der spiegel: gesellschaft - im frauenwunderland

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Guten Tag, Ilja Hendel, vielen Dank für Ihre Artikelbestellung. Sie haben folgende Artikel ausgewählt: 9. Februar 2009 1. Gesellschaft: Im Frauenwunderland vom 09.02.2009 - 20161 Zeichen DER SPIEGEL Seite 66

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Gesellschaft - Im Frauenwunderland

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Guten Tag, Ilja Hendel,

vielen Dank für Ihre Artikelbestellung. Sie haben folgende Artikelausgewählt:

9. Februar 2009

1. Gesellschaft: Im Frauenwunderland vom 09.02.2009 - 20161

Zeichen

DER SPIEGEL Seite 66

Herr Hegnar redet freundlich überFrauen, auch über solche in derWirtschaft, auch über seine neue

Wirtschaftsministerin, niemand wird et-was gegen Frauen sagen, so ist das in seinem Land, niemand wird sagen: Diekann das nicht, die ist eine Frau. Und andiesem neuen Unsinn, der ihm jetzt zuschaffen macht, ist sie immerhin nicht al-lein schuld.

Erfunden hat diesen Unsinn jemand an-deres. Ein Wirtschaftsminister. Einer ihrerVorgänger. Ein Mann.

* In weißer Bluse und schwarzer Weste.

Ein Mann, der eines Morgens sagte: Heu-reka, ich hab’s, ich werde die Welt verän-dern, die Welt der Männer und der Frauen.Genau so, sagt seufzend Trygve Hegnar,Medienunternehmer, Herausgeber undGründer von Norwegens wichtigstem Wirt-schaftsmagazin, genau so sei es geschehen.

Auf einem Hügel im Westen der Stadt,bei klarem Blick über Schiffe und Meer imOslofjord, sitzt Trygve Hegnar in seinerChefetage und fragt sich immer noch, wiedas passieren konnte, er sitzt da umgebenvon Galionsfiguren, von hölzernen Frauenmit schwer durchschaubarem Lächeln,manchmal streicht seine Hand über so ein

stummes Gesicht. Ein Herr Mitte 60, sil-berhaarig, der vor 40 Jahren in MannheimWirtschaftswissenschaft studiert hat undsehr gerades Deutsch spricht, er sagt: „Stel-len Sie sich vor, dass so etwas in Deutsch-land geschieht.“

Dass ein konservativer Wirtschaftsminis-ter, dass also einer wie Michael Glos einesMorgens im größten Boulevardblatt zu lesenist, ohne Vorwarnung, dass er sagt: Es gibtbrillante Frauen. Es gibt zu wenig Frauen inden Aufsichts-, in den Verwaltungsräten.Ihr sucht sie nicht. Ihr schaut in eurem OldBoys’ Network, ihr geht den Elch jagen undschaut anschließend in der Jagdhütte her-

Gesellschaft

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Im FrauenwunderlandIn der Politik sind Norwegerinnen schon lange ein Machtfaktor, nun soll die Wirtschaft folgen. Das

Gesetz befiehlt jetzt: Schickt Frauen in die Aufsichtsräte – sonst wird die Firma aufgelöst. Ein feministisches Schelmenstück? Ein Vorbild für die globalisierte Welt? Von Barbara Supp

Planet der Frauen (III) Macht oder Ohnmacht, Tra-

dition oder Moderne – weltweit wandelt sich das Ver-

hältnis der Geschlechter, bröckeln archaische Gesell-

schaftssysteme, verschaffen sich Frauen wirtschaft-

liche Macht, wie die dritte Folge der SPIEGEL-Serie

beschreibt – am Beispiel Norwegens, das ganz vorn

liegt in Statistiken, die jährlich die Länder der Welt

nach dem Grad der Gleichberechtigung sortieren.

Wirtschaftsministerin Brustad (M.)* bei einem Treffen mit Aufsichtsrats- und Vorstandsfrauen: Sehr viele sagen, ich bin nicht für die Quote, aber

um, wenn ihr jemanden für einen Jobbraucht. Hört auf damit. Wenn ihr nichtfreiwillig Frauen in die Räte schickt, sosprach der konservative norwegische Wirt-schaftsminister Ansgar Gabrielsen im Fe-bruar 2002, dann werde ich euch per Gesetzdazu zwingen. Wer sich dann nicht daranhält, mit dessen Firma ist es vorbei.

