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ÖSTERREICH SCHWEIZ DEUTSCHLAND 4 191120 707958 03 INTERVIEWS CDs NOTEN KLAVIERHÄUSER FESTIVALS HERSTELLER / BVK WETTBEWERBE 2018 - NR. 3 - EURO 7,95 LUXEMBURG INTERVIEWS Eduardo Delgado Lars Vogt FOKUS Leonard Bernstein ZU BESUCH BEI Steinway & Sons Steingraeber SHANI Lahav

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Page 1: DEUTSCHLAND ÖSTERREICH SCHWEIZ LUXEMBURG Lahav SHANI · LAHAV SHANI Pianist und Dirigent INTERVIEW Zu Hause ist er in Berlin, doch liegt der Hauptaktionsradius von Lahav Shani in

ÖSTERREICH SCHWEIZDEUTSCHLAND

4191120

707958

03

I N T E R V I E W S • C D s • N O T E N • K L A V I E R H Ä U S E R • F E S T I V A L S • H E R S T E L L E R / B V K • W E T T B E W E R B E

2018 - NR. 3 - EURO 7,95

2018 - NR. 3

LUXEMBURG

INTERVIEWS

Eduardo DelgadoLars VogtFOKUS

Leonard Bernstein ZU BESUCH BEI

Steinway & SonsSteingraeber

SHANILahav

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PIANIST ist ein Magazin der Forte MediaHeistraat 16 a5691 CA Son en Breugel / Niederlande

HerausgeberHenk Brüger Sr. (Gründer / Inhaber)

ChefredakteurDrs. Eric SchoonesE-Mail: [email protected]

RedaktionStephan Schwarz-Peters

Mitarbeiter dieser AusgabeGustav Alink (Alink-Argerich Foundation), Attila Csampai, Dr. Birgit Janssen, Olga de Kort, Joseph Moog, Jörg Päsel(Piano Palme), Frans Bernard van Riel, Eric Schoones, Stephan Schwarz-Peters, Rudy Tambuyser, Mario-Felix Vogt

Internationale RedaktionsadressePIANISTHeistraat 16 a5691 CA Son en Breugel / NiederlandeE-Mail: [email protected]

PIANIST erscheint in 7 LändernDeutschland, Österreich, Schweiz, Liechtenstein, Luxemburg, Niederlande, Belgien

Grafische GestaltungKerstin PapertAndreas Rupprecht

TitelfotoMarco Borggreve

Marketing & PRKristin Brüger, geb. Gräfin zu Rantzau

Partner Klavier-Festival Ruhr, Königin-Elisabeth-Wettbewerb Brüssel, Internationaler Liszt-Wettbewerb Utrecht u. a.

AbonnementPIANIST erscheint viermal jährlich, jede Ausgabe inkl. Partitur.Das Jahresabonnement kostet € 24,80 inkl. Versandkosten in Deutschland.

PIANIST AboservicePostfach 13925602 BJ Eindhoven / NiederlandeTel.: +31 (0)85 - 76 00 237E-Mail: [email protected]

Ein Abonnement kann jederzeit abgeschlossen werden und verlängert sich automatisch um jeweils ein Jahr, wenn es nicht mindestens zwei Monate vor Ablauf des Bezugszeitraums gekündigt wird.

Copyright 2018Ohne vorherige schriftliche Zustimmung des Verlags darf kein Teil dieser Ausgabe vervielfältigt oder veröffentlicht werden – weder durch Nachdruck, Fotokopie oder Mikrofilm noch auf sonstige Art und Weise.

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12 ZU BESUCH BEI STEINGRAEBER

IMPRESSUM

DEUTSCHLAND ÖSTERREICH SCHWEIZ LUXEMBURG

20 100 JAHRE LEONARD BERNSTEIN

Leonard 100 Bernstein 20 Der Pianist – Anfang und Ende

23 Erinnerungen

Ludwig van Beethoven 40 Malte C. Boecker: Beethoven als Protagonist

43 250 Stücke für Beethoven

45 Beethoven auf Reisen

Interviews 6 Lahav Shani: Pianist und Dirigent

26 Francesco Piemontesi: Musiker sind auch Athleten

36 Eduardo Delgado: Das Leben selbst 50 Lars Vogt: Knisternde Spannung in Heimbach 57 Jean-Philippe Bauermeister: Musikalische Reisen

86 Francesco Tristano: Musik ist Musik

Klaviere & Flügel 12 Steingraeber und Bayreuth: Work in Progress

25 Bösendorfer auf dem Gipfel

32 Steinway & Sons: Loyalität und Qualität

60 Sigrist: Traumwerkstatt 78 Piano Palme: Das Konsolenklavier von Pape

80 Service: Leuchten

93 Neues Klavier Raetia 132

97 Demmer: Pianos & Flügel

114 35 Jahre Franz Rumler & Sohn

Musikwelt 18 Konzerthaus: Markgräfliches Opernhaus

47 Auf Tour mit Joseph Moog

54 Spotlight Schweiz: Hochkarätiger Wettbewerb

63 20 Jahre Piano-Festival Lucerne 65 Dinu Lipatti: Unantastbare Meisterschaft 66 Masterclass Josef Hofmann: Aristokrat und Zauberer

70 Pianistenclub München: Gemeinsam spielt’s sich besser

73 Esbjörn Svensson: Jazzer und Popstar

75 Aimard spielt Stockhausen

77 Bernd Alois Zimmermann: Mikrofilm in Bewusstsein

84 Wettbewerbe: Frankfurt und Zürich

90 Kissinger Sommer: Familientreffen am Fuße der Rhön

94 Kammermusik im Barockschloss Cappenberg

99 Robert Schumann Competition Düsseldorf 101 Klaviermusik von Bruckner und Gounod

11 | 31 | 49 | 83 News

57 | 102 Noten

109 Rezensionen

Inhalt

102 NOTEN CHARLES GOUNOD

90 FESTIVAL IN 78 BAD KISSINGEN

5PIANIST 3/18

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LAHAV SHANI Pianist

und Dirigent

INTERVIEW

Zu Hause ist er in Berlin, doch liegt der Hauptaktionsradius von Lahav Shani in Rotterdam, wo er Chefdirigent ist, und – ab 2020 in gleicher Position – in Tel Aviv. Noch dazu haben die Wiener Symphoniker, ihn als Ersten Gastdirigenten verpflichtet. Trotz seiner zahlreichen

Engagements als Dirigent hat er das Klavier nicht vergessen. An ihm ist er u. a. bei einem Rezital im Beethovenhaus in Bonn zu hören. Lahav Shani ist ein Phänomen,

manche nennen ihn schon „den neuen Daniel Barenboim“.

