einführung in die neuroökonomik
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Ringvorlesung Verhaltensökonomik: Prof. Christiane Schwieren, Uni Heidelberg, Einführung in die NeuroökonomikTRANSCRIPT
NEUROÖKONOMIK – EINEEINFÜHRUNG IN EINUMSTRITTENES NEUESFORSCHUNGSGEBIET
Prof. Dr. C. SchwierenUniversiy of Heidelberg
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WAS IST NEUROÖKONOMIK?
• Neues interdisziplinäres Forschungsfeld• Kombination aus
• Verhaltensökonomik & Experimentalökonomik• Kognitiven Neurowissenschaften• Psychologie
• Neuroökonomen erforschen die physiologischenGrundlagen ökonomischen Verhaltens• Gehirnaktivität• Hormone, Gene• Nicht nur Menschen als Studienobjekte!
BEISPIELE FÜRFORSCHUNGSTHEMEN
Marketing – was passiert im Gehirn, wenn Menschenunter bestimmten Bedingungen Produkte gezeigtwerden? -> Anwendungsorientierung
Grundlagenforschung – z.B., was passiert im Gehirnbei Risiko, bei Konfrontation mit unfairem Verhaltenetc.
Forschung an Primaten: Wie reagieren Primaten aufunfaires Verhalten? Unterschiede zum Menschen?
WURZELN DER NEUROÖKONOMIK
...in der Folge der neoklassischen Revolution in denWirtschaftswissenschaften in den 1930er Jahren Smith, Keynes – „psychologische“ Argumente Edgeworth, Ramsey, Fisher: Traum von „Hedonimeter“ Arrow, Samuelson, Debreu: mathematische Modelle, normativ Revealed preferences, „as if“ Argument (Friedman) Seit den 1930ern: experimentelles Arbeiten 1950er: Allais, Ellsberg u.a.: Verletzungen von EU 1970er Kahnemann, Tversky -> psychologische Grundlagen
...in der entstehenden kognitiven Neurowissenschaft inden 1990ern- Entwicklung besserer Technologie (PET, fMRI...)- Problem: Mangel an theoretischem Modell, um neue
Datenmengen zu organisieren
Pareto, 1897: „It is an empirical fact that thenatural sciences have progressed only when theyhave taken secondary principles as their point ofdeparture, instead of trying to discover theessence of things. Pure political economy hastherefore a great interest in relying as little aspossible on the domain of psychology. (Quoted inGlimcher et al., p. 3)
DIE ENTWICKLUNG DERNEUROÖKONOMIK
Späte 1990er Jahre Verhaltensökonomen auf der Suche nach neuen
Methoden In Neurowissenschaftlicher Forschung Suche nach
geeigneten theoretischen Konzepten zur Strukturierung > Neuroökonomik aus zwei Richtungen entstanden, mit
unterschiedlichen Wünschen/Zielen
Seit späten 1990ern/frühen 2000ern zunehmend„Neuroökonomen“: Eigene Abteilungen an Universitäten Eigene „Fachgruppe“ (http://www.neuroeconomics.org/ )
Aber: In den „Ausgangsgruppen“ viel Kritik
KRITIK
- Diskussion, ob/in wiefern Neuroökonomiknützlich für die Ausgangsdisziplinen ist
- Ökonomen:- Neue Methoden, neues Wissen- „Economics is only about choices...“
- Neurowissenschaften- - Hilfe bei der Strukturierung- „Konzepte zu simplifizierend, um nützlich zu sein“
- Ethische Debatte- Manipulation- Ressourcen- ....
