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aus dysphagiologischer Sicht Dipl. Heilpäd. Ulrich Birkmann (C)

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aus dysphagiologischer Sicht

Dipl. Heilpäd. Ulrich Birkmann (C)

• Diplom Sprachbehindertenpädagoge

• Dysphagiologe/Schlucktherapeut

• Leiter der „Schluckambulanz“ Troisdorf-Sieglar

• Fachbereiche: – Trachealkanülen

– Schwere Kau- und Schluckstörungen

– Amyotrophe Lateralsklerose

– Störungen der Nahrungsaufnahme bei Demenz

– Störung der Nahrungsaufnahme bei Schädel-Hirn-Verletzten

– Die endoskopische Schluckdiagnostik (FEES) – instrumentierender Therapeut

Dipl. Heilpäd. Ulrich Birkmann (C)

• Bei der ALS kommt es zu einem Verlust von Muskelsubstanz

• Die Muskeln werden entweder zu wenig mit Informationen versorgt (Atrophie)

• Oder es kommen zu viele Informationen am Muskel an (Spastik)

• Letztlich betrifft die Krankheit die Atemmuskeln

• Der Patient verstirbt an einer CO2 Narkose

Dipl. Heilpäd. Ulrich Birkmann (C)

„Die amyotrophe Lateralsklerose (ALS) (…)“ bezeichnet „ (…) ein charakteristisches klinisches Syndrom, das neuropathologisch aus einer Läsion des kortikospinalen Trakts, der Vorderhornzellen und der bulbären motorischen Hirnnervenkerne besteht.

Klinisch finden sich korrespondierend dazu fokal beginnende amyotrophe Paresen und Zeichen der Läsion der Pyramidenbahn, die im Verlauf generalisieren und nach 3-5 Jahren in die respiratorische Insuffizienz führen.“

Quelle: AWMF-online Leitlinie „Amyotrophe Lateralsklerose“

Dipl. Heilpäd. Ulrich Birkmann (C)

Dipl. Heilpäd. Ulrich Birkmann (C)

Degenerative Prozesse

IX – N. glossopharyngeus X – N. vagus XI - N. accessorius

Quelle: Mitsumoto 1998

Assoziiert mit Insp.

Assoziiert mit Exp.

Neuroanatomie der respiratorischen Muskelkontrolle

Dipl. Heilpäd. Ulrich Birkmann (C)

Klassische ALS (1 + 2 Motoneuron)

Progressive muskuläre Athrophie (nur 2. Motoneuron, im Verlauf bulbäre Symptome)

Progressive Bulbärparalyse (primäre symmetrische Degeneration der motorischen Hirnnervenkerne)

Primäre Lateralsklerose (nur 1. Motoneuron)

Dipl. Heilpäd. Ulrich Birkmann (C)

Klassische ALS

Progressive Muskel-Atrophie (PMA)

Progessive Bulbärparalyse (PBP)

Primäre Lateralsklerose (PLS)

Bulbär-Spinal Spinal (selten bulbär)

Ausschließlich bulbär

Bulbär-Spinal

Median 4,32 Jahre (Czaplinski et al. 2006)

Länger als ALS Median 2-3 Jahre (Leight et al. 2003)

Sehr viel länger als ALS (Gordon et al. 2006)

Dipl. Heilpäd. Ulrich Birkmann (C)

Quelle: Miller et al. 2011

Dipl. Heilpäd. Ulrich Birkmann (C)

6-8 / 100.000 (Prävalenz) 80% sind bei Beginn der

Erkrankung 45 – 70 J. Die Inzidenz nimmt mit dem

Alter zu. Die untere Altersgrenze der Erstmanifestation ist 20 Jahre

[Gubbay 1985]. Männer sind im Verhältnis

1,5 zu 2-mal häufiger betroffen als Frauen [Jerusalem 1994].

