effekte des aktiven chorsingens auf den emotionalen zustand
TRANSCRIPT
Janina Kropfitsch
Effekte des aktiven Chorsingens auf den
emotionalen Zustand
Eine Untersuchung an fünf Kärntner Chören
DIPLOMARBEIT
zur Erlangung des akademischen Grades
Magistra der Naturwissenschaften
Diplomstudium Psychologie
Alpen-Adria-Universität Klagenfurt
Fakultät für Kulturwissenschaften
Begutachterin: Mag.a Dr.in Sabine Strauß
Institut für Psychologie
Juli 2011
2
Ehrenwörtliche Erklärung
Ich erkläre ehrenwörtlich, dass ich die vorliegende wissenschaftliche Arbeit
selbstständig angefertigt und die mit ihr unmittelbar verbundenen Tätigkeiten
selbst erbracht habe. Ich erkläre weiters, dass ich keine anderen als die
angegebenen Hilfsmittel benutzt habe. Alle aus gedruckten, ungedruckten
oder dem Internet im Wortlaut oder im wesentlichen Inhalt übernommenen
Formulierungen und Konzepte sind gemäß den Regeln für wissenschaftliche
Arbeiten zitiert und durch Fußnoten bzw. durch andere genaue Quellen-
angaben gekennzeichnet. Die während des Arbeitsvorganges gewährte
Unterstützung einschließlich signifikanter Betreuungshinweise ist vollständig
angegeben.
Die wissenschaftliche Arbeit ist noch keiner anderen Prüfungsbehörde
vorgelegt worden.
Diese Arbeit wurde in gedruckter und elektronischer Form abgegeben. Ich
bestätige, dass der Inhalt der digitalen Version vollständig mit dem der
gedruckten Version übereinstimmt.
Ich bin mir bewusst, dass eine falsche Erklärung rechtliche Folgen haben
wird.
Lambichl, Juli 2011
3
Vorwort
Die Musik ist schon lange meine konstante Weggefährtin. Neben dem
Klavierspiel begleitet mich im Speziellen das Chorsingen seit meinem vierten
Lebensjahr bis heute. Ich hatte die Möglichkeit in unterschiedlichsten
Chören mitzuwirken, da ich einen Kindergarten, eine Volksschule und ein
Gymnasium mit musikalischer Schwerpunktsetzung besuchte. In allen drei
Institutionen wurde viel Wert auf das gemeinsame Singen gelegt und immer
wieder wurden erfolgreich große und kleine Chorprojekte umgesetzt.
Während meines Psychologiestudiums an der Alpen-Adria-Universität
Klagenfurt absolvierte ich ein Auslandssemester in Florenz (Italien) und
schloss mich dem dortigen Universitätschor („Coro Universitario di Firenze“)
an. Dieses plötzliche Zugehörigkeitsgefühl zu einer Gruppe, die Gemein-
schaft und die gemeinsame Freude am Singen zählen zu den schönsten
Erfahrungen dieses Lebensabschnittes. Als Mitglied des italienischen
Universitätschores besuchte ich auch mein erstes großes internationales
Chorfestival im Hochpustertal (Südtirol), eine einmalige musikalische Ver-
anstaltung und persönliche Erfahrung.
Auf Basis dieser „Vorerfahrungen“ wurde ich durch die Lehrveranstaltung
„Musik und Emotionen“ von Frau Mag.a Dr.in Sabine Strauß zum
vorliegenden Diplomarbeitsthema inspiriert. Ich bin sehr froh das Thema
gewählt zu haben und die nötige Konsequenz aufgebracht zu haben das
Thema zu bearbeiten, weil ich dabei viel Neues lernen durfte.
Für die fachkompetente Begleitung und die Möglichkeit das gewählte Thema
umsetzen zu können möchte ich mich bei Mag.a Dr.in Sabine Strauß herzlich
bedanken. Ebenso gilt mein Dank allen Kärntner Chören, die an meiner
Studie teilgenommen haben.
4
Für das Korrekturlesen und die konstruktiven Anmerkungen möchte ich mich
herzlich bei C. bedanken. Herzlichen Dank auch an M. für die Hilfe bei
statistischen Fragen.
Im Besonderen möchte ich mich bei meiner Familie, meinem Freund und
allen guten Freundinnen und Freunden bedanken, die mir immer
unterstützend zur Seite gestanden sind.
„In jede hohe Freude mischt sich eine Empfindung der Dankbarkeit“
(Marie von Ebner-Eschenbach1)
Juli 2011 Janina Kropfitsch
1 Ebinger, K., Kliman, F., & Moshammer F. (2011). Christliche Weisheiten. Zugriff am Mai
12, 2011, verfügbar [unter] http://www.familienperspektiven.at/38/01338010.html
5
Abstract
[Effects of active choir singing on the emotional state. An investigation
of members of five Carinthian choirs]
The presented master’s thesis investigates the effects of active choir singing
on the emotional state of choir members. A detailed presentation of
theoretical perspectives and approaches is followed by an empirical
investigation of 102 members (N=102) of five Carinthian choirs. Each choir
member is randomly assigned to either the group of active choir singers
(group A) or the group of active choir listeners (group B). Using a
questionnaire, handed out to both groups before and after rehearsal, the
emotional state of the participants is assessed. The investigation is
completed by a number of socio-demographic questions and two open
questions. Qualitative and quantitative methods are used to analyse the
data. The results indicate significant effects of choir singing on the
attendees. Active choir singing (group A) immediately leads to a significant
increase in Positive Affect (PA), whereas the Negative Affect (NA) is
reduced. In contrast, the Positive Affect of active listening people (group B)
decreases significantly while the Negative Affect increases. These results
show that active choir singing positively influences the emotional state of the
singers.
6
Zusammenfassung
Die vorliegende Diplomarbeit erforscht die Effekte des aktiven Chorsingens
auf den emotionalen Zustand. Nach ausführlicher Darstellung theoretischer
Sichtweisen und Ansätze zum Thema wird die empirische Untersuchung
vorgestellt. Die Stichprobe enthält Mitglieder (N=102) von fünf Kärntner
Chören. Jedes Chormitglied wird zufällig einer der beiden Gruppen, aktive
Chorsängerinnen und Chorsänger (Gruppe A) oder aktive Zuhörerinnen und
Zuhörer (Gruppe B) zugeteilt. Der emotionale Zustand der Teilnehmenden
wird mittels Fragebogenverfahren vor und nach der Probe (in beiden
Gruppen) erfasst. Zusätzlich werden einige soziodemographische Fragen
und zwei offene Fragen gestellt. Zur Auswertung der Daten werden sowohl
qualitative als auch quantitative Methoden eingesetzt. In den Ergebnissen
zeigen sich signifikante Effekte des Chorsingens. Das aktive Chorsingen
(Gruppe A) bewirkt eine unmittelbare signifikante Steigerung des positiven
Affekts (PA), während der negative Affekt (NA) reduziert wird. Das aktive
Zuhören (Gruppe B) zeigt im Vergleich zum aktiven Chorsingen (Gruppe A)
eine unmittelbare signifikante Verminderung des positiven Affekts, während
der negative Affekt gesteigert wird. Diese Ergebnisse zeigen, dass aktives
Chorsingen einen positiven Einfluss auf den emotionalen Zustand der
Chormitglieder haben kann.
7
Inhaltsverzeichnis
EHRENWÖRTLICHE ERKLÄRUNG ................................................... 2
VORWORT .......................................................................................... 3
ABSTRACT ......................................................................................... 5
ZUSAMMENFASSUNG....................................................................... 6
INHALTSVERZEICHNIS ..................................................................... 7
ABBILDUNGSVERZEICHNIS ............................................................. 9
TABELLENVERZEICHNIS ................................................................ 10
EINLEITUNG ..................................................................................... 11
1 THEORETISCHER TEIL ............................................................ 16
1.1 CHORSINGEN ........................................................................ 17
1.1.1 Begriffsdefinition .............................................................. 17
1.1.2 Historische Entwicklung .................................................. 20
1.1.3 Chorwesen in Kärnten ..................................................... 21
1.1.4 Singen und Gemeinschaft ............................................... 23
1.1.5 Neurophysiologische Aspekte des Singens .................... 26
1.1.6 Effekte beim Singen ........................................................ 28
1.2 EMOTIONEN .............................................................................. 30
1.2.1 Begriffsdefinition .............................................................. 30
1.2.2 Emotionstheorien ............................................................ 35
1.2.3 Ansätze in der Emotionsforschung .................................. 38
1.3 MUSIK UND EMOTIONEN ............................................................ 40
1.4 EMOTIONEN BEIM CHORSINGEN.................................................. 44
1.5 STAND DER FORSCHUNG ........................................................... 46
8
2 EMPIRISCHER TEIL .................................................................. 49
2.1 EXPLIKATION DER FRAGESTELLUNGEN UND HYPOTHESEN ............ 50
2.2 FORSCHUNGSDESIGN ................................................................ 52
2.3 BESCHREIBUNG DER STICHPROBE .............................................. 55
2.4 METHODIK DER STUDIE ............................................................. 58
2.4.1 Erhebungsmethoden ....................................................... 58
2.4.2 Auswertungsmethoden .................................................... 63
2.5 ERGEBNISSE ............................................................................ 66
2.5.1 Soziodemographische Daten .......................................... 66
2.5.2 Positive and Negative Affect Schedule (PANAS) ............ 71
2.5.3 Qualitative Inhaltanalyse ................................................. 73
2.5.4 Persönliche Beobachtung ............................................... 78
2.6 INTERPRETATION DER ERGEBNISSE ............................................ 80
2.6.1 Soziodemographische Daten .......................................... 80
2.6.2 Positive and Negative Affect Schedule (PANAS) ............ 83
2.6.3 Qualitative Inhaltsanalyse ............................................... 85
2.6.4 Persönliche Beobachtung ............................................... 90
2.7 PERSÖNLICHE EINSCHÄTZUNG UND KRITIK .................................. 91
3 SCHLUSSBEMERKUNG UND AUSBLICK ................................ 92
LITERATURVERZEICHNIS .............................................................. 94
ANHANG ......................................................................................... 102
INSTRUKTION ................................................................................. 102
SOZIODEMOGRAPHISCHE DATEN ..................................................... 103
OFFENE FRAGEN ............................................................................ 104
POSITIVE AND NEGATIVE AFFEKT SCHEDULE (PANAS) ..................... 105
9
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Gospelchor ……………………………………………………… 11
Abbildung 2: Graphische Darstellung der unabhängigen (UV)
und abhängigen Variablen (AV) ………………………………. 53
Abbildung 3: Häufigkeitsangaben des Familienstandes …………………… 66
Abbildung 4: Prozentangaben für die Dauer des Chorsingens …………… 68
Abbildung 5: Häufigkeitsangaben des körperlichen Nutzens
(physical benefits) ……………………………………………… 69
Abbildung 6: Häufigkeitsangaben des emotionalen Gewinnes
(emotional benefits) .............................................................. 69
Abbildung 7: Häufigkeitsangaben des sozialen Nutzens
(social benefits) ………………………………………………… 70
Abbildung 8: Mittelwerte (Standardabweichung) des Positiven Affekts
für die zwei Bedingungen: Gruppe A (aktives Singen) und
Gruppe B (aktives Zuhören) …………………………………... 72
Abbildung 9: Mittlere Ränge des Negativen Affekts für die
zwei Bedingungen: Gruppe A (aktives Singen)
und Gruppe B (aktives Zuhören) ……………………………... 73
Abbildung 10: Kategorienbildung I …………………………………………… 75
Abbildung 11: Kategorienbildung II (Gruppe A) …………………………….. 76
Abbildung 12: Kategorienbildung III (Gruppe B) ……………………………. 77
10
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Häufigkeits- und Prozentangaben
hinsichtlich der Ausbildung ……………………………………….. 67
Tabelle 2: Induktive Kategorienbildung und
Darstellung der Nennungshäufigkeit I ....................................... 74
Tabelle 3: Induktive Kategorienbildung und
Darstellung der Nennungshäufigkeit II (Gruppe A) ……………. 76
Tabelle 4: Induktive Kategorienbildung und
Darstellung der Nennungshäufigkeit III (Gruppe B) …………… 77
11
Einleitung
„Music is the universal language of mankind“
(Longfellow, zitiert nach Nettl, 1983, S. 422)
Abbildung 1. Gospelchor3
Ob unter der Dusche, beim Autofahren oder bei der gemeinsamen
Chorprobe, Singen bessert die Stimmung, hat eine gesundheitsfördernde
Wirkung und bringt Entspannung mit sich. Was aktuelle Studien berichten,
soll in der vorliegenden Diplomarbeit dargestellt werden. Die Arbeit widmet
sich dem gemeinschaftlichen Singen, dem Chorgesang. Dabei sollen die
Effekte des aktiven Chorsingens auf den emotionalen Zustand von
Chormitgliedern exploriert werden.
Nach einer ausführlichen Beschäftigung mit den Definitionen der
Grundbegriffe im theoretischen Teil der vorliegenden Diplomarbeit, erörtert
die darauf aufbauende empirische Untersuchung zwei Forschungsfragen,
die auf der nächsten Seite vorgestellt werden. Alle am Versuch teil-
nehmenden Personen werden per Zufall einer der beiden Gruppen, Gruppe
A (aktive Chorsängerinnen und Chorsänger) oder Gruppe B (aktive
2 Nettl, B. (1983). The study of ethnomusicology: thirty-one issues and concepts.
Champaign: University of Illinois Press. 3 Zugriff am Juni 11, 2011, verfügbar [unter]
http://www.thenewblackmagazine.com/Photofiles/soweto_gospel_choir.jpg
12
Zuhörerinnen und Zuhörer), zugeteilt. Die empirische Untersuchung wird an
insgesamt 102 Mitgliedern von fünf Kärntner Chören durchgeführt.
Als zentrales Forschungsthema werden die positiven und negativen
Affekte aktiven Chorsingens denen aktiven Zuhörens gegenübergestellt. Die
erste Forschungsfrage widmet sich dem Unterschied zwischen der Gruppe A
(aktiven Chorsängerinnen und Chorsängern) und der Gruppe B (aktiven Zu-
hörerinnen und Zuhörern) hinsichtlich ihres unmittelbaren positiven Affekts
(PA). Die zweite Forschungsfrage untersucht den Unterschied zwischen der
Gruppe A (aktiven Chorsängerinnen und Chorsängern) und der Gruppe B
(aktiven Zuhörerinnen und Zuhörern) hinsichtlich ihres unmittelbaren ne-
gativen Affekts (NA).
Als Methode werden ein quantitatives und ein qualitatives Vorgehen
gewählt. Neben der Erhebung von soziodemographischen Daten wird als
quantitative Methode ein bewährtes Fragebogenverfahren verwendet. Der
Fragebogen „Positive and Negative Affect Schedule“ (PANAS)4, wird zu zwei
Messzeitpunkten eingesetzt. Das qualitative Vorgehen bezieht sich auf zwei
zusätzlich gestellte offene Fragen im Fragebogen, die mittels qualitativer
Inhaltsanalyse ausgewertet werden.
Dem Chorsingen wird heutzutage eine steigende Popularität zuge-
schrieben. Durch Initiativen wie „Österreich singt“5, eine ORF Kooperation
zwischen den Wiener Festwochen 2011 und dem Chorverband Österreich,
konnten via Liveübertragung vom Wiener Rathausplatz sowie Live-
zuschaltungen von den einzelnen Bundesländern, viele Bewohner Öster-
reichs in den Genuss des Chorklanges kommen. Alle Teilnehmerinnen und
Teilnehmer, wie auch das Publikum vor Ort und zuhause vor den Bild-
4 Krohne, H. W., Egloff, B., Kohlmann, C.-W., & Tausch, A. (1996). Untersuchungen mit
einer deutschen Version der „Positive and Negative Affect Schedule“ (PANAS). Diagnostica,
42, Heft 2, 139-156. 5 Chorwettbewerb des ORF in Kooperation mit den Wiener Festwochen und dem
Chorverband Österreich. Österreich singt. Zugriff am Juni 18, 2011, verfügbar [unter]
http://www.chorverband.at/downloads/pressemappe%20oesterreich%20singt.pdf
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schirmen wurde aufgefordert aktiv mitzusingen. Ziel dieser Veranstaltung
war es, den größten Chor Österreichs zu bilden, um gemeinsam Beethovens
„Ode an die Freude“ zu singen. Die Thematik des Chorsingens wurde auch
filmisch immer wieder aufgegriffen. Der Musikfilm „Wie im Himmel (Så som i
himmele)“ beispielsweise lockte zahlreiche Menschen in die heimischen
Kinos. Die schwedische Zeitschrift „Expressen“ schreibt dazu: „Der Film
bringt und weckt starke Gefühle. Die Musik fließt wie eine religiöse Urkraft.
Am Ende geht man glücklich aus dem Kino“ (Pollak, 2004, S. 256). Auch
aktuelle Studien widmen sich diesen positiven Stimmungen (Glücks-
gefühlen, Freude), die durch das Chorsingen entstehen.
Die Aktualität des Themas ergibt sich aus Ergebnissen verschiedener
Studien zum Chorgesang (zum Beispiel Kreutz et al., 2004, sowie Clift &
Hancox, 2001). Die Forschungsergebnisse zeigen auf, welchen positiven
Beitrag das Chorsingen zum menschlichen Leben leisten kann. Daraus
ergibt sich eine hohe Relevanz des Themas hinsichtlich physiologischer,
emotionaler, sozialer sowie spiritueller Aspekte.
Die Relevanz des Chorsingens hinsichtlich bildungs- und
kulturpolitischer Aspekte beleuchten Bastian und Fischer (2006):
Qualifizierte Laienmusik steht als Synonym für musikalische Bildung
und Kultur auf denkbar breitester Ebene; sie ist der Inbegriff aller
nichtprofessionell musikalisch aktiven Menschen und sie schließt eine
Millionenschar ein. Insofern ist sie die größte nicht-formelle Bildungs-
institution unserer Gesellschaft und von kaum einschätzbarem Wert.
Chorsingen sollte unverzichtbar im Bildungsanspruch des Menschen
im Sinne des Menschseins werden, Singen in seiner gesamten Breite
zu fördern muss unwiderruflicher Auftrag eines Staates, einer
Gesellschaft, einer demokratischen Kultur sein. (S. 42)
6 Pollak, K. (2004). Wie im Himmel. Presseheft. Zugriff am Mai 13, 2011, verfügbar [unter]
http://www.wie-im-himmel-derfilm.de/Presseheft.pdf
14
Die vorliegende Diplomarbeit gliedert sich in zwei Hauptteile. Der
erste Teil widmet sich der Exploration kontextbezogener theoretischer
Grundlagen. Darauf aufbauend wird im zweiten Teil systematisch und
detailliert die durchgeführte empirische Untersuchung vorgestellt.
Der theoretische Teil beginnt mit einem Kapitel zum Thema
Chorsingen. Als Grundlage werden Begriffsdefinitionen und historische
Entwicklung des Chorsingens skizziert. Anschließend wird auf das
Chorwesen in Kärnten eingegangen, da die empirische Untersuchung an
fünf gemischten Kärntner Chören durchgeführt wurde. Die nächsten beiden
Abschnitte legen ihren Fokus auf Studien hinsichtlich gemeinschafts-
relevanter sowie neurophysiologischer Aspekten des Singens. Um das
breite Wirkungsspektrum des Singens zu veranschaulichen werden darüber
hinaus ausgewählte Effekte des Singens erörtert.
Das zweite Kapitel widmet sich dem Themenschwerpunkt Emotionen
und nähert sich zuerst dem Emotionsbegriff. Im Folgenden werden relevante
Emotionstheorien sowie Ansätze in der Emotionsforschung dargestellt.
Diese Darstellungen erheben jedoch keinen Anspruch auf inhaltliche
Vollständigkeit, sondern wurden aufgrund ihrer Relevanz für das Thema der
vorliegenden Arbeit gezielt ausgewählt.
Die folgenden Kapitel stellen die Verbindung zwischen den Themen-
komplexen Musik und Emotionen sowie Musik und Chorsingen her. Es
werden aktuelle Studienergebnisse aus diesen Bereichen vorgestellt. Mit der
Klärung und Darstellung des aktuellen Forschungsstandes wird der
theoretische Teil der vorliegenden Diplomarbeit abgeschlossen.
Das erste Kapitel des empirischen Teils der Diplomarbeit widmet sich
der Explikation der Fragestellungen und Hypothesen. Im zweiten und dritten
Kapitel werden das Forschungsdesign und die Beschreibung der Stichprobe
erläutert. Das vierte Kapitel beleuchtet die Methodik der Studie, es werden
die verwendeten Erhebungs- und Auswertungsmethoden vorgestellt. Im
15
fünften Abschnitt werden schließlich die Ergebnisse der empirischen
Untersuchung dargestellt. Diese werden in drei Abschnitte gegliedert: die
Ergebnisse der soziodemographischen Daten, jene des Fragebogens
„Positive and Negative Affect Schedule“ (PANAS)7 und jene der Qualitativen
Inhaltsanalyse. Auch die anschließende Interpretation der Ergebnisse erfolgt
analog zur Ergebnisdarstellung in den drei Abschnitten. Durch die
persönliche Einschätzung und Kritik hinsichtlich der empirischen Unter-
suchung wird der empirische Teil abgeschlossen.
Die Schlussbemerkung und der Ausblick bieten zunächst eine
Reflexion der Forschungsaufgabe und gehen dann auf interessante
empirische Fragestellungen ein, die weiter erforscht werden könnten.
7 Krohne, H. W., Egloff, B., Kohlmann, C.-W., & Tausch, A. (1996). Untersuchungen mit
einer deutschen Version der „Positive and Negative Affect Schedule“ (PANAS). Diagnostica,
42, Heft 2, 139-156.
16
1 Theoretischer Teil
Ein kleines Lied
Ein kleines Lied! Wie geht’s nur an,
Daß [sic!] man so lieb es haben kann,
Was liegt darin? erzähle!
Es liegt darin ein wenig Klang,
Ein wenig Wohllaut und Gesang
Und eine ganze Seele.
(Marie von Ebner-Eschenbach, 1982, S. 599)
17
1.1 Chorsingen
Nach einführenden Begriffsdefinitionen zum Chorsingen wird
überblicksmäßig auf die historische Entwicklung des Chorgesangs ein-
gegangen. Da die empirische Untersuchung in Kärnten durchgeführt wurde,
werden anschließend die Besonderheiten des Chorwesens in Kärnten be-
leuchtet. Im weiteren Verlauf werden die Themenkomplexe Singen und
Gemeinschaft sowie die neurophysiologischen Aspekte des Singens
erörtert. Abschließend werden ausgewählte Effekte des Singens vorgestellt.
