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Veröffentlichungsreihe der Forschungsgruppe Gesundheitsrisiken und Präventionspolitik Wissenschaftszentrum Berlin ISSN-0935-8137 P89-208 Behandlung, Versorgung und Betreuung von AIDS-Patienten in Berlin - Ergebnisse einer Vorstudie - von Dagmar Sommerfeld Berlin, September 1989 Die Studie wurde im Rahmen des Sofortprogramms 'Sozialwissenschaft- liche Aids-Forschung 1 vom Senator für Wissenschaft und Forschung in Berlin gefördert. Projektleitung: Rolf Rosenbrock Publication series of the research group "Health Risks and Preventive Policy" Wissenschaftszentrum Berlin D-1000 Berlin 30, Reichpietschufer 50 Tel.: 030/25491-577

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Page 1: Behandlung, Versorgung und Betreuung von AIDS-Patienten in ... · UKS wird versucht, die spezifischen Vorteile einer multidisziplinären Klinikambulanz mit Sondersprechstunde und

Veröffentlichungsreihe der Forschungsgruppe

Gesundheitsrisiken und Präventionspolitik

Wissenschaftszentrum Berlin

ISSN-0935-8137

P89-208

Behandlung, Versorgung und Betreuung

von AIDS-Patienten in Berlin

- Ergebnisse einer Vorstudie -

von

Dagmar Sommerfeld

Be r l i n , September 1989

Die Studie wurde im Rahmen des Sofortprogramms 'Sozialwissenschaft­liche Aids-Forschung

1

vom Senator für Wissenschaft und Forschung in Berlin gefördert. Projektleitung: Rolf Rosenbrock

Publication series of the research group

"Health Risks and Preventive Policy"

Wissenschaftszentrum Berlin

D-1000 Berlin 30, Reichpietschufer 50

Tel.: 030/25491-577

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Inhaltsverzeichnis

Seite

Zusammenfassung 5

1. Auftrag 9

2. Zielsetzung und Durchführung des Vorhabens 10

3. Ausgangslage 13

3.1 Generelle Entscheidungen im Vorfeld der Krankenversorgung 13

3.2 Versorgungsproblematik der Hauptbetroffenengruppen (homosexuelle Männer, drogenabhängige Männer und Frauen) 16

3.3 Bedeutung sozialer Netzwerke - Integration der BAH i n das Gesundheitssystem 21

3.4 Die Versorgung aidskranker Patienten im Krankenhaus und im ambulanten Versorgungsbereich - Leitvorgaben und An­forderungen 23

3.4.1 Patientenorientierte Versorgung 26 3.4.1.1 Routinepflege versus patientenorientierte Pflege 28

4. Versorgungsangebot 32

4.1 I n s t i t u t i o n e l l e s Gesamtsystem der Krankenversorgung 32

5„ Ambulante Versorgung von aidskranken Patienten 35

5.1 Behandlungsschwerpunkte im ambulanten Bereich 35

5.1.1 Sozialstationen 36

5.1.2 HIV-e.V. (Hilfe-Information-Vermittlung-e.V.) 42

5.2 Arbeitskreis AIDS - Niedergelassene Ärzte Berlin 44

5.3 P o l i k l i n i k (UKS) 46

5.4 Selbsthilfeorganisationen 47

5.4.1 Berliner AIDS-Hilfe 49

5.4.2 AIDS-Forum 50

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6. Behandlungsschwerpunkte/Krankenhäuser 52

6.1 Stationäre Versorgung 53

6.1.1 Strukturelle Rahmenbedingungen 54 6.1.1.1 Patientenstruktur 55 6.1.1.1. 1 Auguste-Viktoria-Krankenhaus (AVK) 56 6.1.1.1. 2 Universitätsklinikum Stegl i t z (UKS) 57 6.1.1.1. 3 Universitätsklinikum Rudolf Virchow, Standort Wedding

(RVK) 58 6.1.1.2 Personal struktur 59 6.1.1.3 Qualitative Versorgungsaspekte 61 6.1.1.3. 1 Neue Betreuungs- und Versorgungsangebote 61 6.1.1.3. 1 1 AVK 62 6.1.1.3. 1.2 UKS 63 6.1.1.3. 1 3 RVK 64 6.1.1.3. 2 Zusammenfassung 65 6.1.1.4 Pflegerische Versorgung (Information und Dokumentation) 66 6.1.1.4. 1 AVK 68 6.1.1.4. 2 UKS 68 6.1.1.4. 3 RVK 68 6.1.1.5 Zusammenfassung 69

6.2 Stationäre Versorgung und s i t u a t i v e Verbesserungsmög­lichkeiten für die Patienten 70

6.2.1 AVK 70 6.2.2 UKS 71 6.2.3 RVK 72

6.3 Schnittstellenbereich zwischen stationärer und ambu­lanter Versorgung 72

6.3.1 Aufgaben der Koordinationspflegekräfte 73 6.3.2 Inhal t l i c h e Anforderungen an die Überleitungen von

stationärer zu ambulanter Versorgung 74 6.3.3 Kooperationspartner 75 6.3.3.1 Organisatorische Anforderungen 75 6.3.3.1 1 AVK 77 6.3.3.1 2 UKS 79 6.3.3.1 3 RVK 80

7. Arbeitsanforderungen und -beiastungen bei der Versorgung AIDS-kranker Patienten 82

7.1 Arbeitsanforderungen und -beiastungen aus der Sicht der Pflegekräfte 84

8. Ausblick 87

Literatur 89

Anhang 96

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Abbi1dungsverzei chnis

Abbildung 1: Die sechs "Schritte" des Pflegeprozeßmodells 27

Abbildung 2: Bedingungen und Rahmenvorgaben für die Pflege 31

Abbildung 3: I n s t i t u t i o n e l l e s Versorgungsangebot/Handlungsanfor­derungen 34

Abbildung 4: Versorgungsangebote der Krankenhäuser 65

Abbildung 5: Kooperationspartner/Koordinationspflege 76

Tabel1enverzei chni s

Tabelle 1: Zusätzliche PI anstellen/Sozial Stationen 37

Tabelle 2: Entwicklung der Patientenzahlen 1986 bis 1987 in den

Krankenhäusern 52

Tabelle 3: Patientenstruktur AVK 56

Tabelle 4: Patientenstruktur UKS 57

Tabelle 5: Patientenunterteilung nach Hauptbetroffenengruppen,

RVK, 1.6. bis 30.11.1987 58 Tabelle 6: Patienten- und Personal struktur (AVK, UKS, RVK) 60

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ZUSAMMENFASSUNG

Gegenstand dieser Vorstudie über die Behandlung, Versorgung und

Betreuung von AIDS-Patienten in Berlin (West) sind Strukturen der

ambulanten und stationären Krankenversorgung, die im Zusammenhang mit

der neuen Immunschwächeerkrankung AIDS entstanden sind.

AIDS s t e l l t nicht nur an die öffentliche Gesundheitspflege

(Prävention) neuartige Anforderungen, auch das KrankenVersor­

gungssystem sieht sich vor neue Versorgungsnotwendigkeiten g e s t e l l t :

Es geht um die Behandlung, Versorgung und Betreuung von ganz

überwiegend jungen Patientinnen, die an einer chronischen und nach

sehr unterschiedlichem Verlauf sehr häufig zum Tode führenden

Infektionskrankheit leiden. Der Krankheitsverlauf erlaubt es zumeist,

die Phasen stationärer Versorgung kurz und gewissermaßen als

Ausnahmefall einer an sich ambulanten Versorgung zu gestalten. Die

Tatsache, daß die große Mehrzahl der Patienten homosexuell i s t oder

intravenös Drogen benutzt ( h a t ) , erfordert zusätzliche Anpassungs­

leistungen der I n s t i t u t i o n e n . Zugleich hat sich im Umkreis der

Hauptbetroffenengruppen eine Infrastruktur der 'organisierten

Betroffenenkompetenz' (vor allem AIDS-Hilfen) herausgebildet, deren

Potenzen sich neben der Primärprävention auch i n der Betreuung von

Kranken und der Sterbebegleitung zeigen.

Auf diese komplexe und neue Anforderung hat das Krankenver­

sorgungssystem in Berlin (West) mit einer ganzen Reihe von

i n s t i t u t i o n e l l e n Innovationen re a g i e r t . Diese Innovationen sind zum

Teil durch spezielle Förderungen auf Bundes- bzw. Landesebene, zum

Teil durch Anstöße aus den Institutionen und zum Teil zunächst

informell und spontan entstanden. Durchweg stehen die Institutionen

innovativen Impulsen inzwischen sehr aufgeschlossen gegenüber: Bei den

befragten Ärzten, Pflegekräften, Sozialarbeitern, Mitarbeitern der

Selbsthilfeorganisationen und Wissenschaftlern herrscht Konsens

darüber, daß für die Versorgung von AIDS-Patienten Versorgungskonzepte

zu entwickeln und umzusetzen sind,

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die ein patientenorientiertes Vorgehen bei der Behandlung und

Versorgung dieses Personenkreises ermöglichen,

mit denen medizinisch nicht erforderliche Krankenhausaufenthalte

vermieden werden können und

die eine umfassende ambulante Versorgung sicherstellen.

Die in diesem Bericht beschriebenen Strukturen lassen sich sämtlich

diesem Zielbündel zuordnen, zum Teil werden sie ihm bereits weitgehend

gerecht, zum Teil bestehen Lücken und D e f i z i t e . Die Qualität der

medizinischen Behandlung i.e.S. war dabei nicht Gegenstand dieser

Untersuchung.

In der ambulanten Versorgung findet sich auf der medizinischen Ebene

mit dem "Arbeitskreis AIDS - Niedergelassene Ärzte Berlin" eine

eff i z i e n t e n Kooperationsform, die Probleme der ärztlichen Fortbildung

oder Vermittlung zwischen Kl i n i k und Praxis sowie der Verknüpfung

zwischen medizinischer, pflegerischer, psychologischer und sozialer

H i l f e gezielter angeht als dies in der Krankenversorgung sonst üblich

i s t . In der ambulanten Pflege finden sich in erheblichem Umfang eigens

zu diesem Zweck verstärkte Sozial Stationen, zum Teil i n besonders

Betroffenen-naher Organisationsform. Sie können in ihrer Arbeit auf

das Wissen und die Qualifikation eines ebenfalls eigens dafür

eingerichteten "Mobilen Informations- und Beratungsteams"

zurückgreifen. Ein i n dieser Qualität und Quantität neuer Akteur auch

in der ambulanten Versorgung und Behandlung i s t die organisierte,

überwiegend ehrenamtliche Betroffenenkompetenz i n Gestalt der

Mitarbeiter der Berliner AIDS-Hilfe (i.d.F.: BAH) und anderer

Sei bsthi1feansätze.

Die stationäre Versorgung von AIDS-Patienten findet in Berlin (West)

in Behandlungsschwerpunkten s t a t t , von denen die drei größten, das

Auguste-Viktoria-Krankenhaus (i.d.F.: AVK), das Universitätsklinikum

Steglitz (i.d.F.: UKS) sowie die Universitätsklinik Rudolf Virchow,

Standort Wedding (i.d.F.: RVK) in die Untersuchung einbezogen wurden.

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Die in diesen drei Krankenhäusern etablierten Modelle unterscheiden

sich h i n s i c h t l i c h des Anteils der AIDS-Patienten auf den Stationen

sowie auch ganz erheblich h i n s i c h t l i c h ihrer internen und externen

Kooperationsformen. Eine Bewertung dieser Modelle (auch im Vergleich

mit i n Berlin nicht existierenden 'reinen' AIDS-Stationen wie im

Universitätsklinikum Frankfurt) i s t auf der Basis des bisher erhobenen

Materials noch nicht möglich. In der stationären Versorgung sind wegen

des außerordentlichen Pflege- und Behandlungsbedarfs und der

besonderen psychosozialen Belastungen den Stationen mit AIDS-Patienten

zusätzliche Stellen für Medizinerinnen und Pflegekräfte zugewiesen

worden. In der Praxis scheint diese Verstärkung derzeit die besten

Ergebnisse dort zu erzielen, wo bereits vor dem Auftreten von AIDS die

Grundlagen für eine moderne Pflegeplanung mit entsprechender

Dokumentation gelegt wurden. Ansätze der Gruppenpflege scheinen auch

bei AIDS-Patienten solchen der Funktionspflege i n der Pflegequalität

überlegen zu sein. Die organisatorische und gruppendynamische

Situation könnte vielfach durch verbesserte, zum Teil formalisiertere

Kommunikation und Kooperation zwischen Ärzten, Pflegepersonal und

Psychologen, Seelsorgern sowie z.B. durch gemeinsame Balint-Gruppen

verbessert werden. Die Einbeziehung von Selbsthilfeorganisationen in

den stationären Versorgungsprozeß, veränderte Besuchsregimes (zum Teil

mit Rooming-in) sowie weitere organisatorische Veränderungen auf

Stationsebene, die auf die Bedürfnisse der Patienten abgestimmt sind,

stellen zum Teil beachtliche Innovationen dar.

Bei der Versorgung chronisch Kranker mit sporadischer Notwendigkeit

der Krankenhausbehandlung i s t die Verzahnung zwischen stationärer und

ambulanter Versorgung t r a d i t i o n e l l eine Schwachstelle. Im Rahmen der

Versorgung von AIDS-Patienten sind auch hier wichtige

Weiterentwicklungen bzw. Innovationen f e s t z u s t e l l e n . Im Bereich des

UKS wird versucht, die spezifischen Vorteile einer multidisziplinären

Klinikambulanz mit Sondersprechstunde und Rückgriff auf die

Klinikressourcen zu nutzen. Zu nennen i s t hier auch die gemeinsame

krankheitsbezogene Fortbildung von niedergelassenen und Ärzten aus dem

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Krankenhaus (vor allem aus dem AVK). Solche Strukturen können auch die

Durchführung von klinischen und Verlaufs-Studien begünstigen.

Für die Organisierung der bruchlosen Vermittlung zwischen ambulanten

und stationären Phasen wurden Koordinationspflegekräfte eingesetzt,

die in Ergänzung zu und i n Kooperation mit den Sozialdiensten der

Krankenhäuser für Kontinuität und Informationsfluß h i n s i c h t l i c h

medizinischer, pflegerischer und sozialer Versorgung und Betreuung

sorgen sollen. Der für das Krankenversorgungssystem in diesem Umfang

innovative Beitrag der Betroffenen und Selbsthilfeorganisationen wird

auch an der Schni t t s t e l l e ambulant/stationär sichtbar und wirksam.

Die Vorstudie enthält eine quantitative 'und q u a l i t a t i v e Beschreibung

der Versorgungsstrukturen für AIDS-Patienten einschließlich der hier

hervorgehobenen Innovationen. Dies erlaubt den Befund, daß das

Krankenversorgungssystem in Berlin (West) r e l a t i v schnell mit

zusätzlichen Ressourcen und z.T. innovativ auf AIDS reagiert hat.

Unter der Perspektive wissenschaftlich fundierter Qualitätsbeurteilung

und z i e l bezogener Weiterentwicklung i n der Krankenversorgung ergeben

sich daraus zugleich drei Fragen, die im vorgegebenen Rahmen nicht zu

untersuchen waren:

1. Es i s t unklar, wie sich die strukturellen Innovationen i n das

Gesamtgefüge der Krankenversorgung integrieren (werden). Dies

b e t r i f f t sowohl ihre Wirksamkeit ( i n bezug auf die selbst

gesetzten Ziele) als auch die Kooperation mit den ' t r a d i t i o ­

nellen' Elementen des Versorgungssystems. Empirischer Befund

i s t , daß diese Beziehungen bislang wenig f o r m a l i s i e r t sind und -

z.T. sehr gut - auf in d i v i d u e l l k o l l e g i a l e r Ebene funktionieren.

M i t t e l f r i s t i g und angesichts wachsender Patientenzahlen sind

hier organisatorische Anpassungen e r f o r d e r l i c h , wobei es zu

neuen Arbeitsteilungen und Arrangements zwischen verschiedenen

Funktionsbereichen (Medizin - Pflege - psychosoziale H i l f e -

Betroffenenkompetenz) und Institutionen (ambulant - stationär)

kommen kann. Zu den dabei zu bewältigenden Aufgaben gehört auch

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die Reduktion der i n einigen Bereichen eindeutig zu hohen

Arbeitsbelastungen.

2. Die vorgefundenen i n s t i t u t i o n e l l e n Innovationen zielen zwar a l l e

auf das Zielbündel patientenorientierter, umfassender und

prioritär ambulanter Behandlung und Versorgung von AIDS-

Patienten. Doch i s t die Frage nach der Wirkung dieser Strukturen

auf die Prozesse der Krankenversorgung selbst damit nicht

beantwortet. Zu fragen i s t , ob die gegebenen personellen,

informationellen und materiellen Ressourcen der

Krankenversorgung für Betroffene so auffindbar, lückenlos und i n

der Weiterverweisung orientierend sind, daß AIDS-Patienten unter

Wahrung ihrer sozialen und persönlichen Integrität solange wie

möglich ambulant und im Bedarfsfall möglichst schnell und

wirksam stationär versorgt werden.

3. AIDS i s t nicht die einzige chronische Krankheit mit wechselnden

Phasen stationärer und ambulanter Versorgung sowie sehr häufig

infauster Prognose. Es scheint, als habe der hohe

Problemlösungsdruck, der a l l e Aspekte von AIDS umgibt, einige

Rollenzuweisungen, Arbeitsteilungen und Institutionen in

Bewegung gebracht, die sich in der Vergangenheit als eher

widerständig gegen Reformvorschläge erwiesen hatten. Es g i l t nun

zu klären, welche der im Umkreis von AIDS entstandenen und als

p o s i t i v eingeschätzten Innovationen unter welchen Bedingungen

auch auf die Versorgung von anderen Patientengruppen mit

vergleichbaren Krankheiten übertragen werden können. In der

Perspektive dieser Frage liegen Strukturanpassungen i n der

Versorgung chronisch Kranker, die sowohl dem Zielbündel

patientenorientierter, umfassender und prioritär ambulanter

Versorgung als auch dem Gebot des wirtschaftlichen Umgangs mit

öffentlichen Ressourcen entsprechen.

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1. Auftrag

Im Rahmen des "Sofortprogramms für Sozialwissenschaftliche AIDS-For-

schung", gefördert durch den Senat für Wissenschaft und Forschung B e r l i n ,

führte die Forschungsgruppe "Gesundheitsrisiken und Präventionspolitik"

am Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung eine halbjährige Vor­

studie zur Versorgungssituation von aidskranken Menschen i n Berlin durch.

Der vorliegende Bericht faßt die Arbeitsergebnisse der Vorstudie zusammen

und i s t als Beitrag zur Bestandsaufnahme h i n s i c h t l i c h der im AIDS-Bereich

gewachsenen Strukturen in der Krankenversorgung zu verstehen. Der Bericht

s o l l zum einen als Grundlage zur Beurteilung der derzeitigen Versorgungs­

situation beitragen, zum anderen Aufschluß über weitere mögliche Projekt­

vorhaben geben.

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2. Zielsetzung und Durchführung des Vorhabens

Mit Auftreten der neuen, weltweit auftretenden Infektionskrankheit AIDS

i s t das Gesundheitssystem nicht nur i n medizinischer und pflegerischer

Hinsicht, sondern in besonderem Maße mit den beträchtlichen psychischen

und sozialen Begleiterscheinungen dieser Krankheit k o n f r o n t i e r t . Die Kon­

zentration der Krankheit auf Angehörige gesellschaftlich d e f i n i e r t e r

Randgruppen (vor allem homosexuelle Männer und i.v.-drogenabhängige Män­

ner und Frauen) hat zur Aktualisierung vielfältiger gesellschaftlicher

Probleme gezwungen (Umgang mit gesellschaftlichen Randgruppen, Auseinan­

dersetzung mit Sexualität, insbesondere mit männlicher Homosexualität und

kriminalisierten Aspekten des Drogenkonsums).

Vor diesem Hintergrund fand der Einstieg i n die Versorgung dieser Patien­

tengruppe in einem Klima von Seuchenangst, Diskriminierung, Angst vor

Diskriminierung und der Sorge, Diskriminierung oder Diskriminierungsangst

zu produzieren s t a t t .

Hinsichtlich des Gesamtsystems der Krankenversorgung (stationäre Versor­

gung/ambulante Versorgung) wurde i n den vergangenen Jahren konsequent und

mit großem Einsatz mit dem Aufbau problemadäquater Strukturen i n der

Krankenversorgung reagiert (Model 1programme der Bundesregierung, Selbst­

h i l f e i n i t i a t i v e n , Eigeninitiativen verschiedener Krankenhäuser, niederge­

lassener Ärzte u.a.m.). Darunter sind a l l e Bemühungen zu verstehen, aids­

kranken Menschen so lange und so weitgehend wie möglich eine Versorgung

auf ambulanter Ebene zu ermöglichen und den Betroffenen ein Höchstmaß an

Entscheidungsfreiraum (Autonomie i n der Wahl und Gestaltung der Hilfebe­

ziehungen) zu gewährleisten. Dazu zählt auch die Erhaltung und Förderung

privater und organisierter S e l b s t h i l f e .

Ziel der Vorstudie i s t , die weitgehend spontan und zunächst nicht planmä­

ßig koordiniert entstandenen Strukturen i n der Krankenversorgung im AIDS-

Bereich auf ihren Bestand hin darzustellen (Strukturanalyse) und f o r ­

schungsrelevante Probleme zu e r m i t t e l n , deren Lösung zur Entwicklung und

Sicherung in der Krankenversorgung beizutragen vermögen.

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Die unterschiedlichen, zum Teil im Aufbau befindlichen Versorgungsmodelle

konnten im Rahmen einer solchen Bestandsaufnahme nicht auf ihre Wirkung

für die Krankenversorgung und die Arbeitssituation der Beschäftigten be­

wertet werden. Dieses Unterfangen erfordert eine d e t a i l l i e r t angelegte

Analyse auf der Ebene der Abläufe und Prozesse.

Ein weiterer Schwerpunkt des Forschungsvorhabens bestand darin, Auskünfte

über die Versorgungs- und Arbeitsbedingungen auf Seiten der von AIDS Be­

troffenen und auf Seiten der Versorgenden in den stationären und ambulan­

ten Bereichen zu erhalten, insofern diese maßgeblich Einfluß auf Umfang

und Effektivität der erbrachten Versorgungsleistungen haben.

Die Forschungsarbeit konzentrierte sich auf ausgewählte Behandlungs­

schwerpunkte i n stationären und ambulanten Versorgungsbereichen, so daß

die Ergebnisse der Untersuchung nicht als repräsentative sondern als

exemplarische zu bewerten sind.

Kooperationspartner waren insbesondere

- die I I . Innere Abteilung am Auguste-Viktoria-Krankenhaus (AVK),

- das Universitätsklinikum Steglitz (UKS),

- die Berliner AIDS-Hilfe (BAH) und

- ambulante Pflegeeinrichtungen (SozialStationen, private Pflegeeinrich­

tungen, HIV-e.V.).

Die Bestandsaufnahme basiert auf einer Reihe von Interviews mit Beschäf­

ti g t e n der verschiedenen Versorgungseinrichtungen im stationären und am­

bulanten Bereich, Mitarbeitern von Selbsthilfegruppen, Helfern aus dem

privaten Umfeld Betroffener und betroffenen Patienten. Insgesamt wurden

55 Gesprächspartner unter Verwendung von Interviewleitfäden befragt

(halboffene Interviews).

