dod 2/2015

48
G 20011 Nachrichtenmagazin des Bundes der Vertriebenen OSTDIENST EUTSCHER DO D 57. Jahrgang / Nr. 02/2015 Stiftung: Kapellenwagen übergeben Politik: Durch Wahrheit zur Verständigung Otto von Bismarck zum 200. Geburtstag

Upload: bdv-bundesverband

Post on 21-Jul-2016

242 views

Category:

Documents


0 download

DESCRIPTION

Verbandszeitschrift des Bundes der Vertriebenen

TRANSCRIPT

Page 1: DOD 2/2015

G 20011

Nachrichtenmagazin des Bundes der VertriebenenOSTDIENSTEUTSCHERDOD57. Jahrgang / Nr. 02/2015

Stiftung:Kapellenwagen übergeben

Politik:Durch Wahrheit zur Verständigung

Otto von Bismarck zum 200. Geburtstag

Page 2: DOD 2/2015

AngekommenDie Integration der Vertriebenen in Deutschland

Erzwungene WegeFlucht und Vertreibung im Europa des 20. Jahrhunderts

Die GerufenenDeutsches Leben in Mittel- und Osteuropa

Landratsamt Oberallgäu17. Mai bis 26. Juni 2015Oberallgäuer Platz 2, 87527 SonthofenÖffnungszeiten:während der regulären Geschäftszeiten

Aichach-FriedbergKreisgut Aichach13. Juli bis 14. August 2015Am Plattenberg 12, 86551 AichachÖffnungszeiten:während der regulären Geschäftszeiten

Landkreis Waldeck-Friedberg - Kreishaus15. September bis 31. Oktober 2015Südring 2, 34497 KorbachÖffnungszeiten:Montag bis Donnerstag 08.00 Uhr bis 16.00 UhrFreitag 08.00 Uhr bis 13.00 Uhr

Donauschwäbisches Zentralmuseum22. Mai 2015 bis 20. September 2015Schillerstr. 1, 89077 UlmÖffnungszeiten:Dienstag bis Sonntag 11.00 Uhr bis 17.00 Uhr

Landtag von Sachsen-Anhalt27. Mai 2015 bis 26. Juni 2015Domplatz 6-9, 39104 MagdeburgÖffnungszeiten:während der regulären Geschäftszeiten

Stationen der Wanderausstellungen 2015

Alle Ausstellungen können gebucht werden. Informationen dazu unter Tel.: 0228/8100730

Zentrum

GeGen VertreibunGen

Page 3: DOD 2/2015

3DOD 02/2015

Liebe Leserinnen und Leser,

weltweit erleben wir immer wieder, wie wichtig es ist, auch zu dunklen Kapiteln der jeweils eigenen Geschichte zu stehen und damit die Wunden der Vergangenheit zu heilen.

Wir erleben es zum Beispiel in der international geführten Debatte, ob der Völkermord an den Armeniern im Osmanischen Reich als solcher bezeichnet werden darf oder nicht. Sogar nach 100 Jahren beeinflusst die Deutung der damaligen Ereignisse sowohl die Beziehungen zwischen Armenien und der Türkei maßgeblich als auch die innerdeutsche Debatte zur Haltung der Türkei gegenüber.

Wir erleben es auch in Deutschland – etwa wenn es darum geht, den 8. Mai 1945 zu bewerten. Zweifellos markieren Kriegsende und Kapitulation den Zusammenbruch der verbrecherischen Nazi-Diktatur und das Ende des Holocaust, aber eben auch den Beginn weiterer Menschenrechtsverletzungen und das Aufkom-men der kommunistischen Unrechtsregime in Europa. Flucht, Vertreibung und Deportation der Deutschen aus ihren angestammten Heimat- und Siedlungsgebieten hatten zu diesem Zeitpunkt bereits begonnen – lan-ge vor der Potsdamer Konferenz.

Stets gilt, dass nur wahrheitsgemäße Aufarbeitung und Thematisierung der Vergangenheit sowie ehrliche Empathie mit den Opfern noch immer bestehende Wunden letztlich schließen können.

In Deutschland sehen wir, dass heute vieles gesagt werden kann, was vor 25 Jahren noch unmöglich gewe-sen wäre. Wie von den deutschen Heimatvertriebenen in ihrer Charta visionär festgeschrieben, hat sich die Perspektive vergrößert und auf Europa insgesamt verschoben. Gleichzeitig hat auch das eigene Engagement unserer Mitglieder für Wahrheit und Verständigung zu einer positiven Atmosphäre des Dialogs geführt. Sehr deutlich habe ich dies gespürt, als ich in Würzburg einen interessanten, von gegenseitigem Respekt getrage-nen Austausch mit dem Präsidenten des Zentralrates der Juden in Deutschland Dr. Josef Schuster beginnen konnte. Auch zukünftig wird der Dialog mit sämtlichen gesellschaftlich relevanten Gruppen eines unserer wichtigsten Handlungsfelder sein.

Wir sind auf einem guten Weg.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bernd Fabritius MdB

Editorial

Page 4: DOD 2/2015

4 DOD 02/2015

Symbolträchtige Begegnung in WürzburgAm 13. März 2015 hatte der Würzburger Oberbürgermeister Christian Schuchardt den Kreisverband Unterfranken des Bundes der Vertriebenen unter dem Leitwort „Nie wieder Krieg und Vertreibung“ zu einem Empfang in den Ratssaal seines Amtssitzes eingeladen. Die Festrede hielt BdV-Präsident Dr. Bernd Fabritius MdB. Unter den zahlreichen Gästen war auch der wie Fabritius seit November 2014 amtierende Präsident des Zentralrates der Juden in Deutschland Dr. Josef Schuster. Seite 7

Rumänische Minderheitenpolitik beispielgebendBundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier wurde in Hermannstadt/Sibiu in Siebenbürgen zum Ehrenbürger ernannt, wo der rumänische Staatspräsident Klaus Johannis, Angehöriger der deutschen Minderheit, bis Ende 2014 Oberbürgermeister war. Zugegen waren auch der Beauftragte der Bundes-regierung für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten Hartmut Koschyk MdB und BdV-Präsident

Dr. Bernd Fabritius MdB, die Bundesaußenminister Steinmeier bei seinem Besuch in Rumänien begleiteten. Seite 14

Backsteinleuchten an der OstseeDie Kulturstiftung der deutschen Vertriebenen präsentiert in St. Marien im April und Mai 2015 ihre Ausstellung „Backsteinarchitektur im Ostseeraum – Neue Perspektiven der Forschung“. Dass St. Mari-en, selbst herausragendes Beispiel dieser Architekturform, als erste Station der 36 großformatigen Tafeln der Ausstellung gewonnen werden konnte, erscheint als wahrer Glücksfall.

Seite 18

Konservativer Europäer mit Maß und VerantwortungDer zweihundertste Geburtstag Otto von Bismarcks ist ein hervorragendes Beispiel für die unterschied-lichen Interpretationen eines herausragenden Politikers. Am 1. April 1815 erblickt er auf dem Schloss Schönhausen in der Altmark das Licht der Welt. Die Familie Bismarck zieht bald nach seiner Geburt nach Pommern um, auf Gut Kniephof im pommerschen Naugard wächst er auf, macht sein Abitur

und studiert Jura in Göttingen und Berlin. Seite 27

Flossenbürg war die letzte StationDer hochbegabte Dietrich Bonhoeffer wuchs in Berlin auf und bestand 1923 mit 17 Jahren das Abitur am Grunewald-Gymnasium. Als Berufswunsch gab er an, evangelische Theologie studieren zu wol-len. In den Jahren 1923/27 studierte er zunächst in Tübingen, dann in Rom und zuletzt in Berlin bei dem berühmten Theologen Adolf von Harnack (1851-1930), dessen Sohn Ernst und dessen Neffen Arvid und Falk später Widerstand gegen die Nationalsozialisten leisteten und dafür mit ihrem Leben bezahlen mussten. Seite 31

Privat (3); BdV Archiv (1); Gierlich (1); Digutsch (1); Bundesarchiv (1)

Inhalt

Titel: Digutsch (1)

Page 5: DOD 2/2015

DOD 02/2015 5Politik

Vor 100 Jahren, am 24. April 1915, begann die jungtürkische Regie-rung des Osmanischen Reiches damit, armenische Künstler, Schrift-steller, Politiker und weitere Reprä-sentanten des öffentlichen Lebens in Konstantinopel zu verhaften, zu deportieren oder zu ermorden. Dies war der Beginn eines Völkermordes, dem bis 1918 zwischen 300.000 und 1,5 Millionen Armenier, aber auch Aramäer, Assyrer und Griechen zum Opfer fielen. Dieser Genozid war der erste in einem Jahrhundert, in dem „ethnische Säuberungen“ zum politischen Prinzip erhoben wurden.

Die damaligen Ereignisse tilgten viele Spuren armenischen Lebens aus der

späteren Türkei. Zeitzeugenberichte haben das Grauen in Worte gefasst, das über die Armenier hereinbrach. Zu den weniger plastischen Schilderungen zählt diejenige Leslie A. Davids, der von 1914 bis 1917 amerikanischer Konsul in Har-put war – einem Zentrum armenischer Kultur im Osmanischen Reich: „Überall auf den Straßen lagen die Leichen. Das ganze Land war ein einziges Leichen-schauhaus, oder, um es korrekter zu sagen: ein Schlachthaus.“

Es genügte, Armenier zu sein

Oscar Heizer, amerikanischer Konsul in Trapezunt zwischen 1915 und 1917, berichtete seinem Botschafter: „Es wur-de nicht festgestellt, ob jemand der Teil-nahme an irgendeiner gegen die Regie-rung gerichteten Bewegung schuldig war. Es genügte, Armenier zu sein, um als Verbrecher behandelt und deportiert zu werden“. Auch das Deutsche Reich wusste die Pläne seines Bündnispartners im Ersten Weltkrieg von Beginn an ein-

zuschätzen. Botschafter Hans von Wan-genheim telegrafierte an Reichskanzler Theobald von Bethmann-Hollweg, es stehe außer Zweifel, „dass die Regierung den Zweck verfolgt, die armenische Ras-se im türkischen Reich zu vernichten“.

Als die Vereinten Nationen 1948 in ihrer entsprechenden Konvention den Begriff Völkermord/Genozid definier-ten, hatten sie den von den deutschen Nationalsozialisten verübten Holocaust an den Juden vor Augen, aber nachweis-lich auch die weiter zurückliegenden Vertreibungen und Massaker an den Armeniern im Osmanischen Reich. Das UN-Dokument erklärte damals, sämtli-che Handlungen in der Absicht, eine nationale, ethnische, rassische oder reli-giöse Gruppe als solche ganz oder teil-weise zu zerstören, seien als Völkermord zu bezeichnen. Viele internationale Insti-tutionen, Organisationen und auch mehr als 20 Staaten haben darauf auf-bauend und unterstützt von renommier-

Nur durch Wahrheit zur VerständigungArmenierschicksal angemessen aufarbeiten

ten Historikern bis heute das Schicksal der Armenier im Osmanischen Reich als Genozid anerkannt, darunter etwa die UN-Menschenrechtskommission, das Europäische Parlament, Frankreich, Itali-en und die Niederlande.

Widerstand aus dem Parlament

Trotz des in den Archiven des Auswär-tigen Amtes vorhandenen Wissens hat die deutsche Regierung die Verwendung des Begriffes Völkermord bisher aus Rücksichtnahme auf die Türkei stets ver-mieden, wo diese Deutung als schwerer diplomatischer Affront empfunden wird. Von parlamentarischer Seite formierte sich dagegen in den letzten Jahren ein immer stärker werdender überparteili-cher Widerstand, der nun zum 100. Gedenken an die damaligen Ereignisse klare Worte fand. Gestützt von der Bot-

Am Vortag des Armenischen Gedenktages zur Erinnerung an den Beginn des Völkermords an den Armeniern im Osmanischen Reich vor 100 Jahren traf BdV-Präsident Dr. Bernd Fab-ritius MdB (r.) den Geschäftsträger der Botschaft der Republik Armenien, Botschaftsrat Ashot Smbatyan (l.).

Page 6: DOD 2/2015

6 DOD 02/2015Politik

BdV-Archiv (1)

INFO

Auszüge aus der Plenarrede von Dr. Bernd Fabritius MdB zum Völkermord an den Armeniern:

„Lassen Sie es mich gleich beim Namen nennen: Wir gedenken heute des Völ-kermordes an den Armeniern, und wir beraten Anträge. Die abscheulichen und brutalen Ereignisse vor nunmehr 100 Jahren im Osmanischen Reich sind von meinen Vorrednern bereits beleuchtet worden. Nicht übersehen dürfen wir hier im Deutschen Bundestag die unrühmliche Rolle des Deutschen Reichs, das über die Vorgänge bestens informiert war und nichts dagegen unternommen hat. ...

Grundlage jeder Versöhnung ist eine wahrheitsgetreue, kritische Auseinander-setzung mit der jeweils eigenen Geschichte, eine ungeschönte historische Wahr-haftigkeit. Das wissen gerade auch die deutschen Heimatvertriebenen sehr genau. Dazu gehört auch die zutreffende Einordnung der an den Armeniern ver-übten Verbrechen. Dabei geht es beileibe nicht um bloße juristische Kategorisie-rung. Davon zeugt allein schon die intensive Debatte der vergangenen Tage. Es geht um Anerkennung des Leides in seinem vollen Umfang. ...

Ich sage ganz aufrichtig: Eine klare Formulierung halte ich für unerlässlich, und dafür plädiere ich. Ob ein Völkermord als solcher bezeichnet wird oder nicht, macht das Geschehene um nichts besser. Beschönigungen hingegen perpetuieren Unrecht in die Zukunft. ...

Gerade wir Deutschen haben unsere Erfahrungen mit der Aufarbeitung der eige-nen Geschichte gemacht. Vor Jahrzehnten hätte kaum jemand zu hoffen gewagt, dass Deutschland – nach der Schoah und den Verbrechen der Nazis – im Jahre 2015 nicht nur mit seinen Nachbarstaaten, sondern gerade auch mit Israel in enger Freundschaft verbunden sein würde. Wir haben gelernt, dass ein Prozess der Aufarbeitung auch schmerzhafte Erkenntnisse erfordert. Diese auszuhalten, macht aber stärker. Verzögerung wichtiger Aufklärungsarbeit oder gar Schön-färberei begangener Verbrechen hingegen ist sicher nicht der richtige Weg, um mit der eigenen Vergangenheit umzugehen. ...“

schaft Papst Franziskus‘, der im April 2015 in einer gemeinsamen Messe mit armenischen Gläubigen offen vom „ers-ten Völkermord des 20. Jahrhunderts“ gesprochen hatte, haben viele Abgeord-nete ihre Forderung nach einer Anerken-nung und Aufarbeitung des Genozids erneuert. BdV-Präsident Dr. Bernd Fabri-tius etwa argumentierte auch als Abge-ordneter des Deutschen Bundestages, als er die „Verständigung zwischen den beteiligten Völkern“ zum Ziel erklärte. Massive Menschenrechtsverletzungen seien „mit dem trügerischen Ziel eines konfliktfreien, ethnisch homogenen Staates“ gerechtfertigt worden. Diese müssten nun „wahrheitsgemäß aufgear-beitet und thematisiert werden“. Vor dem Hintergrund der deutschen Geschichte machte Fabritius deutlich, welche Chance sich der modernen Tür-kei damit biete: „Ein Staat, der auch zu den dunkelsten Seiten der eigenen Geschichte steht, zeigt Stärke und wah-re Souveränität. Ob 100 Jahre nach dem Völkermord an den Armeniern oder 70 Jahre nach der Vertreibung von rund 15 Millionen Deutschen aus ihren ange-stammten Heimat- und Siedlungsgebie-ten: Vergangenes, bis heute wirkendes Unrecht muss beim Namen genannt werden, um die noch immer bestehen-den Wunden zu heilen.“ Nur so lasse sich erfolgreich die Zukunft gestalten. Daher habe der BdV mit seinem diesjäh-rigen Leitwort „Vertreibungen sind Unrecht – gestern wie heute“ erneut sei-nen jahrzehntelangen Einsatz für die Einhaltung sämtlicher Menschenrechte und gegen Vertreibungen weltweit bekräftigt.

„Ungeschönte Wahrhaftigkeit“

Um die Möglichkeiten auszuloten, wie der Aufarbeitungsprozess und damit die Aussöhnung zwischen Armenien und der Türkei vorankommen kann, traf sich Dr. Fabritius zu einem Gespräch mit dem Geschäftsträger der armenischen Botschaft in Deutschland, Botschaftsrat Ashot Smbatyan. Hier betonte der BdV-Präsident nochmals: „Grundlage jeder Versöhnung ist – das wissen gerade auch wir deutschen Heimatvertriebene sehr genau – eine wahrheitsgetreue, kritische Auseinandersetzung mit der jeweils eige-nen Geschichte, eine ungeschönte histo-rische Wahrhaftigkeit!“ Dem pflichtete

Smbatyan bei und erklärte: „Nur die Anerkennung des Unrechts kann zu einer weiteren Versöhnung beitragen.“

Erika Steinbach MdB, Vorsitzende der Stiftung Zentrum gegen Vertreibungen (ZgV), verwies darauf, dass die damals verübten Grausamkeiten lange bekannt seien. Schon Franz Werfel habe mit sei-nem Roman „Die vierzig Tage des Musa Dagh“ dem Schicksal der Armenier ein-drucksvoll ein Denkmal gesetzt. Auch deshalb habe das ZgV seinen Menschen-rechtspreis nach dem Schriftsteller benannt und den ersten „Franz-Werfel-Menschenrechtspreis“ 2003 Dr. Mihran Dabag für dessen Arbeiten zur Genozid-forschung und zur Geschichte der Arme-nierverfolgung verliehen. Ebenfalls mit dem Blick auf die eigene deutsche Ver-gangenheit erklärte sie es zur „Pflicht, dafür einzutreten, dass solche Ereignisse stets von der Völkergemeinschaft verur-teilt und wirksam verhindert werden.“ Keinesfalls dürften die Opfer dieses trau-matischen Genozids in Vergessenheit geraten. Es sei nun „endlich an der Zeit,

die Zurückhaltung aufzugeben und den Völkermord an den Armeniern auch offi-ziell anzuerkennen und als solchen zu benennen. Die deutsche Menschen-rechtspolitik steht ansonsten auf dem Spiel“, so Steinbach eindrücklich.

Im Rahmen der Debatte, die im Deut-schen Bundestag anlässlich des Geden-kens an den Völkermord am 24. April 2015 anberaumt worden war, wieder-holten Bernd Fabritius und Erika Stein-bach ihre Forderungen nach Anerken-nung und Aufarbeitung. Dabei waren sie in guter Gesellschaft: Sämtliche Fraktio-nen hatten im Vorfeld eindeutig formu-lierte Anträge eingebracht; fast alle Red-ner sprachen ausdrücklich von einem Völkermord bzw. einem Genozid. Ein wichtiges Zeichen war auch die Wort-wahl von Bundespräsident Joachim Gauck, der beim Gedenkgottesdienst am Vorabend ebenfalls den Begriff Völ-kermord benutzte. Vielleicht ist damit ein Prozess angestoßen worden, der über Deutschland hinaus zur Verständi-gung beitragen kann. Marc-P. Halatsch

Page 7: DOD 2/2015

Im Gespräch (v.l.n.r.): BdV-Präsident Dr. Bernd Fabritius MdB, Oberbürgermeister Christian Schuchardt und der Präsident des Zentralrates der Juden in Deutschland Dr. Josef Schuster.

Am 13. März 2015 hatte der Würz-burger Oberbürgermeister Christi-an Schuchardt den Kreisverband Unterfranken des Bundes der Ver-triebenen unter dem Leitwort „Nie wieder Krieg und Vertreibung“ zu einem Empfang in den Ratssaal sei-nes Amtssitzes eingeladen. Die Festrede hielt BdV-Präsident Dr. Bernd Fabritius MdB. Unter den zahlreichen Gästen war auch der, wie Fabritius seit November 2014 amtierende Präsident des Zentral-rates der Juden in Deutschland Dr. Josef Schuster.

Schuchardt, der mütterlicherseits aus Ostpreußen stammt, lobte die Ver-

triebenen für ihren „großen Anteil am Wiederaufbau“ Würzburgs und „am Aufschwung des gesamten öffentlichen Lebens“, aber auch für ihre Rolle als Brü-ckenbauer in ihre Heimatgebiete. Ihre Eingliederung in die Nachkriegsgesell-schaft, sei auch durch eigene Anstren-gung zu einer „einzigartigen Erfolgsge-schichte“ geworden. Gerade vor diesem Hintergrund sei es wichtig, auch den heutigen Flüchtlingen ein menschen-würdiges Leben zu ermöglichen. Dies gebiete schon die „Nächstenliebe, die zum Wesenskern des christlichen Abendlandes“ gehöre.

Ähnlich argumentierte BdV-Präsident Fabritius, dem es ein persönliches Anlie-gen war, die Arbeit aller BdV-Mitglieder zu würdigen, die sich vor Ort für die Ein-haltung sämtlicher Menschenrechte und für Verständigung engagieren. Dabei betonte er die Schicksalsverbundenheit, die durch den gewaltsamen Heimatver-lust und das Gefühl, nicht willkommen zu sein, trotz aller Unterschiede in Her-kunft, Sprache und Religion zwischen den deutschen Heimatvertriebenen und den heutigen Flüchtlingen existiert. Aus eigener Erfahrung wisse der BdV, dass

Flüchtlingsschutz „eine gesamtgesell-schaftliche Aufgabe“ ist, „die nur über Dialog, Begegnung und breite Diskussi-on die notwendigen politischen Antwor-ten liefern kann“, so Fabritius. Besonders wichtig sei es, sämtliche Ursachen von Flucht und Vertreibung weltweit zu bekämpfen. Auch „Antisemitismus jegli-cher Couleur darf nie wieder Fluchtbe-wegungen auslösen, nirgendwo auf der Welt und schon gar nicht in Deutsch-land“, erklärte Fabritius mit Blick auf die in Frankreich zu beobachtende Auswan-derung von Juden nach Israel und die deutsche Verantwortung für den Holo-caust.

Im Anschluss an die Reden kam es zu einem Gespräch zwischen dem Präsi-denten des Zentralrates der Juden und dem Präsidenten des Bundes der Vertrie-benen. Dr. Josef Schuster und Dr. Bernd Fabritius freuten sich, einander kennen-zulernen, und zeigten großes Interesse am Arbeitsbereich des jeweils anderen.

Symbolträchtige Begegnung in Würzburg

Beide kommentierten das Gespräch sehr positiv.

Dr. Fabritius sagte dazu: „Ich danke Oberbürgermeister Christian Schuchardt dafür, dass er den Rahmen für diese sym-bolträchtige Begegnung und den ange-nehmen Austausch mit Dr. Schuster geschaffen hat. Ich würde es begrüßen, wenn wir in einen fortwährenden Dia-log miteinander treten könnten.“

Dr. Schuster sprach sich ebenfalls für einen Dialog aus und dankte Dr. Fabriti-us für dessen klares Eintreten gegen Antisemitismus. Es sei zu begrüßen, dass der BdV vor dem Hintergrund der histo-rischen Erfahrung auch die aktuelle Flüchtlingsproblematik in den Blick neh-me. „Auch 70 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs und nach der Shoa müssen Menschen ihre Heimat verlas-sen und vor Krieg und Verfolgung flie-hen. Das dürfen wir nicht einfach hin-nehmen“, sagte der Zentralratspräsident.

M-PH

Fabritius: „Flüchtlingsschutz ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe.“

DOD 02/2015 7Politik

Page 8: DOD 2/2015

Reformkurs bestätigtSudetendeutsche Landsmannschaft: Stark im deutsch-tschechischen Dialog

München. (dod) Der Hohe Beauftrag-te für Bosnien-Herzegowina, der öster-reichische UNO-Diplomat Valentin Inz-ko, wird am Pfingstsamstag, dem 23. Mai 2015, beim Sudetendeutschen Tag in Augsburg mit dem Europäischen Karlspreis der Sudetendeutschen Lands-mannschaft ausgezeichnet.

Der Sprecher der Sudetendeutschen Volksgruppe, Bernd Posselt, nannte Inz-ko einen „überragenden Europäer, der aus eigenem Erleben wie aus der jahr-zehntelangen Tätigkeit als Spitzendiplo-mat weiß, was völkerrechtswidrige Ver-treibung sowie Unterdrückung von Volksgruppen- und Menschenrechten bedeuten.“ Deshalb sei er „ein leiden-schaftlicher Kämpfer für Frieden, Aus-gleich und das Recht auf die Heimat.

Sudetendeutscher Karlspreis für Valentin Inzko

Persönlichkeiten wie er tragen entschei-dend dazu bei, dass das Motto des dies-jahrigen Sudetendeutschen Tages, ‚Men-schenrechte ohne Grenzen‘, Schritt um Schritt verwirklicht wird“, so Posselt. Der Europäische Karlspreis der Sudeten-deutschen wird für Verdienste um eine gerechte Völkerordnung in Mitteleuropa verliehen.

Valentin Inzko gehört der sloweni-schen Volksgruppe in Kärnten an, die er seit 2010 als Vorsitzender des „Rates der Kärntner Slowenen“ auch politisch ver-tritt. Seit 2009 fungiert er als Hoher Repräsentant für Bosnien-Herzegowina, wo er zur Aufrechterhaltung von Frie-den und Sicherheit über sehr weitgehen-de Kompetenzen verfügt, namens der internationalen Gemeinschaft in die Poli-

tik des Landes einzugreifen. Das Vertrei-bungsschicksal kennt er aus der eigenen Familie, aus der Familie seiner Frau und aus seiner derzeitigen Arbeit auf dem Balkan. Der promovierte Dr. iuris und Absolvent der Diplomatischen Akade-mie in Wien übernahm seit den siebziger Jahren weltweit besonders schwierige diplomatische Missionen, so in der Mon-golei, im Bürgerkriegsland Sri Lanka, im Südkaukasus, in Belgrad sowie im Sandžak von Novi Pazar.

Von 1990 bis 1996 war er Kulturrat der Österreichischen Botschaft in Prag und gründete dort 1993 als Direktor das Österreichische Kulturinstitut. Inzko, der auch der erste österreichische Bot-schafter in Bosnien-Herzegowina war, ist Ehrenbürger von Sarajewo.

8 DOD 02/2015Politik

Hessische Staatskanzlei (1)

„Restitution oder gleichwertigen Ent-schädigung“ beziehen. Gefordert wurde die weltweite Durchsetzung aller Men-schen- und Grundrechte, darunter das Recht auf die Heimat sowie das Selbstbe-stimmungsrecht der Völker und Volks-gruppen. Die EU-Grundrechtecharta soll in allen ihren Teilen für alle EU-Mit-gliedsstaaten uneingeschränkt verbind-lich gemacht werden.

Im Text der Satzung heißt es, dass Ver-stöße gegen die Rechte wie Völkermord, Vertreibungen, ethnische Säuberungen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit, menschen- und völkerrechtswidrige Ent-eignungen sowie Diskriminierungen weltweit zu ächten und dort, wo sie erfolgten, auf der Grundlage eines gerechten Ausgleiches zu heilen seien.

Die grenzüberschreitende Zusammen-arbeit und Partnerschaft mit den Tsche-chen wird in der neuen Grundsatzerklä-rung wie auch in der Satzung zum zent-ralen Ziel der sudetendeutschen Arbeit erklärt. Hinzu kommt, dass die Verbre-

Müchen. (dod) Der Sprecher und Bundesvorsitzende der Sudetendeut-schen, Bernd Posselt, hat schon seit Jah-ren einen Reformkurs eingeschlagen. Die Bundesversammlung der Sudeten-deutschen hat bei der diesjährigen Sit-zung im März unter der Leitung ihres Präsidenten Reinfried Vogler den Reformkurs bestätigt und fortgesetzt.

Posselt begrüßte, dass die Delegierten sowohl eine Grundsatzerklärung als auch eine Neuformulierung der Sat-zungsziele verabschiedeten. Der Europa-politiker und oberste Repräsentant der nach dem Zweiten Weltkrieg aus der Tschechoslowakei vertriebenen Sude-tendeutschen und ihrer Nachkommen betonte, dass die getroffenen Maßnah-men die Landsmannschaft zukunftsfest mache und ihre Rolle als Bindeglied im deutsch-tschechischen Dialog stärke.

Bei der Satzungsänderung strichen die Sudetendeutschen sowohl die Satzungs-paragraphen, die sich auf die „Wiederge-winnung der Heimat“ wie auch auf eine

chen an den Sudetendeutschen und die nach dem Zweiten Weltkrieg vom dama-ligen tschechoslowakischen Präsidenten Edvard Beneš gegen die Sudetendeut-schen gerichteten Dekrete kritisiert wer-den und die Heilung allen Unrechts gefordert wird.