1.1.1 Begriffsdefinition
Hinsichtlich des Chorsingens gibt es eine Vielzahl von Definitionen.
Brusniak (1995), Professor für Musikpädagogik an der Universität Würzburg,
führt den Chorbegriff in verschiedenen Sprachen an, Chor „lat. chorus, engl.
choir, franz. choeur, ital. und span. coro“ (S. 766). Zabel (1996) definiert den
Chor als eine „Schar von Singenden“ und Chorgesang als „gemeinsamer
Gesang“ (S. 180). Auch nach Brusniak (1995) bedeutet Chor eine Gruppe
von Singenden „… die ein- oder mehrstimmig ohne Begleitung oder mit In-
strumenten singen kann“ (S. 766). Dietel (2000) versteht unter Chor eine
„Gemeinschaft von Singenden, bei deren ein- oder mehrstimmigem Gesang
jede Stimme mehrfach besetzt ist“ (S. 53). Je nach Art der Teilnehmerinnen
und Teilnehmer werden Frauenchor, Männerchor, gemischter Chor,
Mädchenchor, Knabenchor und Kinderchor differenziert.
Im empirischen Teil der vorliegenden Diplomarbeit wurden fünf
Kärntner Laienchöre untersucht. Der Begriff Laienchor stellt keinen eigen-
ständigen Eintrag im Lexikon dar, im Duden wird ein Laie als „Nicht-
fachmann“ (Meyers Lexikonredaktion, 2001, S. 386) definiert. Nach Bastian
und Fischer (2006) gehören einem Laienchor „nicht-professionelle Sänger
an (Amateure, das heißt, Chormusik liebende Menschen), die sich in der
Regel einmal pro Woche zu festen Zeiten an einem bestimmten Ort zum
gemeinsamen Gesang zusammenfinden, um selbst Schöpfer von Kultur zu
18
werden“ (S. 88). Wie aus den Definitionen hervorgeht, wird bei einem Chor
das Hauptaugenmerk auf den Gesang, die menschliche Stimme gelegt. Für
Spitzer (2006, S. 251) ist die menschliche Stimme unser ältestes, facetten-
reichstes und am öftesten benutztes Instrument. Durch ihre Vielseitigkeit
erzeugt sie neben der Sprache auch Gesang, Lachen, Weinen und Flüstern.
Stengel und Strauch (2005) schreiben, dass Horst Gundermann in der
menschlichen Stimme den „‘Tiefenträger‘ der Sprache“ (S. 19) sieht. Die
Stimme vermag durch verschiedene Tonfärbungen die Bedeutung und damit
die Aussage von Sätzen und Gesprächen zu beeinflussen. Stengel und
Strauch (2005) betonen den sprachlichen Zusammenhang zwischen den
Begriffen Person und Stimme. Der Begriff Person hat seinen Ursprung im
lateinischen Wort persona, was die Maske des Schauspielers bedeutete. Im
Duden (Meyers Lexikonredaktion, 2001) findet sich unter dem Begriff
Person: „der als geschlossene Einheit in seiner Eigenart sich selbst
bewusste Mensch“ (S. 524). Stengel und Strauch (2005, S. 20) schreiben,
dass das lateinische Wort personare, eine Ableitung von persona, das
“Hindurchtönen“ bezeichnet. Somit kann die Idee der Person mit einer
klanglichen Vorstellung in Verbindung gebracht werden.
An der Essener Folkwang-Hochschule fand 2002 ein interdisziplinärer
Kongress statt, der sich mit den Zukunftsperspektiven des Chorsingens aus-
einandersetzte. Unter der Leitung von Friedhelm Brusniak, ein in-
ternationaler Experte für die Geschichte des deutschsprachigen Chor-
gesangs, wurden zehn Essener Thesen zum Chorgesang im 21. Jahr-
hundert verfasst8. Es folgen die ersten drei Essener Thesen zum Chor-
gesang im 21. Jahrhundert der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Chor-
verbände e.V. (ADC). Dabei geht die erste These genauer auf den Chor-
begriff ein, die zweite stellt die Bereicherungen und die Ausbildung von
Fähigkeiten durch das Chorsingen in den Mittelpunkt und die dritte These
beschäftigt sich mit frühen Singerfahrungen und ihren Auswirkungen:
8 Uni-protokolle: Die Adresse für Ausbildung, Studium und Beruf. Zugriff am Mai 12, 2011
verfügbar [unter] http://www.uni-protokolle.de/nachrichten/id/86147/
19
1. Singen stellt ein Humanum dar, eine unverzichtbare, elementare und
emotionale Lebensäußerung des Menschen. "Chor“ bezeichnet nach
heutigem Sprachgebrauch eine Gemeinschaft von Singenden; in ihr
sind die Einzelnen gleichermaßen Interpreten und Rezipienten von
Chorwerken. Chorsingen vereint Stimmen und macht Stimmung und
Abstimmung auch sozial erfahrbar. Dabei präsentieren sich chorische
Gruppierungen vom Ensemble bis zum großen Chor in beein-
druckender Vielfalt.
2. Musik bereichert das Dasein ästhetisch. Sie hat konstruktive,
Gesellschaft und Kultur teils überhöhende, teils neu in Bewegung
setzende Kraft. Chorsingen trägt in besonderer Weise zu Gemein-
schaftsbildung, sozialer Integration und Persönlichkeitsentfaltung bei.
Es schult das Hinhören und das Zuhören, die Selbst- und die Fremd-
wahrnehmung. Darüber hinaus besitzen Stimmbildung und Atem-
erziehung positive Auswirkungen auf Gesundheit und sprachliche
Kommunikation.
3. Singerfahrungen in Kindheit und Jugend prägen durch lustvollen,
kreativen Umgang mit der Stimme fürs Leben. Sie bilden die
entscheidende Basis für ein Mitwirken im Chor. Bei der Erziehung
zum Singen können elektronische Medien nicht die persönliche
Vermittlung ersetzen. (Bastian & Fischer, 2006, S. 37)
Bevor auf die in den Thesen angesprochenen Aspekte eingegangen
wird, soll im nächsten Abschnitt die historische Entwicklung des Chorsingens
skizziert werden. Intention dabei ist nicht eine umfassende Darstellung aller
Fakten und Geschehnisse, sondern die Schaffung eines Überblicks.
20
1.1.2 Historische Entwicklung
Brusniak (1995, S. 767) schreibt, dass sich der Chorgesang seit
Beginn seiner Entstehung in der ganzen Welt verbreitet hat und in allen ge-
sellschaftlichen Klassen bis hin zu Naturvölkern vertreten war. Der Ursprung
des Begriffs findet sich in der griechischen Sprache und bezeichnet einen
Tanz in Verbindung mit Gesang, einen kultischen Reigen. Die Frühzeit der
klassischen Antike gab dem Chor, zum Beispiel innerhalb der griechischen
Tragödie, eine zentrale Rolle. In der späteren Zeit der klassischen Antike
wurde der Chor in den Hintergrund gedrängt (Morbach, 2005, S. 511).
Knapp und Peschl (1991, S. 39) bemerken, dass die Entstehung der
Mehrstimmigkeit einen maßgeblichen Einfluss auf die abendländische Musik
hatte. Dahlhaus und Eggebrecht (1992, S. 244) geben an, dass der chorus
in der frühchristlichen Zeit zunächst den Reigentanz während des jüdischen
Gottesdienstes und dann eine Schar von Sängern bezeichnete. Thiel (1984,
S. 100) schreibt dazu, dass in frühchristlichen Gottesdiensten zunächst noch
Frauen mitsangen und erst später durch Knaben und Kastraten ersetzt
wurden. Gesungen wurde in der Schola cantorum, einem geschulten
Sängerchor. Morbach (2005, S. 511) erwähnt, dass der kirchliche Gesang
des Mittelalters vom Volk an den Klerus überging. Im 12. Jahrhundert
wurden die Laiensänger wieder miteinbezogen, der Choral wurde jedoch
ausschließlich vom Klerus gesungen.
Nach Knapp und Peschl (1991, S. 40) war die Notre-Dame-Epoche
(ca. 1150-1250) die erst große Epoche der abendländischen Mehr-
stimmigkeit. Ihr folgte die Ars antiqua (1250-1320), eine geistlich-liturgische
mehrstimmige Kunst. Ars nova (1320-1400) bezeichnet in Frankreich die
„neue“ und vor allem weltlich orientierte Gesangskunst. Zeitgleich zur Ars
nova entwickelt sich in Italien, insbesondere in Florenz, ein Zentrum dieser
frühen Mehrstimmigkeit, die sogenannte Trecentomusik. Die Renaissance
im 15. und 16. Jahrhundert wird als die Epoche der klassischen Vokal-
21
polyphonie bezeichnet. Es besteht eine Präferenz für das vokale Musizieren,
auch A-cappella-Stil genannt (Knapp und Peschl, 1991, S. 43).
In der Zeit der Aufklärung und Romantik wird die Gesellschaft von
einem neuen Blickwinkel aus betrachtet (Dahlhaus & Eggebrecht, 1992,
S. 245). Ebenso wird der Chorgesang neu interpretiert und als ein
repräsentativer Ausdruck der Gemeinschaft aufgefasst. Morbach (2005,
S. 512) schreibt, dass durch die Einführung der Volkssprache im Gottes-
dienst Laien wieder die Möglichkeit hatten mitzusingen. In dieser Zeit
entstehen Singbewegungen, die in Form von Gesangsvereinen, Chor-
vereinen und Oratorienvereinen teilweise bis in die heutige Zeit bestehen.
Heute gibt es eine große Anzahl von Chorverbänden, die sich von Laien-
chören bis hin zu Berufschören erstreckt.
1.1.3 Chorwesen in Kärnten
Die empirischen Daten der vorliegenden Diplomarbeit wurden an fünf
gemischten Kärntner Chören erhoben. Da die Studie im Kärntner Raum
durchgeführt wurde, sollen kurz einige Besonderheiten und Eigenarten des
Chorsingens in Kärnten erörtert werden.
Der Kärntner Sängerbund umfasst 362 gemeldete Chorvereine mit
etwa 9000 Chorsängerinnen und Chorsängern. Es handelt sich hierbei um
Frauen-, Männer-, Jugend-, Schul- und gemischte Chöre. Weitere
Dachorganisationen sind zum Beispiel das Kärntner Bildungswerk und der
Österreichische Arbeitersängerbund (ÖASB). (R. Kogler, persönliche
Mitteilung, Mai 27, 2011). Die Gesamtzahl der aktiven Kärntner Chöre ist
vermutlich weit höher, da viele Chöre nicht registriert sind. Laut Bernhard
Zlanabitnig, Landeskoordinator für Musikerziehung an Pflichtschulen in
Kärnten, verfügen 47% der Kärntner Schulen über einen Schulchor. Um das
Chorsingen bei Kindern und Jugendlichen zu fördern, werden Initiativen wie
das Bezirksjugendsingen, Landes- und Bundesjugendsingen und viele
weitere Projekte durchgeführt. Bernhard Zlanabitnig ist erfreut darüber, dass
sich die Teilnahme am Landesjugendsingen von 32 Chören im Jahr 1998
22
auf 76 Chöre mit etwa 6000 Chorsängerinnen und Chorsängern im Jahr
2010 gesteigert hat (B. Zlanabitnig, mündliche Mitteilung, Mai 27, 2011).
Beim Chorverband Österreich sind insgesamt 2771 Chöre gemeldet
(Chorverband Österreich9, Zugriff am 31.05.2011).
Altmann (1994, S. 5) betont, dass das Chorwesen und das Volkslied,
insbesondere das Kärntnerlied, einen wichtigen Beitrag zum kulturellen
Leben in Kärnten leisten. Hinsichtlich des überlieferten Liedguts ist in
Kärnten das Kärntnerlied, vor allem das Kärntner Liebeslied, Ton angebend.
Die melodische Besonderheit des Kärntner Liebesliedes ist ein speziell
sanfter und weicher Klang. Im Gegensatz zu anderen Alpenländern gibt es
in Kärnten einen Wunsch nach einer vierten und sogar fünften Stimme, die
sich durch das improvisierte „Zusingen“ entwickelte. Eine weitere Be-
sonderheit bildet das slowenisch-kärntnerische Volkslied, das eine nahe
Verwandtschaft zum deutsch-kärntnerischen Volkslied zeigt.
Kleewein (1986, S. 8) weist auf die tiefen slawischen Wurzeln
Kärntens hin. Die historischen Entwicklungen des Landes (zum Beispiel
Besetzungen, Unterwerfungen) haben ihre Spuren in den Texten der
Kärntnerlieder hinterlassen. Es finden sich Trennungs- und Verlustängste,
Melancholie, die Liebe zur Heimat und die Betonung des Deutschtums.
Ebenso hat aber auch die Landschaft das Lied in Kärnten beeinflusst.
Neben vielen Sonnenstunden gibt es in Kärnten dunkle Wälder und Gebirge,
die das Kärntnerlied vom Frohsinn bis hin zur Schwermut führen. Nach
Bernhard Zlanabitnig begünstigen die zahlreichen Bergketten und engen
Täler den Wunsch nach gemeinschaftlichem Gesang (B. Zlanabitnig,
mündliche Mitteilung, Mai 27, 2011).
9 Chorverband Österreich. Dachverband der Chöre und Chorverbände. Zugriff am Mai 31,
2011, verfügbar [unter] http://www.chorverband.at/members.html
23
1.1.4 Singen und Gemeinschaft
„Where an emotion may be either individual or collective,
it is the collective aspect that finds expression in song“
(Hagen & Hammerstein, 2009, S. 11)
In diesem Abschnitt wird die Bedeutung des gemeinschaftlichen
Singens beleuchtet. Es werden Studien wie auch Auswirkungen des
gemeinschaftlichen Singens vorgestellt und ein Blick auf den evolutionären
Nutzen des Singens geworfen.
Für Brown, Martinez, Hodges, Fox und Parsons (2004, S. 363) bildet
das Singen eine spezielle Art des vokalen Verhaltens, dass bei Menschen,
Gibbons, Buckelwalen und zahlreichen Vogelarten zum Einsatz kommt. Dem
Singen werden verschiedene Funktionen zugeschrieben, darunter fallen
Territorialverteidigung, Anziehungskraft auf das andere Geschlecht, Paar-
bindung und Gruppenzusammenhalt. Der Ursprung der Musik liegt in der
Kommunikation zwischen Mutter und Kind (Cross & Morley, 2008, S. 3).
Spitzer (2006, S. 386) spricht in diesen Zusammenhang von Wiegenliedern,
die kulturübergreifend gesungen und als solche erkannt werden. Das
Wiegenlied hat eine bindende und gleichzeitig beruhigende Wirkung auf den
Säugling. Seeliger (2003, S. 161) blickt in der Entwicklung des Menschen
weiter zurück, widmet sich dem pränatalen Leben und erklärt, dass die
mütterliche Stimme für den heranwachsenden Fötus die wichtigste
intrauterine Schallquelle darstellt. Die positiven Verknüpfungen des Un-
geborenen mit der mütterlichen Stimme verstärken den Wunsch zu leben.
Cross und Morley (2008, S. 3) übertragen das Phänomen der Musik
auf die Gemeinschaft und glauben, dass Musik, wie auch das Singen, eine
emotionale Botschaft transportiert, die von vielen verschiedenen Menschen
gleichzeitig aufgenommen werden kann. Cross und Morley (2008, S. 4)
sehen einen Zusammenhang zwischen der musikalischen Fähigkeit einer
Person und ihrer Fähigkeit zu guten sozialen Interaktionen. Lehmann (2010)
24
ist der Auffassung, „wenn Menschen sich musikalisch mitteilen und ver-
ständigen, dann festigen sie – bewusst oder unbewusst – Beziehungen
untereinander“ (S. 79). Auch für Bossinger (2006, S. 22) ist das Singen eng
mit sozialem Leben und Gemeinschaft wie auch mit Heilung, Ritualen und
Spiritualität verbunden.
Lehmann (2010, S. 83) beschreibt eine Studie des amerikanischen
Psychologen Geoffrey Miller, die der Frage nachgeht, warum sich Männer
musikalisch präsentieren, zum Beispiel in Form von Chorauftritten. Als
möglicher Grund kristallisiert sich die Partnerwahl heraus, Frauen
favorisieren ideenreiche, kreative und musikalische Männer. Evolutionär
betrachtet könnte die Frau anhand dieser Eigenschaften auf gute Partner-
oder Vaterqualitäten schließen. Die Ergebnisse der Studie gehen jedoch
nicht auf die „Urmotive“ der Frauen ein und erklären nicht die Beweggründe
warum Frauen musikalisch tätig sind.
Bossinger (2006, S. 84) betont die Wirkung des Singens auf einer
sozialen und gemeinschaftlichen Ebene und führt die Studie „Making
Democracy Work. Civic Traditions in Modern Italy“ von Robert D. Putnam,
Professor an der Harvard Universität, an. Die Studie besagt, je häufiger Per-
sonen in Gruppen, zum Beispiel im Chor, singen, umso häufiger beteiligen
sie sich auch bei Sozialprojekten. Demnach werden bei diesen Menschen
durch das gemeinsame Singen Hilfsbereitschaft und soziales Engagement
gesteigert. Der Autor geht im Weiteren auf eine südaustralische Unter-
suchung von Dierdre Williams ein, die sich damit auseinandersetzt, welchen
langfristigen Gewinn die Kombination von gemeindeorientierter Arbeit und
künstlerischen Projekten, wie dem Chorsingen, bringt. Die Studie brachte
folgende Ergebnisse hinsichtlich des langfristigen Gewinns der Teil-
nehmerinnen und Teilnehmer:
• Etablierung wertvoller sozialer Netzwerke
• Entwicklung von mehr kommunalem Stolz und Selbst-
bewusstsein
• Zunahme der Sensibilisierung für die Belange der Gemeinde
25
• Abnahme sozialer Isolation in der Gemeinde
• Verbessertes gegenseitiges Verstehen von Menschen der ver-
schiedenen Kulturen und Nationalitäten.
(Bossinger, 2006, S. 85)
Auch Biegl (2004, S. 4) verdeutlicht, dass beim Singen im Chor
soziale Kompetenz erforderlich ist. Um einen harmonischen Klang zu
erzeugen, sind die Chormitglieder aufgefordert sich aufeinander ein-
zustimmen, eine gemeinsame Lautstärke zu finden und die passenden Töne
zu singen. Laut dem Autor nimmt die Chorleitung die Rolle des Moderators
oder Kommunikators ein und versucht einen direkten, offenen und
behutsamen Umgang innerhalb des Chores zu schaffen.
Nach den gemeinschaftsrelevanten Aspekten des Singens widmet
sich der folgende Abschnitt den neurophysiologischen Aspekten. Hierbei
werden Themen wie Musik im Gehirn, Hormone und „chills“ (Gänsehaut) in
Verbindung mit dem Singen exploriert.
26
1.1.5 Neurophysiologische Aspekte des Singens
Laut Brown, Martinez, Hodges, Fox und Parsons (2004) entsteht das
Singen mithilfe spezialisierter Gehirnregionen und neuronaler Pfade, die als
„song system“ (S. 363) bezeichnet werden. Den Autoren zufolge ist die
Neurobiologie des Singens beim Menschen bislang noch nicht ausreichend
untersucht. Bossinger (2006, S.163) geht auf das „singende“ Gehirn,
beziehungsweise dieses „song system“, ein und beschreibt das emotionale
Gehirn, das aus limbischen Bereichen besteht und sich vor allem auf
Gefühle und Überlebensreaktionen bezieht. Als Teil des limbischen Systems
ist der Mandelkern, die Amygdala, für die Speicherung emotionaler
Erinnerungen verantwortlich. Die Musik, im Speziellen das aktive
Musikmachen und Singen, steht in direkter Verbindung mit dem emotionalen
Gehirn und beeinflusst emotionale und vegetative Reaktionen. Den
Gegenpart dazu bildet das kognitive Gehirn, der Neo Cortex, der zum
Beispiel für die Sprache und das Denken zuständig ist. Peretz und Zatorre
(2005) konnten in PET-Studien nachweisen, dass Verluste der
Wahrnehmung und Produktion von Melodien auf eine Läsion der rechten
Hemisphäre zurückzuführen sind und Verluste der Wahrnehmung und
Produktion von Rhythmen mit einer Läsion der linken Hemisphäre verknüpft
sind. Spitzer (2006) erklärt, dass beim Singen eine Reihe kortikaler Zentren
involviert sein könnte: „der motorische Kortex zur direkten Bewegungs-
steuerung, supplementär motorische Areale zur Programmierung der
Bewegung, der anteriore Gyrus cinguli zur Kontrolle und auditorische
kortikale Areale zur gleichzeitigen Wahrnehmung des Gesungenen“ (S.
278).
Bossinger (2006, S. 166) hält fest, dass freies Singen für ein
Gleichgewicht im Gehirn sorgen kann. „Musik ist in der Lage, die
gehirneigenen Belohnungssysteme zu aktivieren und eignet sich aufgrund
der Ausschüttung entsprechender Botenstoffe (Endorphine, Oxytocin,
Dopamin, etc.) in idealer Weise dazu, positive Erfahrungsmuster in das
emotionale Gedächtnis »einzubrennen«“ (Bossinger, 2006, S. 167). Auch
27
nach Biegl (2004) aktiviert Musik die Ausschüttung von Dopamin und
endogenen Opioiden. Er vermutet weiters, dass durch angenehm
empfundene Musik „umgekehrt (…) die Aktivierung zentralnervöser Struk-
turen, die unangenehme Emotionen wie Angst und Aversion signalisieren,
gemindert wird. Zusätzlich führt Musik zur Aktivierung von Strukturen, die für
Wachheit und Aufmerksamkeit wichtig sind (Thalamus und anteriorer Gyrus
cinguli)“ (S. 158).
Das aktive Musizieren wie auch das aktive Zuhören kann körperliche
Reaktionen wie Gänsehaut („chills“), Tränen in den Augen oder ein
Schauergefühl am Rücken hervorrufen. Altenmüller, Grewe, Nagel und
Kopiez (2007, S. 58) erklären, dass Gänsehaut dann zustande kommt, wenn
ein akustischer Reiz eine unwillkürliche Reaktion, nämlich das Aufrichten der
Köperhaare, auslöst. Das autonome Nervensystem steuert diesen Vorgang.
Nach den Autoren gibt es verschiedene Auslöser für dieses Phänomen.