Sind Sie eigentlich vor der ersten Probe mit einem neuen Orchester nervös? Und wenn ja, kommt das daher, dass Sie als junger Mensch einer Gruppe von Musikern gegenüberstehen, die viel mehr Erfah-rung hat als Sie selber? Das Lebensalter spielt nicht die geringste Rolle. Die Einladung, ein Orchester leiten zu dürfen, ist an sich schon ein Zeichen von Wertschätzung, auch wenn man vorher nicht weiß, welches musi-kalische Ergebnis man gemeinsam hervorbringen wird, oder was die Musiker überhaupt von einem annehmen. Dabei hat man nie-mals das Gefühl, zu 100 Prozent vorbereitet zu sein, auch nicht nach Jahren des Studiums. Wie gut man vorbereitet ist, erfährt man erst während der ersten Probe, erst dann kann man das Stück wirklich üben, während man als Pianist vor dem Konzert zahllose Gelegenheiten dazu hat. Das ist eine vollkommen andere Situation.

Bernstein ließ beim Kennenlernen mit einem neuen Orchester immer eine Tonleiter spielen.Das wusste ich ja gar nicht. Ich habe ihn, der wirklich einer der besten Dirigenten der Geschichte war, einmal mit einem sehr guten Orchester gehört, und zwischen beiden kam überhaupt keine Chemie zustande. Manchmal gibt es sie, manchmal nicht.

Während ihres Rezitals spielen Sie auch Mussorgskys ‚Bilder einer Ausstellung‘, Repertoire für Dirigenten sowie für Pianisten. Das ist für mich ein wenig wie bei einem Film und einem Buch. Mit dem Orchester bekommst du alle Farben in your face, am Kla-vier muss du kreativ sein, musst alles selber finden. Es ist etwas Schönes, das Klavier zu seinem Orchester zu machen.

Üben Sie Partituren am Klavier? Manchmal schon, um die Harmonien zu erkennen, ein wenig, um mit mir selbst zu experimentieren, aber in den meisten Fällen höre ich die Partitur in meinem Kopf.

Es gibt viele Pianisten, die Mozarts Konzerte vom Klavier aus dirigieren. Dafür muss das Dirigieren fast wie von selbst gehen. Man lässt das Orchester die Arbeit machen, aber das ist etwas ganz anderes, als eine Symphonie zu dirigieren. So oder so muss es sich immer wie Kammermusik anfühlen, und daher werde ich in Rotterdam

Was macht für Sie den Unterschied zwischen Dirigieren und Klavierspielen aus? Der wichtigste Unterschied liegt natürlich im Reper-toire. Außerdem verfügt ein Orchester über deutliche stärkere Ausdrucksmöglichkeiten, als Pianist habe ich dafür aber einen direkteren Kontakt zu Klang und Rhythmus.

Haben Sie als Pianist also eine stärkere Kontrolle über die Musik? (lacht) Nicht unbedingt! Wenn ich Klavier spiele, setze ich nur meine eigenen Ideen um, vorausgesetzt, die Finger können ausführen, was ich hören möchte. Dirigieren ist ganz anders. Es geht weniger um Kont-rolle, doch während des Konzerts gibt es manchmal Momente, in denen man ein ganz besonderes Ver-trauensverhältnis mit dem Orchester spürt, ein fan-tastisches Gefühl von Freiheit, das man auf dem Kla-vier nur sehr selten erlebt. Es ist die Chemie zwischen den Musikern, durch die man übergehen kann in ein Gespräch ohne Worte.

Sie meinen, dass während eines Konzerts Dinge ent- stehen, die man während der Proben nicht vorhersehen kann? Absolut! Man teilt sich fast ein Gehirn. Es ist ein mit-einander-verbunden-Sein, das im totalen Kontrast zum Alleinsein mit dem Klavier steht, an dem man alles selber machen muss. Ich bin sehr glücklich, dass ich beides habe.

Beim Rotterdams Philharmonisch Orkest haben sie diese Verbindung unmittelbar gespürt?Ja, und das ist sehr selten. Ich habe sie auch zu dem Israel Philharmonic Orchestra. Ohne diese Chemie kann die Arbeit eines Dirigenten sehr müh-selig sein, ist sie vorhanden, ist es der schönste Beruf der Welt.

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INTERVIEW

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STEINGRAEBER und

BAYREUTH

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Festspielhaus

Bereits um 1600 war Bayreuth ein bedeutendes musikalisches Zentrum. Praetorius, Schütz und Scheidt spielten in der

Stadtkirche Orgel, später bekleidete Telemann am markgräflichen Hof eine Zweitstelle als Kapellmeister. Dank Wagner und Liszt wurde

Bayreuth im 19. Jahrhundert zum glanzvollen musikalischen Zentrum – eine Entwicklung, die immer auch eng verbunden war

mit dem Klavierbauer Steingraeber & Söhne.

13PIANIST 3/18

REPORTAGE

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Leonard Bernstein der Pianist

Mit elf CDs ist der Pianist Leonard Bernstein gewiss deutlich spärlicher dokumentiert als der Dirigent mit seinen unzähligen Aufnahmen. Trotzdem sind diese Einspielungen nicht weniger interessant. Das Klavier war für Bernstein ein lebenslanger Gefährte, zärtlich nannte er es „My First Love“. Nur einen Tag vor seinem Tod nahm er von ihm Abschied mit Beethovens Sonaten und Bachs Goldberg-Variationen.

