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Fragenbeantwortung unter www.falkfoundation.de Falk Gastro-Kolleg Falk Gastro-Kolleg 2/2017 | 1 Falk Gastro-Kolleg Leber und Gallenwege Titelbild: Zirrhosepatient mit massivem Aszites und Skelettmuskelatrophie (Sarkopenie) Ernährung bei Lebererkrankungen Zusammenfassung Ernährungszustand und Lebererkrankungen beeinflussen sich gegenseitig. Leberfunk- tionen werden durch eine Mangelernährung beeinträchtigt und können durch Ernäh- rungstherapie wieder verbessert werden. Insbesondere chronische Lebererkrankungen führen abhängig von ihrem klinischen Schweregrad zu einer prognostisch relevanten Mangelernährung. Vorhandensein und Ausmaß der Mangelernährung können allein klinisch ohne technische Verfahren diagnostiziert werden. Bei schweren akuten Leber- erkrankungen unterscheiden sich Indikation und Durchführung der Ernährungstherapie nicht wesentlich von der Ernährungstherapie aufgrund anderer Ursache kritisch erkrank- ter Personen. Bei chronischen Lebererkrankungen ist der spontane Verzehr von Lebens- mitteln meist ungenügend. Häufig besteht ein Eiweißmangel. In abgestuftem Vorgehen sollten Ernährungsberatung, ergänzende orale Trinknahrungen, enterale Sondennahrung und als Zweitlinientherapie die parenterale Ernährung eingesetzt werden. Die Ernährungs- therapie kann durch Sicherstellung einer adäquaten Versorgung an Energie und Eiweiß die Morbidität und das Überleben verbessern. Schlüsselwörter Enterale Ernährung | parenterale Ernährung | Eiweißmangel | akutes Leberversagen | Leberzirrhose | Lebertransplantation Prof. Dr. Mathias Plauth Prof. Dr. Mathias Plauth Klinik für Innere Medizin Städtisches Klinikum Dessau Auenweg Dessau

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Page 1: Ernährung bei Lebererkrankungen - drfalkpharma.de · weniger präzisen Methoden wie Anthropometrie oder renaler 24-h-Kreatininausschei- dung zu bevorzugen [9]. 2.2 Einfluss des Ernährungsstatus

Fragenbeantwortung unter

www.falkfoundation.de

Falk Gastro-Kolleg

Falk Gastro-Kolleg 2/2017 | 1

Falk Gastro-Kolleg

Leber und Gallenwege

Titelbild: Zirrhosepatient mit massivem Aszites und Skelettmuskelatrophie (Sarkopenie)

Ernährung bei Lebererkrankungen Zusammenfassung

Ernährungszustand und Lebererkrankungen beeinflussen sich gegenseitig. Leberfunk-tionen werden durch eine Mangelernährung beeinträchtigt und können durch Ernäh-rungstherapie wieder verbessert werden. Insbesondere chronische Lebererkrankungen führen abhängig von ihrem klinischen Schweregrad zu einer prognostisch relevanten Mangelernährung. Vorhandensein und Ausmaß der Mangelernährung können allein klinisch ohne technische Verfahren diagnostiziert werden. Bei schweren akuten Leber-erkrankungen unterscheiden sich Indikation und Durchführung der Ernährungstherapie nicht wesentlich von der Ernährungstherapie aufgrund anderer Ursache kritisch erkrank-ter Personen. Bei chronischen Lebererkrankungen ist der spontane Verzehr von Lebens-mitteln meist ungenügend. Häufig besteht ein Eiweißmangel. In abgestuftem Vorgehen sollten Ernährungsberatung, ergänzende orale Trinknahrungen, enterale Sondennahrung und als Zweitlinientherapie die parenterale Ernährung eingesetzt werden. Die Ernährungs-therapie kann durch Sicherstellung einer adäquaten Versorgung an Energie und Eiweiß die Morbidität und das Überleben verbessern.

Schlüsselwörter

Enterale Ernährung | parenterale Ernährung | Eiweißmangel | akutes Leberversagen | Leberzirrhose | Lebertransplantation

Prof. Dr. Mathias Plauth

Prof. Dr. Mathias PlauthKlinik für Innere MedizinStädtisches Klinikum DessauAuenweg Dessau

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Ernährung bei Lebererkrankungen

1 Einleitung

Der hohe Stellenwert der Ernährung für Prognose und Therapie von Leberkranken wurde schon früh erkannt und fand deshalb als Variable auch Eingang in den prognos-tischen Score von Child & Turcotte in seiner ursprünglichen Fassung [1].

2 Grundlagen

2.1 Ernährungsbedingtes Risiko von Patienten mit Lebererkrankungen

Das ernährungsbedingte Risiko eines Patienten wird einerseits aufgrund der Verfassung des Patienten und andererseits aufgrund der Belastung des Patienten durch seine Er-krankung eingeschätzt. Es gilt also den Ernährungszustand anhand von Kenngrößen der physiologischen Leistungsfähigkeit und das metabolische Trauma durch die vor-liegende oder bevorstehende Krankheit und medizinische Interventionen zu bemessen. Eine aussagekräftige Beurteilung des Ernährungszustands kann sich also nicht nur auf Körpergewicht und -länge gründen, sondern muss auch Informationen bezüglich der Energie- und Nährstoffbilanz sowie Körperzusammensetzung und Organfunktionen enthalten, die eine Aussage zu den metabolischen und physischen Leistungsreserven eines Patienten erlauben, der eine vitale Bedrohung meistern muss. Solche Daten ge-winnen an Aussagekraft, wenn sie dynamisch gesehen werden können, beispielsweise als Gewichtsverlust pro Zeiteinheit.

Zahlreiche Studien zeigen nicht nur höhere Sterblichkeits- und Komplikationsraten bei Zirrhosepatienten mit Eiweißmangelernährung, sondern auch ein schlechteres Über-leben nach Transplantation und anderen viszeralchirurgischen Eingriffen [2, 3, 4]. In Er-nährungsinterventionsstudien fand man die höchste Sterblichkeit bei den Patienten mit der geringsten Nahrungsaufnahme [5]. Die Verminderung von Muskelkraft und Muskelmasse [6, 7] ist bei Patienten mit Leberzirrhose von hoher prognostischer Aus-sagekraft. Bei Zirrhosekranken auf der Warteliste zur Transplantation findet sich in der Spiroergometrie in mehr als 60% eine hochgradige Einschränkung der kardiorespira-torischen Leistungsfähigkeit, die mit einem erheblich schlechteren Überleben nach Transplantation assoziiert ist [8].

Die akkurate Bestimmung des Ernährungszustands ist bei Zuständen der Überwässe-rung oder der verminderten hepatischen Eiweißsynthese (z. B. Albumin) diffizil. Für wissenschaftliche Fragestellungen kommen aufwendige Methoden wie Ganzkörper-Kaliummessung, Röntgenabsorptionsmessung, In-vivo-Neutronenaktivierungsanalyse (IVNAA) und Isotopendilutionstechnik zum Einsatz. Unter den Bedside-Methoden ist die Bioimpedanzanalyse mit Messung des Phasenwinkels oder die Berechnung der Körperzellmasse trotz gewisser Limitationen bei Patienten mit Aszites gegenüber weniger präzisen Methoden wie Anthropometrie oder renaler 24-h-Kreatininausschei-dung zu bevorzugen [9].

2.2 Einfluss des Ernährungsstatus auf die Lebererkrankung

UnterernährungBei Kindern kann eine schwere Mangelernährung eine Leberverfettung verursachen, die sich im Allgemeinen unter erfolgreicher Ernährungstherapie wieder vollständig zu-rückbildet [2]. Die Mangelernährung verschlechtert Leberfunktionen, wie den Phase-I- Fremdstoffmetabolismus, die Galaktoseelimination oder die Synthese des C-reaktiven Proteins bei Kindern mit einer Infektion. Diese können durch eine erfolgreiche Ernäh-rungstherapie wieder verbessert werden [2]. Es ist nicht bekannt, ob die Fettleber auf-grund einer Mangelernährung zu einer chronischen Lebererkrankung fortschreiten kann.