Meist handelt es sich dabei um traurige oder melancholische Musik, aber
auch die Vertrautheit mit dem Musikstück spielt eine wesentliche Rolle.
„Chills“ treten oft am Anfang einer neuen Phrase auf oder beim Einsatz der
menschlichen Stimme beziehungsweise eines Chores. Auch die Steigerung
der Lautstärke und das Wiederholen von Motiven und Strukturen haben eine
Wirkung auf diese autonome Reaktion.
Abgesehen von den exemplarisch dargestellten neurophysiologischen
Aspekten verfügt das Singen über ein breites Wirkungsspektrum. Der
nächste Abschnitt erörtert daher ausgewählte Effekte des Singens.
28
1.1.6 Effekte beim Singen
Neben anderen beschäftigt sich Bossinger (2006, S. 186-204) mit den
Effekten des Singens und führt an:
• Singen hilft bei der Wahrnehmung, Bewältigung und Regulierung
von Gefühlen
• Singen bewirkt positive Stimmung und Lebenszufriedenheit
• Singen stärkt soziale Begegnungen und zwischenmenschliche
Verbundenheit
• Singen stärkt das Selbstwertgefühl und das Selbstbewusstsein
• Singen weckt Erinnerungen und ermöglicht einen Zugang zu den
eigenen Ressourcen
• „Flow“-Erfahrungen durch Gesang fördern kognitive und kreative
Kompetenzen
Für Bastian und Fischer (2006, S. 42) hat das Singen einen Effekt auf
Körper, Seele und Geist. Die Autoren sehen den Körper als Basisorgan,
welches für die Atmung und Stimme verantwortlich ist. Die Stimme wird als
Ausdruck der Seele verstanden. Das Chorsingen kann demnach eine
Seelen-Gemeinschaft oder Seelenverwandtschaft bewirken. Der Geist
drückt sich in der Person aus, in ihrem Selbstbewusstsein oder Wesenskern.
„Wer singt, bleibt jung und gesund, denn Singen macht uns selber zum
Klangkörper, bringt Körper, Seele und Geist in Schwingung, beseelt und
bewegt, bringt den Menschen mit sich selbst in Einklang, harmonisiert
Körper, Geist und Seele, verbindet Menschen miteinander, befreit aus
Zwängen, Isolation und Einsamkeit“ (Rauhe, 2003, S. 182, zitiert nach
Bastian und Fischer, 2006, S. 42).
Adamek (2008, S. 25) führt an, dass das Singen in vielen Kultur-
kreisen zur Erleichterung der Arbeit genutzt wurde und ein weiterer Aspekt
sind Effekte des Singens auf religiöse Einstellungen. Die Aborigines
Australiens glauben, dass ihre Ahnen die Welt besungen haben. „Die
Schöpfungsmythen der australischen Aborigines berichten von totemist-
29
ischen Wesen, die einst über den Kontinent wanderten und singend alles
benannten, was ihren Weg kreuzte“ (Adamek, 2008, S. 26). Auch im
Christentum gibt es religiöse Bezüge zum Singen. Beispielsweise wird der
Engel, im Gegensatz zum Teufel, singend dargestellt.
Hinsichtlich der psychischen Funktion des Singens werden durch das
Singen innerpsychische Spannungen nach außen abgeführt. Das Singen
bringt einen Ausgleich mit sich und kann als Ventil für aufgestaute
Emotionen genutzt werden (Adamek, 2008, S. 46).
Einige dieser ausgewählten Effekte des Singens wurden auch in der
empirischen Studie der vorliegenden Diplomarbeit erforscht. Nach diesem
Abschnitt rund um Aspekte des Chorsingens widmet sich der nächste
Abschnitt dem Emotionsbegriff und stellt relevante Emotionstheorien sowie
Ansätze in der Emotionsforschung vor.
30
1.2 Emotionen
Die Emotionspsychologie hat für Frijda (2000, S. 60), Psychologie-
professor der Universität Amsterdam, die Aufgabe den Zustand von
Individuen zu analysieren und ihn auf der Ebene des Einzelnen zu erklären.
Dabei richtet sich der Blick auf die Eigenschaften von Individuen, die anhand
von kognitiven, motorischen und emotionalen Anlagen und Prozessen
erklärt werden können. Auch die gegenwärtige und dynamische Interaktion
mit der Umwelt spielt dabei eine wesentliche Rolle.
Emotionen und Gefühle sind dadurch gekennzeichnet, dass sie eine
große Anzahl an unterschiedlichen Arten, Schattierungen und Intensitäts-
stufen aufweisen können. Sie prägen die Persönlichkeit jedes Einzelnen und
beeinflussen den gesamten psychischen Ablauf einer Person. Emotionen
können von äußeren und/oder inneren Stimuli verursacht werden und ent-
stehen auf einer unbewussten oder bewussten wie auch auf einer
körperlichen oder seelischen Ebene. In der wissenschaftlichen Emotions-
forschung stehen unterschiedliche Begriffsdefinitionen, Emotionstheorien
und -ansätze nebeneinander (Sokolowski, 2002, S. 338).
1.2.1 Begriffsdefinition
„Everybody knows what an emotion is, until asked to give a definition.
Then, it seems, no one knows“ (Fehr & Russell, 1984, S. 464). Die Autoren
stimmen indirekt mit Meyer, Reisenzein und Schützwohl (2001, S. 40)
überein, die festhalten, dass es bis heute keine allgemein akzeptierte
Definition des Emotionsbegriffs gibt. Sokolowski (2002, S. 338) erklärt, dass
sich der Begriff Emotion vom lateinischen e-movere (herausbewegen,
vertreiben) herleiten lässt.
Laut Fehr und Russell (1984, S. 464) haben sich bereits griechische
Philosophen wie Plato (428/427 v. Chr.- 348/347 v. Chr.) und Aristoteles
(384 v. Chr. - 322 v. Chr.) mit der Begriffsdefinition von Emotionen be-
31
schäftigt. Merten (2003, S. 22) macht darauf aufmerksam, dass die
Gedanken Platos von Descartes, Locke, Hume und James weitergeführt
wurden und sich die Theorien der Stoiker (Seneca und Chryssipus), Thomas
von Aquins und Spinozas auf die Ausführungen von Aristoteles beziehen.
Weitere Forschungen wurden im Zeitraum von etwa 1870-1920 von
Psychologen wie McDougall, Wundt und Watson durchgeführt (Fehr und
Russell, 1984). Der englisch-amerikanische Psychologe William McDougall
(1908) beispielsweise bringt Emotionen mit instinktiven Verhaltensweisen in
Verbindung. Seiner Meinung nach „emanzipierten sich die Emotionen von
den Instinkten durch eine Flexibilisierung der Auslöseprozesse, die vor allem
als perzeptive und kognitive Teilprozesse zu verstehen sind, und der
zugehörigen Handlung, die im Falle des Instinkts noch festgelegt ist“
(Merten, 2003, S. 54).
Im Folgenden sollen einige Arbeitsdefinitionen von Emotionen
vorgestellt werden. Meyer, Reisenzein und Schützwohl (2001, S. 23) führen
an, dass eine Arbeitsdefinition eine Charakterisierung von Emotionen
darstellt, die bei Forscherinnen und Forschern unterschiedlicher Disziplinen
Akzeptanz findet. Allgemein lässt sich der Begriff Emotion definieren als
„… ein qualitativ näher beschreibbarer Zustand, der mit Veränderungen auf
einer oder mehrerer der folgenden Ebenen einhergeht: Gefühl, körperlicher
Zustand und Ausdruck“ (Schmidt-Atzert, 1996, S. 21). Clift und Hancox
(2001, 248) berichten in ihrer Studie10 vom Einfluss des Chorsingens auf die
emotionalen Komponenten der Chormitglieder. Dem Zitat zufolge hat das
Chorsingen, das Emotionen auslöst, eine Auswirkung auf das Gefühl, den
körperlichen Zustand und den Ausdruck der Chorsängerinnen und
Chorsänger.
10 Clift, S. M., & Hancox, G. (2001). The perceived benefits of singing: findings from
preliminary surveys of a university college choral society. The Journal of The Royal
Society for the Promotion of Health, 121 (4), 248-256.
32
Meyer, Reisenzein und Schützwohl (2001) geben in ihrem Buch
Einführung in die Emotionspsychologie eine Arbeitsdefinition von Emotionen
und postulieren:
1. Emotionen sind zeitlich datierte, konkrete einzelne Vor-
kommnisse von zum Beispiel Freude, Traurigkeit, Ärger, Angst,
Eifersucht, Stolz, Überraschung, Mitleid, Scham, Schuld, Neid,
Enttäuschung, Erleichterung sowie weiterer Arten von
psychischen Zuständen, die den genannten genügend ähnlich
sind.
2. Diese Phänomene haben folgende Merkmale gemeinsam:
(a) Sie sind aktuelle psychische Zustände von Personen.
(b) Sie haben eine bestimmte Qualität, Intensität und Dauer.
(c) Sie sind in der Regel objektgerichtet.
(d) Personen, die sich in einem dieser Zustände befinden,
haben normalerweise ein charakteristisches Erleben (Er-
lebensaspekt von Emotionen), und häufig treten auch
bestimmte physiologische Veränderungen (physiologischer
Aspekt von Emotionen) und Verhaltensweisen (Verhaltens-
aspekt von Emotionen) auf. (S. 23)
Die erste Definition von Meyer, Reisenzein und Schützwohl (2001)
bezieht sich auf zeitlich datierte, konkrete Einzelereignisse, die un-
wiederholbar sind. Verspürt ein Chormitglied zum Beispiel ein starkes
Glücksgefühl, weil das neu einstudierte Lied einen wunderschönen Klang
erzeugt, hält dieses Glücksgefühl für einige Minuten an und verblasst dann
aber wieder. Denkt diejenige Person am nächsten Tag an das Ereignis
zurück, kann erneut ein Glücksgefühl geweckt werden. Dieses retrospektive
Glücksgefühl unterscheidet sich dann jedoch von dem Glücksgefühl des
Vortags.
33
Die zweite Definition der Autoren richtet sich zunächst auf (a) aktuelle
psychische Zustände von Personen und möchte damit auf die
Differenzierung von emotionalen Episoden und emotionalen Dispositionen
aufmerksam machen. Bezogen auf das vorherige Beispiel könnte man
sagen: Das Chormitglied freut sich über das neue Lied. Hierzu gibt es eine
zweideutige Auslegung. Erstens kann man davon ausgehen, dass das
Chormitglied momentan Freude verspürt und diese mit typischen
Merkmalen, wie einem Lächeln (Mundwinkel bewegen sich nach oben)
erkenntlich macht. Hier kann man auf eine emotionale Episode schließen,
die kurz anhält. Zweitens kann der Satz ausdrücken, dass zwar kein
aktueller emotionaler Zustand vorliegt, jedoch die Bereitschaft, bei günstigen
Umständen in einen freudigen Zustand zu kommen, besteht. Aus diesem
Grund handelt es sich um eine emotionale Disposition, da eine beträchtliche
Bereitschaft vorhanden ist in einen aktuellen emotionalen Zustand zu
geraten.
Der zweite Punkt (b) beleuchtet die Gruppierungsmerkmale Qualität,
Intensität und Dauer der Emotionen. Dabei wäre die Qualität einer Emotion
im vorliegenden Beispiel die Freude, die Intensität einer Emotion würde sich
von schwacher bis hin zur extremen Freude steigern lassen und die zeitliche
Dauer bezieht sich darauf, ob die Freude sich langsam oder schnell zu
einem Intensitätsmaximum hinbewegt.
Der dritte Punkt (c) bezieht sich auf das Objekt der Emotionen und
meint damit, dass sich eine Person über „etwas“ freut. Interessant ist, dass
die Objekte der Emotionen real oder auch nur rein in der Vorstellung
existieren können. Da die Objekte nicht existieren müssen, spielt die
Sichtweise, Überzeugung und Interpretation einer Person hinsichtlich
bestimmter Ereignisse eine wesentliche Rolle.
34
Der vierte Punkt (d) nennt drei Aspekte von Emotionen. Der
Erlebensaspekt von Emotionen bildet die subjektive Komponente, zum
Beispiel das Gefühl der Freude. Beim physiologischen Aspekt von
Emotionen kommt es durch körperliche Veränderungen, die vorwiegend als
peripher-physiologische oder autonome Veränderungen bezeichnet werden,
unter anderem zu einer veränderten Atmung oder zu schwitzenden Händen.
Als dritter Aspekt wird der Verhaltensaspekt angesprochen, der sich in den
expressiven oder Ausdrucksaspekt (z.B. mimischer Ausdruck) und in den
instrumentellen oder Handlungsaspekt (z.B. Springen bei Freude) gliedert
(Meyer, Reisenzein & Schützwohl, 2001, S. 24-36).
In der deutschen Sprache herrscht eine Abgrenzung zwischen den
Begriffen Affekt, Emotion, Stimmung und Gefühl vor. Affekte werden
definiert als „kurze und intensive Emotionszustände (…) die starke
Verhaltenstendenzen aufweisen“ (Sokolowski, 2002, S. 342).
Emotionen sind bewertende Stellungnahmen zu Umweltereignissen,
die verschiedene physische und psychische Teilsysteme (Kom-
ponenten) zum Zwecke einer möglichst optimalen Reaktion ko-
ordinieren. Stimmungen unterscheiden sich von Emotionen durch
geringere Intensität und längere Dauer – häufig wird Stimmungen
auch eine fehlende Objektbezogenheit im Gegensatz zu Emotionen,
die immer auf etwas gerichtet sind, zugesprochen (vlg. Ewert, 1983).
Mit Gefühl wird die erlebnisbezogene Seite der Emotion bezeichnet,
die (…) nur eine der Emotionskomponenten darstellt. (Sokolowski,
2002, S. 342)
Im Gegensatz zum Deutschen erfolgt in der englischen Sprache keine
derartige Differenzierung der Begriffe affect, emotion und mood, da diese oft
synonym verwendet werden. Der Begriff affect stellt oft ein Hyperonym dar
(Sokolowski, 2002, S. 342). Meyer, Reisenzein und Schützwohl (2001)
bemerken, dass affect oft „zur Bezeichnung des Erlebensaspekts von
Emotionen reserviert“ (S. 39) ist. Solomon (1993, S. 71) definiert moods als
35
generalized emotions, was generalisierte Emotionen bedeutet. Moods
(Stimmungen) beziehen sich demnach auf keine bestimmten Situationen
oder Objekte.
Nach dem Versuch einer Begriffsdefinition von Emotionen sollen im
nächsten Abschnitt verschiedene Emotionstheorien vorgestellt werden, die
jedoch keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben.
1.2.2 Emotionstheorien
Meyer, Reisenzein und Schützwohl (2001) differenzieren drei Arten
von Emotionstheorien: Verhaltenstheorien, mentalistische Theorien und
Syndromtheorien der Emotionen. Die Autoren verdeutlichen, dass die
Verhaltenstheorien (behavioristische Theorien wie beispielsweise Arbeiten
von J. B. Watson), Emotionen als „von bestimmten Reizen ausgelöste,
intersubjektiv beobachtbare Verhaltensweisen (einschließlich beobachtbarer
physiologischer Reaktionen)“ (S. 43) beurteilen. Die mentalistischen
Emotionstheorien, wie zum Beispiel Theorien von James, Schachter und
Darwin (1872/1965), sehen Emotionen als mentale (psychische) Zustände.
Die Syndromtheorien der Emotionen, darunter fallen beispielsweise
Theorien von Plutchik (1980) und Lazarus (1991), können als eine Ver-
knüpfung der beiden zuvor erwähnten Theorien betrachtet werden. Sie
sehen Emotionen als Syndrome von mentalen Zuständen und Verhalten
samt seiner physiologischer Reaktionen (Meyer, Reisenzein & Schützwohl,
2001). Im Folgenden werden zwei bekannte mentalistische Theorien
exemplarisch dargestellt, die James-Lange-Theorie der Emotionen und die
Zwei-Faktoren-Theorie von Schachter und Singer.
William James (1884) nimmt an, dass wir nicht zittern, weil wir Angst
haben, sondern wir haben Angst, weil wir zittern. Unabhängig davon stellt
der dänische Physiologe Carl Lange (1885) eine ähnliche Emotionstheorie
auf. In der Literatur werden die beiden Ansätze daher oft zusammengefasst
und als James-Lange-Theorie bezeichnet (Sokolowski, 2002, S. 339). Der
36
Unterschied der beiden Theorien hinsichtlich der Entstehung von Emotionen
liegt darin, dass James sich auf viszerale11 und Lange sich auf vaso-
motorische12 Reaktionen bezieht (Meyer, Reisenzein & Schützwohl, 2001,
S. 136). James ging davon aus, dass „ein bedrohlicher Reiz (…) nach dem
ersten Erfassen (object simply apprehended) unmittelbar zu körperlichen
Veränderungen in den viszeralen (im Brust- und Bauchbereich sitzenden)
Organen und motorischen Reaktionen, die dann im nächsten Schritt
wahrgenommen werden (object emotionally felt)“ (Sokolowski, 2002,
S. 339), führt. Demnach entstehen Emotionen erst durch das Wahrnehmen
einer körperlichen Veränderung. Walter Cannon, einen Schüler von William
James, überzeugten die theoretischen Überlegungen seines Lehrers nicht.
So wurde eine weitere Theorie durch Walter Cannon und später Philip Bard
entwickelt. Die Cannon-Bard-Theorie besagt, dass die physiologische
Aktivierung und die subjektiven Erfahrung von Emotionen zeitgleich durch
einen emotionserregenden Stimulus hervorgerufen werden. Der emotions-
auslösende Reiz wird gleichzeitig zum zerebralen Kortex, wo er das
subjektive Erleben der Emotion auslöst, und zum Sympathikus, wo er die
Körperreaktion auslöst, transportiert (Myers, 2008, S. 549).
Bei der Zwei-Faktoren-Theorie von Schachter und Singer ist das
emotionale Erlebnis von drei Faktoren abhängig: (1) die Situation muss als
emotionsauslösend interpretiert werden, (2) es muss eine unspezifische
physiologische Aktivierung vorliegen, (3) die emotionale Situation bedingt
die physiologische Aktivierung. Die Intensität der Emotion ist abhängig von
der Höhe der physiologischen Aktivierung und die Qualität der erlebten
Emotion wird von der Interpretation beeinflusst (Sokolowski, 2002, S. 338-
340).
11 „Reaktionen der inneren Organe, wie zum Beispiel Herz, Lunge Magen“ (Meyer,
Reisenzein, Schützwohl, 2001, S. 136) 12 „die Erweiterung und Verengung der Blutgefäße und damit einhergehend die
unterschiedliche Versorgung des Gehirns und anderer Körperorgane mit Blut“ (Meyer,
Reisenzein, Schützwohl, 2001, S. 136)
37
John B. Watson unterscheidet zwei Arten emotionaler Reaktionen, die
ungelernten, welche als Primär- oder Basisemotionen bezeichnet werden,
und die gelernten, die er sekundäre oder abgeleitete Emotionen nennt
(Meyer, Reisenzein & Schützwohl, 2001, S. 67). Nerdinger (2001, S. 36)
betont, dass in der Forschung hinsichtlich der Basisemotionen große
Uneinigkeit besteht.
Paul Ekman, Carroll E. Izard und Wallance Friesen beschäftigten sich
zwischen 1960 und 1970 mit der neurokulturellen Theorie der
Basisemotionen. Die Forscher schreiben den kulturellen Einflüssen auf
emotionale Prozesse eine große Bedeutung zu und konnten durch diese
Sichtweise die vorherrschenden evolutionärbiologischen Ansätze weiter-
entwickeln (Merten, 2003, S. 59).
Paul Ekman unterscheidet sechs Basisemotionen, welche einen
charakteristischen universalen Gesichtsausdruck auslösen, der kultur-
übergreifend bei allen Menschen in gleicher Weise erkannt und ausgedrückt
wird. Die sechs Basisemotionen lauten Glück, Furcht, Überraschung, Zorn,
Ekel und Trauer (Sokolowski, 2002, S. 362). Einige Emotions-
psychologinnen und Emotionspsychologen teilen die Auffassung Darwins
und glauben, dass der durch Emotionen ausgelöste mimische Ausdruck
einen genetischen Ursprung hat (Meyer, Reisenzein & Schützwohl, 2001, S.
36). Forscherinnen und Forscher gehen aufgrund von Studien mit blind
geborenen Kleinkindern von einer biologisch-evolutionären Erklärung der
Emotionen aus. Der mimische Ausdruck der Kleinkinder sei keinesfalls
zufällig, sondern situationsabhängig, was sich bei der Rückmeldung auf
Geschmacksproben zeigte (Schwab, 2004, S. 61).
Nach der exemplarischen Darstellung unterschiedlicher Emotions-
theorien liefert der nächste Abschnitt Einblicke in die Emotionsforschung.
Dabei richtet sich der Fokus auf kognitive und biologische Ansätze.
38
1.2.3 Ansätze in der Emotionsforschung
Evans und Cruse (2004) sehen die Gegenwart als eine aufregende
Zeit für die Emotionsforschung. Nachdem sich das Interesse an der
Emotionsforschung im letzten Jahrhundert in Grenzen hielt, rückt es jetzt im
21. Jahrhundert wieder mehr in den Mittelpunkt. In der Emotionsforschung
stehen kognitive und biologische Ansätze nebeneinander.
Die kognitiven Ansätze gliedern sich in zwei Bereiche: Netz-
werktheorien und Appraisaltheorien. Die berühmteste Netzwerktheorie
stammt von Gordon Bower (1981) und bezieht sich auf das Human
Association Memory-Modell. Nach Bower werden Emotionen durch Knoten-
punkte in Netzwerken dargestellt (Sokolowski, 2002, S. 344). Jede
Repräsentation einer Emotion besitzt viele Aspekte dieser Emotion so wie
auch Verknüpfungen zu anderen Ereignissen und Emotionen (Margraf &
Schneider, 2009, S. 120). Sokolowski (2002) betont, dass die Aktivierung
der Netzwerkknoten von bestimmten Faktoren abhängig ist: „(…) von der
Nähe der Knoten untereinander, von der Intensität der initialen Aktivierung
und von dem Zeitabstand seit der Aktivierung“ (Sokolowski, 2002, S. 344).