Die Landsmannschaft thematisierte auch die eigene „Mitverantwortung“ der Volksgruppe „für die Verfolgung und Ermordung von Sudetendeutschen und Tschechen, die dem nationalsozialisti-schen Regime missliebig waren, sowie für den Holocaust an den Juden in Böh-men, Mähren und Sudetenschlesien.“ Die Sudetendeutsche Landsmannschaft will sich dafür einsetzen, die Sudeten-deutsche Volksgruppe „auch in den kommenden Generationen als lebendige und vielfältige Gemeinschaft zu erhal-ten, die sich ihrer historischen sowie kul-turellen Wurzeln bewusst ist und sich aus dieser Verantwortung heraus den aus ihrer Geschichte erwachsenen Auf-gaben stellt.“ D.G.

Page 9: DOD 2/2015

DOD 02/2015 9Politik

Neujahrsgespräch mit Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier diskutierte mit Spitzenvertretern der Verbände

Wiesbaden. (dod) „Die Arbeit und Anliegen der Heimatvertriebenen und Spätaussiedler bleiben weiter Verpflich-tung der Hessischen Landesregierung. Darauf können Sie sich verlassen.“ Diese zentrale Aussage hob Hessens Minister-präsident Volker Bouffier im Rahmen des traditionellen Neujahrsgesprächs mit rund 50 Vertretern und Vertreterinnen des Bundes der Vertriebenen (BdV) und der Landsmannschaften gleich in seinem Eröffnungswort hervor. Im Jahr 1999 begründete Ministerpräsident Roland Koch die Tradition eines jährlich stattfin-denden Neujahrsgesprächs, das nur ein-mal ausfiel – im letzten Frühjahr wegen der arbeitsintensiven Koalitionsverhand-lungen nach der Landtagswahl. Auf die-sen Umstand ging der Ministerpräsident ein, indem er ausführte: „Kein anderes Bundesland hat das, was Hessen hat. Der Koalitionsvertrag spricht sowohl der Landesbeauftragten für Heimatvertriebe-ne und Spätaussiedler wie dem Landes-vertriebenenbeirat eine Bestandsgarantie aus. Auch wenn die Erlebnisgeneration weniger wird, bleiben die Themen wich-tig. Sie müssen weitergegeben werden. Darüber sind wir uns in der neuen Lan-desregierung einig. Und daher war der Ausfall des Neujahrsgesprächs im ver-gangenen Jahr eine Ausnahme.

Hochrangige Besetzung

An dem Gespräch in der Hessischen Staatskanzlei nahmen als weitere Vertre-ter der Landesregierung Kultusminister Prof. Dr. R. Alexander Lorz, der Sprecher der Landesregierung, Staatssekretär Michael Bußer sowie die Landesbeauf-tragte für Heimatvertriebene und Spät-aussiedler, Margarete Ziegler-Raschdorf, teil. Auf Seiten der Landsmannschaften waren u.a. der Landesvorsitzende des BdV Hessen, Siegbert Ortmann, anwe-send, der Präsident der Sudetendeut-

schen Bundesversammlung und gleich-zeitig Vizepräsident des BdV-Bundesver-bandes, Reinfried Vogler sowie für die hessischen Patenlandsmannschaften der Bundesvorsitzende der Landsmann-schaft Weichsel-Warthe, Dr. Martin Sprungala, und der Landesvorsitzende der Deutsch-Baltischen Gesellschaft Hes-sen, Jürgen von Boetticher. Die Lands-mannschaft der Deutschen aus Russland wurde durch den Landesvorsitzenden Johann Thießen und weitere Spitzenver-treterinnen repräsentiert.

Ministerpräsident Bouffier, dessen Mutter eine vertriebene Donauschwä-bin ist, richtete in seiner engagierten Eröffnungsrede den Blick nach Europa: „Es bereitet mir Sorge, dass unsere Bun-deskanzlerin in griechischen oder italie-nischen Zeitungen nur noch mit einem schwarzen Oberlippenbärtchen gezeigt

wird. Auf der anderen Seite ist beispiels-weise unser deutsches Verhältnis zum Nachbarland Polen inzwischen so gut, dass wir dafür sehr dankbar sein müssen.

Vertriebene und Aussiedler sind Brückenbauer

Vertriebene und Aussiedler sind Brü-ckenbauer in ihre Herkunftsgebiete, in die Staaten Mittel- und Osteuropas. Sie wirken mit daran, dass Deutschland mit Polen, Tschechien, Ungarn, Rumänien und anderen Ländern heute gut und ver-trauensvoll zusammenarbeitet. Ange-sichts des Krieges in der Ukraine oder der finanziellen Lage in manchen euro-päischen Ländern müssen wir daran arbeiten, dass die gemeinsamen Werte Europas nicht untergehen. Und dafür

Gruppenbild nach dem Neujahrsgespräch in der Hessischen Staatskanzlei: Erste Reihe, von links: DEB-Vorsitzender Georg Stolle, Pfarrer i.R. Karl Kindermann, Landesbeauftragte Margarete Ziegler-Raschdorf, BdV-Landesvorsitzender Siegbert Ortmann, Kultusminister Prof. Dr. R. Alexander Lorz, Mitarbeiterin Vorzimmer LBHS Jelena Paukson (sitzend), Minis-terpräsident Volker Bouffier, Praktikantin im Büro der LBHS Julia Schwenk, Hans-Jürgen Irmer MdL.

Page 10: DOD 2/2015

10 DOD 02/2015Politik

brauchen wir die Länder in Mittel- und Osteuropa.“ Bouffier hob den 2014 erst-malig durchgeführten „Landesgedenktag für die Opfer von Flucht, Vertreibung und Deportation“ hervor, der nun jähr-lich mit dem „Tag der Heimat“ des BdV Hessen am zweiten Septembersonntag begangen werde. Er lud zudem bereits ein, am 30. Mai beim „Tag der Vertriebe-nen“ im Rahmen des Hessentages in Hofgeismar teilzunehmen. Abschließend dankte der Ministerpräsident den Anwe-senden für ihre ehrenamtliche Arbeit und das Vertrauensverhältnis zwischen Land und Verbänden.

„Bringen uns auch künftig in Hessen ein“

Der BdV-Landesvorsitzende Siegbert Ortmann sprach im Anschluss ein Gruß-wort und führte danach durch die aus-führliche Diskussionsrunde. Im Namen aller Mitgliedsverbände dankte er dem Ministerpräsidenten für die Einladung zum traditionellen Gedankenaustausch und die verlässliche Förderung seitens der Landesregierung: „Wir Vertriebenen und Aussiedler sehen in der Einladung eine Hervorhebung als gesellschaftliche Gruppe, als besonderer Gesprächspart-ner der Landesregierung. Wir bringen uns auch künftig in Hessen ein, zum Bei-spiel in die aktuelle Diskussion der Flüchtlinge und Hilfesuchenden, die in unser Land kommen. Wir kennen diese Not aus eigener Erfahrung und wollen uns vor diesem Hintergrund gemeinsam dafür einsetzen, damit diese Menschen hier willkommen sind.“

Gemeinsam Herkunftsgebiete besuchen

Ortmann dankte der Landesregierung für die weitere verlässliche ideelle und finanzielle Unterstützung der ehrenamt-lichen Verbands- und Kulturarbeit. Fer-ner lud er den Ministerpräsidenten und die Mitglieder der Landesregierung ein, gemeinsam mit Vertretern des BdV und der Landsmannschaften Reisen in die Herkunftsgebiete der Heimatvertriebe-nen und Aussiedler zu unternehmen. Alternativ sei die Einbindung von BdV-Vertretern bei Reisen von Vertretern der Landesregierung denkbar, so wie Bayern dies bereits pflege. Damit würden nach

Vandenhoeck & Ruprecht (1)

seiner Erfahrung wichtige Signale für die grenzüberschreitende Zusammenarbeit mit den verschiedenen Regionen bzw. Staaten gesetzt.

65. Jahrestag des Wiesbadener Abkommens

Diesen Gedanken griff im weiteren Gespräch der Vorsitzende des Deutsch-Europäischen Bildungswerkes e.V. (DEB), Bürgermeister a.D. Georg Stolle, auf. Stolle lud den Ministerpräsidenten und die Mitarbeiter der Landesministeri-en ein, an den Bildungsreisen des DEB in die Staaten nach Mittel- und Osteuro-pa teilzunehmen. Als „Bildungsarbeit leistende Tochter“ des BdV Hessen orga-nisiere das DEB jedes Jahr verschiedene mehrtägige Reisen. 2015 gehe es unter anderem nach Rumänien und ins Balti-kum. Dabei greife man zum Beispiel die Thematik des anstehenden Jubiläums zwischen dem Land Hessen als Paten und der Deutsch-Baltischen Gesellschaft auf.

Der Präsident der Sudetendeutschen Bundesversammlung, Reinfried Vogler, wies darauf hin, dass in diesem Jahr für die Sudetendeutsche Landsmannschaft mit dem 65. Jahrestag des Wiesbadener Abkommens von 1950 ein kleines Jubi-läum bevorstehe. Dieses wolle man zusammen mit der Landesregierung und Vertretern der tschechischen Regierung im Rahmen eines Festaktes in der Lan-deshauptstadt würdigen.

Der stellvertretende BdV-Landesvorsit-zende Manfred Hüber erinnerte an die Diskussion aus den Vorjahren zum Stand der besseren Einbindung der Themen Flucht, Vertreibung und Spätaussiedlung in hessischen Schulbüchern.

Flucht und Vertreibung in die Schulen

Kultusminister Prof. Dr. R. Alexander Lorz betonte in seiner Erwiderung dazu, dass es ihm wichtig sei, die Themen Flucht und Vertreibung in der Schule zu vermitteln. Bei den Schulbüchern könne er versichern, dass die bisherigen schrift-lichen Eingaben seitens des BdV an die Schulbuchverlage weitergegeben und mit diesen besprochen worden seien. Wenn die Zeitzeugen als Betroffene nicht mit den Texten einverstanden sei-

en, könne das schließlich nicht unbe-rücksichtigt bleiben. Sein Haus sei dabei, einen Termin mit einigen Vertretern des BdV bzw. des Pädagogischen Arbeits-kreises Mittel- und Osteuropa (PAMO) zu koordinieren, um ein weitergehendes Gespräch zu führen. Es bleibe aber auch künftig bei der Schwierigkeit, dass eine Landesregierung einem Schulbuchverlag keine Vorschriften über konkrete Dar-stellungen einzelner Themen machen könne. Er wolle jedoch gerne die Hin-weise des BdV aufnehmen, wenn dieser Vorschläge für aus seiner Sicht geeignete Schulbücher mache.

Digitalisierung von Unter-richtsmaterialien vorantreiben

Landesbeauftragte Margarete Ziegler-Raschdorf stellte in diesem Zusammen-hang fest, dass sie die Digitalisierung von geeigneten Unterrichtsmaterialien zur Belebung des Geschichtsunterrichts für außerordentlich wichtig und für eine dringend zu bearbeitende Aufgabe halte. Insbesondere junge Menschen seien damit viel eher zu erreichen. Ziel müsse es sein, den Schulen schnell verfügbares, verständliches und nicht zu umfangrei-ches Unterrichtsmaterial zu Flucht und Vertreibung von Deutschen nach dem II. Weltkrieg bereit zu stellen. Aus diesem Grund werde sie in Kürze ein Gespräch mit Kultusminister Lorz führen, um neue Ansätze zu besprechen. Zudem solle die Einbindung von Vertriebenen als Zeitzeugen an Schulen stärker bewor-ben werden. Ministerpräsident Bouffier bekräftigte diesen Gedanken und bot an, in Zusammenarbeit mit dem Sozial- und dem Kultusministerium noch im Jahr 2015 ein bereits vorliegendes Verzeich-nis des BdV aufzugreifen und in Hessen in geeigneter Form zur Verfügung zu stellen.

Zum Ende des Neujahrsgespräches rie-fen Ministerpräsident Bouffier und Lan-desbeauftragte Ziegler-Raschdorf dazu auf, Werbung für den diesjährigen drit-ten Hessischen Preis „Flucht, Vertrei-bung, Eingliederung“ zu machen. Ein-sendeschluss sei der 15. März. Die Preis-verleihung werde im Rahmen des Hes-sentages am 30. Mai 2015 in Hofgeismar stattfinden. Alle notwendigen Unterla-gen finden sich unter www.Vertriebe-nenbeauftragte.Hessen.de/Landespreis.

Page 11: DOD 2/2015

DOD 02/2015 11Politik

„Stasi-Entführungen in erster Linie Machtdemonstrationen“400 Menschenraub-Aktionen im Kalten Krieg zwischen Ost und West

Dr. Susanne Muhle hat die Entfüh-rungen von West-Berlinern und Bundesbürgern durch die Stasi untersucht und dazu die Monogra-phie „Auftrag: Menschenraub. Ent-führungen von West-Berlinern und Bundesbürgern durch das Ministe-rium für Staatssicherheit der DDR. Analysen und Dokumente“ veröf-fentlicht. Sie ist seit Januar 2013 wissenschaftliche Mitarbeiterin der Stiftung Berliner Mauer. Karl Wil-helm Fricke gehörte zu den Entfüh-rungsopfern, die vom Ministerium für Staatssicherheit (MfS) gewalt-sam in die DDR entführt wurden.Später war Fricke Leiter der Ost-West-Abteilung und stellvertreten-der Chefredakteur des Deutsch-landfunks. Bernd Kallina, Rund-funkredakteur und Publizist sprach für den Deutschen Ostdienst mit der Wissenschaftlerin und dem Betroffenen.

Entführungen und Menschenraub-Aktionen in Zeiten des Ost-West-Kon-flikts, geplant und durchgeführt von der DDR-Staatssicherheit. Frau Muh-le, was hat Sie als junge Frau an die-sem trüben Thema so gereizt, dass Sie sich wissenschaftlich damit auseinan-dergesetzt haben?

Muhle: Mit dem Thema bin ich bei einem Vortrag über den von der SED geführten DDR-Geheimdienst in meiner Schule in Berührung gekommen. Das war Ende der 1990er Jahre und für mich das erste Mal, dass ich auf das Wirken der „Stasi“ aufmerksam wurde. Ich bin nämlich fernab der innerdeutschen Grenze in der Nähe von Bremen aufge-wachsen. Während meines Studiums der Geschichte habe ich dann ein Prakti-kum beim Bundesbeauftragten für die Stasi-Unterlagen (BSTU) gemacht. Dabei

bekam ich den IM-Vorgang „Donner“ auf den Tisch, der an mehreren Entfüh-rungen beteiligt war. Das machte mich sehr hellhörig, weil ich speziell von Stasi-Entführungen noch nichts wusste. Als ich dann etwas tiefer in die Materie ein-gestiegen bin, entdeckte ich, dass es außer den Studien von Herrn Fricke gar nicht allzu viel Forschung auf diesem Gebiet gibt.

Herr Fricke, wie erklären Sie sich die-se Forschungslücken bei den Men-schenraub- und Entführungsaktionen der Stasi? Das waren doch Aufsehen erregende Skandale. Hat das im Wes-ten denn niemanden, oder sagen wir, nur sehr wenige wie Sie, interessiert?

Fricke: Die meisten Menschenraubaktio-nen der DDR-Staatssicherheit haben in den 1950er Jahren stattgefunden. Sie fanden vor allem in West-Berlin in Presse und Rundfunk durchaus ihren Nieder-schlag. Ich erinnere an das Aufsehen, das die Entführung des Journalisten Alf-red Weiland am 11. November 1950 ausgelöst hat. Mehr noch die brutale Verschleppung des Rechtsanwalts Dr. Walter Linse am 8. Juli 1952, der an hell-lichtem Tage niedergeschlagen, ver-schleppt und später in Moskau erschos-sen wurde, oder auch des vormaligen Volkspolizei-Generals Robert Bialek am 4. Februar 1956, der nach seiner Ver-schleppung in der Haft umgekommen

ist. Auch die Entführung des Gewerk-schaftsjournalisten Heinz Brandt am 16. Juni 1961 hat ungeheures Aufsehen und internationale Proteste ausgelöst. Aber nun zu Ihrer Frage nach den „Lücken“: Wissenschaftlicher Forschung allerdings waren die Entführungen damals schwer zugänglich. Einerseits der prekären Materiallage wegen. Akten-einsicht wurde erst nach der friedlichen Revolution in der DDR möglich. Ande-rerseits war die Thematik in den 1970er und 1980er Jahren aus politischen Grün-den wenig gefragt. Welcher Zeithistori-ker oder DDR-Forscher wollte in Zeiten der relativen Entspannungspolitik nach Abschluss des Grundlagenvertrages zwi-schen den Regierungen in Bonn und Ost-Berlin schon als „Kalter Krieger“ gel-ten? Es ist das Verdienst von Susanne Muhle, sich als Historikerin in ihrer Dis-sertation der Stasi-Menschenraubthema-tik gewidmet zu haben. Sie hat eine umfassende, faktengesättigte Arbeit vor-gelegt. Sie leistet damit einen wesentli-chen Beitrag zur Gewalt- und Täterfor-schung im Kalten Krieg. Sie weist nach,

Susanne Muhle, Auftrag: Men-schenraub, Entführungen von Westberlinern und Bundesbür-gern durch das Ministerium für Staatssicherheit der DDR, 1. Auf-lage 2015, 678 Seiten mit 12 Abb. und 4 Tab. gebunden.

49,99 €

INFO

Page 12: DOD 2/2015

12 DOD 02/2015Politik

Bundesstiftung Aufarbeitung (1)

dass politisch motivierte Entführungen ein Kalkül in der Strategie und Taktik der DDR-Staatssicherheit gewesen sind – ebenso skrupellos wie wohlüberlegt.

Der kommunistische Kampf gegen den Klassenfeind war ja vielfältig. Frau Muhle: Was war das Motiv der SED, auch mit Entführungen und Menschenraub zu arbeiten, und wer musste mit derartigen Anschlägen auf sich rechnen?

Muhle: Die Entführungen waren in ers-ter Linie Machtdemonstrationen. Zwar ging es auch darum, die sogenannten Feinde des Sozialismus – zumindest zeit-weise – außer Gefecht zu setzen, z.B. Mitarbeiter von westlichen Geheim-diensten sowie Mitarbeiter oder Kon-taktpersonen von antikommunistischen Organisationen, die in West-Berlin und/oder in Westdeutschland aktiv waren.

Zu letzteren zählten u.a. die „Kampf-gruppe gegen Unmenschlichkeit“ KGU oder der „Untersuchungsausschuss frei-heitlicher Juristen“ UFJ. Oder Journalis-ten wie Karl Wilhelm Fricke, die das Unrecht und die Krisen der SED-Herr-schaft in der DDR öffentlich machten. Diese Gegner sollten auch strafrechtlich verfolgt werden. Im Verständnis der SED waren das ja alles Agenten und Spione, denn Kritik am Aufbau des Sozialismus. Zu den Entführungsopfern gehörten aber auch Abtrünnige aus den eigenen Reihen, z.B. geflohene MfS-Mitarbeiter, Volkspolizisten oder Parteigenossen, kurzum alle, die in den Augen der SED Verräter waren.

Skizzieren Sie doch einmal so einen typischen Entführungsfall.

Muhle: Wenn Sie auf das Typische ansprechen, dann ist es nicht unbedingt einer, der gewaltsam ablaufen musste. Die Stasi hat in sehr vielen Fällen, also in ca. 2/3 aller Fälle, mit Täuschungsma-növern gearbeitet. Die Betroffenen haben z.B. ein Telegramm bekommen, das sie veranlassen sollte, in die DDR zu fahren. Die Legende lautete z.B., dass ein naher Angehöriger überraschend ins Krankenhaus eingeliefert worden sei. Sobald dann der Irregeführte die Grenze zur DDR überschritten hatte, wurde er von Sicherheitskräften festgenommen. Oder, bei einer anderen Entführungsme-thode lief es so ab, dass gemeinsam in der Kneipe große Mengen Alkohol kon-sumiert und die Zielperson im berausch-ten Zustand über die Grenze gebracht wurde.

Allerdings gab es auch rund 100 Fälle, in denen die Entführung gewaltsam abge-laufen ist. Dabei war typisch, dass die Stasi den Menschenraub sehr lange und ganz akribisch geplant hat und zwar mit Hilfe von IMs.

Sie kundschafteten die Lebensgewohn-heiten der Zielperson umfassend aus und erkundeten die günstigste Möglichkeit, wie das Verbrechen am besten gelingen könne. Auf dieser Basis haben dann der Führungsoffizier des IM und die jeweili-ge Diensteinheit einen detaillierten Ent-führungsplan entwickelt. Dem Plan folg-te der Entführungsauftrag, der allerdings immer von ganz oben erteilt wurde.

Herr Fricke, das müsste ja in Ihrem Entführungsfall auch so gewesen sein, oder?

Fricke: Ja! Meine Entführung ereignete sich am 1. April 1955 im damals gespal-tenen Berlin. Zu diesem Zeitpunkt stand Ernst Wollweber an der Spitze der DDR-Staatssicherheit, damals als Staatssekre-tär, der 1955 Ministerrang erhielt. Der zweite Mann in der Spitze der Staatssi-cherheit war Erich Mielke, der im November 1957 zum Minister für Staatssicherheit aufstieg, nach dem Sturz Wollwebers. Mielke blieb Stasi-Chef bis November 1989. In den 50er Jahren war er als Schlüsselfigur im Apparat der Stasi hauptverantwortlich für die Dienst-einheiten der „Abwehr“. In seine Ver-antwortung fielen auch Entführungsakti-onen in West-Berlin und in der Bundes-republik. In meinem Fall ist das konkret beweisbar. Der so genannte Haftbe-schluss, mit dem Stasi-intern „grünes Licht“ für meine Entführung gegeben wurde, trägt die Unterschriften von Hauptmann Alfred Buchholz.

Die hohe Zeit der Entführungen waren die 50er Jahre des vergange-nen Jahrhunderts, in den 60er Jahren nahm das „Stasi-Kidnapping“ quanti-tativ ab, warum?

Muhle: Das hatte mehrere Gründe. Zum einen war ein Methodenwechsel im MfS-Apparat zu verzeichnen, d.h. die Entstalinisierung, die in den 50er Jahren nur sehr zaghaft stattfand, hinterließ – zeitlich verzögert – auch im Ministerium für Staatssicherheit Auswirkungen. Man hat von den massiven und gewaltsamen Methoden etwas Abstand genommen und konzentrierte sich mehr auf die Aus-übung von psychischem Terror. Darüber hinaus hat sich nach dem 13. August 1961 auch die Rolle der Stasi etwas ver-ändert, denn mit dem Mauerbau konnte die SED ja ihre Herrschaft konsolidieren, d.h. die Einmauerung der eigenen Bevöl-kerung stabilisierte die SED-Herrschaft erheblich.

Welche anderen Unterdrückungs-maßnahmen gewannen in dieser Pha-se dann an Gewicht?

Muhle: Um das internationale Bild der DDR positiv zu beeinflussen, hat man in der Tat die gewaltsamen Maßnahmen

Dr. h.c. Karl Wilhelm Fricke und Dr. Susanne Muhle.

Page 13: DOD 2/2015

DOD 02/2015 13Politik

zurückgeschraubt und verstärkt mit sogenannten Zersetzungsaktionen gegen oppositionelle Personen und Gruppen gekämpft.

Herr Fricke, Ihr Entführungsfall fiel ja auch in die Zeit eines gewissen Umbruchs im kommunistischen Ost-block, d.h. die brutalsten Verneh-mungs- und Haftmethoden blieben Ihnen erspart. Dennoch erlebten Sie ja äußerst harte Maßnahmen. Welche setzten Ihnen am meisten zu?

Fricke: Ja, das trifft zu. Während meiner Untersuchungshaft im Zentralen Unter-suchungsgefängnis Berlin-Hohenschön-hausen, die vom 1. April 1955 bis zum 11. Juli 1956 dauerte, dem Termin der Hauptverhandlung vor dem 1. Strafsenat des Obersten DDR-Gerichts. Ich war stets in Isolationshaft. Ohne briefliche oder persönliche Kontakte. Während dieser Zeit fand in Moskau der XX. Par-teitag der KPdSU und in Ost-Berlin die 3. Parteikonferenz der SED statt. Durch ihre Beschlüsse zur „Entstalinisierung“ und zur „Festigung der sozialistischen Gesetzlichkeit“ gerieten Gericht und Staatssicherheit insofern in ein politi-sches Dilemma, als das Gericht nicht mehr fünfzehn Jahre Zuchthaus über mich verhängen konnte, wie nach Aktenlage der Generalstaatsanwalt ursprünglich „angedacht“ hatte, sondern „nur“ vier Jahre. Unter Anrechnung der U-Haft. Das war zwar auch Justizun-recht, aber für mich Glück im Unglück. Das ursprünglich anvisierte Strafmaß hätte ja eine erneute „Verletzung“ der Gesetzlichkeit bedeutet, die zum gege-benen Zeitpunkt politisch nicht oppor-tun schien. Walter Ziegler, seinerzeit Vizepräsident des Obersten DDR-Gerichts, der in meinem Prozess als Vor-sitzender des 1. Strafsenats die Haupt-verhandlung geleitet hatte, hat wenige Tage danach in einem internen Schrei-ben an den Generalstaatsanwalt sogar, wie ich aus den Akten später ersehen habe, die Tag-und-Nacht-Verhöre des Stasi-Untersuchungsführers gerügt. Die Beweiskraft würde dadurch gemindert. Immerhin.

Was zeigt ein Blick auf das Personal, also die Menschen, die an der prakti-schen Umsetzung von Entführungen und Menschenraub beteiligt war. Frau

Muhle, mit welchem Menschentypus hatte man es hier zu tun?

Muhle: Die Stasi hat für diese Aktionen ganz gezielt Menschen aus dem krimi-nellen Milieu in West-Berlin angewor-ben. Also Personen, die nicht davor zurückschreckten körperliche Gewalt anzuwenden, oder sonst schon straffällig geworden waren und die vor allem bereit waren, für Geld alles zu machen. Und das MfS ließ sich Menschenraub etwas kosten und zahlte entsprechende Beträge, teilweise gleich mehrere Tau-send DM pro Entführung.

Hohe Stasikader, wie z.B. Wolf-Nach-folger Werner Großmann, bestritten ja nach der Friedlichen Revolution, dass es „Entführungen, Anschläge oder Morde“ seitens Ihres Geheim-dienstes gegeben habe. Wie wirkt eine derartige Leugnung auf Sie?

Muhle: Da sprechen Sie eine ganz inter-essante Entwicklung an. Während in den 90er Jahren die ehemaligen Stasi-Offiziere es noch völlig abstritten, dass derartig kriminelle Aktionen stattgefun-den hätten, räumen sie es in den letzten Jahren durchaus ein – wenn auch stark relativierend. In dem Buch „100 Fragen an das MfS“ geben die Autoren, ehema-lige Stasi-Offiziere, zwar zu, dass diese Entführungen vorkamen, aber eben nur in ganz wenigen Fällen.

Und die strafrechtliche Aufarbeitung dieser Entführungsverbrechen: Kam es nach 1989 zu gerichtlichen Verfah-ren und auch zu Verurteilungen?

Muhle: Ja, Staatsanwaltschaften haben in den 90er Jahren in 500 Verdachtsfäl-len ermittelt. Das Ergebnis ist allerdings dürftig. Es gab 20 Anklagen gegen 29 Personen, darunter sowohl hauptamtli-che Stasi-Angehörige als auch IMs. Her-aus kamen dabei viele Freisprüche und nur ganz wenige Verurteilungen, die – noch dazu – alle auf Bewährung ausge-setzt waren, niemand von den Ange-klagten landete im Gefängnis.

Eine Frage zu den Quantitäten: Um viele Fälle handelt es sich denn und wie hoch schätzen Sie die Dunkelzif-fer ein?

Muhle: Ich habe 400 Fälle namentlich zusammengetragen. Zwar konnten nicht alle detailliert überprüft werden, weil z.B. zu frühen Fällen aus den beginnen-den 50er Jahren die Unterlagen in der Stasi-Unterlagen-Behörde fehlen, was vermutlich auf eine Beteiligung des sow-jetischen Geheimdienstes hinweist. Zur Dunkelziffer: Ich gehe nicht von einer weit größeren Zahl aus. Die 400 Fälle dürften eine realistische Größe sein.

Frau Dr. Muhle, Herr Dr. Fricke: Vie-len Dank für das Gespräch.