Die zum Zeitpunkt der Antragstellung geplante Zusammenarbeit mit den

Pflegeabteilungen der I I . Inneren Abteilung am Universitätsklinikum Ru-

dolf-Virchow, Standort Wedding, unterblieb aufgrund der dort im stationä­

ren Bereich vorherrschenden Vorbehalte gegenüber externen Befragungen.

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Hier fanden l e d i g l i c h ausführliche Informationsgespräche mit der s t e l l ­

vertretenden Pflegedienstleitung, der Abteilungsleitung der I I . Inneren

Kli n i k für den Pflegebereich, dem leitenden Chefarzt und dem am Univer­

sitätsklinikum Rudolf-Virchow eingesetzten Koordinationspfleger s t a t t .

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3. Ausgangsläge

3.1 Generelle Entscheidungen im Vorfeld der Krankenversorgung

Seit 1982 sind Arztpraxen, Krankenhäuser und Sozial Stationen mit einer

steigenden Anzahl behandlungsbedürftiger Patienten mit HIV-Symptomatik

kon f r o n t i e r t , demgegenüber i n den letzten Jahren mit einem breiten Ange­

bot an medizinischen, pflegerischen und psychosozialen Versorgungsangebo­

ten reagiert wurde ( v g l . Senator für Gesundheit und Soziales 1988).

In Berlin wurden im Zeitraum vom 31.12.1987 bis 31.12.1988 a l l e i n 223

neue AIDS-Fälle r e g i s t r i e r t , seit 1982 insgesamt 571 ( v g l . AIFO, 4. Jg.,

Heft 1, S. 56). Prognostische Aussagen über Krankheitsinzidienzen i n den

nächsten Jahren haben aufgrund nur vager Kenntnisse der Prävalenz von

HIV-Antikörpern in der Bevölkerung und aufgrund der noch bestehenden Wis­

senslücken betreffs Krankheitsausbruch und -verlauf nur geringen Sicher­

heitsgrad (Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung 1987). Im Hin­

blick auf eine nennenswerte Anzahl bereits i n f i z i e r t e r , jedoch symptom­

f r e i e r Personen muß jedoch mit zahlreichen Krankheitsmanifestationen i n

den nächsten Jahren und Jahrzehnten gerechnet werden, ganz abgesehen von

weiteren Neuinfektionen.

Trotz der umfangreichen Erkenntnisse, die i n den vergangenen Jahren seit

Identifizierung des HIV-Virus gewonnen wurden, i s t eine Kausaltherapie i n

absehbarer Zeit nicht zu erwarten, so daß sich die zu Behandlungsschwer­

punkten etablierten Krankenhäuser um Entwicklung und Umsetzung tragfähi­

ger Versorgungskonzepte bemühen, die den Anforderungen der AIDS-Erkran-

kung Rechnung tragen.

Nach medizinischen Kriterien handelt es sich bei AIDS um eine neue, chro­

nisch verlaufende Infektionskrankheit, die aufgrund wiederkehrender aku­

ter Krankheitserscheinungen zeitweise eine stationäre Versorgung erfor­

derlich macht. Über weite Strecken können die Betroffenen jedoch ambulant

behandelt werden. Im I d e a l f a l l bedeutet dies, daß eine stationäre Unter­

bringung von aidskranken Patienten l e t z t l i c h nur dann vonnöten i s t , wenn

aufgrund akuter Krankheitsereignisse umfangreiche diagnostische und the-

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rapeutische Maßnahmen erforderlich sind oder - auch bei weitgehend ausbe­

handelten Patienten - extrem zeitaufwendige Pflegemaßnahmen das Lei­

stungsspektrum ambulanter Versorgung übersteigt. Voraussetzung hierfür

i s t eine dem zugrundeliegenden Versorgungsbedarf adäquate Verzahnung sta­

tionärer und ambulanter Versorgung. Das heißt: Entwicklung und Umsetzung

gemeinsamer - den stationären und ambulanten Bereich betreffende - Pla­

nungskriterien, die eine Kontinuität der Versorgung im und nach Wechsel

der Versorgungsbereiche ermöglichen.

Hierbei sind jedoch nicht nur die Probleme der medizinischen und im enge­

ren Sinne der pflegerischen Versorgung (Grund- und Behandlungspflege) zu

berücksichtigen, sondern gleichermaßen die beachtlichen Probleme der Be­

treuung im Sinne psychosozialer Begleitung und Beratung.

Vor diesem Hintergrund sind die nachfolgend aufgezeigten Schritte zur

Verbesserung der Patientensituation zu verstehen. Thematisch handelt es

sich dabei um

- die Reduktion von Versorgungsdefiziten, wie sie aus der Versorgung

chronisch Kranker und pflegebedürftiger Menschen im Zusammenhang mit

der Verminderung der Verweildauer i n den Krankenhäusern bekannt sind

(eingeschränkte Kooperation zwischen stationären und ambulanten Berei­

chen, unzureichende Vorbereitung der Patienten auf eine veränderte Le­

benssituation außerhalb des Krankenhauses, Informations- und Beratungs­

d e f i z i t e h i n s i c h t l i c h ambulanter Hilfsangebote),

- die Wahrung sozialer Kontakte insbesondere i n Zeiten stationärer Ver­

sorgung,

- die Einbeziehung von sozialen Selbsthilfepotentialen i n den Versor­

gungsprozeß als Ergänzung und Alternative zum i n s t i t u t i o n e l l e n Versor­

gungsangebot.

Zur Bewältigung der vielfältigen psychischen und sozialen Belastungen i n

der Lebenssituation H I V - i n f i z i e r t e r und aidskranker Menschen wurden i n

Berlin folgende Maßnahmen ei n g e l e i t e t :

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- Einrichtung von Koordinationsstellen i n drei Krankenhäusern (Modellpro­

gramm der Bundesregierung, v g l . Der Senat für Gesundheit und Soziales,

B e r l i n , 1988, S. 38/39; v g l . Abschnitt 6.3),

- F l e x i b i l i s i e r u n g der Besuchszeitenregelungen, teilweise Einführung von

Rooming-in und

- organisierte Einbindung von Mitarbeitern der Berliner AIDS-Hilfe i n den

stationären Versorgungsprozeß i n zwei Krankenhäusern.

Zu betonen i s t , daß die oben genannten Maßnahmen auch für die Versorgung

anderer Patientengruppen mit chronischem Krankheitsbild Geltung beanspru­

chen können, sofern sie die im Rahmen der herkömmlichen i n s t i t u t i o n e l l e n

Versorgung begrenzte Kooperation zwischen stationären und ambulanten Be­

reichen verbessern und sofern sie den therapeutisch notwendigen psychoso­

zialen Beistand sichern können, was durch die Institutionen derzeit nicht

zu erwarten i s t .

Krankheitsspezifisch hingegen können a l l jene Maßnahmen bezeichnet wer­

den, die darauf abzielen

- die Suche nach einer HIV-spezifischen Therapie im Rahmen experimentel­

l e r Therapien und klinischer Forschung i n den Versorgungsprozeß zu i n ­

tegrieren,

- krankheitsspezifisches Behandlungs- und Pflegewissen allen an Versor­

gung Beteiligten zugänglich zu machen^ und

- den Erwerb von Kompetenz im Umgang mit den Patientengruppen einzulei­

ten, deren Zugehörigkeit zu gesellschaftlich i n t e r p r e t i e r t e n Randgrup­

pen Ressentiments auf Seiten der Versorgenden i n sich b i r g t , aber auch

schlichte Unwissenheit über deren Lebenslage.

Die hier als krankheitsspezifische Maßnahmen gekennzeichneten Versor-gungs- und Qualifikationsaspekte konnten im Rahmen der Vorstudie nicht d e t a i l l i e r t e r m i t t e l t werden. Es handelt sich dabei um den Erwerb von spezifischen fachlichen und psychosozialen Kompetenzen auf der einen Seite und um Aspekte der Arzt-Patient-Beziehung auf der anderen Seite (z.B. Information und Beratung des Patienten Uber therapeutische Mög­lichkeiten sowie über experimentelle Therapieansätze).

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Experimentelle Therapien und klinische Forschung betreffen den AIDS-Be-

reich in besonderem Ausmaß, da kontinuierlich neue Medikamente entwickelt

werden, die nur longitudinal getestet werden können.

Zur Sicherung eines schnellen Wissenstransfers aus den Bereichen der Me­

d i z i n , der Pflege, der Psychologie und der Sozial arbeit wurde von Seiten

des Berliner Senats 1987 ein Mobiles Informations- und Beratungsteam gebildet, das se i t dem 15. Oktober 1987 allen Mitarbeitern und Mitarbei­

terinnen der Krankenhäuser und ambulanten Versorgungseinrichtungen zur

Verfügung steht ( v g l . Der Senator für Gesundheit und Soziales, B e r l i n ,

1988, S. 38). Außerdem bieten die Krankenhäuser e i g e n i n i t i a t i v Informa­

tions- und Fortbildungsveranstaltungen zum Thema "AIDS" an. Diese Veran­

staltungen finden entweder auf stationärer Ebene s t a t t , oder sie sind

stations- und abteilungsübergreifend org a n i s i e r t . Im ambulanten Bereich

stehen den Mitarbeiterinnen der Sozial Stationen zusätzlich sogenannte

"AIDS-Teams" zur Verfügung, die organisatorische, fortbildende und p f l e ­

gerische Aufgaben wahrnehmen ( v g l . Abschnitt 5.1.1.1).

3.2 Versorgungsprobletnatik der Hauptbetroffenengruppen (homosexuelle

Männer, i.v.-drogenabhängige Personen)

Von nicht zu unterschätzender Bedeutung i s t , daß die i n erster Linie von

AIDS Betroffenen unabhängig von der Erkrankung zu gesellschaftlich dis­

kriminierten Teilen der Bevölkerung zählen. Damit verbunden sind s p e z i f i ­

sche Probleme bei der Krankheitsbewältigung.

Jäger (1988) kennzeichnet einige spezifische Probleme, die im Zusammen­

hang mit Homosexualität und AIDS sowie Drogenabhängigkeit und AIDS von

Bedeutung sind:

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- Homosexualität und AIDS

Insbesondere im Zusammenhang mit der Diagnosemitteilung erfährt eine

nicht selbstgewählte Umwelt von der Homosexualität, und es kann davon

ausgegangen werden, daß dieser Kreis sich mit Fortschreiten der Krank­

heit erweitert. Das Coming-out (hierunter wird jener Prozeß verstanden,

i n dem die Umwelt von der Homosexualität erfährt), als einer der wich­

tigsten Schritte i n der homosexuellen Sozialisation, wird i n diesem Zu­

sammenhang zu einer öffentlichen und für den Betroffenen belastenden

Angelegenheit. Besonders dann, wenn auch Eltern oder Freunde vordem

nicht über die Homosexualität informiert waren, kommt es zu einer zu­

sätzlichen Suizidgefährdung (Jäger 1988).

Spezifische psychosoziale Probleme dieser Personengruppe faßt Jäger

stichwortartig wie f o l g t zusammen:

"o Coming-out

o Partnerbeziehung

o Homosexualität g i l t noch als Perversion

o Angst vor dem Verfall der äußeren Erscheinung

o Soziale Isolierung, Verlust der Sexualität

o Intern Homophobie"

( v g l . Jäger 1988, IX-1.1., S. 4 ) .

- Drogenabhängigkeit und AIDS

Im Gegensatz zu den im Zusammenhang mit der Homosexuellenbewegung ge­

schaffenen Möglichkeiten der gemeinsamen Organisation der Krankheitsbe­

wältigung i s t die Situation der Drogenabhängigen gerade dadurch gekenn­

zeichnet, daß diese sich nicht selbst organisieren können und zudem

weiterhin auf Drogen (oder Ersatzdrogen) angewiesen sind. In diesem Zu­

sammenhang kennzeichnet Jäger die psychosoziale Problematik dieser Per­

sonengruppe wie f o l g t :

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"o Patienten können sich nicht organisieren

o Betreuer müssen als "Anwälte" der Patienten auftreten

o Beschaffungskriminalität

o Compliance

o Drogenindizierte Apathie

o Familienspezifische Probleme, z.B. Kinderwunsch"

( v g l . Jäger 1988, IX-1.1., S. 4 ) .

Kennzeichnend für diese Patientengruppe i s t ihre unzureichende Integra­

tionsfähigkeit in die bestehenden Versorgungsnetze auf der einen Seite

und ihre t e i l s übertriebenen Erwartungen an die Behandlungsmöglichkei­

ten (geringer Informationsstand auf Seiten der Betroffenen) sowie vor­

herrschende Ängste vor weiterer sozialer Ausgrenzung oder gar Zwangsin-

2 terventionen.

Kennzeichnend für die Versorgungssituation aus Betroffenensicht i s t

- eine o f t erstmalige Auseinandersetzung mit einer schweren und zudem l e ­

bensbedrohenden Krankheit (Lebensängste),

Im Rahmen der durchgeführten Untersuchung blieb jedoch weitgehend unge­klärt, mit welchen speziellen Anforderungen die Mitarbeiterinnen von Gesundheits- und Sozialeinrichtungen bei der Versorgung von aidskranken und zugleich aktiv drogenabhängigen Patienten konfrontiert sind. Zum Teil konnte hier gar nicht oder nur vereinzelt auf Erfahrungen zurück­gegriffen werden. Von einer Erweiterung des Untersuchungsfeldes auf entsprechende Drogeneinrichtungen wurde aus Zeitgründen abgesehen.

Mit der stationären Versorgung drogenabhängiger Patienten werden vor allem eine Reihe von Belastungen bzw. Anforderungen an die Organisation des Pflegealltags genannt, die sich weniger auf die konkrete Patienten­versorgung als auf Sicherheitsaspekte im Stationsalltag beziehen (z.B. Vermeidung von Drogenhandel auf der Station oder im Krankenhausgelände, Beschaffungskriminalität innerhalb der Station, Beschaffungsprostitu­t i o n ) . Damit einhergehende organisatorische Arbeitsanforderungen werden von den Pflegekräften - vor allem auch i n Anbetracht der Unberechenbar­keit von Suchtverhalten - als nicht unbeträchtliche Belastung des regu­lären Stationsablaufes beschrieben.

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- die Angst, aufgrund der AIDS-Erkrankung als Angehörige einer der Kaupt-

betroffenengruppen erkannt zu werden (Stigmatisierungsängste) und

- die Sorge, lebenslang und i n zunehmendem Ausmaß auf die H i l f e und Un­

terstützung von Ärzten, Pflegepersonen und Personen des privaten Umfel­

des angewiesen zu sein, verbunden mit der Angst vor Verlust der so­

zialen und persönlichen Identität (z.B. Verlust des Arbeitsplatzes, und

Veränderung identitätsstiftender Vorstellungen Anderer über den Betrof­

fenen).

Befragte Patienten sowie versorgende Pflegekräfte berichten übereinstim­

mend von der Dominanz oben genannten Probleme, die l e d i g l i c h in Zeiten

akuter Krankheitsgeschehnisse, d.h. den Patienten körperlich schwer bela­

stenden Situationen, vorübergehend in den Hintergrund t r e t e n .

In der Versorgungsdiskussion und -praxis spielen dementsprechend neben

krankheitsspezifischen Aspekten (unheilbare und infektiöse Viruserkran­

kungen mit infauster Prognose, hoher therapeutischer Aufwand, hohe Pfle­

geintensität) die Auseinandersetzung mit der Lebenslage dieser Patienten

eine wichtige Rolle. Dem zugrunde l i e g t die Annahme, daß eine Interdepen-

denz zwischen Dauer der Latenzzeit, Krankheitsverlauf und psychischen so­

wie psychosozialen Einflüssen besteht, die durch Kenntnis der sozialen

und gesellschaftlichen Lage sowie der besonderen Lebensführung der Be­

troffenen p o s i t i v beeinflußt werden kann.

Die Dominanz der Themen Homosexualität und AIDS sowie Drogenabhängigkeit

und AIDS in der Versorgungsdiskussion erklärt sich vornehmlich aus dem

hohen Anteil Betroffener aus diesen Gruppen und der im Zusammenhang mit

AIDS zwingend notwendig gewordenen Auseinandersetzung mit g e s e l l s c h a f t l i ­

chen Tabuthemen. Die besondere Problematik bei der Versorgung aidskranker

Patienten aus diesen Hauptbetroffenengruppen s t e l l t sich unter diesem

Stigmatisierungsängste sind i n anderer Hinsicht auch bei Betroffenen zu vermuten, die nicht den beiden oben genannten Hauptbetroffenengruppen angehören. Vogel berichtet über spezifische Probleme bei HIV-positiven und erkrankten Hämophilen, auf die die Umwelt mit Diskriminierung (Aus­grenzung) rea g i e r t , begründet vornehmlich i n der Angst vor Ansteckung ( v g l . BT-AIDS-Enquete, Protokoll 34, 1988, S. 4 ) .

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Blickwinkel weniger als ein aidstypisches Krankheitsproblem, sondern als

ein gesellschaftlich systematisch vermitteltes soziales Problem mit be­

trächtlichen Lebensproblemen auf Seiten der Betroffenen und Verständnis­

barrieren sowie Wissenslücken auf Seiten der Versorgenden dar.

Eine Beteiligung des familiären oder freundschaftlichen Umfeldes an der

Versorgung hilfebedürftiger aidskranker Menschen kann aus verschiedenen

Gründen speziell bei Angehörigen der Hauptbetroffenengruppen einge­

schränkt, im Extremfall sogar nicht durchführbar sein. Dafür sprechen i n

der Literatur dokumentierte und aus der Praxis heraus bestätigte Problem­

situationen, zum Beispiel:

- Lebenspartner oder andere Freunde sind ebenfalls an der Immunschwäche-4

krankheit erkrankt.

- Es bestehen i n s t a b i l e Familienbeziehungen, die (beispielsweise durch

Bekanntwerden der Homosexualität) im Zusammenhang mit der Erkrankung

a k t u a l i s i e r t werden.

- Es bestehen i n s t a b i l e Familienbeziehungen, die im Zusammenhang mit der

Erkrankung (beispielsweise ausgelöst durch Bekanntwerden der Homosexua­

lität) deutlich hervortreten.

- Insbesondere Betroffene aus dem Umfeld der Drogenabhängigen verfügen

o f t nicht über familiäre oder freundschaftliche Beziehungen. Gerade für

diesen Betroffenenkreis haben die H i l f s - und Beratungsangebote der im

AIDS-Bereich bestehenden Selbsthilfeorganisationen eine besondere Be-5

deutung. Die Hilfen der BAH enthalten jedoch kein direktes Pflegeange­

bot, sondern umfassen Bereiche der psychosozialen Betreuung und Ko-

Hier wird ein für diesen Betroffenenkreis spezifisches Problem sicht­bar, das auf kaum eine andere Krankheit übertragbar i s t und i n seiner Auswirkung auf den Prozeß der Krankheitsbewältigung gesondert betrach­t e t werden muß.

Die Selbsthilfeorganisationen stehen grundsätzlich allen Betroffenen offen, sind also keineswegs als Hilfsangebot ausschließlich für Angehö­rige der Hauptbetroffenengruppen zu verstehen und werden auch nicht als solches i n Anspruch genommen (z.B. Frauen und AIDS).

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Ordination sowie Beratung betreffs weiterer Hilfsmöglichkeiten für Be­

tr o f f e n e .

Probleme im Rahmen der ambulanten Versorgung ergeben sich für sozial iso­

l i e r t e Patienten dann, wenn bei zunehmender Pflegebedürftigkeit die Kapa­

zität der ambulanten Pflegeeinrichtungen nicht ausreichend sind und ohne

medizinische Indikation auf Formen der stationären Versorgung zurückge­

g r i f f e n werden muß.

Die wichtige Rolle, die die AIDS-Hilfe i n den Versorgungsnetzen als An­

lauf- und Vermittlungsstelle innehat, bestätigt sich i n dem Maße, wie es

i h r g e l i n g t , die psychosoziale Situation aidskranker Menschen po s i t i v zu

beeinflussen. Die generelle Organisation der Versorgung aidskranker Pa­

tienten z i e l t jedoch auf die Versorgung a l l e r von AIDS betroffenen Men­

schen ab - unabhängig ihrer sozialen Zugehörigkeit und Lebensorientie­

rung. Darum geht es im folgenden, wenn auch die Probleme der beiden

Hauptbetroffenengruppen domi nieren.

3.3 Bedeutung sozialer Netzwerke - Integration der BAH in das Gesund­

heit sSystem

Der Monopolanspruch der ärztlichen Profession auf Definition und Behand­

lung von gesundheitlichen Problemen im Hinblick auf das organische Ge­

schehen kann i n bezug auf krankheitsbegleitende und -beeinflussende psy­

chosoziale Probleme nicht aufrechterhalten werden. In diesem Zusammenhang

gewinnen Fragen nach Umfang und Qualität sozialer Beziehungen (soziale

Netzwerke) i n ihrer Wirkung auf Gesundheit und Bewältigung von Krankhei­

ten i n der gesundheitspolitischen Diskussion an Bedeutung. Badura geht

davon aus:

"Je (subjektiv) befriedigender und auch (objektiv) h i l f r e i c h e r das persönliche und soziale Netzwerk eines Menschen

s um so ge­

ringer die Wahrscheinlichkeit psychischer und/oder somatischer Leiden." (Badura 1981, S. 36)

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Soziale Netzwerke können als Beziehungsgeflechte des Einzelnen mit Men­

schen aus seiner sozialen Umgebung beschrieben werden. Die Größe des

Netzwerkes, das Vorhandensein von bestimmten Bezugspersonen, die Quanti­

tät und Qualität der sozialen Interaktionen variieren für die einzelnen

Menschen. In dem Grad ih r e r Verfügbarkeit korrespondieren die einzelnen

Netzwerksegmente mit der Chance des Einzelnen, i n konfliktuösen und bela­

stenden Situationen i n d i v i d u e l l e Bewältigungsstrategien erfolgreich ein­

zusetzen; sie können auch als ein Indikator der jeweils persönlichen so­

zialen Ressourcen angesehen werden.

Folgt man der neueren sozialepidemiologischen Forschung, so ste l l e n die

den sozialen Netzwerken zugrundeliegenden sozialen Bindungen eines I n d i ­

viduums die wichtigste Determinante seiner Lebenserwartung, seiner psy­

chischen und physischen Gesundheit und seines allgemeinen Wohlbefindens

dar.

Die sozialen Bindungen innerhalb eines Netzwerkes konstituieren ihre

Spannweite nach dem Grad ihrer jeweiligen persönlichen Nähe oder Distanz.

Sie können als primäre und sekundäre Bindungen unterschieden werden.

Während die primären Bindungen (Familie, enge Freunde) eher der Befriedi­

gung emotionaler Bedürfnisse dienen und eine notwendige Bedingung für

psychische Gesundheit darstellen (Henderson), l i e g t eine wesentliche

Funktion der sekundären Bindung, z.B. informelle Kontakte, i n der Ver­

mittlung handlungsrelevanter Informationen für den Einzelnen (Granovetter

1974). Der Ungleichverteilung von materiellen und immateriellen Lebens­

chancen (Weber/Dahrendorf) versucht die sozial staatliche Seite mit H i l f e

sozialer Stützsysteme entgegenzuarbeiten.

Im Zusammenhang mit der Entwicklung und Umsetzung tragfähiger Versor­

gungsmodelle im AIDS-Bereich kommt der BAH hier wesentlich die Funktion

eines integrierten sozialen Stützsystems zu. Ihre Aufgaben innerhalb der

Versorgungseinrichtungen l i e g t i n der I n i t i i e r u n g und Stützung sozialer

Netzwerke als H i l f e zur Bewältigung aktueller wie p o t e n t i e l l e r Bela­

stungssituationen auf Seiten der von AIDS Betroffenen.

