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Campylobacter – lange unterschätzt!
Dorit Borchers, CVUA-OWL
43. Detmolder Gespräch
Chemisches und Veterinäruntersuchungsamt Ostwestfalen-Lippe
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Gliederung
• Charakterisierung/Historie der Nomenklatur/Taxonomische Einordnung
• Bedeutung Tier/Mensch
• Infektionswege/epidemiologische Situation
• Prophylaxe/Therapie
• eigene Untersuchungen
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Campylobacter
• sehr schlanke gramnegative Stäbchen-bakterien: 0,2-0,8 x 0,5-5 µm (E. coli: 1-1,5 x 2-6 µm)
• meist polar begeißelt• gekrümmt bis spiralig (griech. “campylos”)• mikroaerophil• oxidasepositiv, (katalasepositiv)• (thermophil (Vermehrungsoptimum 37 °C))• “vbnc” = “viable but nonculturable“
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Historie der Nomenklatur
• 1886: Erstbeschreibung (Escherich)
• 1909: Zuordnung v. Campylobacter zu den Vibrionen
• 1918: „Vibrio fetus“ = Campylobacter fetus
• 1946: „Vibrio fetus“
• 1957: “related vibrio”
• 1963: Vorschlag für eigene Gattung Campylobacter
• 1984: endgültige Beschreibung in Bergey's Manual of Systematic Bacteriology
• 1989: “Campylobacter pylori” = Helicobacter
• 1991: „aerotolerante Campylobacter“ = Arcobacter
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Taxonomische Einordnung
• Ordnung: Campylobacterales• 1. Familie: Campylobacteriaceae • Gattungen: Campylobacter, Arcobacter,
Sulfurospirillum• C.-Arten v. medizinischer Relevanz: C. fetus
subsp. venerealis, C. fetus subsp. fetus, C. jejuni, C. coli, C. lari, C. upsaliensis
• 2. Familie: Helicobacteriaceae• Gattungen: Helicobacter, Wolinella
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Bedeutung beim Tier
• C. fetus subsp. venerealis: enzootischer Campylobacter-Abort des Rindes („Vibrionen-Abort“, „-seuche“); anzeigepflichtige Deckseuche
• C. fetus subsp. fetus, C. jejuni: enzootischer Campylobacter-Abort des Schafes
• C. jejuni: infektiöse Hepatitis des Huhns• C. jejuni, C. coli: milde Durchfallerkrankungen bei
Haustieren (Wdk., Schw., Hd., Ktz.)
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Bedeutung beim Menschen
• C. jejuni, C. coli, C. lari, C. upsaliensis: infektiöse Enteritis
• Symptome: zu Beginn Fieber, Kopf-, Gliederschmerzen, später Erbrechen, heftige Leibschmerzen, profuse Durchfälle
• Inkubationszeit: 1-7 Tage (Durchschnitt: 3)
• Dauer: ~ 1 Woche, Ausscheidung bis zu 3 Monate möglich; Prävalenz im Sommer höher
• meist selbstlimitierend
• geringe infektiöse Dosis (unter 1000 Zellen gesamt); Labordiagnose meldepflichtig (§ 7 ISG)
• C. jejuni: auch Reisediarrhoe
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Bedeutung beim Menschen: Komplikationen
• Kinder und junge Erwachsene häufiger betroffen; schwererer Verlauf eher bei Älteren
• Meningitiden, Septikämien, Peri,- Endo- und Myocarditiden möglich
• Spätkomplikationen:• Arthritiden• GBS (Guillain-Barré-Syndrom) 1‰: autoimmune
entzündliche Erkrankung der peripheren Nerven (symmetrische Paralysen)
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Infektionswege• rohe Lebensmittel tierischer Herkunft: Milch,
Fleisch (Geflügel, Schwein)• Trink- und Oberflächenwasser (Reisediarrhoe!)• Heimtiere; (selten: Msch.-Msch.-Kontakt)• Bedarfsgegenstände: Transportboxen• Reservoir: Wildvögel, landwirtschaftliche
Nutztiere (fast immer symptomlos)• einziger Vermehrungsort: Warmblüterdarm
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Infektionswege
• Rolle/Mayr "Medizinische Mikrobiologie, Infektions- und Seuchenlehre", 5. Aufl. 1984:
• "Es ist ungeklärt, welche Bedeutung Tieren als Erregerreservoir zukommt."
