ernst schultze

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Ernst Schultze ?. Am 3. September dieses Jahres hat uns Ernst Schultze verlassen. Ein leichter Tod nahm ihn fiber Nacht hinweg und ersparte ihm ein schmerzliches Alter, das sich im letzten Jahre zunehmend bei ibm zu melden begann. Mit ibm ist ein allseits hochgesch~tzter und viel verehrter Kollege yon uns gegangen. Z.f.d.g. Neur. u. Paych. 16~. 1

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Ernst Schultze ?.

Am 3. September dieses Jahres hat uns Ernst Schultze verlassen. Ein leichter Tod nahm ihn fiber Nacht hinweg und ersparte ihm ein schmerzliches Alter, das sich im letzten Jahre zunehmend bei ibm zu melden begann. Mit ibm ist ein allseits hochgesch~tzter und viel verehrter Kollege yon uns gegangen.

Z . f . d . g . Neur . u . P a y c h . 16~. 1

2 Ernst Schultze t.

Ernst Schultze wurde am 22. 3. 65 in MSrs im Rheinland geboren. Als Vorletzter einer langen Geschwisterreihe sollte er den Wunsch seines friih verstorbenen Vaters erfiillen, da[3 eines seiner Kinder ein Studium ergreifen mSchte. Er widmete sich in Berlin und Bonn dem Studium der Medizin und promovierte im Jahre 1890 mit einer ern~hrungsphysio- logischen Arbeit aus dem Pfliigerschen Inst i tu t in Bonn, um sich dann schnell und ganz der Psychiatrie zuzuwenden. Von seiner Mutteranstalt in Bonn ausgehend war er als Assistent und Oberarzt in Diisseldorf- Grafenberg und in Andernach t~tig, um sp~ter wieder nach Bonn zuriick- zukehren. Dort erwarb er im Jahre 1895 die venia legendi. Es ist wohl kein Zufall, dab sich die Interessen Schultzes sehr bald an das Gebiet der gerichtlichen Psychiatric hefteten. Neben seiner griind- lichen Anstaltsausbildung kam dem eine ganz ausgesprochen juristische Ader entgegen, die ihn zuweilen fast mehr als Jurist wie als Mediziner erscheinen lieB. I m Oktober 1904 bericf man ihn als Extraordinarius nach Greifswald, wo seine erste Aufgabe darin bestand, die noch un- vollendete psychiatrische und Nervenklinik fertigzustellen und in Betrieb zu bringen. Mit viel Liebe und Anhiinglichkeit hat er oft yon jener ersten Greifswalder Zeit gesprochen. Im Jahre 1906 wurde er zum Ordinarius ernannt. Als dann im Jahre 1912 Cramer in G6ttingen starb, und das weite Arbeitsfeld dieses selten schaffenskr~ftigen Mannes frei wurde, griff man auf Ernst Schultze und seine vorziiglichen Anstalts- erfahrungen zuriick, um ihm die Nachfolge in der dortigen Provinzial- Heilanstalt, die als psychiatrische Klinik diente, und in der yon Cramer gegriindeten und in der Stadt gelegenen offenen Nervenklinik zu iiber- tragen, t3ber 20 Jahre lang hat Ernst Schultze diese beiden Inst i tute als Direktor geleitet. Die schnell aufbliihcnde Nervenklinik muBte als- bald von ihm erweitert werden. Die gewaltige Arbeitslast, die der ver- mehrte Zustrom an Krankengut und die unruhigen Kriegsjahre mit sich brachten, liel~ es ihn a]s eine Erleichterung empfinden, als man ihm das yon Cramer gegriindete erheblich entfernt liegende Sanatorium Rasemiihle und die Erziehungsanstalt G6ttingen abnahm und geson- derten Leitern unterstellte. Um so lebhafter konnte er sich dem Ausbau und der Pflege der Heflanstalt widmen. I m Jahre 1926 wurde dann auf sein Betreiben hin und mit Hilfe yon Ministerium und Provinzialver- waltung die G6ttinger Encephalitisstation errichtet und damit eine Stelle der Erforschung dieser neuen Krankhei t geschaffen, die ihre aner- kannten Erfolge gezeitigt hat. 1933 t ra t Ernst Schultze infolge Erreichung der Altersgrenze v o n d e r Leitung der Landes-Heil- und Pflegeanstalt zuriick, im Herbst 1934 wurde er auch in der Universit~ts-Nervenklinik seines Amtes entpflichtet.

