finanzwirtschaftliche konsequenzen erweiterter kalkulationsspielrÄume in der lebensversicherung

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Finanzwirtschaftliche Konsequenzen erweiterter Kalkulationsspieir~iume in der Lebensversicherung Alexander K6nig und He&rich R. Schradin (Mannheim) 1. Problemstellung Die deutsche Lebensversicherung ist durch tiefgreifende Ver~inderungengekennzeichnet. Insbesondere fiihrt die Liberalisierung der Rechnungsgrundlagen zu einer erheblichen Ausweitung des unternehmerischen Handlungsspielraumes. Bisher gait fiir den deut- schen Markt, dal3 die Rechnungsgrundlagen im Zinsbereich fiir die Ermittlung der Pr~imien und Reserven identisch sein mul3ten. Die H6he dieses Zinssatzes war durch das Bundesaufsichtsamt fiir das Versicherungswesen mit 3 bzw. 3,5% einheitlich vorgegeben und so vorsichtig gewfihlt, dab ihre Erwirtschaftung durch die am Markt tatsfichlich erzielbare Verzinsung fast sicher dauerhaft gew~ihrleistetwar. Mit der Aufhebung dieser Regulierung der Kalkulationszinssfitze hat die Versicherungsunternehmung nunmehr die M6glichkeit, bei Ermittlung der Bedarfspr~imie einen h6heren Kalkulationszinssatz an- zuwenden und dadurch am Wettbewerbsmarkt eine niedrigere Pr~imie zu fordern. Da andererseits das garantierte Zinsniveau fiir die Entwicklung der versicherungstechni- schen Verpflichtungen innerhalb bestimmter Grenzen ebenfalls neu gestaltet werden kann, ist ein im Rahmen der Pr~imienerhebung potentiell erzielbarer Wettbewerbsvorteil mit bisher in Deutschland unbekannten betrieblichen Konsequenzen fiir die Liquidit~its- und Erfolgslage der Unternehmung verbunden. Dies resultiert aus der neu geschaffenen Vorschrift des w 341 f Abs. 1 HGB, die die Verwendung der prospektiven Berechnungsme- thode bei der Bemessung der Deckungsriickstellung erzwingt. 1) Mithin hat das Versiche- rungsunternehmen unter bestimmten Rechnungszinskonstellationen bereits zu Vertrags- beginn eine Verpflichtung gegeniiber dem Versicherungsnehmer, ohne dab diese durch entsprechende vertragsinduzierte Verm6genswerte ausgeglichen werden kann. 2) Ziel der Untersuchung ist es, die durch einen gemischten Lebensversicherungsvertrag induzierte Zahlungsreihe bei unterschiedlichen Zinskonstellationen in ihrer betriebswirt- schaftlichen Bedeutung fiir die Lebensversicherungsunternehmung zu analysieren. Zu diesem Zweck werden, unter Beriicksichtigung des Auseinanderfallens der Kalkulations- zinss/itze in der Pr/imien- und Reserveermittlung, Annahmen fiber die am Markt tats~ich- lich erzielbare Verzinsung der aus einem Lebensversicherungsvertrag resultierenden Ver- m6genswerte getroffen. Dabei betrachten wir unterschiedliche deterministische und zeit- stabile Zinsumgebungen und diskutieren die Entwicklung der jeweiligen erwarteten Reinverm6genspositionen der Unternehmung, wie sie sich aus der Differenz der durch den Vertrag induzierten Aktiva und Passiva ergibt. Schliel31ich wird im dritten Kapitel die Marktzinsentwicklung stochastisch modelliert, undes werden die Auswirkungen auf die Reinverm6genspositionen des Unternehmens er6rtert. ~) Zur EU-weiten Regelungvgl. Dritte Richtlinie Leben 1993, Artikel 18, Abs. 1, Ai, ii, S. 50f. 2) Vgl. Claus 1994, S. 141. 515

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Finanzwirtschaftliche Konsequenzen erweiterter Kalkulationsspieir~iume in der Lebensversicherung

Alexander K6nig und He&rich R. Schradin (Mannheim)