Anfang und Ende

20 PIANIST 3/18

LEONARD BERNSTEIN

Ansonsten mit Lob sehr sparsam, nannte ihn Arthur Rubinstein den größten Pianisten unter den Dirigenten, den größten Dirigen-ten unter den Komponisten und den größten Komponisten unter den Pianisten: ein Universalgenie. Die Apostrophierung „größter“ ist gut gewählt, denn bei Bernstein ist alles überlebensgroß – larger than life.Bernstein tanze oft am Rande des Vulkans – mit diesen Worten beschrieb der berühmte Kritiker der New York Times Harold Schonberg das Auf-der-Stelle-Springen, Wippen, Wedeln und Schweben Bernsteins, auf den die Musik wie ein Aphrodisiakum wirkte und der jedes Mal eine wunderbare Zeit erlebte, wenn er sein Ego in Musik baden konnte – dieweilen der schon etwas be-tagtere Horowitz am Klavier saß und die Ruhe bewahrte. Der Vergleich sollte nicht zu Bernsteins Vorteil ausfallen, Horowitz – „mysteriös, unvorhersehbar, elektrisierend, beängstigend“ – schien deutlich mehr Eindruck auf Schonberg zu machen. Christa Ludwig schreibt, Bernstein sei wegen seiner dirigentischen „Choreografie“ gerne bespöttelt worden, betont aber gleichzeitig, dass er „keine Show vor dem Publikum aufgeführt, sondern bei den Proben genauso getanzt habe“. Ludwig – in dieser Ausgabe promi-nent vertreten mit mustergültigen, von Bernstein begleiteten Lied-In-terpretation von Brahms und Mahler – war der Liebling aller großen Dirigenten ihrer Zeit: Karajan, Solti, Klemperer, Böhm; ihr Favorit jedoch war Bernstein: „Er war in vieler Hinsicht eine Ausnahme. Er war die Musik schlechthin, oft in Trance, weit weg, immer in Ekstase, sowohl in den Konzerten, als auch bei den Proben.“Ihre Liebe beruhte auf Gegenseitigkeit. Einmal schrieb er ihr einen rührenden Brief, in dem er zum Schluss gelangte, dass sie nicht nur die Beste sei, sondern überhaupt der beste Mensch auf der Welt.

SeeleThomas Hampson macht in Bernstein ein perfektes Gleichgewicht zwischen Instinkt und Intellekt aus: „Es war unglaublich, miterle-ben zu dürfen, wie Leonard Bernstein auftrat und sich der Musik näherte: mit phänomenalem Intellekt und Wissen und dennoch immer aus der Tiefe der Seele und des Herzens, aus dem Urgrund des menschlichen Wesens.“ Diese Hingabe ist Bernsteins wohl hervorstechendster Charakter-zug. Er offenbart sich auch in allem, was man auf den vorliegen-den CDs findet. Auf den zwei jazzig gespielten Aufnahmen des G-Dur-Konzerts, Bernsteins Paradestück, oder in der wahrlich atemberaubenden, flimmernden Interpretation von Schumanns Klavierquintetts, in der er einen unnachahmlichen Dialog mit

dem Juilliard String Quartet führt. Übrigens auch eine Lieblings-aufnahme von Bernstein selbst. Das zweite Konzert von Schosta-kowitsch explodiert förmlich vor Energie in den Ecksätzen, die den Mittelsatz – ein von rosa Zucker umhülltes, aber wundervolles Bonbon – flankieren. Seine Wiedergabe der meisterhaften Sonate von Aaron Copland ist die würdige Ehrbezeugung eines amerika-nischen Großmeisters vor dem anderen. Auch dieses Stück ist überlebensgroß, genau wie der äußerst symphonische Entwurf von Beethovens erstem Klavierkonzert.

AbenteuerAber es geht auch anders. In seinen 7 Anniversaries hören wir ei-nen lyrischen Bernstein, eine Qualität, die er zum Teil seiner sehr anspruchsvollen Lehrerin Isabelle Vengerova zu verdanken hatte. Die perkussive Energie war ihm von Natur aus eigen, und darum legte er seinen Fokus auch nie in erster Linie auf Klangschönheit. Auch wenn er Lieder begleitete, geriet das Klavier häufiger aus den Fugen, vor allem in den symphonisch gedachten Liedern Mahlers. Hier spielt Bernstein wie der Dirigent, der das Klavier zu seinem Orchester macht. Ob groß oder klein, extrovertiert oder intim: Immer ist dieses Gefühl von Abenteuer, von Entdeckung da. Noch in seinem letz-ten großen Interview mit Jonathan Cott gestand Bernstein, dass er sich stets wie ein Anfänger fühlte, zeit seines Lebens. Für Bern-stein war eine Interpretation erst dann vollkommen, wenn er das Gefühl hatte, selbst zum Komponisten geworden zu sein, egal ob es sich um Brahms, Tschaikowsky oder Strawinsky handelte. Er musste das Gefühl haben, im Augenblick der Wiedergabe selbst die Teile der Partitur zusammenzufügen – hier ein Englischhor-neinsatz, an der Stelle ein Pizzicato im Bass, dort ein Posaunen- akkord – und dann war er derart in einer anderen Welt, dass ihn erst der Applaus wieder ins Hier und Jetzt zurückholen konnte. Je länger das dauerte, desto besser.

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LEONARD BERNSTEIN

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Zu Besuch

bei Steinway & Sons

Loyalität und

Qualität

Korpus mit Stimmblock

Gusseiserne Klavierrahmen hängen in der Steinway-Fabrik

Montage eines Resonanzbodens in der Steinway-Fabrik

Die Steinway-Familie (Essex, Boston und Steinway & Sons)

Steinway & Sons feiert in diesem Jahr sein 165-jähriges Bestehen. Aus diesem Anlass hat sich PIANIST zu einem Besuch in der Fabrik in Hamburg aufgemacht, wo jene Flügel gebaut werden, deren Name schon seit vielen Jahrzehn-ten als Synonym für das Instrument gilt. Darüber hinaus haben wir auch einen Blick ins Boston Prep Center geworfen, in dem die Instrumente der Steinway-Familie ihr Finish erhalten.

tionsprozess demonstriert. Wir durften sogar Fotos machen. Eins der ersten Dinge, die in der Fabrik auffallen: Die Mitarbei-ter haben alle eine Spezialisierung, von der Korpus-Herstellung bis zur Gussrahmen-Politur und dem Einbau der Mechanik. Unzählige Male werden den ganzen Tag über dieselben Schritte im Produktionsprozess wiederholt. So kann jeder Mitarbeiter sein Handwerk auf sehr hohem Niveau perfektionieren.