Wird ein Emotionsknoten aktiviert, werden gleichzeitig auch Verbindungen
zu ähnlichen gespeicherten Ereignissen, Erinnerungen und Konzepten
aktiviert. Ebenso werden mit der Emotion assoziierte physiologische und
expressive Reaktionsmuster ausgelöst. Margraf und Schneider (2009,
S. 120) sprechen davon, dass die Emotionsknoten durch Stimuli, wie
physiologische Empfindungen, Gerüche oder verbales Material aktiviert
werden können. Ein Beispiel dafür wäre die Verwendung von Wiegenliedern.
Diesem Thema widmet sich Bossinger (2006, S. 74) und schreibt, dass
Wiegenlieder ein Kleinkind beruhigen und ihm ein sicheres und geborgenes
Gefühl vermitteln. Diese positiv vermittelten Emotionen werden
lebenslänglich gespeichert und beim wiederholten Hören wieder assoziiert.
39
Magda Arnold (1960) und Richard Lazarus (1966) sind die
bekanntesten Vertreter der Appraisal-Theorien. Die Appraisal-Theorien
werden auch als kognitive Bewertungstheorien oder kognitive Ein-
schätzungstheorien bezeichnet (Gelbrich, 2007, S. 104). Die Appraisal-
Theorie besagt, dass neben der physiologischen Reaktion die Interpretation
und Bewertung einer Situation für die Entwicklung einer Emotion von
Bedeutung ist. Die kognitiven Appraisal-Theorien versuchen die Entstehung
von Emotionen mithilfe einzelner Bewertungsschritte nachzubilden
(Sokolowski, 2002, S. 345-346). Schwab (2004, S. 63) führt an, dass für
Arnold (1960) die Bewertungen von Schaden und Nutzen einen wesen-
tlichen Beitrag zur Entstehung von Emotionen leisten. Das bedeutet, dass
eine Situation zunächst wahrgenommen wird, dann bewertet wird und im
letzten Schritt eine Emotion auslöst.
Für die biologischen Ansätze in der Emotionsforschung waren die
Forschungen Charles Darwins (1872) basisbildend. Sein Werk The
Expressions of Emotions in Man and Animals bildet dabei den
Ausgangspunkt. Für Darwin stellen Emotionen „Mechanismen dar, die an
Stelle relativ starrer Reiz-Reaktions-Verkoppelungen, wie sie bei Instinkten
vorgegeben sind, flexible Antworten auf wechselnde Umweltanforderungen
möglich machen“ (Sokolowski, 2002, S. 347). Nach Sokolowski (2002,
S. 247) bedeutet das auch, dass mithilfe der Emotionen Situationen erkannt
werden, die sich hinsichtlich der Reproduktion als gefährlich oder nützlich
erweisen. Schwab (2004, S. 61) glaubt, dass eine Aufgabe von Emotion
darin liegt, eine Gruppe über den seelischen Zustand seiner Mitglieder
aufzuklären. Dadurch kommt es zu einer Verhaltenssynchronisation in der
Gruppe. Nach Darwin dient der Emotionsausdruck einerseits als Ver-
ständigungsmittel und andererseits der Handlungsvorbereitung. Zusammen-
fassend kann gesagt werden, dass Emotionen die drei Funktionen (1)
Bewertung (2) Verhaltensvorbereitung und (3) Kommunikation erfüllen
(Sokolowski, 2002, S. 356f).
40
Dieser Abschnitt erörterte exemplarisch den Emotionsbegriff, stellte
unterschiedliche Emotionstheorien vor und beleuchtete aktuelle Ansätze in
der Emotionsforschung. Im nächsten Abschnitt wird eine Verbindung
zwischen Musik und Emotionen hergestellt.
1.3 Musik und Emotionen
„Wo die Sprache aufhört, fängt die Musik an“
(E.T.A. Hoffmann13
)
Allgemein widmet sich die Psychologie dem Verhalten und Erleben
des Menschen. Hinsichtlich des Themenfeldes Musik und Emotionen
möchte diese empirische Wissenschaft beschreiben, wann, wie und warum
Individuen emotionale Reaktionen auf Musik erleben. Es sollen jene
Mechanismen erforscht werden, die für die Wahrnehmung von Musik
verantwortlich sind und eine Emotion bei einer Person auslösen (Sloboda &
Juslin, 2010, S. 74).
Wie bereits in Abschnitt 2.2 dargelegt wurde, sind Emotionen
wesentlich an der Steuerung menschlicher Handlungen beteiligt. Eine
Person kann mittels Emotionen ihre Befindlichkeiten ausdrücken. Emotionen
verfügen über einen lebenswichtigen Vorteil in gefährlichen oder
konflikthaften Situationen. Der Mensch reagiert instinktiv nach dem „fight or
flight“-Prinzip. In Hinblick auf Musik sind Emotionen zwar nicht lebens-
notwendig (Clarke, Dibben & Pitts, 2010, S. 82), Studien konnten jedoch
zeigen, dass Musik in der durchschnittlichen Bevölkerung starke und
13 Müller, H. (2005). Die besten Reden von A bis Z. Bonn: Verlag für die Deutsche
Wirtschaft AG. Zugriff am Juni 9, 2011, verfügbar [unter]
http://books.google.at/books?id=1a3rFlDSbBAC&pg=RA1-
PA130&dq=da+wo+die+sprache+aufh%C3%B6rt,f%C3%A4ngt+Musik+an&hl=de&ei=Z43w
TdrrCpDMtAbNgrGIBw&sa=X&oi=book_result&ct=result&resnum=6&ved=0CEIQ6AEwBQ#
v=onepage&q&f=false
41
signifikante Emotionen auslösen kann (Gabrielsson & Lindstrom, 1993,
zitiert nach Sloboda, 2005). Doch welche Mechanismen führen dazu, dass
Musik Emotionen weckt und die emotionalen Erfahrungen eines Menschen
beeinflusst?
Clarke, Dibben und Pitts (2010, S. 83) vermuten, dass auditorische
Informationen beim Menschen eine bedeutende Rolle spielen, weil
akustische Signale entscheidend für das Überleben sein können (zum
Beispiel die Warnung vor einer Gefahr). Ein weiterer Einfluss von Musik auf
den emotionalen Zustand eines Menschen könnte darauf zurückzuführen
sein, dass ein Musikstück mit einer bestimmten positiven oder negativen
Stimmung konditioniert oder mithilfe des episodischen Gedächtnisses mit
einer alten Erinnerung in Verbindung gebracht wurde.
Shafron (2010, S. 2) spricht in Hinblick auf Musik und Emotionen von
einer „emotivist position“ und einer „cognitivist position“. Die „emotivist
position“ geht davon aus, dass Musik inhärente, unveränderbare Qualitäten
besitzt, die bei zuhörenden Personen spezifische emotionale Reaktionen
auslösen. Die Komponistin oder der Komponist setzen dazu spezielle
musikalische Parameter ein. Gabrielsson und Lindström (2010, S. 367)
beschäftigen sich mit den Faktoren der musikalischen Struktur, die den
wahrgenommenen emotionalen Ausdruck beeinflussen. Zu diesen
musikalischen Parametern zählen Tempo, Dynamik, Tonhöhe, Intervalle,
Tonart, Melodie, Rhythmus, Harmonie und weitere formale Eigenschaften
wie Wiederholungen oder Variationen. Im Folgenden wird exemplarisch auf
einige dieser musikalischen Parameter eingegangen.
Laut Gabrielsson und Lindström (2010, S. 367) wird das Tempo als
wichtigster emotionsbeeinflussender Faktor angesehen. Ein schnelles
Tempo wird mit Aufregung, Freude, Überraschung oder Angst in Verbindung
gebracht, während ein langsames Tempo mit Gelassenheit, Zärtlichkeit,
Traurigkeit oder Sehnsucht assoziiert wird. Hinsichtlich der Tonart wird die
Dur-Tonart mit Freude, Ruhe und Anmut und die Moll-Tonart mit Traurigkeit,
42
Träumerei und Ehrwürdigkeit assoziiert. Allgemein betrachtet wird laute
Musik als hohe Aktivierung und Stärke und leise Musik als geringe
Aktivierung und Unterwürfigkeit wahrgenommen. Einfache, konstante
Harmonien werden mit glücklichen, entspannten oder träumerischen Aus-
drücken assoziiert, wohingegen komplexe, dissonante Harmonien als
aufregend, spannungsreich, traurig oder kräftig empfunden werden. Ein
gleichmäßiger Rhythmus bewirkt Freude, Erhabenheit oder Frieden, ein
unregelmäßiger Rhythmus wird mit Unterhaltung, Unruhe oder Ärger
assoziiert. Interessant ist, dass der emotionale Ausdruck gleichzeitig von
mehreren dieser musikalischen Parameter beeinflusst wird (Gabrielsson &
Lindström, 2010, S. 383-392).
Die „cognitivist position“ postuliert, dass die durch Musik ausgelösten
Emotionen mithilfe von Assoziationen zustande kommen. “Heavy Metal“
beispielsweise wird allgemein als negative, wütende, düstere und aversive
Musik wahrgenommen. Allerdings konnten Studien zeigen, dass Personen,
die negative Affekte verspüren, oftmals durch negativ besetzte Musik
emotionale Befriedigung finden. So werden durch “Heavy Metal“ Emotionen
an die Oberfläche gebracht, die bereits zuvor ohne Stimuli von einer Person
durchlebt und erfahren wurden (Shafron, S. 3).
Zur Thematik Musik und Emotionen gibt es wenige wissenschaftliche
Untersuchungen. Eine mögliche Ursache dafür könnte sein, dass
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern nicht bewusst ist, welche
bedeutende Rolle Musik im alltäglichen Leben des Menschen spielt
(Schönberger, 2006, S. 11). Sloboda (2010, S. 494) widmet sich eben dieser
Musik im Alltag. Wie oft ein Mensch im alltäglichen Leben mit Musik in
Berührung kommt, ist stark kulturabhängig. Weiters hängt es natürlich davon
ab, ob eine Person auch im beruflichen Leben mit Musik zu tun hat. In
Hinblick auf die Emotionen ist anzumerken, dass diese stärker sind, wenn
sie unerwartet auftreten. Häufig vorkommende, alltägliche Ereignisse, wie
zum Beispiel die Musik im Alltag, löst daher schwache Emotionen aus.
Solche Emotionen werden in der durchschnittlichen Population selten
43
erinnert. Ein Grund dafür ist, dass die Wahrnehmung im Alltag meist auf eine
konkrete Handlung und nicht auf die Hintergrundmusik gerichtet wird. Mittels
ESM (experience-sampling methodologies) wird beispielsweise untersucht,
wann und wie oft sich eine Person in Situationen befindet, die Musik
enthalten. Die Versuchsteilnehmerinnen und Versuchsteilnehmer werden
mithilfe elektronischer Mittel (Pager, Telefon) kontaktiert, während sie ihrem
alltäglichen Leben nachgehen (Sloboda, 2010, S. 505).
Die Umgebungssituation und ihre emotionale Atmosphäre sind
ausschlaggebend dafür, wie Musik wahrgenommen wird. Ein bestimmtes
Lied löst im Kaufhaus eine andere emotionale Reaktion aus als in einem
Konzert. Diese Reaktion auf Musik ist darüber hinaus von Person zu Person
verschieden und abhängig von der Persönlichkeit, dem Wissen, der
kulturellen Orientierung und der persönlichen Geschichte der Zuhörerin oder
des Zuhörers (Sloboda & Juslin, 2010, S. 86).
Mit diesen unterschiedlichen Reaktionen auf Musik beschäftigt sich
beispielsweise das SEM-Projekt („Strong Experiences with Music“). Es
wurde in den späten 80er Jahren von Alf Gabrielsson und Erik Lindström
entwickelt. Intention war es, den Forschungsbereich der musikalischen
Erfahrungen zu erweitern (Schönberger, 2006, S. 53). Die am Versuch
teilnehmenden Personen wurden aufgefordert, die stärkste und intensivste
Erfahrung mit Musik, die sie jemals hatten, möglichst detailliert zu
beschreiben. Die Ergebnisse brachten sehr unterschiedliche Berichte, die in
Länge, Detail sowie Textart variierten. Sieben grundlegende Kategorien
konnten klassifiziert werden: 1) Allgemeine Charakteristiken, 2) physische
Reaktionen und Verhalten, 3) Wahrnehmung, 4) Kognition, 5) Gefühle und
Emotionen, 6) existentielle und transzendente Aspekte, 7) persönliche und
soziale Aspekte. Vorangegangene Studien postulieren, dass SEM
ausschließlich durch Klassische Musik ausgelöst wird. Aktuelle Studien
zeigen jedoch, dass „Strong Experiences with Music“ von Klassik bis hin zur
Rockmusik in nahezu allen Genres auftreten können (Gabrielsson, 2010,
S. 551).
44
Nach diesem Abschnitt über Musik und Emotionen widmet sich der
nächste Abschnitt speziell den Emotionen beim Chorsingen. Es handelt sich
hierbei um ein sehr junges Forschungsgebiet, das noch wenige Studien- und
Untersuchungsergebnisse bietet.
1.4 Emotionen beim Chorsingen
„Drückt’s dich wo, sing dich froh“
(alte Volksweise, zitiert nach Bossinger, 2006, S. 13 14)
Die Emotionen beim Chorsingen sowie emotionale Effekte des
Singens auf den Organismus eines Menschen sind noch nicht ausreichend
erforscht, obwohl das Singen, im Speziellen das Chorsingen, eine in allen
Kulturen weit verbreitete musikalische Aktivität darstellt. Aktuelle Studien
lassen auf positive Effekte des Chorsingens auf die Emotionen schließen. Im
Folgenden werden drei ausgewählte Studien vorgestellt.
Eine dieser aktuellen Untersuchungen wurde von der Forschergruppe
Kreutz et al. (2004, S. 626) durchgeführt und bildet die Referenzstudie der
vorliegenden Diplomarbeit. Kreutz et al. (2004) erforschten Auswirkungen
des Chorgesangs auf das Immunglobulin A (IgA), das Cortisol und den
emotionalen Zustand von 23 Chorsängerinnen und 8 Chorsängern (N=31)
eines Frankfurter Laienchores. Es wurden zwei Messungen im Abstand von
einer Woche durchgeführt. Bei der ersten Messung waren die Chor-
mitglieder aktiv beteiligt und sangen Mozarts Requiem. Während der
zweiten Messung wurde den am Versuch teilnehmenden Personen das
gleiche Werk mittels CD-Aufnahme vorgespielt. Das Forscherteam erwartete
nach dem Chorsingen und nach dem Anhören der CD-Aufnahme eine
signifikante Zunahme des Immunglobulin A (IgA) und eine deutlich positivere
subjektiv empfundene emotionale Befindlichkeit sowie eine Verminderung
14 Bossinger, W. (2006). Die heilende Kraft des Singens. Battweiler: Traumzeit-Verlag.
45
des Cortisols und eine deutlich negativere subjektiv empfundene emotionale
Befindlichkeit. Diese Auswirkungen sollen stärker auf das aktive Chorsingen
zutreffen. Die Konzentration des Immunglobulin A (IgA) wurde vor und nach
der Chorprobe mithilfe von Speichelproben der Versuchspersonen
festgestellt. Je größer die Immunglobulin A (IgA)-Konzentration ist, desto
größer ist die Immunkompetenz einer Person. Um den emotionalen Zustand
der Chormitglieder vor und nach dem Singen zu untersuchen wurde der
Fragebogen „Positive and Negative Affect Schedule“ (PANAS)15 verwendet.
Kreutz et al. (2004, S. 631) konnten ihre Hypothesen teilweise
bestätigen. Sie kamen zu folgenden Ergebnissen: (1) Das Singen vermindert
negative Stimmungen und steigert positive Stimmungen, (2) das Zuhören
steigert negative Stimmungen und vermindert positive Stimmungen, (3) beim
Singen steigert sich die Produktion des Immunglobulin A (IgA), beim
Anhören jedoch nicht, (4) eine Verminderung des Cortisols wurde beim
Zuhören, jedoch nicht beim Singen beobachtet.
Zwei Untersuchungen von Clift und Hancox (2001) widmen sich dem
persönlich wahrgenommenen Gewinn, der durch das aktive Chorsingen
entsteht. Die Stichprobe der ersten Studie bestand aus N=48 Mitgliedern
eines universitären Collegechores. Die Versuchsteilnehmerinnen und
Versuchsteilnehmer wurden mithilfe eines Fragebogens gefragt, welchen
persönlichen Gewinn sie aus der Chormitgliedschaft ziehen. Am häufigsten
wurde der soziale Gewinn (87 %) genannt, gefolgt vom emotionalen Gewinn
(75 %), physischen Gewinn (58 %) und seelischen Gewinn (49 %). Auch die
im Rahmen der vorliegenden Diplomarbeit durchgeführte Studie ergab
ähnliche Ergebnisse. Die zweite Studie von Clift und Hancox (2001)
umfasste N=91 Chormitglieder und konnte mithilfe eines strukturierten
Fragebogens 32 Aussagen über das Chorsingen erfassen. Die Aussagen
der Probandinnen und Probanden wurden dabei sechs Dimensionen
zugeordnet.
15 Krohne et al. (1996)
46
Da die vorliegende Diplomarbeit auf dem aktuellen Forschungsstand
aufbauen soll, wird dieser im nächsten Abschnitt detaillierter beleuchtet.
Auch hier werden exemplarisch einige Studien zum Thema vorgestellt.
1.5 Stand der Forschung
Die bereits in Abschnitt 2.4 beschriebenen Studien von Kreutz et al.
(2004) und Clift und Hancox (2001) repräsentieren einen wichtigen Teil des
aktuellen Forschungsstandes. Eine weitere Untersuchung von Clift et al.
(2010, S. 21) baut auf der zuvor vorgestellten Studie von Clift und Hancox
(2001) auf und umfasste N=633 Chorsängerinnen und Chorsänger aus
England. Ziel der Untersuchung war es Erfahrungen und Effekte hinsichtlich
des Chorsingens sowie Dimensionen der gesundheitsbezogenen Lebens-
qualität („quality of life“) zu erfassen. Neben soziodemographischen Fragen
wurden offene Fragen zu Lebensqualität, Wohlbefinden und Gesundheit
gestellt sowie ein strukturierter Fragebogen zu den Effekten des Chor-
singens und der „World Health Organization Quality of Life Questionnaire
(short version)“ (WHOQOL-BREF) ausgeteilt. Der WHOQOL-BREF ergab
vier Dimensionen der Lebensqualität, nämlich (1) physische, (2) psycho-
logische, (3) soziale und (4) umfeldbedingte Lebensqualität. Die Ergebnisse
hinsichtlich der Effekte des Chorsingens bezogen sich auch auf die
Emotionen der am Versuch teilnehmenden Personen. Dabei wurde die
Verbesserung der Stimmung, mehr Freude durch das Chorsingen, die
emotionale Unterstützung durch die Chorgemeinschaft und die Verringerung
von Angst von den Versuchspersonen besonders hervorgehoben.
Der österreichische Musikpsychologe Biegl (2004, S. 166) beschäftigt
sich mit dem Themenkomplex Glück, Gesang und Wohlbefinden. Um zu
bestätigen, dass das Singen Glücksgefühle erzeugt, wurden physiologische
Parameter (Katecholamine, Opiate) für die Untersuchung (N=6)
herangezogen. Das Singen führt zur Ausschüttung dieser Stoffe. Tatsächlich
47
konnten im Blutserum die entsprechenden physiologischen Parameter
nachgewiesen werden. Zeitgleich wurde das Stress- und Angstlevel
während des Singens durch das Adrenalin im Blut und eine Emotionalitäts-
inventar (EMI-B) gemessen. Die Ergebnisse zu den Emotionen beim Singen
konnten Folgendes bestätigen: (1) Das Befinden ist nach dem Singen
angstfreier als vor dem Singen, (2) die Stimmung ist nach dem Singen froher
als vor dem Singen, (3) das gestörte Allgemeinbefinden ist nach dem Singen
geringer als vor dem Singen und (4) Singen macht glücklich. Es konnte
jedoch nicht bestätigt werden, dass die Stimmung nach dem Singen weniger
aggressiv ist als vor dem Singen und dass das Gefühl von Verlassenheit
nach dem Singen geringer ist als vor dem Singen.
Eine südafrikanische Studie von Barrett (2007, S. 12) widmet sich der
Frage, welchen Wert das Chorsingen im multikulturellen Südafrika hat.
Mittels Fragebogen wurden 16 Chöre befragt. Aus der englischen Original-
studie geht diesbezüglich hervor:
Probably the most important finding in the study is the similarities
between the various cultures when giving their opinions about singing
collectively. It is obvious that music creates an adhesive that binds
people together no matter what their race, mother tongue, age or
social status. In a choir, all singers are equal because the specialized
art of choir singing demands equality between all. Through choral
singing, a multicultural society is slowly being united and through this,
singers rely on each other for support, advice, and friendship and they
share their beliefs, striving towards a united country. This connection
allows for choristers to enrich and educate one another through their
differences. Music has often been referred to as the “only international
language“ because we share the same emotions and feeling – the
very essence of what makes us human. (Barrett, 2007, S. 73)
48
Weitere Studien zum Chorgesang wurden beispielsweise von der
gemeinnützigen amerikanischen Organisation für Chormusik „Chorus
America“ durchgeführt. Im Jahr 2009 konnte aus den Ergebnissen ihrer
„Chorus Impact Study“ geschlossen werden, dass der Chorgesang einen
Weg zum Erfolg darstellt (Chorus America, 2009, S. 4).
Eine Langzeitstudie fand laut Bastian und Fischer (2006, S. 61) im
Zeitraum von 1992 bis 1998 an Berliner Grundschulen statt. Sie hatte den
Einfluss von erweiterter Musikerziehung auf die allgemeine und individuelle
Entwicklung von Kindern zum Thema. Eine der untersuchten Grundschulen
hatte den Chorgesang als Schwerpunkt. Dem Forschungsprojekt zufolge
sollte das Chorsingen kognitive, kreative, ästhetische, musikalische, soziale
und psychomotorische Fähigkeiten der Kinder positiv beeinflussen. Darüber
hinaus wurde der Fokus auf emotionale Dispositionen und emotionale
Stabilität gerichtet. Die Autoren geben an, dass das Chorsingen die Kinder
trotz regelmäßiger Proben und öffentlicher Auftritte nicht bedeutsam
belastet. Sie zeigen, im Gegensatz zu Berufsmusikern, keine ausgeprägten
Angstsymptome oder emotionale Labilität.
In diesem Abschnitt wurden exemplarisch relevante Studien-
ergebnisse dieses jungen Forschungsgebietes dargestellt. Aufgrund dieser
Studienergebnisse stellt sich die Frage, ob sich die von Kreutz et al.
gefundenen Ergebnisse auch auf die Chorkultur in Kärnten umlegen lassen.