DAS GEHIRN – METHODEN DERERFORSCHUNG
Grundlegende Fakten: ± 100 billion Neuronen, jeweils mit 1000-10,000
anderen Neuronen verbunden Kortex: die äußere « Oberfläche » des Gehirns Zuständig für Informationsverarbeitung und höhere
mentale Funktionen Limbisches System: Emotionale Reaktionen
Neurowissenschaftliche Methoden, die inNeuroökonomik Anwendung finden:: Bei Menschen: fMRI, PET, EEG, TMS, tDCS,
Medikamentengabe Tierstudien
NEUROÖKONOMISCHEFRAGESTELLUNGENBeispiele neuroökonomischer Forschung
FINANZ-ENTSCHEIDUNGEN
- Knutson & Bossaerts: Neural Antecedents ofFinancial Decisions (2007)
- Grundlage von Investitionsentscheidungen- Erwartete Belohnung- Risiko
- Neuroökonomik: Visualisierung vonVeränderungen in neuraler Aktivierung vorFinanzentscheidungen
DIE STUDIEN
- Fortschritte in FMRI-Technologie erlauben,Gehirnaktivierung auch VOR Entscheidungen zubeobachten
- „Expected Value“- Antizipation steigender finanzieller Belohnungen
aktiviert das ventrale Striatum- Erwartetes Risiko – Aktivierung in den Insulae
VORHERSAGE VONENTSCHEIDUNGEN - BEISPIEL
- Aktivierung im Ventralen Striatum sagt riskanteInvestments vorher (optimal & suboptimal)
- Aktivierung in der Insula sagt sichereInvestments vorher (optimal und suboptimal)
- V.a. deutlich bei Veränderung derInvestmentstrategie
- Personen mit stärkerer antizipatorischer Insula-Aktivierung machten mehr sichere Investments
(Kuhnen & Knutson, 2005)
PRÄFERENZEN FÜR GETRÄNKE –COKE VS. PEPSI
McClure, Li, Tomlin, Cypert, Montague &Montague (2004): Neural Correlates ofBehavioral Preference for Culturally FamiliarDrinks
Der „Pepsi-Test“ im Scanner
FRAGESTELLUNG
- Was passiert im Gehirn, wenn wir Pepsi & Cokeim Supermarkt sehen?
- Korrelate im Gehirn von „Revealed Preferences“bezüglich Coke & Pepsi
- Effekt des Marken-Images auf „revealedpreferences“ und Gehirn-Reaktion auf beideGetränke
- Spezifischer- Was ist die Verhaltens- und Neuronale Reaktion of
beide Getränke, wenn sie blind probiert werden?- Was ist der Verhaltens- und Neuronale Einfluß vom
Wissen, welches Getränk konsumiert wird?- Gibt es eine Korrelation zwischen Verhaltenspräferenz
und Neuronaler Reaktion (fMRI)?
ERGEBNISSE- 2 Systeme sind an der Entstehung von
Präferenzen beteiligt- Nur auf sensorischer Information beruhende
Beurteilung – relative Aktivität im VMPFC alsPrädiktor von Präferenz
- Markenkenntnis verzerrt Präferenzen (bei Coke)- Reaktion im Hippocampus, DLPFC, Midbrain -> kulturelle
Information!
- Verhaltensergebnisse- Gleichverteilung Präferenz Coke-Pepsi, wenn Marke
nicht bekannt -> zeigt sich im Gehirn –Belohnungssignal im VMPFC
- Präferenz für Coke stärker wenn Markennamebekannt -> im Gehirn antizipatorische Aktivierung vonH, D, M bei Dose vs. Neutralem Signal
ERGEBNISSE II
Hippocampus & DLPFC – Emotion & Affekt - DLPFC: Kognitive Kontrolle, Nutzen
affektiver Information - Hippocampus: Erinnern von affekt-
bezogener Information (kulturelle Information indiesem Fall)
SOZIALE PRÄFERENZEN BEIPRIMATEN
- Warum interessieren uns Primaten?- Evolutionäre Argumente; was ist der Ursprung
unserer sozialen Präferenzen?- Frage nach Altruismus und Adaptivität
- Untersuchungen von Kooperation, Kognition& Fähigkeit zu Empathie bei Primaten imVergleich mit Menschen -> Ideen über denUrsprung prosozialer Präferenzen
- Wenn Kooperation für Menschen ökonomischbesonders wichtig war –> Vergleich mitanderen kooperierenden Speziesaufschlussreich