Systematische Diskreditierung – Richtlinie der Stasi über die Zersetzung oppositioneller Gruppen und Personen (Auszüge):

• „Systematische Diskreditierung des öffentlichen Rufes, des Ansehens und des Prestiges auf der Grundlage miteinander verbundener wahrer, überprüf-barer und diskreditierender sowie unwahrer, glaubhafter, nicht widerlegba-rer und damit ebenfalls diskreditierender Angaben;

• Systematische Organisierung beruflicher und gesellschaftlicher und gesell-schaftlicher Misserfolge zur Untergrabung des Selbstvertrauens einzelner Personen;

• Erzeugen von Misstrauen und gegenseitigen Verdächtigungen innerhalb von Gruppen, Gruppierungen und Organisationen;

• Die Verwendung anonymer oder pseudonymer Briefe, Telegramme, Telefon-anrufe usw.; kompromittierender Fotos, zum Beispiel von stattgefundenen oder vorgetäuschten Begegnungen;

• Die gezielte Verbreitung von Gerüchten über bestimmte Personen einer Gruppe, Gruppierung oder Organisation.“

INFO

Page 14: DOD 2/2015

14 DOD 02/2015Politik

Diese positiven Aussagen Steinmeiers, so Dr. Bernd Fabritius, widerspiegelten die beispielgebende Minderheitenpolitik Rumäniens sowie die immer besser gelingende deutsch-rumänische Verstän-digung. Gleichzeitig erzeugten sie aber die berechtigte Erwartung, dass sich nach rumänischem Vorbild auch andere europäische Staaten der Potenziale ihrer Volksgruppen stärker bewusst würden und ihre Minderheitenpolitik im Ein-klang mit den europäischen Richtlinien gestalteten.

„Ausgestreckte Hand“

„Neben den Volksgruppen sind auch die deutschen Heimatvertriebenen und Flüchtlinge bzw. deren Nachkommen, Aussiedler und Spätaussiedler und deren Verbände wichtige Brückenglieder zwi-schen Deutschland und ihren jeweiligen Heimatgebieten. Sie verfolgen seit Jahr-zehnten eine Politik der ausgestreckten Hand und leisten einen wesentlichen Beitrag zur Verständigung“, so Fabritius.

Politik

Privat (1); Göllner (1)

Bundesaußenminister Frank-Wal-ter Steinmeier wurde in Hermann-stadt/Sibiu in Siebenbürgen zum Ehrenbürger ernannt, wo der rumä-nische Staatspräsident Klaus Johannis, Angehöriger der deut-schen Minderheit, bis Ende 2014 Oberbürgermeister war. Zugegen waren auch der Beauftragte der Bundesregierung für Aussiedlerfra-gen und nationale Minderheiten Hartmut Koschyk MdB und BdV-Präsident Dr. Bernd Fabritius MdB, die Bundesaußenminister Stein-meier bei seinem Besuch in Rumä-nien begleiteten.

Steinmeier hob bei der Verleihung der Ehrenbürgerwürde seine Erinnerun-

gen an den Jahreswechsel 2006/2007 hervor, den er in Hermannstadt erlebt hatte. Zu diesem Zeitpunkt wurde Rumänien Mitglied der Europäischen Union und Hermannstadt wurde zeit-gleich europäische Kulturhauptstadt. Die nahe den Südkarpaten gelegene Kreis-stadt Hermannstadt/Sibiu wurde 1150 unter der ungarischen Krone von deut-schen Siedlern gegründet. Sie entwickel-te sich zu einer wichtigen Handelsmet-ropole und wurde zum politischen Zent-rum der sogenannten Siebenbürger Sachsen.

Integration von Minderheiten

In seiner Rede sprach Bundesaußen-minister Steinmeier auch von der „her-ausragenden Bedeutung” der Integration von Minderheiten. „Minderheiten berei-chern die Mehrheit. Sie bereichern mit Ihrer Kultur und Ihren Traditionen die rumänische Gesellschaft“, so Bundesau-ßenminister Steinmeier. Darüber hinaus sei die deutsche Minderheit ein „aktiver Teil des politischen Lebens in Rumäni-

Rumänische Minderhei-tenpolitik beispielgebend Steinmeier würdigt Brückenfunktion

en“. In Rumänien scheine zu funktionie-ren, „was man sich mit Blick auf die internen Konflikte innerhalb vieler ande-rer Gesellschaften wünschen mag“, sag-te Steinmeier.

Am Rande der Reise äußerte sich auch BdV-Präsident Dr. Bernd Fabritius MdB zur rumänischen Minderheitenpolitik.

Zu Recht habe Außenminister Stein-meier im Interview mit dem rumäni-schen Nachrichtenportal „hotnews.ro“ die deutsche Minderheit in Rumänien als „wichtige historische, kulturelle und sprachliche Brücke zwischen unseren beiden Ländern und Gesellschaften“ gewürdigt. Hermannstadt sei „eine feste Brücke zwischen Rumänien und Deutschland“, schrieb er bei seiner Ernennung zum Ehrenbürger, zu der ihm der BdV-Präsident vor Ort persön-lich gratulieren konnte, ins Goldene Buch der Stadt und freute sich, dass die Menschen dort, „ebenso wie die vielen, in Deutschland arbeitenden und leben-den Rumänen helfen das Band zwischen unseren Ländern immer enger zu knüp-fen.“

Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier erhält von der Hermannstädter Bürger-meisterin Astrid Fudor den symbolischen Stadtschlüssel als äußeres Zeichen der Ehrenbür-ger-Würde von Hermannstadt.

Page 15: DOD 2/2015

Porzellan fasziniert immer wieder sowohl die Sammler als auch die Betrachter. Das hat man im Haus Schlesien in Königswinter-Heister-bacherrott – und nicht nur dort – an der guten Besucherresonanz der thematischen Präsentationen schon längst erkannt. Über mehre-re Jahre hinweg hat das Haus in Zusammenarbeit mit verschiede-nen Sammlern – darunter auch mit dem Ehepaar Schmidt-Stein – ver-schiedene schlesische Porzellan-manufakturen vorgestellt. Derzeit steht erneut das „Weiße Gold“ im Mittelpunkt einer Ausstellung, doch diesmal geht es um ausge-wählte Exponate der Stilrichtung Art déco.

Die neue Sonderausstellung mit dem Titel „Als das Moderne modern

wurde“ zeigt eine Vielzahl schlesischen Porzellans aus der Zeit von 1925 bis 1935, die in dieser Fülle bislang noch nicht öffentlich vorgestellt wurde. Die

Exponate stammen aus der umfangrei-chen Sammlung von Margret und Ger-hard Schmidt-Stein aus Wuppertal.

Übrigens: Mit dieser Präsentation setzt Haus Schlesien, die im letzten Jahr initi-ierte Ausstellungsreihe „Von der Erinne-rung geprägt“ fort, die Sammler, ihre Motivation und letztendlich Höhepunk-te ihrer „Schätze“ in den Fokus der Auf-merksamkeit rückt.

Florale Motive, geometrische Formen

Bei Wikipedia ist nachzulesen, dass der Begriff Art déco (kurz für französisch art décoratif „dekorative Kunst“) eine Bewegung in der Designgeschichte von etwa 1920 bis 1940 bezeichnet, die die Formgebung von Gegenständen in allen Lebensbereichen umfasste. Die Stilrich-tung ist durch eine gestalterische Verbin-dung von Eleganz der Form, Kostbarkeit der Materialien, Stärke der Farben und

Sinnlichkeit der Thematik geprägt. Wie der Sammler und Experte Gerhard Schmidt-Stein betonte, ist Art déco weit mehr als die Zeitspanne zwischen den beiden Weltkriegen, die herausragende Objekte hervorgebracht hat. Die Stilrich-tung weist auf ein bestimmtes Lebensge-fühl hin, das in der Zeit der „Goldenen Zwanziger“ prägend war. Wie auch anhand der in Königswinter ausgestell-ten Porzellangegenstände erkennbar, sind für Art déco die stilisierten und flä-chigen Darstellungen floraler und organi-scher Motive sowie geometrischer For-men charakteristisch. Nicht zu überse-hen sind dabei die Dekore, bei denen starke, reine Farben miteinander kont-rastieren. Die typischen Ornamente set-zen sich aus Bögen, Stufen, Winkeln und gezackten Linien zusammen, die durch stilisierte Pflanzenmotive oder figürliche Elemente aufgelockert wer-den. Das Sammlerpaar Schmidt-Stein zeigt eine repräsentative Auswahl von seltenen und alltäglichen, wertvollen

Porzellane der Serie Koralle aus der Krister Manufaktur.

DOD 02/2015 15Kultur

Von Zacken, Stufen und BogenHaus Schlesien zeigt Ausstellung mit Porzellan des Art déco-Stils

Terminhinweis: Am 20. Mai 2015 erläutert der schlesische Porzellansammler und -kenner Gerhard Schmidt-Stein in einem Vortrag die Besonderheit der Stilrichtung Art déco und führt im Anschluss durch die bis zum 7. Juni geöffnete Ausstellung.

HAUS SCHLESIENDollendorfer Str. 41253639 Königswinter+49(0)2244 886 [email protected] bis Freitag 10-17 UhrSamstag, Sonntag und an Feierta-gen 11-18 Uhr

INFO

Page 16: DOD 2/2015

Haus Schlesien – mit Porzellan Art déco gedeckte Kaffeetafel.

16 DOD 02/2015Kultur

und originellen Porzellanen aus ihrer umfangreichen Kollektion. In der Mitte des Raumes steht eine festlich gedeckte Kaffeetafel mit acht Tellern, Tassen und Untertassen sowie Kaffeekanne, Zucker-dose und Milchkännchen aus edlem, weißen Porzellan mit einem bunten Dekorrand. In den vielen beleuchteten Vitrinen sind unzählige Porzellan-Gegen-stände zu sehen, die sowohl für den All-tagsgebrauch gedacht waren, wie auch dekorative Zwecke erfüllten. Bei einem Rundgang ist festzustellen, dass sich die Techniken aus dem Untertitel „Gebogt, gestuft, gezackt“ in der Exponatenviel-falt wiederfinden. So etwa ist in der „Zackenvitrine“ ein ausgefallenes Tee- und Mokkaservice zu bewundern. Gebogt sind verschiedene Vasenmodel-le, während gestuft mehrere Dosen und Konfektschalen sind.

Wie alles begann …

In der aktuellen Sonderausstellung im Haus Schlesien sind die Exponate nicht nur mit Hinweisen zur Herkunft und Datierung versehen, sondern auch durch frühere Werbeanzeigen der jeweiligen Hersteller ergänzt. Beispiele dafür sind die Vasen aus dem Hause Reinhold Schlegelmilch, Tillowitz, sowie die Por-zellane der Serie Koralle und der Serie Kristall aus der C. Krister Porzellanma-nufaktur, Waldenburg. Die Schmidt-Steins hatten eigentlich keine Berüh-rungspunkte mit schlesischem Porzellan,

Göllner (2); BdV-Archiv (2)

bis sie durch ein Erbstück neugierig wur-den. Die gebürtige Rheinländerin und der gebürtige Schlesier entdeckten auf dieser weißen Durchbruchschale einen blauen Rundstempel mit einer verwisch-ten Fabrikmarke. Mit Hilfe des Porzel-lan-Marken-Buches von Poche konnten sie das Objekt der Porzellanfabrik C. Tielsch, Altwasser, um 1860 zuordnen. So wurde die Sammelleidenschaft der beiden geweckt, sie suchten und erwar-ben unzählige Porzellanstücke aus ver-

schiedenen schlesischen Porzellanfabri-ken. Sie hatten sich bisher mit ihren Schätzen an Ausstellungen im Haus Schlesien, im Schlesischen Museum zu Görlitz und im Oberschlesischen Lan-desmuseum Ratingen beteiligt, waren auch in Breslau und Troppau präsent.

Ein Anliegen des Sammlerpaares ist es, nicht nur die Faszination Porzellan mit Ausstellungsbesuchern zu teilen, son-dern auch den beachtlichen Beitrag Schlesiens zur Geschichte der deutschen Porzellanindustrie aufzeigen.

Die Motivation, sich mit der Geschich-te des schlesischen Porzellans intensiv zu befassen, erwuchs für den Sammler aus der Tatsache, dass er in der früheren Fachliteratur Zuordnungsfehler entdeck-te. Das führte dazu, dass er in Bibliothe-ken und Archiven recherchierte und die Ergebnisse seiner Arbeit in einem Buch zusammenfasste. Mit Unterstützung durch die Stiftung Kulturwerk Schlesien wurde im Jahr 1996 die erste umfassen-de Darstellung der schlesischen Porzel-lanmanufakturen und -fabriken veröf-fentlicht. Die reich illustrierte Publikati-on mit dem Titel „Schlesisches Porzellan vor 1945“ dient heute für Porzellan-sammler, aber auch für Museologen, Wirtschafts- und Sozialgeschichtler als praktisches Nachschlagewerk.

Dieter GöllnerDas Sammlerpaar Schmidt-Stein bei der Begutachtung eines Kaffeeservices.

Page 17: DOD 2/2015

DOD 02/2015 17Kultur

Erika Steinbach übergibt Kapellenwagen„Stiftung Flucht, Vertreibung,Versöhnung“ erhält größtes ExponatBerlin. (dod) Am 26. Februar 2015 hat die Vorsitzende der Stiftung Zentrum gegen Vertreibungen (ZgV) Erika Stein-bach MdB mit dem wohl letzten existie-renden „Kapellenwagen“ des „Speckpa-ters“ Werenfried van Straaten ein einzig-artiges zeithistorisches Objekt an die Bundesstiftung „Flucht, Vertreibung, Versöhnung“ (SFVV) übergeben. Der 14 Meter lange, zwei Meter breite, drei Meter hohe und ca. fünf Tonnen schwe-re Kapellenwagen soll ein wesentliches und gleichzeitig das größte Ausstellungs-stück der einzurichtenden Dauerausstel-lung im Berliner Deutschlandhaus wer-den. Andrea Moll, zuständige Ausstel-lungs-Kuratorin, nahm stellvertretend Wagen, Kennzeichen, Schlüssel und Fahrzeugpapiere in Empfang. Ebenfalls anwesend war BdV-Präsident Dr. Bernd Fabritius MdB, den die ZgV-Vorsitzende wegen der engen Zusammenarbeit der Organisationen zur Übergabe hinzuge-beten hatte.

Bei dem Fahrzeug handelt es sich um eine der „mobilen Kapellen“ aus dem Bestand der früheren „Ostpriesterhilfe“, die Pater Werenfried 1947 gründete, um das materielle und seelische Elend der deutschen Heimatvertriebenen lindern zu helfen. Dafür sammelte er bei den Bauern Flanderns Speck und andere Nahrungsmittel, weshalb er landauf landab „Speckpater“ genannt wurde.

Danach ließ er durch sein Hilfswerk „Kirche in Not“ zwischen 1950 und 1970 35 Kapellenwagen bauen, die – zumeist von belgischen Diözesen gestif-tet und unterhalten – zunächst geistli-chen Trost und Lebensmittel zu den hungernden Vertriebenen brachten – ein „Schauspiel christlicher Nächstenliebe“, wie der Kölner Kardinal Frings damals sagte. Später dehnte Pater Werenfried

seine Hilfsmission auf die verfolgte Kir-che im kommunistischen Osteuropa bzw. auf Gläubige in Lateinamerika, Asi-en und Afrika aus. Von der „Kirche in Not“ hatte das ZgV den Kapellenwagen 2007 zur geeigneten Verwendung über-lassen bekommen.

Erika Steinbach erklärte zur Übergabe: „Es ist gut, dass dieser Kapellenwagen, mit dem Seelsorge, aber auch Hilfsgüter zu so vielen Menschen gebracht wur-den, bald derart im Zentrum der öffentli-chen Aufmerksamkeit stehen wird.“ Bernd Fabritius freute sich über die Zukunft des Kapellenwagens als „ein Stück Geschichte zum Sehen und Anfas-sen“. Beide wünschten der Bundesstif-tung, dass diese von den deutschen Hei-matvertriebenen und Flüchtlingen wei-tere Originalexponate zur Dokumentati-on der Geschichte von Flucht und Ver-treibung, aber auch der Heimatgebiete erlangen werde.

Marc-P. Halatsch

V.l.n.r. : BdV-Präsident Dr. Bernd Fabritius MdB, Andrea Moll, Kuratorin der „Stiftung Flucht, Vertreibung,Versöhnung“, Erika Steinbach MdB, Vorsitzende der Stiftung Zentrum gegen Vertreibungen und Sven Oole, Leiter Kommunikation/Stiftungsmanagement, der Stiftung „Flucht, Vertreibung Versöhnung“ vor dem Kapellenwagen (siehe Bild unten).

Page 18: DOD 2/2015

Stralsund. (dod) Der Raumeindruck der westlichen Vorhalle der Stralsunder St. Marienkirche ist stets überwältigend. Jedem Eintretenden zieht es den Blick sofort hoch zu den von großen Fenstern hell erleuchteten gotischen Gewölben, welche die schmale Halle in schwindel-erregender Höhe überspannen. Senkt man den Blick wieder nach unten, so stößt man dort zurzeit auf zu Dreieckste-len zusammengestellte Tafeln, deren blaue Grundfarbe sich von dem warmen Rot der aus dem blassen Putz hervorbre-chenden Backsteine effektvoll abhebt: Die Kulturstiftung der deutschen Vertrie-benen präsentiert in St. Marien im April und Mai 2015 ihre Ausstellung „Back-steinarchitektur im Ostseeraum – Neue Perspektiven der Forschung“. Dass St. Marien, selbst herausragendes Beispiel dieser Architekturform, als erste Station

Backsteinleuchten an der OstseeEine Ausstellung der Kulturstiftung der deutschen Vertriebenen

18 DOD 02/2015Kultur

der 36 großformatigen Tafeln der Aus-stellung gewonnen werden konnte, erscheint als wahrer Glücksfall.

Zeugnisse sakraler und profaner Back-steinarchitektur prägen bis heute die Landschaften der südlichen Ostsee in besonderem Maße – von Lübeck über die mecklenburgische, pommersche, west- und ostpreußische Küste und ihr Hinterland bis weit hinauf ins Baltikum, aber auch in Dänemark und Schweden. Ab der zweiten Hälfte des 12. Jahrhun-derts errichtete man in der Region, der es an geeignetem Naturstein mangelte, monumentale Bauten aus rot bis gelb gebranntem Kunststein und perfektio-nierte diese Technik bei der Errichtung künstlerisch ambitionierter Kathedralen, Kloster-, Stifts- und Pfarrkirchen, aber auch Burgen, Wehranlagen und Bürger-häusern. Man schuf damit eine Traditi-on, die bis ins 19. und 20. Jahrhundert fortdauerte und immer noch nachwirkt.

Die Backsteinlandschaft des südlichen Ostseeraums als hochrangige europäi-scher Kulturlandschaft ist dabei heute keineswegs nur touristischer Anzie-hungspunkt für Besucher aus aller Welt, vielmehr auch wesentlicher Bestandteil der gemeinsamen kulturellen Identität der Bewohner. Spätestens seit der Wen-de von 1989/90 macht ihre wissen-schaftliche Erforschung so auch nicht mehr an den neuzeitlichen nationalen Grenzen halt, sondern erweist sich als ein intensives völkerverbindendes Bemühen von Kunsthistorikern, Baufor-schern und Historikern.

Gerade letzterer Aspekt ist für die Kul-turstiftung der deutschen Vertriebenen, die sich der Pflege und Weiterentwick-lung des Kulturerbes des historischen deutschen Ostens verschrieben hat, wesentlicher Beweggrund für die seit Jahren betriebene Beschäftigung mit die-ser Thematik in Form international besetzter Symposien und entsprechen-der Publikationen. Ergänzt wird dies

Gierlich (3)

nun aktuell durch die Ausstellung, die einen Einblick in die aktuelle Forschung zur Backsteinarchitektur in Deutsch-land, Polen und weiteren Ländern bie-ten soll. Erarbeitet wurde sie unter der wissenschaftlichen Leitung von Prof. Dr. Christofer Herrmann, Danzig, und Prof. Dr. Matthias Müller, Mainz. Neben grundlegenden Informationen zu Tech-nologie wird dabei exemplarisch das ganze Spektrum der sakralen und profa-nen Bauten vorgeführt, werden Fragen der Bauorganisation und -finanzierung sowie der Innenausstattung, nicht zuletzt auch die Problematik der Denk-malpflege bzw. der heutigen kirchlichen, touristischen oder kulturellen Nutzung behandelt.

Bei der Eröffnungsveranstaltung in St. Marien am 10. April gaben der Baufor-scher Dr. Tilo Schöfbeck, Schwerin, und der Kunsthistoriker Prof. Dr. Herrmann Einblicke in ihre aktuelle Arbeit: sie beleuchteten die mittelalterliche Back-steinarchitektur aus gänzlich unter-

Westbau mit Turm der Kirche St. Marien zu Stralsund.

Page 19: DOD 2/2015

Sensburg. (dod) Die diesjährige Tagung der deutschen Vereine im südli-chen Ostpreußen fand am 11. und 12. April in Sensburg/Mragowo statt und wurde von dem stellvertretenden Spre-cher der Landsmannschaft Ostpreußen, Gottfried Hufenbach, geleitet.

Zu Beginn der diesjährigen Veranstal-tung drückte der Sprecher der Lands-mannschaft Ostpreußen (LO), Stephan Grigat, in seinem Grußwort eines der Hauptziele des Vereins aus, nämlich den Erhalt der deutschen Volksgruppe in Ost-preußen, und er betonte, dass in der heutigen geopolitischen Lage die Bewah-rung der Identität eine Garantie für den Zusammenhalt Europas sei.

Der Historiker und Kulturmanager des Instituts für Auslandsbeziehungen (ifa) Ralf Meindl hielt ein Referat über die wirtschaftliche und politische Entwick-lung Ostpreußens in der Zwischenkriegs-zeit. Er schilderte die Probleme der Pro-vinz nach dem Ersten Weltkrieg: Wirt-schafts- und Agrarkrise, Inflation, Zwangsversteigerungen, Mangel an Nahrungsmitteln, Verlust von Absatz-märkten, Verschlechterung der geopoliti-schen Situation, Entstehung des soge-nannten polnischen Korridors. Somit stellte er auch die Umstände der Macht-übernahme der Nationalsozialisten, die unter anderem die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit anboten, sowie den Übergang von der Agrar- zur Industriege-sellschaft dar.

Der nächste Programmpunkt war die Vorstellung der Aufgaben des ifa und dessen Bedeutung für die deutsche Volksgruppe in Polen. In diesem Vortrag präsentierte Meindl die Institution, die eine Körperschaft des öffentlichen Rechts ist, aber vom Auswärtigen Amt finan-ziert wird. Das ifa unterstützt und för-dert die auswärtige Kulturpolitik, den internationalen Kulturaustausch und den internationalen Dialog. Zu seinen Arbeitsbereichen zählen: Kunst und Kul-

Arbeitstagung der deutschen Vereine

tur, Bildung und Erziehung, Wissen-schaft, Information sowie Dokumentati-on. Das Institut ist in Mittel-, Ost- und Südeuropa sowie in Asien und Afrika tätig. Zu den Hauptaktivitäten des ifa gehören: Forschungen zu Kultur in der Außenpolitik, Forschungsbibliothek, Sti-pendien, Informationsveranstaltungen, Beratung des Auswärtigen Amts (AA) und von Nichtregierungsorganisationen (NGO), Kunstförderung (Galerien, Wan-derausstellungen), Entsendeprogramme und Projektförderung. Im Rahmen des Entsendeprogramms wurde auch Meindl als ifa-Kulturmanager zum Ver-band der deutschen Gesellschaften in Ermland und Masuren entsandt. Die Bedeutung des Begriffs „preußische Tragödie“ erklärte der Dokumentarfilm-regisseur Paweł Sieger. Er beschränkte die Definition nicht nur auf Verbrechen und Vertreibungen, sondern bezeichnete die geraubte Identität als Tragödie. Als Zeitrahmen gab er die Jahre 1945 bis 1989 an, weil es erst ab 1990 erlaubt gewesen sei, deutsche Vereine in Polen zu gründen. Nach der emotionalen Rede von Sieger, in der er nach preußischer Identität fragte und sich provozierend an die Tagungsteilnehmer wandte mit dem Vorwurf: „Was habt Ihr gemacht?!“, brach eine lebendige Diskussion aus. Es stellte sich heraus, dass die Identitätsfra-ge immer noch aktuell und der Gesprächsbedarf groß sei.

Abschließend wurde über die Situati-on der deutschen Vereine und der LO im Hinblick auf Struktur und Mitgliederzahl berichtet. Während in den Landesgrup-pen und Kreisgemeinschaften in der Bundesrepublik Deutschland eine zurückgehende Mitgliederzahl festzu-stellen sei, ist dieser Prozess bei den deutschen Vereinen in Ostpreußen nicht gravierend. 2011 vermerkte die Deut-sche Minderheit in Ermland und Masu-ren knapp 8000 Mitglieder.

Edyta Gladkowska

Lebhafte Diskussion in Ostpreußen

DOD 02/2015 19KulturKultur

schiedlichen Winkeln, zum einen anhand von Materialanalysen, zum anderen anhand der Auseinanderset-zung mit den überlieferten Schriftquel-len. Zwar entzauberten sie dabei in der Kunstwissenschaft verbreitete Mythen, wie etwa die des roten Backsteins als eines königlich-imperialen Symbols, doch vertieften sie bei den Zuhörern das Verständnis für die historische Einord-nung der außerordentlichen Bauten, deren besonderer ästhetischer Reiz sich nicht zuletzt dann entfaltet, wenn sie, wie St. Marien bei der Eröffnungsveran-staltung, von der tiefstehenden Sonne angestrahlt wird.

Die Ausstellung wird an weiteren aus-gewählten Orten in Deutschland und in einer polnischsprachigen Version unter dem Titel „Architektura ceglana na pobrżezu Bałtyku – Nowe perspektywy badań“ in Polen präsentiert werden. Nächste Station ist von Anfang Juni bis Ende August 2015 das Kulturzentrum Ostpreußen im Deutschordensschloss des fränkischen Ellingen.

Eine Broschüre mit den Ausstellungs-tafeln zum Preis von 4,80 € sowie ein reich bebilderter Katalog mit acht ergän-zenden Aufsätzen zum Preis von 24,95 € sind an den Ausstellungsorten, im Buch-handel oder direkt über die Kulturstif-tung der deutschen Vertriebenen, Kaiser-straße 113, 53113 Bonn, erhältlich. Weitere Informationen samt Einblicken in die Ausstellung bietet http://kultur-portal-west-ost.eu/kulturstiftung.

Ernst Gierlich

Prof. Dr. Christofer Herrmann, wissen-schaftlicher Leiter der Ausstellung.

Page 20: DOD 2/2015

20 DOD 02/2015Bücher

Dr. Gunnar Pommerening (1)

Kaum ein Deutscher (die wenigen Betroffenen, die noch leben, ausge-nommen), dürfte sich heute an den Untergang der deutschen Provinz Ostpreußen vor 70 Jahren erinnern. Am 13. Januar 1945 begann die Offensive der „Roten Armee“, die bis 25. April, als die letzten Reste der „Wehrmacht“ im Samland aus-geschaltet waren, andauerte. Die Schlacht um Königsberg wurde vom 6. bis 9. April 1945 auf beiden Seiten mit unglaublicher Härte geführt. Als General Otto Lasch die Kapitulationsurkunde unterzeich-net hatte, begann das Martyrium für die noch verbliebene Zivilbevöl-kerung unter sowjetrussischer Besatzung: Sinnlose Erschießun-gen und Folterungen setzten ein, zahllose Frauen wurden Opfer von Massenvergewaltigungen durch Rotarmisten.

Hungersnöte und Krankheiten dezi-mierten die Einwohner derart, dass

von den 110.000, die beim Kriegsende 1945 noch in der Stadt lebten, im Jahr der Ausweisung 1948 nach Restdeutsch-land gerade noch 15.000 überlebt hat-ten. Nachlesen kann man das alles in den Büchern Otto Laschs „So fiel Königs-berg“ (1959), Hans Graf Lehndorffs „Ostpreußisches Tagebuch“ (1961) und Michael Wiecks „Zeugnis vom Unter-gang Königsbergs“ (1989).