Der hiermit abgeschlossene erste Teil der Diplomarbeit diente der
theoretischen Darstellung und Aufbereitung des Themenkomplexes. Es
wurden Definitionen, Beiträge und Ausführungen zum Chorsingen und zu
Emotionen erörtert. Die Abschnitte Musik und Emotionen, sowie Emotionen
beim Chorsingen leiten als Kernstücke inhaltlich vom theoretischen Teil zum
empirischen Teil der Diplomarbeit über.
49
2 Empirischer Teil
„Das Singen ist zuerst
der innere Tanz des Atems,
der Seele,
aber es kann auch unseren Körper
aus jeglicher Erstarrung ins Tanzen befreien
und uns den Rhythmus des Lebens lehren“
(Yehudi Menuhin,
zitiert nach Bossinger, 2006, S.9)
50
Im Duden (Meyers Lexikonredaktion, 2001, S. 188) wird empirisch als
„erfahrungsgemäß“ definiert. Wie Bortz und Döring (2006, S. 2) darstellen,
sucht die empirische Studie mithilfe der systematischen Auswertung von
Erfahrungen nach Erkenntnissen. Im empirischen Teil der Diplomarbeit
werden zunächst die Fragestellungen und Hypothesen erläutert und dann
wird explizit auf das Forschungsdesign und die Zusammensetzung der
Stichprobe eingegangen. Es wird die Methodik der Studie erklärt und die
relevanten Erhebungs- und Auswertungsmethoden werden vorgestellt. Es
folgt die Präsentation der Ergebnisse, die sich aus den soziodemo-
graphischen Daten, dem Fragebogen PANAS16 (Positive and Negative
Affect Schedule) und dem Informationsgewinn der offen gestellten Fragen
im Fragebogen zusammensetzen. Abschließend werden die Ergebnisse
interpretiert und kritisch hinterfragt.
2.1 Explikation der Fragestellungen und Hypothesen
Die Forscherin oder der Forscher sollte sich im Klaren darüber sein,
dass im ersten Schritt einer Untersuchung die Forschungsfragen und
Hypothesen im Mittelpunkt des Interesses stehen und präzisiert werden
sollten. Über die Auswahl der Methode wird erst im zweiten Schritt der
Untersuchung reflektiert und diskutiert. Auch Albers, Klapper, Konradt,
Walter und Wolf (2009, S. 5) schreiben, dass die Fragestellung die Natur der
eigenen Untersuchung und die damit verbundenen Untersuchungsmethoden
bestimmt. Wilkinson (1999) betont im englischen Originaltext: „You should
take efforts to assure that the underlying assumptions required for the
analysis are reasonable given the data“ (S. 594).
16 Krohne, H. W., Egloff, B., Kohlmann, C.-W., & Tausch, A. (1996). Untersuchungen mit
einer deutschen Version der „Positive and Negative Affect Schedule“ (PANAS). Diagnostica,
42, Heft 2, 139-156.
51
Fragestellungen und Hypothesen. Die Fragestellungen und
Hypothesen der vorliegenden Diplomarbeit lauten:
Fragestellung 1: Unterscheiden sich die aktiven Chorsängerinnen und
Chorsänger von den aktiven Zuhörerinnen und Zuhörern
unmittelbar hinsichtlich ihres Positiven Affekts (PA)?
H1a: Es gibt einen unmittelbaren signifikanten Unterschied
zwischen den beiden Gruppen hinsichtlich ihres
Positiven Affekts (PA).
H1b: Das aktive Chorsingen (Gruppe A) bewirkt eine
unmittelbare Steigerung des Positiven Affekts (PA).
H1c: Beim aktiven Zuhören (Gruppe B) zeigt sich im
Vergleich zur Gruppe A eine unmittelbare Verminderung
des Positiven Affekts (PA).
Fragestellung 2: Unterscheiden sich die aktiven Chorsängerinnen und
Chorsänger von den aktiven Zuhörerinnen und Zuhörern
unmittelbar hinsichtlich ihres Negativen Affekts (NA)?
H2a: Es gibt einen unmittelbaren signifikanten Unterschied
zwischen den beiden Gruppen hinsichtlich ihres
Negativen Affekts (NA).
H2b: Das aktive Chorsingen (Gruppe A) bewirkt eine
unmittelbare Verminderung des Negativen Affekts (NA).
H2c: Beim aktiven Zuhören (Gruppe B) zeigt sich im
Vergleich zu der Gruppe A eine unmittelbare Steigerung
des Negativen Affekts (NA).
52
2.2 Forschungsdesign
Sobald Fragestellungen und Hypothesen klar formuliert sind und fest-
stehen, kann ein adäquates Forschungsdesign entwickelt werden. Hussey,
Schreier und Echterhoff (2010) verdeutlichen, dass „der Forschungsansatz
(Forschungsdesign) (…) die grundlegende Vorgehensweise zur Be-
antwortung der Fragestellung“ (S. 25) festlegt. Als Forschungsdesign der
vorliegenden Studie wurde die Kausalanalyse gewählt. Die Durchführung
der empirischen Studie erfolgte mithilfe eines Fragebogenverfahrens, das
bei zwei Messzeitpunkten zum Einsatz kam. Der erste Fragebogen wurde
durch einen soziodemographischen Teil und die offene Frage „Was ist für
Sie das Besondere am Singen im Chor?“ ergänzt. Beim zweiten Fragebogen
lautete die offene Frage „Wie ging es Ihnen in Ihrer jeweiligen Situation als
aktive Chorsängerin und aktiver Chorsänger oder aktive Zuhörerin und
aktiver Zuhörer?“. Die offenen Fragen hatten die Intention den emotionalen
Zustand der Personen differenzierter zu erfassen.
Soziodemographischer Teil. Durch zusätzliche Abfragung der
Variablen Geschlecht, Alter, Familienstand, höchste abgeschlossene Aus-
bildung, Dauer des Chorsingens und Gründe für das Chorsingen konnte die
vorliegende Stichprobe genauer beschrieben werden.
PANAS. Als Fragebogen wurde die deutsche Form der „Positive and
Negative Affect Schedule“ (PANAS) herangezogen. Die deutsche Über-
setzung und Adaptation des Verfahrens wurde von Krohne, Egloff,
Kohlmann und Tausch durchgeführt. Das Erhebungsinstrument PANAS
beschreibt zwei globale Dimensionen der emotionalen Befindlichkeit, den
„Positive Affect“ (PA) und den „Negative Affect“ (NA). Die PANAS basiert auf
einem Circumplex-Modell affektiver Reaktionen von Watson und Tellegen
aus dem Jahr 1985. Dabei reduzierte man von einer großen Anzahl selbst-
berichteter wie auch fremdbeobachteter Affekte auf zwei unabhängig von-
einander variierende Dimensionen: Positiver und Negativer Affekt (Schu-
53
macher, Klaiberg & Brähler, 2003, S. 252). Ein Circumplex-Modell weist im
Allgemeinen eine kreisförmige Struktur auf. Diese enthält oftmals zwei
Dimensionen, dessen Pole durch zwei Attribute beschrieben werden und
miteinander korrelieren (Sprenger, 2007, S. 1). Der Abschnitt 2.4.1 geht
detaillierter auf die PANAS ein.
Der PANAS-Fragebogen wurde an fünf gemischte Kärntner Chöre
ausgegeben. Es gab zwei Messzeitpunkte, nämlich (1) den vor der
Bedingung aktiv zu singen oder zuzuhören und (2) den nach der Bedingung
aktiv zu singen oder zuzuhören. Die Versuchsleiterin teilte den jeweiligen
Chor per Zufall in zwei Gruppen ein: aktive Chorsängerinnen und
Chorsänger (Gruppe A) sowie aktive Zuhörerinnen und Zuhörer (Gruppe B).
Variablen. Wie Abbildung 2 zeigt, wird als unabhängige Variable (UV)
die Gruppenzugehörigkeit, also aktive Chorsängerinnen und Chorsänger
(Gruppe A) und aktive Zuhörerinnen und Zuhörer (Gruppe B) erfasst. Bortz
und Schuster (2010) definieren die unabhängige Variable als „Merkmal, das
systematisch variiert wird, um seine Auswirkung auf die abhängige Variable
zu untersuchen“ (S. 585). Als abhängige Variable (AV) wird der Positive
Affekt (PA) und der Negative Affekt (NA) erfasst. Laut Leonhart (2004,
S. 255) entsprechen die abhängigen Variablen jenen Variablen, die bei einer
Forschung gemessen werden.
Abbildung 2. Graphische Darstellung der unabhängigen (UV) und abhängigen Vari-
ablen (AV)
54
Forschungsablauf. Die Erhebung der Daten wurde zur gewohnten
Probezeit des Chores durchgeführt. Zunächst sang sich der gesamte Chor
fünf bis zehn Minuten ein, dann teilte die Versuchsleiterin den ersten
Fragebogen aus. Er beinhaltete einen soziodemographischen Teil, eine
offene Frage und die PANAS. Alle am Versuch teilnehmenden Personen
wurden per Zufall einer der beiden Gruppen (A, B) zugeteilt. Dazu wurde die
Anzahl der Chorsängerinnen und Chorsänger in den einzelnen Stimmlagen
(Sopran, Alt, Tenor, Bass) festgehalten und halbiert. Die Gruppe A (aktive
Chorsängerinnen und Chorsänger) hatte die Aufgabe wie gewohnt an der
Probe teilzunehmen und aktiv mitzusingen. Die Gruppe B (aktive Zu-
hörerinnen und Zuhörer) bekam die Aufgabe nicht mitzusingen, jedoch aktiv
zuzuhören, indem sie im Notenblatt mitlesen und mitdenken sollten. So
blieben die Mitglieder der Gruppe B auf ihrem Platz sitzen, obwohl sie dazu
aufgefordert waren nicht mitzusingen. Die Mitglieder der Gruppe A sangen
etwa eine halbe Stunde lang ihr Programm. Danach wurde von allen
Versuchsteilnehmerinnen und Versuchsteilnehmern der zweite Fragebogen
ausgefüllt. Dieser beinhaltete erneut die PANAS-Skalen und die offene
Frage, wie sich die Personen in ihrer jeweiligen Situation gefühlt hatten.
Instruktion. Die Versuchsleiterin führte die Instruktion mündlich durch.
Die wörtliche Instruktion ist im Anhang beigelegt. Nach dem gemeinsamen
Einsingen wurden die Versuchsteilnehmerinnen und Versuchsteilnehmer
von der Versuchsleiterin über den genauen Ablauf der Studie informiert.
Die Erläuterung zum Forschungsdesign sollte einen Überblick über
den Ablauf der Studie, sowie die Differenzierung der unabhängigen und
abhängigen Variablen geben. Es folgt eine genaue Beschreibung der ge-
samten Stichprobe. Um der Leserin und dem Leser einen guten Eindruck
von den Probandinnen und Probanden zu vermitteln, werden auch die
einzelnen Chöre mit ihren Charakteristiken beleuchtet.
55
2.3 Beschreibung der Stichprobe
Bortz und Schuster (2010) definieren eine Stichprobe als „in der
Regel zufällig ausgewählte Personengruppe, die als Grundlage für inferenz-
statistische Schlüsse dienen soll“ (S. 585). Die Autoren verdeutlichen
weiters, dass „je besser die Stichprobe die Grundgesamtheit repräsentiert,
umso präziser sind die inferenzstatistischen Aussagen über die Grund-
gesamtheit“ (S. 80). Bortz und Döring (2005, S. 401) argumentieren, dass
eine Stichprobe dann spezifisch repräsentativ ist, wenn ihre Zusammen-
setzung in Bezug auf einige relevante Merkmale mit der Population
übereinstimmt. Die Größe der Stichprobe und die Größe der Grund-
gesamtheit beeinflussen die Präzision der Aussagen. Im vorliegenden Fall
handelt es sich um eine Ad-hoc-Stichprobe, die eine bereits bestehende
Personengruppe (Chor) als Stichprobe heranzieht (Bortz und Schuster,
2010, S. 82).
Die Stichprobengröße umfasste N = 102 Personen. Es nahmen 72
weibliche und 30 männliche Personen an der empirischen Studie teil. Von
den 102 Personen wurden 51 der Gruppe A und 51 der Gruppe B zugeteilt.
Hinsichtlich der Geschlechterverteilung wird für die vorliegende Stichprobe
deutlich, dass der Frauenanteil größer ist als der Männeranteil. Mecke
(2006, S. 2) geht auf den geringen Männeranteil in Chören ein und stellt
Überlegungen dazu an, dass das Singen unter Buben bereits im schulischen
Kontext rasch als mädchenhaft und „uncool“ aufgefasst wird. Ebenso wirkt
die große Anzahl von singenden Mädchen in diesem Alter abschreckend auf
die jungen Knaben beziehungsweise Schüler. Der amerikanischen „Chorus
Impact Study“ aus dem Jahre 2009 ist zu entnehmen, dass etwa 65 % der
Chorsängerinnen und Chorsänger ihre ersten Chorerfahrungen in der
Grundschule (elementary school) oder Mittelschule (middle school) gemacht
haben (Chorus America, 2009, S. 8). Hier wird die Tatsache unterstrichen,
wie wichtig es ist bereits im schulischen Kontext mit dem Chorsingen in
56
Berührung zu kommen, damit auch im späteren Leben ein Interesse am
Chorgesang besteht.
Für die vorliegende Studie wurden insgesamt fünf gemischte Kärntner
Chöre im Zeitraum vom 02.02.2011 bis 28.02.2011 befragt, welche im
Folgenden kurz beschrieben werden:
1) Singkreis Klagenfurt Seltenheim: Der Chor wurde im Jahre 1967 als
„Volksliedchor Seltenheim“ gegründet. 1973 erhält der Chor seine
derzeitige Bezeichnung. Seit 25 Jahren werden gemeinsam zahl-
reiche Konzertreisen auf allen Kontinenten unternommen und inter-
nationale Chorfestivals besucht, was dem Chor den Beinamen
„singender Botschafter“ gebracht hat. Seit 2004 leitet der ORF-
Redakteur Mag. Karl Altmann den Chor mit etwa 50 Chorsängerinnen
und Chorsängern. Zum Untersuchungszeitpunkt am 02. Februar 2011
waren 32 Chorsängerinnen und Chorsänger anwesend (Singkreis
Klagenfurt Seltenheim17, Zugriff am 22.03.2011).
2) Musical-, Popchor für Erwachsene: Der Chor wird von der diplo-
mierten Gesangspädagogin Anja Glüsing geleitet und möchte
Menschen ansprechen, die ihre kreativen Seiten entdecken wollen.
Im Repertoire finden sich Pop, Gospel und Musicalsongs. Zum Unter-
suchungszeitpunkt am 03. Februar 2011 wurde für die Aufführung
„Der König der Löwen“ geprobt. 11 Personen konnten an der Unter-
suchung teilnehmen (Gesangsstudio Klagenfurt18, Zugriff am
22.03.2011).
3) Stadtchor Klagenfurt: Der Chor wurde im Jahre 1994 unter der
Leitung von Walter Pristounig gegründet. Seit Oktober 2010 ist
Stefanie Petelin die Chorleiterin. Ziel des Chores ist es, ein
integrativer kultureller Bestandteil der Bevölkerung Klagenfurts und
Kärntens zu sein. Im Repertoire des Stadtchores befinden sich
17 Singkreis Klagenfurt Seltenheim. Zugriff am März 22, 2011, verfügbar [unter]
http://www.seltenheimer.at/ 18 Gesangsstudio Klagenfurt. Zugriff am März 22, 2011, verfügbar [unter] http://www.gesangsstudio-
klagenfurt.at/kontakt.html
57
heimische Chorlieder sowie weltliches und geistliches Liedgut. Zum
Untersuchungszeitpunkt am 15. Februar 2011 waren 21 Chorsänger-
innen und Chorsänger anwesend (Stadtchor Klagenfurt19, Zugriff am
24.03.2011).
4) Gemischter Chor Koschatwiege Viktring: Im Jahre 1924 wurde die
heutige Koschatwiege als „Arbeitergesangsverein Viktring“ von
13 singbegeisterten Männern gegründet. Der gemischte Chor besteht
seit dem Jahre 1951. Der Name des Chores geht auf den berühmten
Kärntner Liederfürsten Thomas Koschat zurück. Neben Aufritten in
Kärnten zieht es den Chor auch in ferne Länder wie Mexiko und
Guatemala. Seit 2005 leitet Frau Gudrun Mehringer-Thaler den Chor,
der neben Volksliedern auch Chorliteratur der Renaissance, des
Barock und der Romantik bis hin zu modernen Liedern umfasst. Zum
Untersuchungszeitpunkt kamen 26 Chorsängerinnen und Chorsänger
zur Chorprobe (Koschatwiege Gemischter Chor Klagenfurt –
Viktring20, Zugriff am 24.03.2011).
5) Komorni Zbor Borovlje (Kammerchor Ferlach): Unter Mag. Roman
Verdel wurde der zweisprachige Chor 1981zunächst als Männerchor
geführt. Seit 1997 besteht er als gemischter Chor und ist in den
slowenischen Kulturverein integriert. Vorwiegend wird slowenisches
Volksliedgut gesungen, ebenso werden aber auch neue Projekte und
Messen aus den verschiedensten Epochen gestaltet. Der Chor trat
bereits in vielen Teilen Österreichs sowie in Slowenien und Italien auf
(R. Verdel, mündliche Mitteilung, März 31, 2011).
Nach der Darstellung der Stichprobe widmet sich das nächste Kapitel
den methodischen Überlegungen der empirischen Untersuchung, im
Speziellen den verwendeten Erhebungs- und Auswertungsmethoden.
19 Stadtchor Klagenfurt. Zugriff am März 24, 2011, verfügbar [unter] http://stadtchor-
klagenfurt.at/index.php 20 Koschatwiege Gemischter Chor Klagenfurt – Viktring. Zugriff am März 24, 2011, verfügbar [unter]
http://www.koschatwiege.at/index.php?option=com_content&view=article&id=47&Itemid=55
58
2.4 Methodik der Studie
Dieses Kapitel beleuchtet die Methodik der vorliegenden Studie,
insbesondere werden Erhebungs- und Auswertungsmethoden detailliert
dargestellt. Während regulärer Chorproben der beschriebenen fünf Chöre
wurde der Fragebogen PANAS an die Chormitglieder ausgeteilt. Die
Erhebung der Daten erfolgte zu zwei Messzeitpunkten. Für die Auswertung
der PANAS wurde das Statistikprogramm SPSS (Statistical Package for the
Social Sciences) verwendet, für die Auswertung der offenen Fragen wurde
eine qualitative Inhaltsanalyse durchgeführt. Demnach kamen in der Studie
eine quantitative und eine qualitative Auswertungsmethode zur Anwendung.
2.4.1 Erhebungsmethoden
Wenn das Forschungsdesign einer Studie feststeht, werden die
passenden (Daten-) Erhebungsmethoden ausgewählt (Hussy, Schreier &
Echterhoff, 2010, S. 26). Für die vorliegende Diplomarbeit wurde die
deutsche Version der „Positive and Negative Affect Schedule“ (PANAS) als
Erhebungsmethode ausgewählt. Nach Sokolowski (2002) bedeutet ein
Affekt eine „auf einen situativen Reiz hin schnell anspringende, kurze,
intensive emotionale Reaktion mit hoher Verhaltensbereitschaft“ (S. 277).
Ergänzend zu PANAS wurde ein soziodemographischer Teil ausgearbeitet,
der neben der Abfrage der Variablen Geschlecht, Alter, Familienstand,
Ausbildung, Dauer des Chorsingens und Gründe für das Chorsingen auch
eine offene Fragen beinhaltete: „Was ist für Sie das Besondere am Singen
im Chor?“ Zum zweiten Erhebungszeitpunkt wurde ergänzend zu PANAS
die Frage gestellt „Wie ging es Ihnen in Ihrer jeweiligen Situation als aktive
Chorsängerin und aktiver Chorsänger oder aktive Zuhörerin und aktiver
Zuhörer?“
Porst (2009, S. 54) schreibt, dass der Vorteil einer offenen Frage
darin liegt, dass die befragten Personen die Möglichkeit haben, so zu
antworten, wie sie es gewohnt sind. Der Nachteil dabei ist, dass das
59
Ergebnis oftmals von der Verbalisierungsfähigkeit der Versuchs-
teilnehmerinnen und Versuchsteilnehmer beeinflusst wird, da manchen
Personen der Umgang mit offener Sprache oder Schrift schwer fällt.
Die PANAS wurde als Selbstbeurteilungsfragebogen mit 20
Adjektiven (Items) eingesetzt. Die 20 Adjektive gliedern sich in zwei globale
Dimensionen der emotionalen Befindlichkeit: Positiver Affekt (PA) wie zum
Beispiel aktiv, begeistert und Negativer Affekt (NA) wie zum Beispiel
bekümmert, gereizt (Schumacher, Klaiberg & Brähler, 2003 S. 252). Krohne
et al. (1996) definieren den Positiven Affekt als „ … das Ausmaß, in dem
eine Person enthusiastisch, aktiv und aufmerksam ist“ (S. 140). Personen
mit hohem Positiven Affekt zeichnen sich durch Energie, Konzentration und
freudiges Engagement aus, wohingegen ein niedriger Positiver Affekt
Lethargie und Traurigkeit auslöst. Der Gefühlszustand des hohen Negativen
Affekts ist gekennzeichnet durch Gereiztheit, Nervosität und Angst, niedriger
Negativer Affekt beschreibt Ruhe und Ausgeglichenheit (Krohne et al.,
1996). Die Intensität eines Affekts wurde von den Versuchsteilnehmerinnen
und Versuchsteilnehmern auf einer fünfstufigen Skala von 1 (ganz wenig
oder gar nicht) bis 5 (äußerst) beurteilt. Der theoretische Teil der
vorliegenden Diplomarbeit beleuchtete bereits die Qualität und die Intensität
der Emotionen. Durch eine fünfstufige Skala kann zugleich die Qualität der
Emotion, mithilfe der beschrifteten Skala, und die Intensität der Emotion,
mithilfe der Abstufungen der Skala, festgehalten werden (Meyer, Reisenzein
& Schützwohl, 2001, S. 37). Der verwendete Fragebogen hatte das Ziel die
momentane Befindlichkeit der befragten Personen zu erfassen (Krohne et
al., 1996, S.141).
