verbessern. Danach wird eine kleinere Femurkomponente verwendet, um dadurch die
Flexionslücke aufzuweiten.
Beim Recurvatum mit alleiniger Laxizität in Extension werden zuerst Veränderungen
der Resektionsschritte vorgenommen, was eine Unterresektion des distalen Femur, eine
Überresektion der posterioren Femuroberfläche und eine nach hinten geneigte Tibiao-
berfläche beinhaltet (Whiteside 2004). Danach werden die Größen der Prothesenkom-
ponenten neu angepasst mit einer geringgradig kleineren Femurkomponente, die somit
distaler als gewöhnlich sitzt und so der Flexionsraum größer erscheint und mit einer
dickeren Tibiakomponente, die in Flexion den durch die verkleinerte Femurkomponente
168
entstandenen Raum ausfüllt (Whiteside 2004). Auch Favorito et al (2002) berichten von
der Therapie des Recurvatum durch einen Femurschnitt, der weiter distaler angesetzt
werden soll, was einer Unterkorrektur des Femurs entspricht. Danach können zur Erhal-
tung einer größeren Flexionslücke kleinere Prothesenkomponenten verwendet werden.
Tab. 60: Möglichkeiten der Kombinationen von Resektionen und Implantatwahl
Resektion am Femurknochen
Resektion am Tibiaknochen
Auswahl der Femurkomponente
Auswahl der Tibiakomponente
Insall (1993) Unterresektion Unterresektion Dickere Komponente Dickere Kompo-nente
Whiteside und Mihalko (2002)
Unterresektion Unterresektion Kleinere Komponen-te
---
Favorito et al (2002)
Unterresektion --- Kleinere Komponen-te
Kleinere Kompo-nente
Whiteside (2004) Unterresektion Überresektion + posteriore Neigung
Kleinere Komponen-te
Dickere Kompo-nente
Wenn die Ursache für das Recurvatum alleinig Verlust von Knochenmasse oder Instabi-
lität von prothetischen Komponenten ist, sollte zuerst der mangelhafte Knochen rekon-
struiert werden und danach adäquate prothetische Komponenten eingesetzt werden
(Krackow und Weiss 1990).
4.3.5.3.2 Erst Resektion, danach Weichteil-Release, zuletzt Implantatwahl Bei vorliegendem Recurvatum mit mangelhaften Weichteilen als Ursache der Deformi-
tät sollten die Resektionsschritte in Extension, das heißt das distale Femur und die pro-
ximale Tibia zurückhaltend durchgeführt werden, besonders im Vergleich zur Resektion
der hinteren Femurkondylen, die nur die Flexionslücke beeinflussen können. Wenn das
Recurvatum von einer Deformität der koronaren Ebene, wie Varus oder Valgus, beglei-
tet wird, sollte als erstes diese Deformität auf ihrer konkaven Seite korrigiert werden,
bevor man die Korrektur des Recurvatum angeht. Danach wird ein Balancing der Kolla-
teralbänder durchgeführt, indem ihre femoralen Ursprünge nach proximal und posterior
transferiert werden. Nach dem Weichteil-Balancing sollte eine adäquate Femurkompo-
nente verwendet werden, die eine Geometrie aufweist, bei der die Vorderseite der Fe-
murkomponente eine größere Krümmung aufweist als die Hinterseite der Komponente
(Krackow und Weiss 1990).
Tab. 61: Erst Resektion, danach Weichteil-Balancing, zuletzt Implantatwahl
Krackow und Weiss (1990) 1. Unterresektion an Tibia- und Femurknochen 2. Weichteil-Balancing durch Kollateralband-Transfer 3. Wahl einer Femurkomponente mit adäquater Geo- metrie
169
4.3.5.3.3 Zum Schluß Implantat mit höherem Führungsgrad Einige Autoren sehen nur die Möglichkeit, ein Recurvatum mit einer Knie-TEP mit
möglichst hohem Führungsgrad adäquat zu korrigieren.
Tab. 62: Verwendung von höhergeführten Prothesen
Prothese mit höherem Führungsgrad als letzte Möglichkeit zur Korrektur eines Recurvatum
Krackow und Weiss (1990) Insall (1993) Healy et al (1998) Giori und Lewallen (2002) Whiteside und Mihalko (2002)
Krackow und Weiss (1990) bringen auch den Gedanken ins Spiel, eine prothetische
Komponente mit höherem Führungsgrad zu verwenden, um so eine Hyperextension zu
verhindern. Die Flucht in eine höher geführte Prothese als letzten Ausweg zur Korrektur
des Recurvatum war aber in ihrer Studie nicht notwendig. Auch Healy et al (1998) emp-
fehlen bei vorliegendem Recurvatum die Verwendung einer Prothese mit höherer Füh-
rung, weil sie das HKB opfern und es substituieren würden. Insall (1993) und Giori und
Lewallen (2002) empfehlen ebenfalls die Verwendung von höher geführten Prothesen,
aber nur bei vorliegendem Recurvatum mit paralytischem Nebenbefund, wie z.B. einer
Quadrizepsschwäche. Auch Whiteside und Mihalko (2002) erwähnen die Möglichkeit
der Verwendung einer höher geführten Prothese zur Korrektur des Recurvatum, wenn
andere Vorgehensalternativen sich als nicht durchführbar oder zu schwierig herausstel-
len. Sie entscheiden sich aber wegen der Neigung des Prothesenversagens gegen diese
Variante.
170
5 Diskussion Die Therapie der Wahl bei fortgeschrittener Arthrose des Kniegelenkes stellt heutzutage
die Knietotalendoprothese dar. Die Implantation einer Knie-TEP hat sich mittlerweile in
der orthopädischen Chirurgie etabliert und entwickelt sich mit steigender Tendenz zu
der häufigsten orthopädischen Operationen überhaupt. Die richtige Wahl der Zugangs-
wege durch die Haut und in das Gelenk (Arthrotomie) ist – ebenso wie das Weichteil-
Balancing - ein entscheidender Schritt, welcher vom Operateur in der operativen Strate-
gie berücksichtigt werden muss. In der Literatur herrscht bei diesen beiden wichtigen
Punkten der Knie-TEP-Operationstechnik bis heute Uneinigkeit.
Obwohl von allen Seiten die Bedeutung des Weichteil-Balancings bei der Implantation
einer Knie-TEP unterstrichen wird, gehen die wenigsten Autoren und Operteure ins
Detail und versuchen evidence-based einen „goldenen Weg“ für das Weichteil-Balncing
und deren Release-Schritte zu finden. Diese Arbeit versucht daher die unterschiedlichen
Strategien zu den chirurgischen Zugangswegen und zum Weichteil-Balancing darzustel-
len und Lösungsstrategien für die unterschiedlichen Kniedeformitäten herzuleiten um
daraus Algorytmen zur Korrektur zu erarbeiten.
5.1 Zugangswege zum Kniegelenk Ein wichtiger Eckpfeiler bei der operativen Korrektur einer Knie-Deformität durch ein
Weichteil-Balancing ist das Wissen, dass der chirurgische Zugang einen erheblichen
Einfluß auf die umliegenden Weichteile und deshalb auf das Balancing hat. Eine Ver-
schiebung der Beinachse in Richtung Valgus kann zwar bei allen drei medialen Zugän-
gen beobachtet werden, aber beim Standardzugang ist diese am stärksten (Claus und
Scharf 2007). Insgesamt kann momentan aber in der Literatur noch nicht nachgewiesen
werden, dass der anatomische Zugangsweg definitiv die intraoperative Bandspannung
beeinflusst (Lüring et al 2006). Der Operateur sollte sich bei der Auswahl des Zu-
gangsweges zum Kniegelenk bewusst sein, dass bereits bei dieser Auswahl mit eventu-
ell falscher Beurteilung von Indikation und Kontraindikation eines chirurgischen Zu-
gangsweges eine potentielle Fehlerquelle vorhanden ist.
Diese Arbeit zeigt auf, dass sowohl mediale als auch laterale Arthrotomien durch ein
und denselben längsorientierten Hautschnitt in der Mittellinie des Kniegelenkes
eröffnet werden können. Daneben gibt es auch Variationen von Hautinzisionen, medial
oder lateral parapatellar, welche heutzutage kaum noch verwendet werden (Ausnahme:
171
z.B. vorhandene Narben), weil Operateure sich bei der Zugangswahl nicht schon zu
Beginn der Operation in der Exposition des Kniegelenkes einschränken lassen wollen.
Bei der Arthrotomie bzw. Kapselinzision wird der medial parapatellare Zugang mit
großem Abstand am häufigsten verwendet (Pape und Kohn 2007). Im Laufe der letzten
10-15 Jahren haben sich mit dem Subvastus- und dem Midvastus-Zugang zwei weite-
re mediale Arthrotomie-Techniken entwickelt, die von einigen Operateuren wegen ihrer
Vorteile, insbesondere der Schonung des Streckapparates und der patellaren Blutzufuhr
bevorzugt werden. Diese Arbeit konzentriert sich die Vor- und Nachteile der einzelnen
Zugänge und weisst auf besondere Indikationen und Kontraindikationen eines jeden
Zuganges hin.