Diesem Untergang einer 1255 vom Deutschen Orden gegründeten Stadt hat Freya Klier, die keine Ostpreußin, son-dern Sächsin ist und fünf Jahre nach Kriegsende in Dresden geboren wurde, ihr neuestes Buch gewidmet. Dabei fällt auf, dass sie das, was sie dem Leser erzählen will, nicht 1945 im Kriegschaos enden lässt, sondern die Handlung fort-führt bis in die unmittelbare Gegenwart des Jahres 2014 hinein. So heißt das

abschließende Kapitel dieses Buches denn auch „Hoffen auf Immanuel Kant“, womit auf die unglaublich reichen Kul-turleistungen Ostpreußens verwiesen wird, die ein Geschenk an die ganze Menschheit sind. Freya Klier lässt in die-sem 15. Kapitel noch einmal einige ihrer Zeitzeugen auftreten, deren Leben sie bis in die unmittelbare Gegenwart ver-folgt. Da ist Brigitte Possienke, die als DDR-Lehrerin Russisch unterrichtete und zwischen 2000 und ihrem Todes-jahr 2010 mehrmals ihr Heimatdorf besuchte und die heutigen Bewohner ausfragte, die von der sibirischen Halbin-sel Kamtschatka, von Irkutsk und Omsk, von Archangelsk und Odessa hierherge-kommen waren. Mit wachen Augen bemerkt sie aber auch, wie das Land, das einmal die Kornkammer des Deutschen Reichs gewesen war, zunehmend ver-steppt: „Anfang der 90er-Jahre existier-ten die Kolchosen noch. Nun gibt es die aber nicht mehr. Die Leute haben einer-seits keine Erfahrung mit eigener Land-wirtschaft. Und sie haben andererseits kein Geld, um sich irgendwelche Maschinen, Geräte, Dünger und Saatgut zu kaufen. Dieses Jahrhunderte alte Kul-turland verödet, versteppt. Es ist ein Trauerspiel.“

Die 2014 verstorbene Ostpreußin Kar-la Bowarzyck lebte in Erfurt, ihre in Est-land aufgewachsene Schwester Anne Rekkaro, die 1945 aus Königsberg von einer Estin nach Reval mitgenommen wurde, wodurch sie dem Hungertod entging, versucht seit Jahren verzweifelt gegenüber deutschen Behörden den

Nachweis zu führen, dass sie geborene Deutsche ist, kann aber keinerlei Unter-lagen beibringen. Und da sind noch die beiden Musiker Michael Wieck (1928) und Siegfried Matthus (1934), der eine nach Verfolgung und Lagerhaft am Kon-servatorium in Westberlin ausgebildet, der andere an der „Deutschen Hoch-schule für Musik“ in Ostberlin. Beide knüpfen, unabhängig voneinander, auf musikalischem Wege nach 1989/90 Kontakte in die alte Heimat Ostpreußen.

Das erste Kapitel „Sommer 1944“ die-ses breiten Panoramas über den Unter-gang Ostpreußens wirkt auf den Leser wie eine Idylle! Es war der letzte Som-mer für die dort lebenden Deutschen, bevor die „Rote Armee“ an der Reichs-grenze einen Durchbruch erzielte und in Nemmersdorf am 21. Oktober ein ent-setzliches Massaker an der Zivilbevölke-rung anrichtete. Jetzt begannen die heimlichen Fluchtvorbereitungen, und im Januar 1945 fuhren die ersten Trecks auf dem Landweg oder übers Haff und über die Nehrung westwärts „ins Reich“. Für das, was mit den in Ostpreußen Zurückgebliebenen geschah, hat die Autorin sechs Zeitzeugen gefunden, die damals noch Kinder und Jugendliche waren und die Entsetzliches zu berich-ten hatten: Ihre Leidensgenossen sind zu Hunderten verhungert und erfroren, ihre Mütter und Schwestern wurden Nächte hindurch vergewaltigt.

Freya Klier verfolgt ihre Schicksale auch in den beiden Nachkriegsstaaten, fast alle suchen nach ihren Eltern und werden vorerst in Pflegefamilien unter-gebracht. Erschütternd sind die Szenen zu lesen, wie die jetzt erwachsenen Ost-preußen, schon Jahre vor dem Mauerfall 1989, nach Königsberg und in ihre Hei-matdörfer fahren, um ihre Kindheitserin-nerungen bestätigt zu finden. Das ist ein Buch, das kaum auszuschöpfen ist und mit einem Preis gewürdigt werden sollte! Jörg Bernhard Bilke

Freya Klier „Wir letzten Kinder Ostpreußens. Zeugen einer ver-gessenen Generation“, Herder-Verlag, Freiburg 2014, 448 Seiten,

22.99 €

INFO

Das Wüten der Roten Armee 1945Freya Kliers Buch über den Untergang Königsbergs

Page 21: DOD 2/2015

DOD 02/2015 21Kultur

Gottsucher, Wunderheiler und ProphetWie der Schlesier Joseph Weißenberg Gründer der Johannischen Kirche wurde

Im weitläufigen Park, der sich zwi-schen dem St.-Michaels-Heim im Berliner Grunewald-Viertel und dem Hertha-See erstreckt, verbirgt sich, abgeschirmt von Sträuchern und dicht stehenden Nadelbäumen, eine Gedenkstätte. „Bitte nur zur stillen Andacht betreten“, mahnt eine Inschrift die Besucher. Vor einem gemauerten Rondell steht auf einem Sockel die Büste eines Mannes. Sein markanter Kopf ziert ein stattlicher Schnauzbart, nicht unähnlich dem Antlitz Otto von Bis-marcks. Auf einer großen Steinplat-te, die der Statue vorgelagert ist, sind die Worte eingraviert: „Mein Werk ist umsonst, wenn die Liebe nicht größer würde.“ Sie stammen von Joseph Weißenberg, dem Grün-der der Johannischen Kirche.

Der Mann, den die rund 3000 Mit-glieder der 1926 gegründeten

christlichen Religionsgemeinschaft nicht nur als geistiges Oberhaupt, sondern auch als Prophet und Sozialreformer ver-ehren, war ein gebürtiger Schlesier mit ungewöhnlichem Lebenslauf. Ein eben-so streitbarer wie umstrittener Mann. Ein Suchender, der die Konfessionen wechselte, sich mit kirchlichen Würden-trägern und dem Kaiser anlegte und schließlich eine neue christliche Vereini-gung mit einer eigenen Glaubenslehre ins Leben lief, die 1935 von den Natio-nalsozialisten verboten wurde.

Weißenberg wurde am 24. August 1855 als eines von acht Kindern eines Tagelöhners in Fehebeutel bei Striegau geboren. Nach dem frühen Tod seiner Eltern, die 1866 einer Cholera-Epede-mie zum Opfer fielen, fanden er und sei-ne Geschwister auf dem Gut der Gräfin Leopoldina Seherr-Troß ein neues Zuhause. Dort wurde der Knabe in die Obhut eines Schäfermeisters gegeben,

der ihm Einblicke in die Naturheilkunde vermittelte. Großen Einfluss auf Weißen-berg hatte auch der katholische Ortspfar-rer von Hohenfriedberg, Carl Ferdinand von Richthofen, dem der Junge als Ministrant diente. Nach seiner Arbeit in der Landwirtschaft absolvierte Weißen-berg eine Maurerlehre, leistete seinen Militärdienst bei den Königsgrenadieren in Liegnitz ab und begab sich anschlie-ßend auf die Wanderschaft, auf der der Maurer sich auch in anderen Berufen ausprobierte.

1882 zog Weißenberg nach Berlin, wo er zunächst als Schankwirt arbeitete. 1903 erlebte er nach eigenem Bekunden eine religiös-spirituelle Erweckung. Fort-an fühlte er sich durch Gott berufen, sich kranken, mittellosen und leidenden Menschen helfend zuzuwenden. Er meldete ein Gewerbe als Heilmagnetisi-eur an und betätigte sich hauptberuflich als eine Art Heilpraktiker. Seine Patien-ten – durchschnittlich waren es rund 50 täglich – behandelte er durch Handaufle-gen. Als Hausmittel empfahl er häufig Weisskäse. Er hatte großen Zulauf. Offenbar besaß er die Kraft der Suggesti-on, denn viele der Heilsuchenden bezeugten den Erfolg der Behandlung in Dankesbriefen und mehrten so seinen Ruf als „Wunderheiler“.

„Christliche Vereinigung ernster Forscher“

1907 sammelte Weißenberg Anhän-ger in einer Organisation, die er „Christ-liche Vereinigung ernster Forscher von Diesseits nach Jenseits, wahrer Anhän-ger der christlichen Kirchen“ nannte. Damit wollte er ein Forum zur Wieder-belebung christlicher Werte schaffen. Vor dem Ersten Weltkrieg wurde die Vereinigung für drei Jahre mit einem Ver-sammlungsverbot belegt. Während der Kriegsjahre erhielt er nach kurzer Inhaf-

tierung als Heilpraktiker Berufsverbot. Die Entscheidungen der Verwaltung wurden später von Gerichten wieder aufgehoben.

Als die Waffen schwiegen, widmete sich Weißenberg der Verwirklichung einer Vision: Geprägt von den Eindrü-cken des Krieges und den persönlichen Erfahrungen staatlicher Verfolgung plan-te er die Gründung einer Siedlung mit dem Namen „Stadt des Friedens.“ Viel-leicht verdankte er die Idee seinen sehe-rischen Fähigkeiten, vielleicht auch nur seinem klaren Blick für die wirtschaftli-che Lage nach einem verlorenen Krieg; jedenfalls forderte Weißenberg – die Inflation vorhersagend („Das Geld geht auf Null“) – seine Anhänger auf, ihr Geld in den Erwerb von Grund und Boden eines christlichen Siedlungswerks anzu-legen. Von den Spenden kaufte er den Gasthof Waldfrieden in Blankensee, 30 Kilometer südlich von Berlin, sowie 400 Hektar Ödland in den angrenzenden Glauer Bergen bei Trebbin.

Im Frühjahr 1919 fanden sich erste Freiwillige ein, um das erworbene Gelände zum Bau von Wohnungen und Gemeinschaftseinrichtungen vorzuberei-ten. Ein Jahr später wurde die „Christli-

Joseph Weißenberg.

Page 22: DOD 2/2015

22 DOD 02/2015Kultur

Uwe Lehmann (1); Bauer (1)

che Siedlungsgenossenschaft“ aus der Taufe gehoben. Und im Dezember 1920 konnte diese die Grundsteinlegung für das erste Haus feiern. Als 1922 ange-sichts der Geldentwertung der Aufbau ins Stocken geriet, spendeten zahlreiche Anhänger ihre goldenen Trauringe, um den Fortgang der Arbeiten zu ermögli-chen. Unter Weißenbergs Leitung ent-stand innerhalb von 14 Jahren eine der damals größten und modernsten Privat-siedlungen mit rund 400 Bewohnern. Sie bestand aus mehreren Dutzend Gebäuden, darunter außer Wohnungen auch aus einem Altersheim, einem Heil-institut, einer Schule und einem eigenen Wasserwerk.

Sein Lebenswerk Friedensstadt ver-schaffte Weißenberg und seinen Anhän-gern regen Zulauf. 1925 betrug die Zahl der „Ernsten Forscher“ mehr als 100.000. Die meisten Mitglieder lebten in Berlin. Weitere Gemeinden konzent-rierten sich auf Brandenburg, Sachsen, Pommern und Schlesien. Nachdem Anhängern in mehreren protestanti-schen Gemeinden die Teilnahme am Abendmahl sowie die Amtsübernahme als gewählte Gemeindekirchenräte ver-weigert worden war, trat er im März 1926 bei den Protestanten aus und grün-dete am 15. April desselben Jahres die „Evangelisch-Johannische Kirche nach der Offenbarung St. Johannes.“ Bis zur Machtergreifung der Nazis im Jahr 1933 zählte sie in Deutschland mehr als 300 Gemeinden.

Den braunen Machthabern war der Religionsgründer Weißenberg suspekt. Sie verlangten von ihm, das Alte Testa-ment wegen seines jüdischen Ursprungs aus der kirchlichen Verkündigung zu entfernen. Das lehnte er ab. 1935 wurde die Johannische Kirche als staatsfeindlich eingestuft und verboten. Das Kirchen-vermögen wurde eingezogen und ent-schädigungslos dem Staat übereignet. In die Siedlung Friedensstadt, die in die Zwangsliquidation getrieben worden war, zog ab 1938 die Waffen-SS ein. Die bisherigen Bewohner wurden vertrie-ben. In den letzten Kriegsjahren diente die Siedlung als Außenstelle des Konzen-trationslagers Sachsenhausen. Weißen-berg selbst, der in Briefen an Hitler die Aufhebung des Kirchenverbots gefordert hatte, stellten die Nazis wegen angebli-chen Sittlichkeitsverbrechen vor Gericht. Im August 1935 verurteilte ihn die zwei-te Große Strafkammer des Landgerichts

Berlin zu eineinhalb Jahren Zuchthaus. In einem zweiten Prozess kam noch eine einjährige Freiheitsstrafe wegen ille-galer und staatsfeindlicher Betätigung hinzu. Nach Verbüßung der Strafe wur-de Weißenberg nach Obernigk im Kreis Trebnitz verbannt und unter Gestapo-Aufsicht gestellt. „Man wollte ihn von seinen Anhängern trennen“, sagt Rainer Gerhardt, der Pressesprecher der Johan-nischen Kirche.

Mit 27 Jahren war Weißenberg aus Schlesien weggezogen. Als 83-jähriger Greis kehrte er in seine Heimat zurück. Die war ihm freilich auch in Berlin und Brandenburg präsent. „Er war seiner schlesischen Heimat sehr verbunden“, sagt Rainer Gerhardt. Seine schlesische Mundart habe Weißenberg nie verleug-net.

Die von ihm gegründete Kirche lebte weiter. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde sie durch seine Tochter Frieda Müller, die er bereits 1932 zu seiner Nachfolgerin bestimmt hatte, neu gegründet. Dazu mussten zunächst die siegreichen Alliierten das Kirchenverbot aufheben. Der erste Johannische Gottes-dienst fand am 3. Februar 1946 in Berlin statt. Zu den Gläubigen zählten zahlrei-che Vertriebene aus den ehemals deut-schen Ostgebieten. In die von der SS beschlagnahmte Friedensstadt zog die Rote Armee ein. Die Sowjets weigerten sich, das Gelände freizugeben. Lediglich die Kirche auf dem Waldfrieden-Gelände in Blankensee gaben sie zurück. Bedingt durch den Mauerbau und die deutsche Teilung entwickelten sich Gemeinde-strukturen in Ost und West. In beiden bekam die karitative Arbeit einen hohen

Stellenwert. Zum kirchlichen Zentrum in West-Berlin wurde das St.-Michaels-Heim. Das einstige Palais des Bankiers Franz von Mendelssohn, das der Familie von den Nazis abgepresst und im Krieg stark beschädigt worden war, wurde not-dürftig hergerichtet und zunächst von den britischen Alliierten genutzt.

Mit dem Fall der Mauer und der Wie-dervereinigung wurde die Einheit der Kirche wiederhergestellt. Zu Pfingsten 1990 versammelten sich Gläubige aller Gemeinden in Blankensee zu einem Dankgottesdienst. 1994 erhielt die Johannische Kirche auch die Friedens-stadt zurück. In den inzwischen reno-vierten Häusern leben wieder rund 400 Bewohner, die meisten von ihnen sind Mitglieder der Religionsgemeinschaft. Die wird inzwischen von Josephine Mül-ler, der Enkelin des Gründers, geleitet, hat den Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts und ist Mitglied in der Arbeitsgemeinschaft der Kirchen und Religionsgemeinschaften.

Joseph Weißenberg wurde zunächst in seiner schlesischen Heimat bestattet. 1966 wurden seine sterbliche Überreste in einem Zinksarg von Polen nach Deutschland überführt. Da die DDR sich weigerte, den Transport durch ihr Terri-torium zuzulassen, ging der Weg über die Tschechoslowakei. Seine endgültige Grabstätte hat er in der von ihm erbau-ten Friedensstadt gefunden. Seine pro-phetische Gabe hat er nach Meinung seiner Anhänger ein letztes Mal mit dem Satz unterstrichen: „Ihr werdet meinen Leichnam einmal aus dem Ausland holen.“

Peter Pragal

Die am 6. März 1960 in Berliner St.-Michaels-Heim eingeweihte Gedenkstätte für Joseph Weißenberg.

Page 23: DOD 2/2015

DOD 02/2015 23Kultur

Politische Weiterbildung der Jungen Aktion der Ackermann-Gemeinde

„Plötzlich Flüchtling!“Mit dem brandaktuellen Thema „Flüchtlinge“ setzte sich vom 1. bis 6. April im Kloster Niederaltaich die Junge Aktion der Ackermann-Gemeinde auseinander. Bei der seit vielen Jahrzehnten traditionellen Politischen Weiterbildungswoche standen, so der Untertitel der Ver-anstaltung, „Ursachen und Auswir-kungen von Flucht auf die Gesell-schaften in Mitteleuropa in histori-scher und aktueller Perspektive“ im Fokus.

Insgesamt 33 Jugendliche aus Deutsch-land (6), der Slowakei (9) und Tsche-

chien (18) – dazu mehrere Leitungsper-sonen und Referenten – beschäftigten sich schwerpunktmäßig mit der Thema-tik „Plötzlich Flüchtling“. Doch auch die Mitfeier der Kar- und Ostertage sowie – ein Spezifikum des Klosters Niederal-taich – das Kennenlernen der byzantini-schen Liturgie gehörten zum Programm dieser fünf Tage.

Aber auch allgemeine historische Fak-ten, sozusagen zum Einstieg in die Tagung, wurden erarbeitet: Eckdaten der gemeinsamen Geschichte wie die Schlacht am Weißen Berg im Jahr 1620 während des Dreißigjährigen Krieges und ganz besonders die Ereignisse im 20. Jahrhundert: 1933 NS-Machtergrei-fung, 1938 Münchner Abkommen, 1945/46 Ende des Zweiten Weltkrie-ges, Flucht, Vertreibung, 1968 Prager Frühling, 1989 Fall der Mauer in Deutschland, Samtene Revolution in der Tschechoslowakei. In diesem Zusam-menhang wurden auch die Themen Flucht und Vertreibung der Deutschen ebenso angesprochen wie die Ereignisse im Vorfeld.

Als „eine Herausforderung für alle Generationen“ bezeichnete Martin Pan-ten in seinem Vortrag die Integration der heute in großer Zahl zu uns kommen-den Flüchtlinge. Panten ist im Bayeri-schen Staatsministerium des Innern tag-täglich mit Fragen des Asyls und damit von Flucht und Vertreibung konfrontiert.

Und als stellvertretender Bundesvorsit-zender der Ackermann-Gemeinde wies er auch darauf hin, dass sein Verband bereits in der Agenda 02 vom Herbst 2002 diese Thematik fixiert hat. Den Artikel 16a des Grundgesetzes („Poli-tisch Verfolgte genießen Asyl“) zitierte Panten als Basis der rechtlichen Grundla-gen, er nannte aber auch die Bestim-mungen der Genfer Flüchtlingskonventi-on (28. Juli 1951) und die Europäische Menschenrechtskonvention, wodurch die Aspekte „Asyl“, „Flüchtling“ und „subsidiär Schutzberechtigte“ definiert sind. „Es ist Aufgabe des Aufnahmelan-des, damit umzugehen. Es muss organi-siert und geregelt werden. Sonst funktio-niert die Akzeptanz in der Bevölkerung nicht“, bemerkte Panten. Er ging noch detaillierter auf den Bereich der politi-schen Verfolgung ein, nannte aber auch einen Gesichtspunkt wie die in manchen Ländern praktizierte Blutrache als Aus-schlussgrund, um Asyl zu erhalten. Im Grunde stehe, so der Referent, eine Ver-letzung der Menschenwürde im Zent-rum, weshalb sich der betreffende Mensch dann in einer ausweglosen Situ-ation befindet, die ihn zwingt zu fliehen und in einem anderen Land um Asyl zu bitten. Auch erläuterte Panten die Unter-schiede zwischen Flüchtling und Mig-rant sowie das Asylverfahren von der Antragstellung (Asylsuchender bzw. -bewerber) bis hin zur Anerkennung (Flüchtling) oder auch Ablehnung, was dann die Abschiebung ins Herkunftsland nach sich zieht. Im Jahr 2015 werden deutschlandweit ca. 300.000 Neuanträ-ge erwartet, was auch bedeutet, dass die Städte und Gemeinden aufgrund der oft lang dauernden Bearbeitungen weiter-hin mit vielen Flüchtlingen zu tun haben werden. Die Anerkennungsquote lag im Jahr 2014 bei 31,5 Prozent, im Januar 2015 bei 45,1 Prozent. Die Liste der Herkunftsländer führt Syrien an. „Deutschland nimmt in Europa etwa ein Drittel der Flüchtlinge auf“, fasste Pan-ten seine Ausführungen zusammen. Und mit dem Vergleich zu Tschechien (0,2 Prozent) und der Slowakei (0,1 Pro-

zent) sowie der Bemerkung „Die Vertei-lung sollte diskutiert werden“ schloss er seinen Vortrag.

Auch der Bundesgeschäftsführer der Ackermann-Gemeinde Matthias Dörr stattete der Tagung einen kurzen Besuch ab. „Ich bin froh, dass sich die jungen Leute auch mit den Themen der Acker-mann-Gemeinde beschäftigen“, stellte Dörr fest. Ihm oblag die Aufgabe, die seit Januar neu an der Hauptstelle der Acker-mann-Gemeinde in München tätige Geschäftsführerin der Jungen Aktion und Jugendbildungsreferentin der Acker-mann-Gemeinde Rita Hámorová offiziell vorzustellen. Auch wies er auf das im August in Budweis stattfindende Bun-destreffen der Ackermann-Gemeinde hin. Das Tagungsthema vertieften des Weiteren ein Student aus Syrien, der aus seinen Erfahrungen berichtete. Darüber hinaus wurden in mehreren Stationen – auch unter dem Gesichtspunkt der Spra-chanimation – Phasen des Asylverfah-rens nachgestellt, auch in Form kleiner Rollenspiele. In den kreativen Arbeits-kreisen konnten die Teilnehmer unter anderem eine österliche Bibelgeschichte als kleines Theater einstudieren, eigene Bilder bzw. Porträts sprühen und aus Fotos einen Slowmotion-Film produzie-ren. Markus Bauer

Gespannt lauschen die Jugendlichen dem Vortrag von Martin Panten.

Page 24: DOD 2/2015

24 DOD 02/2015Kultur

Siebenbürgisches Museum Gundelsheim, Renner (1); Beutner (1)

Malerei war für Michael Barner „erste Geige“Das Siebenbürgische Museum Gundelsheim präsentiert seine Werke

burg in Heltau“, 1936, die Aquarellmale-rei „Kirchenburg von Agnetheln“, 1927, sowie die Zeichnung „Wahrsagerin“, 1912. Viele Grafiken und Gemälde spie-geln die Beschäftigung Barners mit den zeitgenössischen Kunstströmungen, die er während seiner Reisen durch Europa kennengelernt hat.

Michael Barner: Daten und Fakten

Der 1881 im siebenbürgischen Agnetheln/Agnita als Sohn einer Hand-werkerfamilie geborene Michael Barner besuchte die ungarische Bürgerschule in Fogarasch/Făgăraș und absolvierte 1900 die staatliche (ungarische) Handelsmit-telschule in Kronstadt/Braşov. 1903/ 1904 war er Student an der Musterzei-chenschule in Budapest. In dieser Zeit lernte er die Künstlerkolonie von Nagy-bánya/Baia Mare und die ungarische Avantgarde kennen. Es folgte eine Bil-dungs- und Studienreise durch Europa. 1907 kehrte er in die Heimat zurück und zeigte seine Arbeiten im Rahmen von Einzelausstellungen in Kronstadt, Hermannstadt/Sibiu und Schäßburg/Sighişoara. Der ruhelose Künstler begab sich 1910/11 erneut auf Wanderung mit dem Ziel Niederlande. Mit seiner zweiten Einzelausstellung in Hermann-stadt schaffte Barner im Jahr 1912 den Durchbruch und trat somit ins Bewusst-sein der kunstinteressierten siebenbürgi-schen Bevölkerungsschichten.

Am Ersten Weltkrieg nahm Michael Barner als Leutnant teil. Der sensible Künstler kam mit den Kriegsereignissen nicht zurecht. Nach einer Gehorsams-verweigerung entging er dem Militärge-richt nur durch eine Einweisung in die Hermannstädter Nervenheilanstalt. Bar-ner starb 1961 als mittelloser Künstler im siebenbürgischen Mediasch/Mediaş.

D.G.

Das Siebenbürgische Museum im Gundelsheimer Schloss Horneck widmet sich der Sicherung, Bewah-rung und Dokumentation des Kul-turgutes der deutschen Ethnien im rumänsichen Siebenbürgen. Neben der Dauerausstellung sind mehr-mals im Jahr thematische Sonder-schauen zu besichtigen. Bis zum 21. Juni 2015 steht „Michael Barner. 1881-1961. Maler, Musiker, Poet“ im Mittelpunkt.

Die groß angelegte Retrospektivschau des aus Agnetheln/Agnita stam-

menden Künstlers wurde in Zusammen-arbeit mit dem Harbachtalmuseum/Muzeul de Istorie Agnita und der Hei-matortsgemeinschaft (HOG) Agnetheln realisiert. Den Veranstaltern geht es um die Wiederentdeckung des gebürtigen Siebenbürger „Multitalents“, das heute zu Unrecht fast in Vergessenheit geraten ist. Der künstlerische Nachlass mit rund 30 Gemälden, 20 Aquarellen und fast 90 Zeichnungen befindet sich im Besitz des Harbachtalmuseums Agnetheln.

Mehr als 200 Gäste ließen es sich nicht nehmen, der Vernissage im Fest-saal auf Schloss Horneck beizuwohnen. Prof. Heinz Acker am Klavier sowie der aus Agnetheln stammende Tenor Dieter Wagner und der „Liederkranz der Sie-benbürger Sachsen“ Heilbronn unter der Leitung von Melitta Wonner brachten Lieder Michael Barners zu Gehör. Auch wenn das Malen im Leben des Künstlers die „erste Geige“ spielte, war die Musik eine seiner weiteren Leidenschaften. Dies wurde erst nach seinem Tod durch eine Hinterlassenschaft von etwa 200 Liedern bekannt. Professor Heinz Acker hat aus dem Nachlass neun Lieder aus-gewählt und bei der Vernissage in der Bearbeitung für Chor oder Solostimme mit Klavierbegleitung erstmalig aufge-führt.

An der Eröffnungsveranstaltung betei-ligten sich u.a. der Kurator des Sieben-bürgischen Museums, Dr. Markus Lörz, die Museumswissenschaftlerin, Vorsit-zende des Museumsvereins und Ausstel-lungskuratorin, Dr. Irmgard Sedler, sowie die Vorsitzende der Heimatortsgemein-schaft (HOG) Agnetheln, Helga Lutsch, und die Leiterin des Harbachtalmuse-ums Agnetheln, Mihaela Nevodar.

Die Projektpartner informierten darü-ber, dass das Gedenken zum 50. Todes-tag Barners im Jahre 2011 den Anstoß gab, diesen vielseitigen Maler, Musiker und Autor verstärkt in den Fokus der Aufmerksamkeit zu rücken. 2013 haben bereits im Harbachtalmuseum Agnetheln und 2014/15 im Hermannstädter Teutsch-Haus Ausstellungen zu Leben und Werk Michael Barners mit Unter-stützung der HOG stattgefunden.

Jetzt zu sehen sind Werke aus den musealen Beständen der Forschungs-partner sowie aus deutschem Privatbe-sitz, die zum Großteil noch nie öffentlich ausgestellt wurden. Zu den repräsentati-ven Arbeiten gehören Ölgemälde wie „Beim Kartoffelhacken“, 1939, „Ansicht von Agnetheln“, 1907, und „Kirchen-

Michael Barner: Kirchenburg in Heltau (1936, Öl auf Leinwand).

Page 25: DOD 2/2015

Die Kirche von Heiligenwalde im nördlichen Ostpreußen.

DOD 02/2015 25Kultur

Heiligenwalde ist ein kleines Dorf etwa 20 Kilometer östlich von Königsberg, dem heutigen Kalinin-grad im nördlichen Ostpreußen. Startet man von Königsberg aus Richtung Osten, so zeigen die Schil-der an der kürzlich verbreiterten Autobahn die Städte Gwardesk (Tapiau), Tschernachowsk (Inster-burg), Riga und Sankt Petersburg an. Aber zunächst geht es links an dem großen „Hotel Baltika“ und rechts an dem neuen Kardio-Center vorbei, wo Operationen am offenen Herzen durchgeführt werden. Und dann erhebt sich auf der rechten Seite die Ordenskirche St. Kathari-na, ein roter Backsteinbau aus dem 14. Jahrhundert, weithin sichtbar über dem Pregeltal. In Arnau, heute Marine, muss man anhalten – um der Kirche willen.

Doch es soll ja nach Heiligenwalde gehen. Die Autobahn, die es in

deutscher Zeit nicht gab – der Linienbus fährt auch jetzt noch wie früher über die Dörfer Arnau, Waldau, Pogauen, Hohen-rade – ist durch den Ausbau 2014/15 zweispurig und ungeheuer breit gewor-den. Sie führt durch das weite Land, an großen Wiesen und Feldern vorbei. Plötzlich tauchen auf der linken Seite Ölpumpen auf, und auf der rechten Seite grüßt von Ferne ein weißer Kirchturm. Dann zeigt ein Schild den Namen „Uschakowo“. So heißt Heiligenwalde heute.