Und jetzt leben sie mit dem Gesetz.Und Trygve Hegnar sagt: „Dies ist ein

seltsames Land.“Es ist ein spezielles Land, in dem Frauen

in der Politik schon lange mehr zu sagenhaben als anderswo, aber es geht jetzt, unddas ist das Neue, nicht um politische Macht,es geht ums Geld. Es geht um Macht undGesetz und das Primat der Politik. Es gehtum den Markt und die Frage, wie sehr derStaat in den Markt eingreifen kann, darf

und muss; eine spannende Frage in dieserZeit. Es geht um alle börsennotierten Un-ternehmen Norwegens, insgesamt rund500. Dort müssen seit 2008 mindestens 40 Prozent der Aufsichtsräte weiblich sein.Und die globalisierte Welt schaut nun neu-gierig auf Norwegen, und warum sie dastut, das gefällt Trygve Hegnar nicht.

Die Welt ist verunsichert in diesen Ta-gen, sie sucht nach Regeln und Maßstäbenund vielleicht neuen Wegen, die Welt willwissen: Wie geht das? Geht das gut? Undwie kommen die darauf?

„Es stand auf der ersten Seite, in die-sem Boulevardblatt, riesengroß. Und kein

Mensch von uns hatte was geahnt.“ KeinMensch, also auch nicht Sigrun Vågeng,Direktorin für Arbeitsmarktpolitik beimnorwegischen Unternehmerverband NHO.

Sie schaut aus dem Fenster, ein klarerTag, ihre Tochter steht im Juraexamen,aber egal jetzt, es geht um Ansgar Gabriel-sen – Ansgar also sagte, er werde die Weltverändern, und warum er das tat, ist ihrimmer noch nicht recht klar. „Ich weißnicht, warum Ansgar das gemacht hat. Hater Töchter? Ist es das?“

Sie saß da und wunderte sich. Und istseitdem damit beschäftigt, die Konsequen-zen zu tragen und ausländischen Politikernund Unternehmern das seltsame Norwegenzu erklären.

Ein dünnbesiedeltes Land, mit 4,7 Mil-lionen Einwohnern, und ein reiches, seit in

den sechziger Jahren das Öl in der Nordseeentdeckt wurde. Ein egalitäres, das fast dengesamten Ölreichtum nicht an private Kon-zerne vergibt, sondern staatlich kontrol-liert und für die Bürger investiert. Aberkapitalistisch ist es eben doch auch.

Es war plötzlich voll von verstörtenUnternehmern, die wie Trygve Hegnar dieFreiheit des Kapitals bedroht sahen, waswürde an der Börse passieren? WelcherInvestor nähme dieses komische Landnoch ernst?

Sigrun Vågeng darf Frauenförderung be-grüßen, aber sie darf sich nicht so anhören,als ob sie für die Quote sei. Ihr Interesse

musste das Interesse dieser aufgeregtenUnternehmer sein.

Die Debatte war laut, und schrill war sieauch. Ansgar Gabrielsens Idee passier-te das Parlament, als eine Mischung ausFreiwilligkeit und Zwang. Alle Börsenun-ternehmen, so beschloss das Parlament,müssen 40 Prozent Frauenanteil in denAufsichtsräten erreichen. Wer das Soll nichterfülle, das war die Drohung, der werde ab2008 die Konsequenzen spüren.

Was macht man da, als Unternehmer-verbandsdirektorin?

Man denkt darüber nach, was Männer,was männliche Unternehmer verkraftenund was nicht.

Wenn die Uno die Staaten nach derGleichberechtigung der Geschlechter sor-tiert, dann liegt Norwegen seit Jahren aufPlatz eins oder zwei. Als Avantgarde desFeminismus. Als Frauenwunderland.