1. P r o b l e m s t e l l u n g

Die deutsche Lebensversicherung ist durch tiefgreifende Ver~inderungen gekennzeichnet. Insbesondere fiihrt die Liberalisierung der Rechnungsgrundlagen zu einer erheblichen Ausweitung des unternehmerischen Handlungsspielraumes. Bisher gait fiir den deut- schen Markt, dal3 die Rechnungsgrundlagen im Zinsbereich fiir die Ermittlung der Pr~imien und Reserven identisch sein mul3ten. Die H6he dieses Zinssatzes war durch das Bundesaufsichtsamt fiir das Versicherungswesen mit 3 bzw. 3,5% einheitlich vorgegeben und so vorsichtig gewfihlt, dab ihre Erwirtschaftung durch die am Markt tatsfichlich erzielbare Verzinsung fast sicher dauerhaft gew~ihrleistet war. Mit der Aufhebung dieser Regulierung der Kalkulationszinssfitze hat die Versicherungsunternehmung nunmehr die M6glichkeit, bei Ermittlung der Bedarfspr~imie einen h6heren Kalkulationszinssatz an- zuwenden und dadurch am Wettbewerbsmarkt eine niedrigere Pr~imie zu fordern. Da andererseits das garantierte Zinsniveau fiir die Entwicklung der versicherungstechni- schen Verpflichtungen innerhalb bestimmter Grenzen ebenfalls neu gestaltet werden kann, ist ein im Rahmen der Pr~imienerhebung potentiell erzielbarer Wettbewerbsvorteil mit bisher in Deutschland unbekannten betrieblichen Konsequenzen fiir die Liquidit~its- und Erfolgslage der Unternehmung verbunden. Dies resultiert aus der neu geschaffenen Vorschrift des w 341 f Abs. 1 HGB, die die Verwendung der prospektiven Berechnungsme- thode bei der Bemessung der Deckungsriickstellung erzwingt. 1) Mithin hat das Versiche- rungsunternehmen unter bestimmten Rechnungszinskonstellationen bereits zu Vertrags- beginn eine Verpflichtung gegeniiber dem Versicherungsnehmer, ohne dab diese durch entsprechende vertragsinduzierte Verm6genswerte ausgeglichen werden kann. 2) Ziel der Untersuchung ist es, die durch einen gemischten Lebensversicherungsvertrag induzierte Zahlungsreihe bei unterschiedlichen Zinskonstellationen in ihrer betriebswirt- schaftlichen Bedeutung fiir die Lebensversicherungsunternehmung zu analysieren. Zu diesem Zweck werden, unter Beriicksichtigung des Auseinanderfallens der Kalkulations- zinss/itze in der Pr/imien- und Reserveermittlung, Annahmen fiber die am Markt tats~ich- lich erzielbare Verzinsung der aus einem Lebensversicherungsvertrag resultierenden Ver- m6genswerte getroffen. Dabei betrachten wir unterschiedliche deterministische und zeit- stabile Zinsumgebungen und diskutieren die Entwicklung der jeweiligen erwarteten Reinverm6genspositionen der Unternehmung, wie sie sich aus der Differenz der durch den Vertrag induzierten Aktiva und Passiva ergibt. Schliel31ich wird im dritten Kapitel die Marktzinsentwicklung stochastisch modelliert, undes werden die Auswirkungen auf die Reinverm6genspositionen des Unternehmens er6rtert.

~) Zur EU-weiten Regelung vgl. Dritte Richtlinie Leben 1993, Artikel 18, Abs. 1, Ai, ii, S. 50f. 2) Vgl. Claus 1994, S. 141.

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2. D e r E i n f l u B d e r l i b e r a l i s i e r t e n R e c h n u n g s g r u n d l a g e n Z i n s u n d S t e r b l i c h k e i t a u f d i e e r w a r t e t e

E r t r a g s - u n d L i q u i d i t / i t s s i t u a t i o n

2.1 Der Zusammenhang zwischen PNimienzahlung, Deckungsriickstellung und Deckungsstock

Wir betrachten eine gemischte Versicherung auf den Todes- und Erlebensfall, die von einer x-j~ihrigen Person abgeschlossen wird. 3) Dieser Vertrag sei durch eine vom Todes- zeitpunkt unabh~ingige Todes- bzw. Erlebensfalleistung in Hfhe der Versicherungs- summe VS gekennzeichnet. Oberlebt der Versicherungsnehmer den n-periodigen Ge- samtversicherungszeitraum, so erh/ilt er die Erlebensfalleistung VS. Der Versicherer ist ebenfalls zur Zahlung der Versicherungssumme VS verpflichtet, falls der Versicherte innerhalb des Versicherungszeitraumes stirbt. Die Gegenleistung des Versicherten besteht in der Entrichtung einer konstanten Periodenpr/imie ~. Fiir die modellhafte Erfassung unterstellen wir, dab Pr~imienzahlungen vorschiissig, Versicherungsleistungen hingegen nachschiissig erfolgen. 4) Bis zur Umsetzung der Dritten Lebensversicherungsrichtlinie in deutsches Recht hatte die Pr/imien- und Reserveermittlung auf der Grundlage eines einheitlichen Rechnungs- zinssatzes zu erfolgen. So war fiir den Altbestand ein Rechnungszinssatz erster Ordnung in H6he von 3% und seit der Tarifreform von 1987 ein Zinssatz in H6he von 3,5% aufsichtsamtlich vorgeschrieben. 5) Seit dem 29. Juli 1994 ist es den Lebensversicherungs- unternehmen in Deutschland m6glich, Pr/imienermittlung und Deckungsriickstellungs- kalkulation mit differierenden Zinssfitzen durchzufiihren. 6) Die aus diesem Gestaltungs- spielraum resultierenden Liquidit/its- und Ertragswirkungen for das Lebensversiche- rungsunternehmen werden in den nachfolgenden Abschnitten einer differenzierten Ana- lyse unterzogen und schlieBlich um die Betrachtung der am Wettbewerbsmarkt erzielba- ren Verzinsung des Deckungsstockverm6gens erweitert. Es ergibt sich zun~chst offensichtlich, dab die Periodenpriimie bei unver~nderter Lei- stungsstruktur um so geringer sein muB, je gr6Ber der in der Pr/imienkalkulation zur Anwendung kommende Zinssatz gew~ihlt wird. Abbildung 1 zeigt die Wirkung eines steigenden Pr~imienkalkulationszinsatzes ip jeweils bezogen auf 1000 DM Versicherungs- summe einer gemischten Lebensversicherung ffir eine 30j/ihrige mfinnliche Person und eine Laufzeit yon 30 Jahren. T) Hier offenbart sich der preispolitische Gestaltungsspiel-

