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Die Revision des Schweizer Patentgesetzes
Tagung durchgeführt von
SWISSAID und der Erklärung von BernBern, 3. Mai 2006
Felix AddorMitglied der Direktion
Eidg. Institut für Geistiges Eigentum
Felix Addor - Die Revision des Schweizer Patentgesetzes3. Mai 2006 2
Was ist ein Patent ? Ein Schutztitel …
Eigentumstitel
= Vermögenswert,
über den verfügt werden kann
= Mittel für Technologietransfer
Abwehrrecht
= Recht, anderen zu verbieten, die patentierte Erfindung
gewerbsmässig zu benutzen
= Recht ist zeitlich, inhaltlich und geografisch beschränkt
Felix Addor - Die Revision des Schweizer Patentgesetzes3. Mai 2006 3
… aber keine Erlaubnis zur Nutzung
Patent = kein ‚Persilschein‘ zur Nutzung der Erfindung
Rechtsordnung bestimmt, ob und unter welchen
Voraussetzungen eine Erfindung genutzt werden kann
Patenterteilung = keine Billigung der Erfindung
Patentrecht = kein Instrument, um die Forschung zu steuern und deren negativen Auswüchse zu bekämpfen
Felix Addor - Die Revision des Schweizer Patentgesetzes3. Mai 2006 4
Patente: warum eigentlich?
Patente fördern die Innovation
Ausschliesslichkeitsrecht verhindert Trittbrettfahren
Investitionssicherung
Anreiz für Forschung und Entwicklung
Patente verbreiten technisches Wissen
Publikation statt Geheimhaltung
Freie Nutzung nach 20 Jahren
Patente schaffen Transparenz
Register sind öffentlich
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1.Erfindung
2.Kein Ausschlussgrund
3.Neuheit
4.Erfinderische Tätigkeit
5.Gewerbliche Anwendbarkeit
Allgemeine Patentierungsvoraussetzungen (PatG 1)
Kommt Patentschutz überhaupt in Frage?
Ist Erfindung in irgendeinem Land schon bekannt?
Ist Erfindung für Fachmann naheliegend?
Kann Erfindung gewerblich hergestellt oder verwendet werden?
gilt auch für Erfindungen auf dem Gebiet der belebten Natur !
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Patentierung biotechnologischer Erfindungen = nichts Neues!
1841 Finnisches Patent auf Bäcker
Hefe 1873 US Patent auf gereinigter Hefe
(Louis Pasteur)
1980 US Patent auf einem
Mikroorganismus (Chakrabarty)
1984 EP auf der DNA-Sequenz von
Interferon (EP 0 032 134)
1992 EP auf Harvard Krebsmaus
(EP 0 169 672)
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Schwerpunkt Biotechnologie
Wichtigste Revisionspunkte: Konkretisierung der Grenzen der Patentierbarkeit
(Erfindung/Entdeckung, Patentierungsverbote) Inhaltliche Anforderungen an Patentanmeldungen
(insb. Offenlegung der Quelle von genetischen Ressourcen / traditionellem Wissen) Regelung der Schutzwirkungen und Schutzausnahmen des Patents
(insb. Verankerung des Forschungsprivilegs) Änderungen im schweizerischen Patentverfahren
Zeitplan: Botschaft des Bundesrates 23.11.2005 Parlament 1. Sitzung vorberatende Kommission des Erstrates (Nationalrat): 06.04.2006 Inkrafttreten: ?