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Unter dem Aspekt der sozialen Bindung können die Beratungs- und Hilfsan­

gebote der BAH mangelnder sozialer Integration sowie drohender sozialer

Isolation entgegenwirken, sie fungieren hier als Ersatz bzw. Ergänzung

für fehlende oder unzureichende soziale Netzwerke.

Ein entscheidender Einfluß auf die Wahrung der psychischen Gesundheit

wird i n der "Adäquatheit" der Angebots- und Mitgliederstruktur der

Selbsthilfeorganisation gesehen. Als krankheitsbezogene Selbsthilfeorga­

nisation sind die Mitarbeiterinnen der I n s t i t u t i o n mit allen Aspekten der

Krankheit AIDS ve r t r a u t , als Betroffenenorganisation z i e l gruppennah, so

daß ihre Arbeit mit den Betroffenen Freiheit von moralischen Werthaltun­

gen der individuellen Lebenslagen und von Repressionen gewährleistet.

3.4 Die Versorgung aidskranker Patienten im Krankenhaus und im ambu­

lanten Versorgungsbereich - Leitvorgaben und Anforderungen

Ziel einer humanen und adäquaten Behandlung und Versorgung von aidskran­

ken Patienten i s t zuvörderst, die Liegezeiten in den Krankenhäusern zu­

gunsten der ambulanten Versorgung zu minimieren.

Jäger schätzt, daß bei derzeitigem Wissensstand über die HIV-Infektion

und ihrer Krankheitsfolgen 80 % a l l e r medizinischen Krankheitsprobleme

ambulant gelöst werden können und dies auch dem Bedürfnis der meisten Pa­

tienten entgegenkommt ( v g l . BT-AIDS-Enquete, Protokoll 32/1988, S. 4 ) .

Alle auf das oben genannte Ziel bezogenen Maßnahmen sollen den physi­

schen, psychischen und sozialen Aspekten der Situation aidskranker Men­

schen derart Rechnung tragen, daß

- eine Optimierung der Lebenssituation der Betroffenen und ihrer Angehö­

rigen/Freunde möglich i s t ,

- die Prävention möglicher weiterer HIV-bedingter Krankheiten nicht be­

hindert wird (zur Bedeutung der Prävention von Sekundärinfektionen v g l .

Exner/Vogel/Gregor 1988),

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- eine Behandlung bereits manifester körperlicher Beeinträchtigungen mit

dem Ziel wirksamer Symptomheilung/-linderung durchgeführt werden kann

und

- eine Befähigung der Betroffenen zum Umgang mit der Infektion und Er­

krankung im gesundheitlichen und sozialen Sinne möglich i s t ( v g l . Ro-

senbrock 1987, Exner/Freisfeld/Weber-Falkensammler 1988).

Insbesondere das Krankenhaus mit seinem an der Kurati on akuter somati­

scher Krankheitsbilder orientierten Versorgungsspektrum sieht sich hier

mit der Einlösung eines darüber hinausgehenden Versorgungsauftrages kon­

f r o n t i e r t .

Der vom Krankenhaus geforderte Versorgungsumfang verlangt gleichermaßen

die Auseinandersetzung mit der physischen, psychischen und sozialen Rea­

lität des Patienten im stationären Versorgungsprozeß. Im Zusammenhang mit

der angestrebten kurzen Liegezeit bei fortdauernder und oftmals i n t e n s i ­

ver Behandlungs- und Pflegebedürftigkeit i s t das Krankenhaus zudem für

die primäre Organisation eines medizinisch-pflegerischen Netzwerkes im

nichtstationären Bereich und für die Vorbereitung des Patienten auf sein

durch die Krankheit verändertes Alltagsleben zuständig.

Die dominierende Rolle, die dem Krankenhaus im Hinblick auf seine Verfüg­

barkeit über den jeweils aktuellen Wissensstand bei der Behandlung von

AIDS zukommt, läßt eine generelle Abnahme der Patientenzahlen unwahr­

scheinlich erscheinen, so daß die oben genannten Versorgungsaufgaben auf

lange Sicht hin einer organisatorischen Sicherung bedürfen.

"Ein weiterer Grund für die Präferenz einer stationären Behand­lung l i e g t i n der Vorstellung der Betroffenen begründet, daß i n einer K l i n i k eine bessere Versorgung möglich wäre. Solche Mei­nungen wurden häufig aus Regionen berichtet, die zum Einzugsbe­reich einer spezialisierten K l i n i k gehören." (ISG 1988, S. 43)

Das ambulante Versorgungssystem umfaßt die medizinische Behandlung

(Diagnostik und Therapie) und die Versorgung pflegebedürftiger Patienten

durch Sozial Stationen (analog private Hauspflegeeinrichtungen).

Zum Kernangebot der SozialStationen gehören:

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- die häusliche Krankenpflege,

- die Hauspflege/Haushaltshilfe und

- die soziale Beratung kranker Menschen und ihrer Helfer

( v g l . S t i e f e l 1987).

Konzeptionell gehört es zu den Aufgaben der Sozial s t a t i o n , Selbsthilfepo­

t e n t i a l e durch den Aufbau sogenannter "kleiner Netze" (Familie, Freundes­

k r e i s , Nachbarschaft, ehrenamtliche Dienste) zu i n i t i i e r e n , zu fördern

und zu ergänzen ( v g l . Hegner 1980).

Das Z i e l , aidskranke Patienten auch bei hoher Pflegeintensität so lange

wie medizinisch vertretbar in der gewohnten häuslichen Umgebung zu ver­

sorgen, setzt eine Versorgungsstrategie auf Seiten der Sozialstationen

voraus, die e x p l i z i t die Lebenslage des einzelnen Patienten zum Ausgangs­

punkt hat. Das heißt, eine dem Patienten angemessene Versorgungsplanung

muß auf der Basis d e t a i l l i e r t e r Kenntnisse der gesundheitlichen und so­

zialen Situation des Betroffenen erfolgen. Das jedoch setzt bereits im

Rahmen der Übernahmevereinbarungen Kommunikation und Kontakt zwischen den

beteiligten Gesundheitseinrichtungen (Krankenhaus, behandelnder Hausarzt)

und - wenn möglich - mit dem Patienten voraus.

Da die häusliche vor der stationären Versorgung Vorrang hat und weil die

von den Sozial Stationen versorgten aidskranken Patienten häufig nicht

über ein funktionsfähiges Freundes- und/oder Familiennetz verfügen, ob­

l i e g t den Sozial Stationen die Einbindung alternativer Betreuungsinstanzen

(z.B. ehrenamtliche Hilfen) zur Bewältigung jener Hilfeleistungen, die

sonst durch das soziale Netzwerk der Kranken abgedeckt werden. In der Re­

gel handelt es sich hierbei um die Erfüllung des Bedürfnisses nach Anwe­

senheit einer Person auf Seiten der Betroffenen, die keiner besonderen pflegerischen Qualifikation bedarf.

Für die I n i t i i e r u n g eines Betreuungsnetzes sind neben der Kenntnis beste­

hender Hilfemöglichkeiten (vorzugsweise) im Einzugsgebiet der Patienten

intensiver Arbeitseinsatz (Kooperation mit alternativen Hilfssystemen)

er f o r d e r l i c h ; hierzu müssen z e i t l i c h e und ökonomische Ressourcen vorge­

halten werden.

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Im Bereich der stationären und ambulanten Versorgung wurden entsprechende

Anpassungsvorgänge e i n g e l e i t e t , und zwar auf den Ebenen der:

- quantitativen personellen Ausstattung zur Bewältigung der Nachfrage

nach professioneller H i l f e ,

- qualitativen personellen Ausstattung zur Bewältigung der psychosozia­

len, medizinischen und pflegerischen Versorgung,

- Zusammenarbeit zwischen Gesundheits- und Sozial berufen und Personen,

die im Rahmen privater oder organisierter Selbsthilfe zur Verfügung

stehen, und

- Kooperation zwischen den verschiedenen Gesundheitseinrichtungen (sta­

tionär/ambulant) .

3.4.1 Patientenorientierte Versorgung

Ein wie unter 3.4 dargestelltes Versorgungsprofil setzt innerhalb der

stationären und ambulanten Versorgung Möglichkeiten einer an der I n d i v i ­

dualität des einzelnen Patienten or i e n t i e r t e n Versorgung voraus. Für den

Bereich der Krankenpflege wird hier die Umsetzung des theoretischen Kon­

zeptes des "Krankenpflegeprozeßmodells" (Pflegeplanung) angestrebt.

Das Modell "Pflegeprozeß" beschreibt a l l die Elemente, die bei der Pflege

von Patienten i n logischer und systematischer Reihenfolge eingehalten

werden müssen. Das Pflegeprozeßmodell schreibt vor, den Pflegeablauf -

bezogen auf den einzelnen Patienten - i n vier bzw. sechs sich voneinander

unterscheidenden und sich zugleich gegenseitig bedingenden "Schritten" zu

gestalten, und zwar

1. Informationssammlung

2. Erkennen und Dokumentation von Problemen und Ressourcen

3. Festlegung der Pflegeziele

4. Planung der Pflegemaßnahmen

5. Durchführung der Pflege

6. Beurteilung der Wirkung der Pflege auf den Patienten (siehe Abb. 1 ) .

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Abbildung 1: Die sechs "Schritte" des Pflegeprozeßmodells

Um ein einheitliches Vorgehen im Sinne des Pflegeprozeßmodells zu ermög­

lichen, i s t - in Anbetracht Schicht- und personenübergreifender Versor­

gungspraxis - eine genaue und sorgfältige Dokumentation des geplanten

Pflegeverlaufs notwendig. Pflegeplanung bedeutet zugleich immer auch

Pf1egedokumentati on.

Pflegeplanung und -dokumentation bezeichnet also einen interdependenten

Prozeß mit den beschriebenen "Schritten" und i s t i n seiner ideal typischen

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Form darauf angelegt, die im Pflegeverl auf i n ihrer Vielzahl angebotenen

Informationen und Versorgungsmöglichkeiten zu erfassen, zu str u k t u r i e r e n ,

zu differenzieren und behandlungsmä'ßig im Sinne der Gesundheitsförderung

zu organisieren.

Die Umsetzung des theoretischen Konzeptes des "Krankenpflegeprozeßmo-

de l l s " i s t i n der Bundesrepublik Deutschland derzeit nur ansatzweise und

i n wenigen Krankenhäusern r e a l i s i e r t (dort häufig beschränkt auf Modell­

abteilungen). Auch sind die zur Pflegeplanung notwendigen Voraussetzungen

nicht immer gegeben, wie beispielsweise

- Vorhandensein eines entsprechend ausgestalteten Informations- und Doku­

mentationssystems,

- d i e Möglichkeiten, den Stationsablauf von der Funktionspflege auf die

Gruppenpflege umzustellen ( v g l . hierzu Abschnitt 3.4.1.1), und

- d i e Einführung von Pflegeplanung im Rahmen von Schulungsmaßnahmen.

3.4.1.1 Routinepflege versus patientenorientierte Pflege

Mit der seit Anfang der 60er Jahre systematisch i n den Krankenhäusern

eingeführten Funktionspflege waren Bestrebungen verbunden, die Stations­

abläufe im Hinblick auf eine gute Kontrolle der zugeteilten Arbeiten und

im Hinblick auf ein rou t i n i e r t e s Mitarbeiterteam (unterschiedliche Quali­

fikationen und Aufgabenfeider) zu strukturieren.

Das muß vor dem Hintergrund der damaligen Personal Situation und - p o l i t i k

auf der einen Seite und dem vorherrschenden Krankheitsverständnis sowie

einer für die damalige Zeit spezifischen Patientenmentalität zu verstan­

den sein. Insbesondere bei chronischen Erkrankungen und Krankheitsverläu­

fen, die ein schematisiertes Vorgehen von medizinischer und pflegerischer

Seite nicht zulassen, treten aber die Schwächen der Funktionspflege deut­

l i c h zutage. Bezogen auf die direkte Patientenbetreuung lassen sich diese

charakteristischen Mängel am Beispiel wichtiger Merkmale von Routinepfle­

ge und patientenorientierte Pflege exemplarisch wie f o l g t aufzeigen:

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Routinepflege

Eine Pflegetätigkeit i s t Routine, wenn sie zu den täglichen Arbeitsaufga­

ben gehört und schon fest i n das persönliche und organisatorische Hand­

lungsschema eingegangen i s t , so daß sie u n r e f l e k t i e r t und automatisch ab­

läuft.

Patientenorientierte Pflege

Eine Pflegetätigkeit i s t patientenzentriert, wenn zwischen Patient und

Pflegepersonal eine vertrauensvolle berufliche Beziehung aufgebaut i s t ,

die spezielle Situation des Patienten erfaßt und i n der Pflegeausübung

berücksichtigt wird. Im Pflegeprozeß ste l l e n sich die Vorzüge patienten­

zen t r i e r t e r Pflege gegenüber einer Routinepflege wie f o l g t dar:

Routinepflege

o Der Pflegende übt die Plegever-richtung korrekt aus

o Der Pflegende o r i e n t i e r t sich am Krankheitsfall

o Die individuelle Situation des Kranken wird nicht erkannt/nicht berücksichtigt

o Die Kommunikation mit dem Kranken besteht insoweit, daß die Pflege­organisation reibungslos verlaufen kann

o Die Pflegeausübung geschieht nach Schemata

o Der Patient er l e i d e t keinen kör­perlichen Schaden

Patientenorientierte Pflege

o Der Pflegende übt die Pflegever­richtung korrekt aus und i s t da­bei dem Patienten zugewandt

o Der Pflegende o r i e n t i e r t sich an der Person des Kranken und an seiner Krankheit

o Der Pflegende erkennt die i n d i v i ­duelle Situation und versucht sie zu berücksichtigen

o Der Patient wird informiert und in die Pflegeüberlegungen mitein­bezogen

o Die Pflegeausübung wird der spe­z i e l l e n Situation des Patienten angepaßt

o Der Patient erleidet keinen kör­perlichen Schaden; er kann seine subjektiven Befindlichkeiten äus­sern und erfährt ihre Berücksich­tigung

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Die Pflegeplanung unterstützt die Einhaltung der oben genannten Pflege­

aspekte; das heißt, sie basiert auf einer gezielt dem Patienten zugewand­

ten Denk- und Handlungsweise. Gleiches g i l t für die Ermittlung der Res­sourcen der Patienten. Gemeint sind damit Fähigkeiten des Patienten, die

gesundheitsfördernd genutzt werden können. Darunter f a l l e n pflegerische

Aufgaben wie:

- die Lebensgewohnheiten der Patienten soweit wie möglich zu berücksich­

t i g e n ,

- bestehende Selbständigkeitspotentiale zu erhalten und zu fördern,

- bestehende soziale Kontakte zu erhalten und zu fördern und

- dem Patienten beim Verstehen seiner Krankheit und der Abläufe während

des Krankenhausaufenthaltes zu helfen.

Juchli (1987) hat hierzu exemplarisch Kr i t e r i e n zur Ermittlung der Pfle­

gequalität zusammengestellt, die insbesondere im Hinblick auf psychoso­

ziale Betreuungskomponenten von Bedeutung sind (siehe Abb. 2 ) . Die von

Juchli aufgezeigten inhaltlichen Leitvorgaben an die pflegerische Arbeit

bringen zum Ausdruck, daß für eine gute und sichere Patientenversorgung

die Einbeziehung nicht-medizinischer Aspekte, die das Krankheitsgeschehen

beeinflussen, unabdingbar i s t .

Letzteres kann als dominierendes Thema in der Versorgungsdiskussion im

AIDS-Bereich herausgestellt werden, so daß entsprechende handlungsorgani-

sierende Dokumentationsgrundlagen und handlungsleitende Bezüge (Pflege­

planung) als Indikator für Versorgungsqualität herangezogen werden

können.

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4. Versorgungsangebot

Bevor im weiteren auf Aspekte der Versorgung im ambulanten und stationä­

ren Bereich (Abschnitte 5 und 6) eingegangen wird, wird zunächst ein

Überblick über das i n s t i t u t i o n e l l e Versorgungsangebot und die im Zusam­

menhang mit AIDS formulierten Handlungsanforderungen gegeben.

Die Handlungsanforderungen beziehen sich dabei auf bislang von den eta­

bl i e r t e n Versorgungseinrichtungen (Krankenhaus, Arztpraxis, Sozialsta­

t i o n ) weitgehend vernachlässigte Versorgungsaspekte, deren Wahrnehmung

hier durch neue Versorgungsangebote Unterstützung f i n d e t .

4.1 Institutionelles Gesamtsystem der Krankenversorgung

Um die medizinischen und sozialen Folgen von AIDS möglichst gering zu

halten, sind die behandelnden Gesundheitseinrichtungen bestrebt, ein

funktionsfähiges Netz stationärer und ambulanter Versorgung unter Einbe­

ziehung bestehender Selbsthilfeansätze - insbesondere vertreten durch die

Berliner AIDS-Hilfe - aufzubauen.

Damit verbunden i s t ein beträchtliches Maß an Kooperationsleistungen zwi­

schen den verschiedenen Gesundheitseinrichtungen im stationären und ambu­

lanten Bereich sowie zwischen t r a d i t i o n e l l e n Gesundheitseinrichtungen und

Selbsthilfeorganisationen.

Kooperationspartner im Versorgungsprozeß sind

- das Krankenhaus/die Pflegeabteilung,

- die Arztpraxis/die P o l i k l i n i k ,

- die verschiedenen sozialen Dienste und

- die Selbsthilfeorganisationen.

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Unter den gegenwärtigen Bedingungen der Krankenversorgung sind die t r a d i ­

t i onellen Berufsgruppen der Ärzte und Krankenpflegekräfte die Hauptakteu-

re im Versorgungsprozeß.

Soziale Dienste, vertreten durch die Berufsgruppe der Sozialarbeiterlnnen

in den Krankenhäusern und den Sozialstationen, werden - vor allem im Rah­

men der stationären Versorgung - üblicherweise erst auf Anforderung von

pflegerischer Seite a k t i v . Die von Mitarbeiterinnen der Gesundheits- und

Sozialeinrichtungen gekennzeichneten, im Zusammenhang mit AIDS deutlich

gewordenen und die herkömmliche Regel Versorgung begleitenden Handlungs­anforderungen sind i n Abbildung 3 a u f g e l i s t e t .

Das Ziel einer bedarfsgerechten und eff i z i e n t e n Versorgung schließt im I d e a l f a l l die einzelnen Betroffenen und ihre wichtigen Bezugspersonen als Kooperationspartner mit e i n . Im Versorgungsprozeß läßt sich dies po t e n t i e l l verwirklichen durch systematische Beteiligung des jeweiligen Patienten an für ihn wichtigen Entscheidungen i n der Behandlung und Versorgung.

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Abbildung 3: Institutionelles Versorgungsangebot/Handlungsanforde­rungen (die im Rahmen der Modellprogramme der Bun­desregierung eingerichteten Unterstützungsmaßnahmen sind den Versorgungseinrichtungen zugeordnet)

Versorgungseinrichtungen Handlungsanforderungen

Krankenhäuser (Modellprojekt: Einrichtung einer Koordinationsstelle)

Ambulante Pflegeeinrichtungen (Modellprojekt: AIDS-Team)

P o l i k l i n i k (UKS)

AK AIDS - Niedergelassene Ärzte Berlin

Sei bsthilfeorgani sati onen

Modellprojekt: HIV-e.V.

o Kooperation zwischen stationären und ambulanten Einrichtungen

o Integration von sozialen Selbst­hilfepotentialen

o Integration klinischer Forschung in den Versorgungsprozeß

o Kooperation mit stationären Ein­richtungen im Übergang von sta­tionärer zu ambulanter Versorgung

o Kooperation mit Selbsthilfeorga­nisationen

o Information und Beratung sowie pflegerische Anleitung von Freun­den/Angehörigen

o disziplinübergreifende medizini­sche Behandlung

o Kooperation mit Selbsthilfeorga­nisationen

o experimentelle Therapiestudien

o Fortbildung/Ärzte o Intensivierung der ambulanten

Versorgung/Kooperation mit ambu­lanten Pflegeeinrichtungen

o Interessenwahrnehmung HIV-positi­ver Personen und Erkrankter

o Integration klinischer Studien i n Kooperation mit stationären Be­reichen

o psychosoziale Betreuung Betroffe­ner

o Interessenwahrnehmung Betroffener o Patientenlobby gegenüber behan­

delnden Einrichtungen o Information und Aufklärung ande­

rer Bevölkerungsgruppen

o ambulante pflegerische Versorgung o Beseitigung von Zugangsbarrieren o Kooperation mit stationären Ein­

richtungen o Kooperation mit niedergelassenen

Ärzten o Kooperation mit Selbsthilfeorga­

nisationen

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5. Ambulante Versorgung von aidskranken Patienten

Der Vorzug, der der häuslichen Versorgung der Patienten gegeben wird,

s t e l l t die Anforderungen an die ambulante Versorgung i n den Vordergrund.

Die Verzahnung der stationären und ambulanten Versorgung i s t dabei nur

ein entscheidender Aspekt der organisatorischen wie inhaltlichen (zielge­

r i c h t e t e Versorgung) Leistungen der Gesundheitseinrichtungen ( v g l . hierzu

Abschnitt 6.3).

Die Entwicklung und der Ausbau ambulanter Versorgungsmodelle zielen auf

ein Bedarfsfeld ab, dessen quantitativen wie qualitativen Aspekte noch

nicht ausreichend bekannt sind.

"Die Einschätzung der - auf die Region bezogenen - Prävalenz und weiterer wichtiger Determinanten des Betreuungsbedarfs (In welcher Situation befinden sich die Kranken? Welche Versor­gungsnotwendigkeiten ergeben sich im Krankheitsverlauf? Auf welchen Grad privater Unterstützung können die Kranken zurück­greifen? etc.) war noch i n der jüngsten Vergangenheit mit er­heblichen Unsicherheiten belastet. Erst allmählich zeichnen sich deutlichere Konturen ab. M i t t e l - bis l a n g f r i s t i g e Progno­sen der weiteren Entwicklung des Bedarfsfeldes sind nur im Rah­men grober Schätzungen möglich." (ISG 1989, S. 5)

Zum besseren Verständnis der unter 6. dargestellten Maßnahmen zur Verbes­

serung der Versorgungs- und Patientensituation sollen i n diesem Abschnitt

die ambulanten Versorgungseinrichtungen, die sich gezielt der Versorgung

von aidskranken Patienten zugewandt haben, i n ihren konzeptionellen

Grundzügen charakterisiert werden.

5.1 Behandlungsschwerpunkte im ambulanten Bereich

In Berlin haben sich insbesondere

- die Sozial Stationen der Träger

o Arbeiterwohlfahrt (AWO)

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o Caritas

o Deutscher Paritätischer Wohlfahrtsverband (DPWV)

o Deutsches Rotes Kreuz (DRK)

o HIV-e.V. (DPWV),

- mindestens zwei private Hauspflegeeinrichtungen (Deppner/Brudatzki,

Wilmersdorf; Kügeler, Moabit),

- die im "Arbeitskreis AIDS - Niedergelassene Ärzte Berlin" zusammenge­

schlossenen niedergelassenen Ärzte und

- die P o l i k l i n i k am UKS

speziell den Versorgungsaufgaben im AIDS-Bereich zugewandt.

Weitere wichtige Grundpfeiler i n der ambulanten Versorgung ste l l e n die

H i l f s - und Beratungsangebote der Selbsthilfeorganisationen im AIDS-Be­

reich dar, von denen die BAH und das AIDS-Forum i n die Untersuchung ein­

bezogen wurden.