Ein Vorteil bei geschlossenen Fragestellungen ist die schnelle Daten-
aufnahme und Datenauswertung. Ein möglicher Nachteil kann sein, dass die
am Versuch teilnehmenden Personen keiner der vorgegebenen Antwort-
kategorien zustimmen können. Die Konsequenzen daraus wären eine „item
nonresponse“, die Nicht-Beantwortung einer Frage oder bewusste Falsch-
angabe (Porst, 2009, S. 53). Für die durchgeführte Studie wurde aufgrund
60
dessen ergänzend zu den 20 Adjektiven die Antwortkategorie „Sonstiges“
vorgegeben. Die Versuchsteilnehmerinnen und -teilnehmer konnten hier
weitere Adjektive eintragen und auf der fünfstufigen Skala bewerten. Die
Items des Positiven Affekts (PA) lauten ihrer Reihenfolge nach: angeregt,
wach, entschlossen, stolz, aktiv, aufmerksam, freudig erregt, stark,
interessiert und begeistert. Die Items des Negativen Affekts (NA) lauten ihrer
Reihenfolge nach: erschrocken, gereizt, verärgert, ängstlich, nervös,
bekümmert, beschämt, feindselig, durcheinander und schuldig.
Krohne et al. (1996) schreiben: „Die PANAS ist ein kurzes, aus 20
Items bestehendes, reliables Meßverfahren [sic!], das eine ökonomische Er-
fassung von PA [Positiver Affekt]und NA [Negativer Affekt] ermöglicht. Die
beiden Dimensionen variieren unabhängig voneinander und weisen
differentielle Validität auf“ (S. 141). Hussy, Schreier und Echterhoff (2010)
bezeichnen Reliabilität als „die Zuverlässigkeit und Beständigkeit einer
Untersuchung. Reliabel ist ein Instrument dann, wenn es bei einem relativ
gleich bleibenden Verhalten gleiche oder ähnliche Ergebnisse liefert“ (S. 23).
Wild und Möller (2009) definieren Validität (Gültigkeit) als „das Ausmaß, zu
dem ein Test das misst, was er zu messen vorgibt. Validität ist in diesem
Verständnis eine Eigenschaft des Tests“ (S. 318). Die Kürze des gewählten
Erhebungsverfahrens war in dieser Studie von großem Vorteil, da der
Versuchsleiterin von den meisten Chorleiterinnen und Chorleitern nur ein
bestimmter Teil der Probenzeit zur Verfügung gestellt wurde.
Schumacher, Klaiberg und Brähler (2003) thematisieren hinsichtlich
der PANAS die Gütekriterien Objektivität, Reliabilität und interne Validität
und schreiben zur Objektivität, dass „die PANAS (…) hinsichtlich
Durchführung und Auswertung standardisiert“ ist (S. 253). Bezüglich der
Reliabilität führen die Autoren an, dass Cronbach’s Alpha zwischen .84 und
.86 lag. Die interne Validität zeigt an, dass die Skalen PA und NA
unabhängig voneinander variieren (S. 253).
61
Russell und Carroll (1999) zeigen andere Sichtweisen auf und
beziehen sich in ihrem Artikel21 auf die Bipolarität des positiven und
negativen Affekts. Die meisten Menschen glauben, dass die positiven
Gefühle einen Gegensatz zu den negativen Gefühlen bilden und demnach
unabhängig voneinander sind. Laut Russell und Carroll (1999) konnten
Psychologinnen und Psychologen diese Annahme jedoch widerlegen. Sie
gehen der Vermutung nach, dass Menschen gleichzeitig glücklich und
unglücklich sein können. Auch Autoren wie beispielsweise Zautra, Potter
und Reich, 1997, und Watson und Clark, 1997, gehen von der Unabhängig-
keit des positiven und negativen Affekts aus.
Nach Russell und Carroll (1999, S. 3) beziehen Costa und McCrae
(1980) einen anderen Standpunkt und glauben, dass die Unabhängigkeit
des positiven und negativen Affekts ein Paradoxon darstellt, das nicht
ausreichend erklärt wurde. Die Autoren schreiben jedoch, dass sich die Un-
abhängigkeit des positiven und negativen Affekts als vorherrschende An-
nahme durchsetzten konnte.
Watson et al. (1988) fassen in der Conclusio ihres Artikels
„Development and Validation of Brief Measures of Positive and Negative
Affect: The PANAS Scales“ zusammen:
Whereas existing scales are unreliable, have poor convergent or
discriminant properties, or are cumbersome in length, these 10-item
scales are internally consistent and have excellent convergent and
discriminant correlations with lengthier measures of the underlying
mood factors. When used with short-term instructions (e.g., right now
or today), they are sensitive to fluctuations in mood, whereas they
exhibit traitlike stability when longer-term instructions are used (e.g.,
past year or general). (Watson et al., 1988, S. 1069)
21 Russell, A. R., & Carroll J. M. (1999). On the Bipolarity of Positive and Negative Affect.
Psychological Bulletin, 125(1), 3-30.
62
Krohne et al. (1996, S. 153) betonen, dass sich die Skala besonders
für den Bereich der Emotions- und Stressforschung eignet. Aus diesem
Grund wurde sie für diese empirische Untersuchung herangezogen. Ein
weiterer Grund, warum die Wahl auf die PANAS fiel, war die kurze
Erhebungsdauer von etwa fünf bis zehn Minuten. Die für die vorliegende
Diplomarbeit verwendete Referenzstudie von Kreutz et al. (2004): Effects of
Choir Singing or Listening on Secretory Immunoglobulin A, Cortisol, and
Emotional State verwendet ebenso die PANAS als psychometrische Skala
für die Messung des emotionalen Zustandes der Chormitglieder. Der
vollständige Fragebogen (PANAS), der für beide Messzeitpunkte verwendet
wurde, befindet sich im Anhang.
Die zu untersuchende Fragestellung, das Forschungsdesign, die Art
der Stichprobe und die Auswahl des Erhebungsinstruments beeinflussen
gemeinsam, welche Auswertungsmethoden für die empirische Studie zum
Einsatz kommen. Im nächsten Abschnitt werden die in dieser Studie
verwendeten Auswertungsmethoden erläutert.
63
2.4.2 Auswertungsmethoden
Bortz und Schuster (2010, S. 10) empfehlen, die Planungsphase mit
Überlegungen hinsichtlich der passenden Auswertung des Untersuchungs-
gegenstandes abzuschließen. In der Auswertungsphase werden die
erhobenen Daten statistisch verarbeitet. Der vorab formulierten Null-
hypothese (H0) steht die Forschungshypothese (H1) gegenüber. Für die
vorliegende Untersuchung wird ein Signifikanzniveau von α = .05 festgelegt.
Test auf Normalverteilung. Im Vorfeld der Studie wurde ein Test auf
Normalverteilung (Kolmogorow-Smirnow-Test) durchgeführt, um die
passenden Auswertungsmethoden festlegen zu können. Eckstein (2008)
schreibt: „Der KOLMOGOROV-SMIRNOV-Anpassungstest erfährt in der
angewandten Statistik in seiner Eigenschaft als trennscharfer Omnibus-Test
(lat.: omnibus � für alle) eine breite Anwendung, da er für ein metrisches
Erhebungsmerkmal gleichermaßen Abweichungen in den Lage-, Streuungs-,
Schiefe- und Wölbungsparametern einer empirisch beobachteten Verteilung
im Vergleich zu einer theoretisch erwarteten Verteilung aufzudecken
vermag“ (S. 253).
Dieser Test auf Normalverteilung zeigte, dass die Daten der positiven
Adjektive eine Normalverteilung aufweisen. Dies war bei beiden Gruppen
der Fall (positiver Affekt vorher und positiver Affekt nachher bei Gruppe A
und Gruppe B) 22. Im Gegensatz dazu konnte bei den negativen Adjektiven
in keiner Gruppe eine Normalverteilung nachgewiesen werden. Aufgrund
dieser Ergebnisse wurden als Auswertungmethoden für die positiven
Adjektive eine einfaktorielle ANOVA (Analysis of Variance) und für die
negativen Adjektive der Mann-Whitney-U-Test gewählt.
22 Gruppe A: aktive Chorsängerinnen und Chorsänger. Gruppe B: aktive Zuhörerinnen und
Zuhörer.
64
ANOVA. Clauß, Finze und Partzsch (2004) beschreiben die
Varianzanalyse als „ein statistisches Verfahren zur Untersuchung der
Wirkung von Faktoren auf Versuchsergebnisse, das auf der Grundlage des
geeigneten Vergleiches von Streuungen beruht“ (S. 320). Die Varianz-
analyse wurde von R. A. Fischer (1920) entwickelt. Die einfache Varianz-
analyse (einfaktorielle ANOVA) realisiert den Vergleich von unabhängigen
Stichproben (Clauß, Finze & Partzsch, 2004, S. 321).
Mann-Whitney-U-Test. Rasch und Kubinger (2006, S. 189) erwähnen,
dass das Forscherteam Mann und Whitney (1947) wie auch Wilcoxon (1945)
jeweils einen Test entwickelten, der für die Hypothesenprüfung benutzt
werden konnte. Mithilfe des Tests wurde die Gleichheit zweier beliebiger
stetiger Verteilungen ermittelt. Bortz und Schuster (2010, S. 130) schreiben,
dass es sich bei dem U-Test nach Mann und Whitney um ein nicht-
parametrisches (verteilungsfreies) Verfahren handelt, welches nicht auf eine
Normalverteilung als Voraussetzung angewiesen ist. Der U-Test nach Mann
und Whitney vergleicht zwei unabhängige Stichproben miteinander
Qualitative Inhaltsanalyse. Mayring (2003) beschreibt die Qualitative
Inhaltsanalyse und ihre Ziele. Eine Qualitative Inhaltsanalyse möchte:
• Kommunikation analysieren;
• fixierte Kommunikation analysieren;
• dabei systematisch vorgehen;
• das heißt regelgeleitet vorgehen;
• das heißt auch theoriegeleitet vorgehen;
• mit dem Ziel, Rückschlüsse auf bestimmte Aspekte der
Kommunikation zu ziehen. (S. 13)
Mayring (2003) schreibt weiter, dass das Ziel der qualitativen Inhalts-
analyse „die Analyse von Material, das aus irgendeiner Art der Kommuni-
kation stammt“ darstellt (S. 11). Die offene Frage im ersten Fragebogen
„Was ist für Sie das Besondere am Singen?“ und die offene Frage im
65
zweiten Fragebogen „Wie ging es Ihnen in Ihrer jeweiligen Situation als
aktive Chorsängerin und aktiver Chorsänger oder aktive Zuhörerin und
aktiver Zuhörer?“ wurden mithilfe der Qualitativen Inhaltsanalyse aus-
gewertet.
Abschließend ein Zitat von Wilkinson and the Task Force on
Statistical Inference (1999) über die Wahl der richtigen Datenanalyse:
„Do not choose an analytic method to impress your readers or to deflect
criticism. If the assumptions and strength of a simpler method are
reasonable for your data and research problem, use it“ (S. 598). Laut den
Autoren können die Forschenden auch auf einfache Methoden zurück-
greifen, wenn die Fragestellung dadurch eine klare Beantwortung findet. Es
sollte den Forschenden nicht darum gehen, die Leserin oder den Leser mit
unnötig komplexen Verfahren zu beeindrucken oder Kritik abzuwenden.
Im nun folgenden Teil der Arbeit werden die Ergebnisse der durch-
geführten empirischen Studie vorgestellt. Um der Leserin und dem Leser die
Ergebnisse verständlich und übersichtlich zu präsentieren, werden die
Resultate in drei Abschnitte gegliedert.
66
2.5 Ergebnisse
Die Darstellung der empirischen Ergebnisse wird in drei Abschnitte
gegliedert. Zunächst werden in Abschnitt 3.5.1 die Ergebnisse der sozio-
demographischen Daten vorgestellt. Der Abschnitt 3.5.2 präsentiert die
Ergebnisse des „Positive and Negative Affect Schedule“ (PANAS) während
die Resultate der Qualitativen Inhaltsanalyse bezüglich der offenen Fragen
in Abschnitt 3.5.3 dargestellt werden.
2.5.1 Soziodemographische Daten
Alter. Die Stichprobe setzte sich aus N = 102 Personen zusammen,
wovon 72 weiblich und 30 männlich waren. Das Alter der Versuchs-
teilnehmerinnen und Versuchsteilnehmer betrug im Durchschnitt 48 Jahre
(Min = 21, Max = 67, SD = 11). Die jüngste Person hatte ein Alter von 21
Jahren und die älteste Person ein Alter von 67 Jahren. Zwei Personen
machten keine Angabe bei dieser Frage.
Familienstand. Abbildung 3 zeigt, dass die Hälfte der Stichprobe
(50 %) verheiratet ist, 18 % der Chormitglieder sind geschieden, 17 % ledig,
10 % single/alleinstehend und 2 % verwitwet. Vier Personen beantworteten
die Frage nicht.
Abbildung 3. Häufigkeitsangaben des Familienstandes
67
Ausbildung. Hinsichtlich der höchsten abgeschlossenen Ausbildung
zeigt Tabelle 1, dass 22 % der Stichprobe die Matura und 21 % eine Hoch-
schule / Fachhochschule haben. Weiters absolvierten 19 % der am Versuch
teilnehmenden Personen eine Lehre, 18 % eine Fachschule, 13 % eine
Akademie / ein Kolleg und 2 % eine Pflichtschule. Unter die Antwort-
kategorie „Sonstiges“ fallen 5 % der Stichprobe. Zwei Personen machten
keine Angabe bei dieser Frage.
Tabelle 1
Häufigkeits- und Prozentangaben hinsichtlich der Ausbildung
Höchste abgeschlossene Ausbildung Häufigkeiten Prozent
Pflichtschule 2 2
Lehre 19 19
Fachschule 18 18
Matura 22 22
Akademie / Kolleg 13 13
Hochschule / Fachhochschule 21 21
Sonstiges 5 5
Fehlende Daten 2 2
Total 102 100
Dauer des Chorsingens. Abbildung 4 bezieht sich auf die Frage, wie
lange die Versuchsteilnehmerinnen und Versuchsteilnehmer schon im Chor
bzw. in Chören singen. Sie ergab, dass neun Personen (9 %) maximal ein
Jahr, fünf Personen (5 %) zwischen zwei und fünf Jahren und sechzehn
Personen (16 %) mehr als fünf Jahre in einem Chor bzw. in Chören singen.
Vierzehn Personen (14%) gaben an mehr als zehn Jahre, 15 Personen
(15 %) mehr als fünfzehn Jahre und 43 Personen (42 %) mehr als zwanzig
Jahre am Chorsingen teilzunehmen.
68
Abbildung 4. Prozentangaben für die Dauer des Chorsingens
Gründe für das Chorsingen. Den Versuchsteilnehmerinnen und
Versuchsteilnehmern wurde auch die Frage „Warum singen Sie im Chor?“
gestellt. Vierzehn Items mit Mehrfachantworten standen zur Auswahl. Die
Mehrfachantworten gehen auf die Studie „The perceived benefits of singing:
findings from preliminary surveys of a university college choral society“ von
Clift und Hancox (2000) zurück. Die Items können in drei Kategorien
zusammengefasst werden: (a) körperlicher Nutzen (physical benefits), (b)
emotionaler Gewinn (emotional benefits), (c) sozialer Nutzen (social
benefits).
In Bezug auf den körperlichen Nutzen (physical benefits) zeigt
Abbildung 5, dass die Mehrheit der Versuchsteilnehmerinnen und Versuchs-
teilnehmer (74 %) angibt, dass das Singen im Chor die Stimme trainiert. Die
Hälfte der Personen (50 %) schreibt dem Singen eine verbesserte Atmung
zu. Weniger als die Hälfte fühlt sich durch das Singen aktiv bzw.
aufmerksam (38 %) oder erkennt eine Verbesserung der eigenen Haltung
(14 %).
69
Abbildung 5. Häufigkeitsangaben des körperlichen Nutzens (physical benefits)
Hinsichtlich des emotionalen Gewinnes (emotional benefits) zeigt
Abbildung 6, dass die Mehrheit der Stichprobe angibt, dass das Chorsingen
eine beruhigende und entspannende Wirkung hat (64 %) sowie ein Glücks-
gefühl (59 %) erzeugt. Die Hälfte der Versuchsteilnehmerinnen und
Versuchsteilnehmer (51 %) baut mithilfe des Chorsingens Stress ab.
Weniger als die Hälfte der Stichprobe gibt an, dass das Chorsingen
Emotionen auslöst (42 %) und zur Förderung des Selbstbewusstseins
beiträgt (28 %).
Abbildung 6. Häufigkeitsangaben des emotionalen Gewinnes (emotional benefits)
70
Abbildung 7 zeigt, dass die Mehrheit der Versuchsteilnehmerinnen
und Versuchsteilnehmer dem Chorsingen einen sozialen Nutzen zuschreibt.
Dabei spielen vor allem das Knüpfen neuer Freundschaften (64 %) und das
Zusammentreffen mit anderen Menschen (57 %) eine Rolle. Ebenso
bekommen die Chorsängerinnen und Chorsänger ihrer Meinung nach die
Möglichkeit gute Beziehungen untereinander zu pflegen (56 %) oder sich als
Teil einer Gruppe zu fühlen (55 %). Knapp weniger als die Hälfte (48 %)
hebt die gute Atmosphäre hervor, die durch die Chorprobe entsteht.
Abbildung 7. Häufigkeitsangaben des sozialen Nutzens (social benefits)
71
2.5.2 Positive and Negative Affect Schedule (PANAS)
Positiver Affekt. Wie in Abschnitt 3.4.2 erklärt, hat der Test auf
Normalverteilung (Kolmogorov-Smirnov-Test) gezeigt, dass die Adjektive
des Positiven Affekts eine Normalverteilung aufweisen. Mittels einer ein-
faktorielle ANOVA (Analysis of Variance) wurde untersucht, ob sich die
beiden Gruppen hinsichtlich ihres Positiven Affekts unterscheiden. Das α-
Niveau betrug α = .05. Der erste Messzeitpunkt zeigt mit p = .676 (F = .175,
df = 101) keinen signifikanten Unterschied zwischen den beiden Gruppen.
Die beiden Gruppen A (aktive Chorsängerinnen und Chorsänger) und B
(aktive Zuhörerinnen und Zuhörer) sind somit bezüglich ihres Positiven
Affektes vergleichbar. Die zweite Erhebung (zweiter Messzeitpunkt) ergibt
einen hoch signifikanten Unterschied zwischen den beiden Gruppen mit
p ≥ .000 (F = 38.062, df = 101).
Mittelwerte. Abbildung 8 zeigt, dass im Vergleich der Mittelwerte
deutlich wird, dass sich die Gruppe A (M = 31.63, SD = 8) und die Gruppe B
(M = 31, SD = 7) zum Zeitpunkt der ersten Erhebung, nach dem gemein-
samen Einsingen, hinsichtlich ihres positiven Affekts nicht voneinander
unterscheiden. Der zweite Erhebungszeitpunkt bringt jedoch deutlich unter-
schiedliche Mittelwerte zwischen der Gruppe A (M = 34.84, SD = 8) und der
Grupp B (M = 24.45, SD = 9) hinsichtlich ihres positiven Affekts. Betrachtet
man die Veränderung der Mittelwerte im Detail, zeigt sich, dass es in der
Gruppe A zu einer leichten Steigerung des positiven Affekts von M = 31.63
auf M = 34.84 kommt. In der Gruppe B kommt es zu einer Verminderung des
positiven Affekts von M = 31.00 auf M = 24.45.
72
______________________________________
Positiver Affekt
Baseline nach Bedingung
________________________________________________
Gruppe A 31.63 (8) 34.84 (8)
Gruppe B 31.00 (7) 24.45 (9)
________________________________________________
Abbildung 8. Mittelwerte (Standardabweichung) des positiven Affekts für die zwei Bedingungen: Gruppe A (aktives Singen) und Gruppe B (aktives Zuhören)
Negativer Affekt. Der Test auf Normalverteilung (Kolmogorov-
Smirnov-Test) ergab, dass die Adjektive des negativen Affekts keine
Normalverteilung aufwiesen. Aufgrund dessen kam als Auswertungs-
methode der Mann-Whitney-U-Test zur Anwendung. Es wurde mit einem α-
Niveau von α = .05 getestet. Überraschend scheint, dass sich die beiden
Gruppen bereits zum Zeitpunkt der ersten Erhebung hinsichtlich ihres
negativen Affekts mit p = .019 signifikant voneinander unterscheiden (Mann-
Whitney-U-Test = 979). Die beiden Gruppen sind somit bezüglich der Ver-
änderung ihres negativen Affekts nicht optimal vergleichbar, weil schon vor
dem „Treatment“ (Gruppe A: aktives Singen oder Gruppe B: aktives
Zuhören) ein signifikanter Unterschied zwischen den Gruppen vorherrscht.
Der zweite Erhebungszeitpunkt zeigt, dass sich die beiden Gruppen
hinsichtlich ihres Negativen Affekts nicht signifikant voneinander unter-
scheiden (p = .091, Mann-Whitney-U-Test = 1057.5).
Mittlere Ränge. Die Abbildung 9 zeigt im Vergleich der mittleren
Ränge, dass sich die aktiven Chorsängerinnen und Chorsänger (Mittlerer
Rang = 57.80) und aktiven Zuhörerinnen und Zuhörer (Mittlerer
Rang = 45.20) beim ersten Messzeitpunkt signifikant voneinander unter-
scheiden. Der zweite Messzeitpunkt liefert einen mittleren Rang von 46.74
bei den aktiven Chorsängerinnen und Chorsängern und einen mittleren
Rang von 56.26 bei den aktiven Zuhörerinnen und Zuhörern. Sieht man sich
die Veränderung der mittleren Ränge vom ersten zum zweiten Mess-
73
zeitpunkt im Detail an, kommt es in der Gruppe A zu einer Verminderung
des Negativen Affekts von einem mittleren Rang von 57.80 auf einen
mittleren Rang von 46.74. Die Gruppe B zeigt eine Steigerung des
Negativen Affekts von einem mittleren Rang von 45.20 auf einen mittleren
Rang von 56.26.
______________________________________
Negativer Affekt
Baseline nach Bedingung
________________________________________________
Gruppe A 57.80 46.74
Gruppe B 45.20 56.26
________________________________________________
Abbildung 9. Mittlere Ränge des negativen Affekts für die zwei Bedingungen: Gruppe A (aktives Singen) und Gruppe B (aktives Zuhören)
2.5.3 Qualitative Inhaltanalyse
Zur Auswertung der offenen Fragen des ersten und zweiten
Fragebogens wurde eine Qualitative Inhaltsanalyse herangezogen. Das Ziel
der Qualitativen Inhaltsanalyse wurde bereits in Abschnitt 3.4.2 dargestellt.