P Patienten mit Leberzirrhose und Proteinmangel haben eine höhere Morbidität und Mortalität.

P Mit einfachen Bedside-Methoden wie dem „Subjective Global Assessment“ (SGA) oder der Anthropometrie kann eine Mangelernährung zuverlässig ermittelt werden.

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ÜberernährungSchon vor 40 Jahren wurden transiente degenerative Veränderungen mit fokalen Nekrosen in der Leber gefunden, wenn Adipöse sich einer vollständigen Nahrungs-karenz, einer strengen Reduktionsdiät oder einer Dünndarm-Bypass-Operation unter-zogen. Die nicht-alkoholische Steatohepatitis (NASH) wurde ursprünglich bei Men-schen nach Gewichtsverlust beschrieben; heute sind Insulinresistenz und Adipositas ihre häufigste Ursache. Es wird angenommen, dass in Europa bei 20% der Menschen mit keinem oder moderatem Alkoholkonsum eine nicht-alkoholische Fettleber (NAFL) vorliegt, die bei 20% zur NASH fortschreitet. Die Ernährungsgewohnheiten bei NASH-Patienten zeigen kein einheitliches Muster.

Die Bedeutung der Adipositas zeigt sich in der Beobachtung, dass allein die Gewichts-reduktion, unabhängig davon, ob sie durch Ernährungsberatung, Medikamente oder metabolische Chirurgie erreicht wurde, das Potenzial hat, eine NASH zu bessern oder gar zu heilen [2, 10, 11].

2.3 Einfluss der Lebererkrankung auf den Ernährungszustand

Akute LebererkrankungenGrundsätzlich hat eine akute Lebererkrankung metabolische Auswirkungen wie jede andere Erkrankung, die mit einer Akutphasenreaktion einhergeht. Deren Auswirkungen auf den Ernährungszustand sind von Krankheitsdauer und -schwere sowie einer even-tuell vorbestehenden chronischen Lebererkrankung abhängig, die den Ernährungs-zustand schon beeinträchtigt haben kann.

LeberzirrhoseHier besteht ein Mischbild aus Eiweiß- und Energiemangelernährung [2]. Abhängig vom Krankheitsstadium liegt die Prävalenz der Mangelernährung zwischen 20% bei kompensierter Zirrhose und über 60% bei Patienten mit schwerer Leberinsuffizienz [2].

Nicht selten besteht ein substanzieller Eiweißmangel mit daraus resultierender Sarko-penie, reduzierter Muskelfunktion [12] und schlechtem Überleben [6, 7]. Diesem Ver-lust an Körperzellmasse kann durch Kontrolle der portalen Hypertension und eine adäquate Ernährung wirkungsvoll begegnet werden [2]. Hinsichtlich Prävalenz und Schwere von Mangelernährung und Eiweißmangel ist die Ätiologie der Lebererkran-kung eher unbedeutend; die höhere Prävalenz und das größere Ausmaß der Mangel-ernährung bei Alkoholkranken resultieren offenkundig aus ungesundem Lebensstil und niedrigen sozioökonomischen Verhältnissen.

Operation & TransplantationBei vielen Lebertransplantierten tritt schon im ersten Jahr nach der Transplantation eine enorme Gewichtszunahme auf, sodass mitunter die wiedergewonnene Gesund-heit durch die Entwicklung eines metabolischen Syndroms mit all seinen Risiken aufs Spiel gesetzt wird [13]. Im ersten Jahr nach der Transplantation kommt es zu einer Ex-pansion der Körperfettmasse, während die Magermasse unverändert bleibt und die Störungen des nicht-oxidativen Glukosestoffwechsels im Muskel persistieren. Diese Entwicklung führt zur Konstellation der sarkopenischen Adipositas, deren Erkennung eine Analyse der Körperzusammensetzung erfordert [14], beispielsweise unter Einsatz der Bioimpedanzanalyse und Röntgenabsorptionsmessung. Nach der Transplantation persistiert die Dekonditionierung der Skelettmuskulatur aus der Zeit der verminder-ten körperlichen Leistungsfähigkeit prae transplantationem, sofern sie nicht rechtzei-tig durch ein ganzheitliches Rehabilitationsprogramm, einschließlich Physiotherapie, angegangen wird.

P Body-Mass-Index (BMI) und Gesamt-körperfett sind Prädiktoren für das Vorliegen einer NASH bei Adipösen; entsprechend findet man eine NASH bei 37% (24–98%) der Patienten, die sich einer Operation zur Gewichts-reduktion unterziehen.

P Die Prävalenz einer Mangelernährung bei Patienten mit Leberzirrhose ist hoch.

P Schwäche, Inappetenz und psychomotorische Defizite führen oft zu einer ungenügenden oralen Nahrungsaufnahme, auch ohne dass eine offenkundige hepatische Enzephalo pathie (HE) vorliegt.

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2.4 Pathophysiologie und Bedarf an Nährstoffen bei Lebererkrankungen

2.4.1 Energie

Akutes LeberversagenUnter physiologischen Verhältnissen entfallen 25% des gesamten Energieverbrauchs auf die Leber, sodass bei Verlust der funktionsfähigen Leberzellmasse im Rahmen des akuten Leberversagens (ALV) ein Rückgang des Sauerstoffverbrauchs zu erwarten wäre. Tatsächlich zeigt aber die indirekte Kalorimetrie bei ALV-Patienten eine Erhö-hung des Ruheumsatzes um 18% bzw. 30% [15] (Tab. 1). Vermutlich bewirkt die systemi-sche Entzündungsreaktion eine solche Erhöhung des Energieverbrauchs, dass der verminderte Energieverbrauch der Hepatozyten überspielt wird.

Energiebedarf bei verschiedenen Lebererkrankungen*

Lebererkrankung Energiebedarf [Nicht-Eiweiß kcal/Tag]

Energiebedarf [Nicht-Eiweiß kcal/kg KG/Tag]

Energiebedarf [kcal/kg KG/Tag]

Akutes Leberversagen 1,2–1,3 x Grundumsatz 30 35

Alkoholische Steatohepatitis 1,2–1,3 x Grundumsatz 30 35

Leberzirrhose 1,2–1,3 x Grundumsatz 30 35

Lebertransplantation 1,2–1,3 x Grundumsatz 30 35

* angegeben in Bezug auf Grundumsatz (gemessen oder errechnet), Körpergewicht oder als Gesamtenergiezufuhr unter Einschluss von Aminosäuren bzw. Eiweiß unter Annahme der jeweils empfohlenen Zufuhr

LeberzirrhoseBei der indirekten Kalorimetrie zeigen Patienten mit Zirrhose und/oder Alkoholhepa-titis im Durchschnitt Grundumsatzwerte wie sie auch anhand von Standardformeln (z. B. Harris & Benedict) errechnet werden. Im Einzelfall können jedoch erhebliche Un-terschiede zwischen gemessenen und berechneten Umsatzwerten bestehen.

Das Ausmaß der Diät-induzierten Thermogenese und die energetischen Kosten einer definierten körperlichen Aktivität unterscheiden sich für Zirrhosekranke nicht von jenen Gesunder. Das Niveau der körperlichen Aktivität Zirrhosekranker liegt jedoch deutlich unter dem von Gesunden. So wird die krankheitsbedingte Erhöhung des Energie-bedarfs durch die Verminderung der körperlichen Aktivität infolge der schlechten Ver-fassung aufgehoben. Bei Zirrhosepatienten sollte das aktuelle Körpergewicht für die Berechnung des Grundumsatzes herangezogen werden.

Operation & TransplantationAls Gesamtheit haben Lebertransplantierte den gleichen Energiebedarf wie der durch-schnittliche Patient mit einem großen Oberbaucheingriff. Daher ist die Versorgung mit Nicht-Eiweißenergie in Höhe von 130% des Grundumsatzes angemessen [2].