3) Zur Charakterisierung des Produktes verzichten wir auf die Integration der kalkulatorisch be- dingten l~IberschuBentstehung und -verwendung. Vgl. aUgemein zur gemischten Lebensversicherung und ihren Unterformen Hagelschuer 1987, S. 38ff. sowie Heidemann 1994, S. 57f. 4) Damit folgen wir der Standardannahme bei der diskreten Modellierung der Zahlungsreihe des Lebensversicherungvertrages; vgl. Wolfsdorf 1986, S. 138, 158; Reichel 1987, S. 22f. s) Vgl. Hagelschuer 1987, S. 119. 6) Vgl. Claus 1994, S. 140. 7) Wir verwenden die Allgemeine Sterbetafel 1986/88 f/Jr die Bundesrepublik Deutschland zur vollst/indigen Beschreibung der Sterblichkeit; insbesondere nehmen wir an, dab die Sterblichkeit aus empirischen Daten richtig geseh/itzt und korrekt in die Zukunft fortgeschrieben wurde, d.h. wir blenden das Irrtumsrisiko bei unseren Oberlegungen aus. Vgl. Bomsdorf1993, S. 274-277 und zum Begriff des Irrtumsrisikos vgl. Albrecht 1992, S. 7-15. Diese Vorgehensweise w/ire fiir Rentenversi- cherungsvertrfige unangemessen, da aufgrund der Verbesserung der Sterblichkeit eine heute giiltige Sterbetafel nicht zur Grundlage der Pr/imienberechnung fiir einen weit in die Zukunft reichen- den Rentenversicherungsvertrag gemacht werden kann; vgl. zu L6sungsans/itzen dieses Problems Schmithals/Schi~tz 1995. Den Unterschied in der Periodenpr/imie zwischen der Allgemeinen Sterbe-

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Pramienkalkulationszimsatz ip Periodenpr~nie ~r in DM

3% 21,97

4% 18,75

5% 15,98

7 % 11,57

Abb. 1. Periodenprfimie pro TDM Versicherungssumme bei variierenden Prfimienberechnungs- zinssfitzen

raum der Lebensversicherungsunternehmung, denn eine Erh6hung des Pr~imienkalkula- tionszinssatzes yon beispielsweise 3% auf 7% hat nahezu eine Halbierung der risiko~iqui- valenten Bedarfspr~imie von 21,97 DM auf 11,57 DM zur Konsequenz. 8) Der Gestaltungsspielraum der Lebensversicherungsunternehmen bei der Festsetzung des Kalkulationszinssatzes bei der Prfimienermittlung findet jedoch seine erste Grenze in w 11 Abs. 1 VAG, wonach die Prfimie unter Zugrundelegung angemessener versiche- rungsmathematischer Annahmen so kalkuliert sein muB, dab die korrespondierenden Verpflichtungen, d.h. insbesondere die Wertentwicklung der Deckungsriickstellung, ohne den Einsatz yon Mitteln, die nicht aus Pr/imieneinzahlungen stammen, finanziert werden k6nnen. 9) Die Rechtsgrundlage zur Bilanzierung der Deckungsriickstellung dem Grunde und der H6he nach befindet sich imw 341 f HGB, dessen Absatz 1 die Verwendung der prospekti- ven Methode zur Bemessung der Deckungsriickstellung vorschreibt. ~o) Fiir die ge- mischte Lebensversicherung stellt der neue w 65 Abs. 1 Nr. 1 a) erster Halbsatz VAG eine Schranke fiir den H6chstzinssatz bei der Reservekalkulation, i d , dar. Hiernach daft der fiir die Berechnung der Deckungsriickstellung verwendete Zinssatz 60% der Rendite yon Staatsanleihen nicht iiberschreiten. Das BAV wird voraussichtlich im Sinne einer vorsich- tigen Ann~iherung an die Vorschrift des w 65 VAG den H6chstzinssatz fiir die Berechnung der Deckungsriickstellung in w 2 Abs. 1 Deckungsriickstellungsverordnung (DeckRV)

tafel 1986/88 und der aus dieser unter Beriicksichtigung von Sicherheitszuschl/igen zur Sterblichkeit abgeleiteten DAV-Sterbetafel 1994 T werden wir im Rahmen der Analyse explizieren. Vgl. zur Herleitung der DAV-Sterbetafel 1994 T Loebus 1994. s) Sicherheitszuschl~ige in der Ausscheideordnung wurden nicht berficksichtigt; die mit der redu- zierten Periodenprfimie einhergehenden Ertrags- und Liquiditfitsgefahren •r das Lebensversiche- rungsunternehmen sind Gegenstand der nachfolgenden Analyseabschnitte. 9) Vgl. Claus 1994, S. 114. Die Formulierung des Gesetzgebers erfordert aUerdings eine weite Auslegung, denn ohne Beriicksichtigung der rechnungsm~iBigen Zinsen auf die Deckungsriickstel- lung h~itte auch in der Vergangenheit die Summe der Nominalprfimienzahlungen allein in keinem Falle ausgereicht, die versicherungstechnischen Verpflichtungen zu finanzieren. lo) Nur in Ffillen, in denen die Ermittlung des kiinftigen Wertes der Verpflichtungen und kiinftigen Beitr~ige nicht m6glich ist, muB die retrospektive Methode verwendet werden, wobei die Berechnung aufgrund der aufgezinsten Einnahmen und Ausgaben der vergangenen Gesch~iftsjahre erfolgt. Vgl. die Herleitung des Zusammenhangs zwischen prospektiver und retrospektiver Deckungsriickstel- lung in Reichel 1986, S. 68-71.