5.1.1 Sozialstationen

Im Rahmen des ModelIprogramms "Ausbau ambulanter Hilfen für AIDS-Erkrank-

te im Rahmen von SozialStationen" erfolgte eine personelle Verstärkung

sowie Ausbau der Infrastruktur auf der Ebene der ambulanten pflegerischen

Versorgung (siehe Anlage 1).

Insgesamt stehen den oben genannten Trägervereinen zusätzlich 14,5 Plan­

stellen für Krankenpflegekräfte und 4 Planstellen für Sozialarbeiterinnen

zur Verfügung (Stand 31.12.1988), von denen bis zum 31.12.1988 7,5 Kran­

kenpflegeplanstellen und 1 Planstelle für den sozialen Dienst nicht be­

setzt werden konnten.

V e r t e i l t auf die verschiedenen Trägervereine ergibt sich folgendes B i l d :

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Tabelle 1: Zusätzliche PlanstellenISozialstationen

(Vgl. IS6 1989, S. 57-62.)

Speziell für die Versorgung H I V - i n f i z i e r t e r und erkrankter Kinder und i h ­

rer Mütter wurden außerdem eine Kinderkrankenschwester und eine Familien­

pflegerin eingesetzt. Eine zweite Fami1ienpflegestelle konnte bis zum

31.12.1988 noch nicht besetzt werden ( v g l . ISG 1989, S. 62).

Die Modellmitarbeiterinnen der SozialStationen sind als sogenannte "mobi­

le AIDS-Teams" Mitarbeiter der Trägervereine und übernehmen die Betreuung

von AIDS-Kranken in Zusammenarbeit mit den Sozialstationen ihres Trägers.

Konzeptionell i s t damit vorgesehen, einer Isolation von aidskranken Pa­

tienten entgegenzuwirken (beispielsweise durch Herausbildung separater

AIDS-Sozialstationen), indem "normale" Sozialstationen zur Pflege und

Versorgung dieser Patienten angeleitet und q u a l i f i z i e r t werden.

"Die Pflege von AIDS-Kranken fordert von den Pflegekräften und Betreuern ein breites medizinisches Fachwissen und die Bereit­schaft, ständig dazuzulernen. Pflegerisches Können, insbesonde­re Sensibilität, Wahrnehmungsfähigkeit und gutes Reaktionsver­mögen sind, neben psychologischem Einfühlungsvermögen und der Fähigkeit, psycho-soziale Probleme zu erkennen und darauf zu reagieren, unbedingt e r f o r d e r l i c h . Eine verantwortungsbewußte Versorgungsplanung und Bewältigungsstrategie mit dem Schwer-

Seit dem 1.1.1989 stehen HIV-e.V. 6 x 0,5 Pflegestellen zur Verfügung, von denen im März 1989 3 x 0,5 Pflegestellen besetzt waren.

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punkt der Weiterentwicklung ambulanter Dienste muß daher immer die Vernetzung unterschiedlicher Institutionen und Versorgungs­bereiche, die Zusammenarbeit verschiedener Berufsgruppen, die M i t h i l f e von Selbsthilfegruppen und Selbsthilfeorganisationen, die speziellen Gegebenheiten der Hauptbetroffenengruppen und neben der Hi l f e für kranke Menschen auch die H i l f e für beson­ders belastete Helfer und Betreuer berücksichtigen." (Senator für Gesundheit und Soziales 1988, S. 37)

Zur Bewältigung vorhandener und zukünftiger Probleme i n der ambulanten

pflegerischen Versorgung von aidskranken Patienten obliegt den Modellmit­

arbeiterinnen im einzelnen:

- Koordinations- und Informationsdefizite auf Seiten des festangestellten

Pflegepersonals abzubauen,

- organisatorische und in h a l t l i c h e Unterstützung bei der Patientenversor­

gung zu l e i s t e n ,

- den Aufbau von komplementären Hilfen für sozial i s o l i e r t e und/oder woh­

nungslose Betroffene i n die Wege zu l e i t e n ,

- Kooperations- und Kontakthilfen zwischen den stationären und ambulanten

Einrichtungen zu geben,

- die berufs- und patientenbezogene Kommunikation zwischen den b e t e i l i g ­

ten Berufsgruppen anzuregen und

- die Zusammenarbeit zwischen professionellen und ehrenamtlichen Helfern

zu fördern.

An der direkten pflegerischen Versorgung sollen die Modellmitarbeiterln-

nen konzeptionell nur dahingehend b e t e i l i g t sein, daß sie einzelfallbezo­

gene Beratungen von Pflegepersonen bei Problemen der Pflege durchführen o

und die praktische Arbeit begleiten. In der Praxis läßt sich ein solches

Vorgehen jedoch nicht jederzeit r e a l i s i e r e n , so daß aidskranke Patienten

zeitweise ohne Einbeziehung des Stammpersonals von Modellmitarbeiterinnen

gepflegt und betreut werden.

Eine Ausnahme bilden die Mitarbeiter von HIV-e.V. (Modellprojekt, Mit­glied im DPWV), deren Tätigkeiten d e f i n i t i v auch die direkte p f l e g e r i ­sche Versorgung Erkrankter i s t ( v g l . Abschnitt 5.1.2).

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Die I n s t i t u t i o n des AIDS-Teams t r i f f t innerhalb der beiden hierzu befrag­

ten Einrichtungen (DRK, AWO) auf positive Resonanz auf Seiten der f e s t ­

eingestellten Pflegekräfte, zumal die Mitarbeit der Modellkräfte eine

Entlastung h i n s i c h t l i c h der Zusatzaufgaben bei der Versorgung von aids­

kranken Patienten d a r s t e l l t .

Bezogen auf die im Übergang von der stationären zur ambulanten Versorgung

notwendigen Koordinationsaufgaben wie

- Kontaktaufnahme mit dem jeweiligen Patienten bereits im Krankenhaus,

- Klärung der gesundheitlichen und sozialen Situation vor der Kranken­

hausentlassung,

- Kontaktaufnahme und Absprachen mit dem behandelnden Hausarzt

wird eine Anhebung des Informationsniveaus auf Seiten der Mitarbeiterin­

nen der Sozial Stationen erwartet, die bei der Übernahme der ambulanten

Versorgung zur Verbesserung der Patientensituation beiträgt.

Soweit Patienten von ehrenamtlichen Helfern der BAH oder aus dem privaten

wie anderen ehrenamtlichen Umfeld betreut werden, schließt dies die Zu­

sammenarbeit mit den Beteiligten e i n .

Das AIDS-Team der AWO steht zudem in enger Zusammenarbeit mit dem "Treff­

punkt H i l f s b e r e i t s c h a f t " , einer Vermittlungsstelle für ehrenamtliche Hel­

fer im sozialen Bereich ( v g l . ISG 1989).

In der Zusammenarbeit zwischen Pflegepersonen und privaten Helfern be­

richten die Pflegekräfte von zeitweise schwer zu lösenden Problemen in

der Zusammenarbeit. Besonders dann, wenn Verwandte pflegerische Aufgaben

übernehmen, besteht nach Aussagen der befragten Pflegekräfte die Gefahr,

daß die Kontinuität und E i n h e i t l i c h k e i t der durchzuführenden p f l e g e r i ­

schen Maßnahmen nicht gewährleistet i s t . Diese Probleme sind vor dem Hin­

tergrund dynamischer Aspekte des Betreuungsverhältnisses (Patient - Hel­

fer aus dem privaten Umfeld) einerseits und unter dem Aspekt von Laien-,

Betroffenen- und Professionellenkompetenz andererseits zu r e f l e k t i e r e n .

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Patientenbetreuung und -Situation (Sozialstationen)

Eine ausführliche Darstellung der ambulanten Versorgungs- und Patienten­

situation findet sich im 1. Zwischenbericht zum ModelIprogramm "Ausbau

ambulanter Hilfen für AIDS-Erkrankte im Rahmen von Sozialstationen" ( v g l .

ISG 1989), so daß hier komprimiert auf die von den Modellmitarbeiterinnen

thematisierten Versorgungsaspekte eingegangen wird.

Die Modellmitarbeiterlnnen beider Trägervereine stimmen darin überein,

daß nach den ihnen bisher vorliegenden Erfahrungen Art und Umfang der bei

aidskranken Patienten durchzuführenden Grund- und Behandlungspflege keine

wesentlichen Unterschiede zu Patienten mit anderen Erkrankungen bestehen.

Vielmehr sind es die im Bereich der psychosozialen Betreuung anfallenden

Anforderungen wie

- Beratung und Beistand, den die Patienten benötigen,

- Beratung und Beistand für Freunde und Angehörige der Patienten,

die entsprechende Qualifikationen auf der einen Seite und erhebliche

z e i t l i c h e Ressourcen auf der anderen Seite erfordern.

Im Hinblick auf eine l a n g f r i s t i g e Sicherung des Versorgungsauftrages ge­

genüber den Patienten über die Zeit der Projektphase hinaus wird die ins­

gesamt gering geförderte Qualifikation und arbeitsvertraglich unsichere

Einbindung der Hauspflegekräfte (Haushaltshilfen) problematisiert (Hono­

rarverträge, Beschäftigungsumfang unterhalb der Sozialversicherungs­

p f l i c h t , Abrufbereitschaft).

Die Mitarbeiterinnen des DRK schätzen, daß bis zu 80 % der Versorgungs­

leistungen i n der ambulanten Versorgung durch SozialStationen von Haus­

haltspflegen erbracht werden. Dabei handelt es sich um folgende Aufga­

ben:9

Die folgenden Angaben (1-4) wurden einem offenen Brief der Haushalts­pflegekräfte des Deutschen Roten Kreuzes entnommen.

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1. Pflegerische Betreuung Überwachung und H i l f e bei der Medikamenteneinnahme, Beobachtung des Ge­

sundheitszustandes, Vermittlung von Krankenpflege und sonstigen p f l e g e r i ­

schen Diensten sowie a l l e anderen Körperpflegen usw.

2. Sorge für Lebensführung Anträge s t e l l e n , Einzahlungen tätigen, Sorge für notwendigste Vorratshal­

tung, Gänge erledigen, z.B. Apotheke, Behörden, Ärztbesuche usw.

3. Versorgung des Haushalts Alle anfallenden Haushaltstätigkeiten

lf. Persönliche Betreuung Gespräche mit den Betreuten führen, Anregung für körperliches und g e i s t i ­

ges Training geben, Kontakte zu Verwandten, Nachbarn, Organisationen un­

terstützen bzw. herstellen, bei Notwendigkeit Heim- bzw. Hospital aufnähme

unterstützen usw.

Im erheblichem Umfang sind Erkrankungsfälle dokumentiert, i n denen über

lange Zeiträume hinweg kein krankenpflegerischer Unterstützungsbedarf be­

stand ( v g l . ISG 1989). Es kann jedoch nicht ausgeschlossen werden, daß

dennoch ein dringender Bedarf an haushaltspflegerisehen Hilfen besteht

und erbracht wird. Hier wird d e u t l i c h , daß die Haushaltspflege einen we­

sentlichen Bestandteil der ambulanten Versorgung d a r s t e l l t und diese Mit­

arbeiterinnen selbst wichtige Informationsträger und Vermittler zwischen

Patienten und anderen Mitarbeiterinnen der Sozialstation sind.

Charakteristisch für die Lebenslage der auf die H i l f e von Sozial Stationen

angewiesenen Patienten scheint zu sein, daß diese häufig nicht über ein

stabiles funktionsfähiges soziales Umfeld verfügen. Das t r i f f t insbeson­

dere bei aidskranken Patienten aus dem Umfeld der Drogenabhängigen zu.

Eine generelle Lösung der damit verbundenen Probleme, besonders i n Phasen

intensiver Pflegeabhängigkeit (24-Stunden-Pflege), konnte noch nicht ge­

funden werden.

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Bei Vorliegen eines extrem hohen Betreuungsaufwandes läßt sich die ambu­

lante Versorgung derzeit nur unter beträchtlichem beruflichen und persön­

lichen Einsatz der festangestellten und Modellmitarbeiter aufrecht er­

halten.

5.1.2 HIV-e.V. (Hilfe-Information-Vermittlung-e.V.)

(Mitglied im DPWV und i n der Deutschen AIDS-Hilfe)

Ergänzend zum bestehenden Angebot ambulanter Pflege und Betreuung hat

HIV-e.V. im April 1988 seine Arbeit als Pflegestation aufgenommen. Seit

J u l i 1988 wird das aus einer S e l b s t h i l f e i n i t i a t i v e homosexueller Männer

mit Krankenpflegeausbildung hervorgegangene Projekt im Rahmen des Modell­

programms "Ausbau ambulanter Hilfen für AIDS-Erkrankte im Rahmen von So­

zi alStationen" unterstützt.

Die hohe Nachfrage von Betroffenen nach Versorgung durch HIV-e.V. bestä­

t i g t die Notwendigkeit einer I n s t i t u t i o n in der ambulanten pflegerischen

Versorgung, die aufgrund ihrer personellen Besetzung selbst die betroffe­

nen sozialen Minderheiten v e r t r i t t und damit Versorgungsdefizite, die

aufgrund von Nutzungsbarrieren gegenüber den üblichen Sozial Stationen be­

stehen, vermeidbar macht. Dies entspricht den konzeptionellen Grundüber­

legungen der Gründungsmitglieder von HIV-e.V., demnach den von AIDS Be­

troffenen die Möglichkeit gegeben sein muß, von Angehörigen der Hauptbe­

t r o f f enengruppen gepflegt zu werden.

Hintergrund der Entscheidung, HIV-e.V. i n das Modellprogramm aufzunehmen,

sind darüber hinaus Erfahrungen einiger Selbsthilfegruppen, aber auch an­

derer Sozial Stationen und Kliniken im Umgang mit aidskranken Patienten,

die auf ein grundlegendes Problem i n der Versorgung hinweisen:

"Ein Teil der AIDS-Kranken - vor allem Homosexuelle und Drogen­abhängige - werden Angebote 'normaler' SozialStationen nicht annehmen ('Wer ein Leben lang am Rande der Gesellschaft gelebt hat, w i l l sich auch am Ende seines Lebens nicht von Einrichtun­gen der normalen Gesellschaft versorgen lassen ... Die Gemein­deschwester, die den Schwulen pflegen w i l l - nee, das geht n i c h t . ' ) .

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Nutzerbarrieren können sich auch ergeben, wenn ein Dienst mit den Wertvorstellungen seines Trägers (z.B. Sexualmoral der Kir­che) i d e n t i f i z i e r t wird. (Insgesamt gesehen wird die Akzeptanz eines Dienstes allerdings eher durch dessen individuelles Image determiniert als durch die Zugehörigkeit zu einem bestimmten Träger.)

Auch wenn eine so begründete Ablehnungshaltung nur für einen Teil der Betroffenen zutreffen mag, erklären ähnliche Ressenti­ments umgekehrt die hohe Nutzung von ambulanten Versorgungsan­geboten, die aus Selbsthilfegruppen entstanden sind." (ISG 1989, S. 44)

Im Zeitraum von April 1988 bis März 1989 wurden insgesamt 45 Patienten

durch HIV-e.V. betreut.

Mit 15 Patienten, die zum Zeitpunkt der Befragung pflegerisch betreut

wurden, hat die Einrichtung bei der derzeitigen Personalausstattung ihre

Kapazitätsgrenze erreicht und kann - t r o t z weiterer Nachfrage - keine

neuen Patienten aufnehmen.^

Die Patientenversorgung e r f o l g t nach Prinzipien ganzheitlich o r i e n t i e r t e r

Pflege auf der Grundlage des Pflegeprozeßmodells ( v g l . Fi echter/Meier

1981; v g l . Abschnitt 3.4.1). Zur Durchführung der dazu erforderlichen

Pflegeplanung haben die Mitarbeiter von HIV-e.V. ein auf die Krankheit

AIDS, die Lebenssituation der Betroffenen und die Anforderungen bei ambu­

lanter Versorgung ausgerichtetes Pflegeplanungs- und Dokumentationssystem

entwickelt ( v g l . Anlage 2 ) .

Die genaue Kenntnis, die die Mitarbeiter von HIV-e.V. aufgrund ihrer

eigenen Gruppenzugehörigkeit über Lebenslage und -Situation der haupt­

sächlich Betroffenen haben, unterstützt die Herstellung eines stabilen

Vertrauensverhältnisses zwischen Erkrankten und Pflegenden.

Dementsprechend stel l e n die AIDS-begleitenden psychosozialen Faktoren

einen wichtigen Arbeitsschwerpunkt von HIV-e.V. dar: Gesundheitsberatung,

Im März 1989 war die SozialStation mit 3 Krankenpflegern ä 20 Wochen­stunden besetzt. Zu berücksichtigen i s t ferner, daß HIV-e.V. Pflegen im gesamten Stadtgebiet übernimmt, ohne auf einen Dienstwagen zur Mi­nimierung von Fahrt- und Transportzeiten verfügen zu können.

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Information und Beratung von Betroffenen und ihrem persönlichen Umfeld

sowie Verhandlungen mit Krankenkassen und anderen sozialen Einrichtungen

nehmen neben der direkten Pflege einen breiten Raum e i n .

"Die Gesundheitsberatung wird innerhalb des Projektes gemeinsam von einem/r Heilpraktiker/in durchgeführt. Nach einem langen Vorgespräch werden dem Patienten a l l e Aspekte der Krankheit aufgezeigt. Abgeschlossene und noch andauernde Therapien werden mit den Therapiemöglichkeiten verglichen. Durch entsprechende Fragestellungen wird der Patient auf eventuell mögliche Verhal­tensänderungen aufmerksam gemacht." (Senator für Gesundheit und Soziales 1988, S. 22)

5.2 Arbeitskreis AIDS - Niedergelassene Ärzte Berlin

Der Zusammenschluß von zur Zeit etwa 40 niedergelassenen Ärzten im "Ar­

beitskreis AIDS - Niedergelassene Ärzte Berlin" 1985 erfolgte unter den

Zielsetzungen,

- den Erwerb fachlicher Kompetenz im Umgang mit der Krankheit AIDS und

den davon Betroffenen durch regelmäßigen Informationsaustausch inner­

halb der Ärzteschaft und die Koordination gezielter Fortbildungsveran­

staltungen zu erhöhen und zu sichern (monatliches Treffen des Arbeits­

kreises mit Klinikärzten und monatliches Treffen der Ärzte des Arbeits­

kreises untereinander),

- eine Verbesserung der Patientenversorgung durch Intensivierung der am­

bulanten Versorgung mit t e l s gezielter Kooperation mit Sozial Stationen,

Selbsthilfegruppen, Gesundheitsämtern und Krankenkassen zu erreichen,

- die Wahrnehmung der Interessen von aidskranken Menschen gegenüber Dis­

kriminierungsversuchen im privaten, beruflichen und politischen Bereich

zu unterstützen (Information und Aufklärung anderer M i t a r b e i t e r ) .

Mit der Problematik eingehend beschäftigte Mediziner schätzen, daß der­

zeit etwa 1500 HIV - i n f i z i e r t e Menschen mit und ohne Symptomatik von Ärz-

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ten des Arbeitskreises versorgt werden. Bei etwa 750 Patienten l i e g t i n ­

tensive Behandlungsbedürftigkeit vor.

In Anlehnung an das i n t e g r i e r t e klinische/ambulante Versorgungsmodell am

General Hospital i n San Francisco entwickelte der Arbeitskreis AIDS nie­

dergelassene Ärzte in Zusammenarbeit mit der I I . Inneren Abteilung am AVK

ein integriertes Behandlungs- und Versorgungsnetz, das die stationäre Be­

handlung am AVK, die ambulante Behandlung und Betreuung durch niederge­

lassene Ärzte des Arbeitskreises und die ambulante Pflege durch Sozial-

stationen sowie die H i l f s - und Beratungsangebote der BAH umfaßt (Schöne­

berger Modell). Die Betreuung der Patienten i s t durch die enge Zusammen­

arbeit a l l e r erwähnten Institutionen gekennzeichnet.

Zwischen den Klinikärzten des AVK und den Ärzten des Arbeitskreises f i n ­

den regelmäßig (einmal monatlich) gemeinsame Besprechungen s t a t t , die der

gegenseitigen Information und Weiterbildung dienen und "Fal 1 "besprechun-

gen einschließen. Die Zusammenarbeit zwischen Sozial Stationen und Ärzten

des Arbeitskreises i s t in der Regel ausschließlich anlaßgebunden, das

heißt, sie findet im Rahmen jeweiliger Patientenbetreuung zwischen So­

zial Station und behandelndem Arzt s t a t t .

Zur Herstellung und Sicherung einer optimalen Patientenversorgung und Pa­

tientensituation kommt dem behandelnden Hausarzt p o t e n t i e l l eine Schlüs­

selposition gegenüber anderen Gesundheitseinrichtungen zu: Sofern die

niedergelassenen Ärzte die Patienten schon seit Jahren kennen und daher

bereits mit den Einzelaspekten der Lebenssituation und des Krankheitsver­

laufs beim einzelnen Patienten vertraut sind, kann dieses Wissen - soweit

es die ärztliche Schweigepflicht zuläßt - für die Behandlungs- und Ver­

sorgungsplanung im stationären wie ambulanten pflegerischen Bereich nutz­

bar gemacht werden.

Die Möglichkeiten, diese Schlüsselposition systematisch auszubauen und i n

Kooperation mit anderen Versorgungseinrichtungen patientenorientiert

nutzbar zu machen, scheint bei der gegenwärtig im AIDS-Bereich z e n t r a l i ­

sierten Versorgungsstruktur (AK AIDS - Niedergelassene Ärzte B e r l i n ,

Schwerpunktkliniken) besonders gegeben.

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5.3 Poliklinik (UKS)

Im Zusammenhang mit steigenden Patientenzahlen im AIDS-Bereich s e i t 1984

bietet das UKS Rat und ärztliche H i l f e aufsuchenden Patienten ein i n t e ­

griertes Versorgungsangebot im poliklinischen Bereich an. Die Integration

umfaßt die Fachdisziplinen

- Innere Medizin,

- Dermatologie,

- Neurologie,

- Augenheilkunde.

Alle genannten Fachabteilungen verfügen über eine eigene P o l i k l i n i k , so

daß den Patienten eine umfassende medizinische Untersuchung und Behand­

lung auf ambulanter Ebene angeboten werden kann, die aufgrund der Kapazi­

täten der Universitätsklinik auch sämtliche Laboruntersuchungen umfaßt.

Neben dem oben genannten Spektrum fachspezifischer Untersuchungs- und Be­

handlungsmöglichkeiten stehen den Patienten (ebenso seropositiven Men­

schen ohne HIV-Symptomatik) eine Reihe von flankierenden Beratungs- und

Betreuungsangeboten zur Verfügung, vertreten durch

- den Sozialdienst des Krankenhauses,

- den seelsorgerischen Dienst des Krankenhauses,

- d i e Psychologische Ambulanz im Krankenhaus,

- die Koordinationsstelle, zuständig für den Bereich der Vermittlung von

Hilfen im Übergang von der stationären zur ambulanten Versorgung und

- die Berliner AIDS-Hilfe.

Der Patientenzugang zur P o l i k l i n i k am UKS i s t gebunden an eine ärztliche

Überweisung von Seiten des behandelnden niedergelassenen Arztes (Einwei­

sungspoliklinik). Patienten, die entweder als " N o t f a l l " oder aber auf dem

Wege der ärztlichen Einweisung zunächst stationär am UKS behandelt wer­

den, können nach Abschluß der stationären Behandlung weiterhin ambulant

an der P o l i k l i n i k behandelt und versorgt werden.