Ordenskirche aus dem 14. Jahrhundert

Der russische Teil Ostpreußens, die Kaliningrader Oblast, war bis 1991 mili-tärisches Sperrgebiet und für Besucher aus dem Westen unzugänglich. Als die

Das Juwel am Pregel – die Kirche von HeiligenwaldeEin Beispiel erfolgreicher grenzüberschreitender Zusammenarbeit

ersten deutschen Heiligenwalder 46 Jah-re nach Kriegsende in ihr Dorf reisen konnten, fanden sie die Dorfanlage, ein Runddorf, unverändert vor, und eine Reihe Häuser aus deutscher Zeit hatten Krieg und Umwälzungen überstanden. Vor allem die Kirche, eine Ordenskirche aus dem 14. Jahrhundert, ein Hallenbau aus Feldsteinen und Ziegelsteinen, mit meterdicken Mauern, mit einem Sternengewölbe im Chorraum und einem hölzernen Tonnengewölbe im Innenraum, war äußerlich fast unver-sehrt. Die dortige Sowchose „Rodniki“ hatte sie, wie die Kirche im benachbar-ten Arnau auch, als Getreidelager genutzt und so den Verfall verhindert. Das Ziegeldach „Mönch und Nonne“ hatte die Jahrhunderte überstanden, aber in die Chorwand im Osten war ein Scheunentor eingesetzt worden, damit Traktoren hineinfahren konnten. Die alten Eingänge im Turm und im „Waffenhaus“ – das ist ein Anbau, in dem bewaffnete Besucher früher ihre Kampfutensilien ablegen mussten, bevor sie das Gotteshaus in friedlicher Absicht

betraten – waren zugemauert. Schadhaf-te Stellen gab es an der Sakristei, aber die Fachwerkwand an der Ostseite des Tur-mes, eine Besonderheit in dieser Ge-gend, war unbeschädigt und begeisterte besonders die russischen Fachleute. Es entstand der Wunsch, die Kirche zu res-taurieren.

Interesse bei den russischen Dorfbewohnern

Bei den russischen Dorfbewohnern war bereits das Interesse an der Kirche erwacht, insbesondere bei Schulleiter Georg Artemjew. Er war Germanist, Deutschlehrer, Dolmetscher, Historiker und wurde die wichtigste Kontaktper-son. Nur durch ihn wurde alles, was fort-an geleistet wurde, ermöglicht. Ihm gelang es 1993, die Kirche auf die Liste denkmalgeschützter Gebäude des Kali-ningrader Gebietes zu setzen. 1993 wur-de in Minden/Westf. der „Verein zur Erhaltung der Kirche von Heiligenwalde e.V.“ gegründet, und ein russischer Part-

Page 26: DOD 2/2015

26 DOD 02/2015Kultur

Privat (1); Digutsch (1)

Wege an und bauten einen Parkplatz. Ein schmiedeeiserner Zaun umgibt das Territorium, und ein Schild verkündet auf Deutsch „Kirche Heiligenwalde“ und in kyrillischen Buchstaben „Heili-genwalde 1344“. Innen wurden Kron-leuchter und Stühle angeschafft, 2012 wurde eine Heizung eingebaut, und 2014 gab es ein großes Fest: „670 Jahre Kirche Heiligenwalde.“

Schwere Rückschläge blieben nicht aus. Der schlimmste Einbruch war der Tod Georg Artemjews im Januar 2006. Mit ihm verloren alle Mitwirkenden die wichtigste Persönlichkeit in Heiligenwal-de. Die erste große Veranstaltung, die in der restaurierten Kirche stattfand, war seine Totenfeier. Das erste Konzert der Kaliningrader Philharmonie im Oktober 2006 galt dem Gedenken Georg Artem-jews.

2010 gab es eine weitreichende Verän-derung: Die Bezirksduma übergab der Russisch-Orthodoxen Kirche (ROK) die Kirche und die Schule von Heiligenwal-de. Was bei der Dorfbevölkerung Freude auslöste, stellte den deutschen Verein vor die Frage, wie es mit der Arbeit an der Kirche weitergehen sollte. Der Ver-ein bat die zuständigen orthodoxen Popen um ein Übereinkommen, nach dem der Verein u.a. ein Mitspracherecht an der Gestaltung der Kirche habe, einen andersgläubigen Gottesdienst durchfüh-ren dürfe, die Öffnung der Kirche für Besucher und kulturelle Veranstaltun-gen, besonders für Kinder, zugesagt

bekomme. Die ROK stimmte den Wün-schen umgehend zu. Man betonte sogar immer wieder, man wünsche ausdrück-lich, dass alle bisherigen Aktivitäten in den übernommenen Kirchen weiterge-führt würden. Auch sei der Kirche an einer Zusammenarbeit mit den deut-schen Initiativen sehr gelegen.

Den deutschen Heiligenwaldern, den Mitgliedern des Vereins, fiel die „Abga-be“ ihrer protestantischen Heimatkirche nicht leicht, aber dann überwog doch die Einsicht, dass die Kirche ein Gottes-haus bleiben und man weiterhin Anteil an ihrer Geschichte nehmen solle.

Die Schule von Heiligenwalde, ein solides Gebäude aus dem Jahre 1936, war in deutscher und mehr noch in rus-sischer Zeit Mittelpunkt des Dorflebens gewesen. Ab 2006 wurde sie nicht mehr als Schule genutzt, aber sie wurde zu einem Jugendzentrum sowie renoviert und neu eingerichtet. 2009 wurde das Jugendzentrum wegen „Finanzkrise“ geschlossen, und es drohte der Verfall des Gebäudes. 2011 renovierte die ROK das Haus von Grund auf und schuf dort eine Einrichtung für betreutes Wohnen. Am 1. Oktober 2011 weihte Bischof Serafim von Kalingrad das „Soziale, Kul-turelle und Geistliche Zentrum“ ein, das unter dem Schutz des Heiligen Uscha-kow, Admiral unter Zarin Katharina der Großen, steht. Die Kirche selbst wird dem Heiligen Nikolaus geweiht, der in der Ordenszeit ihr Schutzpatron war. Damit schließt sich der Kreis.

Drei sakrale Gegenstände erhalten

Drei sakrale Gegenstände hat das unselige 20. Jahrhundert nicht zerstören können: die Sakristeitür aus dem 14. Jahrhundert, den Taufstein, über dem seit der Restaurierung inzwischen über einhundert Kinder getauft worden sind, und ein steinernes Weihwasserbecken. Alle anderen Kunstschätze, die goti-schen Madonnenfiguren, der barocke Beichtstuhl und die Kanzel – alles ist aus-führlich beschrieben in dem Buch „Die Kirchen im Samland“ von Walter Dig-nath und Herbert Ziesmann –, das kunst-volle Gestühl und die hölzerne Empore sind verschollen. Etwas aber ist erhalten geblieben: die Liebe der Dorfbewohner, der deutschen und der russischen, zu ihrer Kirche. Bärbel Beutner

nerverein entstand. Die ersten Reparatu-ren wurden durchgeführt. Das durch einen Sturm beschädigte Schieferdach des Turmes bekam neue Balken und eine Bedachung aus Kupferblech – völlig illegal, denn die Nutzungsrechte waren nicht geklärt. Aber 1994 feierten Deut-sche und Russen das 650. Jubiläum der Kirche und des Dorfes mit großer Medienresonanz.

Doch es dauerte noch zehn Jahre, bis die Nutzungsverhältnisse geklärt waren. Pfingsten 2002 übergab die Sowchose die Kirche gegen eine Ablösesumme an die Administration Neuhausen/Gur-jewsk; Heiligenwalde/Uschakowo gehört zum Gurjewskij Rayon/Bezirk Neuhausen. Georg Artemjew sorgte dafür, dass ein Gymnasium in Gurjewsk die Kirche in sein Schulprogramm und sein Stellenbudget übernahm.

Renovierung in Eigenregie

Nun konnte die Renovierung starten. Baumeister wurde der Starost des Dor-fes, Viktor Staruschkin, ein Mann „mit goldenen Händen“. Er führte alles in Eigenregie durch, unterstützt von den Dorfbewohnern. Die Chorwand wurde restauriert, das Loch des Scheunentors zugemauert mit den Feldsteinen, die hier im Pregeltal als Relikte der Eiszeit überall zu finden sind. 2003 schuf der Baumeister die zuvor mit Brettern zuge-nagelten Fenster neu: auf blauem Unter-grund entstanden goldene Kreuze. Die Metallgitter aus deutscher Zeit wurden gereinigt und wieder eingesetzt. Die zugemauerten Eingänge im Turm und im „Waffenhaus“ wurden geöffnet und erhielten neue Türen. Dabei bildete man die Turmtür der Tür aus deutscher Zeit genau nach und versah sie mit den origi-nalen, alten Eisenbeschlägen. 2004 bau-te das Team eine neue Empore ein, wodurch zwei neue Räume entstanden. 2005 kam eine neue Holztreppe in den Turm und eine weitere Treppe zur Empore hinauf. Die Empore erhielt eine hölzerne Balustrade. Der Fußboden wurde mit Platten belegt, welche die Bankreihen und Gänge aus deutscher Zeit nachzeichnen. Die Sakristei und das „Waffenhaus“ wurden restauriert.

Viktor Staruschkin und seine Leute betätigten sich auch als Landschaftsgärt-ner. Sie planierten das Gelände, legten einen Rasen, Beete und gepflasterte

Innenansicht vor 1945.

Page 27: DOD 2/2015

DOD 02/2015 27Geschichte

Der zweihundertste Geburtstag Otto von Bismarcks ist ein hervor-ragendes Beispiel für die unter-schiedlichen Interpretationen eines herausragenden Politikers. Am 1. April 1815 erblickt er auf dem Schloss Schönhausen in der Alt-mark das Licht der Welt. Die Familie Bismarck zieht bald nach seiner Geburt nach Pommern um, auf Gut Kniephof im pommerschen Nau-gard wächst er auf, macht sein Abi-tur und studiert Jura in Göttingen und Berlin. Nachdem ersten Staats-examen wird er Referendar im preu-ßischen Justiz- und Verwaltungs-dienst, absolviert als Freiwilliger ein Jahr Militärdienst in Potsdam und Greifswald, dann übernimmt er die die väterlichen Güter in Pommern und Sachsen.

Diese Lebenserfahrungen kommen ihm sehr zugute, als er 1847 Abge-

ordneter im Preußischen Landtag und 1851 in die Erste Kammer gewählt wird. Als Abgeordneter mit klaren Positionen und einer der besten Parlamentsredner fällt Bismarck schnell als eines der gro-ßen politischen Talente seiner Zeit auf. Er wird zum Geheimen Legationsrat ernannt und vertritt Preußen am Bun-destag in Frankfurt am Main, später als Gesandter in St. Petersburg und Paris.

Vertrauensverhältnis zu Wilhelm I.

Grundlagen für seinen Erfolg ist das gegenseitige Vertrauensverhältnis, das Bismarck und König Wilhelm I. verbin-det, und die enge Verbindung zu seiner Frau, Johanna von Bismarck, die rück-haltlos Frau, Vertraute und Freundin für ihn ist und die ihrem Mann die Freihei-ten läßt, die er für ein erfolgreiches

Arbeiten braucht. Zehn Jahre nach dem Beginn seiner Parlamentskarriere wird Otto von Bismarck zum preußischen Ministerpräsidenten und zum Minister des Auswärtigen ernannt. Er versteht es, im internationalen Spiel der Mächte ent-schlossen die Chancen zu nutzen und „Friktionen“ zu vermeiden, indem er Eitelkeiten und übertriebene Ansprüche im Zaume hält.

Unterstützt von brillanten deutschen Militärs wie Helmut von Moltke gelingt es im deutsch-dänischen Krieg wie im preußisch-österreichischen Krieg gegen überlegene Gegner zu siegen und im Zuge dieser Siege den Norddeutschen Bund zu gründen und eine Führungsrol-le Preußens im Deutschen Bund zu etab-lieren.

Bismarck will aber den Frieden gewin-nen, nicht nur den Krieg. Er verzichtet unter vollem persönlichem Einsatz auf den vollständigen Sieg gegen Österreich und gewinnt so einen Bundesgenossen für Preußen. Er selbst wird Kanzler des Norddeutschen Bundes (1867-1871).

Als 1869/70 Erbprinz Leopold die Spanische Königskrone angeboten wird, lebt in Frankreich das Trauma des Habs-burgerrings wieder auf. Der Verzicht Leopolds entschärft Situation eigentlich, aber Frankreich setzt nach. Mit der Mis-sion des französischen Botschafters, Graf Benedetti, bei Wilhelm I. droht in Bad Ems ein Affront. Bismarck nutzt die Macht der Presse und provoziert das berechenbare Frankreich mit der Veröf-fentlichung der „Emser Depesche“. Er drängt damit Frankreich wieder in die Rolle des Aggressors. Der folgende Deutsch-französische Krieg wird zum Einigungskatalysator für Deutschland. Durch von Moltkes schnellen Auf-marsch der deutschen Truppen werden um Metz die französischen Truppen ein-geschlossen. Der erneute französische Anmarsch stockt bei Sedan, wo die fran-zösischen Truppen gestellt und zerschla-

gen werden. Auf einer Landstraße vor Sedan kommt es zum historischen Tref-fen Bismarcks mit dem französischen Kaiser Napoleon III. Leider läßt sich aus der Situation kein dauerhafter Frieden herstellen. Die Belagerung und Beschie-ßung von Paris durch preußische und bayerische Truppen mit ihrem Haupt-quartier in der Präfektur von Versailles soll sich als Ausgangspunkt von gegen-seitiger Demütigung und Verbitterung durch zwei Weltkriege erweisen.

„Gott in Demut danken“

Der Sieg über Frankreich ist nach Bis-marck „ein Sieg für den wir Gott in

Konservativer Europäer mit Maß und VerantwortungOtto von Bismarck zum 200. Geburtstag

Ein Beispiel für Interpretation ist sein scheinbar markiges Postkarten-Zitat aus der Reichstagsrede vom 06.02.1888: „Wir Deutschen fürchten Gott, aber sonst nichts auf der Welt“, im Abdruck fehlt in aller Regel der Folgetext „und die Gottesfurcht ist es schon, die uns den Frieden lieben und pflegen lässt.“

Page 28: DOD 2/2015

28 DOD 02/2015Geschichte

Demut danken wollen“. Bismarcks Söh-ne Herbert und Wilhelm sind Freiwilli-ge. Als sie an der Front verwundet wer-den, eilt der besorgte Vater ins Lazarett. Die Übereinkunft mit König Ludwig II. von Bayern, der für die finanzielle Entlas-tung Bayerns Vorbehalte gegen den Reichsverband fallen lässt, ermöglicht am 18. Januar 1871 die Ausrufung des preußischen Königs zum Kaiser und die Gründung des Deutschen Reiches. Wil-helm I. willigt nur zögerlich ein: weiß er doch genau um die Nachteile für Preu-ßen und das preußische Königshaus. Bis-marck wird zum Reichskanzler, er behält seine preußischen Ämter.

Außenpolitisch fördert er die Anerken-nung des Deutschen Reiches, indem er auf weitere Erweiterungen verzichtet. Es ist aber sein Bündnissystem, das ihn zu einer jener „herausragenden, unbestrit-ten wirkmächtigen Persönlichkeiten nicht nur der deutschen, sondern auch der europäischen Geschichte macht“. Das fein austarierte Gleichgewicht der Kräfte in einem sich rasant entwickeln-den Europa sichert für lange Zeit den Frieden.

Agraische Gesellschaft zur Industrienation

Im Inneren schafft Bismarck als kon-servativ denkender Modernisierer den modernen Industriestaat neuester Prä-gung. Unter seiner, Bismarcks, Führung erleben „Wirtschaft, Gesellschaft, und Staat zunächst im Norden, dann auch im Süden Deutschlands einen förmli-chen Modernisierungsschub.“ Die agra-rische Gesellschaft wird zur Industrie-nation, das Bruttosozialprodukt verdrei-facht.

Mit der Reichseinheit erreicht Bis-marck ein wesentliches Ziel der liberalen Bewegung und gewinnt große Teile der Liberalen als verlässlichen Bündnispart-ner. Bismarck dämmt den Einfluss von Kurie, „ultramontanen Katholizismus“ und Zentrum im sogenannten „Kultur-

kampf“ ein, genauso wie die Organisati-onsformen der Internationalen Arbeiter-assoziation und der Zweiten Internatio-nale, die in Deutschland unter der Lei-tung des Marxisten Wilhelm Liebknecht, dem führenden SAP-Reichstagsabgeord-neten, für Bürgerkrieg und Weltrevoluti-on agitieren. Mit dem „Gesetz gegen die gemeingefährlichen Bestrebungen der Sozialdemokratie“, das am 19. Oktober 1878 verabschiedet wird, ist die Agitati-on- und Propagandaarbeit der Revolutio-näre außerhalb des Reichstages und der Landtage verboten. Sozialistische Einzel-abgeordnete sind allerdings zugelassen und bilden in den Parlamenten sozialisti-sche Fraktionen. Gleichzeitig setzt Bis-marck gegen erhebliche Widerstände und trotz schwerer Rückschläge die Sozialgesetze wie Renten-, Unfall und Krankenversicherung durch, „nicht als Almosen, sondern als Recht auf Versor-gung, wo der gute Wille zur Arbeit nicht mehr kann.“ Er ist somit ein weitsichti-ger Staatsmann, dem wir noch heute viel von der Stabilität unseres Gemein-wesens verdanken. Jeder, der in dieses großartige Lebenswerk etwas hineinin-terpretieren will – und seien es Wider-

sprüche – wird Erfolg haben. Ihn zu ver-einnahmen wird trotzdem nur selten gelingen.

Ein hoher Preis

Bismarck zahlt für seine Erfolge einen hohen Preis: er liebt und vermisst das Leben auf seinen Gütern, mit seiner Familie. Bismarck leidet unter Schlaflo-sigkeit, kompensiert seinen Energiebe-darf mit Essen und Trinken. Er sieht sich Angriffen, Unterstellungen, selbst Mord-anschlägen ausgesetzt. Keiner seiner Kri-tiker ist so lange im Amt wie er: Er ist 26 Jahre Ministerpräsident, 17 Jahre Reichs-kanzler. Sein König sagte von ihm, es sei nicht immer leicht gewesen, unter ihm Kaiser zu sein. Er selbst war der Ansicht, Majestät sei schwerer zu überzeugen gewesen als die Franzosen. Kaiser Wil-helm II. sucht diese Vertrautheit nicht. Bismarck übersteht seine Entlassung als Reichskanzler (1890). Der Tod seiner Frau (1894), die er seinen Anker an der guten Seite des Ufers nannte, macht ihn zu einem gebrochenen Mann.

Gunnar Digutsch

Digutsch (1) ); Gierlich (1)

Leitwort 2015Vertreibungen sind Unrecht – gestern wie heute

Gedenkpostkarte zum 80. Geburtstag.

Page 29: DOD 2/2015

DOD 02/2015 29Kultur

Gelungene Versöhnung – 70 Jahre nach der Vertreibung?Podiumsdiskussion auf der Leipziger Buchmesse

Neben dem Europahistoriker Prof. Dr. Frank-Lothar Kroll, Technische Hochschule Chemnitz, beteiligten sich hieran Tereza Vavrová aus Prag, die Leiterin des Vereins „Antikom-plex“, einer Vereinigung junger Tschechinnen und Tschechen, die sich einer vorurteilsfreien Aufarbei-tung der deutsch-tschechischen Vergangenheit widmen. Gleichfalls nahmen teil der Historiker und Direktor des Düsseldorfer Gerhart- Hauptmann-Hauses, Dr. Winfrid Halder, sowie Dr. Jens Baumann, im Sächsischen Staatsministerium des Innern zuständig für die Kulturför-derung der ethnischen und nationa-len Minderheiten, vor allem in den benachbarten Gebieten Polens und Tschechiens.

Die Deutung des Kriegsendes als „Befreiung“, die Bundespräsident

Richard von Weizsäcker in seiner Rede anlässlich des 40. Jahrestages des Kriegs-endes 1985 vorgenommen hatte und die seinerzeit kontrovers diskutiert wur-de, ist heute, so Prof. Kroll, durchweg akzeptiert. Die „Befreiung“ war jedoch, worauf sowohl er selbst als auch Dr. Halder hinwiesen, für die zahlreichen Deutschen östlich der Elbe nur sehr bedingt eine solche, waren mit dem Ein-zug der Roten Armee doch für die Ost-deutschen Flucht und Vertreibung, der Verlust der Heimat verbunden. Für die Mitteldeutschen bedeutete sie sehr schnell die Errichtung der nächsten Dik-tatur. Es erfolgte hier lediglich eine Art Etikettenwechsel und es sollte bis zur Wende von 1989/90 dauern, bis auch sie und ihre Nachbarn in weiten Teilen Europas sich selbst wirklich zu befreien vermochten.

Als Vertreterin einer jungen, nach 1989/90 herangewachsenen Generati-on stimmte Frau Vavrová dieser Ein-

schätzung zu. Dem von ihr repräsentier-ten Verein „Antikomplex“ gehe es dar-um, mit kritischer Reflexion, mit Büchern, Wanderausstellungen und öffentlichen Debatten in der tschechi-schen Gesellschaft fortbestehende Trau-mata zu überwinden, dies vor allem hin-sichtlich der „Sudetendeutschen Frage“. Die Bemühungen, Deutsche und Tsche-chen zu einer ehrlichen und fruchtbaren Diskussion über die gemeinsame Vergan-genheit zu bewegen, zeigten dabei durchaus Erfolge. Man finde immer mehr interessierte junge Leute, die sich unbefangen daran machten, die Geschichte ihrer Heimat zu entdecken. Allerdings gebe es in allen Generationen neben aufgeschlossenen auch alten Denkweisen und Ängsten verhaftete Menschen, und das Thema werde von der Politik bisweilen immer noch sehr stark instrumentalisiert.

Auf die Rolle, welche die bei Kriegsen-de in den früheren Ostgebieten verbliebe-nen Deutschen in Tschechien und Polen im Versöhnungsprozess spielten, ging Dr. Baumann ein. Regelungen, die fortschritt-licher seien, als in manchen Alt-EU-Län-dern, sicherten heute den Minderheiten, etwa der großen deutschen Volksgruppe in Schlesien, eine rege kulturelle Betäti-

gung. Dies trage wesentlich zur Entwick-lung einer neuen, erweiterten Identität der gesamten Bevölkerung bei.

Auf die Frage von Prof. Kroll, wie es sich mit dem in Deutschland gesellschaft-lich und politisch abgesicherten Versöh-nungswerk in den Ländern Ostmitteleu-ropas verhalte, verwies Frau Vavrová dar-auf, dass angesichts der jüngsten Sat-zungsänderung der Sudetendeutschen Landsmannschaft, die auf eine Unterstüt-zung von Bestrebungen zur Rückgewin-nung des Sudetenlands verzichte, den wenig versöhnungsbereiten tschechi-schen Politikern langsam die Argumente ausgingen. Auch Dr. Halder zeigte sich angesichts seiner Erfahrungen mit polni-schen Partnern zuversichtlich, was die Fortschreibung dieses Versöhnungswerks angehe. Günstig hierfür sei auch, dass mit dem Siebenbürger Sachsen Bernd Fabriti-us nun ein Vertreter einer neuen Genera-tion mit einem anderen Erfahrungshori-zont an der Spitze des Bundes der Vertrie-benen stehe. Ein Defizit an Engagement oder auch an Initiative sieht er eher bei den Deutschen als bei den Nachbarn, vor allem bei den jüngeren Deutschen, die es daher vermehrt mit Ostmitteleuropa in Berührung zu bringen gelte.

Ernst Gierlich

V.l.n.r.: Dr. Jens Baumann, Tereza Vavrová, Prof. Dr. Frank-Lothar Kroll, PD Dr. Winfrid Halder.

Page 30: DOD 2/2015

30 DOD 02/2015Kultur

Rettung deutschen Kul-turerbes im Schwerpunkt100 Jahre ritterschaftliches Stiftungswirken

VKS(1); Bundesarchiv, Bild 146-1987-074-16 / CC-BY-SA (1); (1)

Im Juni 2014 konnten die Vereinig-ten Kurländischen Stiftungen bei einem Festakt in Dresden auf ihre 100-jährige Geschichte zurückbli-cken. Gegründet 1914 von Ada Baronin Manteuffel mit dem Auf-trag, ein Witwenstift aufzubauen, haben die veränderten sozialen und politischen Umstände auch die Schwerpunkte der heutigen Stif-tungsarbeit verlagert. Neben der Unterstützung bedürftiger Kurlän-der in aller Welt und der Vergabe von Studienstipendien liegt jetzt der Schwerpunkt der Stiftungsar-beit in der Rettung deutschen Kul-turguts vor dem Verfall.

Insgesamt 21 erfolgreiche Projekte konnten die Stiftungen in den letzten

zehn Jahren in Kurland, dem westlichen Teil Lettlands, zum Abschluss bringen.

2014 galt es, die kleine Landkirche in Hasau/Užava zu sanieren. Für den Direktor des Schlossmuseums Ruhen-thal/Rundāle Dr. Imants Lancmanis nimmt der 1783 im Auftrag von Herzog Peter vollendete Bau einen besonderen, aparten Platz in der Architekturgeschich-te Lettlands ein. Eine große Seltenheit ist die herzogliche Loge gegenüber der Kan-zel. Von höchster Priorität war die

Erneuerung des Dachs, die gerade noch vor dem Wintereinbruch fertiggestellt wurde. Die benötigten Mittel stellte zum größten Teil die deutsche Bundes-regierung zur Verfügung. Die Stiftung übernahm die Restfinanzierung und die Projektorganisation. Das Projektmanage-ment lag in den Händen der Pastorats GmbH, der Immobilienabteilung der Ev.-Lutherischen Kirche Lettlands.

Für 2015 bereitet die Stiftung die Dachsanierung der Kirche in Landsen/Landze vor. Durch die Deckung mit Dachpfannen soll die bestehende Schicht

aus Schindeln vor Wettereinflüssen geschützt werden. Besonders wertvoll sind der Altar und die Kanzel der Kirche, ein Werk des bedeutendsten kurländi-schen Bildhauers Nikolaus Söffrens d. J. Auch hierfür hat die Bundesregierung dankenswerterweise den größten Teil der Finanzierung aus dem Programm Sicherung und Erhaltung von Bau- und Kulturdenkmälern im östlichen Europa zugesagt.

In der Gruft des herzoglichen Schlos-ses in Mitau/Jelgava ruhen die Gebeine der Kurländischen Herzöge in Sarkopha-gen, die sich durch Kriegseinflüsse z. T. noch in einem bedauerlichen Zustand befinden. Für die Restaurierung haben die Kurländischen Stiftungen seit Jahren in ihrem Freundeskreis um Spenden geworben. Auf diese Weise wurden bis-her sechs Sarkophage wiederhergestellt. Im vergangenen Jahr konnte der Sarko-phag der Herzogin Sophie (1582-1610), der Gemahlin von Herzog Wilhelm, den erfahrenen Restaurateuren des Schloss-museums Ruhenthal/Rundāle zur Bear-beitung übergeben werden. 2015 wird Herzogin Sophies Sarkophag wieder in die Fürstengruft überführt werden.

Über die Vereinigten Kurländischen StiftungenDie Vereinigten Kurländischen Stiftungen verdanken ihr Entstehen einer testa-mentarischen Verfügung, die Ada Baronin Manteuffel geb. Gräfin Apraxin im Jahr 1914 zugunsten der Kurländischen Ritterschaft aussprach. Durch die Ein-gliederung der Dondangenschen Stiftung und dank einer Reihe weiterer Zustif-tungen sind die Vereinigten Kurländischen Stiftungen heute in der Lage, bedürf-tige Damen und Herren der Kurländischen Ritterschaft in aller Welt zu unter-stützen sowie zum Erhalt deutschen Kulturguts in Kurland beizutragen. Der Sitz der Stiftung ist in München. Sie wird von vierzehn Stiftungsräten geleitet, die alle ehrenamtlich tätig sind.

INFO

Kirche Hasau/Užava mit neuem Dach.

Page 31: DOD 2/2015

DOD 02/2015 31Kultur

Flossenbürg war die letzte StationZum Tod Dietrich Bonhoeffers am 9. April 1945Im Jahr 1954, als ich 17 Jahre alt und Mitglied der „Evangelischen Jugend“ in meiner Heimatstadt Rodach bei Coburg war, schenkte mir Pfarrer Heinz Prengel, der aus Breslau stammte, das Buch „Wider-stand und Ergebung“ (1951) seines schlesischen Landsmanns Dietrich Bonhoeffer (1906-1945). Dieses schmale Buch mit dem Untertitel „Briefe und Aufzeichnungen aus der Haft“ habe ich damals ver-schlungen, und das dort abgedruck-te Gedicht „Von guten Mächten wunderbar geborgen“ liebte ich ganz besonders; es ist nach dem Krieg von Siegfried Fietz vertont worden.