Mit dem Heimgang Ernst Schultzes hat die deutsche Wissenschaft, insbesondere aber die forensische Psychiatrie einen schweren Verlust erlitten. Es ist wohl nicht zu viel gesagt, wenn man ihm auf diesem

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Gebiet die erste Stelle zuerkennt. SEine ganze Liebe gehSrte diesem oft mehr juristischen als medizinischen Aufgabenkreis. Es wird nicht leicht wieder einen Psychiater geben, der sich mit solch spezieller Begabung und so verblfiffender Sachkenntnis gerade in die juristische Seite dieses GrEnzgebietes vertieft, wie er es getan hat. Mit Fragen der Unfallneurose und der Beurteilung des Rentenkampfes begann er seine einschl/igigen Arbeiten. Es folgten Abhandlungen fiber Psychosen bei Milit/h'ge- fangenen und sehr bald eine Monographie fiber Entmfindigung wegen Geisteskrankheit und Geistesschw/~che. Irrenrechtliche Fragen, ins- besondere die Schaffung eines neuen Irrengesetzes haben ihn dauernd besch/~ftigt. Am bekanntesten aber machten ihn wohl seine Arbeiten zur Strafrechtsreform, der er 1922 eine Monographie widmete. In immer neuen Vortr~gen und Referaten hat er uns alle fiber diEses schwierige Kapitei belehrt und auf dem Laufenden gehalten. Mit unfiberbietbarer Grfindlichkeit und Sachkenntnis entwickelte er seine Gedanken zum neuen deutschen Strafgesetzbuch vom Standpunkt des Psychiaters in gesonderten Abhandlungen. Er hat an Handbiichern und Lehrbfichern mitgearbeitet und als Mitarbeiter und Herausgeber yon Zeitschriften gewirkt. In den letzten Jahren besch~ftigten ihn besonders die Fragen des neuen Eherechts im Zusammenhang mit der Erbpflege. Kein Wunder, dab man den Ra t des erfahrenen Mannes aueh in der Gesellschaft Deut- scher Nervens nicht missen wollte, in deren Vorstand er ]ange Jahre t~ttig war. Noch ffir den diesji~hrigen KongreB in KSln hat te er r grSBeres Referat in Aussicht gestellt, das er nun nicht mEhr halten sollte.

Die liebenswerte PersSnlichkeit Ernst Schultzes ist wohl niemals so rein zur Geltung gekommen, wie in den letzten Jahren, als er, der Ar- beitslast und Amteswfirde enthoben, bei Besuchen in Klinik oder Anstalt sie frei entfalten konnte. Wem es verg6nnt war, zu geselligem Bei- sammensein oder zu wissenschaftlichen Abenden sein gastliches Haus zu betreten, der lernte Ernst Schultze erst so recht kennen in seiner bestrickenden, warmen, von Herzen kommenden Liebenswfirdigkeit, seiner Hilfsbereitschaft ffir jeden, den er ffir wert befunden hatte, und durfte Gewinn ziehen aus seinen weit umfassenden Kenntnissen, durfte sich freuen an dem pr~chtigen rheinischen Humor, alles gewfirzt mit den k6stlichen Gaben seiner rheinischen Heimat, mit denen er so gern seinen Gs FrShlichkeit schenkte und Grillen vertrieb; dies um so bewundernswerter, als ihm selbst ein schweres Augen- und Ohrenleiden seit vielen Jahren die Arbeit und den Umgang mit seinen Mitmenschen erschwerte. Nie hat man ihn darfiber klagen hSren. So wollen auch wir nicht klagen, sondern dankbar sein, dal~ hier ein in Arbeit vollendetes Leben einen schSnen und leichten Abschlul~ land.

Ewald.