Gerade der weitverbreitete mediale parapatellare Zugang gilt bei einigen Operateuren
wegen der Verletzung des Streckapparates als nachteilig. Lüring et al (2006) berichten
von einigen Studien, welche die Vorteile von Sub- und Midvastuszugang gegenüber
dem Standardzugang besonders in der frühen postoperativen Phase herausgestellt und
konsekutiv zur weiteren Verbreitung dieser Zugänge geführt haben. Tab. 63 zeigt die
Vorteile der beiden neueren medialen Zugänge auf. Diese Vorteile wurden in der vor-
liegenden Arbeit aus einer großen Zahl von Veröffentlichungen gewonnen. Tab. 63: Vorteile des Sub- und Midvastus gegenüber dem Standardzugang: ( „+“: verbessert, „-“: geringer)
Vorteile des Subvastus Vorteile des Midvastus
Quadrizepsverletzung - - Rückkehr zur normalen Quadrizepskontrolle + +
postoperative Quadri-zepskraft + +
Gleiten der Patella + + Inzidenz der lateralen Reti-nakulum-Release - -
Schonung der patellaren Blutversorgung + +
Blutverlust - - Aufenthaltsdauer in der Klinik - -
postoperativer Schmerz - - Schnellere Rehabilitation + + Sicht auf Operationssitus + + Einfachere Technik + + Inzision an der Anatomie orientiert + -
Weniger Wundkomplikatio-nen + -
Bessere Patientenakzeptanz - +
172
Die Vorteile von Sub- und Midvastus gegenüber dem medial parapatellaren Zugang
sind sehr ähnlich und können von der veränderten Schnittführung mit Vermeidung einer
Traumatisierung des M. vastus medialis und der medialen patellaren Blutversorgung
abgeleitet werden. Leider sind die wichtigsten Vorteile, die diesen beiden Arthrotomien
gegenüber dem medialen parapatellaren Zugang zugesprochen werden, nur in der frü-
hen postoperativen Phase 6 Wochen bis 3 Monate nach der OP nachweisbar. Nach einer
längeren postoperativen Periode können diese beiden Zugänge im Vergleich zum medi-
alen parapatellaren Zugang keine relevanten Vorteile mehr aufweisen.
Diese Arbeit zeigt, dass einige Operateure diese relativ kurz währenden Vorteile von
Sub- und Midvastus nicht auf Kosten der erschwerten Operationstechnik im Vergleich
zum medial parapatellaren Zugang akzeptieren möchten. Insbesondere die verringerte
Exposition des Kniegelenkes und auch eine verlängerte Operationsdauer aufgrund er-
schwerter Opertionstechnik sind nachteilige Auswirkungen, welche als gravierdende
Unterschiede zum medial parapatellaren Zugang genannt werden. Es wird auch gezeigt,
dass im Vergleich zu dem medialen parapatellaren Zugang, bei dem so gut wie keine
schwerwiegenden Kontraindikationen vorliegen und der nahezu immer einsetzbar ist,
die beiden anderen medialen Zugänge zum Kniegelenk aufgrund ihrer gesicherten
Nachteile eine Reihe von Kontraindikationen bieten. Tab. 64 zeigt die häufigsten Kont-
raindikationen von Subvastus und Midvastus.
Tab. 64: Kontraindikationen des Sub- und Midvastuszuganges
Subvastus Midvastus Fettleibigkeit und Übergewicht Fettleibigkeit und Übergewicht Revisionsoperationen Revisionsoperationen Hypertrophische Arthropathien Hypertrophische Arthropathien Vorherige hohe Tibiaosteotomien Vorherige hohe Tibiaosteotomien Schwere Deformitäten Schwere Deformitäten Starre und steife Kniegelenke Starre und steife Kniegelenke Fixierter Valgus Fixierter Valgus Kurze muskulöse Beine Kurze muskulöse Beine Jede vorherige Arthrotomie Ischämiegefährdete Haut Patella infera und Patella baja
Diese Aufzählung von Kontraindikationen erklärt den bis heute erfolgreichen Einsatz
des medialen parapatellaren Zugangs, welcher bei all diesen Kontraindikationen zum
Einsatz kommen kann. Als Unterschied zwischen Subvastus und Midvastus wird in die-
ser Arbeit die einfachere Technik des Midvastus, die durch die leichte Durchtrennung
des Vastus medialis resultierende leichtere Patella-Eversion und die im Vergleich zum
173
Subvastus bessere Einsicht aufs Gelenk angeführt. Einzig und allein die komplette
Schonung des Streckapparates spricht in diesem Zusammenhang für den Subvastus.
Diese Arbeit beinhaltet auch die Vorteile und Nachteile des lateralen parapatellaren
Zuganges und zeigt, dass dieser Zugang für manche Operateure eine Alternative zum
Standardzugang bei Valgusdeformität sein kann. Pape und Kohn (2007) sehen ebenso
wie andere Autoren die potentiellen Nachteile des medialen parapatellaren Zuganges
beim Valgusknie bei weitem als nicht so schwerwiegend an, als dass ihnen im Ver-
gleich zu den Nachteilen des lateralen Zuganges mehr Bedeutung beigemessen werden
müsste.
Die minimal-invasive Technik mit kleinerem Hautschnitt und kleinerer Arthrotomie
führt vor allem in der frühen postoperativen Phase zu verbesserter Mobilisation und
früherer Rehabilitation. Diese Vorteile sind nur zeitlich begrenzt und können 6 Wochen
nach der OP nicht mehr nachgewiesen werden (Hart et al 2006). Da die minimal-
invasive Technik auf eine geeignete Patientenauswahl angewiesen ist und im Vergleich
zum normalen medialen parapatellaren Zugang nicht bei allen Deformitäten zum Ein-
satz kommen kann, hat sie es bis zum heutigen Tage noch nicht geschafft, die Standar-
darthrotomien zu verdrängen (Tenholder et al 2005). Da die meisten minimal-invasiven
Zugänge aus den vier in dieser Arbeit genannten Zugängen mit traditioneller Länge ent-
standen sind, ist es auch möglich je nach intraoperativem Bedarf, diese Mini-Inzisionen
auf die normale Größe zu auszudehnen. Dadurch gehen folglich die Vorteile, die solche
Mini-Inzisionen bieten, verloren. Für den Operateur steigen damit aber die operativen
Handlungsmöglichkeiten (Cook et al 2006). Auch wenn es bei der Frage nach dem op-
timalen Zugangsweg bereits einige vergleichende klinische Studien gibt, und diese Ar-
beit die Vor- und Nachteile sowie Indikationen und Kontraindikationen jedes einzelnen
Zuganges darlegt, sind dieses Thema und die Diskussion über den optimalen chirurgi-
schen Zugangsweg bei der TEP-Implantation am Kniegelenk noch lange nicht beendet
und bedürfen entsprechend valider Studien.
5.2 Weichteil-Balancing Claus und Scharf (2007) heben hervor, dass eine Balacierung des Kapsel-Band-
apparates bei der Knie-TEP-Implantation in unterschiedlichen Techniken durchgeführt
werden kann. Viele Operateure haben ihre eigenen Release-Sequenzen bei der Knie-
TEP-Implantation verwendet und konnten in Nachuntersuchungen feststellen, dass diese
174
Maßnahmen gute bis sehr gute postoperative klinische Ergebnisse aufweisen konnten.
Auch Claus und Scharf (2007) betonen, dass zu diesem Thema nur deskriptive anatomi-
sche und klinische Studien vorherrschen und dass prospektive randomisierte klinische
Studien und Metaanalysen völlig fehlen. Klinische Studien, welche zwei unterschiedli-
che Balancierungs-Strategien vergleichen, können in der Literatur jedoch ebenfalls nicht
gefunden werden. Ebenso sind Techniken auf der Basis von "evidence based medicine"
in der Literatur nicht zu finden.
Vor allem Kadaverstudien haben bisher dazu beigetragen, die Auswirkungen der Re-
lease-Schritte der einzelnen Weichteilstrukturen zu quantifizieren und zu bewerten. Eine
Übertragung in die klinische Situation kann hier aber nur vage und mit Vorsicht erfol-
gen (Clarke et al 2005).
Diese Arbeit zeigt, dass man durch Kadaverstudien und den dabei durchgeführten Li-
gament-Release-Schritten sehr gute Aufschlüsse über die z.T. komplexen Effekte eines
einzelnen Releaseschrittes herausfinden kann, aber auch in welchem Maße eine be-
stimmte Struktur in Flexion oder Extension bei einem Release seine Wirkung verliert.
Das Wissen über die Wirkung eines Release einer bestimmten Struktur in Bezug auf
den Flexionsgrad hat entscheidende Auswirkungen auf die Balacierung des Flexions-
und Extensionsspaltes.
Es werden viele unterschiedliche Techniken zu jeder Deformität in der Literatur be-
schrieben. Mit dem Ziel dieser Arbeit, die bisherigen in der Literatur beschriebenen
Strategien zum Weichteil-Balancing darzustellen und zu diskutieren, kann gezeigt wer-
den, dass sich die Autoren in vielen Bereichen einig sind, es aber auch Themen gibt, die
sehr unterschiedlich bewertet werden.
Bereits die Frage, ob das Weichteil-Balancing vor oder nach den Knochenschnitten
durchgeführt werden soll, wird in der Literatur unterschiedlich gehandhabt.
Diese Arbeit zeigt, aus welchen Gründen einige Autoren das Weichteil-Balancing schon
vor den Knochenschnitten beginnen, aber auch, dass ein Balancing nach den Knochen-
schnitten zur Korrektur einer Deformität nahezu als unerlässlich ist.
Die Wiederherstellung eines suffizienten Kapsel-Band-Appartes gehört zu den wichtigs-
ten Zielen bei der Implantation einer Knie-TEP (Briard et al 2007, Graichen 2007).
Nach Putz et al (2007) herrschen bis zum heutigen Tage auch bei Fachleuten noch Un-
klarheiten über die Funktion und Biomechanik des Kniegelenkes und des Weichteil-
Apparates.