HandwerkWährend des Rundgangs fliegen einem die Zahlen nur so um die Ohren. Steinway ist seit 1880 in Hamburg niedergelassen. 1927 hat die Fabrik ihren jetzigen Standort bezogen, einen schönen Back-steinkomplex, der sich deutlich von den umliegenden Betriebsge-bäuden mit ihrer vorgefertigten Anonymität abhebt. Pro Jahr wer-den hier in Hamburg rund 1.200 Flügel und 300 Klaviere gebaut, die Abnehmer auf vier Kontinenten finden; die Fabrik in New York stellt nur für den nord- und südamerikanischen Markt her. Es dauert ungefähr ein Jahr, einen Flügel zu bauen, 80 Prozent der

Familientraditionen beginnen bei Steinway natürlich im eigenen Haus, wo Henry Z. Steinway, der Enkel des Firmengründers Henry E. Steinway, noch bis zu seinem Tod am 18. September 2008 im Alter von 93 Jahren für die Firma gearbeitet hat. Der Begriff „Familie“ ließe sich jedoch auch auf viele der Mitarbeiter ausdeh-nen, die oft 50, manchmal sogar 60 Jahre im Betrieb ihr Bestes leis-ten. Bei den 1.800 Konzertpianisten weltweit, die sich „Steinway Artist“ nennen dürfen, lässt sich ein ähnliches Treueverhältnis beobachten. Und dann gibt es noch die Familienangehörigen mit Namen Boston und Essex. Auch sie feiern Jubiläum, vor 25 Jahren wurden diese Marken ins Leben gerufen, um auch das mittlere Marktsegment und die angehenden Pianisten zu bedienen.

Spezialisten Steinway ist stolz auf seine Produkte und zeigt gern, auf welchem Weg ihre Qualität zustande kommt. Eine ausgedehnte Führung durch den gesamten Betrieb ist kein alltägliches Ereignis, speziell für den Besuch werden verschiedene Schritte aus dem Produk-

Die ‘Rimbiegerei’ in der Steinway-Fabrik

REPORTAGE

33PIANIST 3/18

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In den Vereinigten Staaten ist der gebürtige Argentinier ein ganz Großer,in Europa kann man es fast als Glücksfall bezeichnen, wenn man ihm bei einem Wettbewerb begegnet oder einen Klavier-abend mit ihm erleben kann. Als Pianist ist er außergewöhnlich empfindsam, als Mensch besticht er durch große Liebenswürdigkeit.

Eduardo Delgado

INTERVIEW

36 PIANIST 3/18

Wir treffen uns einen Tag nach seinem Konzert in der Kapelle von Le Val de Travers während Katja Avdeevas Concours International Pour Jeunes Interprètes au Val de Travers, an dem er als Jurymitglied teilnimmt. Während wir uns ein nettes Fleckchen im Hotelgarten suchen, der an die Kapelle grenzt, lenkt Delgado das Gespräch auf Gabriela Montero: „Kennen Sie sie? Sie ist ein Naturtalent, sie macht alles aus Instinkt! Eine großartige Frau, sehr warm, und sie tut sehr viel für das venezolanische Volk. Ich bewundere sie sehr.“ Monteros Improvisationskunst scheint der ideale Ansatzpunkt für Delgados Idee der Interpretation – denn sie muss wie eine Impro-visation sein. Oder besser gesagt wie eine Neuschöpfung: im Moment, spontan, wie gesprochene Sprache. „Nicht die Stunden des Übens dürfen durchklingen, sondern die Gesamtheit aller Farben und Nuancen des Lebens.“ Er schaut sich

um. „Genau wie die unterschiedlichen Töne des Pflanzengrüns hier. Manche machen sich Sorgen um falsche Noten, was aber ist die wirkliche Bedeutung der Musik? Sie muss verführen, wenn man sie spielt.“ Wie viel aber ist davon spontan? Diese Frage interessiert mich. „Die Struktur ist im Arbeitszimmer geplant worden, aber beim Konzert muss man sein Herz und seine Seele öffnen. Diese spirituellen Momente, diese ,Estados de gracia‘, in denen man meint, ein Engel schwebe über einem, sind selten. Wie der Zen-Meister, der mit verbundenen Augen auf weite Entfernung sein Ziel trifft, so kann es auch in der Musik sein. Aber jedes Mal auf eine andere Weise.“ Delgado ist seit Jahren eng mit Martha Argerich befreundet, und das Gespräch kommt oft auf sie. „Ich habe sie in Los Angeles vier Abende hintereinander mit dem Schumann-Konzert gehört, und es war immer ganz unterschiedlich. Das letzte Konzert war magisch.“

MUSIKWIE DAS LEBEN SELBST

„Als ob ein Engel über einem

schwebt …“

37PIANIST 3/18

INTERVIEW

LiebesbriefEin Konzert, sagt er, sei wie das Verfassen eines Liebesbriefs. Am Abend zuvor hatte er Besucher seines Rezitals mit seinem singen-den Ton zu Tränen gerührt. Seine Lehrer hatten immer sehr streng auf den Ton geachtet. Einmal hatte er zweieinhalb Stunden mit der ersten Seite von Beethovens letzter Sonate zugebracht, ehe der legendäre Vincenzo Scaramuzza zufrieden war. Genauso lange schickte er Delgado zum Üben, bis dieser endlich den richtigen Klang gefunden hatte. Dass die Kunst des Unterrichtens eine selbstlos sich entäußernde ist, bewies Scaramuzza unentwegt. Er schaute nie auf die Uhr, und wahrscheinlich hatte er auch keine. „So versuche ich auch zu unterrichten, man lernt bis zum letzten Tag.“ Auch sein Unterricht bei der ebenso legendären Rosina Lhevinne verlief in dieser Weise: „Ich habe einen ganzen Sommer mit ihr verbracht, ich übte, und aus dem Patio rief sie mir dann

ihre Kommentare zu. Sie war sehr inspirierend.“ Diese Hingabe fand Delgado auch bei Alicia de Larrocha. „Wir waren 40 Jahre befreundet. Wir sprachen viel über spanische Musik, ich kochte Linsensuppe für sie, ihr Lieblingsgericht. Sie war eine unglaubliche Musikerin, die sich vollständig der Musik widmete – auf Kosten ihres Ehemanns. Unter dieser Aufopferung hat sie sehr gelitten, doch übte sie nonstop. Sie hatte ein gigantisches Repertoire.“Hier werfe ich die Anekdote über Casals ein, der auch mit 90 Jahren das Üben nicht aufgegeben hatte, weil er überzeugt war, immer noch dazu lernen zu können. Delgado nickt. Er hatte als Chor- sänger in seiner Heimatstadt Rosario Casals noch von Nahem erlebt. „Ich habe noch ein signiertes Foto von ihm. Normalerweise mache ich mir nichts aus solchen Andenken, aber das war etwas Außergewöhnliches. Er hatte auch eine sehr schöne junge Frau, ein richtiger Smart Guy!“