Der hochbegabte Dietrich Bonhoeffer wuchs in Berlin auf und bestand

1923 mit 17 Jahren das Abitur am Gru-newald-Gymnasium. Als Berufswunsch gab er an, evangelische Theologie studie-ren zu wollen. In den Jahren 1923/27 studierte er zunächst in Tübingen, dann in Rom und zuletzt in Berlin bei dem berühmten Theologen Adolf von Har-nack (1851-1930), dessen Sohn Ernst und dessen Neffen Arvid und Falk später Widerstand gegen die Nationalsozialis-ten leisteten und dafür mit ihrem Leben bezahlen mussten.

Schon 1927, im Alter von 21 Jahren, wurde Dietrich Bonhoeffer mit der Note „summa cum laude“ promoviert, die Dissertation trug den Titel „Sanctorum Communio. Eine Untersuchung zur Soziologie der Kirche“. Das Erste Theo-logische Examen folgte 1928. Danach wurde er als Vikar zur Evangelischen Kirchengemeinde nach Barcelona geschickt. Ein Jahr später schon wurde er Assistent an der Theologischen Fakul-tät der Berliner Universität, wo er 1930 das Zweite Theologische Examen ableg-te und sich mit der Arbeit „Akt und

Sein“ in Systematischer Theologie habili-tieren konnte. Nach einem Jahr im New Yorker Stadtteil Harlem, wo er Pastoral-arbeit leistete und mit den Opfern der Weltwirtschaftskrise konfrontiert wurde, wurde er in Berlin Assistent bei dem

Neutestamentler Wilhelm Lütgert (1867-1938) und hielt im Wintersemes-ter 1931/32 selbst seine erste Vorlesung „Geschichte der Systematischen Theolo-gie im 20. Jahrhundert“. In Berlin-Tier-garten wurde er 1931 zum Pfarrer ordi-niert. In dieser Zeit begann er auch, sich mit dem Nationalsozialismus auseinan-derzusetzen.

Die Freundschaft mit dem Schweizer Theologen Karl Barth (1886-1968), dem Begründer der „dialektischen Theolo-gie“ 1918/32, der seit 1930 in Bonn lehrte, bot ihm dabei unersetzliche Hilfe und seelischen Beistand. Der aus Basel stammende Gelehrte, der 1919 mit der Exegese des Römerbriefs bekannt gewor-den war, wurde 1934 einer der Mitbe-gründer der „Bekennenden Kirche“, verlor deshalb 1935 seinen Bonner Lehr-stuhl und wurde ausgewiesen.

Das Jahr 1933 brachte für Dietrich Bonhoeffer eine tiefe Einschränkung sei-ner seelsorgerischen und theologischen

Möglichkeiten. Sein Radiovortrag „Wandlungen des Führerbegriffs“ (1. Februar 1933) wurde mitten im Text wegen der Kritik am „Führer“ abgebro-chen. In seinem Aufsatz „Die Kirche vor der Judenfrage“ (1933) kritisierte er den staatlich verordneten Antisemitismus, bevor er 1933/35 für anderthalb Jahre nach London ging.

Über seinen Schwager Hans von Dohnanyi (1902-1945), der am Reichs-gericht in Leipzig arbeitete, fand Dietrich Bonhoeffer erste Kontakte zu Wider-standskreisen und lernte Wilhelm Cana-ris (1887-1945) und Ludwig Beck (1880-1944) kennen. Mit Helmuth von Moltke (1909-1945), dem Gründer 1940 des „Kreisauer Kreises“ in Schlesi-en, bereiste er 1940 Norwegen, Schwe-den und die Schweiz. Zur Jahreswende 1942/43 schrieb er den Rechenschafts-bericht „Nach zehn Jahren“, worin er seine Position im Widerstand überprüfte. Am 13. Januar 1943 verlobte er sich mit Maria von Wedemeyer (1924-1977), der Tochter eines ostpreußischen Guts-besitzers. Am 5. April 1943 wurde er verhaftet.

Dietrich Bonhoeffer wurde am 8. Oktober 1944 vom Wehrmachtsgefäng-nis in Berlin-Tegel in den GESTAPO-Kel-ler in der Prinz-Albrecht-Straße verlegt und von dort am 7. Februar ins Konzen-trationslager Buchenwald bei Weimar. Am 5. April 1945 verfügte Adolf Hitler die Hinrichtung der noch lebenden Widerstandskämpfer vom 20. Juli 1944, darunter auch die Dietrich Bonhoeffers. Er traf am 8. April 1945 im Konzentrati-onslager Flossenbürg/Oberpfalz ein, wo er im Morgengrauen des 9. April gehängt wurde. Zwei Wochen später, am 23. April, wurde Flossenbürg von amerikani-schen Truppen eingenommen. Das Todesurteil wurde ein halbes Jahrhun-dert später, am 6. August 1996 vom Landgericht Berlin aufgehoben.

Jörg Bernhard Bilke

Dietrich Bonhoeffer.

Page 32: DOD 2/2015

Görlitz. (dod) Am 16. August 2015 wird um 18 Uhr im Amphitheater der Stadt Oppeln/Opole im Rahmen der Schlesischen Schlagerparade ein Live-Konzert mit Heino stattfinden, der dort auch das „Schlesierlied“ singen wird.

Zu diesem besonderen Ereignis wer-den vom Görlitzer Senfkorn Verlag im Auftrag der Organisatoren Busreisen aus

Live-Konzert mit Heino in Oppeln

Berlin, Dresden, Cottbus und Görlitz angeboten. Eintrittskarten können ab dem 20. Mai 2015 in der Schlesischen Schatztruhe erworben werden. Weitere Informationen bei:

SenfkornReisen, Brüderstraße 13, 02826 Görlitz, Tel. (03581) 40 05 20, [email protected] und www.schle-sien-heute.de

Schlesierlied erklingt in Oberschlesien

32 DOD 02/2015Kultur

Göllner (1)

Riesengebirge, Schlösser, Bergbau„Zeit-Reisen“ in Haus Schlesien in Königswinter-Heisterbacherrott

Freunde des Hauses erkennen sofort, dass neuerdings im Eichen-dorffsaal, aber auch an den Trep-penaufgängen im Museumsfoyer neue Grafiken zu entdecken sind. Es handelt sich um Exponate aus der neuen Sonderschau „Zeit-Rei-sen“, die vom Herder Institut Mar-burg in Kooperation mit dem SMG, dem Kunstforum Ostdeutsche Gale-rie Regensburg und dem Architek-turmuseum aus Breslau erstellt worden ist. Die Gastausstellung wurde über das Deutsche Kulturfo-rum östliches Europa in Potsdam mittlerweile an mehr als 20 Orten, insbesondere in Schlesien – daher die Zweisprachigkeit der Banner – gezeigt. Erstmals macht die Aus-stellung im Westen Deutschlands Station. Zu sehen ist eine Auswahl aus der Graphiksammlung Hasel-bach als hochwertige Faksimiles.

Bei der Vernissage betonte Nicola Remig, die Leiterin des Dokumenta-

tions – und Informationszentrums Haus Schlesien, dass die ausgestellten Ansich-ten ein Idealbild von Schlesien vermit-teln, das Haselbach mit seiner Samm-lung – die der vielseitig interessierte Kos-mopolit vor allem aus den Nachlässen zweier Kunstsammler erwarb – offenbar zu bewahren suchte.

Albrecht Haselbach (1892-1979), Brauereibesitzer in Namslau, erwarb Anfang der 1940er Jahre eine Samm-lung von über 4.000 Kupferstichen, Radierungen, Lithographien, Zeichnun-gen und Aquarellen. Der Sammler, des-sen Vorfahren Mitte des 19. Jahrhun-derts aus dem Harz nach Schlesien über-gesiedelt waren, hat sich als Liebhaber der Kunst und der Wissenschaft für schlesische Altertümer aller Art interes-siert. Die Graphiken waren ihm ein Sym-bol der Heimat, gleichzeitig auch eine

Bestätigung und Demonstration seines gesellschaftlichen Status, gepaart mit einem authentischen Interesse an der Geschichte.

Zu sehen sind romantisierende Natur-darstellungen aus dem Riesengebirge und dem Glatzer Bergland, historische Schlösser – und Stadt-Ansichten sowie im Kontrast dazu Motive aus der Indust-rie und dem Bergbau Oberschlesiens. Regional umfasst die Sammlung fast die

gesamte ehemalige preußische Provinz Schlesien und reicht vom westlichen Niederschlesien über die Landstriche um Oppeln und Oberschlesien bis ins Teschener Land. Zeitlich deckt die Sammlung den Bereich der frühen Neu-zeit bis zum Anfang des 20. Jahrhun-derts ab. Die Wanderausstellung „Zeit-Reisen“ ist im Haus Schlesien Königs-winter-Heisterbacherrott bis zum 9. August 2015 zu besichtigen. D.G.

Schloss Fischbach in Schlesien aus der Graphiksammlung Haselbach.

Page 33: DOD 2/2015

DOD 02/2015 33Nachrichten

Wie lange fährt man von Deutsch-land nach Ostpreußen?Eine Lesereise mit Arno Surminski nach Jokehnen und Polninken

Ratingen. (dod) Im Ober-schlesische Landesmuseum in Ratingen-Hösel tagten Mit-te März 2015 Vorstand und Stiftungsrat. Im Rahmen der jeweiligen konstituierenden Sitzungen wurden die Gremi-en auf vier Jahre berufen. Der XI. Stiftungsrat ist mit zwölf Personen satzungsgemäß komplett. Der Direktor der Stiftung, Dr. Stephan Kaiser, blickt optimis-tisch in die Zukunft: „In den Gremien haben wir sachkun-dige Persönlichkeiten, die uns als kompetente Partner vielfältig unterstützen kön-nen. Ich erwarte darum, dass wir den Stellenwert der Stif-tung und ganz maßgeblich ihres Museums im Dialog für und mit Oberschlesien in der XI. Berufungsperiode bis 2018 weiter steigern.“ Johan-nes Baumann, Christine Cza-

Oberschlesisches Landesmuseum Ratingen: Gremien neu gewählt

ja, Alois Kapinos und Heinz Stronczyk sowie als Vertreter der Fördergeber Dr. Thomas Lindner von der Beauftragten der Bundesregierung für Kul-tur und Medien sowie Johan-nes Lierenfeld aus dem

zuständigen NRW-Ministeri-um gehörten auch schon dem vorherigen Stiftungsrat an. Die neu Berufenen sind der Ratinger Bundestagsabge-ordnete Peter Beyer, der Prä-sident des Rheinischen Spar-kassen- und Giroverbandes, Michael Breuer, der Direktor des Deutschen Bergbaumuse-ums, Prof. Dr. Stefan Brügger-hoff, der NRW-Landesvorsit-

zende der Oberschlesier, Andreas Gundrum, die LVR-Landesrätin für Kultur, Mile-na Karabaic und der NRW-Landtagsabgeordnete Josef Neumann. Das Gremium hat auch den Vorsitz durch Wahl neu bestimmt. Vorsitzender des Stiftungsrates ist Johannes Lierenfeld. Stellvertreter ist Prof. Dr. Stefan Brüggerhoff. Von dieser Konstellation sind richtungsweisende Impulse für die Museumsarbeit zu erwarten. Mit Professor Brüg-gerhoff, dem Direktor des größten Bergbaumuseums der Welt, hat das OSLM einen Fachmann ersten Ran-ges im Stiftungsrat. Gleiches trifft übrigens auch auf Mile-na Karabaic zu, die vor ihrem Amt als LVR-Landesrätin das LVR-Industriemuseum gelei-tet hat, zu dem auch das Tex-

tilmuseum Cromford in Ratingen gehört.Neu im Vorstand der Stiftung Haus Oberschlesien ist Ratingens Bürgermeister, Klaus Konrad Pesch. Dipl.-Ing. Paul Schläger stellte sich nicht mehr zur Wie-derwahl als Vorsitzender. So wurde mit der Wahl der NRW-Landtagsbgeordneten Marie-Lui-se Fasse aus Rheinberg als neue Vorstandsvorsitzende zugleich ein Generationswechsel vorge-nommen. Weiterhin zum Vor-stand gehören der gebürtige Oberschlesier Dipl.-Ing. Paul Schläger, der langjährige NRW-Bauminister und ehemalige Staatsminister im Auswärtigen Amt, Prof. Dr. Christoph Zöpel, gebürtig in Gleiwitz, der Bundes-vorsitzende der Landsmann-schaft der Oberschlesier, Klaus Plaszczek, und schließlich Dr. Stephan Kaiser. D.G.

Lüneburg. (dod) Arno Sur-minski wurde 1934 in Jäg-lack im Kreis Rastenburg in Ostpreußen geboren. Dort lebte er gemeinsam mit sei-ner Familie, bis seine Eltern 1945 deportiert wurden. Surminski blieb allein zurück und wurde 1947 nach meh-reren Lageraufenthalten von einer Familie in Schleswig-Holstein aufgenommen. Seit 1972 arbeitet er freiberuflich als Wirtschaftsjournalist und Schriftsteller. Zu seinen Best-sellern gehören die beiden

Romane „Jokehnen oder Wie lange fährt man von Ostpreu-ßen nach Deutschland“ und „Polninken oder Eine deut-sche Liebe“. Mit seinen Wer-ken leistet Surminski einen wichtigen Beitrag für die Auf-arbeitung der Geschehnisse in Ostpreußen 1945 und die Verständigung zwischen den damaligen und den heutigen Bewohnern.Auf der Lesereise vom 1.06. bis 10.06.2015 haben wir die einmalige Gelegenheit, gemeinsam mit Arno Surmin-

ski Orte zu erkunden, die mit dem Schriftsteller und seinen Werken in Verbindung ste-

hen. Arno Surminski wird uns persönlich seinen Geburtsort zeigen und von seiner Kindheit in Ostpreu-ßen erzählen. Die Reise führt uns aber auch nach Danzig/

Gdańsk, Allenstein/Olsztyn, Frauenburg/Frombork und viele andere Orte, die wir gemeinsam mit Arno Surmin-ski besichtigen. Wir nehmen an den Lesungen des Schrift-stellers in Danzig, Allenstein und Angerburg/Węgorzewo teil.Weitere Informationen und Anmeldung: Agata Kern, Kul-turreferentin für Ostpreußen am Ostpreußischen Landes-museum Ritterstr. 10, 21335 Lüneburg; Tel.: 04131-7599 515; E-Mail: [email protected]

Page 34: DOD 2/2015

34 DOD 02/2015Kultur

Tsungam (1); Göllner (1)

Russlanddeutsches Museum im BundestagAuf Initiative von Heinrich Zertik MdB stellt die Leiterin das Museum vor

Berlin. (dod) Als Mitglied der Arbeits-gruppe Kultur und Medien und der Gruppe der Aussiedler, Vertriebenen und nationalen Minderheiten der CDU/CSU-Bundestagfraktion hatte Heinrich Zertik die Museumsleitung des Muse-ums für Russlanddeutsche Kulturge-schichte, Dr. Katharina Neufeld, kürzlich zur gemeinsamen Sitzung der Arbeits-gruppen nach Berlin eingeladen. Sein Ziel ist eine dauerhafte, institutionelle Förderung dieser einmaligen Einrich-tung. Hier wird die 250-jährige einzigar-tige Geschichte der Russlanddeutschen aus der Sowjetunion und den ehemali-gen GUS-Staaten anhand von persönli-chen Exponaten und vielen Druckmate-rialien aufgearbeitet. „Frau Dr. Neufeld hat die wichtige Arbeit des Museums hier in Berlin vorgestellt, damit diese wunderbare kulturelle Einrichtung auch über die lippischen Kreisgrenzen hinweg bekannt wird“, erläutert Zertik seine Ini-tiative.

Zertik, erster russlanddeutscher Bun-destagsabgeordnete und wohnhaft im Kreis Lippe, beschäftigt sich seit seinem Einzug in den Deutschen Bundestag mit dem russlanddeutschen Museum. „Mir ist das Museum eine Herzensangelegen-heit. Es ist wichtig, dieses Museum als soziokulturelles und identitätsstiftendes Zentrum für die Russlanddeutschen in Deutschland langfristig zu etablieren und finanziell auf sichere Beine zu stel-len“, so Zertik. „Für die Kultur und Geschichte der Bundesrepublik Deutsch-land kann dieses Museum ein wichtiger Baustein sein, denn die Geschichte der Russlanddeutschen ist mit der deutschen Geschichte untrennbar verbunden“, begründet Zertik sein Anliegen.

Auf Zertiks Initiative hatte der CDU- Kreisverband Lippe auf dem CDU Bun-desparteitag im Dezember 2014 einen Antrag zur Prüfung einer finanziellen Förderung des Museums für russland-deutsche Kulturgeschichte gestellt, der

einstimmig von den Delegierten beschlossen wurde.

Das Museum für russlanddeutsche Kulturgeschichte ist aus einer privaten Eigeninitiative entstanden und wurde 1996 gegründet. Dank vieler Spenden und Sponsorengeldern konnte es 2011 mit einer neuen Dauerausstellung und modernisierten Räumlichkeiten wieder-eröffnet werden. Es ist auch der enga-gierten Arbeit der Leiterin Dr. Katharina

Neufeld und vieler, ehrenamtlich tätiger Mitarbeiter zu verdanken, dass hier auf einer Ausstellungsfläche von über 500 Quadratmetern der Geschichte nachge-spürt werden kann. Veranstaltungen sowie wissenschaftliche Symposien run-den das vielfältige Angebot ab.

Das Museum ist in der Georgstraße 24 in Detmold zu finden und ist Dienstag bis Freitag von 14.00 bis 17.00 h, sowie samstags von 11.00 bis 17.00 h geöffnet.

Berlin. (dod) Der renommierte Dres-dener Orgelbaumeister Kristian Weg-scheider hat die prächtige Amalien-Orgel in der Berlin-Karlshorster Kirche „Zur frohen Botschaft“ renoviert. Weil er auch die Rekonstruktion der Kloosen-Orgel von 1734 in der Petri-Kirche in Riga beabsichtigt, ergab es sich, dass der Förderkreis Amalien-Orgel und die Evan-ge-lische Paul-Gerhardt-Kirchengemein-de Lichtenberg für diesen Zweck Mitte März in der Kirche ein eindrucksvolles Benefizkonzert veranstalteten, das „Kon-zertfest für Riga“. Das Publikum begrüß-ten Dr. Franz Bullmann als Vorsitzenden

des Förderkreises und Baronin Babette von Sass, die Initiatorin des Projekts für ihre Heimatstadt Riga.

Der Petri-Kirche in Riga, die nach der Zerstörung im Zweiten Weltkrieg 1984 wieder aufgebaut worden war, fehlt immer noch die Orgel. Diese wieder zu erbauen hat sich die Orgelstiftung Petri-kirche Riga e.V. zum Ziel gesetzt, dafür sammelt sie Spenden, dafür kann man „Pate“ einzelner Orgelpfeifen werden. Und dafür setzt sich der in vielen ähnli-chen Projekten erfahrene Orgelbauer Wegscheider ein.

Klaus Wittmann

Das Museum für russlanddeutsche Kulturgeschichte in Detmold.

Benefizkonzert für Barockorgel Kloosen-Orgel in der Petri-Kirche in Riga soll wiedererstellt werden

Page 35: DOD 2/2015

DOD 02/2015 35Nachrichten

Preußen, Weltkrieg und die KunstVeranstaltungshinweise aus den Museen und Institutionen

Austellung im Haus Schlesien: Zacken-Porzellan.

100 Jahre nach den Ereig-nissen des Ersten Welt-krieges und 70 Jahre seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges sind Anlass für mehrere Veranstaltun-gen in den Museen und Einrichtungen des West-Ost-Dialoges. Hinzu kom-men der Themenschwer-punkt „Flucht und Ver-treibung“ sowie Events rund um den Internatio-nalen Museumstag.

Schlesisches Muse-um zu Görlitz

Ab dem 10. Mai 2015 ist im Schlesischen Museum zu Görlitz die neue Sonderaus-stellung „Kunst zur Kriegszeit 1914-1918: Künstler aus Schlesien zwischen Hurrapa-triotismus und Friedenssehn-

sucht“ zu besichtigen. Die ausgestellten Kunstwerke vermitteln die anfängliche Kriegsbegeisterung der Men-schen, erzählen aber auch von ihren Ängsten und schrecklichen Erfahrungen, die ab 1916 zum Ruf nach Frieden führten. Gezeigt werden rund 200 Exponate von 23 Künstlern, die in Schlesien tätig waren oder auf andere Weise mit Schlesi-en in Verbindung standen. Viele Kunstwerke werden erstmalig in der Öffentlich-

keit gezeigt. Dazu zählen Bil-der des Breslauer Akademieprofessors Max Wislicenus (1861-1957) vom östlichen Kriegsschauplatz, drei Mappenwerke des jüdi-schen Künstlers Heinrich Tischler (1892-1938) sowie Kriegszeichnungen von Ivo Hauptmann (1886-1973), der mit seinem berühmten Dichtervater Gerhart Haupt-mann in Agnetendorf wäh-rend des Krieges in enger Ver-bindung stand. Mit einem Überblick über die Vielfalt der Kunstproduktion will die bis zum 31. Oktober 2015 geöff-nete Ausstellung Denkanstö-ße zu einem damals wie heu-te aktuellen Thema vermit-teln. Ein aufwändig bebilder-ter Katalog liegt vor.

Oberschlesien und der Erste Weltkrieg

Das Oberschlesische Lan-desmuseum in Ratingen- Hösel lädt am 10. Mai 2015 zu einer Feierstunde ein, in deren Rahmen die neue Sonderausstellung „HEIMAT.FRONT“ eröffnet wird. Die historischen Ereignisse „70 Jahre seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges“ und „100 Jahre seit der Verlegung des Großen Hauptquartiers Kaiser Wilhelms II. in das Schloss Pless/Pszczyna“ sind Anlass für das Programm, bei dem u.a. der NRW-Justizmi-nister Thomas Kutschaty und der Direktor des Ruhr Muse-ums, Professor Heinrich Theodor Grütter, sprechen.Die Sonderausstellung „HEI-

MAT.FRONT. Oberschlesien und der Erste Weltkrieg“ ist in Ratingen bis zum 8. November 2015 zu besichti-gen. Die Präsentation – reali-siert mit Förderung der Beauftragten der Bundesre-gierung für Kultur und Medi-

en – zeigt anhand von Doku-menten, Fotografien und Objekten unterschiedliche Facetten des „Großen Krie-ges“ auf. Ausgehend von einem Panorama der multiethnischen, multikon-

fessionellen und sogar in Tei-len multikulturellen Gesell-schaft in der Grenzlage Ober-schlesiens um 1910 werden die Veränderungen im Kriegs-verlauf betrachtet. Neben öffentlichen Führungen und museumspädagogischen Angeboten mit verschiede-nen thematischen Schwer-punkten gibt es am 28. Juni 2015 das 12. Folkwangkon-zert im OSLM. Das Pro-gramm „1913: Sommer des Jahrhunderts“ bietet ein Port-rät vom Vorabend des Ersten Weltkrieges in Lied und Lite-ratur mit Beteiligung von Studierenden des Studien-gangs Gesang/Musiktheater der Folkwang Universität der

Page 36: DOD 2/2015

36 DOD 02/2015Nachrichten

Künste unter der Leitung von Dominikus Burghardt und einer Lesung von Reinhard Pede.

GHH: Erster „moderner“ Krieg

Im Düsseldorfer Gerhart- Hauptmann-Haus hält Dr. Wolfgang Kessler am 11. Mai einen Vortrag mit dem Titel „Der Erste Weltkrieg in den Teilungsge-b i e t e n P o l e n s “ . Erwähnung finden u.a. Kriegshand-lungen in den Teilungsgebieten Polens, die bis zum Ende des Ersten Weltkrieges zum Deutschen Reich, zum russischen Zaren-reich und zum Habsburgi-schen Reich gehörten. Der Vortrag wird durch einen Blick auf die Folgen des Krie-ges, wie sie sich in den unter-schiedlichen Erinnerungen der Beteiligten widerspiegeln, abgerundet. Dr. Wolfgang Kessler leitete von 1989 bis zu seiner Pensionierung im Jahr 2011 die Stiftung Mar-tin-Opitz-Bibliothek in Herne.

Haus des Deutschen Ostens: Flucht und Vertreibung

„Mitgenommen: Verlorene Heimat in Dingen“ heißt die neue Ausstellung, die anläss-lich des Beginns von Flucht, Vertreibung und Depor-tation vor 70 Jahren im Haus des Deut-s c h e n Osten in München ab dem 11. Juni zu sehen ist. Emilia Müller, Bay-erische Staatsministerin, hat die Schirmherrschaft der Prä-sentation übernommen.

17.05.2015: Interna-tionaler Museumstag

Am Internationalen Museumstag öffnen zahlrei-che Kultur-institutio-nen ihre Tore und laden zu Sonderfüh-rungen und Spezialprogrammen ein. Das Motto des Internationalen Museumstages vom 17. Mai 2015 stellt die Rolle der Museen in der Gesellschaft und damit ihren Anteil an der Mitgestaltung der Zukunft in den Fokus der Aufmerksam-keit.

Das Rheinbacher Glas-museum bietet an diesem Tag u.a. in der Museumswerk-statt einen thematischen Workshop für Kinder an. In der Schreibwerkstatt wieder-um geht es um kreatives Sch-reiben, das in Anlehnung an die Exponate aus der aktuel-len Sonderausstellung „Men-schliches-Allzumenschliches“ erfolgt.

Im Oberschlesischen Lan-desmuseum in Ratingen- Hösel wird am Internationa-len Museumstag die neue Sonderausstellung unter dem Titel „Die Bändigung der Oder“ eröffnet. Die im „Museum des Oppelner Schlesien“ (Muzeum Śląska Opolskiego) konzipierte Son-derschau besteht im Kern aus historischen Fotografien zu Regulierungsarbeiten der oberen Oder im Regierungs-bezirk Oppeln aus der Zeit von 1892 bis 1893. Das OSLM ergänzt die Bilder mit Exponaten aus dem Museum der Deutschen Binnenschiff-fahrt in Duisburg sowie aus dem eigenen Bestand.

Die Ausstellungen im Schönhof des Schlesischen Museums zu Görlitz sind ganztägig kostenlos zu besich-tigen. Um 15 Uhr führt

Museumsdirektor Dr. Mar-kus Bauer durch die Dauer-ausstellung.

Unter dem Motto „Erin-nern an Schlesien?! Möglich-keiten der Erinnerungskultur heute“ findet am 17. Mai im Haus Schlesien in Königswin-ter-Heisterbacherrott eine öffentliche Führung durch die Dauerausstellung und die aktuellen Sonderschauen statt.

Auch wenn das Ostpreußi-sche Landesmuseum in Lüneburg zur Zeit wegen Umbauarbeiten geschlossen ist, können Interessenten in der „Salz- und Malz-Stadt“ anlässlich des 38. Internatio-nalen Museumstages den-noch ein attraktives histori-sches Baudenkmal besichti-gen: das Lüneburger Brau-ereimuseum bietet kostenlo-se Führungen an.

Haus Schlesien: Preußen im Fokus

In Anlehnung an das The-ma „200 Jahre Preußen am Rhein“ veranstaltet der Rhei-nische Verein für Denkmal-pflege und Landschaftsschutz sowie seine Kooperations-partner am 29. und 30. Mai 2015 im Haus Schlesien in

Königswinter-Heisterbacher-rott die Tagung „Das Rhein-land – Preußens unbequeme Provinz“. Im Rahmen seiner engen Kooperation mit den Kulturpartnern der Region ist Haus Schlesien nicht nur Austragungsort sondern auch Initiator für die Auftaktveran-staltung zu den Aktivitäten in Königswinter, die unter dem Motto „Preußensommer im Siebengebirge“ laufen. Der „Große Zapfenstreich“, der

als öffentliche Abendveran-staltung am 29. Mai um 21 Uhr stattfindet, ist sicherlich für viele Tagungsteilnehmer ein Höhepunkt. Für den 30. Mai ist in Kooperation mit der VHS Siebengebirge eine von Dr. Inge Steinsträßer geleitete „Kulturwanderung auf preußischen Spuren im Siebengebirge“ vorgesehen.

Malworkshop in Greifswald

Bis Ende Juni 2015 zeigt das Pommersche Landes-museum in Greifswald die Kunstausstellung „Zwei Män-ner – Ein Meer. Pechstein und Schmidt-Rottluff an der

Ostsee“. Die beiden wichtigs-ten Vertreter des deutschen Expressionismus, Max Pech-stein und Karl Schmidt-Rott-luff, reisten in jedem Sommer an die Ostsee und verbrach-ten dort an der Küste unbe-schwerte Tage konzentrier-ten Schaffens. Inspiriert von der Landschaft der Kurischen Nehrung schufen die Künst-ler ausdrucksstarke Werke, von denen über 100 in der Ausstellung zu sehen sind. Die Präsentation ist in Koope-ration mit dem Brücke-Muse-um Berlin und der Max Pech-stein-Urheberrechtsgemein-schaft erstellt worden. Aus-stellungsergänzend bietet die Kulturreferentin für Pom-mern in Kooperation mit dem Ostpreußischen Landesmuse-um Lüneburg vom 12. bis zum 21. Juni eine Studienrei-se nach Nidden/Nida an.