175
Insbesondere sind die genauen Längenmaße der verschiedenen Bänder, die Bandspan-
nung und auch deren Insertionsareale bei jedem Patienten unterschiedlich ausgeprägt,
was das Arbeiten mit diesen Weichteilen unvorhersehbar und problematisch macht.
Prinzipiell raten Heller et al (2007) Operationen wie die Knie-TEP möglichst weichteil-
schonend zu vollziehen, um physiologische Belastungsverhältnisse auf die Weichteile
zu erwirken.
Es muss aber auch beachtet werden, dass die Weichteilstrukturen der betroffenen Knie-
gelenke durch den z.T. langen Krankheitsprozess der Entzündung oder der Arthrose
verändert sind.
Die Weichteil-Balacierung eines Kniegelenkes mit gerader Achse ist relativ leicht
durchführbar, deformierte Kniegelenke sind dagegen ungleich schwieriger zu korrige-
rien (Graichen 2007).
Wichtiges Ziel der Weichteil-Balancierung ist in jedem Fall das Erreichen eines recht-
eckigen und gleich großen Streck- und Beugespalts (Claus und Scharf 2007).
Nach einhelliger Meinung wird das Weichteil-Balalcing heutzutage möglichst dosiert
und in Einzelschritten durchgeführt. Zwischen den Einzelschritten kann jeweils durch
klinische Untersuchung die erzielte Korrektur der Deformität kontrolliert werden (Feh-
ring 2006, Graichen 2007). Besonders bei kombinierten Deformitäten, wie Varus mit
FC, sollten die Release-Vorgänge zur Vermeidung von Instabilitäten behutsam und
schrittweise durchgeführt werden (Claus und Scharf 2007).
Für diese Abschätzung einer erreichten Korrektur zwischen den einzelnen Ligament-
Release-Schritten kann der Operateur zum einen auf verschiedene, heutzutage existie-
rende Hilfsmittel zurückgreifen, wie Probekomponennten, Spacer oder elekronische
Navigation, zum anderen ist dies aber auch sehr von der operativen Erfahrung des Ope-
rateurs abhängig (Briard et al 2007, Graichen 2007).
Das Weichteil-Balancing darf in keinem Fall isoliert betrachtet werden, sondern muss
im Zusammenhang mit der zugrunde liegenden Deformität und dem vorliegenden Funk-
tionsdefizit gesehen werden.
Ob das HKB breits zu Beginn gelöst werden soll oder nicht, wird in dieser Arbeit nicht
ausführlich eingegangen. Da es sowohl für HKB-erhaltende als auch für HKB-
substituierende Prothesen Maßnahmen des Weichteil-Balancings gibt und beide mit
guten bis sehr guten Ergebnissen aufwarten können, kommt es im Zusammenhang mit
176
diesem Aspekt in aller Regel auf die Philosophie und die Erfahrungen des Operateurs an
(Bellemans et al 2006a).
Heutzutage wird im klinischen Alltag in Deutschland aber in großer Mehrheit die HKB-
erhaltende Variante der Knie-TEP verwendet.
Nach Clarke et al (2005) gibt es trotz vieler veröffentlichter Release-Sequenzen zu jeder
Deformität noch immer keinen endgültigen Konsens oder einen "goldenen Weg", wel-
ches die optimale Methode ist.
Da noch nicht zu jeder Anordnung und Reihenfolge einer Release-Sequenz ausreichend
aussagekräftige Studien existieren, werden neben den vielen verschiedenen Release-
Techniken vor allem die verschiedenen Prinzipien vorgestellt, die von unterschiedlichen
Autoren publiziert wurden.
5.3 Varus-Deformität 5.3.1 Release-Techniken Diese Arbeit geht bei der Korrektur der Varusdeformität in besonderem Maße auf die
unterschiedlichen Weichteil-Release-Techniken ein. In der Literatur werden zahlreiche
Techniken vorgestellt. Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass trotz ver-
schiedener Release-Sequenzen –Techniken sehr viele Übereinstimmungen in der Litera-
tur existieren. Diejenigen medialen Strukturen, die zur Varuskorrektur gelöst werden
müssen, sind in Tab. 65 zusammengestellt.
Tab. 65: Mediale Weichteile zur Varuskorrektur
Mediale Weichteile, die zur Korrektur eines Varus gelöst werden können Gesamtes mediales Seitenband Tiefer hinterer Teil des medialen Seitenbandes Oberflächlicher vorderer Teil des medialen Seitenbandes Kapsel Semimembranosus Pes anserinus Hinteres Kreuzband
Neben den medialen Weichteilen, die bei der Varus-Deformität gelöst bzw. verlängert
werden können, werden in der Literatur auch Techniken beschrieben, die eine Straffung
("Advancement") von lateral gedehnten Weichteilen anstreben. Letztere Techniken wer-
den – wenn überhaupt - aber nur dann einesetzt, wenn die medialen Release-Schritte
nicht den gewünschten Erfolg erbracht haben.
177
Mehrere Autoren beschreiben auf der medialen Seite des Kniegelenkes auch die beson-
dere Situation, dass die Weichteile nicht immer sehr deutlich voneinander getrennt wer-
den können, sondern als sog. "mediale Kapsel-Band-Manschette" zusammen gelöst
werden.
Wenn man sich die unterschiedlichen Zeitpunkte ansieht, an denen die verschiedenen
Operateure die einzelnen Strukturen lösen, kann man zusammenfassend sagen, dass
nahezu jede mediale Struktur bei der Varuskorrektur zu einem jeweils unterschiedlichen
Zeitpunkt gelöst werden kann. Hier herrscht in der Literatur keinerlei Konsens, was an
den sehr unterschiedlich zusammengesetzten Release-Sequenzen zu erkennen ist (s.u.).
Diese Arbeit zeigt auch, dass die Technik der medialen Release-Schritte auf unter-
schiedliche Art und Weise durchgeführt wird. Als gemeinsamen Konsens kann man
herausstellen, dass das Release der medialen Strukturen vornehmlich an der Tibia
durchgeführt wird. Alleine das HKB, wenn es gelöst werden sollte, wird gehäuft auch
von seinem femoralen Ursprung gelöst.
Auch die Art und Weise eines Release wird von vielen Operateuren gleichermaßen
vollzogen. Einige Operateure lösen die medialen Weichteile subperiostal vom distalen
Ansatz, andere durch transversale Dissektion auf Gelenkhöhe oder durch Verlängerung
der medialen Weichteile durch die Inside-out-Methode, bei der Stich-Inzisionen ange-
bracht werden. Verwendete Instrumente, welche die medialen Weichteile lösen sollen,
sind unter anderem das Osteotom, das Skalpell oder der Elevator.
Welche Auswirkungen jedes einzelne Release bewirken kann, wird in dieser Arbeit
ebenfalls untersucht. Verschiedene Kadaver- und klinische Studien (Krackow und Mi-
halko 1999a, Matsueda et al 1999, Whiteside et al 2000, Mihalko et al 2003, Yagishita
et al 2003, Lüring et al 2005) liefern hierbei wichtige übereinstimmende Informationen.
Das gesamte Innenband kann dabei als für das Kniegelenk sowohl in Flexion als
auch in Extension wirksam gezeigt werden.
Die tiefen hinteren Fasern des Innenbandes haben ihre hauptsächliche Wirkung
in Extensionsstellung,
während die oberflächlichen vorderen Fasern hauptsächlich auf die Flexionslü-
cke wirken.
178
Da sich der hintere Teil der Kapsel vor allem in Streckstellung strafft, hat ein
Release dieser Struktur hauptsächliche Wirkung auf die Extensionslücke.
Der Semimembranosus wirkt in höherem Maße auf die Flexionslücke als auf die
Extensionslücke. Ein Release des Semimembranosus kann auch zu einer entschei-
dener außenrotatorischen Wirkung der Tibia im Kniegelenk führen, wenn das
Knie in Beugestellung steht.
Auch ein Release des Pes anserinus zeigt in den Kadaverstudien eine außenrota-
torische Auswirkung auf das Kniegelenk, wobei die seitenstabilisierende Wirkung
in Extension ebenfalls erwähnt werden sollte.
Das Release des HKB zeigt laut den vorliegenden Kadaverstudien die größten
Veränderungen der medialen Gelenklücke bei der Varuskorrektur. Dabei ist die
Wirkung auf den Flexionsspalt aber deutlich größer als auf den Extensionsspalt.
Die Aufzählung der klinischen Studien, in denen ein solches Release erfolgreich
durchgeführt wurde, soll in dieser Arbeit unterstreichen, wie häufig und gebräulich ein
Release der jeweiligen Struktur ist.
5.3.2 Release-Sequenzen Ein besonders diskussionswürdiges Thema ist der Zeitpunkt des Release einzelner
Weichteilstrukturen. Dazu gehört auch die Frage in welcher Sequenz, d.h. in welcher
Reihenfolge die einzelnen Strukturen gelöst werden sollen. Solange noch keine pro-
spektiv randomisierten Studien oder klinische Vergleichsstudien zweier verschiedener
Sequenzen existieren, kann diese Frage nicht abschließend beantwortet werden. Neben
den vielen möglichen Release-Sequenzen, die in der Literatur zur Varuskorrektur be-
schrieben werden, gibt es einige Autoren, die bestimmte Grundprinzipien vorschlagen,
die sich folglich auch auf die Reihenfolge und die Anordnung der Sequenz auswirken.