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Auch während der Zeit des stationären Aufenthaltes steht den Patienten

das Beratungsangebot im poliklinischen Bereich zur Verfügung. Zentrale

Anlaufstelle für HIV-Patienten i s t die Sondersprechstunde der Inneren Po­

l i k l i n i k (PMED 300, Sondersprechstunde), die an vier Tagen der Woche mit

insgesamt 13 Stunden ausschließlich diesen Patienten offen steht (mon­

tags und fre i t a g s 11-14 Uhr, mittwochs 8-12 Uhr und donnerstags 8-11

Uhr).

Zwischen den genannten sozialen Diensten, dem ärztlichen und p f l e g e r i ­

schen Team der "Sondersprechstunde" bestehen verbindliche Formen der Ko­

operation und Koordination von Versorgungsaufgaben: Auf der Basis von

Sonderregelungen zwischen den Mitarbeiterinnen der "Sondersprechstunde"

und dem Sozialen Dienst des Krankenhauses i s t während der Sprechstunden

eine Sozialarbeiterin i n der Regel anwesend bzw. stets abrufbar. Die Ein­

beziehung der anderen sozialen Dienste (Koordinationspflegekraft, Kran­

kenhausseelsorger, Psychologische Ambulanz) e r f o l g t bei Nachfrage bzw.

entsprechender Bedarfslage.

Die Mitarbeiter der BAH stehen mit vier Stunden wöchentlich an jedem

Dienstag direkt i n der Sondersprechstunde zur Verfügung.

Unter der Zielsetzung gegenseitiger Information und Sicherung e r f o r d e r l i ­

cher Abstimmungsprozesse findet einmal wöchentlich ein berufsübergrei­fendes "Meeting" a l l e r an der Versorgung von aidskranken Patienten Be­

t e i l i g t e n s t a t t . Neben organisatorischen Aspekten werden patienten- sowie

forschungsbezogene Fragen im Rahmen dieser Besprechungen thematisiert.

5.4 Selbsthilfeorganisationen

Entstehung und Ausbreitung der Krankheit AIDS i s t seit 1983 begleitet von

dem Entstehen zahlreicher I n i t i a t i v e n und Organisationen im Selbsthilfe­

bereich.

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Eine der ersten öffentlichkeitswirksamen Gründungen erfolgte 1983 mit der

"Deutschen AIDS-Hilfe e.V." i n B e r l i n , aus der 1985 die Gründung der

"Berliner AIDS-Hilfe e.V." hervorging.

Andere, vom Berliner Senat geförderte Selbsthilfegruppen sind

- HYDRA - Verein zur Förderung der beruflichen und kul t u r e l l e n Bildung

von weiblichen P r o s t i t u i e r t e n ,

- Kommunikations- und Beratungszentrum homosexueller Frauen und Männer,

- Mann-O-Meter,

- AIDS-Forum (Forum der ARC- und AIDS-Patienten).

Neben Aufklärung und Information von Betroffenen sowie n i c h t i n f i z i e r t e n

Personen i s t die psychosoziale Betreuung ein wesentlicher Bestandteil der

Arbeit der Selbsthilfegruppen. Information und Aufklärung beinhaltet

im wesentlichen die sachliche, am aktuellen Wissensstand o r i e n t i e r t e In­

formation und Aufklärung, beispielsweise über

- relevante Infektionswege,

- Schutzmaßnahmen zur Vermeidung der Infektion ("Safer Sex", Verhaltens­

prävention) und

- Information und Kontakthilfe betreffs regional bestehender Versorgungs­

und Hilfsangebote.

Das Beratungsangebot umfaßt

- den (zum Tei1 24-Stunden-)Telefon-Service,

- regelmäßige Gruppentreffen (wöchentlich, monatlich),

- Schulung p o t e n t i e l l e r ehrenamtlicher Mitarbeiter im AIDS-Bereich,

- Einzelgespräche mit Ratsuchenden und/oder Betroffenen,

- spezielle Sprechstunden (z.B. j u r i s t i s c h e , sozial pädagogische Aspekte

von AIDS) u.a.m.

Die Betreuung aidskranker Menschen durch Selbsthilfeorganisationen i s t

mit zunehmenden Patientenzahlen s e i t etwa 1986 zu einer für Betroffene

und - in Ergänzung e t a b l i e r t e r Versorgungseinrichtungen - im Gesundheits-

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- 49 -

bereich zu einem wichtigen Faktor i n der Versorgung angewachsen. Betreu­

ung bedeutet i n erster L i n i e , dem einzelnen Erkrankten als Gesprächspart­

ner zur Verfügung zu stehen, aber auch im Bedarfsfall bei der Abwicklung

bürokratischer Belange (Krankenkassen, Rentenversicherungsträger u.a.m.)

b e h i l f l i c h zu sein. Die Betreuung einzelner Patienten wird i n der Regel

von ehrenamtlichen Mitarbeitern der Selbsthilfeorganisationen übernommen

und kann im Krankenhaus oder nach der Entlassung i n der häuslichen

Umgebung des Betroffenen erfolgen.

In die Untersuchung einbezogen wurden die Berliner AIDS-Hilfe und der

1988 gegründete Verein "AIDS-Forum". Beide Selbsthilfeorganisationen bie­

ten Betroffenen die oben genannten Informations-, Beratungs- und Betreu­

ungsdienste an, weisen jedoch h i n s i c h t l i c h ihrer Einbindung i n bestehende

Gesundheitseinrichtungen Unterschiede auf. Konzeptionelle und zielbezoge­

ne Überlegungen beider Selbsthilfeeinrichtungen werden im folgenden kom­

primiert d a r g e s t e l l t .

5.4.1 Berliner AIDS-Hilfe

Die Einbeziehung der Berliner AIDS-Hilfe i n das eta b l i e r t e Behandlungs­

und Versorgungsangebot z i e l t entscheidend auf eine Verbesserung der psy­

chischen und sozialen Position des Patienten in der Versorgungssituation

ab.

Das Anliegen der BAH beinhaltet - bezogen auf den Versorgungsprozeß - im

wesentlichen folgende Aspekte:

- Ansprechpartner für die von AIDS Betroffenen und deren Freunde/Angehö­

rige zu sein,

- im Zusammenhang mit der Krankheitsbewältigung therapeutisch o r i e n t i e r ­

t e , aber auch allgemeine Lebenshilfen zu l e i s t e n ,

- im Sinne der Interessenwahrnehmung der Patienten Diskriminierungsten­

denzen im Versorgungsprozeß entgegenzuwirken (informierende Aspekte i n

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- 50 -

der Zusammenarbeit mit den Mitarbeiterinnen von Gesundheits- und So­

zialeinrichtungen bezüglich der Lebenslage und -Orientierung des Ange­

hörigen aus den Hauptbetroffenengruppen, Förderung der Akzeptanz und

Abbau von Ressentiments) und

- Vermittlung ehrenamtlicher Helferinnen zur kontinuierlichen Begleitung

von Patienten im gesamten Krankheits- und Bewältigungsprozeß.

Die Berliner AIDS-Hilfe verfügt zur Zeit über etwa 70 bis 75 ehrenamtli­

che Helfer, von denen gegenwärtig etwa 45 mit der Betreuung von "Einzel­

fällen" betraut sind (Expertengespräch, April 1989).

Die Zusammenarbeit mit den Krankenhäusern sowie den ambulanten Versor­

gungseinrichtungen - insbesondere mit dem AVK und dem UKS - wird von Sei­

ten der BAH als durchweg posi t i v bezeichnet.

Kontakte zwischen Patienten und BAH bestehen häufig bereits vor dem Kran­

kenhausaufenthalt oder aber sie entstehen durch Vermittlung von Pflege­

kräften des Krankenhauses.

5.4.2 AIDS-Forum

Das AIDS-Forum i s t ein Zusammenschluß von ausschließlich ehrenamtlich tä­

tigen Betroffenen, Ärzten und Ärztinnen sowie anderen Personen, die sich

berufsmäßig mit der HIV-Problematik befassen. Das AIDS-Forum wurde 1988

gegründet.

Die Beratungs- und Hilfsangebote des Forums entsprechen im wesentlichen

denen der BAH (mit Ausnahme organisatorisch geregelter Einbindung i n die

bestehenden Gesundheitseinrichtungen) und sind vor allem an Personen ge­

r i c h t e t , denen aufgrund persönlicher Motive der Zugang zu anderen Bera­

tungs- und Hilfseinrichtungen erschwert i s t (z.B. aufgrund des hohen 0r-

ganisations- und öffentlichen Bekanntheitsgrades der BAH, der Öffentlich­

ke i t von Seiten des Senats eingerichteter Beratungsstellen).

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- 51 -

Ziel des AIDS-Forums i s t dementsprechend, HIV-infizierte und erkrankte

Personen aus dem "Untergrund hervorzulocken" und gezielte H i l f e anzubie­

ten. Ein wichtiger Arbeitsaspekt i s t , Berührungsängste Betroffener gegen­

über Ämtern und Ärzten abzubauen und überwinden zu helfen, H i l f e bei Ver­

handlungen mit Krankenkassen, Behörden, Rentenversicherungsträgern u.a.

zu l e i s t e n .

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6. Behändlungsschwerpunkte (Krankenhäuser)

In Berlin sind es vor allem vier Krankenhäuser, die als sogenannte Be­

handlungsschwerpunkte die Versorgung von behandlungsbedürftigen Patienten

mit HIV-Symptomatik durchführen:

- das Auguste-Viktoria-Krankenhaus (AVK),

- das Universitätsklinikum Steglitz (UKS),

- die Universitätsklinik Rudolf-Virchow, Standort Wedding (RVK), und

- die Universitätsklinik Rudolf-Virchow, Standort Charlottenburg.

Etwa 70 % der stationär aufgenommenen Patienten mit HIV-Symptomatik wer­

den auf den verschiedenen Stationen dieser Krankenhäuser versorgt ( v g l .

Senator für Gesundheit und Soziales 1988, S. 41).

Für die Jahre 1986/87 zeigen sich betreffs der stationären Versorgung

folgende Entwicklungen:

Tabelle 2: Entwicklung der Patientenzahlen 1986/1987 in den Kran­kenhäusern

Quelle: Senator für Gesundheit und Soziales 1988, S. 41.

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- 53 -

Wie bereits unter 2. angeführt, wurden die I I . Innere Abteilung am AVK,

die I I . Innere Abteilung am RVK und drei Stationen am UKS in die Untersu­

chung einbezogen.

Das Erkenntnisinteresse der Vorstudie bestand darin, die "vor Ort" vor­

handenen strukturellen Rahmenbedingungen der Versorgung aidskranker Men­

schen ansatzweise zu bestimmen.

Die Untersuchung konzentrierte sich dabei schwerpunktmäßig auf den Be­

reich der Arbeitsorganisation innerhalb der Pflegebereiche sowie auf

Schnittstellenbereiche zwischen stationären und ausgewählten ambulanten

Bereichen.

6.1 Stationäre Versorgung

Die Pflegeabteilung kann als wichtige Koordinationsstelle bei der Patien­

tenversorgung angesehen werden, da

- dort der jeweilige Betreuungs- und Behandlungsbedarf des Patienten

(Krankheitsstatus, Verordnungen usw.) e r m i t t e l t und i n Kooperation von

pflegerischem und ärztlichem Personal Versorgungsstrategien entwickelt

und umgesetzt werden und

- von hier wesentliche Anordnungen h i n s i c h t l i c h der ambulanten Versorgung

organisatorisch ausgelöst und koordiniert werden.

Voraussetzung zur Bewältigung der damit verbundenen Koordinationsaufgaben

i s t

- ein hohes und im ar b e i t s t e i l i g e n Versorgungsablauf für a l l e gesichertes

Informationsniveau (Bedeutung der Verl aufsdokumentation);

- in ausreichendem Maße zur Verfügung stehende Zeitanteile für patienten­

nahe Tätigkeiten, insbesondere unter dem Gesichtspunkt psychosozialer

Betreuungsleistungen, und

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- die Möglichkeit einer gezielten - auf die Lösung von Patientenproblemen

gerichteten - Behandlungs- und Betreuungsplanung; im Hinblick auf die

Koordination von stationärer und ambulanter Versorgung, Verfahren der

Entlassungsplanung.

Die allgemein im Stationsalltag vorherrschende Organisation der Patien­

tenversorgung weist jedoch gerade gegenüber den genannten Anforderungen

Defizite auf. So mangelt es im Hinblick auf Informationssicherheit und

Versorgungsplanung an Möglichkeiten und Qualifikationen, entsprechende

Organisations- und Dokumentationsleistungen zu erbringen. Noch kann davon

ausgegangen werden, daß der gängige Stationsalltag "Freizeiten" für einen

steigenden Bedarf an zu erbringenden psychosozialen Versorgungsleistungen

bereit halten kann.

Als Indikatoren für eine po t e n t i e l l die Patientenversorgung optimierende

Organisation der Stationsabläufe können angesehen werden:

- das Vorhandensein von Informations- und Dokumentationssystemen, die

aufgrund ihrer Formulargestaltung die Dokumentation i n d i v i d u e l l ausge­

prägter Versorgungsanforderungen ermöglichen, und

- die Anpassung der quantitativen wie qualitativen Personalausstattung an

die Erfordernisse des tatsächlichen Versorgungsumfanges.

6.1.1 Strukturelle Rahmenbedingungen

Die auf Strukturebene erhobenen Daten umfassen unter quantitativen Ge­

sichtspunkten

- Anzahl bzw. Anteil der ständig zu versorgenden Patienten mit HIV-Symp­

tomatik i n den jeweiligen Pflegeabteilungen und

- Anzahl der hierfür zusätzlich eingesetzten personellen Kapazitäten i n

den Pflegebereichen.

Die quantitative Personalausstattung i s t insofern bedeutsam, als daß sie

über den möglichen Umfang der direkten oder indirekten Versorgungslei-

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- 55 -

stungen entscheidet. Von i h r i s t es abhängig, wieviel Zeit maximal pro

Patient aufgewendet werden kann.

Unter qualitativen Gesichtspunkten sind A r t , Umfang und organisatorische

Sicherung

- spezifischer Versorgungs- und Betreuungsangebote, die zur Lösung von

Problemen aidskranker Patienten eingerichtet sind,

- vorhandener Planungsinstrumente sowie Planungswissen in der p f l e g e r i ­

schen Arbeit

von Bedeutung.

6.1.1.1 Patientenstruktur

Hinsichtlich der Anzahl ständig zu versorgender Patienten mit HIV-Sympto­

matik weisen die verschiedenen Pflegeabteilungen beträchtliche Unter­

schiede auf. So lag der durchschnittliche Anteil von HIV-Patienten 1988

gemessen an der Anzahl der Planbetten auf den zwei Stationen am AVK bei

35,5 % bzw. 50 %, auf den drei am UKS untersuchten Stationen bei 20 %,

1,5 % und 0,5 % pro Tag.

Am RVK, Standort Wedding, geht der leitende Chefarzt Prof. Dr. Pohle von

10.000 Pflegetagen für das Jahr 1989 aus. Bezogen auf die Planbetten der

gesamten I I . Inneren Kl i n i k bedeutet dies eine Belegung von 23,8 % durch

HIV-Patienten.

Im Untersuchungszeitraum wurden schätzungsweise ständig 15 Patienten mit

HIV-Symptomatik auf der Abteilung am RVK medizinisch behandelt und ver­

sorgt, dies entspricht einem Anteil von 13 % a l l e r Planbetten (Experten­

gespräch). Faßt man die verschiedenen Pflegeabteilungen der einzelnen

Krankenhäuser h i n s i c h t l i c h ihrer Belegungsdichte durch HIV-Patienten zu­

sammen, ergibt sich für das Jahr 1988 folgendes B i l d : Gemessen an den j e ­

weils zur Verfügung stehenden Planbetten waren mit HIV-Patienten belegt:

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- das AVK (2 Stationen) durchschnittlich zu 43 % pro Tag (66 Planbetten),

- das UKS (3 Stationen) durchschnittlich zu 4,5 % pro Tag (162 Planbet­

t e n ) ,

- das RVK (4 Stationen) durchschnittlich zu 13 % pro Tag (115 Plan­

betten).

6.1.1.1.1 Auguste-Viktoria-Krankenhaus (AKV)

Am AVK findet die Versorgung von Patienten mit HIV-Symptomatik auf zwei

Stationen der I I . Inneren Abteilung (Fachabteilung für Gastroenterologie)

s t a t t .

Mit einer Gesamtbettenzahl von 66 (2 x 33 Planbetten) werden auf diesen

beiden Stationen durchschnittlich 28,4 Patienten/Tag mit HIV-Symptomatik

versorgt. Die Belegungsdichte l i e g t auf der Station B bei durchschnitt­

l i c h 11,7 Patienten/Tag, auf der Station C bei 16.7 Patienten/Tag (aids­

kranke Patienten). Im Jahre 1988 wurden auf der Station B 182 aidskranke

Patienten (4.265 Pflegetage), auf der Station C 241 aidskranke Patienten

(6.101 Pflegetage) versorgt.

Im Überblick s t e l l t sich die Patientenstruktur wie f o l g t dar:

Tabelle 3: PatientenstrukturIAVK

Station B Station C

HIV-Patienten/Tag

Anzahl der HIV-Patienten/1988

Pflegetage

11,7

182

4.265

16,7

241

6.101

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6.1.1.1.2 Universitätsklinikum Steglitz (UKS)

Die stationäre Versorgung aidskranker Patienten am UKS e r f o l g t innerhalb

der normalen Stationen, d.h. die betroffenen Patienten werden j e nach

Symptomausbildung auf den entsprechend fachlich ausgerichteten Stationen

versorgt. Im Schwerpunkt sind dies die Stationen:

- 067, I s o l i e r s t a t i o n ,

- 004, Neurologie,

- 032, Dermatologie.

Mit durchschnittlich 6 aidskranken Patienten pro Tag (1988) bei einer Ge­

samtbettenzahl von 30 Planbetten wird der überwiegende Teil stationär

aufgenommener Patienten mit HIV-Symptomatik auf der I s o l i e r s t a t i o n (067)

versorgt.

Auf der neurologischen Fachstation (004) waren es im Jahre 1988 insgesamt

8 aidskranke Patienten (84 Pflegetage).

Die dermatologische Fachstation (032) versorgte 1988 insgesamt 23 Patien­

ten mit HIV-Symptomatik (449 Behandlungstage) bei durchschnittlicher Be­

legung von 1,2 Betten durch aidskranke Patienten pro Tag.

Im Überblick s t e l l t sich die Patientenstruktur wie f o l g t dar:

Tabelle 4 : Patientenstruktur UKS

067 (30 Plan­betten)

004 (66 Plan­betten)

032 (66 Plan­betten)

HIV-Patienten/Tag 6 0,2 1,2

Anzahl der HIV-Patienten 1988 8 23

Pflegetage 84 449

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6.1.1.1.3 Universitätsklinikum Rudolf-Virchow, Standort Wedding (RVK)

Am RVK werden Patienten mit HIV-Symptomatik auf vier Stationen der I I .

Inneren Kl i n i k (Fachabteilung für Infektionskrankheiten) behandelt. Bei

einer Bettenkapazität von insgesamt 115 Planbetten (Reimer 1988) stehen

drei Stationen jeweils 20, einer Station 44 Planbetten zur Verfügung.

Anhaltszahlen über Belegungsdichte und Verteilung der Patienten auf den

verschiedenen Stationen im Jahre 1988 waren im Rahmen der Vorstudie nicht

zu erheben. Am RVK und auf der Station B an der I I . Inneren Abteilung des

AVK wurden nach Angaben der befragten Pflegekräfte auch drogenabhängige

Patienten mit HIV-Symptomatik behandelt und pflegerisch versorgt.

D e t a i l l i e r t e Zahlen bezüglich der Patientenverteilung nach Zugehörigkeit

zu Hauptbetroffenengruppen liegen für das RVK bezogen auf den Zeitraum

vom 1.6. bis 30.11.1987 vor:

Tabelle 5: Patientenunterteilung nach Hauptbetroffenengruppen, RVK 1.6.-30.11.1987

n %

Männer

- homosexuell 45 61,6 - Fixer 12 16,4 - bisexuell 1 1,4 - Sexual partner einer Frau aus einer Risikogruppe 1 1,4 - Transfusionsempfänger 1 1,4 - keine erkennbare Risikogruppe 1 1,4

Frauen

- Fixerinnen 11 15,0 - Sexualpartnerin eines Mannes aus Risikogruppe 1 1,4

73 100,0

Quelle: Reimer 1988, i n : AIF0 4/88, S. 202.

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6.1.1.2 Personal struktur

In den Jahren 1987/88 wurde dem Mehraufwand an zu erbringenden Versor­

gungsleistungen bei HIV-Patienten durch Anpassung der jeweiligen Pflege­

sätze Rechnung getragen.

Grundlage dieser personellen Anpassung sind zwischen der Arbeitsgemein­

schaft der Krankenkassenverbände im Land Berlin und der Berliner Kranken­

hausgesellschaft getroffene Rahmenvereinbarungen über Budgets und Pflege­

sätze der Berliner Krankenhäuser 1988. Insgesamt wurden im Jahre 1988 zu­

sätzlich 8 Millionen DM zur Verfügung g e s t e l l t , die den Krankenhäusern

über die Pflegesätze zufließen. Davon entfallen 3 Millionen DM auf das

AVK, 2,5 Millionen DM auf das UKS und 2,4 Millionen DM auf das RVK,

Standort Charlottenburg und Standort Wedding ( v g l . Senator für Gesundheit

und Soziales 1988, S. 41).

Unter der Voraussetzung, daß bis zu 12 Patienten mit HIV-Symptomatik pro

Jahr und Station mit dem Personal der Regelfinanzierung versorgt werden

können, wurden die Behandlungsschwerpunkte bzw. die Stationen personell

um insgesamt 29,5 Planstellen e r w e i t e r t , von denen 4 Planstellen am RVK

zum Zeitpunkt der Untersuchung nicht besetzt waren ( v g l . BT-AIDS-Enquete

Protokoll Nr. 81, 1989; Senator für Gesundheit und Soziales 1988, Exper­

tengespräch). ̂ ̂

In der Tabelle 6 sind Personal- und Patientenstrukturdaten nach Kranken­

häusern und Stationen im Überblick d a r g e s t e l l t . Die Angaben zum RVK beru­

hen auf Schätzungen der Gesprächsteilnehmer während der Informationsge­

spräche und beziehen sich auf die gesamte I I . Innere K l i n i k des RVK.

Diese Zahlen beziehen sich ausschließlich auf die drei untersuchten Krankenhäuser. Angaben zur Personalausstattung am RVK, Standort Char­lottenburg, sind darin nicht enthalten.

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Maßnahmen zur Sicherung des Versorgungsauftrages

Im Rahmen der Modellmaßnahmen zur besseren Versorgung von AIDS-Pa-tienten wurde i n den drei untersuchten Krankenhäusern jeweils eine Pfle­

gekraft zur Koordination der Hilfen zwischen den verschiedenen Versor­

gungsbereichen (stationär/ambulant) und betreuenden professionellen wie

ehrenamtlichen Hilfen eingesetzt ( v g l . Senator für Gesundheit und Sozia­

l e s , 1988).

In ihrer Wirkung auf die Patientenversorgung stellen sie eine indirekte

Erweiterung der personellen Kapazität im Pflegebereich dar (Kontaktauf­

nahme mit dem Patienten im Rahmen der stationären Versorgung, Patienten­

beratung und -begleitung im Übergang von der stationären zur ambulanten

Versorgung, v g l . Abschnitt 6.3.).