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Erfindung / Entdeckung
Entdeckung
Auffinden und Beschreiben von etwas
bereits Existierendem
Wissen / Erkenntnis
Erfindung
Anweisung, wie ein Problem mit
technischen Mitteln zu lösen ist
Anwendung von Wissen / Erkenntnis auf technischem Gebiet
PenicillinPenicillium notatum
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Tierrassen und Pflanzensorten
Biologische Züchtungsverfahren
Verfahren der Diagnostik, Therapie oder Chirurgie
Nutzung der Erfindung verstösst gegen öffentliche Ordnung oder guten Sitten
Grenzen der Patentierbarkeit
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Konkretisierung des Verstosses gegen den Ordre Public (PatG 2 Abs. 1)
Änderungen durch Stammzellenforschungsgesetz (in Kraft seit dem 1.3.2005):
Von der Patentierung ausgenommen sind auch:
a. Verfahren zum (reproduktiven und therapeutischen) Klonen des
Menschen und die damit gewonnen Klone
b. Verfahren der Bildung von Mischwesen
(Chimären sowie Hybriden – jedoch nicht transgene Tiere)
c. Verfahren der Parthenogenese beim Menschen
d. Keimbahntherapie (jedoch nicht somatische Gentherapie)
e. Unveränderte menschliche embryonale Stammzellen
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Von der Patentierung sollen künftig auch
ausgeschlossen sein:
• Erfindungen, deren Verwertung gegen die Menschenwürde
oder die Würde der Kreatur verstossen, so insbesondere:
• die Verwendung menschlicher Embryonen
zu nicht medizinischen Zwecken
• „Qualzüchtungen“ bei Tieren
Konkretisierung des Verstosses gegen den Ordre Public (E-PatG 2 Abs. 1)
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Der menschliche Körper (E-PatG 1a Abs. 1)
Keine Patentierung des menschlichen Körpers !
Vorgeburtliche Entwicklungsstadien sind auch von der
Patentierung ausgeschlossen:
Ab Kernverschmelzung
Insbesondere auch totipotente Zellen
Begründung: Menschenwürde / Fehlender Erfindungscharakter
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Bestandteile des menschlichen Körpers (E-PatG 1a Abs. 2)
Grundsatz: Patentierung von Körperbestandteilen
Abgrenzungskriterium: nicht Isolation, sondern
technischer Nutzeffekt ( Erfindung/Entdeckung)
Vorbehalt: Öffentliche Ordnung und gute Sitten
Einschränkung: Körperbestandteile in ihrer natürlichen
Umgebung sind nicht patentierbar
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Patentschutz für Gene (E-PatG 1b)
Entdeckung
Wissen / Erkenntnis
Beschreibung einer Gensequenz
Erfindung
Anwendung von Wissen / Erkenntnis
auf technischem Gebiet Konkrete Beschreibung der Gensequenz
+ Isolation / Synthese (= techn. Bereit-stellung)
+ konkrete Funktion (= techn. Nutzeffekt)
+ weitere Voraussetzungen Neuheit
erfinderische Tätigkeit
gewerbliche Anwendbarkeit
Patent
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... aber keine spekulativen Patente auf Gene !(E-PatG 49.2b)
KEEP KEEP OUTOUT+ Funktion
• hinreichend spezifiziert
• empirisch oder
experimentell erhärtet
KEEP KEEP OUTOUT
Kein Patent!
+ ???
Patent!
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Gen
F
Verwendungen
B
A
C
D
E
Proteine
zweckgebundener
absoluter Schutz
Verwendungen
B
A
C
Chemischer Stoff
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Schutz auch für nicht offenbarte Verwendungs-möglichkeiten (Funktionen) von Gensequenzen ?