Ø Prognose: 3,3 Jahre *

* Quelle: http://edoc.ub.uni-muenchen.de/1890/1/Neudert_Christian.pdf

El Escorial Kriterien

Dipl. Heilpäd. Ulrich Birkmann (C)

* Regionen: bulbär, zervikal, thorakal, lumbosakral

*

Beteiligtes neuronales System Mögliche Symptome

bulbär • Dysarthrie • Dysphagie • Sialorhoe (Drooling) • Aspiration • Laryngospasmus • Spastische Bulbäre Paralyse

1. Motoneuron • Hyperreflexie • Spastik • Hypertone Muskulatur

2. Motoneuron • Muskelschwäche • Hyporeflexie • Athrophie • Muskelkrämpfe • Faszikulationen

Quelle: MITSUMOTO et al.: Amyotrophic Lateral Sclerosis. Contemporary Neurology Series, 1998 Dipl. Heilpäd. Ulrich Birkmann (C)

Dipl. Heilpäd. Ulrich Birkmann (C)

State 1 (mild) State 2 (moderate) State 3 (severe) State 4 (terminal)

Dipl. Heilpäd. Ulrich Birkmann (C)

1. Frühe Essprobleme

2. Änderung der Konsistenz

3. PEG + oral Kost

4. Ausschließlich Sondenernährung

*Marc Riviere, MD; Vincent Meininger, MD; Phillipe Zeisser, MD; Theodore Munsat, MD Arch Neurol. 1998;55:526-528

Dipl. Heilpäd. Ulrich Birkmann (C)

Oral – pharyngeal – ösophageal Gestörte Bolusbildung Mastikation

Gestörte Bolus- und Flüssigkeitskontrolle Zungenschüssel, Buccinator-Mechanismus

Gestörter Bolus- und Flüssigkeitstransport Zungenmotilität

Gestörter pharyngealer Transfer (Ofenrohr) Reduzierte Zungenbasisretraktion Insuffizienter Glottisschluss Reduzierter Sphinktermechanismus (OÖS)

Dipl. Heilpäd. Ulrich Birkmann (C)

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Dipl. Heilpäd. Ulrich Birkmann (C)

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ALS Normalbefund

Dipl. Heilpäd. Ulrich Birkmann (C)

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Reduzierter Verschluss der Glottis

Dipl. Heilpäd. Ulrich Birkmann (C)

Kein ausreichender Widerstand gegen den subglottischen Druck bei Phonation aber vor allem bei Husten

Inspiration Kompression

Expulsion

Hustengeräusch

Quelle: Miller et al. 2011

Dipl. Heilpäd. Ulrich Birkmann (C)

Inspiration

Kompression

Expulsion

Inspiration Inspiration-Beginn der Kompression

Kompression – Beginn der Expulsion

Trachoe-ösophageale

Membran

Ösophagus

Trachea

Musculus trachealis

im Sinne einer insuffizienten Funktion der tracheo-ösophagealen Membran

Dipl. Heilpäd. Ulrich Birkmann (C)

Dipl. Heilpäd. Ulrich Birkmann (C)

Dipl. Heilpäd. Ulrich Birkmann (C)

Erste Anzeichen

Kommunikation

Kauen/Schlucken/PEG

(Be-)Atmung/Husten

Tracheostomie

Palliativmedizin

Tod

„Quasi Locked-in-

Syndrom“

Dipl. Heilpäd. Ulrich Birkmann (C)

Chronische respiratorische Insuffizienz

Instabiler oberer Luftweg

Hypoventilation (vor allem nachts)

Insuffizientes Sekretmanagement

Prophylaxe von bakteriellen Pneumonien

Weniger: Bolus- und Speichelaspiration

Dipl. Heilpäd. Ulrich Birkmann (C)

American Association for Respiratory Care Clinical Practice Guidelines 2007

1. Lebenserhaltung, Lebensverlängerung

2. Verbesserung der Lebensqualität

3. Reduktion von Morbidität

[…]

Verbessertes Sekretmanagement

Dipl. Heilpäd. Ulrich Birkmann (C)

http://www.encyclopedia.com

Dipl. Heilpäd. Ulrich Birkmann (C)

Langsame Krankheitsverlauf

Hohe Motivation

Ausreichendes Verständnis der medizinischen Optionen

Möglichkeit zur Kommunikation

Möglichkeit der Teilhabe am täglichen Leben

Familiäre Unterstützung

Finanzielle Ressourcen

Betreuung durch ein professionelles interdisziplinäres Team

GELINAS et al. 2000; RABKIN et al. 2006 Dipl. Heilpäd. Ulrich Birkmann (C)

Tracheostomie bei ALS scheint tendenziell das Outcome zu verbessern

Die Lebensqualität verbessert sich dadurch nicht zwangläufig

Tracheostomie verbessert die respiratorischen Funktionen und erleichtert das Sekretmanagement

Tracheostomie sollte nur bei günstigen Voraussetzungen durchgeführt werden

Die Betreuung von tracheostomierten ALS-Patienten erfordert ein spezialisiertes multidisziplinäres Team Dipl. Heilpäd. Ulrich Birkmann (C)

Dipl. Heilpäd. Ulrich Birkmann (C)

Bei ALS sind leichte Übungen zur Erhaltung des Bewegungsausmaßes sinnvoll. Von exzessiven, repetitiven Übungen, die zur schnellen Ermüdungserscheinungen führen, ist abzusehen (im Sinne einer wohldosierten, individuell angepassten Manipulation der relevanten neuromukulären Strukturen)!