Induktive Kategorienbildung. Für das vorliegende Material kam die
induktive Kategorienbildung zum Einsatz. Das induktive Vorgehen bedeutet
„von Einzelfällen auf allgemeine Regeln“ (Hussy, Schreier & Echterhoff,
2010, S. 7) zu schließen. Bei der induktiven Kategorienbildung werden die
Kategorien direkt aus dem Material heraus entwickelt. Entscheidend ist,
dass die Kategorien zunächst nicht in Verbindung mit bereits formulierten
Theorien gebracht werden. Ein sogenanntes Selektionskriterium bestimmt,
welches Material für die Kategoriendefinition verwendet werden soll. Im
vorliegenden Fall bezieht sich das Selektionskriterium auf die offenen
Fragen des ersten und zweiten Fragebogens. In einem weiteren Schritt wird
das Abstraktionsniveau des Materials bestimmt und der Text zeilenweise
bearbeitet. Bei der Formulierung der Kategorien sollten die Forschenden
möglichst textnahe Bezeichnungen wählen. Resultat dieses Vorgehens ist
74
ein Kategoriensystem zu einer bestimmten Thematik in Verbindung mit
anschaulichen Textstellen.
Die Analyse des vorliegenden Materials wurde mithilfe von
Häufigkeitszählungen (Nennungshäufigkeiten) durchgeführt (Mayring, 2003,
S. 76). Tabelle 2 zeigt, welche Kategorien sich für die offene Frage des
ersten Fragebogens „Was ist für Sie das Besondere am Singen?“ ergaben:
Tabelle 2
Induktive Kategorienbildung und Darstellung der Nennungshäufigkeit I
Kategorie Nennungs-
häufigkeit
K1: Gemeinschaft 46
K2: Erfolg 5
K3: Freundschaften 10
K4: Reisen 2
K5: positive Emotionen / Empfindungen 38
K6: Herausforderung 6
K7: Freizeitaktivität und eigenes Hobby 4
K8: Training / Ausbildung von Fähigkeiten 10
K9: Präsentation vor Publikum 13
K10: Entspannung 6
K11: Musik und ihr Inhalt 17
K 12: Gesundheit 4
K13: Ausgleich 4
K14: Persönlichkeit 3
Andere Kategorien 8
Anmerkung. Antworten der offenen Frage „Was ist für Sie das Besondere am Singen?“.
Tabelle 2 zeigt, dass die Gemeinschaft als häufigste Kategorie
(Nennungshäufigkeit = 46) vorkommt, gefolgt von positiven Emotionen /
Empfindungen (Nennungshäufigkeit = 38), Musik und ihr Inhalt (Nennungs-
häufigkeit = 17) und Präsentation vor Publikum (Nennungshäufigkeit = 13).
Die Aspekte Freundschaften (Nennungshäufigkeit = 10) und Training /
Ausbildung von Fähigkeiten (Nennungshäufigkeit = 10) werden gleich oft in
den Antworten erwähnt. Seltener werden als Besonderheiten beim Singen
75
Herausforderung (Nennungshäufigkeit = 6), Entspannung (Nennungs-
häufigkeit = 6), Erfolg (Nennungshäufigkeit = 5), Freizeitaktivität und eigenes
Hobby (Nennungshäufigkeit = 4), Gesundheit (Nennungshäufigkeit = 4) und
Ausgleich (Nennungshäufigkeit = 4) genannt. Die Bedeutung von
Persönlichkeit (Nennungshäufigkeit = 3) und Reisen (Nennungs-
häufigkeit = 2) steht an letzter Stelle. Unter andere Kategorien fallen Aspekte
die einmalig erwähnt wurden, wie zum Beispiel die Wertschätzung der
eigenen Stimme, Kreativität, Liebe zum Volkslied, Tradition und Erinnerung.
Abbildung 10 veranschaulicht das Ergebnis der Nennungshäufigkeiten.
Abbildung 10. Kategorienbildung I
Tabelle 3, die sich auf die Gruppe A (aktive Sängerinnen und Sänger)
bezieht und Tabelle 4, die Ergebnisse der Gruppe B (aktive Zuhörerinnen
und Zuhörer) darstellt, zeigen, dass sich für die offene Frage des zweiten
Fragebogens „Wie ging es Ihnen in Ihrer jeweiligen Situation als aktive
Sängerin und aktiver Sänger oder aktive Zuhörerin und aktiver Zuhörer?“
folgende Kategorien ergaben:
76
Tabelle 3
Induktive Kategorienbildung und Darstellung der Nennungshäufigkeit II (Gruppe A)
Kategorie Nennungs-
häufigkeit
K1: positive Emotionen / Empfindungen 15
K2: Entspannung 6
K3: ungewohnte Situation 7
K4: Interesse 3
K5: negative Emotionen / Empfindungen 4
K6: Herausforderung 3
K7: Andere Kategorien 4
Anmerkung. Antworten der offenen Frage „Wie ging es Ihnen in Ihrer jeweiligen Situation als
aktive Sängerin und aktiver Sänger oder aktive Zuhörerin und aktiver Zuhörer?“.
In der Gruppe A (aktive Sängerinnen und Sänger) werden am
häufigsten die positiven Emotionen und Empfindungen (Nennungs-
häufigkeit = 15) angeführt. An zweiter und dritter Stelle stehen die
Kategorien der ungewohnten Situation (Nennungshäufigkeit = 7) und der
Entspannung (Nennungshäufigkeit = 6). Seltener erwähnt werden die
Kategorien negative Emotionen und Empfindungen (Nennungs-
häufigkeit = 4), Interesse (Nennungshäufigkeit = 3) und Herausforderung
(Nennungshäufigkeit = 3). Unter andere Kategorien fallen einmaligen
Nennungen wie Enttäuschung, Stärkung von Fähigkeiten, körperliches
Empfinden und Überraschung. Abbildung 11 verdeutlicht die Ergebnisse:
Abbildung 11. Kategorienbildung II (Gruppe A)
77
Tabelle 4
Induktive Kategorienbildung und Darstellung der Nennungshäufigkeit III (Gruppe B)
Kategorie Nennungs-
häufigkeit
K1: Passivität 14
K2: Interesse 2
K3: positive Emotionen / Empfindungen 5
K4: negative Emotionen / Empfindungen 15
K5: Lernerfolg 2
K6: Andere Kategorien 4
Anmerkung. Antworten der offenen Frage „Wie ging es Ihnen in Ihrer jeweiligen Situation als
aktive Sängerin und aktiver Sänger oder aktive Zuhörerin und aktiver Zuhörer?“.
Die Gruppe B erwähnt (aktive Zuhörerinnen und Zuhörer) am
häufigsten die Kategorie der negativen Emotionen und Empfindungen
(Nennungshäufigkeit = 15), gefolgt von der Passivität (Nennungs-
häufigkeit = 14). Seltener genannt werden positive Emotionen und Empfin-
dungen (Nennungshäufigkeit = 5), Interesse (Nennungshäufigkeit = 2) und
Lernerfolg (Nennungshäufigkeit = 2). Unter andere Kategorien fallen hier
zum Beispiel Kritik, Unterforderung, ungewohnte Situation und Hilfs-
bereitschaft. Abbildung 12 veranschaulicht die Ergebnisse der Gruppe B.
Abbildung 12. Kategorienbildung III (Gruppe B)
Im Anschluss an die Ergebnisse der Qualitativen Inhaltsanalyse
sollen nun jene der persönlichen Beobachtung dargestellt werden.
78
2.5.4 Persönliche Beobachtung
Atteslander (2003) schreibt: „Unter Beobachtung verstehen wir das
systematische Erfassen, Festhalten und Deuten sinnlich wahrnehmbaren
Verhaltens zum Zeitpunkt seines Geschehens“ (S. 79). Bei der vorliegenden
Studie war es der Versuchsleiterin möglich während der Chorprobe Notizen
zu machen und die beiden Gruppen zu beobachten. Folgende Punkte
fassen zusammen, wie sich die Mitglieder der Gruppe A und Gruppe B, aus
der subjektiven Sicht der Versuchsleiterin, während der Probe verhielten.
Einige Chorsängerinnen und Chorsänger (Gruppe A):
• … lächelten und lachten, strahlten Freude aus
• … studierten konzentriert die neuen Melodien ein
• … klopften im Takt mit
• … wirkten irritiert, weil die Sitznachbarin oder der Sitznachbar nicht
mitsang
• … wirkten unsicher, wenn neue Lieder einstudiert wurden
• … hielten gegenseitigen Blickkontakt
• … hatten eine gespannte Körperhaltung
• … waren beschwingt
Einige Zuhörerinnen und Zuhörer (Gruppe B):
• … klopften im Takt mit
• … sahen konzentriert bzw. teilweise sehnsüchtig auf das Notenblatt
• … machten Notizen im Notenblatt
• … nickten und atmeten mit
• … fingen an zu gähnen
• … reagierten (schauten) auf die Chorleiterin oder den Chorleiter
(obwohl sie nicht mitsingen sollten)
• … verschränkten die Arme
• … schaukelten mit der Musik mit
• … beobachteten die aktive Gruppe
• … wirkten unruhig, ungeduldig und frustriert
79
• … bewegten ihre Lippen lautlos
• … nahmen trotz ihrer Bedingung die Singhaltung ein
• … verzogen das Gesicht mürrisch
• … wirkten nachdenklich
• … schlossen die Augen
Die forschende Person sollte sich bei der Durchführung einer
persönlichen Beobachtung im Klaren darüber sein, dass die Ergebnisse der
persönlichen Beobachtung nicht methodisch abgesichert sind und eine
subjektive Sichtweise des Beobachters vermitteln. Nach der Darstellung aller
Ergebnisse der durchgeführten Untersuchung widmet sich das nächste
Kapitel der Interpretation dieser Ergebnisse.
80
2.6 Interpretation der Ergebnisse
Die Interpretation der Ergebnisse erfolgt, wie die Ergebnisdarstellung
in Kapitel 3.5, gegliedert nach soziodemographischen Daten, PANAS,
Qualitativer Inhaltsanalyse und persönlicher Beobachtung.
2.6.1 Soziodemographische Daten
Alter. Der Mittelwert des Alters M = 48 (Min = 21, Max = 67, SD = 11)
zeigt, dass sich die Stichprobe schwerpunktmäßig aus Menschen im
mittleren Lebensalter zusammensetzt. Dies könnte zur berechtigten Frage
führen, warum dies so ist.
Laukka (2007, S. 217), Professor für Psychologie an der Universität
Stockholm, publizierte einen Artikel über die Verwendung von Musik im
Alltag und das psychologische Wohlbefinden älterer Menschen. Er schreibt,
dass viele Studien, beispielsweise die von Hills und Argyle (1998)23 sowie
die von Kreutz et al. (2004)24 gezeigt hätten, dass aktives Musizieren (z.B.
Chorsingen) als Freizeitaktivität das Glücksgefühl steigern kann. Er glaubt,
dass die Fähigkeit Emotionen zu regulieren mit dem Alter zunimmt. Laut
Laukka (2007, S. 218) ist die Fortsetzung von sinnvollen (Freizeit-)
Aktivitäten, und dazu gehören auch musikalische Aktivitäten, eine wichtige
Komponente für erfolgreiches Altern. Die Frage, wie man mehr junge
Menschen zum Chorsingen motivieren könnte, bedarf weiterer Forschung.
Wie bereits im Kapitel 3.3 erwähnt wurde, sollte das Chorsingen schon in
der Schule mehr Förderung bekommen, sodass Kinder positive Erfahrungen
mit dem Singen verknüpfen können. Viele Menschen haben Angst zu
singen, fühlen sich nicht gut genug oder glauben, dass sie gar nicht singen
können.
23 Hills, P. & Argyle M. (1998). Positive moods derived from leisure and their relationship to happiness and personality. Personality and Individual Differences 25, 523-535.
24 Kreutz, G. et al. (2004). Effects of choir singing or listening on secretary immunoglobulin A, cortisol, and emotional state. Journal of Behavioral Medicine 27, 623-635).
81
Familienstand. Auffallend ist, dass in der vorliegenden Stichprobe
sehr viele Personen verheiratet sind, nämlich 50 %. Die hohe Anzahl der
verheirateten Versuchsteilnehmerinnen und Versuchsteilnehmer steht
vermutlich mit dem mittleren Alter von 48 Jahren im Zusammenhang. Dieser
Zusammenhang war aber nicht Gegenstand der vorliegenden Unter-
suchung.
Ausbildung. Die meisten Probandinnen und Probanden weisen als
höchste abgeschlossene Ausbildung die Matura (22 %) oder eine Hoch-
schule / Fachhochschule (18 %) vor. Es wäre aufschlussreich gewesen
mittels einer Zusatzfrage abzufragen, inwieweit der Chorunterricht bei den
Versuchsteilnehmerinnen und Versuchsteilnehmern in der Schulzeit eine
Rolle gespielt hat. Daraus könnte man schließen, ob und welche Vor-
erfahrungen eine spätere Chormitgliedschaft beeinflussen.
Dauer des Chorsingens. Anhand der Ergebnisse lässt sich erkennen,
dass 42 % der Stichprobe eine langjährige Chorerfahrung vorweisen kann.
Da das mittlere Alter bei 48 Jahren liegt, ist es nachvollziehbar, dass ein
großer Teil der Stichprobe schon über 20 Jahre in einem Chor singt. Diese
Zahlen weisen darauf hin, dass die meisten Chormitglieder dem Chorsingen
über lange Jahre treu bleiben. Demnach könnte man anhand der
Stichprobendaten darauf schließen, dass eine junge Person zu singen
anfängt, wenn sie diese Aktivität mit großer Wahrscheinlichkeit längere Zeit
fortführt. Die primären musikalischen Erfahrungen des Menschen sind
entscheidend. Den Essener Thesen zum Chorgesang im 21. Jahrhundert ist
zu entnehmen, dass „die Liebe zur Musik und zum Singen – wie das
Sprach- und Denkvermögen- bereits im Kindes- und Vorschulalter entfaltet“
wird (Bastian & Fischer, 2006, S. 38). Die Förderung des Chorunterrichts in
Schulen würde mehr Menschen einen Zugang zum Singen ermöglichen.
Eine interessante Frage wäre jene nach den Motiven, die Menschen dazu
bewegen aus einem Chor auszutreten. Diese Frage fiel jedoch nicht in den
Bereich der vorliegenden Untersuchung.
82
Gründe für das Chorsingen. Hinsichtlich der Gründe für das
Chorsingen lässt sich erkennen, dass das Training der eigenen Stimme als
wichtigster körperlicher Nutzen (physical benefits) angegeben wird. Auch die
Verbesserung der Atmung (49 %) und die Aktivierung durch das Singen
(37 %) spielt für viele Personen eine Rolle. Eine Verbesserung der eigenen
Haltung erkennen nur 14 % als wichtig an. Laut Thomas (1967) ist die
Haltung beim Singen jedoch entscheidend dafür, wie entspannt der ganze
Mensch ist und wie locker er singen kann. Thomas (1967, S. 75) schlägt vor,
den Körper vor den Atem- und Einsingübungen von körperlichen Ver-
spannungen zu befreien.
Die Ergebnisse bezüglich des emotionalen Gewinns (emotional
benefits) zeigen, dass die meisten Menschen durch das Singen entspannter
und ruhiger sind und sich glücklich fühlen. Es fällt jedoch auf, dass die
beiden Items „fühle mich glücklich“ und „löst Emotionen aus“ sehr
differenziert beurteilt wurden. Fraglich ist, warum im direkten Vergleich
dieser zwei Items weniger Personen das Item „löst Emotionen aus“
angekreuzt haben. Möglicherweise wurde dieses Item teilweise negativ
interpretiert. Die Teilnehmenden könnten darunter das Auslösen negativer
Emotionen verstanden haben, denn in der Alltagssprache wird diese Phrase
oft entsprechend verwendet. Demnach finden nur 41% der Befragten, dass
das Chorsingen Emotionen auslöst. Die Hälfte der Stichprobe bringt das
Singen mit Stressabbau in Verbindung und ein kleiner Teil der Stichprobe
(28 %) meint, dass das Chorsingen zur Förderung des Selbstbewusstseins
beiträgt.
Der soziale Nutzen des Chorsingens wird von den Probandinnen und
Probanden sehr stark hervorgehoben, sie wollen neue Freundschaften
knüpfen (63 %) und mit neuen Menschen zusammentreffen (56 %), ihr
soziales Netz stärken und gute Beziehungen untereinander führen (55 %).
Im Vergleich der drei Kategorien lässt sich erkennen, dass die am häufig-
sten genannten Gründe in einem Chor zu singen in die Kategorie des
sozialen Nutzens (social benefits) fallen. An zweiter Stelle steht der
83
emotionale Gewinn durch die Teilnahme am Chorsingen (emotional
benefits). Die Kategorie des körperlichen Nutzens (physical benefits) hat
geringste Bedeutung. Bördlein (2002) schreibt passend dazu, dass singende
Menschen lebenszufriedener, ausgeglichener und zuversichtlicher sind, ein
größeres Selbstvertrauen besitzen, häufiger guter Laune sind, sich sozial
verantwortlicher verhalten und psychisch belastbarer scheinen.
2.6.2 Positive and Negative Affect Schedule (PANAS)
Mithilfe der PANAS (Positive and Negative Affect Schedule) wurden
die folgenden Hypothesen überprüft:
H1a: Es gibt einen unmittelbaren signifikanten Unterschied zwischen
den beiden Gruppen hinsichtlich ihres Positiven Affekts (PA). Die Er-
gebnisse sind hypothesenkonform, es gibt einen unmittelbaren signifikanten
Unterschied zwischen den beiden Gruppen. Die Referenzstudie von Kreutz
et al. (2004) kommt ebenso zu dem Ergebnis, dass sich die zwei
Bedingungen, also Singen und Zuhören, hinsichtlich der wahrgenommenen
Affekte voneinander unterscheiden.
H1b: Das aktive Chorsingen (Gruppe A) bewirkt eine unmittelbare
Steigerung des Positiven Affekts (PA). Die Ergebnisse der durchgeführten
Untersuchung sind hypothesenkonform. Der Positive Affekt der Chor-
sängerinnen und Chorsänger steigt vom ersten zum zweiten Messzeitpunkt
an. Kreutz et al. (2004) kommt in seiner Studie zum gleichen Ergebnis und
schreibt „Singing led to a (…) increase in positive mood“ (S. 631). Das
Ergebnis bestätigt, dass sich das Singen positiv auf den emotionalen
Zustand eines Menschen auswirken kann.
H1c: Beim aktiven Zuhören (Gruppe B) zeigt sich im Vergleich zur
Gruppe A eine unmittelbare Verminderung des Positiven Affekts (PA). Die
Ergebnisse sind hypothesenkonform, in der Gruppe B kommt es zu einer
Verminderung des Positiven Affekts. Auch hier bestätigt die Studie von
84
Kreutz et al. (2004) dieses Ergebnis. Der Effekt könnte sich dadurch
erklären lassen, dass die Gruppe B eigentlich darauf eingestellt war normal
an der Chorprobe teilzunehmen und zu singen. Dass diese Menschen dann
aber nicht mehr singen durften, könnte sich auf den emotionalen Zustand
ausgewirkt haben. Eine andere Erklärung wäre, dass es für eine
leidenschaftliche Sängerin oder einen leidenschaftlichen Sänger schwierig
ist, nur aktiv zuzuhören, während die anderen aktiv singen und neue
Melodien einstudieren. In der persönlichen Beobachtung in Abschnitt 3.5.4
wurde bereits dargestellt, dass die aktiven Zuhörerinnen und Zuhörer trotz
ihrer Bedingung im Takt mitklopften oder auf den Dirigenten reagierten. Da
die Personen im Chor sitzen blieben, wurde die Bedingung und die damit
verbundene Situation des Nicht-Singens möglicherweise noch intensiver
erlebt.
H2a: Es gibt einen unmittelbaren signifikanten Unterschied zwischen
den beiden Gruppen hinsichtlich ihres Negativen Affekts (NA). Die Er-
gebnisse zu dieser Hypothese sind nicht hypothesenkonform. Die beiden
Gruppen unterscheiden sich nicht hinsichtlich ihres Negativen Affekts. Das
Ergebnis ist allerdings nur knapp nicht signifikant. Wichtig ist anzumerken,
dass sich die zwei Gruppen bereits vor dem „Treatment“ (Singen oder
Zuhören) hinsichtlich ihres negativen Affekts unterschieden. Die Frage ist,
ob es ein Zufall war, dass die negative Emotionen in der ersten Erbhebung
(vor dem „Treatment“) so unterschiedlich verteilt waren. Es könnte sein,
dass dieses Ergebnis auf eine zu kleine Stichprobe zurückzuführen ist. Die
Gruppeneinteilung fand erst nach der ersten Befragung statt, dadurch kann
man ausschließen, dass die Versuchsteilnehmerinnen und Versuchs-
teilnehmer vom bevorstehenden „Treatment“ beeinflusst waren. Interpretiert
man diese Fakten, würde das bedeuten, dass eine positive Emotion durch
das Singen leichter gesteigert werden kann als eine negative Emotion.
H2b: Das aktive Chorsingen (Gruppe A) zeigt eine unmittelbare
Verminderung des Negativen Affekts (NA). Das Ergebnis ist hypothesen-
konform und bestätigt, dass durch das Singen negative Emotionen reduziert
85
werden können. Kreutz et al. (2004) kommen in ihrer Studie zum gleichen
Ergebnis indem sie schreiben: „ … singing led to a decrease in negative
mood“ (S. 631).
H2c: Beim aktiven Zuhören (Gruppe B) zeigt sich im Vergleich zu der
Gruppe A eine unmittelbare Steigerung des Negativen Affekts (NA). Die
Ergebnisse sind hypothesenkonform. Auch Kreutz et al. (2004) geben an,
dass „ … listening on the other hand led to an increase in negative mood“
(S. 631). Laut der Autoren stand die Bedingung des aktiven Zuhörens in
Konflikt mit der routinierten Chorprobe. Die Chormitglieder waren darauf
eingestellt wie üblich an der Chorprobe teilzunehmen, hatten ihre
persönlichen Erwartungen und durften dann aufgrund der Studie aber nicht
mitsingen. Dies hat sich vermutlich negativ auf den emotionalen Zustand der
am Versuch teilnehmenden Personen ausgewirkt.