2.4.2 Kohlenhydrate

Akutes LeberversagenHypoglykämie ist bei ALV ein klinisch relevantes und häufiges Problem, das aus dem Verlust glukoneogenetischer Kapazität, dem Glykogenmangel und einem Hyperinsuli-nismus resultiert [15].

LeberzirrhoseDie Verwertung der energieliefernden Nährstoffe ist von einer erhöhten Fettoxidation im Nüchternzustand charakterisiert.

Häufig besteht schon im Child-Pugh-Stadium A eine Insulinresistenz, die an der Ske-lettmuskulatur eine Verminderung der Glukoseaufnahme und nicht-oxidativen Glukose-verwertung in der Glykogensynthese bewirkt. Es ist nicht klar, ob die Glukoseeinlage-rung als Glykogen nur in der Skelettmuskulatur oder auch in der Leber eingeschränkt ist. Etwa 15–40% der Patienten entwickeln einen klinischen Diabetes.

P Bezüglich des Energieverbrauchs unterscheiden sich Patienten mit ALV nicht von anderen kritisch Kranken.

Tab. 1

P Messungen des gesamten Energie-umsatzes zeigen, dass der 24-h-Energie-bedarf Zirrhosekranker bei ca. 130% des Grundumsatzes liegt.

P Bei Patienten mit einer Leberzirrhose finden sich häufig eine erhöhte Fett-oxidation sowie eine Insulinresistenz. Postabsorptiv ist die Glukoseoxidations-rate vermindert und die hepatische Glukoseproduktion aufgrund einer Depletion an Leberglykogen vermindert.

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Operation & TransplantationIn der frühen postoperativen Phase kommt es oft zu einer Störung des Glukosestoff-wechsels mit einer Insulinresistenz.

2.4.3 Fett

Akutes LeberversagenFettsäureoxidation und Ketogenese sind die wesentlichen energieliefernden Prozesse für den Hepatozyten. Anders als bei septischen Patienten nehmen die Organe des Splanchnikusgebiets bei ALV keine freien Fettsäuren auf, sondern geben sie ab [16]. Diese stammen aus der, infolge des Parenchymverlusts reduzierten, hepatischen Fett-verwertung und/oder ihrer Mobilisierung aus mesenterialem Fettgewebe.

LeberzirrhoseIm Nüchternzustand finden sich die Plasmaspiegel von freien Fettsäuren, Glyzerol und Ketonkörpern erhöht und diese reagieren nicht in dem Maße auf niedrige Insulininfu-sionsraten wie bei Gesunden. Fett ist das bevorzugte oxidative Substrat; die Lipolyse ist gesteigert mit einer aktiven Mobilisierung der Fettdepots. Auch bezüglich der anti-lipolytischen Wirkung besteht eine Insulinresistenz.

Postprandial ist die Suppression der Lipidoxidation nicht uniform eingeschränkt. Weder Plasmaclearance noch Oxidationsraten sind vermindert, sodass die Netto-Kapazität der Verwertung von exogenem Fett nicht eingeschränkt ist [2]. Plasmaspiegel von essenziellen und mehrfach ungesättigten Fettsäuren sind bei der Zirrhose in Abhän-gigkeit von Ernährungsstatus und Schwere der Erkrankung vermindert.

Operation & TransplantationBei Lebertransplantierten wurde eine bessere Funktion des retikuloendothelialen Sys-tems beobachtet, wenn anstelle der konventionellen, ausschließlich Sojaöl-basierten Fettemulsion eine MCT/LCT-Mischemulsion (MCT, mittelkettige Triglyzeride; LCT, langkettige Triglyzeride) mit vermindertem Anteil an n-6-ungesättigten Fettsäuren in-fundiert wurde [2].

2.4.4 Eiweiß und Aminosäuren

Akutes LeberversagenDie Plasmaspiegel der Aminosäuren sind bei ALV auf das 3- bis 4-Fache der Norm erhöht unter Ausbildung eines typischen Aminosäurenmusters. Dieses ist geprägt von einer Verminderung der verzweigtkettigen Aminosäuren (VKAS) einerseits und an dererseits einer Vermehrung der aromatischen sowie schwefelhaltigen Aminosäuren und von Tryp-tophan (Tab. 2). Bei ALV zeigen die Splanchnikusorgane keine Aufnahme von Aminosäu-ren wie sie bei Gesunden oder bei Sepsis zu beobachten ist [17]. Das vom Darm abgege-bene Ammonium kann von der versagenden Leber nicht mehr in ausreichendem Maße extrahiert und entgiftet werden, sodass es zur Hyperammoniämie kommt, trotz einer kompensatorisch gesteigerten Ammoniumdetoxifikation durch die Skelettmuskulatur.

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Aminosäurenmuster bei akutem Leberversagen, alkoholischer Steatohepatitis und Leberzirrhose

Aminosäure Plasma Skelettmuskel

Phenylalanin ↑ ↑

Tyrosin ↑ ↑

Methionin ↑

Tryptophan ↑

Leucin ↓

Isoleucin ↓

Valin ↓ ↓

Aromatische Aminosäuren (AAS) ↑ ↑

Verzweigtkettige Aminosäuren (VKAS) ↓ ↓

VKAS/AAS (Fischer-Quotient*) ↓ ↓* Der Fischer-Quotient beträgt > 3,0 bei Gesunden und < 1,5 bei Patienten mit Zirrhose

und Enzephalopathie

LeberzirrhoseDer Ganzkörper-Proteinumsatz ist normal bis erhöht. Ursächlich wurden sowohl eine erhöhte Eiweißkatabolie als auch eine verminderte Eiweißsynthese beschrieben. Die Syntheserate von Albumin ist vermindert und korreliert invers mit dem Schweregrad der Zirrhose. Patienten mit stabiler Zirrhose sind aber zur Eiweißanabolie fähig und können unter therapeutisch erhöhter Eiweißzufuhr in relevantem Maße Körpermager-masse aufbauen.

Die Eiweißkatabolie prägt auch die Aminosäurenimbalanz der Zirrhose und belastet die eingeschränkte metabolische Kapazität der Leber durch eine übermäßige Stickstoff-anflutung mit dem Ergebnis einer Hyperammoniämie. Wie beim ALV findet sich auch im Plasma Zirrhosekranker ein charakteristisches Aminosäurenmuster mit Erhöhung der aromatischen (Phenylalanin, Tyrosin) und schwefelhaltigen (Methionin) Aminosäuren sowie von Tryptophan und Verminderung der VKAS (Leucin, Isoleucin, Valin). Ursächlich sind hier die eingeschränkte metabolische Clearance (aromatische und schwefelhaltige Aminosäuren) und der vermehrte Abbau der VKAS in der Skelettmuskulatur infolge der portalen Hypertension und der Hyperammoniämie [2] zu erwähnen.

Systematische Bestimmungen des Eiweißbedarfs von Zirrhosekranken wurden nur in begrenztem Umfang durchgeführt. Dabei zeigte sich bei stabiler Zirrhose ein erhöhter Bedarf, sodass die Empfehlung 1,2 g/kg KG/Tag ausgesprochen wurde, die deutlich über dem für gesunde und wohlernährte Erwachsene empfohlenen Wert von 0,8 g/kg KG/Tag liegt [2]. Bei Mangelernährten und dekompensierter Zirrhose wird eine Eiweiß-zufuhr von 1,5 g/kg KG/Tag empfohlen.

Operation & TransplantationNach der Transplantation kommt es zu einem beträchtlichen Stickstoffverlust, sodass bis zu 28 Tage anhaltende negative Stickstoffbilanzen beobachtet wurden.

2.4.5 Vitamine und Mineralien

Die Körperzusammensetzung Zirrhosekranker ist hochgradig alteriert und von Eiweiß-mangel und Hyperhydratation schon im Child-Pugh-Stadium A geprägt [12]. Letztere geht Hand in Hand mit einer Kochsalzretention, die nicht an einer Hypernatriämie zu erkennen ist. Bei anderen Mineralien wie Kalium, Magnesium oder Phosphat kommt es dagegen häufig zu echten Depletionen.