6.1.1.3 Qualitative Versorgungsaspekte

6.1.1.3.1 "Neue" Betreuungs- und Versorgungsangebote

Die Voraussetzungen zur medizinischen Behandlung von AIDS sind in den

drei untersuchten Krankenhäusern gleichermaßen vorhanden. Es handelt sich

um Krankenhäuser der Maximal Versorgung mit allen medizinischen Fachdiszi-12

plinen und den erforderlichen bakteriologischen Laboratorien. Gleiches

g i l t im engeren Sinne auch für die pflegerische Versorgung, nämlich für

die instrumentellen Seiten der Grund- und Behandlungspflege.

Die Hauptlast der Versorgung von aidskranken Patienten wird von Ärzten,

Pflegekräften und Mitarbeitern der BAH vor allem darin gesehen, dem hohen

Maß an psychischen und sozialen Belastungen auf Seiten der Betroffenen

adäquate Versorgungsleistungen gegenüberstellen zu können.

_ Die Durchführung von Therapiestudien kann in bezug auf AIDS auch i n ihrer Experimentierphase als ein Indikator für den jeweiligen Behand­lungsstandard verwendet werden. Im Rahmen der hier durchgeführten Vor­studie waren Erhebungen zu Umfang und Intensität sowie zu Aspekten der Koordination zwischen Kliniken und niedergelassenen Ärzten bei der Durchführung von Therapiestudien, ebenso Fragen der interaktionellen Verfahrensweisen zwischen forschenden Ärzten und Patienten aus Zeit­gründen nicht durchzuführen.

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Versorgungsangebote, die ergänzend und/oder a l t e r n a t i v zur Regel Versor­

gung (Diagnose, Therapie, pflegerische Versorgung und Hotel Versorgung)

eingerichtet wurden, werden auf Strukturebene - im Sinne vorgehaltener

Leistungsbereitschaft i n Form sachlicher und personeller Ressourcen - auf

qu a l i t a t i v e r Ebene auf ihre Integration in den Ablauf des Versorgungspro­

zesses betrachtet. Dabei handelt es sich wesentlich um die organisierte

Einbeziehung nicht-ärztlichen Personals (Psychologen) und die Zusammenar­

beit mit der BAH i n den stationären Bereichen.

6.1.1.3.1.1 AVK

Ergänzend zur Regel Versorgung wurden an der I I . Inneren Abteilung am AVK

eine Planstelle für einen Psychologen (40 Wochenstunden) und ein Büro für

die BAH eingerichtet. Damit hat sich das Versorgungsangebot um professio­

nelle psychologische H i l f e und um das als Lebenshilfe zu verstehende Be-

ratungs- und Hilfsangebot der BAH erweitert.

Vorgesehen i s t , daß das Büro der BAH dreimal wöchentlich für jeweils 4

Stunden personell durch eine Mitarbeiterin der BAH besetzt i s t . Der Erst­

kontakt zwischen Patient und BAH e r f o l g t ausschließlich auf ausdrückli­

chen Wunsch des Patienten h i n , das heißt, die Mitarbeiterinnen der BAH

nehmen von sich aus keinen Kontakt zu den Patienten auf. Bei dem hohen

Bekanntheitsgrad der BAH und auch des am AVK praktizierten Versorgungsmo-

dells i n Betroffenenkreisen bedarf es keiner besonderen Informationsrege­

lungen auf den Stationen.

Die Unterstützung des für beide Stationen zuständigen Psychologen wird

nach Angaben des Pflegepersonals häufig i n Anspruch genommen und reicht

o f t über den Krankenhausaufenthalt hinaus (Angaben vom Psychologen

s e l b s t ) . Dabei steht nicht jederzeit und i n jedem " F a l l " der Bedarf nach

intensiver Psychotherapie im Sinne klassischer Therapieansätze im Vorder­

grund, sondern der Wunsch des jeweiligen Patienten nach konkreter sozia­

l e r H i l f e , demgegenüber eine begleitende psyhotherapeutische Unterstüt­

zung erforderlich i s t .

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Erweitert wurde das therapeutische Team darüber hinaus um einen für beide

Stationen zuständigen Krankengymnasten (1 Pl a n s t e l l e ) .

Ein für a l l e an der Versorgung der Patienten Beteiligten organisatorisch

gesicherter Informationsaustausch, wie beispielsweise Stationskonferenzen

oder Teamsitzungen, wird zwar von allen Befragten als dringend notwendig

erachtet, läßt sich jedoch aufgrund hierfür nicht einplanbarer Zeiten im

Stationsalltag nicht durchführen.

Patientenbezogene Kommunikationen zwischen den verschiedenen Professionen

sind damit entweder primär anlaßgebunden (d.h. sie setzen ein bereits

eingetretenes Ereignis beim Patienten voraus, auf das reagiert werden

muß) oder aber sind gebunden an die berufliche und personale Nähe zwi­

schen den Versorgenden. Dafür sp r i c h t , daß i n den Befragungen eine weit­

aus engere Zusammenarbeit zwischen den Pflegekräften und dem Krankengym­

nasten erkennbar wird, als zwischen dem Pflegepersonal auf der einen, dem

Psychologen und den ärztlichen Mitarbeitern auf der anderen Seite, wenn

es um Absprachen i n der alltäglichen Versorgung geht.

Formal verfügt das AVK über eine, wie bereits dargelegt, Koordinations­

s t e l l e , die im Untersuchungszeitraum l e d i g l i c h für wenige Wochen perso­

nell besetzt war.

6.1.1.3.1.2 UKS

Am UKS i s t die BAH örtlich der Medizinischen P o l i k l i n i k (PMED 300, Son­

dersprechstunde) zugeordnet und einmal wöchentlich dort direkt erreich­

bar. Der Kontakt zwischen Patienten i n den stationären Bereichen und der

BAH s t e l l t sich, sofern die Patienten zuvor keinen Kontakt zur BAH hat­

ten, durch Vermittlung der Pflegekräfte oder Koordinationspflegekraft

her. Allerdings haben die Befragungen im stationären pflegerischen Be­

reich auch ergeben, daß das Pflegepersonal nicht durchgängig über die An­

wesenheitszeiten und Verfügbarkeit eines Mitarbeiters der BAH am UKS i n ­

formiert sind.

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Informationsdefizite auf Seiten des Pflegepersonals h i n s i c h t l i c h der An­

gebote der BAH sind einerseits bedingt durch die räumliche Distanz zwi­

schen stationären und poliklinischen Bereichen der Versorgung aidskranker

Patienten auf verschiedenen Stationen und Abteilungen bei zum Teil gerin­

gen Patientenzahlen. Auf der anderen Seite gehören Kontakte zwischen dem

Pflegepersonal i n den stationären Bereichen und Mitarbeitern der BAH

nicht zum Stationsalltag. Die hier vom Pflegepersonal wahrzunehmende Ver­

m i t t l e r r o l l e i s t diesen weniger präsent als beispielsweise i n Bereichen,

in denen die BAH i n die Arbeitsabläufe eingebunden i s t .

Versorgungswirksam kommt am UKS die durch eine Krankenschwester besetzte

Koordinationsstelle zur Geltung (nähere Angaben zur Funktion der Koordi­

nationsstelle v g l . Abschnitt 6.3.1 bis 6.3.3). Im Bereich der stationären

Versorgung übernimmt die Koordinationsschwester für den Patienten w i c h t i ­

ge Informations- und Kontakthilfen.

Zwischen Koordinationsschwester, BAH und dem Krankenhausseelsorger be­

standen zum Untersuchungszeitpunkt informell geregelte Zusammenarbeits­

formen bei der patientenbezogenen Kommunikationen und die gemeinsamen Be­

sprechungen zur Optimierung der Versorgung von aidskranken Patienten.

Eine intensive Beratung der Patienten sowie ihrer Freunde und Angehörigen

kann entsprechend den Wünschen der Patienten von einem dieser Dienste er­

folgen.

6.1.1.3.1.3 RVK

Über die Regel Versorgung hinausgehende und speziell für den AIDS-Bereich

zuständige Versorgungsangebote bestehen mit Ausnahme der durch einen

Krankenpfleger besetzten Koordinationsstelle am RVK ni c h t . Die Arbeits­

weise des Koordinationspflegers entspricht der der Koordinationspflege am

UKS (Kontaktaufnahme mit dem Patienten im Rahmen der stationären Versor­

gung, Patientenberatung und -begleitung im Übergang von der stationären

zur ambulanten Versorgung). Außerdem nimmt der krankenhausübliche Sozial­

dienst seine Aufgaben im Zusammenhang mit der Versorgung von aidskranken

Patienten i n t e n s i v i e r t wahr ( v g l . Abschnitt 6.3.3.1.3).

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In der Übersicht sind die über die Regel Versorgung (ärztliche und pflege­

rische Versorgung) hinausgehenden Versorgungsangebote der drei Kranken­

häuser zusammengefaßt. Dabei werden krankenhausübliche Versorgungsangebo­

te (hausinterne Ressourcen) und sogenannte "neue" Versorgungsangebote un­

terschieden:

Abbildung 4 : Versorgungsangebote der Krankenhäuser

Krankenhaus 13

hausinterne Ressourcen "neue" Versorgungsangebote

AVK Sozialdienst BAH Psychologe Krankengymnast (Koordi nati onspf1ege)

UKS Sozialdienst BAH Krankenhausseelsorger Koordi nati onspf1ege

RVK Sozialdienst Koordi nati onspf1ege

6.1.1.3.2 Zusammenfassung

Dem Ziel ganzheitlicher Versorgung und Betreuung wird i n den verschiede­

nen Krankenhäusern, wie die Übersicht z e i g t , mit unterschiedlichen Graden

der Integration verschiedener Fachkompetenzen begegnet. Die Unterschiede

betreffen sowohl die Angebotsbreite als auch die organisatorische Inte­

gration der Versorgungsangebote i n den stationären Versorgungsablauf.

Hinsichtlich letzterem muß berücksichtigt werden, daß dahingehende Koope­

rationsprozesse nicht als abgeschlossen bezeichnet werden können.

Fragen der Effektivität der verschiedenen Modelle wird unter Berücksich­

tigung folgender Gesichtspunkte nachzugehen sein:

Angeführt sind l e d i g l i c h jene Versorgungsangebote, die im Zusammenhang mit AIDS i n den Krankenhäusern besonders a k t i v i e r t wurden. Nicht aus­geschlossen i s t , daß auch am AVK und RVK der seelsorgerische Dienst des Krankenhauses i n Anspruch genommen wird.

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- Problem- und Nachfragestruktur in den verschiedenen Krankenhäusern un­

ter Berücksichtigung der jeweiligen Patientenstruktur (Sozialstruktur,

Patientenzahl),

- Entscheidungsprozesse für oder gegen eine Beanspruchung vorhandener

Versorgungsangebote (Anlaß, Entscheidungskompetenz),

- Flexibilität vorhandener Hilfen auf aktuelle, nicht planbare Akutsitua­

tionen und

- Versorgungslücken, soweit sich diese aus der Problem- und Bedarfslage

von Betroffenen erschließen lassen.

Darüber hinaus i s t für eine ganzheitlich ausgerichtete Versorgung von Be­

deutung, daß alle Mitarbeiterinnen der Pflegeabteilungen fachliche und

psychosoziale Kompetenz für eine ganzheitliche Versorgung besitzen bzw.

erwerben. Voraussetzung hierfür i s t nicht nur eine gute Ausbildung im

Vorfeld der beruflichen Tätigkeit, sondern auch die Integration f o r t l a u ­

fender Qualifikation im Arbeitsprozeß und - bei Bestehen eines i n t e r d i s ­

ziplinären therapeutischen Teams - die I n i t i i e r u n g und Wahrnehmung didak­

tischer Möglichkeiten praxisbezogener Fortbildung i n fachlich-somatischer

und psychosozialer Kompetenz.

6.1.1.4 Pflegerische Versorgung (Information und Dokumentation)

Innerhalb der Expertendiskussion (Angehörige von Gesundheits- und Sozial­

berufen, Wissenschaftler) herrscht Konsens darüber, daß bei chronisch

verlaufenden Erkrankungen eine möglichst genaue Ermittlung und Prognose

physischer, psychischer und sozialer Ressourcen der Patienten zum Aus­

gangspunkt des Versorgungshandelns genommen werden muß.

Angesprochen sind damit Aspekte der Rehabilitation bzw. der Möglichkei­

ten, die der Bewahrung oder Wiederherstellung größtmöglicher Selbständig­

ke i t und Unabhängigkeit des Patienten dienen.

Unabhängig von dem Ausmaß offensichtlicher Krankheitsbefunde i s t bei der

Versorgung von aidskranken Patienten eine ganzheitliche Problemsicht ge­

f o r d e r t , die danach f r a g t , welche - von Seiten des Versorgungssystems zu

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- 67 -

lösenden - Probleme sich für den Patienten über medizinisch d e f i n i e r t e

Krankheitsmanifestationen hinaus ergeben.

Eine auf maximale Problemorientierung angelegte Versorgung setzt insbe­

sondere auf pflegerischer Ebene neben qualitativen Personalausstattungs-

aspekten wie Planungswissen, Kooperationsfä'higkeit mit anderen Berufs­

gruppen und den Patienten geeignete Planungsinstrumente (pflegerisch

o r i e n t i e r t e Informations- und Dokumentationssysteme) voraus ( v g l . Fran-

cois-Kettner/Kern 1988, Engelke/Sommerfeld 1987, Exchaqet/Pi11ard 1986,

Juchli 1985, 1987).

Ein anforderungsgerechtes Informations- und Dokumentationssystem kann un­

ter arbeitsorganisatorischen Gesichtspunkten dazu beitragen, den Versor­

gungsprozeß besser zu planen und Informationsdefizite im schicht- und

personenübergreifenden Versorgungsablauf zu minimieren.

Ein guter Überblick über die Gesamtheit der anfallenden ärztlichen wie

pflegerischen Arbeiten sowohl beim einzelnen Patienten als auch bezogen

auf die Gesamtheit der Patienten erhöht die Möglichkeiten gezielter In­

tervention und verringert "ad hoc-Planungen", die zu Defiziten i n der Ko­

operation zwischen den Mitarbeiterinnen führen können.

Im Hinblick auf die Konzeption zum Pflegeprozeßmodell ermöglicht die Nut­

zung entsprechender Formblätter eine systematische Analyse der Erfolge

bzw. Mißerfolge pflegerischer Maßnahmen, Pflegeverläufe können auf der

Basis ihrer Dokumentation überprüft, k o r r i g i e r t und nachvollzogen werden.

Eine Analyse vorliegender Dokumentationen kann ferner substanziierte An­

gaben über Versorgungs- und Betreuungsbedarf aidskranker Patienten er­

bringen und ganzheitliche Aspekte er f o l g t e r Versorgung sichtbar werden

lassen.

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- 68 -

6.1.1.4.1 AVK

Die am AVK für die Versorgung von aidskranken Patienten zuständigen Sta­

tionen verfügen über ein integriertes Informations- und Dokumentationssy­

stem (Dokumentationsgrundlage für ärztliche und pflegerische Patientenin­

formationen), das aufgrund seiner Formblätter die Voraussetzung zur pa­

tientenorientierten Pflege im a r b e i t s t e i l i g e n Stationsablauf b i e t e t .

Die Station B wurde als l e t z t e im März dieses Jahres auf dieses neue In­

formations- und Dokumentationssystem umgestellt.

Eine Schulung der Pflegekräfte auf die damit möglich gewordene Pflege­

anamnese und Pflegeplanung i s t geplant.

6.1.1.4.2 UKS

Am UKS verfügen alle Pflegeabteilungen s e i t 1987 über ein einheitliches

integriertes Informations- und Dokumentationssystem. Die Pflegekräfte

sind aufgrund von Schulungsmaßnahmen mit der Durchführung der Pflegeanam­

nese und -planung ver t r a u t . Auf den untersuchten Stationen wird bei j e ­

dem Patienten eine Pflegeanamnese durchgeführt, bei Patienten mit hohem

Pflegeaufwand Pflegeplanung.

Behandlungs- und pflegebezogene Informationen über den einzelnen Patien­

ten sind so aufgrund der für a l l e an der Versorgung Beteiligten zugängli­

chen Dokumentation gesichert (zur Bedeutung von Pflegeplanung und -doku-

mentation v g l . Ackermann 1986, Fi echter/Meier 1981, Juckel 1985, Peil/Un­

kelbach 1985, Schomburg 1984).

6.1.1.4.3 RVK

Am RVK finden die sogenannten "klassischen" Krankenunterlagen, bestehend

aus einer Krankenakte und davon getrennt der Fieberkurve sowie diversen

Zwischeninformationsträgern (Temperaturenbuch, Kladden, Z e t t e l n ) , Anwen­

dung.

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- 69 -

Eine patientenorientierte Versorgung, insbesondere auf patienteneigene

Ressourcen abzielende Versorgung, steht hier - bezüglich der Vorausset­

zungen zur Dokumentation entsprechender Informationsgrundlagen - vor der

Schwierigkeit, Informationssicherheit für a l l e am Versorgungsprozeß be­

t e i l i g t e n Berufsgruppen herzustellen. (Eine ausführliche Darstellung der

Nachteile "klassischer" Krankendokumentation und der Bedeutung ihrer Neu­

gestaltung findet sich bei Ohm, i n : Engelke/Büchner u.a. 1987, S. 55 f f . )

6.1.1.5 Zusammenfassung

Die i n den untersuchten Krankenhäusern unterschiedlichen Voraussetzungen

zur Informations- und Dokumentationsgestaltung werden h i n s i c h t l i c h der

Fragestellungen zur Beurteilung der Effektivität der Versorgung Berück­

sichtigung finden müssen.

Die Unterschiede betreffen:

- Ausgestaltung und Handhabung der Dokumentationssysteme: Das UKS verwendet ein Dokumentationssystem der Firma Optiplan mit kran-

kenhaus- und zum Teil stationsspezifischen Modifikationen der Formblät­

tergestaltung und kann in bezug auf die Handhabung des Systems auf zwei

Jahre Vorsprung gegenüber dem AVK zurückblicken;

das AVK verwendet das Dokumentationssystem der Firma Hinz;

das RVK verwendet die sogenannten "klassischen" Dokumentationssysteme;

- die Pflegeorganisation: Ausschließlich am UKS wird nach dem Gruppenpflegesystem gearbeitet,

d.h. eine bestimmte Anzahl von Pflegekräften i s t für bestimmte Patien­

ten (-zimmer) zuständig;

am AVK und RVK dominiert die Funktionspflege;

- die Qualifikation zur Durchführung von Pflegeplanung: Ausschließlich am UKS sind die Pflegekräfte aufgrund von entsprechenden

Schulungen und durch Einsatz einer Innovationsschwester im Hause mit

der Pflegeplanung ve r t r a u t .

Page 71: Behandlung, Versorgung und Betreuung von AIDS-Patienten in ... · UKS wird versucht, die spezifischen Vorteile einer multidisziplinären Klinikambulanz mit Sondersprechstunde und

- 70 -

6.2 Stationäre Versorgung und situative Verbesserungsmöglichkeiten

für die Patienten

Abmilderung und Umkehr psychomentaler Abbauprozesse sowie psychische An­

passung an verbleibende Einschränkungen infolge HIV-bedingter Krankheits­

folgen auf der einen Seite und Erhalt befriedigender Sozialbeziehungen

(gegebenenfalls Wiederherstellung oder Stiftung neuer) auf der anderen

Seite können als allgemeine L e i t l i n i e psychosozialer Versorgung angesehen

werden.

Unter diesen Gesichtspunkten e r f o l g t innerhalb dieses Abschnitts eine Be­

trachtung

- der Besuchszeiten,

- des Rooming-in und

- anderen Verfahren zur Wahrung der persönlichen Integrität.

6.2.1 AVK

Auf beiden Stationen wurden zur Verbesserung der Versorgungssituation der

Patienten z e i t l i c h eingeschränkte Besuchszeiten aufgehoben.

Auf Wunsch des Patienten, also nicht nur i n Krisenzeiten, wird die stän­

dige Anwesenheit dem Patienten vertrauter Personen aus dem sozialen Um­

f e l d grundsätzlich ermöglicht (Rooming-in).

Eine Verbesserung der Kontakte zwischen den Patienten auf der Station

wird dadurch angestrebt, daß es den Patienten gestattet i s t , sich gegen­

s e i t i g i n den Krankenzimmern zu besuchen.

Außerdem verfügen beide Stationen über einen für Patienten Tag und Nacht

zugänglichen Aufenthaltsraum, der nicht nur für die Patienten untereinan­

der, sondern auch für Patienten und Personal als Ort der Kommunikation

angesehen werden kann. I n i t i i e r t sind damit ebenfalls Verbesserungen der

Kontakte zwischen Patienten und Krankenhauspersonal.

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- 71 -

Dem Respekt und der Wahrung der Privat- und Intimsphäre des einzelnen Pa­

tienten gelten folgende Regelungen:

- den Patienten wird das Recht zugestanden, in "ihren" Zimmern nicht ge­

stört zu werden (Türschild "Nicht stören"), sofern der gesundheitliche

Zustand dies zuläßt,

- die Mitarbeiterinnen der Stationen sind angewiesen, vor Betreten der

Patientenzimmer anzuklopfen.

Als situationsverbessernd kann l e t z t l i c h auch die auf beiden Stationen

großzügig gehandhabte Genehmigung von Patiententelefonen angesehen wer­

den. Aus Sach- und Geldspenden wurden zudem Fernsehgeräte für die Patien­

tenzimmer angeschafft und stehen den Patienten jederzeit zur Verfügung.

6.2.2 UKS

Grundsätzlich werden auf den drei am UKS untersuchten Stationen die Be­

suchszeiten f l e x i b e l gehalten und bei Bedarf Rooming-in ermöglicht.

Entscheidungskriterium für eine 24-Stunden-Anwesenheit von "außenstehen­

den" Begleitpersonen des Patienten i s t auf der dermatologischen Abteilung

(032) der Gesundheits- bzw. Krankheitszustand des jeweiligen Patienten.

Das heißt, Rooming-in i s t nur bei Vorliegen gesundheitlicher Krisen (auf­

fällige Verschlechterung des Allgemeinzustandes, hoher Pflegeaufwand)

möglich.

Auf der Inneren Abteilung ( I s o l i e r s t a t i o n , 067) findet Rooming-in auf

Wunsch des Patienten s t a t t , also unabhängig vom aktuellen gesundheitli­

chen Status des Patienten.

Aufgrund der kurzen Liegezeiten und geringen Anzahl von aidskranken Pa­

tienten auf der neurologischen Fachabteilung (004) hat sich die Frage

nach Entscheidungskriterien für Rooming-in auf dieser Station bislang

nicht g e s t e l l t .

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Andere, auf si t u a t i v e Verbesserungen abzielende Maßnahmen waren auf den

untersuchten Stationen am UKS nicht erkennbar.

6.2.3 RVK

Grundsätzlich gelten auf der I I . Inneren K l i n i k am RVK die krankenhausüb­

lichen Besuchszeiten. Bei Vorliegen gesundheitlicher oder psychischer

Krisen i s t jedoch auch außerhalb der Besuchszeiten die Anwesenheit von

Freunden oder Verwandten zugelassen, die im Ei n z e l f a l l Rooming-in nicht

ausschließt.

Handlungsleitende Entscheidungskriterien für die Genehmigung zum Rooming-

in waren auf der pflegerischen Leitungsebene nicht d e t a i l l i e r t bekannt.