Es gibt Autoren, die sich bei der Varuskorrektur vor allem auf die hinteren Weichteile
und deren Release stützen. Briard et al (2007) warnen vor einem übermäßigen anfängli-
chen Release medialer Strukturen wie dem Innenband. Nach ihnen kann ein Varus erst
dann korrigiert werden, wenn die posterioren medialen Strukturen gelöst sind. Da dies
nur in Flexion auffällt, wo die mediale Kapsel entspannt ist, nicht aber in Extension,
kann eine mediale Instabilität als sog. "Mid-Flexion-Instabilität" auftreten. Aus diesem
179
Grund empfehlen diese Autoren zuerst mit dem Release posterior gelegener Strukturen
zu beginnen.
Lüring et al (2006) sprechen beim Release medialer Weichteile zur Varuskorrektur da-
von, dass die Weichteile je nach ihrer Funktion am Kniegelenk behandelt und gelöst
werden sollten. Damit sehen sie die Möglichkeit unterschiedlich schwer ausgeprägte
Deformitäten mit unterschiedlich stark ausgedehntem Release zu versorgen.
Auch Whiteside (2004) lösen die Strukturen prinzipiell schrittweise je nach ihrer Funk-
tion, wenn entweder der Streck- oder Beugespalt kontrakt ist. Bei alleiniger straffer Fle-
xionslücke des Varusknies löst er anfangs nur das oberflächliche vordere Innenband, bei
alleiniger straffer Extensionlücke zuerst die hinteren tiefen Fasern des Innenbandes und
die hintere mediale Kapsel. Sind sowohl Streck- als auch Beugespalt medial kontrakt,
richtet Whiteside seine Sequenz weiterhin nach den funtionellen Eigenschaften der
Weichteile aus, indem er zuerst die vorderen oberflächlichen Fasern des Innenbandes
löst, die hauptsächlich den Beugespalt beeinflussen, aber in gewisser Weise auch den
Streckspalt. Falls dies nicht ausreichen sollte, wird für den Streckspalt weiterhin das
hintere tiefe Innenband gelöst.
Unabhängig von den Grundprinzipien, die von einigen Autoren als Grundlage für die
Sequenz-Anordung vorgeschlagen werden, kann man bei der Analyse der unterschiedli-
chen Sequenzen, die in der Literatur verwendet werden, bestimmte "Eckpfeiler" erken-
nen, die in besonderem Maße einheitlich oder kontrovers diskutiert werden.
In Tab. 66 wird gezeigt, welche Themen bei der Varuskorrektur in besonders häufigem
Maße in der Literatur diskutiert wurden und wo besonders viele Unterschiede oder Ge-
meinsamkeiten entstanden sind. Auf diese ausgewählten Eckpunkte der Varuskorrektur,
vor allem in Bezug auf den Zeitpunkt des Release und der Anordung der Releases-
Schritte, wird in dieser Arbeit besonders intensiv eingegangen.
Tab. 66: Wichtige "Eckpfeiler" zur Varuskorrektur
Sequenz zu Korrektur einer Varusdeformität 1. Eröffnung des Kniegelenkes: mit Release des tiefen oder oberfl. Innenbandes 2. Entfernung vorhandener Osteophyten 3. Eventuell komplettes Release einer medialen Weichteilmanschette 4. 1. gelöste mediale Weichteilstruktur: tiefes oder oberfl. Innenband 5. 2. gelöste mediale Weichteilstruktur: oberfl. Innenband oder Semimembranosus 6. Kapsel-Release: zur Korrektur einer Varusdeformität oder einer begleitenden FC 7. Release des Pes anserinus vor oder nach dem Release des Semimembranosus 8. HKB-Release als letzter Schritt einer medialen Weichteil-Sequenz 9. Schluss-Release: ein Release des Gastrocnemius oder aller medialer Weichteile 10. Mögliche Anwendung einer lateralen Straffung
180
Bei diesen "Eckpfeilern" zur Varuskorrektur zeigt sich, dass bereits bei der Eröffnung
eines Varus-Kniegelenkes unterschiedliche Berichte über Strukturen existieren, welche
bereits mit dem Zugang mitgelöst werden können. Die meisten Autoren sprechen von
einem frühzeitigen Release des tiefen Innenbandes, andere vom Release der ober-
flächlicheren Fasern.
Zum Zeitpunkt der Osteophyten-Entfernung gibt es zwar unterschiedliche Berichte, die
meisten Autoren sprechen aber von einer Osteophyten-Entfernung vor dem Weichteil-
Balancing aus.
Als erster Release-Schritt nach der Osteophyten-Entfernung werden in der Literatur
sowohl das tiefe als auch das oberflächliche Innenband genannt. Diese prinzipielle
Entscheidung ist jedoch von großer Bedeutung, da Whiteside (2004) darauf hinweist,
dass diese beiden Strukturen unterschiedliche Wirkungen auf das Kniegelenk besitzen
und ein Release dieser Strukturen unterschiedliche Auswirkungen auf Extensions- oder
Flexionslücke haben.
Eine nächste Frage, die man sich stellen muss ist, welches die nächste gelöste mediale
Struktur sein sollte. Nachdem, abgesehen von Whitesides Studien, meist das tiefe In-
nenband als 1. Struktur gelöst wird, spielen bei vielen Autoren das oberflächliche In-
nenband und der Semimembranosus als 2. gelöste Struktur eine dominierende Rolle.
Auch hier kann diese Arbeit die Vor- und Nachteile der beiden Möglichkeiten darlegen.
Aber wie bei allen anderen Diskussionen um eine "optimale Release-Sequenz", kann
nur auf weiter ausstehende vergleichende Studien verwiesen werden.
Das Kapsel-Release gilt bei jeder Deformität als wichtige Komponente. Beim Varus
kann ein Kapsel-Release, abhängig vom genauen Ort des Release eher einen Varus kor-
rigieren, wenn das Release an der Kapsel eher medial ausgeführt und eine FC korrigie-
ren, wenn das Release eher posterior durchgeführt wird.
Zur Frage, ob der Pes anserinus vor oder nach dem Semimembranosus gelöst werden
soll, gibt es relativ eindeutige Angaben. Abgesehen von der Kadaverstudie von Mihalko
et al (2003) wird von den meisten Operateuren ein Release des Semimembranosus vor
dem Pes anserinus empfohlen.
181
Es gibt auch Autoren, die ein Release des HKB am Ende einer Varus-Sequenz durchge-
führt haben. In diese Diskussion wirkt aber die Gesamtfrage mit ein, ob ein HKB insge-
samt erhalten bleiben soll oder nicht. Je nachdem, ob es am Ende einer Sequenz noch
vorhanden ist oder nicht, plädieren einige Autoren auf ein Release dieser Struktur.
Über eine Straffung der lateralen Weichteile wird in den letzten 15 Jahren in der Lite-
ratur kaum noch berichtet.
5.4. Valgus-Deformität 5.4.1 Release-Techniken Wie bei der Varuskorrektur werden in der vorliegenden Arbeit auch die unterschiedli-
chen Release-Techniken für die Valguskorrektur umfassend dargestellt. Die einzelnen
lateralen Weichteilstrukturen des Kniegelenkes, die beim Valgusknie angespannt sind
und während einer Knie-TEP-Implantation gelöst werden müssen, sind im Vergleich
zum Varus deutlicher besser abzugrenzen. Die lateralen Weichteile weisen jedoch im
Vergleich zur medialen Seite zahlreiche anatomische Varianten auf. Tab. 67 zeigt dieje-
nigen lateralen Weichteilstrukturen, die zur Valguskorrektur gelöst werden können.
Tab. 67: Laterale Weichteil-Strukturen zur Valguskorrektur
Laterale Weichteile Laterales Seitenband Tractus iliotibialis M. popliteus Posterolaterale Kapsel M. gastrocnemius lateralis M. biceps femoris Septum intermusculare Laterales Retinakulum Hinteres Kreuzband
Auch beim Valgusknie kann nicht nur durch Verlängerung kontrakter lateraler Weich-
teile einen Lückenausgleich erreicht werden, sondern auch durch Straffung von ge-
dehnten medialen Weichteilen. Letztere Maßnahme, die auch beim Valgusknie keines-
wegs eine breite Anwendung findet, wird im gegebenen Einzelfall erst nach erfolgtem
lateralem Weichteil-Release durchgeführt.
Für die operative Versorgung des Valguskniegelenkes mit einer TEP existiert der late-
rale parapatellare Zugang als alternativer Zugangsweg, der mit seinen nachfolgenden
Release-Schritten Einfluß auf die Weichteil-Sequenz haben kann.
182
Zu den in der Literatur angegebenen Release-Zeitpunkten findet sich - ähnlich wie
beim Varusknie - eine große Variationsbreite. Diese Arbeit kann zeigen, dass die Unter-
schiede der Zeitpunkte der Releasevorgänge aller lateralen Weichteile beim Valgus so-
gar noch deutlich größer sind als beim Varus.
Die Operationstechnik der Releasevorgänge wird ebenfalls in unterschiedlicher Art
und Weise vollzogen. Es werden zum einen subperiostale Verlängerungen durchgeführt,
zum anderen aber auch scharfe Durchtrennungen an den ligamentären Ansätzen, ober-
halb oder direkt n Höhe der Gelenklinie sowie multiple Einstiche in der sog. "Pie-crust-
Technik".
Speziell für den Tractus iliotibialis werden neben der Z-Verlängerung und dem "Kap-
lan-Release" zahlreiche weitere Techniken angegeben, mit denen er verlängert und ge-
löst werden kann.