Tab. 2

P Schon nach nächtlicher Nahrungs-karenz sind bei Zirrhosekranken die Glykogenspeicher entleert und es kommt im Rahmen der Glukoneogenese zu einer vermehrten Eiweißkatabolie, wie sie bei Gesunden erst nach mehrtägigem Fasten eintritt.

P Bei Patienten mit Leberzirrhose beträgt der tägliche Eiweißbedarf 1,2–1,5 g/kg KG/Tag.

P Die Körperzusammensetzung Zirrhosekranker ist durch Eiweißmangel, Hyperhydratation, Kochsalzüberladung und häufig auch Mikronährstoffmangel (z. B. B-Vitamine, Zink) gekennzeichnet.

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Zink- und Selenmangel sind bei alkoholischer wie auch bei nicht-alkoholischer Leber-erkrankung beschrieben. Ein Mangel an wasserlöslichen Vitaminen, insbesondere der B-Gruppe, ist häufig, besonders bei alkoholbedingter Zirrhose. Ein Mangel an fett-löslichen Vitaminen wird bei Cholestase-bedingter Steatorrhö und bei Alkoholkranken beobachtet.

3 Krankheitspezifische Ernährungstherapie

3.1 Akute Lebererkrankungen

3.1.1 Akute Hepatitis

Eine akute Virushepatitis geht oft mit Inappetenz und Völlegefühl im Oberbauch einher, sodass die Patienten weniger essen und an Gewicht verlieren. Je nach Ausmaß der Cholestase kann es auch zu einer Fettmalabsorption kommen. Eine Ernährungs-therapie ist bei mangelernährten Patienten und bei persistierend inadäquater Nah-rungsaufnahme und anhaltendem Gewichtsverlust immer indiziert. In Ermangelung von Studiendaten für dieses Krankheitsbild sollte den Empfehlungen für die Alkohol-hepatitis gefolgt werden (vgl. 3.2.1).

3.1.2 Akutes Leberversagen

Unbehandelt führt das ALV in kurzer Zeit zum Tod. In der Behandlung des ALV stehen Maßnahmen zur Stabilisierung von Stoffwechsel und Vitalfunktionen und zur Be-kämpfung des Hirnödems ganz im Vordergrund.

Die Ernährungstherapie beim ALV hat zwei Ziele:1. Sicherstellung einer adäquaten Energiezufuhr und Euglykämie durch die Gabe von

Glukose, Fett, Vitaminen und Spurenelementen sowie2. Sicherstellung optimaler Proteinsyntheseraten durch die Zufuhr adäquater Mengen

von Eiweiß bzw. Aminosäuren.

Der Mangel an Daten aus klinischen Studien erschwert die Abgabe von begründeten Empfehlungen. Eine europaweite Umfrage [15] zeigte, dass hepatologische Zentren mit hoher Fallzahl die enterale Ernährung (EE) mittels nasogastralen/-jejunalen Sonden der parenteralen Ernährung (PE) vorziehen.

Empfehlungen bezüglich einer speziellen Zusammensetzung der Sondennahrung sind aus der publizierten Datenlage für das ALV nicht abzuleiten (Tab. 3).

Ernährungsregime bei akutem Leberversagen

Modalität Substrate Zufuhr

Enterale Ernährung Standardlösung (1,0 kcal/ml) Lösung mit hoher Nährstoffdichte (1,5 kcal/ml)

1,5 ml/kg KG/Stunde 1,0 ml/kg KG/Stunde

Parenterale Ernährung Glukose Fett Aminosäuren

2,0–3,0 g/kg KG/Tag 0,8–1,2 g/kg KG/Tag 0,8–1,2 g/kg KG/Tag

Bei der PE ist auf eine ausreichende Glukosegabe zur Prophylaxe bzw. Behandlung der Hypoglykämie zu achten. Der Einsatz von Xylit oder Sorbit anstelle von Glukose ist ohne belegten Vorteil beim ALV; ohnehin müssten beide Sub stanzen in der Leber metabolisiert werden, bevor sie zur Energiegewinnung utilisiert werden können.

P Die Hypoglykämie ist ein klinisch bedeutsames und häufiges Problem und wird in standardisierter Weise durch Glukoseinfusion in einer Rate von 1,5–2,0 g/kg KG/Tag behandelt [2].

P Aufgrund der klinischen Praxis kann empfohlen werden, Patienten mit ALV über eine nasogastrale/-jejunale Sonde enteral zu ernähren, mit Zufuhrraten wie bei anderen kritisch Kranken.

Tab. 3

P In der Glykämieführung ist wie bei kritisch Kranken anderer Genese zu verfahren und mit besonderer Sorgfalt darauf zu achten, dass Hypoglykämien vermieden werden.

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Parenteral verabreichte Fettemulsionen werden bei ALV offenbar gut toleriert, syste-matische Daten zur Fettverwertung bei ALV liegen allerdings nicht vor. Europaweit wird Fett in der PE von vielen Zentren eingesetzt, meist in Form einer MCT/LCT-Mischemulsion [15].

Bei hyperakutem Leberversagen wird aufgrund der sehr kurzen Krankheitsdauer die Gabe von Aminosäuren für verzichtbar erachtet, jedoch sollten bei akutem und insbe-sondere subakutem Leberversagen Aminosäuren zur PE bzw. Eiweiß zur EE mit jeweils 0,8–1,2 g/kg KG/Tag eingesetzt werden, um die Proteinsynthese optimal zu unterstützen und der Entstehung einer Mangelernährung vorzubeugen. Zum Einsatz von Amino-säuren in der PE stellt sich die Frage, ob dadurch Hyperammoniämie und Hyperamino-azidämie zu sehr verstärkt werden und so der Entstehung von Hirnödem und Enzepha-lopathie Vorschub geleistet wird. Die Mehrzahl der europäischen Zentren verwendet beim ALV Aminosäuren in der PE und zwar meist unter Einsatz von Lösungen mit er-höhtem VKAS-Anteil, obgleich diesbezüglich keine Studiendaten vorliegen, die einen Vorteil solcher Lösungen gegenüber Standardlösungen beim ALV zeigen [15]. In Kenntnis des prognostisch ungünstigen Zeichens erhöhter arterieller Ammoniumspiegel ist es aber ratsam, die Zufuhr von Aminosäuren bzw. Eiweiß an die jeweiligen Ammonium-spiegel anzupassen. In der Behandlung des hyperakuten Leberversagens kommen in der Mehrzahl der Fälle extrakorporale Nierenersatzverfahren zum Einsatz, wodurch sich auch die Hyperammoniämie sehr wirksam kontrollieren lässt.

Die strikte Kontrolle der Plasmaspiegel von Glukose (Ziel: 6–10 mmol/l), Laktat (Ziel: < 5,0 mmol/l), Triglyzeriden (Ziel: < 3,0 mmol/l) und Ammonium (Ziel: < 100 µmol/l) ist zu diesem Zweck unbedingt erforderlich [2, 15] (Tab. 4).

Vorgaben zum Monitoring der Ernährungstherapie bei akutem Leberversagen

Kenngröße Zielwert

Glukose 6–10 mmol/l

Laktat < 5,0 mmol/l

Triglyzeride < 3,0 mmol/l

Ammonium < 100 µmol/l

3.2 Chronische Lebererkrankungen

3.2.1 Alkoholische Steatohepatitis

Eine ergänzende Ernährungstherapie ist indiziert, wenn Patienten mit alkoholischer Steatohepatitis (ASH) ihren Nährstoffbedarf nicht mehr auf normalem Wege decken können und keine Kontraindikation vorliegt. Studien haben gezeigt, dass bei ASH-Patienten die ergänzende Ernährungstherapie mittels oraler Trink- oder Sondennah-rung eine angemessene Energie- und Eiweißzufuhr sicherstellen kann, ohne das Risiko für eine HE zu erhöhen [2]. Die EE über eine nasale Sonde zeigte sich hinsichtlich des 365-Tage-Überlebens im Vergleich zur Prednisolongabe als ebenbürtig. Unter den Patienten, welche die 28-tägige Behandlungsphase überlebten, zeigten die enteral ernährten sogar eine niedrigere Sterblichkeit in den folgenden 11 Monaten [18].