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Als ich vor sechs Jahren hier anfing, hatten wir das große Jubiläum zu Beethovens 250. Geburtstag im Jahr 2020 schon vor Augen; 2014 kam dann noch die Feier zum 125-jährigen Bestehen des Vereins Beethoven-Haus hinzu – eine Gelegenheit, bei der wir in Zusammenarbeit mit der Universität in Bonn ein wichtiges, lange vernachlässigtes Thema aufgegriffen haben: die Rolle des Beet- hoven-Hauses im Nationalsozialismus. Ich selbst bin mit einem Hintergrund im Kultur- und Non-Profit-Management eher ein Seiteneinsteiger. Die Expertise haben unsere 70 Mitarbeiter mit unendlich viel Fachwissen in allen möglichen Bereichen. Zwar wird weltweit an Beethoven erinnert, aber für Bonn ist 2020 eine besondere Chance und eine gewaltige Herausforderung, sich als Beethoven-Stadt zu positionieren. Wir haben hier im Geburts-haus mit seiner einzigartigen Aura derzeit schon rund 100.000 Be-sucher pro Jahr. Ihnen bieten wir verschiedene Angebote: Zum einen in der Kammermusik, mit unserem einzigartigen Saal und einem außergewöhnlichen Festival, das bei Tabea Zimmermann, unserer neuen Präsidentin und Nachfolgerin von Kurt Masur, in sehr guten Händen liegt. Zum anderen unsere Forschungsarbeit, da nenne ich beispielsweise Beethovens Werkstatt, ein großes 16-jähriges Projekt in Zusammenarbeit mit der Musikhochschule Detmold. Und schließlich das Museum mit einer Sammlung von 5.000 Exponaten, die für 2020 eine vollkommen neue, thematische Präsentation erhält.

Malte C. Boecker ist der Direktor des Beethoven-Hauses in Bonn. In unserem Interview berichtet er von seinen Plänen für das Beethoven-Jahr 2020

und von seiner Sicht auf den Komponisten, die nicht zuletzt von Erfahrungen mit Leonard Bernstein und Daniel Barenboim geprägt wurde.

BernsteinDie siebte Symphonie ist meine Lieblingssymphonie. Ich erinnere mich an eine Aufführung hier in Bonn mit den Wiener Philhar- monikern unter Bernstein. Ich lernte ihn gut kennen und bin noch immer in Verbindung mit seiner Familie und dem Bernstein- Estate. Es war ein außergewöhnliches Erlebnis, und in demselben Jahr dirigierte Lennie anlässlich des Mauerfalls die neunte Sym-phonie in Berlin. Ich werde das nie vergessen! Die Neunte eignet sich hervorragend, wenn es darum geht, ein besonderes Statement abzugeben. Die Wirkung dieser Musik ist für mich nicht dann am stärksten, wenn sie besonders professionell gespielt wird, sondern dann, wenn der gesellschaftliche Bezug stimmt. Das finde ich sehr spannend, und 1989 war genau das der Fall. Nach dem Mauerfall hatten wir mit Gorbatschow das Gefühl, dass die Rivalität der politischen Systeme einmal enden wird, Francis Fukuyama schrieb sein Buch The End of History, und die Studenten auf dem Tianan-men-Platz in China spielten die Neunte als Zeichen der Solidarität und Hoffnung. Ein anderes schönes Beispiel ist die jahrzehntelange Daiku-Tradition in Japan, bei der die Neunte mit tausenden von Laiensängern in großen Stadien aufgeführt wird. Vor allem nach der dreifachen Katastrophe von Fukushima hatte das als Symbol des gesellschaft- lichen Zusammenhalts für die japanische Bevölkerung eine große Bedeutung.

BEETHOVEN ALS PROTAGONIST

Beethoven-Haus Bonn

BEETHOVEN

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Aus einem gerade erst entdeckten Brief an Schiller von 1793 wissen wir, dass Beethoven schon 1793, also noch zu Bonner Zeiten, den Plan hegte, Schillers Text zu vertonen. Bernstein glaubte, dass Schiller ursprünglich „Freiheit schöner Götterfunken“ hatte schreiben wollen, und wenn es auch wissenschaftlich nicht haltbar ist, so ist es doch im Kontext von 1989 eine schöne Deutung eines utopischen Gedankens. Dies erleben zu dürfen, war auch durch die Persönlichkeit Bernsteins sehr erhebend.

BarenboimDie siebte Symphonie stand auch auf dem Programm des ersten Konzerts mit dem West-Eastern Divan Orchestra von Daniel Barenboim. Dort geht es vor allem um die Macht der Musik, in einer aussichtslosen Situation Brücken zu bauen. Im Jahr 1999, als ich als Projektleiter mit dem Goethe-Gedenken in Weimar betraut war, hatte Barenboim die Leitung des Musikprogramms inne und wollte einen Workshop veranstalten, in dem Israelis und Araber gemeinsam musizieren sollten. Benannt nach Goethes West-östlichem Divan ist daraus das Orchester entstanden. Wenn man bedenkt, dass wir es damals auf die Reihe gebracht haben, junge Menschen aus arabischen Ländern mit Israelis musizieren zu lassen, mit denen sie faktisch im Krieg waren, und dass sie über die Musik eine Sprache hatten, in der sie gemeinsam mit den ande-ren die Erfahrungen teilen konnten, dann ist das ein sehr intensiver

Moment. Das wurde auch von allen so empfunden. Ich halte das für eines der spannendsten Musikprojekte der letzten Jahre, und dass es gelingen konnte, lag einzig und allein an der Kraft, die Barenboim damals noch mit Edward Said und Yo-Yo Ma unge-achtet großer Widerstände aufgebracht hatte.In diesem Projekt finde ich viel Motivierendes, mich auch hier im Kontext des Beethoven-Hauses für Musikvermittlung einzusetzen. Ich glaube wirklich daran, dass Musik eine unverzichtbare Res-source für unser Zusammenleben ist. Unsere Aufgabe ist es, das Interesse an klassischer Musik aufrecht und lebendig zu erhalten. Das sagt sich vielleicht so leicht, aber wir merken hier, dass die Gesellschaft sich verändert, und Beethoven ist ein dankbarer Protagonist. Da hat das Beethoven-Haus eine ganz wichtige Rolle zu spielen. In der kommenden Ausgabe des PIANIST berichten wir in einem Interview mit Tabea Zimmermann über die BTHVN-Woche, das Kammermusikfest Variationen vom 24. Januar bis 3. Februar 2019 und die ebenfalls fürs kommende Jahr geplante neue Einrichtung des Museums sowie das weitere Programm für 2020.