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auf 4% festlegen. 11) w 2 Abs. 2 des Entwurfes der DeckRV schreibt dariiber hinaus ausdriicklich fest, dab dieser einmal gew/ihlte Zinssatz fiir die gesamte Laufzeit des Versicherungsvertrages Giiltigkeit besitzt. Diese Normen begrenzen aufgrund von w 11 Abs. 1 VAG mittelbar und demzufolge nur unscharf die zul/issige H6he des bei der Pr/imienkalkulation zul/issigen Zinssatzes. 12) Nachfolgende Abbildung 2 verdeutlicht die Auswirkungen abweichender Kalkulations- s/itze fiir die rechtm/iBig prospektiv ermittelte Wertentwicklung der Deckungsriickstel- lung. Hier zeigt sich, dal3 fiir die in der Vergangenheit giiltige Situation identischer Kalkula- tionss/itze (iv = id) der Wert der kalkulatorischen Deckungsriickstellung zu Vertragsbe- ginn stets gerade den Wert Null annimmt. 13) Damit ist es auf der Grundlage der traditio- nellen Kalkulationsans/itze in der gemischten Lebensversicherung m6glich, im Erwar- tungswert die Entwicklung der Verpflichtungen gegeniiber dem Versicherungsnehmer aus dessen Pr/imienzahlungen zu finanzieren. 14) Jede positive Differenz zwischen Pr/imien- und Reservezinssatz (ip > id) fiihrt allerdings aufgrund der prospektiven Ermittlungsvorschrift dazu, dab die erforderliche kalkulato- rische Anfangsdeckungsriickstellung einen positiven Wert annimmt und damit nicht aus den erwarteten und mit dem Reservezinssatz i d verzinsten Pr/imieneinnahmen des frag- lichen Vertrages finanziert werden kann, sondern anderweitig gedeckt werden mul3. Aber auch w/ihrend der Vertragslaufzeit verharrt das in der Deckungsriickstellung abgebildete Verpflichtungsvolumen im Falle ip > i a auf durchweg h6herem Niveau als in der Situa- tion einheitlicher Kalkulationszinss~itze; lediglich zum Ablaufzeitpunkt des Vertrages, d.h. bei F/illigkeit der Erlebensfalleistung, hat sich das Verpflichtungsvolumen wieder angeglichen. Damit gilt auch f'tir die Folgeperioden, dab die Finanzierung der einzelver- traglichen Verpflichtungen den Einsatz vertragsfremder Mittel erfordert. 15) Ob damit jedoch bereits ein VerstoB gegen die Vorschrift des w 11 Abs. 1 VAG vorliegt, kann nicht abschliel3end beurteilt werden, denn der Alimentationsbedarf der betroffenen Vertr/ige ist zun/ichst rein kalkulatorisch, zeitlich befristet und gleicht sich im Erwartungswert zum Ablaufzeitpunkt des Einzelvertrages aus. Grunds/itzlich halten wir jedoch fest, dab in denjenigen Ffillen, in denen ip > i a gilt, insbesondere in den ersten Perioden nach Ver- tragsabschlul3 ein nicht unerheblicher Finanzierungsbedarf entsteht, der zu einer Bela- stung der Eigenkapitalausstattung der Lebensversicherungsunternehmung fiihren kann. Wie stark diese Eigenkapitalbelastung jedoch ausf'~illt, d. h. welcher Zeitabschnitt aus der Gesamtlaufzeit des Vertrages betroffen ist, um welchen absoluten Betrag es sich dabei handelt und wie dies vor dem Hintergrund der eher geringen Eigenkapitalausstattung deutscher Lebensversicherungsunternehmen einzusch/itzen ist, kann erst unter Beach-

11) Die Verordnung fiber den H6chstzinssatz bei der Berechnung der Deckungsrfickstellung liegt bislang lediglich im Entwurf vor. Da die Verordnung vom Bundesrat gebilligt werden mul3, hat sich das Verordnungsgebungsverfahren verz6gert. 12) Vgl. Claus 1994, S. 141. 13) Unter der Voraussetzungder Identit/it der Zinss~itze ffir diePrfimienberechnung und die Berech- nungder Deckungsriickstellung (ip = id) ffihren die prospektive und retrospektive Methode zur Ermittlung der Deckungsriickstellung zu demselben Ergebnis; vgl. Wolfsdorf 1986, S. 193 f. 14) Die Darstellung abstrahiert insoweit vonder Berficksichtigung der Betriebskosten und der AbschluBprovisionen. Insbesondere letztere ffihren im Falle sog. gezillmerter Tarife realiter dazu, dab der kalkulatorisehe Wert der Deckungsriickstellung in den ersten Versicherungsperioden nega- tiv ist. is) Neben einer Alimentation von durch Eigenkapital finanzierten Mitteln k6nnten beispielsweise auch solche Mittel verwendet werden, die aufgrund einer Anpassung der UberschuBbeteiligung anderer Abrechnungsverbfinde frei werden.