Vom 18. bis zum 22. Mai ist im Pommerschen Landes-museum ein Malworkshop mit Gudrun Jakubeit, Künst-lerin im BBK Lüneburg, geplant. Unter der Reiselei-tung von Agata Kern, der Kul-turreferentin am Ostpreußi-

Page 37: DOD 2/2015

DOD 02/2015 37Nachrichten

schen Landesmuseum in Lüneburg, kommen die Kunstfreunde nach Greifs-wald und nutzen die Gele-genheit, in den Räumen des Museums zu malen und zu zeichnen.

Forschungsprojekt Backsteinarchitektur

Bis zum 31. Mai 2015 ist in Stralsund die Ausstellung „Backsteinarchitektur im Ost-seeraum“ zu besichtigen. Die Regionen an der südlichen Ostsee sind auch heute noch weitgehend von der mittelal-terlichen Architektur geprägt, die ein wesentlicher Bestand-teil der kulturellen Identität der Bewohner und zugleich touristischer Anziehungs-punkt für Besucher ist. Die Ausstellung der Kulturstif-tung der deutschen Vertriebe-nen bietet anhand von Infota-feln Einbli-cke in das aktuelle For-schungspro-jekt rund um den süd-lichen Ost-seeraum. Vorgestellt wird eine hochrangige europäische Kulturlandschaft, die vor allem seit der Wende von 1989/90 nicht mehr an nati-onalen Grenzen haltmacht, sondern sich als ein intensi-ves völkerverbindendes Bemühen erweist. Die wis-senschaftliche Leitung der Ausstellung obliegt Prof. Dr. Christofer Herrmann (Uni-wersytet Gdanski, Instytut Historii Sztuki) und Prof. Dr. Matthias Müller (Universität Mainz, Institut für Kunstge-schichte). Diese sowie die weiteren Kuratoren der Prä-sentation sind ausgewiesene Experten auf dem Gebiet der Backsteinarchitektur und waren auch an den For-schungsergebnissen meist selbst beteiligt. Die Ausstel-lung wird 2015/2016 an

ausgewählten Orten in Deutschland gezeigt, u.a. im Kulturzentrum Ostpreußen in Ellingen, im Westpreußi-schen Landesmuseum in Warendorf, im Düsseldorfer Gerhart-Hauptmann-Haus sowie im Dominikanerklos-ter/Kulturhistorisches Muse-um in Prenzlau. Eine pol-nischsprachige Version unter dem Titel „Architektura ceglana na pobrżezu Bałtyku – Nowe perspektywy badan“ wird in Polen präsentiert. Ausstel lungsbeglei tend erscheint im Verlag Michael Imhof ein reich bebilderter Katalog mit den Tafeln der Ausstellung und vertiefenden Aufsätzen.

Der 66. Sudeten-deutsche Tag

Ein umfangreiches Kultur-programm mit dem Titel „Menschenrechte ohne Grenzen“ wird für den „66. Sudetendeutschen Tag“ vor-bereitet. Am 23. und 24. Mai 2015 ist die Kongresshalle Augsburg Schauplatz der Ver-anstaltung, mit der die Sude-tendeutsche Landsmann-schaft dazu beitragen will, dass die heutigen und künfti-gen Gene-r a t i o n e n lernen, im Sinne eines „Nie wie-der!“ gegen Terror und Gewalt auf-zutreten. Ein Höhepunkt des diesjährigen Pfingsttreffens ist die Verleihung des Europäi-schen Karls-Preises 2015 durch Bernd Posselt, Spre-cher der Sudetendeutschen Volksgruppe. In diesem Jahr wird der Hohe Beauftragte für Bosnien-Herzegowina, der österreichische UNO-Dip-lomat Valentin Inzko, mit dem nach Kaiser Karl IV. benannten Europäischen Karlspreis der Sudetendeut-

schen Landsmannschaft aus-gezeichnet.

„Erinnerungen. Memories“

Bis zum 29. Mai ist im Sudetendeutschen Haus in München die Ausstellung „Erinnerungen. Memories“ mit Künstlerbüchern aus der Sammlung Reinhard Grüner zu sehen. Die Heimatpflege-rin der Sudetendeutschen organisiert ein Begleitpro-gramm, in dessen Rahmen u.a. Carolin Bullinger aus ihrem Buch „Trakls Augen“ liest und Anina Polasek Texte aus den ausgestellten Büchern zu Gehör bringt.

Donauschwäbisches Zentralmuseum Ulm: „Angekommen“

Am 21. Mai 2015 wird im Donauschwäbischen Zentral-museum Ulm die Ausstellung „Angekommen – Die Integra-tion der Vertriebenen in Deutschland“ eröffnet. Bis zum 20. September ist die Präsentation des Zentrum gegen Vertreibungen zu besichtigen, die durch eine eigene Abteilung des DZM mit Exponaten und Bezügen zu den Donauschwaben ergänzt wird.

Jahresthema: „1945 – Das östliche Europa nach der Stunde Null“

An 13 Tagen zwischen dem 3. und 24. Mai, jeweils um 11 Uhr und 14 Uhr, bie-tet das Deutsche Kulturforum östliches Europa geführte Stadttouren mit dem Titel „Frühling in Berlin 1945“ an. Historischer Hintergrund: Am 16. April 1945 begann – mit enormem Aufwand und unter großen Verlusten – die letzte Offensive der Roten

Armee gegen die Reichs-hauptstadt. Die sowjetischen Angriffsspitzen erreichten den Stadtrand am 21. April, vier Tage später war Berlin völlig eingeschlossen. Im Rahmen des Themenjahres,

das von „Kulturprojekte Ber-lin“ angestoßen wurde und bei dem zahlreiche Koopera-tionspartner wie die Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas oder der Ver-ein Berliner Unterwelten mit-wirken, werden an prägnan-ten Stellen Themenboxen aufgestellt, um Berlinern und Berlin-Besuchern einen Ein-druck vom Stadtbild bei Kriegsende zu geben. Eine vom Deutschen Kulturforum östliches Europa initiierte Themenbox zeigt die Ankunft von Millionen Flüchtlingen und Vertriebe-nen aus den Gebieten in Mit-tel- und Osteuropa.

Europas Kulturhaupt-stadt 2015

Am 11. Mai finden im Lite-raturhaus Nürnberg unter dem Motto „Pilsen/Plzeò. Europas Kulturhauptstadt 2015“ eine Bücherpräsentation und Bild-vorträge mit Dr. Jan Mergl und Dr. Tobias Weger statt. Es ist eine Veranstaltung des Deut-schen Kulturforums östliches Europa und dem Literaturhaus Nürnberg, dem Kulturreferen-ten für die böhmischen Länder beim Adalbert-Stifter-Verein und dem Bundesinstitut für Kultur und Geschichte der Deutschen im östlichen Euro-pa (BKGE). Das Grußwort spricht Hans-Peter Schmidt, Honorarkonsul der Tschechi-schen Republik.

Dieter Göllner

Page 38: DOD 2/2015

38 DOD 02/2015Nachrichten

Wiesbaden. (dod) Die Delegierten des Landesver-bandes des Bundes der Ver-triebenen (BdV) Hessen aus den Kreisverbänden und Landsmannschaften trafen sich Ende März beim 67. Landesverbandstag im Wies-b a d e n e r Haus der Heimat zur Neuwahl des Lan-desvorstan-des.BdV-Lan-desvorsit-zender Siegbert Ortmann konnte neben den aus ganz Hessen angereisten Delegier-ten auch zahlreiche Ehren-gäste begrüßen: vom Stadt-parlament Wiesbaden Stadt-verordnetenvorsteher Wolf-gang Nickel, Bürgermeister Arno Goßmann, die Stadtver-ordneten Jan Vollkammer (SPD), Bernhard Lorenz (CDU) und Andreas Waldeck (Bündnis 90/Die Grünen), Thomas Bach vom Hessi-schen Ministerium für Sozia-les und Integration sowie die Landtagsabgeordneten Hans-Jürgen Irmer und Ulrich Cas-par vom Unterausschuss für Heimatvertriebene, Aussied-ler, Flüchtlinge und Wieder-gutmachung (HAFW), außer-dem den ehemaligen Landes-beauftragten für Heimatver-triebene und Spätaussiedler Rudolf Friedrich sowie den Ehrenvorsitzenden des BdV-Landsverbandes Hessen Alf-red Herold. Ein besonderer Willkommensgruß galt dem im vergangenen Herbst neu gewählten BdV-Präsidenten

Hessische Delegierte bestätigen Siegbert Ortmann im Amt

BdV LV Hessen (1); Schülke (1)

Dr. Bernd Fabritius für „Modernisierungskurs“ beim 67. Landesverbandstag in Wiesbaden

Dr. Bernd Fabritius MdB als Nachfolger von Erika Stein-bach MdB.Oberbürgermeister Sven Gerich führte in seinem Grußwort aus: „Ohne Sie wäre Wiesbaden ärmer gewe-sen. Das ist das größte Kom-pliment, das man dem Ver-triebenenverband, diesen Menschen, machen kann. Sie haben diese Stadt enorm bereichert: kulturell, aber auch durch die Arbeitskraft, indem man diese Stadt gemeinsam wiederaufbauen konnte.“Die Landesbeauftragte der Hessischen Landsregierung für Heimatvertriebene und Spätaussiedler, Margarete Ziegler-Raschdorf, und der Fraktionsvorsitzende der SPD-Fraktion im Hessischen Landtag, Thorsten Schäfer-Gümbel, übersandten Gruß-worte, in denen die partner-schaftliche Zusammenarbeit gewürdigt wurdeDr. Fabritius bedankte sich beim Landesvorsitzenden Siegbert Ortmann für die Ein-ladung zum Landesverbands-tag im Wiesbadener Haus der Heimat und überbrachte die besten Grüße des BdV-Präsi-diums. Dabei nutzte der neue BdV-Präsident die Möglich-keit, in einer programmati-schen Rede Inhalt und Ziele seiner künftigen Arbeit zu erläutern:„Es ist für mich eine gute Gelegenheit, gerade mit Delegierten aus allen hessi-schen Kreisverbänden und Landsmannschaften ins Gespräch zu kommen. Grundlage jeder vertrauens-

vollen Zusammenarbeit ist nicht zuletzt, sich kennenzu-lernen. Das schafft Team-Geist und Zusammenhalt. Genau dem dient dieser Bezug und auch das Gespräch. Wir sind ganz besonders stark und erfolg-reich als BdV, wenn wir uns selbst stark ziehen, und am besten noch in die gleiche Richtung. Durch Geschlos-senheit entwickeln wir zusätzliche Strahlkraft in die Kreisverbände, in die Kreis-gruppen hinein. Gleichzeitig entfaltet eine solche Mann-

schaft Strahlkraft nach Außen.“ Er lobte die gute Dialog-Plattform des BdV- Landesverbandes zur hessi-schen Landesregierung, spe-ziell auch beim jährlichen Neujahrsempfang. Einen besonderen Stellenwert sei-ner Ansprache hatte der „Modernisierungskurs“ des BdV-Bundesverbandes. „Nun mag der erste Gedanke sein, was sich fortschrittlich anhört, kann doch nicht

schlecht sein. Dem folgt aber der zweite Gedanke: Fort-schrittlichkeit darf aber nicht alles über Bord werfen, was bisher gültig gewesen ist. Die-sen Spagat muss der BdV leis-ten“. Dr. Fabritius warb bei seinen Ausführungen für den neuen Internet-Auftritt des Bundesverbandes und lud die Anwesenden ein, den Dialog nach Innen und ganz beson-ders nach Außen mit neuen Kommunikationstechniken zu wagen. Ein ganz besonde-rer Dank galt der derzeitigen Bundesregierung für die Ein-

führung des bundesweiten Gedenktages am alljährlichen Weltflüchtlingstag. Fabritius forderte in diesem Zusam-menhang Solidarität und Empathie mit den Kriegs-flüchtlingen dieser Tage und erinnerte daran, dass auch die deutschen Heimatvertrie-benen bei ihrer Ankunft nicht überall willkommen gehei-ßen wurden. In seinen weite-ren Ausführungen ging Fabri-tius auch auf die kürzlich

Der Landesvorsitzende Siegbert Ortmann (r.) dankt Dr. Bernd Fabri-tius MdB (l.) für seine Ansprache bei der Delegiertenversammlung.

Page 39: DOD 2/2015

DOD 02/2015 39Nachrichten

Pommerntreffen in Anklam600 Pommern im „Volkshaus“

verabschiedeten Satzungsän-derungen bei der 15. Bundes-versammlung der Sudeten-deutschenlandsmannschaft in München ein. Sie waren nach seinen Worten das Ver-ständnis auf Befindlichkeiten unseres Nachbarlandes Tschechien: „Auch wenn die Ergebnisse der Bundesver-sammlung für den einen oder anderen ein schwer zu akzep-tierender Schritt gewesen sein mag, so führt daran sicher kein Weg vorbei.“ Anstelle der Änderung derje-nigen Paragraphen hinsicht-lich „Wiedergewinnung der Heimat“ setze man sich für die weltweite Durchsetzung aller Menschen- und Grund-rechte ein; dazu gehöre selbstverständlich auch das Recht auf Heimat sowie das Selbstbestimmungsrecht der Völker und Volksgruppen. Der Reformkurs des Spre-chers der Sudetendeutschen entspreche der Linie des BdV und werde von ihm sehr begrüßt. „Unter diesen neu-en Voraussetzungen sollte auch in der Tschechischen Republik ein korrespondie-render Dialog beginnen, der dort noch offene Fragen wie die Benesch-Unrechtsdekrete im Sinne heutiger europäi-scher Wertekultur löst.“ Dr. Fabritius dankte allen, die sich für die Arbeit und die Energie in den Verbänden und Landsmannschaften ein-setzen. „Das ehrenamtliche Engagement ist eine unver-zichtbare Voraussetzung dafür, dass wir etwas errei-chen.“ Ohne die Arbeit vieler vor Ort wären viele Themen-felder des BdV längst von der Bildfläche verschwunden.Bei den anschließenden Wah-len des Vorstandes bestätig-ten die Delegierten aus den hessischen Kreisverbänden und den einzelnen Lands-mannschaften den jetzigen Landesvorsitzenden Siegbert Ortmann in seinem Amt. Zu seinen Stellvertretern bzw.

Stellvertreterin wurden Man-fred Hüber, Georg Stelle und Brigitte Sattler gewählt.Zu Beginn seines Tätigkeits-berichtes erinnerte der BdV-Landesvorsitzende Siegbert Ortmann daran, dass er bei seiner Wahl im Frühjahr 2012 zum Landesvorsitzen-den gefordert habe, der Ver-band müsse sich von dem etwas verstaubten Image befreien, um sich so als leben-dige, gesellschaftlich relevan-te Gruppe in der Gesellschaft darstellen und überleben zu können. Er verwies dabei auf die vom BdV-Präsidenten vor-her gemachten Ausführun-gen. Diese Auffassung führte zur Veröffentlichung „seiner drei Standbeine“, die inzwi-schen ein breites Interesse geweckt habe. Dies sind: Aktivitäten wider das Verges-sen und Wissen um die geschichtliche Wahrheit, Erinnerungskultur in Bezug auf Tradition, heimatliches Brauchtum und zielgerichte-te Fortentwicklung sowie Ini-tiative auf Dialog mit den öst-lichen Nachbarn mit Blick-richtung zu gutnachbarlichen Beziehungen und echter dau-erhafter Versöhnung in der europäischen Wertegemein-schaft. Ortmann lobte die gute Zusammenarbeit mit dem Deutsch-Europäischen-Bildungswerk unter der Füh-rung seines Stellvertreters Georg Stolle. „Die ständigen Kontakte mit den politischen Instanzen in unserem Land und damit die Schaffung eines guten Klimas mit politi-schen Parteien und seinen Repräsentanten. Ohne diesen Kontakt haben wir in der Zukunft keine Chancen.“ Die Nachhaltigkeit unserer Arbeit müsse auf allen politischen Ebenen immer wieder nach-gewiesen werden. Auf den Tätigkeitsbericht 2014 mit Nachtrag eingehend, verwies Ortmann auf die Referatsbe-richte, die die Arbeit des Lan-desverbandes widerspiegeln.

Anklam. (dod) Die jährli-chen Pommerntreffen in Anklam sind fast immer aus-gebucht. Rund 600 Landsleu-te aus der näheren und weite-ren Umgebung füllten am 28. März 2015 das „Volkshaus“ bis zum letzten Platz. 70 Jah-re nach dem Zweiten Welt-krieg erinnerten die Betroffe-nen daran, dass das Ende auch millionenfach Flucht, Vertreibung und Verlust der Heimat in Hinterpommern bedeutete. Dazu war vor der Bühne ein mit Koffern und Bettzeug beladener Flucht-wagen aufgebaut. Drei große Rettungsringe mit den Namen der Flüchtlingsschiffe erinnerten an die Versenkung der „Gustloff“, „Steuben“ und „Goya“ im Frühjahr 1945 vor der pommerschen Küste durch sowjetische U-Boote mit etwa 20.000 Toten. Heiko Wartenberg vom Pommerschen Landes-museum Greifswald stellte ein EU-Projekt „Schlüssel für Brüssel“ vor. Er ist Ansprech-partner für Fluchtgegenstän-de, welche die Pommern 1945 aus ihrer Heimat mit-

Übergabe der Köslin-Fahne.

nahmen, vor allem Haus-schlüssel. Damit soll eine gan-ze Wand gestaltet werden, um zu erinnern und zu mah-nen. Grußworte entboten der CDU-Bundestagsabgeordnete Matthias Lietz sowie Dr. Wil-fried Hornburg von der Anklamer Stadtverwaltung. Die Grüße von den deut-schen Vereinen in der Heimat überbrachten Detlef Rach aus Stolp/Słupsk, Thomas Krause aus Stettin und Peter Jeske aus Köslin/Koszalin. Dieser hatte die noch fehlende Stadt-fahne von Köslin mitgebracht und überreichte sie unter starkem Beifall an Manfred Schukat. Die Präsidentin des Pommer-schen Kreis- und Städtetages Margrit Schlegel, zugleich Sprecherin der Pommerschen Landsmannschaft, grüßte die Landsleute mit anerkennen-den Worten. Als sie zum Abschied gemeinsam noch einmal das Pommernlied sangen, reich-ten sich die Teilnehmer zum Zeichen der Verbundenheit die Hände.

Friedhelm Schülke

Page 40: DOD 2/2015

Waren an der Müritz. (dod) Auf der Delegierten-versammlung des Landesver-bandes Mecklenburg-Vor-pommern des Bundes der Vertriebenen (BdV) wurde die Landtagsabgeordnete Maika Friemann-Jennert ein-stimmig zur neuen Vorsitzen-den gewählt. Mit der Wahl am 11. April 2015 löst Frie-mann-Jennert die langjährige Landesvorsitzende Renate Holznagel ab. Diese stellte sich nicht wieder zur Wahl, bleibt aber Vorstandsmitglied und Mitglied des Präsidiums des Bundes der Vertriebenen auf Bundesebene.Maika Friemann-Jennert: „Ich freue mich auf die neuen Herausforderungen und die Zusammenarbeit mit dem neu gewähl-ten Landes-vorstand. Ver-treibung und Flucht sind in Mecklenburg-Vorpommern nach wie vor wichtige The-men. Nach dem Zweiten Weltkrieg sind viele Men-schen zu uns gekommen, weil sie flüch-teten oder vertrieben wur-den. In Mecklenburg-Vor-pommern haben sie dann eine neue Heimat gefunden. Deshalb stehen wir weiterhin in der Verantwortung an das Unrecht, das im Schatten anderen Unrechts geschah, zu erinnern und alles dafür zu tun, dass niemals wieder Krieg, Vertreibung und Flucht stattfinden.“ Angesichts der neuen Flüchtlingswellen auf

der Welt und der Zuströme nach Deutschland sind die T h e m e n Krieg, Ver-t r e i b u n g und Flucht d e n n o c h brandaktu-ell. „So wie nach 1945 viele Men-schen im n e u e n D e u t s c h -land aufgenommen wurden, müssen wir uns auch heute um Flüchtlinge kümmern. Deshalb werde ich im Bewusstsein der Geschichte für eine Willkommenskultur in unserem Lande werben“, so Friemann-Jennert. Maika Friemann-Jennert wur-

de am 24.06.1964 in Ludwigs-lust geboren und ist ausge-bildete Dip-lom-Bibliothe-karin. Ihre Familie väter-l i c h e r s e i t s stammt aus Ostpreußen. Sie ist in zwei-ter Legislatur Mitglied des Landtages von

Mecklenburg-Vorpommern und gehört auch dem Kreis-tag Ludwigslust-Parchim sowie der Stadtvertretung Ludwigslust an. Ehrenamtlich engagiert sie sich vielfältig, u.a. als Präsi-dentin des DRK-Kreisverban-des Ludwigslust und als Vor-sitzende des Vereins zur För-derung der Erziehung von Kindern und Jugendlichen e. V. Dömitz.

Neue BdV-Landesvorsitzende: Maika

Friemann-Jennert MdL.

40 DOD 02/2015Nachrichten

Privat (3)

Landesvorstand in Sachsen gewählt

Dresden. (dod) Auf dem Landesverbandstag im Dres-dener Ortsteil Weißig wurde Frank Hirche MdL von den Delegierten einstimmig wie-dergewählt. Ebenso wur-den Alexan-der Schultz und Peter Wolf als stellvertretende Vor-sitzende und Angelika Her-zog als Schatzmeisterin in ihren Ämtern bestätigt. Neu in den Vorstand kam Helga Friedrich in der Funktion als Schriftführerin. Mit Ingrid Labuhn, Gisela Lossack, Erika Köcher, Irmgard Schirotzek, Adolf Braun, Florian Braun, Dr. Manfred Hellmund, Mario Morgner und Friedrich Zempel unterstützen neun Beisitzer den gewählten Vor-

stand in den kommenden vier Jahren. Als Geschäftsfüh-rer des Dresdener Büros wur-de Wolfgang Fiolka vom Vor-stand bestellt. Frank Hirche bedankt sich im Namen des neu gewählten Landesvor-standes für das entgegenge-brachte Vertrauen der Mit-glieder. Der neue Vorstand will vor allem als Team agieren. Die inhaltlichen Schwerpunkte der Arbeit des Landesverban-des liegen in der Pflege des kulturellen Erbes der frühe-ren deutschen Siedlungsge-biete in Europa als Teil der deutschen und europäischen Kultur sowie auf den Gebie-ten der Völkerverständigung, der Integration von Spätaus-siedlern und der Jugendar-beit.

Der Präsident des BdV, Dr. Bernd Fabritius MdB, hat sich mit Prä-sidiumsmitglied Renate Holznagel in Berlin getroffen. Holzna-

gel nutzte einen Berlinaufenthalt, um mit Fabritius über die weitere Arbeit innerhalb des BdV sowie über wichtige Themen der Ver-bandsarbeit wie die Jugendarbeit oder den Dialog mit dem östli-chen Nachbarstaat Polen zu sprechen. Außerdem lud Frau Holznagel den Präsidenten zum Landesver-bandstag des BdV Mecklenburg-Vorpommern am 13. Juni 2015 nach Schwerin ein. Dort wird auch die Justizministerin von Meck-lenburg-Vorpommern, Uta-Maria Kuder, als Schirmherrin des Lan-desverbandes anwesend sein.

Frank Hirche MdL bestätigt

Neue Vorsitzende in Meck-lenburg-VorpommernFriemann-Jennert MdL gewählt

Page 41: DOD 2/2015

Kulturgut aus dem Osten sichern und vermitteln

DOD 02/2015 41Nachrichten

Zu einem ersten Meinungsaustausch über aktuelle Fragen der Vertriebenenpolitik trafen sich auf Initiative des vertriebenen-

politischen Sprechers der bayerischen SPD-Landtagsfraktion Volk-mar Halbleib (auf dem Foto l.) er und seine Sprecherkollegin aus der SPD-Bundestagsfraktion Hiltrud Lotze mit dem neuen BdV-Präsidenten Dr. Bernd Fabritius (r.) in Berlin. Weitere Teilnehmer waren die Parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Bundes-tagsfraktion Petra Ernstberger aus Hof, zugleich Vorsitzende der Deutsch-Tschechischen Parlamentariergruppe, ihre Bundestagskol-legin Rita Hagl-Kehl aus Deggendorf/Freyung-Grafenau, sowie BdV-Vizepräsident und Ko-Vorsitzender der Seliger-Gemeinde Albrecht Schläger. Bei dem Gespräch im Bundestag ging es neben den Vor-stellungen der neuen BdV-Spitze über die künftige Ausrichtung des Bundes der Vertriebenen um die – sowohl von BdV wie von der SPD begrüßte – jüngste Satzungsänderung der Sudetendeutschen Landsmannschaft und die Frage einer möglicher Entschädigung deutscher Zwangsarbeiter.

Düsseldorf. (dod) Die Bestandserhaltung von Expo-naten und museumspädago-gische Vermittlungsansätze in ostdeutschen Heimatstuben und Sammlungen waren Themen einer Fachtagung zu Beginn des Jahres im Düsseldorfer G e r h a r t -Hauptmann- Haus, an der zahlreiche Leiter und Betreuer von musealen Einrichtungen östli-cher Prägung teilnahmen. Die „Arbeitsgemeinschaft Ostdeutscher Museen, Hei-matstuben und Sammlungen in Nordrhein-Westfalen“ hat-te zu dieser Veranstaltung eingeladen, um Informatio-nen für den Erhalt von Kul-turgütern aus dem histori-schen deutschen Osten zu vermitteln und Impulse für zeitgemäße Vermittlungsfor-men in den Einrichtungen zu geben.Im ersten Teil der Tagung referierte Volker Hengst, Dip-lom-Restaurator beim Archiv-beratungs- und Fortbildungs-zentrum des Landschaftsver-bands Rheinland in Pulheim über bestandserhaltenden Umgang mit Exponaten. Der Schwerpunkt seines Refera-tes lag auf den Ursachen von Schäden und deren Vermei-dung, die er praxisnah vor-stellte. In der anschließenden lebhaf-ten Diskussion, an der sich engagierte Betreuer von Hei-matstuben beteiligten, stan-den Fragen nach geeigneten Behältnissen zur Lagerung von geretteten Dokumenten

Arbeitsgemeinschaft Ostdeutscher Museen, Heimatstuben und Sammlungen in NRW

und die oft nicht zufrieden-stellende Situation in den Magazinen im Vordergrund. Auf die Fragen der Tagungs-teilnehmer gab der Referent entsprechende Hinweise für eine Sicherung der Kulturgü-ter in der Zukunft.Aspekte der Verkehrs- und Industriegeschichte als muse-umspädagogische Vermitt-lungsansätze waren Thema des Direktors des Oberschle-sischen Landesmuseums in Ratingen-Hösel, Dr. Stephan Kaiser. Am Beispiel der ver-kehrsgeschichtlichen Ausstel-lung „Fahren, Gleiten, Rollen – Mobil sein im Wandel der Zeit“ verdeutlichte der Muse-umsdirektor, wie Beziehun-gen zwischen Verkehr, Gesellschaft, Technik und einer Region hergestellt wer-den können. Er wies darauf hin, dass es möglich sei, sich mit Interessenten für Modell-eisenbahnen auch über Bahn-strecken in ostdeutschen Landschaften zu unterhalten. Der mit vielfältigem An-schauungsmaterial dokumen-tierte Vortrag von Dr. Kaiser führte zu einem regen Gedankenaustausch unter den Tagungsteilnehmern. Die Impulse, Objekte in Heimat-stuben im historischen Kon-text zu präsentieren, fanden großen Anklang bei den Hei-matstubenbetreuern, und so wurde den Anwesenden eine Möglichkeit eröffnet, auch zukünftig die Bedeutung der Einrichtung weiterzuentwi-ckeln.Im Anschluss an die Fachta-gung fand die Mitgliederver-sammlung der 1989 gegrün-deten Arbeitsgemeinschaft

Ostdeutscher Museen, Hei-matstuben und Sammlungen in Nordrhein-Westfalen statt. Im Mittelpunkt der Versamm-lung stand die Wahl eines neuen Vorstandes. Eingangs würdigte der Vorstandsvorsit-zende, PD Dr. Winfrid Halder, die kontinuierliche Arbeit der Mitglieder, die ehrenamtlich zum Fortbestand der ostdeut-schen musealen Einrichtun-gen beitragen. Ferner berich-tete Dr. Halder, dass die Kreis-gemeinschaft Insterburg mit Sitz in der Patenstadt Krefeld

mit ihrem Heimathaus und die Kreisgemeinschaft Treu-burg mit Sitz in der Paten-stadt Leverkusen mir ihrem Archiv als neue Mitglieder in die Arbeitsgemeinschaft auf-genommen wurden. In den neuen Vorstand wurden gewählt: PD Dr. Winfrid Halder (GHH), Stefan Hein (BdV), Dr. Stephan Kaiser (OSLM), Mattias Lask, M.A. (GHH) und Nicola Remig, M.A. (Haus Schlesien).