„It is the role of the SLP who specializes in disease

such as ALS to continually reevaluate communication and swallowing needs as they change. (…)

The philosophy of management swallowing problems

in ALS is to teach the patient about the potential problems before they occur and to circumvent (verhindern) them by unsing compensatory strategies for as long as possible.“

M. Kazandjian in Mitsumoto, H. 2009

Dipl. Heilpäd. Ulrich Birkmann (C)

Dipl. Heilpäd. Ulrich Birkmann (C)

Für die Therapie wichtig sind:

Körperhaltung (Chin-Tuck)*

Kieferkontrolle (Fazilitation der Kaubewegung, Mundschluss)

*Bei ausreichendem Mundschluss

Dipl. Heilpäd. Ulrich Birkmann (C)

Im weiteren Verlauf ist eine Essensbegleitung sinnvoll. Es empfiehlt sich, mehrere kleinere Mahlzeiten über den Tag zu verteilen

Bei Schwierigkeiten der Aufnahme von festen und krümeligen Speisen (aufgrund der stärkeren Beanspruchung der Kaumuskulatur) sind diätetische Maßnahmen einzuleiten

Ständige Kontrolle der Nahrungs- und Flüssigkeitszufuhr

Dipl. Heilpäd. Ulrich Birkmann (C)

Kenntnis über Maßnahmen der Ersten-Hilfe bei Notfallsituationen (Verlegung der Atemwege durch akute Aspiration)

Bei Mangelernährung hochkalorische Kost (Enge Zusammenarbeit mit Ärzten, Pflegepersonal und Ernährungsberatung)

Cranio-mandibulare und orofaziale Tonusregalation (N.M.K. )

Therapeutische Mundpflege (F.O.T.T.)

Passive Fazilitation der Muskeln (P.N.F.)

Dipl. Heilpäd. Ulrich Birkmann (C)

Angepasste, kurze Widerstände im Bereich

der Kopfrotation (1.) und Seitenneigung (2.)

nach rechts und links

1. 2.

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Anteflexion Retraktion

Protraktion Dipl. Heilpäd. Ulrich Birkmann (C)

Dipl. Heilpäd. Ulrich Birkmann (C)

M. transversus

M. Longitudinalis

M. styloglossus

M. genioglossus

Dipl. Heilpäd. Ulrich Birkmann (C)

Quelle: Christiane Türk et

al.: Das Castillo Morales-

Konzept. Thieme 2012

Buccinatormechanismus

Aus: H. Penner, T. Bur, R. Nusser-Müller-Busch, P. Oster (2010)

Dipl. Heilpäd. Ulrich Birkmann (C)

Kann der Patient überhaupt schlucken?

Möchte der Patient gerne essen und trinken?

Was kann er essen und trinken?

Wie hoch ist das Aspirationsrisiko?

Ist eine PEG-Sonde erforderlich/notwenig/erwünscht?

Welche Maßnahmen sind sinnvoll?

Quelle : H. Penner, T. Bur, R. Nusser-Müller-Busch, P. Oster (2010)

Dipl. Heilpäd. Ulrich Birkmann (C)

Fehlender Mundschluss

ausgetrocknete Mund- und Rachenflora

gestörte bis fehlende Sensibilität

stark reduzierte

Schluckfrequenz

„Use it or lose it!“

Athrophie der Schluck-

und Kaumuskulatur

Verhängnisvolle Verkettung

Dipl. Heilpäd. Ulrich Birkmann (C)

Dipl. Heilpäd. Ulrich Birkmann (C)

Leichter Körperkontakt

Extra- und intraorale Stimulation/ Mundpflege

Massagen

Da sein/ Zeit haben

Trost/Zuspruch

Essensbegleitung

Zuhören