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tung der am Wettbewerbsmarkt erreichbaren Verzinsung iw der vertragsinduzierten Ak- tiva t~) n/iher beurteilt werden. 17) Damit scheint die einzige sinnvolle Konstellation auseinanderfallender KalkuIationszins- s~itze durch einen im Vergleich zum Reservekalkulationszinssatz niedrigeren Pr/imienbe- rechnungszinssatz (ip < id) charakterisiert. In diesem Falle ist das kalkulatorische Ver- pflichtungsvolumen - ohne Beriicksichtigung gezillmerter AbschluBprovisionen - in den ersten Versicherungsperioden negativ 18), wfihrend der Vertragslaufzeit stets geringer als in der Situation einheitlicher Kalkulationszinss/itze, und zum Ablaufzei tpunkt des Ver- trages wird gerade die garantierte Erlebensfalleistung erreicht. Die Problematik dieser Konstellation liegt u. E. nicht in ihrer aufsichtsrechtlichen Zul/issigkeit, sondern vielmehr in ihrer betriebswirtschaftlichen Durchsetzbarkeit auf den Wettbewerbsm/irkten der Le- bensversicherung. Ein relativ geringer Rechnungszinssatz in der Pr/imienkalkulation erh6ht zun/ichst die Periodenpr~imie des Versicherungsnehmers und fiihrt dariiber hinaus bei Einbeziehung der Wertentwicklung der vertragsinduzierten Aktiva ceteris paribus zu einer Erh6hung der rechnungsm~il3igen Uberschiisse der Unternehmung. Zur Modellierung der Entwicklung der Verpflichtungsstruktur ben6tigen wir eine rekur- sive Beziehung fiir die Deckungsriickstellung. Die Verpflichtung des Versicherungsunter- nehmens gegeniiber der versicherten Person am Ende der Periode ergibt sich als mit dem im Versicherungsvertrag vereinbarten Zinssatz i d verzinster und vererbter Anfangsbe- stand abziiglich der erwarteten und vererbten Todesfalleistung. 19.20)

1 mVx (ip, id) -- - - [m- ,V~ (ip, id) + rC (ip)] (1 + id) q= + = - 1 VS (1)

Px+m- 1 Px§ i

16) W/ihrend sich das Volumen des Deckungsstockes aus der Bedeckungsvorschrift fiir die Dek- kungsriivkslellung ableitet, beinhattet der Terminus ,,vertragsinduzierte Aktiva" dariiber hinaus auch die Ver/inderung der Reinverm6gensposition des Lebensversicherers. Der Deckungsstock ist ein Verm6gensblock, der der Absicherung der Versicherungsnehmer dient und ein internes Sonder- verm6gen darstellt, das die Gesamtheit derjenigen Verm6genswerte umfagt, die zur Bedeckung der Deckungsriickstellung erworben wurden; vgl. Schmidt/Frey 1989, w 66 VAG, Tz. 2. Daher bestimmt sich die H6he des Deckungsstock-Solls in erster Linie nach dem in der Deckungsriickstellung abgebildeten Verpflichtungsvolumen aus den Vertr/igen; vgl. Schmidt/Frey 1989, w 54a VAG, Tz. 16. Ein Vermfgensgegenstand geh6rt erst zum Deckungsstock, wenn die Eintragung in ein alle Verm6- genswerte des Deckungsstocks umfassendes Verzeichnis erfolgt ist (Deckungsstockverzeichnis). Fiir die Zugeh6rigkeit zum Deckungsstock ist die Eintragung konstitutiv; vgl. Schmidt/Frey 1989, w 66 VAG, Tz. 5. Die Verzeichnisfiihrung dient dem Zweck, das Verm6gen des Deckungsstocks vom iibrigen Verm6gen exakt zu trennen. 17) Die Problematik einer zu Vertragsbeginn positiven Deckungsr/.ickstellung bei gleichzeitig unzu- reichender Verm6gensbildung k6nnte vermieden werden, wenn die Bemessung der DeckungsriJck- stellung auf der Grundlage der retrospektiven Methode gem~iB w 341 f Abs. 1 Satz 2 HGB zul/issig w~ire. Die Anwendung dieser Vorschrift setzt voraus, dab die Ermittlung des Wertes der k/Jnftigen Verpflichtungen nicht m6glich ist. Dies trifft unseres Erachtens allerdings nur auf diejenigen F~ille zu, bei denen sich die Garantieerkl~rung des Versicherungsuntemehmens nicht auf den Gesamt- versicherungszeitraum bezieht, sondern im Zeitablauf an die ex ante unsicheren Marktkonditionen angepal3t wird. 18) Der Verm6gensbildungsvorgang beginnt demzufolge mit der Verbindlichkeit des Versicherungs- unternehmers gegen seinen Versicherer, wobei letzterer eine Aktivposition (noch nicht f'~illige Forde- rung gegen Versicherungsnehmer) auszuweisen h/itte. 19) Vgl. Gerber 1986, S. 59. Der Terminus der Vererbung, formal als l/p~+~_ 1 gekennzeichnet, ergibt sich aus der retrospektiven und auf das Versichertenkollektiv bezogenen Interpretation der Entwicklung des einzelvertraglichen Deckungskapitals. 20) Dem zul/issigen Auseinanderfallen yon Fr~imienkalkulationszinssatz ip und Reserveermittlungs- zinssatz i d wird durch die Notation mV~ (ip, id) Rechnung getragen.