Sigrun Vågeng erzählt von einem Wirt-schaftstreffen in Paris, in der deutsch-nor-wegischen Handelskammer, bei dem einnach Norwegen versetzter Franzose vonseinem Kulturschock in Oslo berichtete:Er hatte zu einer Sitzung geladen, nach-mittags um vier. Er war der Einzige, der amTisch saß. Alle anderen, Männer wie Frau-en, waren mal eben weg, um die Kindervon der Schule abzuholen. Sigrun Vågenglächelt leise, wenn sie von diesem Franzo-sen erzählt. Sie sagt, man müsse sichmanchmal zurückhalten in anderen Län-dern, um nicht großspurig zu wirken. Es seinormal, dass ein Mann sich zuständig fühltund sagt: Das sind ebenso meine Kinderwie deine. Es kann sein, dass ihr über ei-nen ausländischen Politiker der Satz ent-fährt: „Für einen Deutschen denkt er ziem-lich modern.“

Norwegen ist anders, aber woher dasgenau kommt, fällt Sigrun Vågeng, fälltselbst Soziologen schwer zu erklären.Schon bei den Wikingern waren Frauenrespektiert, manche sogar mächtig, aberhält so ein Effekt über tausend Jahre an?

Bauer und Fischer waren die Norwegerbis vor zwei, drei Generationen noch, washarte Arbeit bedeutete für beide Ge-schlechter, und wenn die Fischer erst nachTagen oder Wochen zurückkamen odergar nicht mehr, dann mussten die Frauenselbst zurechtkommen, und das taten sie auch.

Es ist eine Bürgermonarchie, die sich im19. Jahrhundert ihr Parlament auf einemHügel gebaut hat, auf gleicher Höhe mitdem Königspalast. Ein Parlament mit Sit-zungssälen in rotem Plüsch und goldfar-benem Zierrat, ein Palast des Volkes, undschon 1911 saß die erste Frau darin. Als ei-nes der ersten Länder Europas ließ Nor-wegen im Jahr 1913 das volle Frauenwahl-recht zu.

Es gibt freiwillige Frauenquoten in derPolitik seit den siebziger Jahren, es gibtseit den Achtzigern, seit der Ministerprä-sidentin Gro Harlem Brundtland, die Ge-

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die Folgen mag ich schon

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wohnheit, ein Kabinett etwa zur Hälfte mitFrauen zu besetzen. Knapp 40 Prozent derAbgeordneten sind weiblich. 71 Prozentder Frauen zwischen 16 und 74 Jahren ha-ben ihren Beruf. Es gibt ausreichend Kin-derbetreuung für alle und andererseits keinEhegattensplitting, das das Daheimbleibender Frauen belohnen würde, und an denUniversitäten haben die Frauen die Män-ner zahlenmäßig längst überholt.

Dann aber – dann hakt es. „Dann blei-ben sie im mittleren Management hängen“,sagt Sigrun Vågeng. Und die Männer fra-gen: Na, wo sind sie denn, die engagierten,erfahrenen Frauen?

An der Konzernspitze jedenfalls nicht.Nur eine Handvoll Geschäftsführer der 500börsennotierten Unternehmen sind Frauen.In den Aufsichtsräten, die in Norwegennicht nur kontrollieren, sondernTeil der Geschäftsführung sind– da saßen 2002, als Ansgar Ga-brielsen anfing, sich ernsthaftmit der Sache zu befassen, ge-rade mal sechs Prozent Frauen.Nicht mehr als in Deutschland.Ein erbärmlicher Wert.

Manchmal braucht man je-manden, der Türen eintritt, Si-grun Vågeng ist nicht der Typdafür, Benja Stig Fagerland istes eher, also hat sie Benja en-gagiert. Benja Stig Fagerland,38, Dänin, gut 1,80 groß, frühermal Model gewesen und nunUnternehmensberaterin undMutter von drei Töchtern undüberwältigende Erscheinung;von Pippi Langstrumpf sprichtsie immer, fragt man sie nachihrer Theorie. Pippi Power.Keine Angst haben, wie Pippi.Sich alles zutrauen. Das lehrtsie ihre Töchter, ihre weiblicheKundschaft, das ist ihr Prinzip.

Benja Fagerland also gingauf Tour durch die größtennorwegischen Unternehmenund hörte dort, was man beiTrygve Hegnar, was man im-mer hört: Diese brillantenFrauen – die gibt es nicht.