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Infektionswege - Untersuchungsmaterial
• Temperatur (-> 37°C-Optimum!)
• Austrocknung
• Sauerstoffspannung
• => keine Vermehrung, eher Absterben
• ähnliche Problematik b. Transport v. Isolaten; einstellige niedrige Temperaturen werden länger überlebt
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Epidemiologische Situation• Ende 70er Jahre weltweit als Infektionserreger in den
Focus gerückt (antibiotikahaltige Nährmedien!)• GB: systematische Suche nach C. als Enteritiserreger
-> Anf. 80er Jahre C. > S.• USA, Schweden, Niederlande Ende der 90er Jahre:
C. > S.• Deutschland: systematische Suche erst seit Ende d.
80er Jahre; „Kopf-an-Kopf-Rennen“ C. vs. S seit 2005 (2007 ~ 66000 gemeldete Enteritiden)
• 80-90 % C. jejuni, 10-20 % C. coli
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Prophylaxe• kein Verzehr roher LM tierischer Herkunft• hygienischer Umgang mit solchen Lebensmitteln ->
Expositionsabschätzung Campylobacteriose durch Hähnchenfleisch BfR 2005: 75 % Kreuzkontamination als Erkrankungsursache!
• Beachtung d. Wasserver- und -entsorgung (Reisediarrhoe!)
• kein Kontakt zu Infizierten (Tiere, Mensch)• Küchenhygiene: keine Zubereitung von LM durch
Erkrankte!
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Therapie• Flüssigkeitsersatz bei Enteritiden• Antibiotika (abh. v. d. Herkunft des Isolates): • Resistenzlage C. coli u. C. jejuni sehr gut für
Gentamycin (100 % wirksam)• Nalidixinsäure, Ceftazidim mäßig wirksam• Tetrazykline, Ciprofloxazin, Ampicillin kaum
wirksam
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eigene Untersuchungen
• 2007: 602 Lebensmittelproben• 377 Planproben: 9 positive Befunde (v.a C.
jejuni), davon 8 x rohes Hähnchenfleisch, 1 x rohes Putenfleisch (~2,4 %)
• übrige 225: Proben eines Projektes zum Vorkommen von thermophilen Campylobacter in einem fleischerzeugenden Betrieb
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Lebensmittelrechtliche Beurteilung
Stand der Wissenschaft: Campylobacter in LM sind gesundheitlich bedenklich
1. LM unmittelbar für den Verzehr vorgesehen (z.B. Schweinemett), Campylobacter festgestellt:
• LM gesundheitsschädlich im Sinne Art. 14 Abs. 2 lit. a VO (EG) 178/2002 und somit nicht sicher; § 5 Abs. 1 LFGB (Verbot des Inverkehrbringens, Straftatbestand)
• Rückruf und Information d. Behörden gem. Art. 19 VO (EG) 178/2002, Schnellwarnmeldung (RASFF)
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Lebensmittelrechtliche Beurteilung
2. Campylobacter wird durch die normale Verwendung/eine zusätzliche Information eliminiert (z.B. Hähnchenschnitzel), keine weiteren Rechtsgrundlagen: LM gem. Art. 14 Abs. 2 in Verbindung mit Abs. 3 lit. a und b VO (EG) 178/2002 sicher und darf somit in den Verkehr gebracht werden
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Campylobacter-Projekt
– Vorkommen von thermophilen Campylobacter spp. beim Mastschwein entlang der Schlachtkette
– Untersuchungs-Zeitraum Februar 2007- September 2007
– Untersuchung von Darm-Inhalt von Schlachtschweinen und Proben aus dem Schlacht- und Zerlegebereich im Schlachthof (Umgebungstupfer, Hautstanzen, Zwischenprodukte aus der Zerlegung und Endprodukte)
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Ergebnisse der Untersuchungen aus Kot
Ergebnisse Kotproben
308
0 258
247
10
50100150200250300350
unte
rsuc
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Pro
ben n.