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Ffir die fiber die reine Kalkulationsperspektive hinausreichende, 6konomisch relevante Beurteilung der tatsdchlichen Ertrags- und Liquidit/itslage der Lebensversicherungsun- ternehmung ist, wie bereits mehrfach angedeutet, auf die Entwicklung der vertragsindu- zierten Aktiva unter Berficksichtigung der am Markt erzielbaren Verzinsung, iv,, zu rekurrieren. Zur Beschreibung der Wertentwicklung der vertragsinduzierten Aktiva eines x-j/ihrigen Versicherungsnehmers nach m Perioden Vertragslaufzeit mDx (ip, i,,) verwen- den wir die nachfolgende Rekursionsbeziehung. 21)

1 qx+m-1 . mDx (ip, iw) - - - [m- IDx (ip, iw) + n (ip)] (1 + iw) - - VS (2)

Px+m-I Px+m-1

Die Reinverm6gensposition mRx (!j,, i d, i,,), die die Ver/inderung der Eigenkapitalposi- tion des Lebensversicherers vor UberschuBbeteiligung der Versicherten widerspiegelt, ergibt sich nach dieser l~lberlegung aus der Differenz zwischen den vertragsinduzierten Aktiva mD~ (ip, iw) und der Deckungsrfickstellung mV~ (ip, id), berechnet jeweils nach m Perioden Vertragslaufzeit. 22)

mRx (ip, i d , iv,) = roD, (ip, iv,) - mVx (ip, id) (3)

2.2 Analyse der Ertrags- und Liquiditdtslage des Lebensversicherungsunternehmens bei auseinanderfallenden Kalkulations- und Marktzinsen

2.2.1 Konstellation ohne Sicherheitszuschlag im Rechnungszins

Die nachfolgenden Uberlegungen fokussieren betriebswirtschaftliche Konsequenzen, die ffir eine Lebensversicherungsunternehmung dadurch entstehen k6nnen, dab die verwen- deten Kalkulationszinss/itze und die auf den Finanzm/irkten erzielbaren Marktzinsen voneinander abweichen. 23) Die Analyse geht dabei zun~ichst davon aus, dab die zu Kalkulationszwecken verwendete Sterbetafel die tats/ichliche natiirliche Sterblichkeit der versicherten Person realistisch abbildet. 24) Fiir unterschiedliche Zinskonstellationen wird so die Entwicklung der Reinverm6gensposition der Unternehmung im Zeitablauf analysiert. Dabei bezeichnen Perioden mit negativem Reinverm6gen eine erwartete Fi- nanzierungslficke der versicherungstechnischen Verpflichtungen, d. h. die aus den verein- nahmten und zu Marktzinsniveau investierten Pr/imien erwirtschafteten Aktiva reichen nicht zur Bedeckung der korrespondierenden Passiva aus. Ein positiver Wert des Rein- verm6gens kennzeichnet eine Situation des Versicherers, bei dem die erwirtschafteten Aktiva den kalkulatorischen Wert der versicherungstechnischen Verpflichtungen fiber- kompensieren, in der m. a.W. versicherungstechnische ~berschiisse entstehen. SchlieB-

21) Die Abh~ingigkeit der vertragsinduzierten Aktiva vom Pr/imienkatkulationszinssatz ip und von der Marktverzinsung der Aktivwerte i w wird duch die Notation mDx (ip, i,,) besonders hervorgeho- ben. 22) Sobald die Reinvermfgensposition negativ wird, iiberschreitet die Deckungsriickstellung die Best/inde des Deckungsstockes. Diese Situation wird realiter durch die Aufforderung des BAV an den entsprechenden Versicherer, dem Deckungsstock Verm6genswerte in einem Umfang zuzufiih- ren, so dab mindestens die H6he der Deckungsriickstellung erreicht wird, vermieden. Wenn also in der Analyse eine negative Reinverm6gensposition auftritt, so bedeutet dies fiir den Versicherer eine Finanzierungsnotwendigkeit der Versicherungsverpflichtungen aus alternativen Quellen. 23) Die nachfolgenden Zahlenwerte und Abbildungen beziehen sich einheitlich auf eine gemischte Lebensversicherung fiir eine m/innliche versicherte Person mit Eintrittsalter 30 Jahren und einer Vertragslaufzeit von ebenfalls 30 Jahren. 24) Den Berechnungen wurde insoweit die Allgemeine Sterbetafel 1986/88 zugrunde gelegt.