Man kann lachen über sol-che Sätze. Man kann sich auf-regen. Man kann sie ernst nehmen. DieNHO nahm sie ernst und versprach Hilfe,verbunden mit Zwang.

„Perlentauchen“. So nannten sie das.Perlentauchen heißt: Die Firma sucht

in ihrer Belegschaft nach mindestens drei talentierten Frauen. Die NHO schultdiese Frauen, die Firma zahlt dafür undverpflichtet sich, wenigstens eine dieserdrei für einen Aufsichtsratsposten vorzu-sehen.

Es gibt diese internationalen Studienund Berichte, die belegen, dass ein hoherFrauenanteil gut ist für eine Firma, nichtnur für das Klima, sondern auch für die

Bilanz. Nicht weil Frauen alles besser ma-chen, sondern weil verschiedene Blick-winkel für eine Sache besser sind als eingeschlossenes System, bei dem sich alleeinig sind und gemeinsam profitieren. Mankann verzweifelte NHO-Unternehmer da-mit trösten, dass es diese Studien gibt.

Man rühmt also das Positive, um ihnenüber den Schock hinwegzuhelfen, manspricht von Talenten, von neuen Ideen,von „Diversity“, Manager hören solcheWörter gern. Nach dem ersten Lehrgangbekam ein Viertel der Frauen sofort ihrAngebot, ein paar Monate später war esdann die Hälfte, und so ist das in etwa ge-blieben. Mehr als tausend Frauen habeninzwischen die Lehrgänge durchlaufen,von denen jede zweite, schätzt Sigrun Vå-geng, einen entsprechenden Posten bekam.

In den Chefetagen waren ja viele ver-zweifelt. Sie brauchten unbedingt Frauen.

Sehr verzweifelt, sagt Trygve Hegnar in seinem Medien-Glasturm, „viele haben sogar die Konsequenzen gezogen. Die warenan der Börse notiert und sind es nicht mehr“.

Auf der Flucht vor den Frauen?„Sie sagen es nicht so. Aber ich kenne

Leute, die haben das getan. Man will janicht den besten Mann aus dem Aufsichts-rat werfen.“

Und wenn man den schlechtesten ent-fernt?

„Warum soll ich jemanden rauswerfen,dem ich vertraue? Es ist mein Kapital, das

ich in ein Unternehmen stecke. Also willich auch bestimmen dürfen, wer darüberverfügt.“

Wer jemanden sucht für einen Spitzen-job, so sagt er, der weiß, wo man ihn fin-det. Man hört von guten Kräften, mankennt sich aus der Schule oder aus demStudium oder von Gremien und Konfe-renzen oder aus dem Wirtschaftsteil. Mansieht sich im Theatercafeen, gleich beimOsloer Theater, man sitzt zusammen unterKronleuchtern und isst Gravlaks oderSmørbrød, man trinkt, wenn man sehr vielGeld ausgeben will, ein Glas Chablis dazu,und dann hat man jemanden für den Job.Ja doch, einen Mann, normalerweise.Wenn es genug von diesen brillanten Frau-en gäbe, sagt Hegnar, dann wüsste er da-von. Er brauche nicht Sigrun Vågengs

NHO-Datenbank, mit ihrenspeziell geschulten Frauen.

Es verblüfft ihn, dass inanderen Ländern Norwegenmit seiner Quote als Vorbildbetrachtet wird. Reporter ausaller Welt sind angereist, ausJapan, der Schweiz, aus Korea,teils befremdet, teils fasziniert.Und die Faszination wächst.Die Zeiten sind ja nun so, dassstaatliches Eingreifen in dieWirtschaft weniger Empörunghervorruft als früher. Schwe-den diskutiert über die Auf-sichtsratsquote, Spanien undDänemark ebenso. Selbst inDeutschland gab es schon eineAnhörung mit Ansgar Gabriel-sen im Rechtsausschuss desBundestags, nach einem An-trag der Grünen. Sie blieb bis-her folgenlos, aber immerhin.