Argumente für einen absoluten Schutz:
– Gleicher Schutzumfang für biotechnologische Erfindungen wie für
chemische Erfindungen
– Verschlechterung der Rahmenbedingungen für die Forschung
Wettbewerbs- und Standortnachteil
Argumente für einen zweckgebundenen Schutz:
– Keine Überbelohnung für nicht geleistete erfinderische Tätigkeit
– Keine übermässige Abhängigkeiten
Schutzumfang bei Genpatenten
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Absoluter Stoffschutz, aber Einschränkung der Sequenzansprüche (E-PatG 8c)
Nach herrschender Meinung weiterhin absoluter Stoffschutz
Schutz umfasst auch nicht offenbarte / unbekannte
Funktionen der patentierten Sequenzabschnitte
Ansprüche auf Gensequenzen werden beschränkt auf die für die
offenbarte Funktion wesentlichen Sequenzabschnitte
Nicht wirkungsrelevante Sequenzabschnitte werden
vom Patentschutz ausgenommen
Spekulativ breite Patentansprüche werden eingeschränkt
Felix Addor - Die Revision des Schweizer Patentgesetzes3. Mai 2006 19
Patente: forschungsfördernd oder forschungshindernd? OECD-Publikation 2002: „Genetic Inventions, Intellectual Property Rights and
Licensing Practices“ (http://www.oecd.org/dataoecd/42/21/2491084.pdf)
EU-Studie 2002: „Evaluierung der Auswirkungen des Unterbleibens oder der Verzögerung von Veröffentlichungen“(http://europa.eu.int/comm/internal_market/en/indprop/invent/com02-2de.pdf)
CH-Studie 2003: „ Research and Patenting in Biotechnology – a survey in Switzerland “ (http://www.ige.ch/E/jurinfo/pdf/j10005e.pdf)
UK-Studie 2004: „Patents for Genetic Sequences: the Competitiveness of Current UK Law and Practice“ (http://www.dti.gov.uk/5397_DTi_Patent_Study.pdf)
Erkenntnisse: Patente fördern die Innovation Keine Hinweise, dass Patente für biotechnologische Erfindungen die
Forschung grundsätzlich hemmen Patentsystem funktioniert
Felix Addor - Die Revision des Schweizer Patentgesetzes3. Mai 2006 20
Vom Patentschutz ausgenommene Handlungen (E-PatG 9)
Privatgebrauch Breites Forschungs- und Versuchsprivileg
- Wissenschaftliche Forschung an der Erfindung und klinische Versuche
- Gesetzliche Lizenz für biotechnologische Forschungswerkzeuge
(research tools)
Alle Handlungen für Arzneimittelzulassung – ausser Produktion ‚auf Vorrat‘
Benützung im Unterricht Einschränkende oder aufhebende Abreden = nichtig
Felix Addor - Die Revision des Schweizer Patentgesetzes3. Mai 2006 21
Auswirkungen auf die Landwirtschaft?
Einerseits: Ausdehnung des Schutzes (gegenüber Chemie) (E-PatG 8a und b)
auf Folgegenerationen mit gleichen Eigenschaften auf die Verwendung genetischer Informationen in Produkten
Andererseits: Einschränkungen des Schutzes (E-PatG 9, 9a, 35a und 35b)
Züchterprivileg Schutzausnahme für zufällige Vermehrung Erlaubnis des rechtmässigen Erwerbers zur bestimmungs-gemässen
Vermehrung Landwirteprivileg
Felix Addor - Die Revision des Schweizer Patentgesetzes3. Mai 2006 22
Offenlegung der Quelle (PatG 49a, 81a sowie 138 Bst. b) Angabe der Quelle von genetischen Ressourcen und
traditionellem Wissen in der Patentanmeldung
Patentrechtliche Massnahme zur Erhöhung der Transparenz
und zur Bekämpfung der Biopiraterie
Sanktionen:
- Zurückweisung der Patentanmeldung kein Patentschutz
- Busse bis CHF 100'000 bei vorsätzlichen Falschangaben
- Urteilspublikation
Felix Addor - Die Revision des Schweizer Patentgesetzes3. Mai 2006 23
„The patent system adds the fuel of interest
to the fire of genius“
Abraham Lincoln
Felix Addor - Die Revision des Schweizer Patentgesetzes3. Mai 2006 24
Wissen / Fortschritt
Transparenz / Kontrolle
Forschungsprivileg / Privatgebrauch
AllgemeinheitErfinder
Innovation
Abwehranspruch
Anreizfunktion
Investitionssicherung
Revisionsziel = Interessenausgleich
Felix Addor - Die Revision des Schweizer Patentgesetzes3. Mai 2006 25
Aktuelle Informationen zur Revision des Schweizer Patentgesetzes finden Sie unter …de: http://www.ige.ch/D/jurinfo/j100.shtmengl: http://www.ige.ch/E/jurinfo/j100.shtm
sowie in der Brochüre ‚Streitfall Biotechpatente‘
in Ihrem Handout sowie
http://www.science-et-cite.ch/archiv/themen/patente/dossier/broschuere/start/de.html
Kontakt:
Dr. Felix AddorTel. +41 31 322 48 02 / [email protected]