Mattias Lask

Page 42: DOD 2/2015

42 DOD 02/2015Nachrichten

Einsatz für kulturelle Identität und Geschichte Landesversammlung des Landesverbandes NRW des BdV in Düsseldorf

Privat (3); BdV-Archiv (1); OMV (1)

Düsseldorf. (dod) Nach der Begrüßung der Teilneh-mer und nach der Toteneh-rung gab der Landesvorsit-zende Hans-Günther Parplies einen Bericht über die Arbeit des Verbandes im Jahre 2014 und einen Ausblick auf die zu künftigen Aufgaben. Er lobte die Geschlossenheit der Lan-desversammlung am 29. März 2014 bei der N e u w a h l des Vor-s t a n d e s . Alle Kandi-daten wur-den mit überzeugender Mehrheit gewählt, und Par-plies wertete es als besonde-ren Erfolg für NRW, mit Hein-rich Zertik einen Bundestags-abgeordneten für den Vor-stand gewonnen zu haben. Heinrich Zertik MdB hatte bereits bei der Tagung der Landesarbeitsgemeinschaft am 7. Februar 2015 seine Arbeit und seine Ziele vorge-stellt. Selbst Deutscher aus Russland, appellierte er an seine Landsleute und an alle Vertriebenen, sich für ihre kulturelle Identität einzuset-zen und ihre Geschichte in der heutigen Gesellschaft bewusst zu machen. Alle Ver-triebenen hätten ein enormes soziales Potential und einen kulturellen Schatz in die neue Heimat mitgebracht, so Zer-tik. Ihr Einsatz sei unverzicht-bar für das Miteinander mit den östlichen Nachbarn und für ein Europa der Zukunft.Im Anschluss sprach der Lan-desvorsitzende in seinem Jah-resbericht auch neuralgische

Punkte an. In den Berichten der Referate wurde das Ent-gegenkommen der Politik in NRW hervorgehoben. Die Landtagsfraktion der CDU hatte zu einem „Werkstattge-spräch“ am 17. Juni 2014 in den Landtag eingeladen, das die ehrenamtlichen Mitarbei-ter der Vertriebenen-Organi-sationen mit Experten zusam-menbringen sollte, die prakti-sche Hilfe zur Planung und Finanzierung förderungswür-diger Projekte nach § 96 BVFG geben sollten. Werner Jostmeier MdL, Beauftragter der CDU-Landtagsfraktion für Vertriebene und Aussied-ler, betonte dabei immer wie-der, dass die Kultur der Ver-triebenen, Flüchtlinge und Aussiedler als ein wichtiger Bestandteil der gesamten Kul-turarbeit in NRW behandelt und gepflegt werden müsse.Der Landesverband NRW des BdV sucht den Kontakt zur Verbandsspitze und zu dem neuen Präsidenten Dr. Bernd Fabritius, der am 7. Novem-ber 2014 die Nachfolge von Erika Steinbach MdB ange-treten hat. Der Vorsitzende stellte Dr. Bernd Fabritius vor, der dafür eintrete, dass das Vertreibungsschicksal im Bewusstsein der Öffentlich-keit verankert bleiben müsse.Am 20. November 2014 fand eine Feierstunde aus Anlass des 100. Geburtstages von Dr. Herbert Czaja (1914-1997) statt, gestaltet vom Landesverband NRW des BdV und vom Düsseldorfer Gerhart-Hauptmann -Haus. Der Historiker Dr. Guido Hit-ze stellte das Leben und die

Persönlichkeit des langjähri-gen Präsidenten des Bundes der Vertriebenen vor.Der 20. Juni ist zum „Ge denk tag für Op fer von Flucht und Ver trei bung“ erklärt worden. In den Aus-führungen des Landesvorsit-zenden und in der Ausspra-che wurde deutlich, dass die Besorgnis bestehe, die Bedeu-tung der deutschen Heimat-vertriebenen werde in einem allgemeinen Gedenken an Flüchtlinge weltweit unterge-hen. Dennoch einigte man sich darauf, dass die Kreisver-bände an den Gedenkstätten ihrer Wohnorte Kränze nie-derlegen und auf sich auf-merksam machen sollten.Die Probleme der Verbands-arbeit wurden in den Berich-ten der Bezirksvorsitzenden und in der Aussprache deut-lich. Der Vorsitzende des Bezirks Mitte, Alfred Kot-tisch, wies auf Kommunikati-onsprobleme hin und forder-te eine Verstärkung der elekt-ronischen Vernetzung. Die schlechte Kommunikation

zwischen den Kreisverbän-den und dem Landesverband beklagte auch Geschäftsfüh-rer Markus Patzke.Die Vorsitzende des Bezirks Nord, Roswitha Möller, konn-te sich zufrieden über die Ver-ständigung in ihrem Bezirk äußern, die durch die große Ausdehnung des Bezirks besonders schwierig, aber telefonisch und per E-Mail gut zu bewerkstelligen sei. Auch Stefan Rauhut als Ver-treter des Bezirks Süd konnte von starken Kreisverbänden berichten und zeigte sich erfreut, dass der Kreisverband Köln erfolgreich reaktiviert worden sei. In der Aussprache betonte Heinrich Zertik MdB noch einmal die Wichtigkeit der Arbeit des BdV und sprach sich nachdrücklich für einen hauptamtlichen Kulturrefe-renten aus. Hans-Günther Parplies dankte allen Anwe-senden für die kontinuierli-che Mitarbeit in schwieriger Zeit. Bärbel Beutner

Gut gefüllt war der Eichendorff-Saal des Düsseldorfer Gerhart- Hauptmann-Hauses bei der Landesversammlung des BdV NRW.

Page 43: DOD 2/2015

DOD 02/2015 43Nachrichten

PERSONALIEN

Dr. Josef Gonschior für Aufbauleistung in der deutschen Minderheit geehrt

Das Ratiborer Urgestein der deutschen Minderheit, Dr. Josef Gonschior, ist mit dem Bundesverdienstkreuz am Bande geehrt worden. Dies hat Bundespräsident Joachim Gauck am 22. Dezember 2014 beschlossen. Damit würdigt der Bundes-präsident u.a. Gonschiors Leistung beim Aufbau der Strukturen der deutschen Minderheit in Oberschlesien, aber auch schon sein Wirken zuvor, als die offizielle Gründung von Ver-einen und Verbänden der Deutschen in Polen noch verboten war. Der Zeitpunkt und Ort der Ehrung stehen noch nicht fest, doch der Bundesvorsitzende der Landsmannschaft der Oberschlesier Klaus Plaszczek freut sich: „Wir gratulieren schon einmal herzlich und sind erfreut, dass der Bundesprä-sident die Leistung unserer Landsleute jenseits von Oder und Neiße anerkennt. Sie hatten es vor der Wende letztlich schwerer als wir und mussten sich ihr Recht, sich als Deut-scher bekennen zu dürfen und ihre Muttersprach zu spre-chen, hart erkämpfen. Dennoch sind sie von Anfang an ein hervorragendes Bindeglied zwischen Deutschland und Polen gewesen“. Dr. Josef Gonschior ist über lange Zeit mit der Landsmannschaft der Oberschlesier verbunden. Bei den Tagen der Oberschlesier ist er genauso Stammgast wie bei anderen Veranstaltungen der Landsmannschaft. Mit der nordrhein-westfälischen Landesgruppe der Landsmann-schaft und ihrem langjährigen Vorsitzenden, Erhard Bull-mann pflegt er eine langjährige Zusammenarbeit. Diese hat schließlich auch den Antrag auf Verleihung des Bundesver-dienstkreuzes beim Auswärtigen Amt gestellt. Josef Gon-schior ist im vergangenen Jahr anlässlich der Oberschlesien-Reise des Bundestagsabgeordneten und gebürtigen Beuthe-ners Helmut Nowak mit der höchsten Ehrung der Lands-mannschaft der Oberschlesier, der goldenen Verbandsehren-nadel, ausgezeichnet worden.

Sauer und Zertik gemeinsam im CDU-Bundesvorstand

Ende Februar 2015 begrüßte der Bun-desvorsitzende der Ost- und Mitteldeut-schen Vereinigung der CDU/CSU (OMV) – Union der Vertriebenen und Flüchtlinge – Helmut Sauer (Salzgitter) den Bundes-tagsabgeordneten Heinrich Zertik (Schieder-Schwalenberg/Lippe) in dessen erster regulärer Sitzung des CDU-Bun-desvorstandes als „Mitstreiter“. Sauer, von 1972-1994 Bundestagsabgeordneter, arbeitet seit 25 Jahren kraft Amtes im Parteivorstand mit und ist stets ein Anwalt für die Anliegen der Vertriebenen und Flüchtlinge, aber auch der deutschen Aussiedler und Spät-aussiedler gewesen. Zertik wiederum ist der erste Vorsitzende des „Netzwerkes Aussiedler“ – des Nachfolgegremiums der „Aussiedlerbe-

auftragtenkonferenz“ in der CDU, die bislang vom Parla-mentarischen Staatssekretär Christoph Bergner MdB (Hal-le) geleitet worden ist. Zertik selbst ist Aussiedler aus Kasachstan. 2013 war er als erster Deutscher aus Russland in den Deutschen Bundestag eingezogen und ist auf der Klausurtagung 2015 im Januar in Hamburg aufgrund sei-ner neuen Funktion als Netzwerk-Vorsitzender (früher CDU-Aussiedlerbeauftragter) in den CDU-Bundesvorstand kooptiert worden. Beide lobten die CDU für deren erneut deutlich gewordene Bereitschaft, die Interessen der Aussiedler und Spätaus-siedler direkt in die Arbeit der wichtigsten Parteigremien einzubinden, und setzen die enge sowie freundschaftliche Zusammenarbeit fort.

Fabritius übernimmt den Vorsitz des Unterausschusses Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik

Auf der Sitzung des Unterausschusses für Auswärtige Kultur- und Bildungspoli-tik am 20. April ist der Münchner CSU-Bundestagsabgeordnete Dr. Bernd Fabri-tius zum Ausschussvorsitzenden gewählt worden. Er übernimmt damit die Nach-folge Dr. Peter Gauweilers im Auswärti-gen Ausschuss.„Durch mein langjähriges Engagement im Bereich des deutschen Kulturerbes im Ausland beschäftige ich mich schon seit geraumer Zeit mit Auswärtiger Kultur- und Bil-dungspolitik. Ich freue mich, dass ich diese Arbeit nun auch im Deutschen Bundestag vertiefen kann. Ich fühle mich sehr geehrt, zum Vorsitzenden dieses hochkarätigen Aus-schusses gewählt worden zu sein“, teilte Bernd Fabritius auf seiner Website mit.Fabritius war als Mitglied des Auswärtigen Ausschusses sowie des dazugehörigen Unterausschusses Auswärtige Kul-tur- und Bildungspolitik benannt worden. Er ist außerdem ordentliches Mitglied im Bundestagsausschuss für Men-schenrechte und humanitäre Hilfe.

Bundesverdienstkreuz für Dr. Michael PopovičAm 27. Feber 2015 überreichte in der Staatskanzlei in Wiesbaden Staatsminis-ter Stefan Grüttner das Bundesver-dienstkreuz 1. Klasse an den aus Nord-böhmen stammenden ehemaligen Haupt-geschäftsführer der Hessischen Ärzte-kammer Dr. Michael Popovič. Bei der Verleihung würdigte der Minister die Verdienste des Geehrten, der sich mit Erfolg dafür eingesetzt habe, dass in Hessen eine flächendeckende palliative Versorgung sowie deren finanzielle Absicherung möglich gemacht wurden. Popovič entwickelte mit verschiedenen anderen Trägern ein Curriculum für die Qualifizierung ehrenamtlicher Laien, Fachkräfte und Ärzte.

Page 44: DOD 2/2015

44 DOD 02/2015Nachrichten

Galenski (1)

Prädikat „Künstlerisch wertvoll“Ostpreußen in Spiel- und Dokumentarfilmen vor 1945

Bad Pyrmont.(dod) Insge-samt sieben Filme mit ostpreußischer Thematik standen auf dem Programm eines Seminars, das die Landsmannschaft Ostpreu-ßen gemeinsam mit dem Bundesarchiv durchführte. Der Zeitplan war straff organi-siert, die Teilnehmer diszipli-niert, nur selten kam die gro-ße Glocke des Seminarleiters Dr. Sebastian Husen zum Ein-satz. Der Geschäftsführer der LO hatte sich Unterstützung bei Evelyn Hampicke vom Bundesarchiv-Filmarchiv geholt. Die Teilnehmer betrachteten die Filme unter unterschiedli-chen Aspekten. Zum einen waren das Bilder der Kind-heit, dem Ost-preußen, das man aus den Erzählungen der älteren Familienmit-glieder kennt. Zum anderen war da aber auch die Sichtweise auf das, was an Zeitgeschichte und ideologischen Aussagen transportiert wurde. Die Pro-vinz war mit ihrer Insellage eine beliebte Bühne für span-nende Geschichten. Der Ost-preuße war der gute, heimat-treue Deutsche, ihm gegen-über agierte der böse, ent-wurzelte Eindringling. Der erste Film trug den Titel „Tannenberg“. Untertitel: Ein Film nach Dokumenten über die Schlacht von Tannenberg. Die Außenaufnahmen für den Streifen wurden im Som-mer 1932 an den Masuri-schen Seen, die Innenaufnah-men in den Ufa-Ateliers in Babelsberg abgedreht. Der Film ist so durch das militäri-

sche Geschehen geprägt, dass die Handlung zur Nebensa-che wird.Der Film spielt im August 1914. Den geschwächten deutschen Truppen in Ost-preußen stehen übermächti-ge russische Verbände gegen-über. Die von Hindenburg geführte 8. deutsche Armee siegt bei der Schlacht von Tannenberg über die russi-sche Narew-Armee. Der Film wurde am 31.08.1932 in Wien und am 27.09.1932 im Berliner Primus-Palast urauf-geführt.Doch bevor es so weit war, griff die Zensur ein, das Ver-fahren vor der Filmprüfstelle dauerte einige Tage. Reichs-präsident Paul von Hinden-burg war mit zahlreichen Szenen, die seine Person dar-stellten, nicht einverstanden. Er war besorgt um die öffent-liche Ordnung und das Anse-hen seiner Person als amtie-render Reichspräsident. Der Film gefährde auch das deut-sche Ansehen und verletze lebenswichtige Interessen des Staates, argumentierte Hin-denburg. Daraufhin wurden fast alle Szenen mit dem Generalfeldmarschall gestri-chen.Der zweite Film trug den Titel „Die Sporkschen Jäger“. Das Drehbuch entstand in Anlehnung an den Roman „Das Bataillon Sporck“ von Richard Skowronek. Der Streifen, ein Wilderer- und Militärroman, ist ein Vorbote der zahlreichen Heimatfilme der 1950er Jahre. 1934 uraufgeführt war er militär-kritisch und humorvoll zu-gleich. Vermutlich haben die Seminarbesucher im „Ost-heimkino“ an den gleichen

Stellen gelacht wie die Premi-erenzuschauer vor 81 Jahren. Der folgende Film spielte in der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg. Mit dieser Produk-tion sollte der kriegerische Einsatz sogenannter Frei-korps gerechtfertigt werden. Auch wenn die Handlung des Films in Ostpreußen spielt, so wurde er vollständig in den Münchener Bavaria-Ateliers gedreht. Der Titel: „Henker, Frauen und Solda-ten“ – ein Kriegsdrama mit viel Säbel, Blut und Liebe. Mit Blut ging es dann weiter. In „Junges Blut“ von 1936 drehte sich alles um das Leben auf dem Bauernhof. Unterschwellig transportierte der Film die Heroisierung des Bauerntums und das Werte-schaffen durch Handarbeit. Interessant nicht nur, dass es bei diesem Film keine Atelieraufnahmen gab, son-dern auch masurische Be-wohner kleine Rollen über-nahmen.Die Kritik in „Welt im Film“ lautet: „Ein Film Ma-surens: Junges Blut. Eine erfolgreiche

Königsberger Welturauf-füh-rung in den Alhambra-Licht-spielen. Ein Film mit dem Prädikat „Volksbildend“ und „künstlerisch wertvoll“. Der fünfte Film war die Romanverfilmung von Hermann Sudermann „Der Katzensteg“. Einer der Seminarteilnehmer kommentierte den Film: „Mut-ter und Vater kannst du totschla-gen, das ist schlimm ... aber das Vaterland zu verraten ist viel, viel schlimmer.“Der nächste Film trug den Titel „Heimweh“ – ein ost-preußischer Heimatfilm aus dem Jahr 1937 mit schönen Aufnahmen der Kurischen Nehrung.

Der Abschlussfilm „Reitet für Deutschland“ war ein großer Kassenerfolg für die Filmema-cher. Die Premiere fand 1941 in 24 deutschen Städten gleichzeitig statt. Dieser „staatspolitisch wertvolle Film“ wurde nach einer wah-ren Begebenheit zum Anden-ken an den Rittmeister Frei-herr von Langen gedreht.

Andreas Galenski

Zum Kinosaal wurde der Kant-Saal im Ostheim in Bad Pyrmont für ein gemeinsames Seminar der Landsmannschaft Ostpreußen mit dem Bundesarchiv.

Page 45: DOD 2/2015

DOD 02/2015 45Aus den Verbänden

Mai

Fr.-So. 01.-03.05. LM Westpreußen Frühjahrstagung, HannoverDi. 05.05. Bund der Vertriebenen, Jahresempfang, Haus der Bundespressekonferenz, BerlinDi. 05.05. Bund der Vertriebenen, Bundesausschuss, BerlinDi. 05.05. Bund der Heimatvertriebenen Landesverband Thüringen, Zentrale GedenkveranstaltungFr.-Mo. 22.-25.05. Akademischer Freundeskreis Danzig-Westpreußen, Jahrestagung, BarendorfFr.-So. 22.-24.05. Sudetendeutsche LM, Sudetendeutscher Tag mit Internationalem Menschenrechts-Kongress: „Menschenrechte ohne Grenzen“, AugsburgFr.-Mo. 22.-25.05. Verband der Siebenbürger Sachsen in Deutschland Heimattag der Siebenbürger Sachsen, DinkelsbühlDo.-So. 28.-31.05. LM Weichsel-Warthe, Kulturtagung des Hilfskomitees der Galiziendeutschen, Lambrecht Fr.-Sa. 29.-30.05. BdV LV Baden-Württemberg, Kulturelle Landestagung der heimatvertriebenen FrauenFr.-So. 29.-31.05. LM der Banater Schwaben, Kulturtage der Deutschen im Banat, Temeswar, RumänienFr.-So. 29.-31.05. Deutsch-Baltische Gesellschaft, Bundestreffen, DarmstadtSa. 30.05. BdV LV Hessen, 55. Hessentag, Tag der Vertriebenen, Hofgeismar

Juni

So.-So. 07.-14.06. LM Ostpreußen, Werkwoche in Ostpreußen, AllensteinFr. 12.06. LM Weichsel-Warthe, Bundesversammlung der LM Weichsel-Warthe, LangenselboldSa. 13.06. LM der Banater Schwaben, Bundesweites DBJT Sportturnier, CrailsheimSa. 13.06. BdV LV Niedersachsen, Landesdelegiertenversammlung, HannoverFr. 19.06. BdV Bundesverband, Bundesversammlung, BerlinSa. 20.06. Bund der Heimatvertriebenen Landesverband Thüringen, Vereinstag BdV Thüringen, ErfurtSa.-So. 20.-21.06. LM Schlesien, Deutschlandtreffen der Schlesier, Hannover

Juli

Fr.-So. 17.-19.07. LM der Banater Schwaben, Bundesweites Jugendzeltlager, WörnitzSo. 26.07. LM Schlesien, Mutter-Anna-Wallfahrt der Schlesier, Velbert-Neviges (Mariendom)

August

Sa.-Sa. 01.-08.08. Bund der Heimatvertriebenen Landesverband Thüringen, Kinderfreizeit, SuhlSo. 02.08. LM der Banater Schwaben, Deutsche Wallfahrt Maria Radna, Maria Radna/Banat, RumänienMo.-Do. 03.-06.08. BdV LV Hessen, Kulturelle Sommertage, Wiesbaden-NaurodMi. 05.08. BdV LV Baden-Württemberg, Chartafeier, Gedenktafel vor dem Neuen Schloss/StuttgartDo.-Mo. 20.-24.08. Pommersche Landsmannschaft, Kulturtagung des Pommerschen Kreis- und StädtetagesSa. 29.08. BdV Bundesverband, Zentrale Auftaktveranstaltung zum Tag der Heimat, Berlin/UraniaSa. 29.08. BdV Bundesverband, Kranzniederlegung, Berlin/Theodor-Heuss-PlatzFr.-So. 04.-06.09. Bund der Danziger, Tag der Danziger, Danzig

Termine derMitgliedsverbändeAlle dem Bundesverband gemeldeten Termine für die kommenden Monate

Page 46: DOD 2/2015

46 DOD 02/2015Nachrichten

Herausgeber und Verlag: Bund der Vertriebenen – Vereinigte Landsmannschaften und Landesverbände e.V.

Anschrift: Godesberger Allee 72–74 53175 Bonn Telefon: (0228) 810 07-26/28 Telefax: (0228) 810 07-50/52 E-Mail: [email protected] Internet: www.Bund-der- Vertriebenen.de

Bankverbindung: Commerzbank BIC: COBADEFFXXX

IBAN: DE59 3804 0007 0111 7043 00

Chefredaktion: Markus Patzke

Layout: Print PrePress GmbH & Co. KG Am Hambuch 17 53340 Meckenheim Telefon: (02225) 88 93 330

Druck: DCM Druck Center Meckenheim GmbH Werner-von-Siemens-Str. 13 53340 Meckenheim Telefon: (02225) 88 93 550

Erscheinungsweise: zweimonatlich

Bezugspreis im Jahresabonnement: 48,- Euro für BdV-Mitglieder 36,- Euro

Abdruck nach Vereinbarung. Die mit Namen oder Chiffre gezeichneten Artikel geben nicht unbedingt die Meinung des Herausgebers wieder.

Für unverlangt eingesandte Manuskripte, Fotos, Bespre-chungsexemplare etc. wird keine Haftung übernommen.

IMPRESSUMBeibehaltung des Bayerischen Gedenktages

München. (dod) „Mit dem Festakt zum Gedenken an die Opfer von Flucht, Vertrei-bung und Deportation hat der Freistaat Bayern im ver-gangenen Jahr bundesweit Maßstäbe gesetzt“, erklärt Josef Zellmeier, stellvertreten-der Vorsitzender der CSU-Fraktion im Bayerischen Landtag und Vorsitzender der Arbeitsgruppe Vertriebene, Aussiedler und Partner-schaftsbeziehungen. Gerade in Zeiten, in denen die Welt von Unsicherheiten, kriegeri-schen Auseinandersetzungen und Flucht geprägt ist, kom-me der Erinnerung an die Geschehnisse und das Leid während und nach dem Zweiten Weltkrieg besondere Bedeutung zu. So kommen-tiert der Abgeordnete aktuel-le Diskussionen, wie in Bay-ern nach der von der CSU schon lange geforderten Ein-führung eines nationalen Gedenktages weiter vorge-gangen werden soll. Nach der positiven Resonanz auf den Festakt 2014 sowohl von Seiten der Vertriebenenverbände als auch der Öffentlichkeit haben Staatsregierung und CSU-Fraktion bereits deutlich zum Ausdruck gebracht, dass eine Fortführung des Gedenktages angestrebt werde. „Die enge Beziehung zu den Vertriebenen ist ein zentrales Merkmal Bayerns, das wir in einem eigenständigen bayeri-schen Gedenktag pflegen und aufrechterhalten wol-len“, so Zellmeier. Neben dem im Juni 2015 erstmals angesetzten nationalen Gedenktag werde daher am zweiten Septemberwochen-ende auch wieder ein bayeri-scher Festakt stattfinden. Nach den Erfahrungen in die-sem Jahr werde die künftige

Ausgestaltung und die zeitli-che Abfolge der Gedenktage in enger Abstimmung mit den Vertriebenenverbänden festgelegt, betont Hopp.

Zu Gast beim Präsidenten

Berlin. (dod) Bundespräsi-dent Joachim Gauck hat Hans-Jörg Froese, Mitglied des Bundesvorstandes der Landsmannschaft Ostpreu-ßen (LO) und Präsident der Prussia, Gesellschaft für Geschichte und Landeskun-de Ost- und Westpreußens e.V., im Schloss Bellevue empfangen. Dabei hat Froese dem Staatsoberhaupt ein Buch über die Kurische Neh-rung überreicht.Der von der Prussia-Gesell-schaft herausgegebene Band mit dem Titel „Die Kurische Nehrung – Melancholie einer Landschaft“ präsentiert eine Auswahl von Bildern der Potsdamer Fotografin Moni-ka Schulz-Fieguth, die mit literarischen Texten ver-knüpft sind, deren Verfasser einen Bezug zu dieser beson-deren Landschaft haben, unter ihnen auch einige litau-ische Dichter. Anlass für die Buchübergabe war ein „Lite-rarischer Abend“ zu Ehren des vor 50 Jahren verstorbe-nen Dichters Johannes Bobrowski im Amtssitz des Bundespräsidenten. Bobrow-ski, im Jahre 1917 in Tilsit geboren, lebte ab 1949 in Ost-Berlin. Im Jahre 1961 veröffentlichte er seinen ers-ten Gedichtband mit dem Titel „Sarmatische Zeit“. Die-ses und auch seine folgenden Bücher erschienen sowohl in der DDR wie der Bundesre-publik. Bobrowski stand in Kontakt zur Westberliner Literaturszene und zur Grup-pe 47. Seine Texte, für die er mehrfach ausgezeichnet wur-de, wurden in über 35 Spra-chen übersetzt.

Unna-Massen muss Erinnerungs-stätte werden

Düsseldorf. (dod) „Wir geben die Hoffnung auch nach der Debatte im Landtag nicht auf, dass die ehemalige Landesstelle Unna-Massen zu einer Gedenkstätte und einem Dokumentationszent-rum zur Erinnerung an die Vertreibung vieler Deutscher nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges umgestaltet wird“, so der Landesvorsit-zende der Ost-und Mittel-deutsche Vereinigung (OMV) der CDU NRW, Heiko Hend-riks.Unabhängig von den teilwei-se nicht fundierten Stellung-nahmen einzelner De-batten-redner hat zumindest die zuständige Kulturministerin Ute Schäfer (SPD) in der Debatte deutlich gemacht, dass ihr Ministerium derzeit an der Erarbeitung neuer Konzepte zum weiteren Umgang mit dem Thema „Kulturpflege der Vertriebe-nen“ arbeite. Unbestritten bleibt für die OMV NRW, dass die Lan-desstelle Unna-Massen für deutsche Flüchtlinge, Vertrie-bene und Spätaussiedler aus den historischen deutschen Ostgebieten und Mittel- und Osteuropa aufgrund ihrer Geschichte nach wie vor der ideale Ort für eine Erinne-rungsstätte ist. Fakt bleibt doch, dass die im Jahre 1951 errichtete Landesstelle Unna-Massen für ca. 2,5 Millionen Flüchtlinge und Vertriebene nach den Schrecken der nati-onalsozialistischen Gewalt-herrschaft eine erste sichere Anlaufstelle in Nordrhein-Westfalen bot. Neben den Vertriebenen kamen im Laufe der Jahrzehnte hunderttau-sende Menschen nach Unna-Massen, insbesondere aus den Nachfolgestaaten der ehemaligen Sowjetunion.

Page 47: DOD 2/2015

Kataloge zu Ausstellungen der Stiftung Zentrum gegen Vertreibungen

Deutsches Leben in Mittel- und Osteuropa

Zentrum gegen Vertreibungen

Die Integration der Vertriebenen in Deutschland

Zentrum gegen Vertreibungen

Angekommen

12,95 € Einzelkatalog30,00 € Katalogsammlung35,00 € Katalogsammlung im Schuber5,00 € Schuber

Die Kataloge zur Ausstellung können online unter [email protected] oder beimZentrum gegen Vertreibungen Organisationsbüro Godesberger Allee 72–74, 53175 Bonn Tel.: 0228 / 81 007 30, Fax: 0228 / 81 007 52bestellt werden.

Page 48: DOD 2/2015

Jetzt auch als DVD

im Handel erhältlich!