Für die ergänzende Ernährungstherapie sind in erster Linie orale Trinknahrungen zu empfehlen. Wenn Patienten auch damit keine ausreichende orale Nahrungszufuhr erreichen, sollte die EE über eine Sonde eingeleitet werden, auch bei Patienten mit Ösophagusvarizen. Für eine Erhöhung des Blutungsrisikos lassen sich bei Verwen-dung moderner weicher und kleinkalibriger (9F) Sonden keine Belege finden [2]. Die Anlage einer PEG-Sonde (PEG, perkutane endoskopische Gastrostomie) ist mit einem erhöhten Komplikationsrisiko verbunden und wird nicht empfohlen. Größerer Aszites, Gerinnungsstörung und portosystemische Kollateralen werden als PEG-Kontraindi-kationen gesehen.

P In der klinischen Praxis können Glukose (2,0–3,0 g/kg KG/Tag) und Fett (0,8–1,2 g/kg KG/Tag) simultan verabreicht werden. Der Einsatz von Fett ist bei Vorliegen einer Insulin-resistenz besonders vorteilhaft.

P Ein adäquates Stoffwechsel-monitoring ist unerlässlich für die optimale Anpassung der Nährstoff-zufuhr an deren Verwertung, um so eine Substratüberladung zu vermeiden.

Tab. 4

P Bei ASH mit schwerer Mangel-ernährung kann die ergänzende orale Trinknahrung das Überleben verbessern. Die Einnahme oraler anaboler Steroide ist demgegenüber wirkungslos.

P In der Praxis sollten Standard-nahrungen mit intaktem Protein verordnet werden mit einer Zielzufuhr von 35 kcal/kg KG/Tag an Gesamt-energie und 1,2–1,5 g/kg KG/Tag an Eiweiß [2] (Tab. 5).

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Ernährungsregime bei alkoholischer Steatohepatitis oder Leberzirrhose ohne Enzephalopathie

Modalität Substrate Zufuhr

Enterale Ernährung Lösung mit hoher Nährstoffdichte (1,5 kcal/ml) Lösung mit hoher Nährstoffdichte (2,0 kcal/ml)

1,0 ml/kg KG/Stunde 0,7 ml/kg KG/Stunde

Parenterale Ernährung Glukose Fett Aminosäuren

3,0 g/kg KG/Tag 1,0 g/kg KG/Tag 1,2–1,5 g/kg KG/Tag

Insbesondere bei Patienten mit Aszites sollten Nahrungen mit hoher Nährstoffdichte (1,5–2,4 kcal/ml) eingesetzt werden, um eine positive Flüssigkeitsbilanz zu vermeiden. Beim Auftreten einer HE sollte auf eine enterale Nahrung mit erhöhtem Gehalt an VKAS gewechselt werden [2]. Bei ASH- wie bei Zirrhosepatienten besteht das Risiko, eine HE durch eine inadäquat niedrige Eiweißzufuhr zu verschlechtern oder auszulösen.

Bei ASH-Patienten mit mäßiger oder schwerer Mangelernährung muss eine PE unver-züglich begonnen werden, wenn der Patient auf oralem oder enteralem Wege nicht ausreichend ernährt werden kann. Die zusätzlich zur oralen Ernährung infundierte PE verbessert das Überleben nicht, bleibt aber ohne Nachteil hinsichtlich einer mög-lichen HE [2]. Aufgrund der schon nach kurzer Nahrungskarenz einsetzenden Eiweiß-katabolie bei Zirrhosepatienten wird empfohlen, Patienten mit ASH oder Zirrhose, die eine Nahrungskarenz über mehr als 12 Stunden einhalten müssen, mit einer Glukose-infusion oder einer periphervenösen PE zu behandeln. Dauert die Nahrungskarenz länger als 72 Stunden, muss eine total parenterale Ernährung (TPE) erfolgen. Die PE bei ASH sollte analog zu den Empfehlungen für Zirrhosepatienten rezeptiert und angewen-det werden (vgl. 3.2.3).

Es wird empfohlen, Vitamin B1 ausreichend hoch zu dosieren, sowohl für die Prophy-laxe (250 mg i.m. 1 x /Tag. in den ersten 3-5 Tagen), als auch für die Therapie (500 mg i.v. 3 x/Tag über 2–3 Tage) der Wernicke-Enzephalopathie [19].

3.2.2 Nicht-alkoholische Steatohepatitis

Bei Übergewichtigen mit nicht-alkoholischer Steatohepatitis (NASH) liegt der Schlüssel zur erfolgreichen Behandlung in der Gewichtsreduktion. Empfohlen wird eine Reduk-tion um 7–10% des Ausgangsgewichts [10]. Nachhaltige Gewichtsreduktion kann die histopathologischen Veränderungen der NASH verbessern oder gar völlig beseitigen, ganz unabhängig davon, ob die Gewichtsreduktion durch Ernährungsberatung, metabolische Chirurgie oder eine medikamentöse Hemmung der intestinalen Fett-assimilation erreicht wurde [2, 10, 11]. Auch Insulinresistenz und Lipidstoffwechsel können so verbessert werden. Eine Verbesserung der histopathologischen Ver än-derungen konnte auch durch die auf die Insulinresistenz zielende medikamentöse Behandlung erzielt werden. Dies wurde aber durch eine deutliche Zunahme von Körpergewicht und Körperfettmasse belastet [2].

3.2.3 Leberzirrhose

Bei Zirrhosepatienten ist es von entscheidender Bedeutung, eine quantitativ ausrei-chende Nährstoffzufuhr sicherzustellen.

Es wurde gezeigt, dass nach erfolgreicher Behandlung der portalen Hypertension durch TIPS eine adäquate Ernährung die Zunahme der Körperzellmasse und damit eine Bes-serung möglich macht [21].

Tab. 5

P Wegen des hohen Risikos einer Wernicke-Enzephalopathie muss bei Alkoholkranken vor Beginn der ersten Glukoseinfusion Vitamin B1 gegeben werden.

P Übergewichtige NASH-Patienten profitieren von einer nachhaltigen Gewichtsreduktion, ganz unabhängig davon, wie diese erreicht wird.

P Zirrhosepatienten sollten eine Energieaufnahme von 35 kcal/kg KG/Tag (Gesamtenergie) und eine Protein zufuhr von 1,2–1,5 g/kg KG/Tag erreichen. Eine solche Eiweißzufuhr kann die Sterblichkeit senken [20].

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Falk Gastro-Kolleg 2/2017 | 10

Als ernährungstherapeutische Intervention kann schon die Ernährungsberatung allein [2] oder in Kombination mit oraler Trinknahrung erfolgreich sein. Die ergänzende Er-nährungstherapie kommt dann zum Einsatz, wenn der Zirrhosekranke seinen Nähr-stoffbedarf trotz individueller Ernährungsberatung nicht mehr auf natürlichem Wege decken kann. Durch Verkürzung der Perioden ohne Nahrungsaufnahme, beispiels-weise durch eine kohlenhydratreiche Spätmahlzeit, kann der Eiweißstoffwechsel Zir-rhosekranker stabilisiert werden.

Häufig wird verkannt, dass der spontane Verzehr auf die Hälfte oder weniger reduziert ist und der Behandlungsvorteil [4, 20, 23] einer rechtzeitigen enteralen Sondenernährung, mit der eine ausreichende Nährstoffzufuhr sichergestellt werden könnte, wird verpasst. Bei unkooperativen Patienten und solchen mit fortgeschrittener HE ist das Aspirations-risiko zu bedenken und gegebenenfalls der PE der Vorzug zu geben. Wie schon für ASH-Patienten diskutiert (vgl. 3.2.1), werden Ösophagusvarizen nicht als Kontraindi ka-tion bezüglich einer Sondenernährung gesehen.