2.6.3 Qualitative Inhaltsanalyse
Offene Frage des ersten Fragebogens. Durch die offene Frage „Was
ist für Sie das Besondere am Singen“ wurde deutlich, dass vor allem der
Aspekt der Gemeinschaft eine Besonderheit des Chorsingens darstellt. Eine
Versuchsperson schrieb dazu, dass das gemeinsame Musizieren viel mehr
Freude macht als alleine oder auch zu zweit. Eine weitere Versuchsperson
hob das gemeinsame Verfolgen eines Ziels (Erarbeiten von Liedern) und die
Gemeinschaftserlebnisse (Proben, Auftritte, gemeinsames Zusammensein
nach den Proben) hervor. Zahlreich fanden sich Begriffe wie Geselligkeit,
schönes Gemeinschaftsgefühl, interessante Gruppendynamik, Gemein-
samkeiten, Zugehörigkeit, Zusammenhalt und das Miteinander in den
Beschreibungen der am Versuch teilnehmenden Personen. Eine Person
bemerkte, dass das Singen im Chor alle Menschen zu einem Ganzen formt,
es gibt keine Unterschiede bezüglich Herkunft und Beruf. Demnach ver-
folgen alle Chormitglieder ein gemeinsames Ziel und fühlen dadurch einen
Zusammenhalt.
86
Als zweithäufigste Kategorie fielen positive Emotionen und
Empfindungen auf, die durch das Singen erzeugt werden. Eine
Versuchsperson betont, dass das Singen das Herz öffnet und dabei hilft,
sich wieder selbst zu spüren. Eine weitere Versuchsperson kann durch das
Singen ihre Emotionen und Stimmungen ausdrücken und eine weitere gibt
an, dass die positive Energie, die durch das gemeinsame Singen erzeugt
wird, die innere Zufriedenheit und Energiequelle fördert. Begriffe wie Freude
am Musizieren, Herzlichkeit, Spaß, Harmonieempfinden, Freiheit und Glück
finden sich in den Antworten wieder.
Auch die Musik an sich stellt den Ergebnissen nach einen
wesentlichen Bestandteil des Chorsingens dar. Eine Probandin betont die
Schönheit der Mehrstimmigkeit, die durch das Chorsingen entsteht, und eine
andere unterstreicht ihre Freude am Gesamtklang. Neben der Musik ist auch
der Text, demnach der Inhalt, für viele Chormitglieder von Bedeutung. An
vierter Stelle wurde von den Probandinnen und Probanden die Bedeutung
von Auftritten und Konzerten formuliert. Diese bilden das gemeinsame Ziel,
auf das der Chor wochenlang hinarbeitet. Die Versuchspersonen möchten
mithilfe eines Konzerts anderen Menschen eine Freude bereiten. Gleich-
zeitig bekommen die Chormitglieder Anerkennung und Lob vom Publikum,
was von einigen Chormitgliedern erwähnt wird. Das Erfolgserlebnis, durch
das Chorsingen bei Auftritten und Konzerten, bringt den Chormitgliedern
Freude und stärkt ihr Selbstbewusstsein.
Freundschaften untereinander und Freundschaften zu anderen
Chören werden von den Teilnehmerinnen und Teilnehmern auch als
Besonderheit einer Chormitgliedschaft erwähnt. Ein Chormitglied bemerkt,
dass die Teilnahme an einem Chor einerseits einen Fixtermin pro Woche
bringt und andererseits das soziale Netzwerk stärkt.
87
Durch das Chorsingen werden laut Meinung einiger Chormitglieder
bestimmte Fähigkeiten trainiert, wie Gedächtnisleitung, Stimmbildung,
Rhythmusgefühl, Konzentration und Empathie. Eine Versuchsperson
schreibt, dass man lernen muss aufeinander zu hören, um nicht ein „Single-
player“ zu sein. Gegenseitiges Einfühlen und gegenseitige Aufmerksamkeit
ist hier gefragt. Das heißt, dass ein Chormitglied neben der Stärkung von
körperlichen Fähigkeiten auch soziale und empathische Fähigkeiten trainiert.
Durch das Chorsingen erfahren manche Menschen Entspannung. So
schreiben einige der am Versuch teilnehmenden Personen, dass sie durch
das Singen richtig entspannen können oder die durch den Alltag geleerten
Akkus wieder aufladen können. Andere Chormitglieder sehen im Chorsingen
vor allem ein eigenes Hobby, dass sie ganz für sich haben, fern vom
Familienalltag. Seltener wurde der Punkt Gesundheit durch das Chorsingen
erwähnt. Eine Probandin konnte durch das regelmäßige Singen ihre Stimm-
probleme bewältigen. Eine Versuchsperson meint, dass das Singen gut für
die Seele und das Immunsystem ist. Wie bereits in Abschnitt 1.4 erwähnt
kommen Kreutz et al. (2004) in ihrer Studie ebenso zu diesem Ergebnis.
Neben der Gesundheit bringt das Singen für einige Chorsängerinnen und
Chorsänger einen Ausgleich zum Alltag. Eine Chorsängerin schreibt dazu,
dass das Chorsingen einen Ausgleich zu ihrer strukturierten Arbeit darstelle,
die hauptsächlich kopflastig sei.
Durch die Teilnahme an einem Chor wird auch die eigene
Persönlichkeit beeinflusst. Ein Chorsänger meint, dass im Chor ver-
schiedenste Charaktere aufeinander treffen und etwas ganz Spezielles
bewirken. Jede Person zieht für sich einen individuellen persönlichen Nutzen
aus der Teilnahme an einem Chor. Durch die Befragung konnten
verschiedene Blickwinkel und Aspekte aufgezeigt werden.
88
Offene Frage des zweiten Fragebogens. Die offene Frage „Wie ging
es Ihnen in Ihrer jeweiligen Situation als aktive Sängerin und aktiver Sänger
oder aktive Zuhörerin und aktiver Zuhörer?“, die der Gruppe A und Gruppe B
im zweiten Fragebogen gestellt wurde, diente dazu den Ist-Zustand der
Chormitglieder nach der jeweiligen Bedingung zu erfassen.
Gruppe A. Für die Gruppe A, aktive Chorsängerinnen und Chor-
sänger, ergab sich, dass vor allem positive Emotionen und Empfindungen
überwogen. Eine Versuchsperson schrieb, dass sie sich nach dem Singen
viel wacher als zu Beginn der Probe fühle, dazu mehr Energie und ein
schönes Gefühl des „Getragenseins“ verspüre. Eine weitere Versuchs-
person formulierte analog, dass sich durch das Singen ihre positive Energie
und ihr Wohlbefinden gesteigert habe. Die Harmonie der Klänge sei
beruhigend und der Rhythmus bringe Dynamik in ihren Körper. Häufig wurde
auch die ungewohnte Situation angesprochen, die sich aus der Gruppen-
teilung ergab. Einige Versuchspersonen sprachen an, dass ihnen die
Stimme ihrer Sitznachbarin bzw. ihres Sitznachbarn fehle. Diese spezielle
Situation brachte manchen Teilnehmerinnen und Teilnehmern ein Gefühl
von Unsicherheit. Sie sind es gewohnt eine unterstützende Stimme neben
sich zu hören, wenn diese wegfällt, ist dies vermutlich irritierend. Viele Chor-
mitglieder schrieben in ihren Antworten, dass sie sich durch das Chorsingen
entspannen können. Das Singen bringt den Chorsängerinnen und Chor-
sängern eine gute Ablenkung zu ihren Alltagsgedanken (Arbeit, Familie),
denn es fordert die aktive Beteiligung von Geist und Körper. Neben den
positiven Emotionen und Empfindungen wurden teilweise auch negative
Emotionen und Empfindungen nach dem Singen berichtet. Diese bezogen
sich vorwiegend darauf, dass die Gemeinschaft durch die Studie „zerrissen“
wurde und folglich weniger unterstützende Stimmen vorhanden waren.
Einige Versuchsteilnehmerinnen und Versuchsteilnehmer gaben an, dass
sie Interesse daran fanden, wie die Studie aufgebaut war. Es scheint, dass
einige Personen der aktiven Bedingung (Gruppe A) durch diese Situation
herausgefordert waren, die richtigen Töne ohne Unterstützung zu finden.
Passend dazu schreibt ein Versuchsteilnehmer, dass er überrascht war, wie
89
gut er doch ohne seinen Sitznachbarn singen kann. Ein weiteres
Chormitglied bemerkt, dass es durch die aktive Situation „ins Schwitzen“
gekommen sei. Insgesamt betrachtet wurde die Bedingung der Gruppe A
sehr positiv aufgenommen und bewertet.
Gruppe B. In der Gruppe B, aktive Zuhörerinnen und Zuhörer, wurden
vorwiegend negative Emotionen und Empfindungen angesprochen. Begriffe
wie Frustration, Lageweile, Desinteresse, eingeschränktes Verhalten,
Müdigkeit, Teilnahmslosigkeit, Ausgeschlossenheit und Ungeduld fanden
sich in den Antworten wieder. Eine Versuchsperson gab an, dass die ge-
wünschte Entspannung nach der Probe nicht wie gewohnt eintraf. Ein
weiteres Hauptthema war die Passivität, die durch die Bedingung der Studie
entstand. Eine Versuchsperson schilderte, dass sie sich in der Gemeinschaft
plötzlich unnötig vorkam und versuchte aktiv mitzudenken, jedoch mit den
Gedanken immer wieder abschweifte und sich nicht konzentrieren konnte.
Weitere Versuchsteilnehmerinnen und Versuchsteilnehmer schrieben, dass
es ihnen sehr schwer fiel die Bedingung, nämlich nicht zu singen, ein-
zuhalten. Diese Aussagen decken sich mit der persönlichen Wahrnehmung
der Versuchsleiterin, die beobachten konnte, dass einige Chormitglieder der
Gruppe B während der Probe lautlos die Lippen bewegten. Vermutlich ist es
schwierig in einer gewohnten Gruppe plötzlich eine neue Rolle, nämlich die
der Zuhörerin oder des Zuhörers, einzunehmen. Trotz der häufig berichteten
negativen Emotionen und Empfindungen wurden von einigen wenigen auch
positive Emotionen und Empfindungen erwähnt. Diese Versuchspersonen
schrieben, dass es ihnen auch mit ihrer Bedingung des Zuhörens gut ging
und sie waren daran interessiert der Gruppe A zuzuhören. Ein Chormitglied
erkannte, dass auch das Zuhören einen Lernerfolg darstellt. Aus diesen
Antworten geht hervor, dass die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der
Gruppe B die Gelegenheit hatten bewusst auf den Klang des Chores zu
hören und damit etwas wahrzunehmen, das sie sonst nicht wahrnehmen
können, weil sie selbst aktiv beim Singen beteiligt sind.
90
2.6.4 Persönliche Beobachtung
Die Ergebnisse der offenen Fragen des zweiten Fragebogens decken
sich großteils mit den Ergebnissen, die aus der persönlichen Beobachtung
hervorgingen. Die Versuchsleiterin konnte in der Gruppe A durch das Wahr-
nehmen strahlender Gesichter, lachender Menschen, beschwingter Körper-
sprache auf vorwiegend positive Emotionen und Empfindungen schließen.
Der gegenseitige Blickkontakt wies auf eine gute Gemeinschaft und
Gruppendynamik hin. Die Versuchsleiterin erkannte aber auch, dass einige
Personen durch die Bedingung unsicher wurden und diese Unsicherheit
auch in ihrer Köpersprache zum Ausdruck kam. Wie bereits im vorherigen
Abschnitt erwähnt, waren diese Personen plötzlich auf sich alleine gestellt
und mussten ohne die Unterstützung einer Sitznachbarin oder eines Sitz-
nachbars singen, was zu einer Verunsicherung führte.
Bei den Versuchspersonen der Gruppe B beobachtete die Versuchs-
leiterin ein Mitklopfen im Takt, eine Mitbewegung der Lippen und eine an
den Chorgesang angepasste Atmung. Daraus könnte man schließen, dass
diese Chormitglieder Schwierigkeiten mit ihrer Rolle als Zuhörerin oder
Zuhörer hatten. Einige Versuchspersonen fingen an zu gähnen, sich unruhig
am Stuhl zu bewegen oder im Raum umherzuschauen, was auf Müdigkeit,
Langeweile oder Ungeduld schließen lässt. Manche Personen schlossen die
Augen oder wirkten sehr nachdenklich. Interessant ist, dass diese von der
Versuchsleiterin beobachteten Vorgänge auch in den Antworten der Chor-
mitglieder beschrieben wurden. Somit sind die Ergebnisse der offen
gestellten Fragen und der persönlichen Beobachtung deckungsgleich.
Für eine Forscherin oder einen Forscher ist es bei einer empirischen
Studie unabdingbar sich eine persönliche Meinung über die durchgeführte
Untersuchung zu bilden und diese kritisch zu betrachten. Im nächsten
Kapitel werden daher die persönliche Einschätzung der Versuchsleiterin und
einige Kritikpunkte der Untersuchung dargestellt.
91
2.7 Persönliche Einschätzung und Kritik
Persönliche Einschätzung. Die Stichprobe mit N = 102 hatte 72
weibliche Teilnehmerinnen. In Hinblick auf die Geschlechterverteilung in der
Stichprobe vermute ich, dass Männer vielleicht bereits in der Schule das
Singen verweigern und deshalb auch später weniger Interesse am Chor-
singen haben. Mögliche Gründe für das fehlende Interesse könnten die
fehlenden positiven Verknüpfungen oder Erfahrungen mit dem Chorsingen
sein oder die Scheu davor später etwas Neues (Musikalisches) aus-
zuprobieren. Aus eigener Erfahrung kann ich berichten, dass positive Sing-
erfahrungen in der Kindheit einen Einfluss darauf haben, ob man auch im
späteren Leben erneut einem Chor beitritt. Aufgrund meiner Beobachtungen
bei der Studie würde ich hinsichtlich der Gründe für das Chorsingen sagen,
dass die Kombination der drei Aspekte das Besondere am Singen im Chor
ausmacht: der Körper, die Emotionen und die Gemeinschaft.
Kritikpunkte. Abschließend sollen die Kritikpunkte, welche sich aus
der durchgeführten Studie ergaben, nochmals kurz zusammengefasst
werden:
• Die vorliegende Stichprobe ist nicht repräsentativ. Die Ergebnisse lassen
daher keine Aussage über eine Grundgesamtheit zu.
• Die Gesamtproben aller untersuchten Chöre fanden am Abend statt. Die
Chormitglieder waren bei der Befragung teilweise bereits müde, hungrig
und durstig (geht aus dem Punkt „Sonstiges“ beim Fragebogen PANAS
hervor). Dies könnte die Ergebnisse der Befragungen beeinflusst haben.
• Die Zeit zwischen der ersten und der zweiten Befragung war zu kurz. Die
Personen konnten sich bei der zweiten Befragung teilweise noch
erinnern, was sie beim ersten Fragebogen angekreuzt hatten.
• Vermutlich hatte die Chorauswahl einen Einfluss auf die Ergebnisse, da
die Chöre nicht zufällig aus einer Grundgesamtheit ausgewählt wurden.
• Die Erwartungen der Gruppe B (aktives Zuhören) an die Chorprobe
wurden nicht erfüllt, weil diese Chormitglieder nicht singen durften.
92
3 Schlussbemerkung und Ausblick
Die Exploration der Effekte des aktiven Chorsingens auf den
emotionalen Zustand von fünf Kärntner Chören war eine spannende und
interessante Forschungsaufgabe. Da es derzeit noch keine vergleichbare
Studie im Kärntner Raum gibt, bietet die vorliegende Diplomarbeit einen
neuen Beitrag zum aktuellen Forschungsstand. Die Ergebnisse der
empirischen Studie konnten positive Effekte durch das Chorsingen nach-
weisen. Auch Bossinger (2002) weist auf entsprechende positive Effekte
durch das Chorsingen hin und betont „… welch großes Potenzial zur
Entwicklung von Gemeinschaft, Identität und Toleranz zwischen ver-
schiedenen gesellschaftlichen Gruppen durch gemeinsames Singen und
anderen künstlerischen Projekten möglich werden kann“ (S. 86).
Wie bereits erwähnt gibt es bis dato noch wenige Untersuchungen
zum Chorsingen, da dies ein sehr junges Forschungsgebiet ist. Es wäre
daher interessant mittels weiterer empirischer Untersuchungen zu er-
forschen, ob eine andere Stichprobenauswahl aus der Population der
österreichischen Chormitglieder zu vergleichbaren Ergebnissen führen
würde oder ob es in den einzelnen Bundesländern spezifische Unterschiede
hinsichtlich der Effekte des aktiven Chorsingens auf den emotionalen
Zustand gibt. Auch die Frage, ob und inwieweit der Chortypus einen Einfluss
auf die Ergebnisse hat, könnte vielleicht in weiteren Untersuchungen geklärt
werden. Darauf aufbauend könnten sich durchaus weitere Studien ergeben,
beispielsweise zum Themenkomplex „Chorsingen und Wohlbefinden“
(„wellbeing“). Dadurch könnte die Bedeutung und Effektivität des Chor-
singens als präventive gesundheitsfördernde Maßnahme bei körperlichen
und/oder psychischen Erkrankungen erforscht werden. Entsprechende Er-
kenntnisse könnten in Anbetracht der Kostenentwicklung im Gesund-
heitssystem durchaus auch von wirtschaftlicher Relevanz sein.
93
„Wenn einer aus seiner Seele singt, heilt er zugleich seine innere Welt.
Wenn alle aus ihrer Seele singen und eins sind in der Musik,
heilen sie zugleich auch die äußere Welt“
(Yehudi Menuhin, zitiert nach Bossinger, 2006, S. 12).
94
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102
Anhang
Instruktion
Mein Name ist Janina Kropfitsch, ich studiere Psychologie und Musik.
Ich schreibe gerade meine Diplomarbeit im Fach Psychologie und habe das
Thema Chorsingen gewählt. Ich freue mich, dass ich heute hier sein darf!
Die Teilnahme an meiner Studie ist freiwillig, anonym, es gibt keine falschen
Antworten. Die Ergebnisse werden nicht auf der Personenebene aus-
gewertet. Nach dem Einsingen werde ich den Ablauf meiner Untersuchung
genauer erklären.
Jede Teilnehmerin und jeder Teilnehmer bekommt zwei Fragebögen.
Da die Untersuchung anonym ist, hat jeder Fragebogen schon einen fest-
gelegten Code z.B. 01, 02. Der erste Fragebogen wird gleich ausgefüllt und
der zweite wird später benötigt, daher in der Zwischenzeit unter den Sessel
gelegt und gut aufbewahrt. Auf der rechten oberen Seite ist ersichtlich, um
welchen der beiden Fragebögen es sich handelt (1. Fragebogen, 2.
Fragebogen). Die Fragebögen werden in zwei verschiedenen Farben
ausgeteilt, weil es zwei verschiedene Gruppen geben wird. Die Farben
werden zufällig verteilt! Wenn alle Versuchsteilnehmerinnen und Versuchs-
teilnehmer den ersten Fragebogen ausgefüllt haben, wird er abgesammelt.
Ich bitte Sie, bei dem Fragebogen zur momentanen Befindlichkeit jedes
Adjektiv auf der fünfstufigen Skala zu bewerten, inwieweit es momentan auf
Sie zutrifft.
Die Gruppe mit dem grünen Fragebogen nimmt normal an der Probe
teil und wird dazu aufgefordert sich aktiv an der Probe zu beteiligen (aktiv
mitsingen). Die Gruppe mit dem gelben Fragebogen bleibt auch im Chor
sitzen, soll aber nicht mitsingen, nur aktiv zuhören und mitdenken.
Es wird eine halbe Stunde geprobt. Nach der halben Stunde wird von allen
Versuchsteilnehmerinnen und Versuchsteilnehmern der zweite Fragebogen
ausgefüllt und wieder abgegeben. Bei bestehendem Interesse werden die
Ergebnisse der Studie an den Chor zurückgemeldet.
103
Soziodemographische Daten
Name: ________________________
Geschlecht: ○ weiblich ○ männlich
Alter: _____ Jahre
Familienstand: ○ single/alleinstehend ○ ledig ○ verheiratet
○ geschieden ○ verwitwet
Höchste abgeschlossene Ausbildung:
○ Pflichtschule ○ Lehre ○ Fachschule ○ Matura
○ Akademie/Kolleg ○ Hochschule/Fachhochschule
○ Sons#ges: ____________________
Wie lange singen Sie schon im Chor?
○ 0-1 Jahr ○ 2-5 Jahre ○ mehr als 5 Jahre ○ mehr als 10 Jahre
○ mehr als 15 Jahre ○ mehr als 20 Jahre
Warum singen Sie im Chor (Mehrfachantworten möglich)?
○ löst Emotionen aus ○ reduziert Stress
○ bin Teil einer Gruppe ○ trainiert die S#mme
○ fühle mich glücklich ○ verbessert meine Atmung
○ verbessert meine Haltung ○ beruhigt und entspannt
○ fördert mein Selbstbewusstsein ○ treffe andere Menschen
○ knüpfe neue Freundschaften ○ gute Atmosphäre
○ gute Beziehungen untereinander ○ fühle mich ak#v/aufmerksam
104
Offene Fragen
Fragebogen 1:
Was ist für Sie das Besondere am Singen im Chor?
_______________________________________________________________
_______________________________________________________________
_______________________________________________________________
_______________________________________________________________
_______________________________________________________________
___________________________________________________
Fragebogen 2:
Wie ging es Ihnen in ihrer jeweiligen Situation als aktive Chorsängerin und
aktiver Chorsänger oder aktive Zuhörerin und aktiver Zuhörer?
_______________________________________________________________
_______________________________________________________________
_______________________________________________________________
_______________________________________________________________
_______________________________________________________________
___________________________________________________
105
Positive and Negative Affekt Schedule (PANAS)
Der vorliegende Fragebogen dient dazu, Ihre momentane Befindlichkeit und Empfindung zu
erfassen. Bei der Beantwortung gibt es keine falschen oder richtigen Antworten. Gehen Sie
lediglich bei der Beurteilung davon aus, wie Sie sich jetzt gerade fühlen.
Ich fühle mich
momentan:
ganz wenig
oder
gar nicht
--
ein bisschen
-
einiger-maßen
0
erheblich
+
äußerst
++
angeregt:
erschrocken:
wach:
gereizt:
entschlossen:
stolz:
verärgert:
ängstlich:
aktiv:
nervös:
bekümmert:
aufmerksam:
freudig erregt:
beschämt:
feindselig:
stark:
interessiert:
durcheinander:
schuldig:
begeistert:
Sonstiges:
_____________
_____________
_____________