autoantikörper und dermatologische krankheitsbilder

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hautnah 2013 · 12:16–17 DOI 10.1007/s12326-013-0046-4 © Springer-Verlag 2013 N. T. Sepp 1 · B. C. Böckle 2 1 Univ.-Klinik für Dermatologie und Venerologie, Medizinische Universität Innsbruck 2 Barbara Bommer Stiftung für Klinische Immundermatologie, Innsbruck Autoantikörper und dermatologische Krankheitsbilder Eine herausfordernde Assoziation Leitthema Antinukleäre Antikörper (ANA) sind ein wesentlicher Bestandteil in der Diagnos- tik von Autoimmunerkrankungen. Es gibt eine Reihe von klinisch wichtigen antinu- kleären Antikörpern (ds-DNA-Antikör- per, Sm-Antikörper, RNP70-Antikörper, Ro/SSA Antikörper, La/SSB Antikörper, Scl-70 Antikörper, PM-Scl Antikörper, Jo-1 Antikörper, centromere Antikörper), die mit unterschiedlichen Autoimmuner- krankungen assoziiert sind. Lupus erythematodes Der Lupus erythematodes – als klassische Autoimmunerkrankung – zeigt eine Vielfalt von klinischen Organmanifestationen, wel- che in der Behandlung der Expertise ver- schiedener Fachdisziplinen bedürfen. Typi- sche Autoantikörper wie Ro/SSA Antikör- per wurden bei Patienten mit systemischem Lupus erythematodes (SLE) (ca. 30 – 60 %), bei Sjögren Syndrom, neonatalem Lupus erythematodes, bei primärer billärer Zir- rhose und hereditärem C2/C4 Mangel ge- funden. Bei spezifischen kutanen LE For- men, insbesondere dem subacut cutanem Lupus erythematodes sind Ro-Antikörper wichtige Bestandteile der Diagnostik. Be- kannt ist auch die erhöhte Photosensibili- tät bei Patienten mit Lupus erythematodes und nachweisbaren Ro-Antikörpern. Verlaufsform mit erhöhtem Malignomrisiko Das klinisch dermatologische Erschei- nungsbild des Lupus erythematodes ist mannigfaltig, sehr heterogen und erfor- dert vom Dermatologen in der Praxis ge- naue Kenntnis der verschiedenen Ver- laufsformen. Bei einer Studie [1] mit über 303 Pa- tienten mit Ro-positiven Antikörpern während der letzten 11 Jahre in der Am- bulanz für Autoimmundermatosen der Univ.-Klinik für Dermatologie und Vene- rologie Innsbruck konnte festgestellt wer- den, dass Ro/SSA Antikörper positive Pa- tienten eine höhere Rate in der Entwick- lung von Malignomen zeigen (. Tab. 1). Regressionsmodelle zeigten, dass Ro Anti- körper positive Patienten, älter als 55 Jah- re, mit Fieber, Anämie und kutanem Lu- pus erythematodes, eine größere Chance haben, ein Malignom zu entwickeln, ver- glichen mit Patienten mit Ro-Antikörper positiven Patienten ohne die oben ange- führten klinischen Kriterien. Klinische Expertise Eine weitere Studie mit 215 Patienten [2] zeigte, dass 89,9 % aller Ro-positiven Antikörper positiven LE Patienten eine Manifestation im Sinne eines spezifischen oder unspezifischen kutanen LE aufwie- sen. Nur rund 80 % unserer Ro-positiven Antiköper positiven Patienten hatten auch nachweisbare ANA. Dies unterstreicht die Bedeutsamkeit der klinischen Expertise des Dermatologen, damit LE Patienten primär als solche verdächtigt werden, um anschließend einer weiterführenden Dia- gnostik, auch trotz negativer ANA einzu- leiten. Das Risiko für eine innere Organ- beteiligung bei Ro-positiven Antikörpern Tab. 1 Br J Dermatol 2012 167(5):1067-1075 Cancer type No. observed No. expected SIR 95 % CI All 39 15 · 18 2 · 6 1 · 9 – 6 · 1 Melanoma 11 0 · 33 33 · 3 5 · 2 – 188 · 6 Breast carcinoma 11 2 · 01 4 · 98 1 · 3 – 28 · 3 NHL 4 0 · 34 10 · 6 1 · 5 – 78 · 9 T-cell lymphoma 2 0 · 12 16 · 7 2 · 9 – 128 · 9 Lymphatic leukaemia 1 0 · 22 4 · 5 0 · 6 – 44 · 7 Adenocarcinoma of tonsil 1 0 · 06 16 · 5 2 · 9 – 141 · 3 Thyroid 1 0 · 43 2 · 8 0 · 4 – 29 · 8 Lung 4 2 2 · 37 0 · 4 – 10 · 9 Cervix (CIN III) 6 2 3 0 · 60 – 15 · 75 Bladder 1 0 · 43 2 · 6 0 · 4 – 29 · 3 Prostate 1 4 · 3 0 · 23 0 · 03 – 2 · 3 Colon 1 1 · 1 0 · 93 0 · 07 – 16 · 1 CI = confidence interval; CIN = cervical intraepithelial neoplasia; NHL = non-Hodgkin lymphoma. Der Originalartikel ist erschienen im WMW- Skriptum 13/2012 15