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lich werden die Betrachtungen um die Darstellung der Reinverm6gensentwicklung unter der realitfitsn/iheren Annahme implizierter Sicherheitszuschl/ige in der kalkulatorischen Sterbetafel erg/inzt. 25) In der Ausgangssituation sei angenommen, dab die betrachteten Zinss/itze fiir die Pr/i- mien- und Reservekalkulation sowie fiir die Verzinsung der vertragsinduzierten Aktiva identisch seien (id = ip = iw). Die Entwicklung des Reinverm6gens mit und ohne Sicher- heitszuschlag in der verwendeten Sterbetafel visualisiert Abbildung 3. Wie bereits unsere Voriiberlegungen in Abschnitt 3.1 zeigten, nimmt wegen i d = ip die kalkulatorische DeckungsriJckstellung zu Vertragsbeginn gerade den Wert Null an. Die kalkulatorischen Verpflichtungen werden zu jedem Zeitpunkt w/ihrend der Vertragslauf- zeit durch die kalkulierten Pr/imieneinnahmen vollst/indig abgedeckt. Aufgrund von ip = i w wird die in der Prfimienkalkulation angenommene Verzinsung am Markt tats/ich- lich gerade erreicht. Der Zinssatz der Pr/imienkalkulation enth/ilt keinen implizierten Sicherheitsabschlag. Aus der Identit/it von i d und i,, folgt, dab die Wertentwicklung der vertragsinduzierten Aktiva stets derjenigen der versicherungstechnischen Verpflichtun- gen entspricht. Die Pr/imienertr/ige und die induzierten Marktzinsertr/ige sind betragsge- m/iB mit den periodischen Aufwendungen fiir die Erh6hung der Deckungsriickstellung identisch. Es entsteht kein systematischer Oberschufl, und die erwartete Reinverm6gens- position ist zu jedem Zeitpunkt w/ihrend der Vertragslaufzeit ausgeglichen. Enthfilt die in der Kalkulation eingesetzte Sterbetafel jedoch einen implizierten Sicher- heitszuschlag, entstehen fiir die Lebensversicherungsunternehmung systematische Uber- schiisse. In unserem Beispiel wird, bezogen auf den Ablaufzeitpunkt des Vertrages, ein Sterblichkeitsgewinn in H6he von 15,61 DM pro TDM Versicherungssumme erwartet. Die OberschuBentstehung ist auf folgende Effekte zuriickzufiihren:

�9 Der Erwartungswert der tats/ichlichen Pr/imienzahlungen ist h6her als ihr kalkulato- rischer (~berschuBerh6hende Wirkung),

�9 der Erwartungswert der Todesfalleistung des Versicherers ist geringer als der kalkula- torische (iiberschuBerh6hende Wirkung) und

�9 die erwartete Erlebensfalleistung des Versicherers ist h6her als die kalkulatorische (gegenlfiufiger Effekt mit iiberschuBreduzierender Wirkung). 26)

2.2.2 Traditionelle Konstellation einheitlicher Rechnungszinsen mit impliziertem Sicherheitszuschlag

Wenn wir uns die Ausfiihrungen des zweiten Kapitels in Erinnerung rufen, mag es zunfichst erstaunen, dab mit dem Prinzip der individuellen Versicherungstechnischen ,~quivalenz von erwarteter Pr/imienzahlung und erwarteter Versicherungsfalleistung in der Lebensversicherung ein Kalkulationskriterium Anwendung findet, welches auf einen Sicherheitszuschlag verzichtet. Ein kalkulatorischer Sicherheitszuschlag in der Prfimien- ermittlung wird jedoch nicht explizit, sondern durch eine sehr vorsichtige Wahl der Rechnungsgrundlagen Zins und Sterblichkeit implizit beriicksichtigt. 27) In Deutschland

25) Der Kalkulation liegt die DAV-Sterbetafel 1994 T zugrunde; siehe Loebus 1994. 26) Dieser Effekt wird jedoch durch die tats/ichlich h6heren erwarteten Pr/imieneinnahmen kom- pensiert. Als Nettowirkung verbleiben daher die iiberschul3bildenden Folgen einer - gemessen an ihrem Erwartungswert - h6heren Todesfallpr/imie und einer geringen Todesfalleistung. Vgl. zu Kriterien der Charakterisierung einer Versicherung als Todes- bzw. Erlebensfallpolice Reiche11987, S. 89ff. 27) Vgl. Albrecht/Lippe 1988, S. 530. Fiir die Isolierung der Wirkungen des impliziten Sicherheits- zuschlages in der Sterblichkeit siehe die Ausfiihrungen im vorangegangenen Unterabschnitt.