6.3 Schnittstellenbereich zwischen stationärer und ambulanter Versor­

gung

Wie unter 6.1.1.2 dargelegt, wurden im Januar 1988 an den untersuchten

Krankenhäusern zentrale Informations- und Koordinationsstellen geschaf­

fen. Anstellungsträger für die seit dem vierten Quartal 1988 im p r a k t i ­

schen Einsatz befindlichen Koordinationspflegekräfte i s t der Deutsche Be­

rufsverband für Krankenpflege (DBfK), Regional verband B e r l i n , Mitglied im

Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverband (DPW).

Insgesamt wurden i n Berlin drei Pflegekräfte (eine Krankenschwester, zwei

Krankenpfleger) mit jeweils 40 Wochenstunden e i n g e s t e l l t . Mit einer Lauf­

ze i t von insgesamt vier Jahren endet der Modellversuch Ende 1991 ( v g l .

ISG 1988).

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- 73 -

6.3.1 Aufgaben der Koordinationspflegekräfte

Das Aufgabenfeld der Koordinationskräfte umfaßt unter direkt patientenbe­

zogenen Aspekten wesentlich Arbeiten, die der Sicherung umfassender Ver­

sorgung von aidskranken Patienten dienen, wenn diese bei Krankenhausent­

lassung weiterhin der pflegerischen Versorgung bedürfen.

Personell wie fachlich bedeutet die Einrichtung von Koordinationsstellen

eine Ergänzung der i n den Krankenhäusern eingerichteten Sozialdienste,

die bislang ausschließlich für die Organisation der häuslichen Pflege zu­

ständig waren.

Dabei i s t die Koordinationsstelle ausdrücklich als eigenständiger Bereich

neben dem Sozialdienst zu verstehen, wobei ein erheblicher Kooperations­

bedarf zwischen Sozial dienst und Koordinationsstelle besteht. Das heißt,

daß die Stellung der/des Koordinationsschwester/-pflégers entsprechend

den Aufgabenzielen ( v g l . Anlage 3) und den damit verbundenen Arbeitskom­

plexen (so wie diese sich in der Praxis als sinnvoll herausstellen) im

Verlauf des Modellversuchs d e f i n i e r t werden muß.

Bei der Pflegeübernahme von aidskranken Patienten durch ambulante Versor­

gungseinrichtungen bedarf es einer d e t a i l l i e r t e n Pflegeüberleitung (Anga­

be und Dokumentation von Pflegedaten, umfassende soziale Anamnese, Siche­

rung der hausärztlichen Betreuung vor Krankenhausentlassung). Die zusätz­

l i c h im AIDS-Bereich eingesetzten Krankenschwestern und -pfleger (Koordi­

nationskräfte sowie AIDS-Team der Sozialstationen) haben in diesem Zusam­

menhang umfangreiche organisatorische Aufgaben zu übernehmen, wie bei­

spielsweise

- Kontakte zu Hausärzten,

- medizinisch-pflegerische Organisation (z.B. Entsorgung von i n f i z i e r t e m

Material ) ,

- Organisation des alltäglichen Lebens,

- Kontakte zu Selbsthilfegruppen,

- Aktivierung und Einbeziehung privater oder organisierter Selbsthilfe­

ressourcen,

- Aufrechterhaltung der Kontakte zum Krankenhaus u.a.m.

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In Anbetracht der erst kurzen Laufzeit des Modellversuchs war es den be­

fragten Koordinationskräften jedoch noch nicht möglich, generalisierende

Aussagen über den tatsächlichen Umfang ihrer Arbeit und der Arbeitsabläu­

fe zu machen.

6.3.2 Inha l t l i c h e Anforderungen an die Überleitung von stationärer zu

ambulanter Versorgung

Die Koordinationskräfte beschreiben die Anforderungen an eine e r f o l g r e i ­

che Überleitung des Patienten von der stationären zur ambulanten Versor­

gung folgendermaßen: Aus der Sicht des Patienten s p i e l t das Gefühl wie

die Erfahrung von Sicherheit im Versorgungsablauf und die Informiertheit

über zur Verfügung stehende i n s t i t u t i o n e l l e und selbsthilfebezogene H i l ­

fen eine entscheidende Rolle.

Merkmale umfassender Versorgung aus Patientensicht sind ferner:

- Unterstützung bei Entscheidung für Hilfsangebote,

- H i l f e bei der Kontaktherstellung zu Versorgungs- und anderen H i l f s e i n ­

richtungen,

- die Gewißheit, daß "neue" Betreuende grundlegend über die Befindlich­

keit des Patienten informiert sind (z.B. Krankheitsstatus, psychische

und soziale Situation) und

- Vorhandensein eines/r Ansprechpartner(s)In beim Wechsel von der s t a t i o ­

nären zur ambulanten Versorgung.

Die Kooperationspflegekraft übernimmt hier wesentliche Aufgaben der psy­

chosozialen Versorgung, da es von i h r abhängt, ob eine weitere und siche­

re Versorgung des Patienten nach der Krankenhausentlassung gewährleistet

i s t . Sie i s t also nicht nur mit der Vermittlung zwischen den verschiede­

nen Einrichtungen und Mitarbeitern betraut, sondern auch Ansprechpartne­

r i n für die vielfältigen Ängste und Sorgen der Patienten bezüglich deren

nahen Zukunft.

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Auf Seiten der behandelnden und betreuenden Einrichtungen setzt dies vor­

aus:

- optimale Informiertheit der Pflegekräfte und Sozialarbeiterinnen Uber

den im Ei n z e l f a l l vorliegenden Versorgungs- und Betreuungsbedarf,

- Vorhandensein von Rückkoppelungsmöglichkeiten zwischen ambulanten und

stationären Bereichen zur Abklärung von Informationslücken und

- gleicher (optimaler) Wissensstand über die Krankheit AIDS und den damit

verbundenen pflegerischen und auf die soziale Situation des Patienten

bezogenen Aufgaben bzw. Arbeiten.

6.3.3 Kooperationspartner

Abbildung 5 zeigt die von den Koordinationskräften im Zeitverlauf zu l e i ­

stenden Arbeitsschritte unter Einbeziehung a l l e r zur Verfügung stehenden

Gesundheits- und sozialen Einrichtungen sowie zentral b e t e i l i g t e n Per­

sonen.

6.3.3.1 Organisatorische Anforderungen

Eine erfolgreiche Koordination des Übergangs von der stationären zur am­

bulanten Versorgung kann nur dann erfolgen, wenn geklärt i s t ,

- ob eine Versorgung in der häuslichen Umgebung des Patienten möglich i s t

oder

- ob der entlassungsfähige Patient i n einem anderen als seinem Haushalt

versorgt werden kann/wird und

- welche Sozial Station bzw. private Hauspflege und welcher niedergelasse­

ne Arzt die Versorgung übernehmen kann/wird.

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Abbildung 5: KooperationspartnerIKoordinationspflege

b e t e i l i g t e Personen

Einholen von Patienten­informationen

- Patient - Pflege - Arzt - Bezugsperson - ggf. Seelsorger/Psychologe

Einholen von Patienten­informationen

- Patient - Pflege - Arzt - Bezugsperson - ggf. Seelsorger/Psychologe

Absprachen mit - Sozi a l a r b e i t e r n

Sozial dienst - Soz i a l a r b e i t e r n

K 0 0 R D

Kontaktaufnahme zuständige Sozial Station

- Einsatzleitung

K 0 0 R D

ggf. Kontaktaufnahme mit anderer Sozial-station/Hauspflege

- Einsatzleitung

LI I N A T 1 I 0 N S

1 I 0 N S Kontakt mit nieder­ - Arzt

1 I 0 N S

gelassenem Arzt - Sprechstundenhilfe K R A F T

K R A F T

Planung - Stationsarzt

K R A F T

des Entlassungs­termins

- Pflege - Sozial dienst - ggf. Seelsorger/Psychologe

des Entlassungs­termins

- Pflege - Sozial dienst - ggf. Seelsorger/Psychologe

Kontakt mit anderen - Freunde Hilfspersonen (Freunde) - Angehörige

Kontakt mit - Organisator der BAH BAH - Helfer

Pers. Kontaktherstel­lung zwischen Patient und Betreuenden

- Pflegekraft der Sozial-station/Hauspflege

- ggf. Helfer

Pers. Kontaktherstel­lung zwischen Patient und Betreuenden

- Pflegekraft der Sozial-station/Hauspflege

- ggf. Helfer

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Unter zeitlichen Gesichtspunkten i s t hier von entscheidender Bedeutung,

- wann und von wem die Koordinationspflegekraft bzw. die So z i a l a r b e i t e r n

des Sozialdienstes über stationär liegende Patienten Kenntnis erhält,

- wann die erste Kontaktaufnahme mit dem jeweiligen Patienten zur Klärung

oben genannter Sachverhalte e r f o l g t und

- bezogen auf die konkrete Entlassungssituation, ob die Entlassungspraxis

der Krankenhäuser dem Koordinationsbedarf Rechnung tragen.

Bevor im folgenden auf die zum Untersuchungszeitpunkt an den drei Kran­

kenhäusern praktizierten Verfahren der Koordination stationärer und ambu­

lanter Versorgung eingegangen wird, i s t auf folgende Veränderungen bezüg­

l i c h der von den Sozialdiensten zu leistenden Arbeiten hinzuweisen:

Die Untersuchungsergebnisse lassen erkennen, daß die Sozialdienste an a l ­

len drei Krankenhäusern zunehmend Ei g e n i n i t i a t i v e bei der Wahrnehmung i h ­

rer Aufgaben gegenüber aidskranken Patienten zeigen. Das heißt, das sonst

übliche Verfahren, erst auf Anforderung von Seiten der Pflegebereiche ak­

t i v zu werden, hat sich dahingehend gewendet, daß die zuständigen Sozial-

arbeiterlnnen selbst Informationen über Neuaufnahmen und Koordinationsbe­

darf einholen.

6.3.3.1.1 AVK

Die Organisation der Versorgung von aidskranken Patienten am AVK i s t ge­

kennzeichnet durch eine enge Zusammenarbeit zwischen stationärem Bereich,

Sozial Stationen und niedergelassenen, spezialisierten Hausärzten (Ar­

beitskreis AIDS - Niedergelassene Ärzte B e r l i n , v g l . Abschnitt 5.2). Die­

ses als das "Schöneberger Modell" bekannt gewordene Versorgungsmodell

( v g l . Heise/L'age 1988, Kochen 1987) sieht i n dieser Form der Zusammenar­

beit praktikable Voraussetzungen zur Reduktion der stationären Liegezei­

ten auf das medizinisch Erforderliche.

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In der Stationspraxis i s t es die Sozialarbeiterin (Sozialdienst des Kran­

kenhauses), die zentral die Koordination des stationären ambulanten Über­

ganges e i n l e i t e t . Das heißt:

- Klärung der gesundheitlichen Situation von Patienten, die voraussicht­

l i c h innerhalb der folgenden sieben Tage entlassen werden können ("Ist

häusliche Pflege e r f o r d e r l i c h " ) ,

- Klärung der sozialen Situation (häusliche Gegebenheiten, soziales Um­

f e l d ) ,

- Information und Beratung des Patienten über Pflege- und andere H i l f s ­

möglichkeiten und

- Information der Sozial s t a t i o n .

Die Pflegekräfte der Sozial Stationen nehmen von sich aus noch während der

stationären Phase Kontakt mit den Patienten auf ( i n der Regel ein einma­

l i g e r Besuch 2 bis 3 Tage vor der Entlassung) und erhalten auf diesem We­

ge die notwendigen Pflegeinformationen.

Die hierzu befragten Mitarbeiterinnen von Sozial Stationen (AWO, HIV-e.V.

und Private Pflegestation Depner) betonen, daß sie aufgrund des direkten

Kontaktes mit dem Personal der Pflegeabteilungen im Krankenhaus sowie

eigener Sichtnahme der gesundheitlichen Situation des Patienten über aus­

reichend Informationen zur reibungslosen Übernahme des Patienten nach

Krankenhausentlassung verfügen.

Entlassungsentscheidungen erfolgen am AVK generell i n Absprache mit dem

Patienten und seiner Begleitpersonen sowie nach Abklärung bzw. Sicherung

der häuslichen Versorgung.

Organisatorisch verursachte z e i t l i c h e Engpässe bei der Übernahme der

häuslichen Versorgung durch die Sozialstation (ad hoc-Entlassungen ohne

entsprechende Verfügbarkeit personeller und z e i t l i c h e r Kapazitäten auf

Seiten der Sozial station) treten so nicht auf.

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6.3.3.1.2 UKS

Im Untersuchungszeitraum befand sich die Koordinationsstelle i n der Phase

des Ausbaus bzw. ihrer Integration i n die bestehenden ärztlichen, pflege­

rischen und sozialen Dienste.

Im Hinblick auf eine festgelegte Aufgabenteilung bei der Organisation des

Übergangs von stationärer zu ambulanter Versorgung läßt sich deshalb noch

keine Differenzierung zwischen Koordinationsstelle und Sozialdienst

t r e f f e n .

Neben einer eher auf informeller Ebene stattfindenden kollegialen Zusam­

menarbeit und sachbezogenen Kommunikation zwischen Koordinationsschwester

und Mitarbeiterin des Sozialdienstes findet regelmäßig einmal wöchentlich

ein berufsübergreifendes "Meeting" a l l e r an der Versorgung von aidskran­

ken Patienten Beteiligten s t a t t (Ärzte, Pflegekräfte, Koordinationsschwe­

st e r , Sozialarbeiterin, Mitarbeiter der BAH, Seelsorger). Die Teilnahme

an diesem "Meeting" i s t f r e i w i l l i g . Das "Meeting" hat informierenden

(Neuaufnahmen und Entlassungen von aidskranken Patienten, Einzelfallbe­

sprechungen, versorgungsstrategische Absprachen) und fortbildenden Cha­

rakter (Diagnose- und Behandlungsmöglichkeiten, Aktualisierung des Wis­

sensstandes über AIDS).

Aufgrund dezentraler Versorgung aidskranker Patienten auf den normalen

Stationen im Haus bei zeitweise geringen Patientenzahlen pro Station hat

dieses "Meeting" entscheidende Bedeutung für die Planung und Organisation

der ambulanten Versorgung (frühzeitige Information über neue Patienten

und bevorstehende Entlassungen, Ermittlung der jeweiligen Bedarfslage).

Die Kontaktaufnahme zwischen Koordinationsschwester bzw. Sozialarbeiterin

und Patienten wird von ersteren selbst e i n g e l e i t e t , so daß das Pflegeper­

sonal i n den stationären Bereichen hier nicht mit administrativen Aufga­

ben belastet i s t .

Die Mitarbeiterinnen der ambulanten Pflegeeinrichtungen (Sozialstationen,

private Hauspflegestellen) nehmen nach Information durch die Koordina-

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ti o n s s t e l l e i n den letzten Tagen des stationären Aufenthaltes direkten

Kontakt mit dem jeweiligen Patienten auf und erheben dort den zugrunde­

liegenden Pflege- und Versorgungsbedarf.

Allen befragten Mitarbeiterinnen der in die Untersuchung einbezogenen am­

bulanten Pflegeeinrichtungen war die Koordinationsschwester am UKS per­

sönlich bekannt, so daß hier von einer kontinuierlichen beruflichen Kom­

munikation zwischen dem Krankenhaus und den ambulanten Pflegeeinrichtun­

gen ausgegangen werden kann.

6.3.3.1.3 RVK

Koordinationsstelle und Sozialdienst sind am RVK zuständig für die Orga­

nisation der ambulanten Versorgung entlassungsfähiger Patienten mit HIV-

Symptomatik. Zur Entwicklung konstruktiver Zusammenarbeitsformen zwischen

stationären Bereichen, Sozialdienst und Koordinationsstelle konnten nach

Aussagen des Koordinationspflegers noch keine für a l l e verbindlichen Re­

gelungen zur kontinuierlichen und sachbezogenen Kommunikation zwischen

den verschiedenen Berufs- und Kompetenzbereichen gefunden werden.

Hinzu kommt, daß seit Einrichtung der Koordinationsstelle im vierten

Quartal 1988 bis zum Zeitpunkt der Befragung kaum Patienten mit HIV-Symp­

tomatik entlassen wurden, die das Versorgungsangebot der Koordinations­

pflege d e f i n i t i v hätten i n Anspruch nehmen müssen. Entweder lag kein ent­

sprechender - durch ambulante Pflegeeinrichtungen zu übernehmender -

Pflegebedarf vor, oder aber die Patienten verfügten über ein ausreichen­

des und funktionsfähiges Netzwerk (Expertengespräch).

Da eine bedarfsorientierte Zusammenarbeit zwischen Koordinationspflege

und Sozial Station ebenfalls anlaßgebunden i s t (einen tatsächlichen Koor­

dinationsbedarf voraussetzt), ließen sich zwischen p o t e n t i e l l betreuenden

Sozial Stationen und Koordinationsstelle noch keine verbindlichen Regelun­

gen für das Überleitungsverfahren entwickeln. Ein Verfahren, daß Mitar­

beiterinnen von Sozial Stationen bereits während des Krankenhausaufenthal­

tes Kontakt mit betroffenen Patienten aufnehmen, hat sich am RVK bislang

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- 81 -

nicht realisieren lassen. Informationstechnisch kommen sogenannte Pflege-

überleitungsbögen (siehe Anlage 4) zur Erfassung pflegerischer und sozia­

l e r Patientendaten zur Anwendung, die entweder vom Sozialdienst oder vom

Koordinationspfleger ausgefüllt werden.^

Der Kontakt zwischen Koordinationspfleger und betroffenen Patienten

s t e l l t sich am RVK über regelmäßiges Aufsuchen der Stationen und gezielte

Kontaktaufnahme mit Patienten durch den Koordinationspfleger her.

Zwischen der pflegerischen Abteilungsleitung, Stationsärzten und Koordi­

nationspfleger findet ein nicht formal geregelter Informationsaustausch

bezüglich Neuaufnahmen, bevorstehenden Entlassungen und Versorgungspla­

nungen s t a t t , so daß nach Meinung des Koordinationspflegers Informations­

sicherheit betreffs erforderlicher Übernahmen von Koordinationsaufgaben

besteht.

Pflegeüberleitungsbögen gehören nicht zu den krankenhausinternen Doku­mentationsunterlagen, sondern werden von den Sozial Stationen an die Pflegeabteilungen der Krankenhäuser ausgegeben.

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7. Arbeitsanforderungen und -belastungen bei der Versor­gung AIDS-kranker Patienten

Wie i n Kapitel 6 bereits angemerkt, kommt dem Pflegesektor bei der Ver­

sorgung und Betreuung besondere Bedeutung b e i . Dies g i l t i n besonderem

Maße bei der Versorgung von Patienten mit unheilbaren, chronisch verlau­

fenden Erkrankungen.

Pflege und psychosoziale Betreuung stehen, solange es keine zur Heilung

führende Behandlung von HIV-Infizierten und AIDS-Kranken g i b t , im Vorder­

grund des Versorgungshandelns. Damit verbundene Arbeitsanforderungen an

den Pflegebereich sind im übergreifenden Sinne:

- die Pflege der Erkrankten (Grund- und Behandlungspflege, psychosoziale

Betreuungsaspekte), die i n ihrer optimalen Durchführung der Gesamtper­

sönlichkeit des einzelnen Patienten mit seinen Anforderungen an eine

umfassende, die körperlichen und psychischen Bedürfnisse gleichermaßen 1 ̂

berücksichtigende Versorgung gerecht wird ,

- die Koordination ambulanter Pflege und Unterstützungsmaßnahmen (z.B.

psychosoziale Betreuung, Haushaltsführung) und

- d i e Aktivierung des patienteneigenen privaten Umfeldes; Informationen

über die Krankheit AIDS, ihren Besonderheiten sowie Beratung und Anlei­

tung privater Betreuungspersonen, häufig psychische Unterstützung der­

selben.

Die im AIDS-Bereich e x p l i z i t geforderte und von seiten des pflegerischen

wie ärztlichen Personals i n die Arbeit mit den Patienten aufgenommene Be-

Dieser Arbeitsaspekt wird gemeinhin als Pflegeaufwand bezeichnet, wäh­rend die nachfolgenden Arbeitsaspekte i n ihrer Bedeutung für den Er­f o l g pflegerischen und ärztlichen Handelns bislang wenig thematisiert werden. Eine umfassende Pflege schließt jedoch die nachfolgenden Ar­beitsaspekte unabhängig von der zugrundeliegenden Pflegeintensität (Bedarf an Grund- und Behandlungspflege) zwingend mit e i n . (Hypothetisch kann angenommen werden, daß mit Verringerung der Pflege­intensität der Anteil an Koordinations- und Beratungsaufgaben zu­nimmt. )

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rücksichtigung psychischer und sozialer Versorgungskomponenten machen

grundsätzliche Probleme bei der Bewältigung der pflegerischen Arbeit

deutlich.

Auf der Ebene des Versorgungshandelns wird dies insbesondere sichtbar,

wenn z e i t l i c h e Ressourcen für patientennahe Arbeiten entweder nicht in

ausreichendem Maße zur Verfügung stehen oder aber andere - nicht weniger

notwendige Arbeiten - tendenziell vernachlässigt werden müssen.

Vor dem Hintergrund, daß es sich bei allen untersuchten Pflegeabteilungen

nicht um "AIDS-Stationen" handelt, daß also Patienten mit anderen Erkran­

kungen das Recht auf gleiche umfassende Versorgung beanspruchen können,

werden hier zum Teil Kapazitätsgrenzen d e u t l i c h , einhergehend mit Schuld­

gefühlen auf Seiten der Pflegekräfte.

Im Rahmen der Anhörung zur Situation im Pflegebereich bei Versorgung von

aidskranken Patienten äußert der Ausschuß des Nationalen AIDS-Beirates

die Befürchtung, daß der Bestand an Pflegekräften im AIDS-Bereich ange­

sichts der hohen Belastungen nicht gehalten werden könne, zum Teil be­

r e i t s schon zum gegenwärtigen Zeitpunkt Engpässe zu verzeichnen sind

( v g l . BT-AIDS, Enquete-Arbeitsunterlage Nr. 431, April 1989).

Im folgenden sollen die von den Pflegekräften thematisierten speziellen

Anforderungen im Sinne von Mehraufwand bei der Pflege aidskranker Patien­

ten eingegangen werden.

Trotz der i n den verschiedenen Bereichen unterschiedlichen Organisation

pflegerischer Arbeit und unterschiedlichem Patientenaufkommens (AIDS-Pa-

tienten) werden Anforderungen und Belastungen, die aus der Versorgung

dieser Patienten r e s u l t i e r e n , nahezu identisch beschrieben, so daß eine

Unterscheidung nach Krankenhaus und Pflegeabteilung an dieser Stelle we­

der sinnvoll noch zweckmäßig i s t .

Das große öffentliche Interesse an AIDS und an dem ärztlichen wie pflegerischen Tätigkeitsfeld h i n s i c h t l i c h der Bemühungen um Behand­lungserfolge können hier als Wegbereiter des großen Engagements i n diesen Bereichen gesehen werden.

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7.1 Arbeitsanforderungen und -beiastungen aus der Sicht der Pflege­

kräfte

Die Teilnehmerinnen der Befragungen i n den stationären Bereichen gaben

an, daß die Versorgung aidskranker Patienten auf allen Ebenen der pflege­

rischen Arbeit einhergeht mit einem nennenswerten Mehraufwand an zu l e i ­

stenden pflegerischen Tätigkeiten.

Im Bereich der patientennahen Arbeiten werden vor allem Versorgungsaspek­

te genannt, die im Zusammenhang mit der

- Grundpflege (aidstypische Durchfälle, Hautpflege, Waschen) und

- Kommunikation zwischen Patienten und Pflegepersonal stehen.