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hautnah 2013 · 12:16–17DOI 10.1007/s12326-013-0046-4© Springer-Verlag 2013

N. T. Sepp1 · B. C. Böckle2 1Univ.-Klinik für Dermatologie und Venerologie, Medizinische Universität Innsbruck2Barbara Bommer Stiftung für Klinische Immundermatologie, Innsbruck

Autoantikörper und dermatologische Krankheitsbilder

Eine herausfordernde Assoziation

Leitthema

Antinukleäre Antikörper (ANA) sind ein wesentlicher Bestandteil in der Diagnos-tik von Autoimmunerkrankungen. Es gibt eine Reihe von klinisch wichtigen antinu-kleären Antikörpern (ds-DNA-Antikör-per, Sm-Antikörper, RNP70-Antikörper, Ro/SSA Antikörper, La/SSB Antikörper, Scl-70 Antikörper, PM-Scl Antikörper, Jo-1 Antikörper, centromere Antikörper), die mit unterschiedlichen Autoimmuner-krankungen assoziiert sind.

Lupus erythematodes

Der Lupus erythematodes – als klassische Autoimmunerkrankung – zeigt eine Vielfalt von klinischen Organmanifestationen, wel-che in der Behandlung der Expertise ver-schiedener Fachdisziplinen bedürfen. Typi-sche Autoantikörper wie Ro/SSA Antikör-per wurden bei Patienten mit systemischem Lupus erythematodes (SLE) (ca. 30 – 60 %), bei Sjögren Syndrom, neonatalem Lupus erythematodes, bei primärer billärer Zir-rhose und hereditärem C2/C4 Mangel ge-funden. Bei spezifischen kutanen LE For-men, insbesondere dem sub acut cutanem Lupus erythematodes sind Ro-Antikörper wichtige Bestandteile der Diagnostik. Be-kannt ist auch die erhöhte Photosensibili-tät bei Patienten mit Lupus erythematodes und nachweisbaren Ro-Antikörpern.

Verlaufsform mit erhöhtem Malignomrisiko

Das klinisch dermatologische Erschei-nungsbild des Lupus erythematodes ist mannigfaltig, sehr heterogen und erfor-

dert vom Dermatologen in der Praxis ge-naue Kenntnis der verschiedenen Ver-laufsformen.

Bei einer Studie [1] mit über 303 Pa-tienten mit Ro-positiven Antikörpern während der letzten 11 Jahre in der Am-bulanz für Autoimmundermatosen der Univ.-Klinik für Dermatologie und Vene-rologie Innsbruck konnte festgestellt wer-den, dass Ro/SSA Antikörper positive Pa-tienten eine höhere Rate in der Entwick-lung von Malignomen zeigen (. Tab. 1). Regressionsmodelle zeigten, dass Ro Anti-körper positive Patienten, älter als 55 Jah-re, mit Fieber, Anämie und kutanem Lu-pus erythematodes, eine größere Chance haben, ein Malignom zu entwickeln, ver-glichen mit Patienten mit Ro-Antikörper positiven Patienten ohne die oben ange-führten klinischen Kriterien.