Die Deformität beim Valgusknie geht insbesondere vom Femur aus (Pape und Kohn
2007). Aus diesem Grund konzentrieren sich die Release-Schritte beim Valgusknie
nicht nur auf die laterale Tibia, sondern vor allem auf das laterale Femur.
Als Instrumente wird in den meisten Studien neben einem Elektrokauter und einem
Osteotom das Skalpell verwendet.
Die Auswirkungen, die von jeder gelösten lateralen Struktur ausgehen, werden in die-
ser Arbeit analog zum Varusknie ebenfalls aus klinischen und Kadaverstudien ausge-
wertet:
Das Außenband zeigt sowohl in Flexion als auch in Extension eine erhebliche
seitenstabilisierende Wirkung, wobei ein Release in besonderem Maße die Flexi-
onslücke betrifft.
Auch der M. popliteus stabilisiert das Kniegelenk über den gesamten Flexionsbo-
gen hinweg, zeigt aber beim Release ebenfalls stärkere Auswirkungen bei Flexion.
Der Tractus iliotibialis ist eine Struktur, die in Extension eine sehr starke staabi-
lisierende Wirkung ausübt, in Flexion jedoch fast gar nicht.
Ähnlich verhält sich die Wirkung der Gelenkkapsel, deren Release ebenfalls
hauptsächlich den Streckspalt beeinflusst.
Die Auswirkungen des Gastrocnemius-Release bewirken in Extension eine höhe-
re Seitenstabilisation,
das Biceps femoris-Release stabilisiert dagegen eher in Flexion.
183
Die Hauptwirkung des lateralen Retinakulum-Release bezieht sich auf korrekten
Sitz und eine korrekte Funktion der Patella.
Das HKB-Release übt analog zur Varus-Sequenz die höchsten Veränderungen auf
die Gelenklücken aus. Dies aber deutlich ausgiebiger in Flexionsstellung.
Auch beim Valgusknie sind am Ende der Vorstellung jeder einzelnen Weichteilstruktur
Nachweise aus der Literatur aufgeführt worden, um auch hier den erfolgreichen
Gebrauch dieser Techniken aufzuzeigen.
5.4.2 Release-Sequenzen Beim Valgusknie existieren ebenfalls unterschiedliche Angaben zum Zeitpunkt des Re-
lease und der Abfolge der Release-Schritte. Auch hier erkennt man bestimmte Grund-
prinzipien, die von einigen Autoren vorgeschlagen werden. Solange auch für das Val-
gusknie keine Vergleichsstudien zweier Release-Sequenzen existieren, muss man sich
an den gängigen und bekannten Sequenzen orientieren und die von den unterschiedli-
chen Operateuren vorgeschlagenen Grundprinzipien berücksichtigen.
Das Balacing der Valgusdeformität wird nach Pape und Kohn (2007) und Chiavetta et
al (2006) prinzipiell zuerst am Streckspalt und danach am Beugespalt durchgeführt,
wodurch die Abfolge der Release-Sequenz determiniert wird. Die Folge ist, dass zuerst
die lateralen Weichteile gelöst werden, die eine kontrakte Extensionslücke verur-
sachen können, was neben dem HKB auch die Kapsel und den Tractus iliotibialis be-
trifft. Erst danach wird mit dem Außenband eine Struktur gelöst, die auch deutliche
Auswirkung auch auf den Beugespalt hat.
Whiteside (2004) löst die straffen lateralen Strukturen nach deren individueller Funkti-
on am Kniegelenk. Wenn Strukturen besonders in Flexion straff sind, werden diese
bei straffer Flexionslücke gelöst. Umgekehrt gilt das auch für die Extensionslücke.
Wenn sowohl Extensionslücke als auch Flexionslücke lateral zu straff ist, löst Whi-
teside erst diejenigen Strukturen, welche die Flexionslücke balancieren können (Popli-
teus und Außenband). Analog zum Varus haben auch diese beiden Beugestabilisatoren
einen gewissen Einfluß auf den Streckspalt, der damit mitkorrigiert werden kann.
184
Sollte diese Korrektur der Deformität nicht ausreichen, müssen diejenigen Strukturen
gelöst werden, die besonders den Streckspalt balancieren (Tractus iliotibialis und
posterolaterale Kapsel).
Tab. 68 zeigt Möglichkeiten der Anordnung von Weichteilstrukturen zur Valguskorrek-
tur, welche durch diese Arbeit herausgearbeitet worden ist.
Tab. 68: Spezielle Eckpfeiler zur Valguskorrektur
Diskutierte Schritte bei der Valguskorrektur 1. Durchführung der Osteophyten-Entfernung 2. Als 1. Releaseschritt kann ein HKB-Release, eine Release des lateralen Retinakulum, eine Pie-crust-Methode, ein Tractus-Release oder ein Außenband-Release durchgeführt werden 3. Außenband und Popliteus können direkt nacheinander oder deutlich getrennt von einander gelöst werden 4. Reihenfolge zwischen dem Release des Tractus einerseits und dem Release von Außenband und Popliteus andererseits 5. Das Kapsel-Release erfolgt in der Mitte einer Sequenz 6. Als letzten Release-Schritt kann ein Release des Gastrocnemius, des Biceps femoris oder des HKB erfolgen, ebenso eine Resektion des Fibulaköpfchens 7. Mediales Advancement als Alternative am Schluss der Sequenz 8. Zusätzliche Femurschnitte als Alternative am Schluss der Sequenz 9. Höhere Prothesenführung als Alternative zur Sequenz
Ein Beispiel für eine Methode, die mit Erfolg eingesetzt wird und das Release der late-
ralen Strukturen in einer definierten Reihenfolge durchführt, ist das Pie-crust-
Verfahren. Hier wird zuerst die posterolaterale Kapsel mit einer Klinge querinzidiert
und danach der Tractus iliotibialis und die laterale Kapsel mit multiplen horizontalen
Stichinzisionen verlängert. Das Außenband wird bei dieser Methode meistens sekundär
mitgelöst (Clarke et al 2005).
Die Verwendung eines lateralen parapatellaren Zuganges für die Valguskorrektur mit
einer mehr oder minder konstanten Release-Sequenz nach der lateralen Arthrotomie
zeigt in mehreren Studien klinisch gute Ergebnisse (Clarke et al 2005).
Weitgehender Konsens besteht darüber, dass vor dem Release der Weichteile bei der
Valguskorrektur die Entfernung von Osteophyten durchgeführt werden muss.
Bezüglich der zuerst zu lösenden Weichteilstruktur herrscht beim Valgusknie in der
Literatur eine größere Streubreite der Auffassungen. Es werden neben dem Release des
HKB, das beim Valgus - als mediale Struktur - häufig überdehnt ist, und des lateralen
Retinakulums, welches die Problematik des patellaren Fehlgleitens beim Valgus verur-
185
sacht, auch die Pie-crust-Technik und die Ablösungen von Tractus und Außenband
vorgeschlagen.
Eine andere interessante Thematik ist die Beziehung des Außenband- zum Popliteus-
Release. Einige Autoren lösen den Popliteus und das Außenband gemeinsam oder di-
rekt nacheinander, was mit den ähnlichen Aufgaben dieser beiden Strukturen in Exten-
sion und Flexion erklärt werden kann. Es gibt aber auch Operateure, die das Popliteus-
Release und das Release des Außenbandes getrennt voneinander durchführen.
Es wird auch die Beziehung zwischen Außenband und Popliteus einerseits und dem
Tractus andererseits dargestellt. Hier zeigt sich, dass es bezüglich dieser drei Struktu-
ren sehr unterschiedliche Variationen von deren Release-Sequenz gibt und im Schrift-
tum keine großen Gemeinsamkeiten bestehen.
Das Kapsel-Release wird beim Valgus sowohl zur Korrektur eines Streckdefizits als
auch des Valgus selbst gelöst. Dieses Release wird ebenfalls zu sehr unterschiedlichen
Zeitpunkten durchgeführt.
Als letzter Schritt der Valgus-Sequenz stehen ebenfalls mehrere Möglichkeiten zur
Verfügung. Es zeigt sich, dass zum einen ein Release des Gastrocnemius als letzter
Release-Schritt stehen kann, zum anderen ein Biceps-Release, zum dritten aber auch ein
HKB-Release oder eine Resektion des Fibulaköpfchens.
Eine mögliche Straffung der medialen Weichteile ist möglich, wird aber in den letzten
15 Jahren in der Literatur kaum noch erwähnt.
Sollte ein Valgusknie nicht durch Release-Schritte von Weichteilstrukturen korrigierbar
sein, bleiben dem Operateur noch die Alternativen eines Implantates mit höherem Füh-
rungsgrad oder eine zusätzliche Femurresektion (Anderson et al 2006).
5.5 Flexionsdeformität Die prinzipielle Frage bei der Flexionsdeformität (FC), ob sie intraoperativ vollständig
korrigiert werden muss oder ob sie sich postoperativ mit der Zeit verbessern kann. In
der Literatur gibt es Befürworter sowohl der einen als auch der anderen Theorie. Belle-
mans et al (2006a) sehen es als erwiesen an, dass die FC möglichst intraoperativ korri-
giert werden soll. Sollte ein gewisser geringer Grad an Reststreckdefizit verbleiben,
sollte dagegen nicht unbedingt um jeden Preis versucht werden, die FC zu korrigieren,
186
sondern die postoperative Verbesserung Streckdefizits unter anderem durch Physiothe-
rapie abzuwarten.