Die Sicherheit der oben empfohlenen Eiweißzufuhr zeigt sich in mehreren Studien. Auch in der Risikogruppe von Zirrhosepatienten mit episodischer HE wurde die Ernährung mit einer Eiweißmenge von 1,2 g/kg KG/Tag gut toleriert und die früher geübte passa-gere Eiweißrestriktion während einer HE-Episode zeigte sich ohne Vorteil [24] (Tab. 6).

Ernährungsregime bei Leberzirrhose mit Enzephalopathie (III°–IV°), insbesondere nach gastrointestinaler Blutung

Modalität Substrate Zufuhr

Enterale Ernährung Nahrung mit erhöhtem Anteil an VKAS und hoher Nährstoffdichte (1,2 kcal/ml)

1,2 ml/kg KG/Stunde

Parenterale Ernährung Glukose Fett Aminosäurenlösung mit hohem VKAS-Anteil

4,0 g/kg KG/Tag 1,0 g/kg KG/Tag 1,0–1,2 g/kg KG/Tag

Bei stabiler Zirrhose ist die Gabe einer mit VKAS angereicherten Nahrung nicht grund-sätzlich erforderlich. Sie ist aber von Vorteil für die äußerst kleine Gruppe der Eiweiß-intoleranten Patienten mit HE.

Die Kosten der VKAS-Supplemente werden jedoch in den meisten Ländern nicht er-stattet. Bei Patienten, die unter enteraler Sondenernährung eine HE entwickeln, sollte eine mit VKAS angereicherte Sondennahrung eingesetzt werden [2].

Zur Gabe von Spurenelementen und Vitaminen wird in einem pragmatischen Ansatz empfohlen, diese in den ersten zwei Behandlungswochen liberal zu supplementieren, da die Labordiagnostik eines spezifischen Mangels aufwendig ist und den Beginn der Supplementierung verzögert. Die Ergebnisse kontrollierter Studien zu oral appliziertem Zink in der HE-Behandlung blieben enttäuschend, trotz der bemerkenswerten Kasuis-tiken mit erfolgreicher Zinktherapie [2]. Durch Zinkgabe kann die Harnstoffsynthese-kapazität bei Zirrhosekranken gesteigert werden, wenn zuvor erniedrigte Zinkspiegel normalisiert wurden. Die gemeinsame Supplementierung von Zink und Vitamin A kann durch die Verbesserung von Geschmacksstörungen die Nahrungsaufnahme und den Ernährungszustand auch indirekt verbessern. Die Gabe von Kalzium und Vitamin D bei Patienten mit Osteopenie wird empfohlen, sie führte bei Patienten mit primär biliärer Cholangitis (PBC) allerdings nicht zu einer Verbesserung der Knochendichte. Bei PBC-Patientinnen zeigte sich die Östrogensubstitution erfolgreicher.

Die PE ist eine wertvolle Zweitlinientherapie und muss bei mäßig oder schwer mangel-ernährten Zirrhosekranken umgehend eingesetzt werden, wenn sie nicht auf oralem oder enteralem Wege ausreichend ernährt werden können. Die PE sollte bei Patienten mit ungeschützten Atemwegen und höhergradiger HE mit unsicherem Schluck- und Hustenreflex erwogen werden.

P Durch die nächtliche Einnahme oraler Trinknahrung kann der Eiweiß-status Zirrhosekranker effektiver verbessert werden als durch die Einnahme tagsüber [22].

P Die gezielte Zufuhr höherer Eiweißmengen (1,2–1,5 g/kg KG/Tag) bei Zirrhosepatienten verbessert nachhaltig den Ernährungszustand und erhöht das Risiko für eine HE nicht.

Tab. 6

P Die orale Supplementierung mit VKAS-Granulat (0,25 g/kg KG/Tag) über 12 bzw. 24 Monate hat das Potenzial, das Fortschreiten der Leberinsuffizienz bei Patienten mit mäßig fortgeschrit-tener Zirrhose (Child-Pugh-Stadium B) zu verlangsamen und das ereignisfreie Überleben zu verlängern [25, 26].

P Alle Patienten mit alkoholischer Lebererkrankung müssen vor der ersten Glukosegabe Vitamin B1 erhalten (vgl. 3.2.1).

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Wenn die PE die einzige Nahrungsquelle darstellt, müssen alle Makro- und Mikronähr-stoffe von Anfang an gegeben werden. Es erfolgt also eine TPE. Als Kohlenhydrat soll-te Glukose in einem Quantum gegeben werden, das 50–60% des Nicht-Eiweiß-Ener-giebedarfs deckt. Die Verwertung der zugeführten Glukose ist durch regelmäßige Blutzuckerkontrollen zu überwachen. Besonderes Augenmerk sollte auf die Vermei-dung von Hypoglykämien gerichtet sein. Eine Hyperglykämie sollte durch eine Reduk-tion der Glukoseinfusion und gegebenenfalls Insulininfusion behandelt werden.

Die simultane Infusion von Fett und Glukose führt zu einem besseren metabolischen Profil als Glukose allein. Plasmaclearance und Oxidation des infundierten Fetts sind auch bei Zirrhosepatienten normal. Zur optimalen Zusammensetzung der oxidativen Substrate der Infusionsmischung gibt es Daten nur in begrenztem Umfang. In den europäischen Leitlinien wird Fett zur Abdeckung von 40–50% des Nicht-Eiweiß-Energie-bedarfs empfohlen, unter Verwendung von Fettemulsionen, deren Gehalt an n-6 mehr-fach ungesättigten Fettsäuren unter jenem der traditionellen Sojaöl-Emulsionen liegt [2]. Gegenüber den Sojaöl-Emulsionen langkettiger Triglyzeride (LCT) zeichnen sich die neuen Fettemulsionen durch einen niedrigeren Gehalt an n-6 mehrfach ungesättig-ten Fettsäuren aus. Dies wird durch Zumischen von MCT und/oder Olivenöl und/oder Fischöl erreicht. Im Ergebnis werden damit die Leukozyten- und die Immunfunktion weniger unterdrückt und die Bildung proinflammatorischer Mediatoren supprimiert.

Aminosäuren sollten in einer Rate von 1,2 g/kg KG/Tag bei kompensierter Zirrhose ohne Mangelernährung und mit 1,5 g/kg KG/Tag bei dekompensierter Zirrhose mit schwerer Mangelernährung infundiert werden. In Therapiestudien wurden bei Patienten mit Zir-rhose und höhergradiger HE VKAS-angereicherte Aminosäuren mit 0,6–1,2 g/kg KG/Tag infundiert [27]. Bei Patienten mit ASH bzw. alkoholbedingter Zirrhose ohne oder mit niedriggradiger HE rangierte die Zufuhr zwischen 0,5 und 1,6 g/kg KG/Tag [2]. Für die PE bei kompensierter Zirrhose können Aminosäuren-Standardlösungen eingesetzt werden.

Für Patienten mit manifester HE wurden leberadaptierte Aminosäurenlösungen mit erhöhtem Anteil an VKAS (35–45%) und reduziertem Gehalt an Tryptophan, aromati-schen und schwefelhaltigen Aminosäuren entwickelt; sie zielen auf eine Korrektur des pathologisch veränderten Aminosäuremusters. Die Wirksamkeit dieser Lösungen wurde in kontrollierten Studien untersucht, deren Metaanalyse einen positiven Effekt bezüg-lich der HE, aber keinen bezüglich des Überlebens zeigte [27]. Letzteres kommt nicht überraschend. Denn bei Zirrhose wird eine HE-Episode durch Komplikationen ausge-löst, wie z. B. Infektionen oder Blutungen, die eine ungleich stärkere Determinante des Überlebens sind als die HE. Leberadaptierte Aminosäuren-Komplettlösungen sollten bei höhergradiger HE (III°–IV°), insbesondere nach gastrointestinaler Blutung, einge-setzt werden.

Isoleucinlösungen zur parenteralen Gabe sind nicht kommerziell erhältlich, allerdings enthalten die leberadaptierten Lösungen (siehe oben) Isoleucin und die anderen VKAS Leucin und Valin in größeren Mengen.