Ansgar, sagt Trygve Hegnar,habe von Anfang an leichtesSpiel gehabt. „Man hat nichtso sehr intelligent diskutiert.“

Ansgar Gabrielsen ist einleicht verknautschtes Gesichtmit leisem Lächeln, man siehtes in der Fotogalerie im Kor-ridor, der zum Ministerbüroseiner Nachfolgerin führt. Ihnselbst sieht man nicht mehr inder großen Politik. Es reicht,

das hat er wissen lassen, er verdient seinGeld jetzt in der Wirtschaft, er hat sichzurückgezogen, nachdem seine Konserva-tiven 2005 die Wahl verloren.

In seinem Büro steht nun Sylvia Bru-stad, Sozialdemokratin, und plant dienächste Revolution von oben. Seit ein paarMonaten Wirtschaftsministerin, davor Ge-sundheitsministerin, davor Familienminis-terin, eine 42-jährige Erscheinung, rot-lockig, raumfüllend, mit Hose und Westeund Klimperkette am Hals, sie hat sich andiesem Morgen 18 wichtige Frauen zumLunch geladen. Die sollen jetzt, mit ihrerMacht von oben, dafür sorgen, dass es in

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Was würde an der Börse passieren? Welcher

Investor nähme dieses komische Land noch ernst?

Medienunternehmer Hegnar

norwegischen Unternehmen mehr Ge-schäftsführerinnen gibt.

Sie sind Aufsichtsrätinnen und Vor-standsfrauen, von Firmen wie der NorskHydro, der DnB Nor, der Grieg Group,von wichtigen Firmen, allesamt milliarden-schwer; sie stehen vom Tisch auf, vonhalbvollen Salattellern und Wassergläsern,sie plaudern und sind zum Gruppenbildbereit, und als sie gefragt werden, wer fürdie Quote sei, hebt etwas mehr als dieHälfte die Hand. Auf Nachfrage fällt immerwieder der Satz: Ich bin nicht für die Quo-te. Aber die Folgen mag ich schon.

Die Folgen sind: Alle Börsenunterneh-men haben die Quote erfüllt. Ein paar Män-ner mussten gehen, im Schnitt 1,7 pro Gre-mium, aber die Klagen darüber sind leisergeworden. Es gibt jetzt andere Themen ander Börse als das, wie vieleMänner aus Aufsichtsräten ver-drängt worden sind. Auch Nor-wegen spürt die Krise, aber dasheißt, man befürchtet jetzt ei-nen Anstieg der Arbeitslosig-keit von 2,6 auf 3,5 Prozent.Auf die Frauenquote jedenfallshat die Börse gelassen reagiert.Die Katastrophe blieb aus.

Sylvia Brustad denkt quo-tenfreundlich, sie hat sich beimpolitischen Gegner für diesesGeschenk zu bedanken undbeschlossen, es vorbehaltlos zuakzeptieren, sie erinnert anGro Harlem Brundtland, die sooft betont habe, ohne dieseQuote in ihrer Partei hätte siees wohl nicht zur Ministerprä-sidentin gebracht. Brundtlanddamals habe viel verändert.Ein Mensch, sagt Sylvia Bru-stad, könne sehr wohl einenUnterschied machen.

Brundtland tat es. AnsgarGabrielsen tat es auch.

Herr Gabrielsen, sind Sie einFeminist?

„Nei.“ Er sieht zufriedenaus.

Ansgar Gabrielsen, ein ent-spannter Herr von 53 Jahren,jünger wirkend, ist schließlichdoch zu treffen, im Foyer desParlamentsgebäudes, er führt über lichteTreppen zum roten Prunk der Sitzungs-säle und erzählt von seinem Trip zur Par-lamentsanhörung in Berlin, große Gebäu-de sah er, wichtige Menschen, schwarzeLimousinen, in Norwegen ist das nicht so.Es sei eine schöne Anhörung gewesen, sagter, und ein schönes Abendessen hinterher.Aber es wundert ihn nicht, dass das ohneFolgen blieb. Diejenigen in Deutschland,die etwas Ähnliches wie er wollten, hättenkeine Macht. Und die anderen wohl Angst,ihre Macht zu verlieren.

Es findet sich ein freies Besprechungs-zimmer, mit Plüsch und Prunk und Blick

auf das Königsschloss, er hat hier keinBüro mehr, hat die politische Bühne ver-lassen und betrachtet interessiert, was erangestellt hat mit seinem Land.