5.5.1 Release-Techniken Auch die FC kann mittels unterschiedlicher Release-Techniken behandelt werden. Bei
der Flexionskontraktur besteht eine verkleinerte Extensionslücke im Vergleich zur Fle-
xionslücke, sodass ein Streckdefizit bestehen bleibt. Weichteile, die zur FC-Korrektur
gelöst werden können, zeigt Tab. 69.
Tab. 69: Zu lösende Weichteile bei FC-Korrektur
Kontrakte Weichteile bei der FC Posteriore Osteophyten (!) Beidseitige Kollateralbänder Posteriore Kapsel M. gastrocnemii M. semimembranosus Hinteres Kreuzband
Bei der FC spielen die Osteophyten mehr als bei den anderen Deformitäten eine end-
scheidende Rolle bei der Entstehung einer Deformität. Besonders die posterioren Oste-
ophyten sind dabei zur Korrektur der FC zu entfernen.
Der Zeitpunkt der Release-Schritte der einzelnen Strukturen ist bei der Korrektur der
FC nicht so unterschiedlich beschrieben wie es z.B. beim Varus oder noch mehr beim
Valgus der Fall ist.
Beim FC werden die posterioren Osteophyten überwiegend im ersten Schritt ent-
fernt. Es wird ein Release der Kollateralbänder und eine eventuelle Korrektur von
Varus und Valgus überwiegend vor der Korrektur der FC durchgeführt.
Der Zeitpunkt des Kapsel-Release wird unterschiedlich terminiert.
Die Gastrocnemii werden überwiegend am Ende der FC-Sequenz gelöst, während der
Semimembranosus eher zu Beginn einer Sequenz zur FC-Korrektur gelöst wird.
Das HKB wird zur Korrektur einer FC erst am Ende einer Sequenz gelöst, sofern es am
Ende der Sequenz noch vorhanden ist.
Die Operationstechnik der Release-Schritte wird nach Recherchen dieser Arbeit so-
wohl an der Tibia als auch am Femur durchgeführt. Es werden hierfür sowohl ein Oste-
otom als auch ein Elevator und ein Skalpell verwendet. Die Art und Weise des Release
187
erstreckt sich von subperiostaler Abhebung an den Band- und Kapselansätzen bis hin zu
scharfen Dissektionen.
Auswirkungen der Release-Vorgänge stellen sich auf unterschiedliche Art und Weise
dar:
Während die Osteophyten-Entfernung die Spannung von den entsprechenden
Weichteilen nehmen kann,
korrigiert ein Kollateralband-Release eher die koronare Deformität.
Das Kapsel-Release, dem eine entscheidende Rolle beim Streckdefizit zukommt,
kann zu einer sehr effektiven Korrektur der Extensionslücke führen.
Die Knie-Flexoren werden aus verschiedenen Gründen gelöst. Die Gastrocnemii
werden gelöst, weil sie zu einer erhöhten Extensionslücke führen,
der Semimembranosus wird gelöst, weil er bei der häufigen Kombination von FC
und Varus auch die koronare Deformität korrigieren kann. Daher wird der Semi-
membranosus auch relativ früh in der Sequenz gelöst.
Dem HKB-Release wird keine große Rolle bei der FC-Korrektur zugesprochen,
wird aber trotzdem in Sequenzen zur Korrektur des hinteren Rollbacks oder einer
begleitenden straffen Flexion erwähnt.
Am Ende der Release-Sequenzen kann bei mangelndem Erfolg der Wedichteil-
Releases-Maßnahmen und weiterbestehender FC eine zusätzliche distale Femur-
resektion durchgeführt werden. Obwohl es unterschiedliche Angaben zum Zeit-
punkt einer zusätzlichen Resektion gibt, ist es sinnvoll, diese erst nach voll ausge-
schöpfter Release-Sequenz der Weichteile durchzuführen. Grund hierfür ist die
durch die zusätzliche Resektion bedingte erhöhte Gelenklinie, die möglichst ver-
mieden werden sollte. Auch bei der Durchführung gibt es unterschiedliche Anga-
ben, denn die Tiefe dieser zusätzlichen Resektion erstreckt sich von mindestens 2
mm bis hin zu 5 mm. Als Ziel wird bei diesem Vorgang die Vergrößerung der Ex-
tensionslücke genannt, um diese an die Flexionslücke anzupassen.
5.5.2 Release-Sequenzen Einen Sonderstatus bei den Deformitäten besitzt die FC deshalb, weil sie sehr häufig als
begleitende Deformität beim Valgus und noch häufiger beim Varus auftritt. Gerade
auch in diesem Zusammenhang können, ähnlich wie bereits beim Varus und Valgus
erwähnt, einige Grundprinzipien verschiedener Autoren bezüglich der Reihenfolge der
188
Sequenz dargestellt werden. Aber auch hier werden in Zukunft noch einige Studien zur
weiteren Aufklärung der Zusammenhänge benötigt.
Mullaji et al (2005) führen prinzipiell bevor sie zur Korrektur des Streckdefizits überge-
hen, zuerst ein Release der medialen Weichteile durch, um damit einen zugrunde lie-
genden Varus zu korrigieren. Erst nach einer Korrektur des Varus wenden sie sich den
posterioren Strukturen des Kniegelenkes zu (hintere Osteophyten, hintere Kapsel und
HKB).
Whiteside (2004) spricht von dem sehr häufigen Fall einer Kombination von Varus und
FC, bei dem er prinzipiell zuerst die straffen medialen hinteren Strukturen lösen möch-
te, die sowohl den Varus als auch die FC korrigieren können. Aus diesem Grund löst
Whiteside die tiefen hinteren Fasern des Innenbandes zuerst, danach eventuell die vor-
deren oberflächlichen Fasern, bevor er dann mit weiteren posterioren Strukturen das
Release fortsetzt. Eine dieser posterioren Strukturen ist vor allem die hintere Kapsel.
Auch in den zahlreichen Berichten der Literatur können unterschiedliche Sequenzen der
Release-Schritte gefunden werden, deren wichtigste Eckpunkte in Tab. 70 dargestellt
werden.
Tab. 70: Diskutierte Themen bei der Anordnung der FC-Korrektur
Diskutierte Releaseschritte bei der Korrektur einer Flexionskontraktur 1. Osteophyten-Entfernung 2. Release von Kollateralbändern oder dem Semimembranosus 3. Release der hinteren Kapsel 4. als letztes Release kommen das Release des HKB und der Gastrocnemiis in Frage 5. Zusätzliche distale Femurresektion
Als ein sehr wichtiger Eckpfeiler in der Korrektur-Sequenz der FC wird die Entfernung
der Osteophyten genannt, die von fast allen Operateuren als erster Schritt zur FC Kor-
rektur durchgeführt wird. Als zweiter Schritt werden nach nahezu einhelliger Meinung
die Varus- oder Valgusdeformität korrigiert. Dies kann erreicht werden, indem sowohl
die Kollateralbänder als auch speziell bei der häufigen Varus-FC-Kombination der
Semimembranosus gelöst werden.
Diese Arbeit führt weiterhin auf, dass ein Release der Kapsel besonders im posterioren
Bereich ein entscheidender Schritt ist. Dieser Schritt variiert in den vielen ausgewerte-
ten Studien. In dieser Arbeit wird dieses Kapsel-Release im Vergleich zum HKB-
Release fokussiert betrachtet. Es wird gezeigt, ob es vor oder nach einem HKB-Release
durchgeführt werden soll. Es zeigt sich, dass die Kapsel zwar häufig vor dem HKB-
189
Release durchgeführt wird, aber es auch Gegenbeispiele gibt. Als zuletzt zu lösende
Strukturen werden dann das HKB und der Gastrocnemius gegenübergestellt. Ein
Gastrocnemius-Release wird von mehreren Autoren als letzter Schritt der Sequenz ge-
löst, von Delfico und Tria (1996) sogar nach dem HKB-Release. Wenn das HKB-
Release am Ende einer Sequenz durchgeführt wird, wird es neben der Korrektur der FC
auch wegen einer Straffung in Flexion und einem posterioren Rollback gelöst. Das
Thema der zusätzlichen distalen Femurresektion wird am Ende der FC-Sequenz dann
auch nochmal durchleuchtet, indem die Gegner und Befürworter dieser Maßnahme ge-
genübergestellt werden und die jeweiligen Gründe für deren Entscheidung dargestellt
werden. Dieser Schritt wird in den zuletzt veröffentlichten Studien als nicht notwendig
angesehen. Auch die Beziehung der zusätzlichen Resektion zum häufig letzten Schritt
der Weichteil-Sequenz, dem HKB-Release wird in dieser Arbeit dargestellt. Es zeigt,
dass diese zusätzliche Resektion nicht nur nach dem gesamten Weichteil-Release
durchgeführt wird, sondern bei Mihalko und Whiteside (2003) und bei Berend et al
(2006) auch erst nach dem Release des HKB.
5.6 Recurvatum Bei der Korrektur des sehr seltenen Genu recurvatum kann nicht von einzelnen Release-
Schritten gesprochen werden, weil die Korrektur dieser Deformität nur in geringem
Maße durch ein Weichteil-Balancing beeinflusst werden kann. Es können die femoralen
Ansätze der Kollateralbänder verändert werden, um eine Hyperextension des Kniege-
lenks zu verhindern.
Entscheidend sind hier die zusätzliche Knochenresektion und eine veränderte Prothe-
senwahl (Tab. 71). Dabei wird vor allem auf eine verringerte Resektion der femoralen
und tibialen Gelenkflächen geachtet, ebenso wie auf eine kleinere Tibiakomponente und
eine vergleichsweise größere Femurkomponente.