Bei der PE ist auf die adäquate Zufuhr von Wasser, Mineralien, Vitaminen und Spuren-elementen zu achten, sodass der Tagesbedarf gedeckt ist. Spurenelemente sollten täglich in der üblichen TPE-Dosis gegeben werden. In einem pragmatischen Ansatz sollten Zirrhosepatienten Zink in Höhe des doppelten Tagebedarfs (= 2 x 5 mg/Tag) erhalten.

3.2.4 Perioperative Ernährung

Die präoperative Ernährungstherapie vor elektiven Eingriffen sollte den Empfehlungen für die jeweilige Leberkrankheit, meistens einer Leberzirrhose, folgen (siehe Tab. 6).

Es ist anzunehmen, dass mit der postoperativ früh begonnenen EE mindestens eben-bürtige Resultate erzielt werden können. In einer Studie konnte bei sequenzieller PE/EE (via Jejunostomie) ein positiver Effekt auf die Darmpermeabilität im Vergleich zu ausschließlicher PE oder gar keiner Ernährung nach der Operation beobachtet

P Zur Vermeidung einer unnötigen Eiweißkatabolie durch orale Nahrungs-karenz wird empfohlen, dass jeder Zirrhosepatient, der länger als 12 Stunden nahrungskarent (nächtliche Karenz eingeschlossen!) bleiben muss, als minimale Maßnahme Glukose intravenös erhält. Wenn die orale Karenz länger als 72 Stunden dauert, muss eine TPE verordnet werden. Dauert die Karenz bis zu 72 Stunden, kann eine periphervenöse hypokalorische Ernährung eingesetzt werden.

P Nach gastrointestinaler Blutung kommt mit Blut ein Eiweiß minderer biologischer Wertigkeit zur Assimilation und führt zu einem VKAS-Antagonis-mus. Dieser führt zu Hyperammoniämie und Ausbildung einer HE und kann durch Infusion von lediglich Isoleucin aufgehoben werden [28].

P Bei mangelernährten Zirrhotikern ist in erhöhtem Maße mit dem Auftreten eines Refeeding-Syndroms und einem erhöhten Bedarf an Phosphat, Kalium und Magnesium zu rechnen [2].

P Komplikationsrate und Eiweißstoff-wechsel nach abdominalen Eingriffen bei Zirrhosekranken können durch die postoperative PE optimiert werden [2].

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werden [2]. Bei Zirrhosepatienten, bei denen eine Leberresektion, eine Ösophagus-transsektion mit Splenektomie oder eine splenorenale Shuntoperation vorgenommen werden musste, kam es unter Verwendung einer Aminosäuren-Standardlösung nicht häufiger zur HE als unter leberadaptierten Lösungen.

3.2.5 Lebertransplantation

Obwohl die prognostische Bedeutung der Unterernährung von Transplantationskan-didaten bekannt ist, wurde bisher kaum untersucht, in welchem Maße eine präopera-tive Ernährungstherapie das Transplantationsergebnis verbessert. An der Indikation für eine Ernährungstherapie bei mangelernährten Zirrhotikern besteht kein Zweifel, wie oben eingehend dargelegt wurde. In einer randomisierten Studie wurde kein Vorteil einer ergänzenden oralen Trinknahrung gegenüber einer Ernährungsberatung gefunden [2]; beide Interventionen erzielten eine adäquate Nährstoffzufuhr. Im Ver-gleich mit historischen Kontrollen konnte für die präoperative speziell zusammen-gesetzte Trinknahrung eine signifikante Überlegenheit hinsichtlich des Eiweißstatus beobachtet werden [29]. In der nachfolgenden vergleichenden Studie fanden die Autoren jedoch keinen Vorteil dieser „Immunonutrition“ gegenüber einer Standard-nahrung [30]. Bei Kindern mit angeborenen cholestatischen Lebererkrankungen konnte die Körperzellmasse bis zur Transplantation in höherem Maße verbessert werden, wenn eine VKAS-angereicherte Nahrung verwendet wurde [31].

Nach der Transplantation sollte normales Essen und/oder eine enterale Ernährung schon in den ersten 12–24 Stunden postoperativ begonnen werden, um niedrigere Raten an Sterblichkeit und Komplikationen als bei der PE zu erzielen [2]. Standardnah-rungen mit oder ohne Prä- und Probiotika oder Peptidnahrungen wurden für die früh-enterale Ernährung verwendet. Als Zugang kamen nasogastrale oder endoskopisch platzierte nasojejunale Sonden beziehungsweise am Operationsende platzierte Kathe-terjejunostomien zum Einsatz.

Bei Transplantierten erfolgt die PE nach den gleichen Prinzipien wie nach anderen großen abdominalchirurgischen Eingriffen. Für MCT/LCT-Fettemulsionen konnte ge-genüber traditionellen Sojaöl-Emulsionen eine verbesserte Funktion des retikuloendo-thelialen Systems gezeigt werden. Nach der Transplantation muss mit einem Eiweiß- bzw. Aminosäurenbedarf von 1,0–1,5 g/kg KG/Tag gerechnet werden [2]. Der Einsatz von VKAS-angereicherten Lösungen ist nach der Transplantation nicht erforderlich.

Spezifische Empfehlungen zur optimalen Spenderkonditionierung können gegenwärtig nicht gegeben werden. Die Leberverfettung ist ein bekannter Risikofaktor bezüglich einer optimalen Organfunktion. Daten zur Bedeutung der Ernährungstherapie des Organspenders liegen nicht vor. Tierexperimentelle Daten legen nahe, dass eine bilan-zierte Ernährung des hirntoten Organspenders unter Einsatz von moderaten Quanten an Glukose, Fett (LCT und möglicherweise Fischöl) und Aminosäuren mit einer besse-ren Funktion des transplantierten Organs einhergeht. Die Bedeutung der Spender- oder Organkonditionierung unter der Zielsetzung, den Ischämie-/Reperfusionsschaden durch die Gabe hoher Dosen Arginin oder Glutamin zu minimieren, ist unklar.

4 Fazit für die Praxis

• Mangelernährung ist häufig und ein eigenständiger negativer prognostischer Faktor bei Lebererkrankungen.

• Ernährungstherapie verbessert Leberfunktion, Morbidität und Sterblichkeit bei chronischen Lebererkrankungen.

• Therapieziel ist die Sicherstellung einer adäquaten Zufuhr von Energie, Eiweiß und Mikronährstoffen.

• Patienten mit Leberzirrhose benötigen eine höhere Eiweißzufuhr als sie zur Erhaltung des Eiweißstatus für normal ernährte Gesunde empfohlen wird.

• Auch kürzere Perioden von Nahrungskarenz sind für Zirrhosepatienten schädlich.

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5 Relevante Leitlinien

Plauth M, Schütz T, Pirlich M, Canbay A und das DGEM Steering Committee. S3-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Ernährungsmedizin (DGEM) in Zusammenarbeit mit der GESKES, der AKE und der DGVS. Klinische Ernährung in der Gastroenterologie (Teil 1) – Leber. Aktuel Ernährungsmed. 2014;39(1):e1–e42.

Roeb E, Steffen HM, Bantel H, Baumann U, Canbay A, Demir M, et al. S2k-Leitlinie nicht-alkoholische Fettlebererkrankungen. AWMF Register Nr. 021-025, Version Januar 2015. Z Gastroenterol. 2015;53(7):668–723.

EASL-EASD-EASO Clinical Practice Guidelines for the management of non-alcoholic fatty liver disease. J Hepatol. 2016;64(6):1388–402. http://dx.doi.org/10.1016/j.jhep.2015.11.004

InteressenkonflikteMP hat Vortragshonorare erhalten von B. Braun, Baxter, Falk Foundation e.V., Kabi Fresenius Deutschland, Nestlé, Shire.

Zu empfehlende Literatur

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2 Plauth M, Schütz T, Pirlich M, Canbay A und das DGEM Steering Committee. S3-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Ernährungsmedizin (DGEM) in Zusammenarbeit mit der GESKES, der AKE und der DGVS. Klinische Ernährung in der Gastroenterologie (Teil 1) – Leber. Aktuel Ernährungsmed. 2014;39(1):e1–e42.