ERIC SCHOONES

Malte C. Boecker

www.beethoven.de/woche

41PIANIST 3/18

BEETHOVEN

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Aus der Ferne ertönt der Ruf eines Pfaus, leise plätschert ein Wasser-fall, und am Horizont erstrecken sich die Schweizer Alpen. Geradezu paradiesisch, so wie die ganze Gegend am Bachtel im Zürcher Ober-land. Seit kurzem sind hier die neuen Werkstatt- und Verkaufsräume von Piano Sigrist. Nicht nur die Umgebung ist außergewöhnlich – die Einrichtungen und Möglichkeiten in den neuen Räumen sind es auch. Ebenso erfreulich ist der Einstieg der zweiten Generation in das Fami-lienunternehmen des traditionellen Handwerks Klavierbau.Beni und Josias Sigrist konnten sich einen Traum verwirklichen: Das Einrichten einer Klavierbauwerkstatt mit Verkaufsraum nach den neuesten technischen Möglichkeiten. Die Zielrichtung ist die Förderung und Verwirklichung eines hohen Standards in der Repa-ratur, der Generalrevision von Flügeln und Klavieren und der Ver-kauf von Neu- und Gebrauchtinstrumenten. Sie wollen mit ihren Möglichkeiten die Qualität und die Ausbildung zum Klavierbau fördern und unterstützen. Die Arbeit der Familie Sigrist wird von Musizierenden jedes Alters sehr geschätzt. Sie betreuen die Instrumente von professionellen Pianisten, Konzerthäusern, Musikschulen, Schulen und sehr vielen Hobby-Pianisten – Erwachsene wie Kinder.Zur Eröffnung gab es gleich zwei besondere Highlights. Zum einen ist da die neue hochmoderne Klavierwerkstatt der Familie Sigrist mit der neuesten Technik der Klavier- und Flügelrestauration zu nennen, zum anderen – und das ist eine Weltneuheit – das Klavier-modell Raetia 132 von der Davoser Klaviermanufaktur Piano Rätia. Es handelt sich dabei um das erste Klavier seit über 30 Jahren, das wieder in der Schweiz gebaut wird. Dank präziser CNC-Arbeit und dem Fachwissen der Erbauer ist dabei ein Instrument von höchster Qualität entstanden. Die Nummer 1 kann ab sofort und exklusiv bei Piano Sigrist – Hinwil ausprobiert und gekauft werden.Neben Instrumenten von Rätia führt Piano Sigrist auch Klaviere und Flügel der Marken Steingraeber & Söhne, Kawai, sowie Gebraucht- instrumente verschiedener Hersteller, außerdem gibt es ein kleines, feines Sortiment von Mietinstrumenten, sowohl zur Kurzzeitmiete für ein Konzert als auch als Langzeitmietinstrument für zu Hause. Dank der neuen Werkstatt und dem neuen Verkaufsraum hat Piano Sigrist die Möglichkeit Klavierbauerlehrlinge auszubilden und Fort-bildungskurse für Klavierbauer zu veranstalten. Der Betrieb strebt das ehrgeizige Ziel an, den Klavierbau als solches weiter voranzu- treiben und in die Moderne zu führen. Um dies zu bewerkstelligen verfügen Sie unter anderem über schallisolierte und akustisch opti-mierte Ateliers, einen feinjustierbaren Lastkran, Vorrichtungen für das Ersetzen von Stimmstöcken und Resonanzböden u. v. m. Doch die Räume eignen sich nicht nur fürs Arbeiten und zur Ausbil-dung am Instrument, sondern bieten auch Platz für Konzerte mit bis zu 60 Besuchern, Tonaufnahmen und der individuellen Verfeinerung des kundeneigenen Instruments. Dank akustischer Raumplanung und modernsten elektronischen Einrichtungen bleibt kein Wunsch, weder vom Pianisten noch vom Klavierbauer, offen. Somit stellt Piano Sigrist nicht nur ein normales Klaviergeschäft dar, sondern bildet mitten im Zürcher Oberland ein kleines Kulturzentrum. Ein Besuch lohnt sich.

MARIO-FELIX VOGT

Trauminstrumente aus der

TraumwerkstattIm Juni dieses Jahres eröffnete die Familie

Sigrist im Zürcher Oberland ihr neues, einzig-

artiges Klaviergeschäft. Wir stellen Ihnen die

Familie und den Betrieb im Porträt vor.

Auch im Diskant müssen die Töne passen, Josias Sigrist bei der Arbeit mit dem Stimmhammer.

Ob Rätia, Kawai oder Steingraeber & Söhne, das Sortiment von Sigrist deckt ein breites Spektrum ab.

KLAVIERHÄUSER

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Beni Sigrist (1958)Gründer von Piano Sigrist, arbeitet als ausgebildeter Klavierbauer seit 40 Jahren mit seinem profunden Wissen und Können für den besten Klang eines Pianos. Diese beruflichen Fähigkeiten holte er sich nicht nur bei Steinway & Sons, sondern auch im täglichen Berufsleben bei der Stimmung und Pflege der unzähligen Instru-mente aus der Vielzahl von Piano-Manufakturen.Doch auch der schweizerische Klavierbaunachwuchs liegt Beni Sigrist am Herzen. 25 Jahre lang leitete er als Instruktor die Stimmkurse der Lehrlinge, und auch heute noch engagiert er sich voller Leidenschaft in der Ausbildung. So ist er im Geschäftsführen-den Ausschuss (GA) der Interessengemeinschaft Musikinstrumen-tenbau (IGMIB), welche die Interessen von Klavier- und Orgelbauern

sowie jene von Blasinstrumenten-bauern vertritt. Au-ßerdem wirkt er als 1. Vorsitzender im

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Zwei Generationen KlavierbauerSchweizer Verband der Klavierbauer und Stimmer (SVKS); in diesem 1947 gegründeten Berufsverband sind zirka 220 Klavierbauer zusammengeschlossen.

Josias Sigrist (1990)Als zweite Generation von Piano Sigrist holte er sich das Grundwis-sen auch in der 4-jährigen Ausbildung zum Klavierbauer in der italienisch sprachigen Schweiz und den anschliessenden Lehr- und Wanderjahren. Dies unter anderem bei Steinway & Sons New York, Faust Harrison New York, 2-jähriger Betreuung des Kanadischen ‚Orchestre Symphonique de Montréal‘ als Konzerttechniker, sowie als Klavierbauer in einer der grössten Schweizer Klavierwerkstatt.Dank all diesen verschiedenen Arbeitsumgebungen spricht Josias Sigrist fliessend Englisch, Französisch, Deutsch und Italienisch und kann so in Zukunft bestmöglich junge und alte, schon gestan-dene oder noch werdende Klavierbauer, unterrichten. Als nächste Generation von Piano Sigrist ist ihm weiterhin die Offenheit und Ehrlichkeit gegenüber Kunden und Kollegen sehr wichtig.