Tab. 71: Verschiedene Prinzipien der Recurvatum-Korrektur
Möglichkeiten für eine Recurvatum-Korrektur 1. Veränderte Knochenresektionen (verringerte Femur- und Tibiaresektion), danach veränderte Auswahl der Prothesen ( kleinere Tibia- und größere Femurkomponente) 2. Nach der Durchführung von veränderten Knochenresektionen, wird noch vor der Prothesenauswahl (optinal) ein Weichteil-Balancing durchgeführt 3.+ 4. Als Alternative müssen Prothesen mit höherem Führungsgrad verwendet werden oder es wird eine Arthro-dese durchgeführt
190
5.7 Algorithmen zum Weichteilmanagement 5.7.1 Varus-Korrektur
Am Anfang eines Weichteil-Balancings zur Korrektur einer Varusdeformität steht die
Entfernung aller vorhandenen Osteophyten, da diese Osteophyten zu einer veränderten
Spannung der Weichteile führen können. Sobald die Oetsophyten entfernt sind, wird die
Bandspannung intraoperativ klinisch untersucht und neu bewertet, um etwaig verblie-
bene Kontrakturen feststellen zu können.
Sollte bei Varuskorrektur eine zu straffe mediale Gelenklücke sowohl in Extension als
auch in Flexion vorherrschen, wird zuerst der Extensionsspalt mit dem Release des tie-
fen Innenbandes korrigiert. Danach erfolgt das Release der posteromedialen Kapsel, die
VARUS - Deformität
1. Osteophyten Entfernung
Enger STRECK - Spalt Enger STRECK – und BEUGE - Spalt Enger BEUGE - Spalt
2. Tiefes Innenband 3. Posteromediale Kapsel 4. Oberflächliches Innenband 5. M. semimembranosus 6. Pes anserinus / HKB
2. Tiefes Innenband 3. Posteromediale Kapsel 4. Oberflächliches Innenband 5. M. semimembranosus 6. Pes anserinus 7. HKB
2. Oberflächliches Innenband 3. Tiefes Innenband 4. M. semimembranosus 5. HKB
191
ebenfalls vorrangig den Extensionsspalt korrigiert und als posteriore Weichteilstruktur
ebenso wie das tiefe Innenband für diese straffe mediale Gelenklücke primär verant-
wortlich gemacht wird. Sollten diese Schritte erfolglos sein, können mit dem oberfläch-
lichen Innenband und dem Semimembranosus zwei Strukturen gelöst werden, die neben
einem kleinen Effekt auf die Extensionslücke einen vorrangigen Einfluß auf die mediale
Gelenklücke in Beugung haben. Bei weiter bestehender Varuskontraktur können letzt-
lich auch der Pes anserinus und das hintere Kreuzband gelöst werden.
Wenn ein straffer medialer Gelenkspalt ausschließlich in voller Streckung besteht, soll-
ten zur Korrektur zuerst das tiefe Innenband und die posterolaterale Kapsel gelöst wer-
den. Erst danach folgt ein Release des oberflächlichen Innenbandes und des Semi-
membranosus, da diese beiden Strukturen hauptsächlich in Flexionsstellung einen stabi-
lisierenden Effekt auf den medialen Gelenkspalt haben. Zuletzt können optional der Pes
anserinus und das hintere Kreuzband gelöst werden.
Bei einer medial straffen Gelenklücke ausschließlich in Beugung wird zuerst das ober-
flächliche Innenband gelöst, da es den größten Effekt auf den medialen Gelenksspalt in
Beugung hat. Dieser Schritt wird gefolgt von einem Release des tiefen Innebandes, das
etwas weniger Einfluß auf den medialen Beugespalt besitzt als der Semimembranosus,
der unmittelbar danach gelöst werden kann. Das tiefe Innenband liegt weiter anterior
und ist für den Operateur für ein Release deutlicher einfacher zu erreichen als der Se-
mimembranosus. Zuletzt kann ein hinteres Kreuzband bei verbleibender Kontraktur des
Varus gelöst werden.
192
5.7.2 Valgus-Korrektur Am Anfang der Korrektur der Valgusdeformität steht die Entfernung aller Osteophyten,
um deren Spannung auf die umgebenden Weichteile zu reduzieren. Nach darauf folgen-
der klinischer Untersuchung werden die Bandspannung und etwaige Kontrakturen neu
bewertet.
Sollte beim Valgus eine zu straffe laterale Gelenklücke sowohl in Extension als auch in
Flexion auftreten, wird zuerst der Streckspalt mit dem Release des Iliotibialbandes kor-
rigiert. Gefolgt wird dieser Schritt von dem Release des lateralen Seitenbandes und dem
Popliteus, die beide sowohl in Extension als auch in Flexion einen seitenstabilisierden
VALGUS - Deformität
1. Osteophyten Entfernung
Enger STRECK - Spalt Enger STRECK – und BEUGE - Spalt Enger BEUGE - Spalt
2. Iliotibialband 3. Posterolaterale Kapsel 4. Außenband 5. M. popliteus 6. M. biceps /M.gastroc- nemius /HKB
2. Iliotibialband 3. Außenband 4. M. popliteus 5. Posterolaterale Kapsel 6. M. biceps /M.gastroc- nemius /HKB
2. Außenband 3. M. popliteus 4. HKB
193
Effekt zeigen. Es folgt ein Release der posterolateralen Kapsel und zuletzt bei ausblei-
bendem Erfolg der voher durchgeführten Releaseschritte eine Lösung des lateralen Kop-
fes des M. gastrocnemius, des M. biceps femoris oder des hinteren Kreuzbandes.
Eine straffe laterale Gelenklücke ausschließlich in Extension sollte ein Release des Ilio-
tibialebandes direkt zu Beginn nach sich ziehen. Dieser Schritt wird vom Release der
posterolateralen Kapsel gefolgt, die ebenfalls hauptsächlich auf den Streckspalt wirkt.
Das Release des lateralen Seitenbandes und des Popliteus wird anschließend durchge-
führt, weil sie ebenfalls einen gewissen seitenstabilisierenden Effekt beimValgusknie
besitzen. Zuletzt erfolgt optional ein Release des lateralen Gastrocnemius, des M. biceps
femoris und des hinteren Kreuzbandes.
Ein alleiniger lateral straffer Beugespalt beim Valgusknie zieht in erster Linie ein Re-
lease des lateralen Seitenbandes nach sich, da es den stärksten seitenstabilisierenen Ef-
fekt auf das Kniegelenk in Beugung besitzt. Der nächste Releaseschritt ist die Lösung
des Popliteus. Zuletzt folgt eine Lösung des hinteren Kreuzbandes, falls die vorherigen
Releaseschritte keine ausreichende Korrektur des Valgus erbracht haben.
194
5.7.3 FC-Korrektur
Die Entfernung der Osteophyten nimmt bei einer Flexionskontraktur eine besondere
Rolle ein. Insbesondere die posterioren Osteophyten können alleine zu einer Flexi-
onskontraktur führen und müssen daher vor einem Weichteil-Release entfernt werden.
Bevor eine Flexionskontraktur gelöst wird, muss eine ebenfalls zugrunde liegende De-
formität in der koronalen Ebene korrigiert werden. Wenn eine FC mit einem Varus
kombiniert ist, sollte zuerst das tiefe Innenband, das oberflächliche Innenband und der
Semimembranosus gelöst werden, um den Varus zu korrigieren. Danach wird mit dem
Release der posteromedialen und der posterioren Kapsel die Flexionsdeformität korri-
FLEXIONSKONTRATUR
1. Osteophyten-Entfernung
Flexionskontratur + Varus
Flexionskontratur + Valgus
2. Tiefes Innenband 3. Oberflächliches Innenband 4. M. semimembranosus 5. Posteromediale Kapsel 6. Posteriore Kapsel 7. M. gastrocnemius/ HKB/ zusätzliche Resektion
2. Außenband 3. Posterolaterale Kapsel 4. Posteriore Kapsel 5. M. gastrocnemius/ HKB/ zusätzliche Resektion
195
giert. Zuletzt können bei einer weiteren FC ein Release des hinteren Kreuzbandes, ein
Release des Gastrocnemius oder eine zusätzliche Femurresektion durchgeführt werden.
Eine Kombination zwischen FC und Valgus wird zuerst mit einem Release des lateralen
Seitenbandes zur Korrektur des Valgus korrigiert. Danach erfolgt die Korrektur der FC
mit dem Release der posterolateralen und der posterioren Kapsel. Zuletzt besteht auch
hier die Option, das hintere Kreuzband oder den Gastrocnemius zu lösen oder eine zu-
sätzliche Femurresektion durchzuführen.
196
5.8 Ausblick Durch die minimal-invasiven Zugangswege und deren Schonung von Weichteilgewebe
kommt Dynamik in die Diskussion um den "idealen" chirurgischen Zugangsweg zum
Kniegelenk bei der Knie-TEP-Implantation.
Nach Hart et al (2006) ist der "optimale" minimal-invasive Zugang bis heute noch nicht
gefunden. Hier muss erst in Outcome-Studien belegt werden, ob die minimal-invasive
Technik bei den verschiedenen Zugängen wie Subvastus, Midvastus oder dem medialen
parapatellaren Zugang dauerhaft bessere Ergebnisse liefern kann als die üblichen Zu-
gangsformen. Diese Technik muss die bisher bekannten Vorteile nicht nur kurzfristig,
sondern auch in Langzeitergebnissen bestätigen können, um die etablierten Techniken
in großer Breite ablösen zu können.