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10 EASL-EASD-EASO Clinical Practice Guidelines for the management of non-alcoholic fatty liver disease. J Hepatol. 2016;64(6):1388–402. http://dx.doi.org/10.1016/j.jhep.2015.11.004

11 Roeb E, Steffen HM, Bantel H, Baumann U, Canbay A, Demir M, et al. S2k-Leitlinie nicht-alkoholische Fettlebererkrankungen. AWMF Register Nr. 021-025, Version Januar 2015. Z Gastroenterol. 2015;53(7):668–723.

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29 Plank LD, McCall JL, Gane EJ, Rafique M, Gillanders LK, McIlroy K, et al. Pre- and postoperative immunonutrition in patients undergoing liver transplantation: A pilot study of safety and efficacy. Clin Nutr. 2005;24(2):288–96.

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31 Chin SE, Shepherd RW, Thomas BJ, Cleghorn GJ, Patrick MK, Wilcox JA, et al. Nutritional support in children with end-stage liver disease: A randomized crossover trial of a branched-chain amino acid supplement. Am J Clin Nutr. 1992;56(1):158–63.

Literatur

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Bitte beachten Sie:Bei der Beantwortung der Fragen ist immer nur 1 Antwort möglich.

Die Beantwortung der Fragen und Erlangung des Fortbildungszertifikats ist nur online möglich. Bitte gehen Sie dazu auf unsere Homepage www.falkfoundation.de. Unter dem Menüpunkt Falk Gastro-Kolleg können Sie sich anmelden und die Fragen beantworten. Bitte diesen Fragebogen nicht per Post oder Fax schicken!

Wichtig:Fragenbeantwortung unter

www.falkfoundation.de

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Falk Gastro-Kolleg 2/2017 | 16

Fragen zur Ernährung bei Lebererkrankungen

Frage 1:Wie hoch ist der tägliche Energiebedarf eines 75 kg schweren Mannes (Körpergröße 175 cm) mit einer alkoholischen Leberzirrhose im Stadium Child-Pugh A und gutem Muskelstatus?

EE 1500 kcalEE 1,3 x GrundumsatzEE 1750 kcalEE 1,8 x GrundumsatzEE 3000 kcal

Frage 2:Wie hoch ist der tägliche Eiweißbedarf dieses Mannes (75 kg, 175 cm)?

EE 40 gEE 50 gEE 70 gEE 90 gEE 110 g

Frage 3:Dieser Patient erleidet eine Ösophagusvarizenblutung, die am Nachmittag um 16:00 Uhr endoskopisch erfolgreich gestillt wird. Der Endoskopiker verordnet orale Nahrungskarenz bis zu einer Kontrollendoskopie am Folgetag. Welche Ernährungsstrategie würden Sie in erster Linie einsetzen?

EE Sofortige total parenterale Ernährung mit einem Dreikammerbeutel mit OlivenölEE Keine Ernährung bis zur KontrollendoskopieEE Sofortige total parenterale Ernährung ohne FettEE Sofortige GlukoseinfusionEE Sofortige periphervenöse hypokalorische Ernährung

Frage 4:Im Laufe der Nacht kommt es zu einer Rezidivblutung und der Patient entwickelt eine hepatische Enzephalopathie (HE) III°, ist sehr unruhig und hat ungeschützte Atemwege. Wie verfahren Sie bezüglich der Ernährungstherapie?

EE Keine Änderung des bisherigen RegimesEE Umstellung auf Sondenernährung mit einer StandardnährlösungEE Umstellung auf Sondenernährung mit einer VKAS-angereicherten NährlösungEE Umstellung auf periphervenöse hypokalorische Ernährung mittels

DreikammerbeutelEE Umstellung auf eine total parenterale Ernährung unter Verwendung einer VKAS-

angereicherten Aminosäurenlösung

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Leber und Gallenwege

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Leber und Gallenwege

Frage 5:Ein zur Transplantation gelisteter Patient mit dekompensierter Leberzirrhose, Aszites und hochgradiger Muskelatrophie kommt mit einer HE I° in die Notaufnahme. Aufgrund der diagnostischen Parazentese stellen Sie die Diagnose einer spontan bakteriellen Peritonitis und verordnen ein Antibiotikum. Welche Anordnung treffen Sie bezüglich der Ernährung?

EE Leichte VollkostEE Orale Karenz bis zur Visite am nächsten TagEE Salzarme KostEE Leichte Vollkost und ein eiweißreiches Trinksupplement

(20 g Eiweiß, 300 kcal, 200 ml)EE Umgehende periphervenöse, hypokalorische, parenterale Ernährung

Frage 6:Der Patient erholt sich rasch und ist am nächsten Morgen völlig klar, ohne Zeichen einer HE. Welches Ernährungsregime setzen Sie nun an?

EE Orale Nahrung ad libitumEE Leichte Vollkost und ein eiweißreiches Trinksupplement

(20 g Eiweiß, 300 kcal, 200 ml)EE Platzierung einer nasogastralen Sonde, Standardsondennahrung

mit 1500 kcal/24 h und orale Ernährung ad libitumEE Platzierung einer nasogastralen Sonde, Standardsondennahrung

mit 2500 kcal/24 h und orale KarenzEE Leichte Vollkost

Frage 7:Eine Patientin mit einer schweren Alkoholhepatitis (MELD-Score 30), einem BMI von 27 kg/m2 und Adynamie, aber ohne Enzephalopathie, fragt Sie nach Behandlungsoptionen. Welche ist ohne nach-gewiesene Wirksamkeit?

EE PrednisolonEE OxandrolonEE Enterale SondenernährungEE ThiaminEE Pentoxifyllin

Frage 8:Die körperliche Untersuchung zeigt, dass die Patientin eine ausgeprägte Muskelatrophie und Gangstörungen aufweist und dass Aszites vorliegt. Sie diagnostizieren eine schwere Mangel-ernährung und planen die Ernährungstherapie. Mit welchem Mangelzustand müssen Sie am wenigsten rechnen?

EE PhosphatmangelEE NatriummangelEE ThiaminmangelEE ZinkmangelEE Folsäuremangel

Page 18: Ernährung bei Lebererkrankungen - drfalkpharma.de · weniger präzisen Methoden wie Anthropometrie oder renaler 24-h-Kreatininausschei- dung zu bevorzugen [9]. 2.2 Einfluss des Ernährungsstatus

Falk Gastro-Kolleg 2/2017 | 18

Frage 9:Eine 56-jährige Patientin mit primär biliärer Cholangitis ist zur Transplantation gelistet und hat im letzten Jahr 5 kg Gewicht verloren. Aktuell weist sie einen BMI von 19 kg/m2 auf. Welche der folgenden Empfehlungen zur optimalen Vorbereitung auf die Transplantation sind richtig?

1. Individuelle Ernährungsberatung2. Eiweißreiches Trinksupplement (20 g Eiweiß, 300 kcal, 200 ml) zur Nacht3. Sport nach physiotherapeutischer Anleitung4. Fettarme Ernährung wegen der Steatorrhö bei cholestatischen Lebererkrankungen5. Täglich 3 Kapseln mit Omega-3-Fettsäuren

EE 1, 2 und 3 sind richtigEE 2 und 3 sind richtigEE 2 ist richtigEE 1, 2, 3 und 5 sind richtigEE 1, 3 und 4 sind richtig

Frage 10:Welche Aussage trifft zu? Patienten mit akutem Leberversagen

EE müssen immer parenteral ernährt werdenEE dürfen keine Aminosäureninfusion erhaltenEE sollten stets eine krankheitsspezifische enterale Nährlösung (Hepa-Lösung)

erhaltenEE sollten in erster Linie eine enterale Sondenernährung erhaltenEE dürfen keine Fettinfusion erhalten, da nur die Leber Fett verwerten kann

Falk Gastro-Kolleg

Leber und Gallenwege