„Es war ein Putsch.“2001 wurde er Wirtschaftsminister, ein

Mann aus alter Wirtschaftsdynastie, einMann mit 20 Jahren Erfahrung in derPolitik. Las viel, las diese Berichte und Stu-dien über die Wirtschaft und die Frauen,traf Aufsichtsräte in Staatskonzernen, auchFrauen darunter, tüchtige Frauen. War derMeinung, dass das, was in Aufsichtsrätenvor sich geht, nicht nur Sache der Auf-sichtsräte, sondern der gesamten Gesell-schaft sei.

Gestalten, nicht getrieben werden. Herrüber die Verhältnisse sein. Weichen stellen,in die Wirtschaftsgeschichte eingehen, Poli-

tiker mögen so etwas. Ansgar Gabrielsenmag es auch.

Schauen Sie, sagt er, ein wenig müde,das Grundsätzliche zu erklären, es sei janun so, „dass die Menschheit zur Hälfteaus Frauen besteht“; wenn diese Erkennt-nis sich irgendwann durchgesetzt habensollte, dann hält er es durchaus für mög-lich, dass nicht nur in Skandinavien, son-dern auch anderswo die Welt der Wirt-schaft veränderbar sei.

Er sagt: „Ich wollte dieses Gesetz. Ich weißgenau, wie man es anstellt, eine Menge Lärmzu veranstalten und nichts zu bewirken. Daswar nicht mein Plan.“ Er lächelt fein.

Er rief also diesen Boulevardjournalistenan und sagte, ich habe etwas für dich, eswird dir gefallen, es wird dir jahrelang ge-fallen. Er gab das Interview, und niemandwusste davon, nicht die Fraktion, nicht dasKabinett, nicht die Partei.

Sein Boss hätte es ihm verboten. Alsohat er ihn nicht gefragt. „Ich bin ja nichtilloyal.“

Seine konservative Partei schluckteschwer, als sie das Interview zu lesenbekam. Michael Glos, wenn man ihn sichdenn in dieser Rolle vorzustellen vermag,wäre skalpiert worden. Ansgar Gabrielsenkam damit durch.

Wer das Ungeheuerliche plant, brauchtja ein gewisses Erpressungspotential. Eshätte gereicht, auch ohne den Schulter-schluss seiner Partei. Er hatte die Zustim-

mung der linken Koalitions-partner, Sympathisanten in derOpposition und auch welcheunter seinen Konservativen.Zähneknirschend stimmten dierestlichen Konservativen zu.

Trygve Hegnar übernahmden Job des außerparlamenta-rischen Oppositionsführers,Hegnar, „ein netter Kerl“.Hegnar und seine Freunde,fand Gabrielsen, hörten sichan wie die Männer damals1913, als es ums Frauenwahl-recht ging, Frauen können dasnicht, Frauen schaffen dasnicht, ein bisschen gestrigeben. „Hegnar ist, wie er ist.Und so ist er halt.“

Vor sieben Jahren, er warnoch nicht lange Wirtschafts-minister, lud Ansgar Gabriel-sen 100 norwegische Bürgerein, mit umgekehrter Quotewie in den Aufsichtsräten: 6Männer und 94 Frauen. DieFrauen waren geschmeichelt.Man würde über den Fort-schritt diskutieren, über Ge-schlechterfragen, wichtige Din-ge beschließen, etwas würdegeschehen.

Ein paar Tage vorher ließ erdie Bombe platzen. Nicht 94Frauen hatten etwas beschlos-

sen, sondern ein einziger Herr Gabrielsen.Hört man sich um unter jenen Frauen,dann ist noch immer Enttäuschung zuspüren. Er habe etwas Richtiges getan, hörtman, aber eben wie ein Mann.

Wie ein Macho-Mann.Ansgar Gabrielsen lächelt. Er sieht sehr

zufrieden aus.

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Im nächsten Heft:Die verspätete Revolution – wie sichFrauen in Vietnam gegen archaischeRollenkonzepte auflehnen.

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Pippi Langstrumpf ist ihr Rollenmodell, sie

empfiehlt es Kundinnen und Töchtern.

Unternehmensberaterin Fagerland, Kinder