Die hohe Belastung, die i n diesen Zusammenhängen erfahren wird, erklärt

sich möglicherweise durch die große - zum Teil persönliche - Nähe, die

aufgrund des intensiven Betreuungsverhältnisses zwischen Patienten und

Pflegepersonal entsteht. Die Befragungen bestätigen, daß insbesondere der

Zeitanteil für Kommunikationen zwischen Patienten und Pflegepersonal er­

heblich gestiegen i s t .

Dafür verantwortlich scheint jedoch nicht nur der Anspruch nach patien­

te n o r i e n t i e r t e r Versorgung auf Seiten des Pflegepersonals zu s e i , sondern

ebenso das für stationäre Versorgungsbereiche ungewöhnlich ausgeprägte

Selbstbewußtsein der Patienten.

Insbesondere Patienten, die der Betroffenengruppe der homosexuellen Män­

ner angehören, weisen einen hohen Informationsgrad über die Krankheit

AIDS auf. Sie zeigen darüber hinaus aber auch beträchtliche Fähigkeiten,

Gespräche über ihre Probleme, Bedürfnisse und Situation gegenüber anderen

- o f t nicht weniger aktuellen - Stationsbelangen bei den Pflegekräften

durchzusetzen.

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Kommunikation mit den Patienten beinhaltet:

- Information und Beratung,

- alltägliche Gespräche und

- Trost und Beistand.

In diesen Zusammenhängen wird von den Pflegekräften als besonders bela­

stend angegeben

- das Leiden und der Tod von vergleichsweise jungen Patienten,

- d i e H i l f l o s i g k e i t gegenüber dem Krankheitsgeschehen (substantiiert bei­

spielsweise bei aidstypischen Durchfällen) und

- die Betreuung privater Bezugspersonen, insbesondere wenn es sich um

Mütter oder andere Angehörige handelt.

Zugleich wird von den Befragten auch ein Anstieg von patientenfernen Ar­

beiten angegeben, die essentiell auf AIDS zurückzuführen sind. Genannt

werden:

- Dokumentationsarbeiten (psychosoziale Betreuungsaspekte, Laboreintra­

gungen, Forschungsdaten, Medikamenteneintragungen),

- Beschaffung technischer Geräte (Infusiomaten, Sauerstoffbomben),

- Vor- und Nachbereitung diagnostischer Maßnahmen.

In einigen Bereichen fühlen sich die Pflegekräfte h i n s i c h t l i c h v e r b i n d l i ­

cher Hygienevorschriften (Infektionsgefahren für Patienten sowie Pflege­

personal) unzureichend informiert oder mit ständig neuen - zum Teil ein­

ander widersprechenden - Informationen k o n f r o n t i e r t . Lediglich auf zwei

der fünf untersuchten Stationen wußte man von der Existenz eines soge­

nannten "Hygiene-Ordners", der für a l l e Pflegekräfte der Station zugäng­

l i c h i s t und in dem Erkenntnisse aus dem Bereich der Hygiene, Desinfek­

t i o n sowie Hygienestandards dokumentiert sind.

Auch Mängel in der Koordination zwischen pflegerischem und ärztlichem

Personal behindern die Patientenorientierung. Es komme häufig dazu, daß

ärztliche Anordnungen (Behandlungspflege, Medikamente) innerhalb von we-

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nigen Stunden und von verschiedenen Ärzten abgesetzt und wieder neu ange­

setzt werden.

Neben den damit verbundenen Dokumentationsarbeiten für das pflegerische

Personal sind die Pflegekräfte zudem damit betraut, den jeweiligen Pa­

tienten jedesmal neu über den Therapiewechsel zu informieren, aufzuklären

und zu beruhigen. Wiederholt sich dieser Vorgang mehrmals am Tag, sind

Informationssicherheit auf Seiten des Patienten sowie auf Seiten der

Pflegekräfte nicht mehr gewährleistet, infolgedessen die Beziehung zwi­

schen Pflegepersonal und Patienten erheblich gestört werden kann.

Zusammenfassend kann als Ergebnis der durchgeführten Untersuchung ange­

nommen werden, daß die bekanntermaßen hohe psychische Arbeitsbelastung im

AIDS-Bereich verstärkt wird durch

- einen allgemeinen Arbeitszuwachs im Bereich der patientenfernen Arbei­

ten, ohne Möglichkeiten der Delegation von Arbeiten an andere Beschäf­

t i g t e ;

- Informationsunsicherheiten, beispielsweise h i n s i c h t l i c h neuer Hygiene­

bestimmungen, häufiger Therapiewechsel und anderes mehr, und

- Koordinationsdefizite zwischen ärztlichem und pflegerischem Personal.

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8. Ausblick

Die Immunschwächekrankheit AIDS i s t eine Krankheit mit weitreichenden so­

zialen Konsequenzen für die von AIDS Betroffenen auf der einen Seite und

für das Gesundheitswesen (z.B. Kostenentwicklung) auf der anderen Seite.

Eine Minderung der mit AIDS verbundenen Folgen kann nur erreicht werden,

wenn gezielt auf die Krankheit AIDS reagiert wird.

Die Vorstudie zur "Behandlung, Versorgung und Betreuung von AIDS-Kranken

in Berlin" l i e f e r t eine erste Bestandsaufnahme, mit welchen Innovationen

das Gesundheitswesen i n Berlin (West) auf den durch AIDS entstandenen

Problemdruck reagiert hat.

Zu nennen sind insbesondere

- die unterschiedlichen Modelle zur Verzahnung stationärer und ambulanter

Versorgung ( P o l i k l i n i k , das "Schöneberger Modell", Einrichtung von Ko­

ordinationsstellen) und

- die Sicherstellung der Koordination ärztlicher, pflegerischer Versor­

gung und Selbsthilfeorganisationen (Berliner AIDS-Hilfe).

Innerhalb der stationären Versorgungseinrichtungen wurden über die Stan­

dardversorgung hinausgehende Versorgungsangebote eingerichtet, die we­

sentlich auf die Bewältigung psychosozialer Versorgungsaspekte abzielen.

Im Rahmen der Model 1programme der Bundesregierung wurden ambulante Pfle­

geeinrichtungen (Sozialstationen) personell um sogenannte "AIDS-Teams"

erweitert. Die I n s t i t u t i o n des AIDS-Teams z i e l t spezifisch auf die zu­

sätzlichen Anforderungen bei der Versorgung von aidskranken Patienten ab,

weist also einen hohen Grad an Spezifität für diese Krankheit auf.

Für eine Bewertung der neuen Strukturen und ihrer Flexibilität im Hin­

blick auf die daran geknüpften Ziele einer problemadäquaten Versorgung

von AIDS-Patienten f e h l t es derzeit noch an fundierten Kenntnissen über

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die spezifischen Anforderungen und Bedürfnisse, die hier von den Gesund­

heitseinrichtungen bewältigt werden müssen.

Außerdem s t e l l t sich die Frage, mit welcher internen und externen Ar­

b e i t s t e i l u n g , Organisation, Kompetenzabstimmung und Kontrolle die einzel­

nen neu geschaffenen Institutionen auf die Patienten und die jeweils i n ­

dividuellen Bedürfnislagen reagieren.

Im Hinblick auf die Entwicklung tragfähiger Versorgungsmodelle weisen die

Untersuchungsergebnisse auf Belastungsgrenzen bei den Beschäftigten der

Gesundheits- und Sozialeinrichtungen h i n . Hier sind sorgfältige Abklärung

von Arbeitsbelastungen, die bei der Versorgung von aidskranken Patienten

auftreten, erforderlich und konzeptionelle Überlegungen, welche Maßnahmen

zu ihrer Überwindung beitragen können.

Schließlich bieten d i f f e r e n z i e r t e Kenntnisse der neuen Strukturen und An­

gebote, die im Rahmen der Berliner Versorgung von AIDS-Kranken entstanden

sind, auch unter qualitativen Gesichtspunkten günstige Voraussetzungen

für einen Erfahrungstransfer in andere Bereiche der Versorgung chronisch

Kranker.

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Anhang

Seite

Anlage 1: ModelIprojekte i n Berlin 97

Anlage 2: Informations- und Dokumentationssystem (HIV-e.V.) 104

Anlage 3: Modell projekt: Koordinationspflege 113

Anlage 4: Standard-Pflegeüberleitungsbogen 114

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Anlage 1

Model lprojekte in Berlin

Quelle: ISG 1989.

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Standort Berlin

Übersicht Bei dem Berliner Projekt, an dessen Konzeption die Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales maßgeblich beteiligt war, handelt es sich um ein auf mehreren Ebenen angelegtes Modell, dessen Bausteine sich gegenseitig ergänzen und das als integriertes Gesamtkonzept zu verstehen ist. Es gliedert sich in folgende Teilprojekte, die zunächst kurz skizziert und im Anschluß ausführli­cher dargestellt werden:

1. Übergreifende Dienste

a) Mobiles Informations- und Beratungsteam

Dieses aus einer Ärztin, einem Psychologen, einem Sozialarbeiter und einer Krankenschwester zusammengesetzte Team bietet projekt- und institutionsübergreifend Fortbildung und Praxisbegleitung an. In geringerem Umfang werden auch Beratungen für Erkrankte und deren Angehörige durchgeführt.

b) Klinische Koordinatoren

Drei Schwerpuiiktjdiniken wurde jeweils eine Fachkraft zugeordnet, die alle zur Einleitung einer ambulanten Versorgung notwendigen Koordinationsaufgaben innerhalb wie außerhalb der Klinik übernimmt.

2. Personalverstärkung für Sozialstationen

Bei den Trägern der Sozialstationen werden Krankenpflegepersonen und Sozialarbeiter gefördert. Zusätzlich werden bei HIV e.V., einem Dienst, der im gesamten Stadtgebiet Pflegen übernimmt, Krankenpflegestellen gefördert.

Bis Ende 1988 haben fünf Modellprojekte die Arbeit aufgenommen, und zwar bei folgenden Trägern:

AWO, Caritas, DPWV, DRK, HTV e.V. (DPWV).

Die Gespräche zwischen dem Diakonischen Werk und der Senatsverwaltung über eine Beteiligung am Modellprojekt sind noch nicht abgeschlossen.

Die Modellmitarbeiter übernehmen die Betreuung von AIDS-Kranken in Zusammenarbeit mit den Sozialstationen ihres Trägers. In einzelnen Fällen werden AHDS-Kranke auch ohne Beteiligung regulärer Mitarbeiter der Sozialstationen gepflegt. Grundsätzlich sollen die Modellmitarbeiter aber nicht die Rolle der "ATDS-Pflegeperson" übernehmen, sondern vielmehr als Multiplikatoren ihre Kenntnisse und Erfahrungen an das Pflegepersonal weitergeben; einzelne Teams bieten auch trägerbezogen Fortbildung an. Eine Ausnahme bilden die Mitarbeiter von HTV e.V., deren Tätigkeit ausschließlich die ambulante Versorgung Erkrankter ist.

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3. Häusliche Kinderkrankenpflege

Um die speziellen Anforderungen einer fachlichen Begleitung und Beratung HTV-positiver Schwangerer und Mütter sowie der Betreuung ihrer Kinder erfüllen zu können, werden beim Verein für die häusliche Kinderkranken­pflege e.V. zusätzliche Stellen für Kinderkrankenpflege und Familienpflege gefördert.

4. Wohnprojekte

Die Planungen für die in der Konzeption angelegten betreuten Wohnge­meinschaften für HIV-Positive und AIDS-Erkrankte unter Trägerschaft von Arbeiterwohlfahrt und Caritas sind noch nicht abgeschlossen.

Die Einzelprojekte kooperieren im Rahmen ihrer Arbeit in vielfältigen Formen miteinander. Darüber hinaus ist ein kontinuierlicher Informations- und Erfah­rungsaustausch durch institutionalisierte Treffen aller Berliner Projektmitarbei­ter gewährleistet.

Bislang wurden in Berlin insgesamtf53/AIDS-Patienten von Modellmitarbeitern betreut. Die Betreuungen umfassen me gesamte Spannbreite der in Abschnitt 3.1 beschriebenen Erfahrungen.

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Beschreibung der Einzelprojekte

Projekt Mobiles Informations- und Beratungsteam (DRK)

Stellen- 1 Ärztin, 1 Psychologe, 1 Sozialarbeiter, 1 Krankenschwester, struktur alle Stellen sind besetzt

Arbeits- Seit Oktober 1987 bietet das Mobile Informations- und Beratungsteam Fortbil-schwerpunkte dungsveranstaltungen an, die allen Mitarbeitern der ambulanten Dienste, Klini­

ken sowie Selbsthilfegruppen offenstehen. Die interdisziplinäre Zusammenset­zung des Teams ermöglicht es, medizinische, pflegerische, psychische und soziale Themen anzusprechen. Einzelne Veranstaltungen werden in Zusammenar­beit mit externen Personen, etwa mit anderen Modellmitarbeitern oder mit Mitarbeitern der Berliner AIDS-Hilfe, durchgeführt. Im ersten Jahr seiner Tätigkeit wruden 109 Veranstaltungen durchgeführt, davon 72 Grund- und 37 Aufbauveranstaltungen. Die Hälfte der Veranstaltungen richtete sich an Mitar­beiter von Sozialstationen (von jeder zweiten Sozialstation nahmen Mitarbeiter teil); weitere Veranstaltungen fanden an Krankenpflegeschulen, bei Selbsthilfe­gruppen, im Rahmen der Hauspflegeausbildung etc. statt. Erreicht wurden 1.440 Teilnehmer, darunter zur Hälfte Krankenpflegepersonen und zu einem Drittel hauspflegekräfte.

Darüber hinaus werden fallbezogene Beratungen für die genannten Gruppen, für Ärzte, Drogentherapieeinrichtungen, Behörden sowie Angehörige und Partner der Erkrankten angeboten. Im ersten Jahre wurden mehr als 300 Einzelberatun­gen durchgeführt.

In einigen Fällen haben die Tearnmitglieder direkt bei der Versorgung von Patienten mitgearbeitet. Dieser Bereich der Arbeit nimmt einen immer größeren Raum ein. Neben der konkreten Hilfe wird die Mitarbeit bei der Versorgung auch deshalb für wichtig gehalten, weil die eigenen praktischen Erfahrungen die Akzeptanz der angebotenen Beratungskompetenz erhöhen.

Anmerkungen Die Freiwilligkeit der Teilnahme an Fortbildungsveranstaltungen wird als we­sentliche Voraussetzung für deren Effizienz gesehen. Erste Erfahrungen zeigen, daß Gruppen, bei denen die Teilnahme angeordnet worden war, nicht oder nur in geringem Maße zur persönlichen Auseinandersetzung mit der Krankheit AIDS und deren Folgen zu motivieren waren.

Ein wichtiger Aspekt der Arbeit ist die Mitarbeit in fachbezogenen Gremien. (In Berlin gibt es einen Arbeitskreis AIDS niedergelassener Arzte, einen Ge­sprächskreis AIDS für Krankenpflegepersonal, einen AJJDS-Arbeitskreis von Sozialarbeitern, an denen die Modellmitarbeiter teilnehmen.) Die unterschiedli­chen Erfahrungen werden im Team zusammengetragen und diskutiert und fließen in die weitere Arbeit ein.

Besondere Anforderungen werden in Berlin im Bereich der ambulanten Versor­gung Drogenabhängiger gesehen, weshalb diese Klientel inzwischen stärker berücksichtigt wird; die Zusammenarbeit mit Drogentherapeuten und -beratern wurde intensiviert.

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Projekt Klinische Koordinatoren

Träger Deutscher Berufsverband für Krankenpflege (MitgHedsorganisation im DPWV)

Stellen- 3 KrankenschwesternZ-pfleger; struktur alle Stellen sind besetzt

Arbeits- Drei Kliniken, die die Zentren der stationären Behandlung AIDS-Kranker in Schwerpunkte Berlin bilden (Augusfe-Victoria-Krankenhaus, Rudolf-Virchow-Krankenhaus,

Universitätsklinikum Steglitz), ist jeweils ein Mitarbeiter zugeordnet. Sie übernehmen die Aufgabe, die Patienten aus dem stationären in den ambulanten Bereich zu begleiten. Im Kontakt mit den Patienten und häufig auch deren Angehörigen werden in Zusammenarbeit mit den Krankenhäusern, Sozialstatio­nen und allen weiteren für die ambulante Versorgung relevanten Institutionen einzelfallbezogen die Rahmenbedingungen für eine ambulante Versorgung ge­schaffen.

Anmerkungen Die Institution des Koordinators stieß in den Kliniken zunächst nicht auf uneingeschränkte Akzeptanz. Mit der Unterstützung der Pflegedienstleistungen konnten anfängliche Ressentiments jedoch weitgehend ausgeräumt werden, so daß die Funktion des Koordinators inzwischen als wichtig anerkannt wird.

Projekt AWO

Stellen- 1 Sozialarbeiterin, 4 Krankenpflegepersonen; struktur alle Stellen sind besetzt

Arbeits- Beratung, Betreuung und Pflege von AEDS-Kranken; Schwerpunkte einzelfallbezogene Berratungen von Pflegepersonal bei Problemen der Pflege,

Praxisbegleitung' und in geringem Umfang Fortbildungsveranstaltungen für Sozialstationen der AWO

Anmerkungen Durch eine Zusammenarbeit mit dem "Treffpunkt Hilfsbereitschaft", einer Ver­mittlungsstelle für ehrenamtliche Helfer im sozialen Bereich konnte bereits für eine Betreuung ein Helfer gewonnen werden.

Projekt Caritas

Stellen- 1 Sozialabeiterin, 4 Krankenpflegepersonen; struktur alle Stellen nicht besetzt

Arbeits- Beratung, Betreuung und Pflege von AIDS-Kranken; Schwerpunkte einzelfallbezogene Beratungen bei Problemen der Pflege, Praxisbegleitung und in

geringem Umfang Fortbildungsveranstaltungen, meist für Mitarbeiter der Caritas

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Projekt

Stellen­struktur

Arbeits­schwerpunkte

DPWV

1 Sozialarbeiterin, 2 Krankenpflegepersonen (seit Herbst 1988); 2 Krankenpfle gesteilen gegenwärtig unbesetzt

sozialarbeiterische Betreuung von Patienten, die von Mitgliedsorganisationen des DPWV gepflegt werden: Abordnung der Krankenschwester zu einer DPWV-Sozialstation, von dort aus krankenpflegerische Betreuung vor allem von AIDS-Erkrankten, die in einer Drogentherapie-WG wohnen; vorübergehend Mitarbeit des Pflegers bei HTV e.V. (Koordination, Notdienst); Koordination des Arbeitskreises Selbsthilfegruppen und AIDS, an dem die DPWV organisierten Gruppen Hydra (Prostituierte), Mann-O-Meter (Homosexuelle), die Berliner AJDS-Hilfe, HTV e.V. und andere teilnehmen

Anmerkungen Nach dem ursprünglichen Konzept bildeten vier Krankenpflegepersonen und eine Sozialarbeiterin ein bei der Geschäftestelle des DPWV angesiedeltes Mobiles Pflegeteam, dessen Hilfeleistungen von den vom DPWV getragenen Sozialstatio-nen abgerufen werden konnten. Das Angebot wurde jedoch nur teilweise von den ambulanten Diensten angenommen. Diese Erfahrung führte zu einer Ände­rung des Konzepts in Richtung auf eine dezentrale Anbindung der Krankenpfle­gekräfte an ausgewählte Sozialstationen; lediglich die Sozialarbeiterin soll weiterhin von der Geschäftsstelle aus operieren. Das Konzept ist noch nicht in allen Details festgeschrieben, sondern wird gegenwärtig mit den Sozialstationen des DPWV diskutiert.

Projekt DRK

Stellen­struktur

1 Sozialarbeiterin, 2,5 Krankenschwestern; 1,5 Krankenpflegestellen noch unbe­setzt

Arbeits- Die Krankenschwestern haben erst im September ihre Arbeit im Modell aufge-schwerpunkte nommen und befanden sich bis zum Jahreswechsel in der Einarbeitungszeit

(Hospitationen, eigene Fortbildung etc.).

Anmerkungen Ab Januar sollen sie zu unterschiedlichen Sozialstationen des DRK abgeordnet werden und dort bei der Betreuung von AIDS-Patienten mitarbeiten sowie als Multiplikatoren ihre Kenntnisse weitergeben.

Projekt HTV e.V. (DPWV)

Stellen- 2 Krankenpflegestelle (4 x 0,5); alle Stellen sind besetzt struktur

Arbeits- Pflege von AIDS-Erkrankten, z.T. in Zusammenarbeit mit anderen Diensten Schwerpunkte

Anmerkungen Bei einzelnen Pflegen wurde die Sozialarbeiterin des DPWV hinzugezogen. In dem halben Jahr seit Beginn der Förderung von HIV e.V. waren die Modell­mitarbeiter bereits an einer großen Anzahl von Pflegen beteiligt. Neben engen Kontakten zu einer Schwerpunktldinik und zur Berliner AJDS-Hilfe, über die Patienten vermittelt wurden, bestehen gute Kontakte zur Gruppe der Homose­xuellen.

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Projekt Häusliche Kinderkrankenpflege

Stellen- 1 Kinderkrankenschwester, 1 Famüienpflegerin; eine weitere Kinderkranken-struktur schwesternsteile wurde zu einer zweiten Famüienpflegestelle umgewidmet (bis­

lang nicht besetzt)

Arbeits- Betreuung von Kindern HTV-infizierter Mütter, in der Regel mit eher präventi-schwerpunkte vem Charakter, da bei den Kindern nicht in jedem Fall Krankheitsbilder mani­

fest sind; häufig kurzzeitige Betreuung, in einzelnen Fällen auch Dauerpflegen; Familienpflege, z.B. bei einem Krankenhausaufenthalt der Mutter; Beratung von HIV-infizierten Schwangeren, Begleitung beim Übergang aus der Klinik nach Hause, Anleitung bei der Säuglings- und Kinderpflege

Anmerkungen Die Modellrnitarbeiterinnen sind in die Arbeit des externen Pflegedienstes integriert. Enge Kontakte bestehen zu Mitarbeitern des Modellprojekts 'AIDS und Kinder' zu mehreren Entbindungs- und Kmderkliniken, zur Berliner AIDS-Hilfe (bei der es eine Frauen-Selbsthilfegruppe gibt und die auch als Vermittler fungiert) und zu Drogenberatungsstellen.

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Forschungsgruppe Gesundheitsrisiken und Präventionspolitik

Das Krankheits- und Sterbegeschehen in i n d u s t r i a l i s i e r t e n Ländern wird

hauptsächlich von chronischen Erkrankungen bestimmt, deren Verursachungen

weitgehend in den Bereichen Umwelt/Arbeit/Lebensweise liegen. Nach ihrer Ma­

nife s t a t i o n sind sie medizinisch meist nicht mehr heilbar. Auf die Verhütung

des Ausbruchs solcher Krankheiten richten sich konkurrierende Strategien.

Sie unterscheiden sich h i n s i c h t l i c h des Interventionsfelds, der wissen-

schaftlich-disziplinären Untermauerung und der I n s t i t u t i o n a l i s i e r u n g . Die

Forschungsgruppe untersucht und vergleicht Risikokonzepte, Wirkungen und

Entwickungsbedingungen unterschiedlicher präventiver Interventionen und

Strategien.

Mitglieder der Forschungsgruppe:

Dipl.-Chem. Barbara Maria Köhler, Ph.D.

Dr. r e r . p o l . Hagen Kühn

Priv.-Doz. Dr. r e r . p o l . Rolf Rosenbrock (Leiter)

Dipl.-Pol. Andreas Salmen