Boerger et al (2005) sehen in randomisierten Doppelblind-Studien die Möglichkeit, in
der Zukunft vor allem die postoperative Akzeptanz minimal-invasiver Techniken bei
Patienten zu testen.
Derzeit obliegen die Art der Durchführung des Ligament-Balancings und die Reihen-
folge der einzelnen Release-Schritte allein dem Operateur und folgen nicht den Krite-
rien der evidenzbasierten Medizin (Claus und Scharf 2007).
Weitere Forschungsprojekte in der Zukunft könnten im Hinblick auf das Ligament-
Balancing mehr Licht in das Dunkel verschiedender einzelner offener Fragen bringen.
Zu solchen zukünftigen wissenschaftlichen Fragestellungen können neben prospektiv
randomisierten Studien auch klinische Vergleichsstudien, wo zwei bereits etablierte
Weichteil-Sequenzen in den postoperativen Ergebnissen miteinander verglichen wer-
den, beitragen.
Trotz allen Erfolges und der guten Ergebnisse der Knie-TEP-Implantation gibt es auch
heute noch offene Fragen im Weichteil-Balancing, mit deren Beantwortung eine noch
exaktere Implantation einer Knie-TEP durch ein Weichteil-Balancing möglich wäre.
Zu den noch nicht beantworteten Themen gehört z.B. die Wirkung des Weichteil-
Balancings auf den Druck zwischen den Prothesenkomponenten und damit auf den Ab-
rieb der Prothesenkomponenten. Ebenfalls interessant sind die Weiterentwicklung von
Messgeräten zur intraoperativen Testung der Bandspannung während des Weichteil-
Balancings und die Bedeutung minimal-invasiver Zugänge auf die Technik des Weich-
teil-Balancings.
197
Trotz der großen Fortschritte in der Navigation bei der Knie-TEP-Implantation muss
auch in Zukunft auf eine Verbesserung im Hinblick auf die Suffizienz des Kapsel-Band-
Apparates hingearbeitet werden. Die individuelle Spannung des Bandapparates während
den einzelnen Schritten des Weichteil-Balancings bei der Implantation der Knieen-
doprothese sollte weiter Focus des wissenschaftlichen Fortschritts bei der navigierten
Knie-TEP-Implantation sein.
In besonderem Maße sollten Fortschritte bei der Suche und Entwicklung nach weiteren
Hilfsmitteln bei der Implantationstechnik vorangetrieben werden (Graichen 2007).
Auch die (möglichst) objektive Erfassung einer ausgeglichenen Weichteil-Spannung
gehört nach Briard et al (2007) zu den großen Zielen der nahen Zukunft zur Weiterent-
wicklung der operativen Maßnahmen bei der Knie-TEP.
Bisher gibt es nur indirekte Methoden zur Messung der Bandspannung des Kniegelen-
kes, wie die Tensoren, Platzhalter und Distraktoren. Obwohl es bis heute noch nicht
möglich ist die Weichteil-Spannung auf objektive Weise direkt mittels in-vivo-
Messzellen zu messen, muss dieses Thema ebenfalls als eine Aufgabe der zukünftigen
Forschung gelten. Eine Stabilität einer implantierten Knie-TEP hängt postoperativ vor
allem von einer exakten Bandspannung ab, sodass dieses bisher nicht endgültig er-
forschte Thema ein Schwerpunkt in Zukunft sein sollte (Whiteside 2004).
Claus und Scharf (2007) stellen die Problematik um die optimale Bandspannung bei der
Knie-Endoprothetik heraus und heben die Notwendigkeit von in der Zukunft noch zu
ermittelenden, wissenschaftlich abgesicherter Daten, sowohl auf klinischer wie experi-
menteller Ebene, hervor.
In dieser Arbeit wurden erstmals die bisher gewonnenen Daten und Erkenntnisse beim
Weichteilbalancing der Knieendoprothetik systematisch zusammengestellt und aus den
z.T. sehr heterogenen Release-Strategien für die relevanten Deformitäten (Varus, Val-
gus, Flexionskontraktur) Algorithmen des Weichteilbalancings erstellt.
198
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7 Abkürzungsverzeichnis Abb. Abbildung AP anterior-posterior Biceps Musculus biceps femoris bzw. beziehungsweise FC Flexionskontraktur Gastrocnemius M. gastrocnemius ggf. gegebenfalls HKB Hinteres Kreuzband Tractus Tractus iliotibialis Midvastus Midvastus-Zugang OP Operation Pes Pes anserinus Popliteus M. popliteus Quadrizeps M. quadrizeps Recurvatum Genu recurvatum Semimembranosus M. semimembranosus Subvastus Subvastuszugang TEP Totalendoprothese TKA Total knee arthroplasty Valgus Valgusdeformität Varus Varusdeformität VKB Vorders Kreuzband
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8 Danksagung Mein besonderer Dank gilt Herrn Professor Dr. med. Raimund Forst für die Anregung
zu dieser Arbeit und die uneingeschränkte Unterstützung in ihrer Durchführung. Die
gemeinsame ständige Diskussion über das Thema, die stets vorhandene konstruktive
Kritik und sein uneingeschränktes Vertrauen waren für mich die Grundlage dieser wis-
senschaftlichen Arbeit. Diese Arbeit hat mir nicht nur intensiven Einblick in die Implan-
tation und das Weichteil-Balancing der Knie-TEP gegeben, sondern auch in die spezifi-
sche Anatomie der unteren Extremität des Menschen und in die Physiologie und Bio-
mechanik. Die ständige Thematisierung von chirurgischen OP-Techniken am Kniege-
lenk in dieser Arbeit hat mir inbesondere in meiner Anfangszeit als chirurgisch-
orthopädischer Assistent den Einstieg erleichtert und einen Wissenvorsprung verschafft.
Ebenfalls möchte ich Herrn Privat-Dozent Dr. med. Jürgen Forst danken, der mich mit
großer Geduld und viel Zeitaufwand in die Literaturverarbeitungsprogramme eingewie-
sen hat. Ohne diese Programme und die unterstützenden Gespräche wäre diese Arbeit
nicht so reibungslos zu schreiben gewesen.
Großen Dank möchte ich auch Herrn Privat-Dozent Dr. med. Lutz Müller sagen, der mir
in der Anfangszeit meiner Literaturrecherche sowie in der Niederschrift dieser Arbeit
wichtige Tipps und Vorgehensweisen hat zukommen lassen.
Einen besonderen Dank möchte ich auch an meinen Freund Dipl.-Ing. Moritz Eckert
richten, der mir stets bei der Text- und Graphikgestaltung dieser Arbeit eine wertvolle
Hilfe war.
Für die motivierende Unterstützung und die ständige konstruktive Kritik möchte ich
meinem Bruder Dr. med. Volker Krutsch und auch meinen Eltern Anneliese und Pro-
fessor Dr. med. vet. Dr. h.c. Hans Werner Krutsch ganz besonders danken.
213
9 Lebenslauf Persönliche Daten: Hans Werner Krutsch Geb. am 10.02.1980 in Hatzfeld Ledig Eltern: Anneliese Krutsch und Prof. Dr. med. vet. Hans Werner Krutsch Bruder: Dr.med. Joachim Volker Krutsch Schulausbildung: 1987-1991 Georg-Ledebour-Grundschule / Nürnberg 1991-2000 Dürer-Gymnasium / Nürnberg Zivildienst: 2000-2001 Caritas-Neckartalwerkstätten / Stuttgart Hochschulausbildung: 2001-2003 Vorklinisches Studium der Medizin
an der Universität Erlangen-Nürnberg
2003-2006 Klinisches Studium der Medizin an der Universität Erlangen-Nürnberg
2006-2007 Praktisches Jahr
an der Universität Erlangen-Nürnberg 29./30.10. 2007 2. Ärztliche Prüfung nach neuer
ärtlicher Approbationsordnung Approbation: 13. November 2007 Famulaturen: März 2004 Klinik für HNO-Heilkunde
Prof. Dr. Bonkowsky, Klinikum Nürnberg
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August 2004 Klinik für Frauenheilkunde, Prof. Dr. Terruhn, Klinikum Nürnberg
September 2004 Klinik für Kinderheilkunde
Prof. Dr. Rascher, Universitätsklinikum Erlangen-Nürnberg
August 2005 Allgemeinarztpraxis, Dr. med Gross
Nürnberg März 2006 Orthopädische Universitätsklinik
Prof. Dr. Forst, Erlangen Tertiale des praktischen Jahres: 21.08.-08.12.2006 Kardiologische Abteilung, PD Dr. Pohle
Martha-Maria Krankenhaus Nürnberg 11.12.-30.03.2007 Klinik für Unfall-und Orthopädische
Chirurgie, PD Dr. Stedtfeld, Klinikum Nürnberg
02.04.-22.07.2007 Orthopädische Universitätsklinik
Prof. Dr. Forst, Erlangen Assistenzarzt: seit 01. Februar 2007 Unfallchirurgische Abteilung des Universitätsklinikums Regensburg Leiter: Prof. Dr. Michael Nerlich 01.01.09-31.12.09 Orthopädie, Sporthopaedicum Straubing Leiter: Dr. Heinz Jürgen Eichhorn, Prof. Dr. Michael Strobel Promotion: seit November 2005 am Lehrstuhl für Orthopädie mit Orthopädischer Chirurgie der FAU Erlangen-
Nürnberg Direktor: Prof. Dr. med. Raimund Forst Thema: Differentialstrategien zum Weichteil-Balancing
bei der Knieendoprothetik in Abhängigkeit von der präoperativen Deformität
Nürnberg, den 01.07.09