Beni Sigrist beim Intonieren.

Josias Sigrist beim Einpassen des gusseisernen Rahmens in den Flügel.

Piano SigristIm Tobel 4 · 8340 Hinwil-HadlikonTelefon 0044 391 25 25www.pianosigrist.ch

WETTBEWERBE

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MASTERCLASSFragt man einen beliebigen Konzertpianisten nach inspirierenden Vorbildern, erhält man mit Sicher-heit einige der folgenden Namen zur Antwort: Rachmaninow, Hofmann, Lipatti, Schnabel, Kempff, Rubinstein, Horowitz oder Michelangeli. Ihre Meisterschaft ist auch nach Jahrzehnten nicht verblasst, mögen sich Geschmack und Stil in der Zwischenzeit auch geändert haben. Jenseits der Schatzkammer mit historischen Aufnahmen exis-tiert eine ebenso reiche Bibliothek von Textquel-len, in denen Schlüssel zu dieser Meisterschaft verborgen liegen. Ein Workshop für professionelle Pianisten wie für Amateure.

Aristokrat und Zauberer

Josef Hofmann (1876 –1957) wird stets einer der größten Pianisten der Geschichte bleiben. In der ersten Folge unseres Beitrags über ihn werden wir in einer kurzen

Skizze sein bewegtes Leben nachzeichnen, seinem verblüffenden Genie nachspüren und einen Eindruck von den Schätzen vermitteln, die The Complete Josef Hofmann

bietet. Schließlich möchten wir vorab schon einen Blick auf seinen klugen Unter-richt werfen, über den wir in der kommenden Ausgabe mehr erfahren werden.

Anton Rubinstein hatte das einzigartige Talent des siebenjährigen Hofmann bereits nach einer Darbietung von Beethovens drittem Klavierkonzert bemerkt, um einen Vertrag abschließen zu kön-nen, befand Vater Hofmann seinen kleinen Filius jedoch noch als viel zu jung. Dennoch trat er bereits zwei Jahre später in sieben europäischen Ländern auf. Das Wunderkind brachte die Gemüter in Wallung, denn eine amerikanische Tournee mit 50 Rezitals, 17 davon in der New Yorker Met, stieß auf empörten Protest der „Society for the Prevention of Cruelty to Children“. Vertragsbe-dingt gab es für Hofmann zunächst keinen Ausweg, bis ihm der Philanthrop Alfred Corning Clark den Betrag, den der Junge mit seiner Tournee verdienen sollte, verfünffachte, dabei aber die Bedingung stellte, dass er bis zu seinem 18. Geburtstag nicht mehr öffentlich auftreten dürfe. Mit diesen 50.000 Dollar von Clark vollendete Hofmann seine wissenschaftlichen und musikalischen

Josef Hofmann

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Studien, u. a. bei Moritz Moszkowski; 1892 nahm ihn Anton Rubinstein als einzigen Privatschüler unter seine Fittiche. Hof-mann besuchte Rubinstein 42 Mal in Dresden im Hotel d’Europe. Hofmann schrieb: „Rubinstein sagte oft zu mir: ‚Spiele zunächst exakt, was geschrieben steht; wenn du dem vollkommen gerecht geworden bist und immer noch das Gefühl hast, etwas hinzuzufü-gen oder ändern zu müssen, dann mach es. Beachte wohl: Nach-dem du dem Geschriebenen vollkommen gerecht geworden bist! Wie wenige sind in der Lage, diese Pflicht zu erfüllen! Ich empfehle jedem, der sich beweisen und für mich spielen will – wenn er es überhaupt wert ist, angehört zu werden –, dass er nicht mehr spielt, als geschrieben steht (als er meinen könnte), tatsächlich aber einen gut Teil weniger von dem, was die geschriebene Seite offenbart. Und dies ist einer der hauptsächlichen Gründe für das Missverständnis des esoterischen Teils, des inhärenten „Stils“ eines Stückes – ein Missverständnis, dass nicht immer nur auf Amateure begrenzt ist – ungenaues Lesen! Die wahre Interpreta-tion eines Musikstücks resultiert aus seinem korrekten Verstehen, und dies wiederum basiert allein auf peinlich genauem Lesen!‘

255 WerkeRubinstein organisierte für Hofmann für den 14. März 1894 noch ein Debüt in Hamburg, bei dem er selbst dirigierte. Von seinem Schüler nahm der Meister Abschied mit den Worten: ‚Ich habe dir alles, was ich über das Korrekte Klavierspielen und Musikmachen weiß, beigebracht, und wenn du es jetzt noch nicht weißt, dann geh zum Teufel.‘ Die beiden sollten sich nie wiedersehen.Hofmann ehrte seinen Lehrmeister mit einer Hommage auf des-sen historische Konzertreihe von 1885, die er in den Jahren 1912–1913 in St. Petersburg noch einmal aufleben ließ. Während 21 auf-einanderfolgender Abende spielte er 255 Werke. Sein Gedächtnis war legendär, und er besaß, ebenso wie Mozart, Liszt und Saint-Saëns, die Fähigkeit, ein Werk nach nur einmaligem Hören in voll-endeter Form nachspielen zu können. Diese Fähigkeit bewies er u. a. in der Fledermaus-Transkription von Godowsky, und zwar noch bevor Godowsky diese überhaupt aufgeschrieben hatte. Der Kritiker Harold Schonberg bescheinigte Godowskys Fledermaus übrigens, dass sie eines der geistreichsten und komplexesten Werke sei, die je für das Klavier geschrieben wurden.