Klinische Expertise

Eine weitere Studie mit 215 Patienten [2] zeigte, dass 89,9 % aller Ro-positiven Antikörper positiven LE Patienten eine Manifestation im Sinne eines spezifischen oder unspezifischen kutanen LE aufwie-sen. Nur rund 80 % unserer Ro-positiven Antiköper positiven Patienten hatten auch nachweisbare ANA. Dies unterstreicht die Bedeutsamkeit der klinischen Expertise des Dermatologen, damit LE Patienten primär als solche verdächtigt werden, um anschließend einer weiterführenden Dia-gnostik, auch trotz negativer ANA einzu-leiten. Das Risiko für eine innere Organ-beteiligung bei Ro-positiven Antikörpern

Tab. 1 Br J Dermatol 2012 167(5):1067-1075

Cancer type No. observed No. expected SIR 95 % CI

All 39 15 · 18 2 · 6 1 · 9 – 6 · 1

Melanoma 11 0 · 33 33 · 3 5 · 2 – 188 · 6

Breast carcinoma 11 2 · 01 4 · 98 1 · 3 – 28 · 3

NHL 4 0 · 34 10 · 6 1 · 5 – 78 · 9

T-cell lymphoma 2 0 · 12 16 · 7 2 · 9 – 128 · 9

Lymphatic leukaemia 1 0 · 22 4 · 5 0 · 6 – 44 · 7

Adenocarcinoma of tonsil 1 0 · 06 16 · 5 2 · 9 – 141 · 3

Thyroid 1 0 · 43 2 · 8 0 · 4 – 29 · 8

Lung 4 2 2 · 37 0 · 4 – 10 · 9

Cervix (CIN III) 6 2 3 0 · 60 – 15 · 75

Bladder 1 0 · 43 2 · 6 0 · 4 – 29 · 3

Prostate 1 4 · 3 0 · 23 0 · 03 – 2 · 3

Colon 1 1 · 1 0 · 93 0 · 07 – 16 · 1

CI = confidence interval; CIN = cervical intraepithelial neoplasia; NHL = non-Hodgkin lymphoma.

Der Originalartikel ist erschienen im WMW-Skriptum 13/2012

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an positiven LE Patienten zeigte sich bei Vorhandensein von Leukopenie, positi-ven ANA, Arthralgien sowie Müdigkeit. Vor allem Patienten mit Sm-Antikörper, einem akuten kutanen LE, einer zusätz-lichen Autoimmunerkrankung und einer Serositis haben ein erhöhtes Risiko für eine Beteiligung der Nieren. Die Über-sichtstabelle zeigt die charakteristischen klinische Sympotomatik und Laborpara-meter von Ro-Ak positiven LE Patienten, abhängig von der dermatologischen Ma-nifestation: z. B. über 50 Jahre alte Patien-ten ohne ANA entwickeln praktisch nie

eine Organbeteiligung anderer Organe! (. Tab. 2). Die klinischen Abbildungen zeigen charakteristische Hautmanifesta-tionen (. Abb. 1, 2).

Diese Studien zeigen, dass gerade die Dermatologen in Kenntnis der unspezifi-schen und spezifischen Hautveränderun-gen bei Lupus erythematodes („Lupus ery- thematodes – ein Chamäleon der Haut“), sehr wohl gegenüber den anderen Diszi-plinen, die bei der Betreuung der Lupus Pa tienten involviert sind, den großen Vor-teil haben, an Hand der klinischen Bilder, zu sammen mit der Autoantikörperdiag-

nostik, Patienten in ihrem weitern klini-schen Verlauf und ihrer Prognose einzu-schätzen.

Korrespondenzadresse

Ao. Univ.-Prof. Dr. Norbert T. SeppUniv.-Klinik für Dermatologie und VenerologieMedizinische Universität Inns-bruck Anichstraße 35 6020 Innsbruck Fax: ++43/512/504-22990 E-Mail: [email protected]

Mag. Dr. Barbara C. BöckleBarbara Bommer Stiftung fürKlinische ImmundermatologieHaspingerstraße 96020 InnsbruckE-Mail: barbara. [email protected]

Abb. 18 Charakteristisches klinisches Bild eines sub akuten SCLE

Abb. 2 8 Bild eines chilblain Lupus erythema-todes

Tab. 2

Diese Übersichtstabelle zeigt die charakteristischen klinische Symptomatik und Laborpara-meter von Ro-Ak positiven LE Patienten, abhängig von der dermatologischen Manifestation: z. B. über 50 Jahre alte Patienten ohne ANA entwickeln praktisch nie eine Organbeteiligung anderer Organe!

CLE = subacuter cutaner LE, CLE = cutaner LE, DLE = diskoider LE, LET = lupus erythematodes tumidus, CHLE = chilblain LE, ACLE = akuter cutaner LE

© A

rchi

Arc

hiv

16 | hautnah 1 · 2013

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