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C. s
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Ergebnis
Anz
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n
Kot
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Ergebnisse der Untersuchungen aus Tupfern (Schlachtbereich)
Ergebnisse Tupfer Schlachtbereich
48
1 28
37
00
102030405060
Ergebnis
An
zah
l d
er P
rob
en
Tupfer
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Ergebnisse der Untersuchungen aus Hautstanzen (Schlachtbereich)
Ergebnisse Hautstanzen
50
4 09
36
10
102030405060
Ergebnis
An
zah
l d
er P
rob
en
Stanze
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Ergebnisse der Untersuchungen aus Tupfern (Zerlegebereich)
Ergebnisse Tupfer Zerlegebereich
50 50
0 0 0 00
102030405060
Ergebnis
An
zah
l d
er P
rob
en
Tupfer Z
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Ergebnisse der Untersuchungen aus Lebensmitteln
Ergebnisse Lebensmittel
225183
2 11 263
050
100150200250
Ergebnis
An
zah
l d
er P
rob
en
Lebensmittel
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Probenarten Lebensmittel
• Zwischenprodukte zur Weiterverarbeitung: Backen, Schwarten, Abschnitte aus der Zerlegung
• Endprodukte, nicht für Rohverzehr: Oberschale („Edelteil“), Minutensteak, Gulasch, Bratwurst
• Endprodukte, Rohverzehr nicht auszuschließen: Hackfleisch
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Nachweise in unterschiedlichen Produkten
Verteilung der positiven Campylobacter- Nachweise auf die unterschiedlichen
Fleischprodukte
05
10152025
unterschiedliche Fleischprodukte
An
zah
l d
er
Pro
be
n
negativ
positiv
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Zusammenfassung der Ergebnisse des Campylobacter-Projektes (1)
• thermophile Campylobacter spp.:– gehören offensichtlich zur normalen Flora im Magen-
Darm-Trakt von Schweinen– sind im Schlachtbereich und auf dem Schlachtkörper
vor der Zerlegung regelmäßig nachweisbar– sind im Zerlegebereich in dieser Studie nicht
nachweisbar– sind auf Zwischenprodukten aus der Zerlegelinie bei
einem geringen Anteil nachweisbar
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Zusammenfassung der Ergebnisse des Campylobacter-Projektes (2)
• das Vorkommen thermophiler Campylobacter spp.:– ist abhängig von Umgebungsbedingungen wie
Feuchtigkeit und Temperatur– nimmt entlang der Schlachtkette deutlich ab (kein
einziges Endprodukt, das roh verzehrt werden könnte, mit positivem Nachweis!)
– Gefährdung f. d. Verbraucher: ~1 % d. Proben
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lange unterschätzt?
• relativ späte Kenntnis des Zoonoseerregers => ohne Kenntnis bleibt die Idee, zu suchen, aus
• erst Mitte der 70er Jahre Verbesserung der Untersuchungsmethodik => ohne geeignete Methode Suche nicht erfolgreich
• Danke für Ihre Aufmerksamkeit!Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
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Beurteilungsgrundlagen Lebensmittel
• 1. "LFGB": Lebensmittel-, Bedarfsgegenstände- und Futtermittelgesetzbuch (Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch - LFGB) vom 1. September 2005 (BGBl. I S. 2618)
• 2. "Basis-VO": Verordnung (EG) Nr. 178/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. Januar 2002 zur Festlegung der allgemeinen Grundsätze und Anforderungen des Lebensmittelrechts zur Errichtung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit und zur Festlegung von Verfahren zur Lebensmittelsicherheit (ABl. Nr. L 31 S. 1), zul. geändert am 22.7.2003 (ABl. Nr. L 245 S. 4)