SOZIALE PRÄFERENZEN BEIPRIMATEN
- Problematik von Altruismus- Definition: Verhalten, das für den Akteur Kosten hat
und Nutzen für den Empfänger -> erhöht „fitness“des Empfängers, reduziert „fitness“ des Akteurs
- Muss also doch Nutzen für Empfänger haben, sonstevolutionär nicht erfolgreich
- Nepotismus- Reziprozität
- „Altruistische Bestrafung“ bei Primaten?- Ultimatumspiel mit Schimpansen
SOZIALE PRÄFERENZEN BEIPRIMATEN
- Kognitive Grundlagen sozialer Präferenzen- Empathie- Theory of Mind
- Schimpansen haben Wissen über sozialeSachverhalte und können perzeptuelle Wissenanderer einordnen
- Theory of Mind, soziales Lernen etc. beiSchimpansen deutlich schlechter als beiMenschenkindern, währen „physikalische“Kognition der von 2jährigen Kindern entspricht
SOZIALE PRÄFERENZEN BEIPRIMATEN
- Schimpansen indifferent gegenüberWohlfahrt andere Gruppenmitglieder
- Aber: Schimpansen helfen anderen- Primaten zeigen Ungleichheitsaversion
- Vergleich von Belohnungen selbst-anderer- Negative Reaktion auf Diskrepanz- Handlung zur Veränderung der Situation- Vermeidung von Überkompensation
- Letzter Schritt bei nicht-menschlichenPrimaten nicht gegeben
- Primaten reagieren negativ auf unfairePartner
OXYTOCIN UND VERTRAUEN
- Kosfeld et al., 2005- Fragestellung: (Wie) beeinflusst Oxytocin
Vertrauen beim Menschen?
- Trust-Game- Oxytocin-Gabe vs. Placebo
OXYTOCIN
- Neuropeptid, gebildetim Hypothalamus
- Bedeutung beimGeburtsprozess & fürVerhalten zwischenMutter und Kind
- Außerdem Bedeutungfür Sozialverhalten imAllgemeinen:- Rezeptoren in
Gehirnregionen, die mitsozialem Verhalten inZusammenhanggebracht werden
- Bei nicht-menschlichenSäugetieren starkenEinfluß auf Verhalten- Positive soziale
Interaktionen- Paarbildung- Mütterliche Fürsorge- Sexuelles Verhalten- Normale soziale
Bindungen- ....
- ErleichtertAnnäherungsverhalten
OXYTOCIN UND VERTRAUEN II
- Das Experiment- 29 Teilnehmer in Oxytocin-Gruppe- 29 Teilnehmer in Placebo-Gruppe- > Hypothese: Investoren in Oxytocin-Gruppe
schicken mehr an Spielpartner
- Ergebnis:- 45% in Oxytocin-Gruppe zeigen maximale
Vertrauensniveaus- 21% in Placebo-Gruppe schicken maximalen Betrag
WAS BEWIRKT OXYTOCIN?
Generelle Steigerung der Risikoneigung oderspezifisch Vertrauen in sozialen Interaktionen?
Risk-Game Kein Unterschied zwischen Oxytocin- und Placebo-
Gruppe Kein Unterschied zu Placebo-Gruppe in Trust-Game
Mehr prosoziales Verhalten allgemein? Responder-Verhalten
Unverändert!
Veränderte Erwartungen? Optimismus? Nein!
Hilft, Betrugsaversion zu überwinden Wahrscheinlichste Variante
FAZIT
Viel interessante Forschung möglich Schnelle Weiterentwicklung
Aber: Sinn für ökonomische Fragestellungen? Methodennutzung / Interpretation? Ethische Fragen bei der Anwendung
Es bleibt spannend!
LITERATUREMPFEHLUNGEN
Für ein allgemeines Publikum geschrieben: Do economists need brains“ – The Economist, 24. Juli
2008 Briefing Neuroeconomics „Das Flüstern der Black Box – Ökonomen blicken ins
Gehirn“ – Handelsblatt, 15.09.2010
Einführung Neurowissenschaften: Brain Facts(Published by the Society for Neuroscience). Frei herunterladbar:
http://www.sfn.org/skins/main/pdf/brainfacts/2008/brain_facts.pdf
Neuroökonomen mit interessanten Homepages: Ernst Fehr http://www.sns.uzh.ch/index.html, Colin Camerer http://www.youtube.com/watch?v=vKJ50rCYBGk , Read Montague
http://www.hnl.bcm.tmc.edu/neuroeconomics.html ,
Paul W. Glimcher http://www.cns.nyu.edu/~glimcher/