„Der größte lebende Pianist“Sergej Rachmaninow

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KLAVIERBAU

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Zu Beginn seiner Tätigkeit als Klavierhersteller wurden erstmals aufrecht stehende Klaviere gebaut. Kein liegender Bezug wie beim Tafelklavier oder Hammerflügel, sondern eine vertikale Besaitung. Um 1800 begann man aus Platzgründen und wegen der Klang- abstrahlung zum Pianisten beziehungsweise zum Publikum Schrank-, Giraffen- oder Lyraflügel zu bauen. Dabei handelte es sich um hochkant gestellte Flügel. Ab 1815 gab es verschiedene Ansätze, wie man diese Instrumente niedriger bauen könnte. Pape erfand das Konsolenklavier um 1838 und produzierte es bis etwa 1855.An der Grundkonzeption der platzsparenden Bauweise (100 cm Höhe, 138 cm Breite und 53 cm Tiefe) änderte sich nichts. Technik und handwerkliche Gestaltung wurden ständig verbessert und variiert. Die Hauptmerkmale sind der Hammerkopf- Filz und eine Schrägbesaitung, die die geringe Gesamthöhe möglich machte. Der Resonanzboden verteilt sich auf die Rückwand mit innen- liegenden Rippen. Um mehr Stabilität zu erreichen, wurden zusätzlich zur Raste Eisenstreben eingebaut.In unserer Sammlung befinden sich zwei Pape-Konsolenklaviere, die sich durch den jeweiligen Erhaltungszustand unterscheiden: Produktions-Nr. 4632, gebaut 1840, Ulme-Maserung, ist in einem guten Originalzustand und spielbar. Produktions-Nr. 5622 von 1855 in Nussbaum benötigt eine grundlegende Restaurierung: Das Gehäuse erfordert diverse Ergänzungen aus Nussbaum, unter anderem Leisten und Verzierungen. Die Oberfläche wird schellack- poliert. Die Tastenbeläge aus Elfenbein werden gesäubert und po-liert. Bis auf die Dämpferfilze ist die Mechanik komplett, sie muss neu eingerichtet und reguliert werden. Die akustische Anlage wird überarbeitet. Die Saiten sind sämtlich vorhanden und stimmbar. Unser Konsolenklavier von 1855 ist das letzte bekannte Exemplar. Zu dieser Zeit waren die verschiedenen Pianinos und moderne Klaviere der Konkurrenz erfolgreicher.Papes Firma wurde kurze Zeit von seinem Sohn und Neffen fort-geführt, ging aber in Konkurs. Pape selbst setzte die Arbeit an seinen Erfindungen bis ins hohe Alter fort und starb im Jahre 1875 mittellos im Alter von 88 Jahren.

Das Konsolenklavier von Pape

www.piano-palme.de

Erfindergeist des frühen Klavierbaus

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Johann Heinrich Pape wurde am 1. Juli 1787 in Sarstedt bei Hannover geboren. Wie viele Menschen damals wanderte er aus, um als Klavierbauer 1811 in Paris bei der Firma Pleyel zu arbeiten. Er eröffnete dort 1815 eine eigene Werkstatt. In den folgenden Jahren trug er viel zur Weiterentwicklung des Klavierbaus bei, und besaß nach und nach über 150 Patente.

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GROTRIAN-STEINWEG GmbH & Co. KG

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Barbara Szczepanska während der Preisverleihung 2017 mit Preisträgern und Jurymitgliedern.

Zweite Robert Schumann Competition in Düsseldorf

Barbara Szczepanska studierte Klavier an der Frederic Chopin Akademie in Warschau. Nach dem Examen setzte sie ihr Studium fort bei Professor Viktor Merzhanov am Moskauer Tschaikowsky-Konservatorium. Zu Szczepanskas pianistischem Kernrepertoire gehören Haydn, Beethoven, Chopin und Debussy. Konzertreisen führten Sie durch Polen, Ungarn, die damalige Sowjetunion, Spanien, Italien und Deutschland. Sie trat mit renommierten Orchestern auf, machte sich aber auch einen Namen als Solistin und Kammermusikerin. Nach Lehrtätigkeiten an den Musikhoch-schulen Warschau und Münster wurde sie 1989 als Professorin an die Robert Schumann Hochschule Düsseldorf berufen. Von 1999 bis 2008 bekleidete sie dort das Amt der Prorektorin für künstleri-sche Praxis. Erste Preise bei renommierten Klavierwettbewerben, die ihre Studenten errangen, dokumentieren den pädagogischen Erfolg von Barbara Szczepanska als Hochschullehrerin. Zu ihren Schülern zählen Severin von Eckardstein und Nikolai Tokarew. Barbara Szczepanskas besondere Neigung gilt der Arbeit mit Jung- studenten. Seit 2008 baute sie den Studiengang für Jungstudenten aus, und entwickelte das Hochbegabtenzentrum Schumann Junior, was sie bis 2016 geleitet hat.

Barbara Szczepanska: „Im März 2017 haben wir zum ersten Mal in Düsseldorf einen Klavierwettbewerb unter Robert Schumanns Namen veranstaltet. Dies war sicherlich überfällig, da Düsseldorf eine bedeutende Station in Schumanns Leben war, und die Musik-hochschule und auch der schönste Vortragssaal für Klaviermusik seinen Namen tragen.Der Wettbewerb war über unseren Erwartungen hinaus ein großer Erfolg. 70 junge Pianisten aus 30 Ländern haben teilgenommen, es wurde auf hohem Niveau musiziert, und die Düsseldorfer waren begeistert. Dies hat uns ermutigt, den Wettbewerb unter ähnlichen Bedingungen kommenden März zu wiederholen. Junge Pianisten aus allen Ländern bis zu einem Alter von 20 Jahren sind zugelassen, aufgeteilt in drei Altersgruppen. Neu ist eine dritte Wettbewerbsrunde mit Orchester: Die jüngste Gruppe spielt den ersten Satz eines Konzerts von Haydn, die mitt-lere Gruppe den ersten Satz eines Mozart-Konzerts und die 18- bis 20-Jährigen ein Werk mit Orchesterbegleitung von Schumann.Über den Wert von Musikwettbewerben für die Ausbildung von jungen Musiker ist genug gesagt. Ich persönlich sehe diesen Wert besonders für ganz junge Pianisten im Alter von zehn bis 20 Jahren. Dank der Wettbewerbe können sie sehen, wo sie stehen und was gut oder schlecht läuft. Ein weiterer Aspekt ist das frühe Spiel vor einem größeren Publikum.In diesem Sinne wünsche ich allen jungen Pianisten viel Freude beim Spiel und gute Erfahrungen bei unserem Wettbewerb.“ www.schumann-competition.com

Nächstes Jahr vom 5.–10. März geht die Robert Schumann Competition für junge Pianisten in die zweite Runde. Nach einer Vor-auswahl anhand der Bewerbungsunterlagen und -aufnahmen wurden insgesamt 81 Einladungen verschickt. Barbara Szczepanska, Professorin an der Robert Schumann Hochschule Düsseldorf, berichtet vom Wettbewerb.

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