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waren vor dem 29. Juli 1994 nur solche Tarife genehmigungsfiihig, die einen Rechnungs- zinssatz von maximal 3,5% vorsahen und deren Sterblichkeitsannahmen im Falle von Todesfallversicherungen so modifiziert wurden, dab die Sterblichkeit h6her veranschlagt wurde, als die empirischen Sch/itzungen dies verlangten. Damit stellte man einerseits den Ausgleich von Sch~itzfehlern und Zufallseinfliissen im Bereich der Sterblichkeit sicher. Andererseits war die Verzinsungshypothese so niedrig, dab sie von den Gesellschaften im Rahmen ihrer Vermfgensanlage auch in Zeiten niedriger Marktverzinsung stets iiber- troffen werden konnte. Durch die implizite Integration der Sicherheitszuschl/ige in die Pr/imie approximierte man die Preisfindung vonder sicheren Seite her. Eine die Verh/ilt- nisse in der gemischten Lebensversicherung in Deutschland fiir die letzten Jahre charak- terisierende Zinskonstellation zeigt Abbildung 4. Wiederum wissen wir aufgrund der Identit/it von i a und ip, dab die kalkulatorischen Verpflichtungen durch die kalkulierten Pr/imieneinnahmen zu jedem Zeitpunkt vollst~in- dig abgedeckt werden. Allerdings wird die in der Pr/imienkalkulation angenommene Verzinsung am Markt tats/ichlich sehr weit iiberschritten (ip < iw). Die Zinsannahme der Prfimienkalkulation enth/ilt mithin einen umfangreichen impliziten Sicherheitsabschlag. In Verbindung mit der, gemessen an der Entwicklung der versicherungstechnischen Verpflichtungen, auskfmmlichen Pr/imieneinnahme und aufgrund der im Vergleich zur Entwicklung der kalkulatorischen Deckungsriickstellung h6heren Verzinsung der ver- tragsinduzierten Aktiva id < iv,, ist, beginnend mit der ersten Versicherungsperiode, die Reinverm6gensposition stets positiv. Die Ertr/ige aus Pr/imien und induzierten Markt- zinseinnahmen sind grfBer als die Aufwendungen fiir die Erhfhung der Deckungsriick- stellun.~. Zinsbedingt und im Erwartungswert entsteht somit sukzessive ein systemati- scher UberschuB, im Beispiel auf den Ablaufzeitpunkt des Vertrages bezogen in Hfhe von 1 002,87 DM pro TDM Versicherungssumme (Zinsiiberschufl). Durch Verwendung der DAV-Sterbetafel 1994 T erh6ht sich der UberschuB im Erwartungswert um 29,77 DM auf 1 032,64 DM. Die Sterblichkeitsgewinne sind hier offensichtlich von unter- geordneter Bedeutung. Das Schutzversprechen der traditionellen Erscheinungsform der gemischten Lebensversi- cherung in Deutschland bezieht sich allein auf die mit 3,5% kalkulierte Todes- und Erlebensfalleistung in der H6he der vereinbarten Versicherungssumme. Die dariiber hinaus entstehenden systematischen 13berschiisse sind nach den Vorgaben des BAV zu mindestens 90% den Versicherungsnehmern zuzuweisen. 2s) Da die Bemessung des zu verteilenden Oberschusses realiter nach Abzug der Kosten der Lebensversicherungsun- ternehmung erfolgt, entsteht insoweit kein unmittelbares Ertrags- oder Liquidit~itsrisiko. Traditionelle Aufgabe des Versicherungsmanagements ist deshalb die sichere und ertrag- reiche Investition der durch Versicherungsvertr/ige vereinnahmten finanziellen Mittel. Dieses Ergebnis ist jedoch bei einer umfassenderen Analyse der Wirkungsmechanismen zu relativieren. Eine unter Wettbewerbsgesichtspunkten geringe f2berschuBbeteiligung der Versicherungsnehmer kann erhebliche Nachteile fiir die Entwicklung des Neuge- sch/ifts und damit das Erfolgspotential der Unternehmung zur Folge haben. Die korre-

2a) Vgl. Kurzendfrfer 1993, S. 183; vgl. zur OberschuBbeteiligung und den zur Anwendung gelan- genden OberschuBbeteiligungssystemen Hagelschuer 1987, S. 178-198; Schierenbeck/Hiilscher 1992, S. 509-523; Hflscher 1994, S. 79-148. Kfinftig werden nicht mehr 90% des Rohfiberschusses den Versicherungsnehmern gutzubringen sein, sondern voraussichtlich, unter Anrechnung der rech- nungsm/iBigen Zinsen und der Direktgutschrift, 90% der Nettokapitalertr/ige, wobei fiber die Details der Verordnung noch keine Einigkeit erzielt werden konnte. Die Angemessenheit der f0ber- schuBbeteiligung wird mit Hilfe der neuen Z-Quote gem~iB w 81 c Abs. 1 VAG kontrolliert werden; vgl. Claus 1994, S. 661.

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spondierenden geringen Pr/imieneinnahmen k/Snnen desweiteren dazu fiihren, dab der periodisch erwartete Auszahlungsbedarf der Lebensversicherungsunternehmung nicht mehr durch die laufenden erwarteten Einzahlungen gedeckt sind, womit auf der Grund- lage einer differenzierten Liquidit/itsplanung eine bewuBte und schrittweise Aufl6sung des gebundenen Verm6gens erforderlich wird. Im folgenden soll aufgrund der erh6hten Komplexit~it der Berechungen die t2berschuB- beteiligung auBer acht gelassen werden. Bei der Interpretation der Ergebnisse muB aber beriicksichtigt werden, dab wir die Reinverm6gensposition vor Dotierung der Ober- schuBbeteiligung modellieren, m.a.W, der tatsiichliche finanzielle Spielraum des Lebens- versicherers wesentlich enger ist.

2.2.3 Konstellation bei Anhebung des Priimienkalkulationszinssatzes

Vor dem Hintergrund des erweiterten Gestaltungsspielraumes der deutschen Lebensver- sicherungsunternehmen und mit Blick auf das in der traditionellen gemischten Lebens- versicherung beobachtbare wettbewerbsrelevante Spannungsfeld zwischen auBerordent- lich hohen planm~iBigen Uberschiissen einerseits und erheblichem Preissenkungspoten- tial andererseits, werden Kalkulationsmodelle diskutiert, die eine Anhebung des Zinssat- zes fiir die Pr~imienermittlung gegeniiber dem Zinssatz fiJr die Reverveermittlung zum Gegenstand haben. 19) Wie zuvor er6rtert, ist unter der Bedingung i d < ip der Wert der kalkulatorischen Dek- kungsriickstellung von Vertragsbeginn an positiv, ohne dab vertragsinduziert entspre- chende Finanzierungsmittel bereitstehen, d.h. der zum Reservezinssatz kalkulierte er- wartete Barwert der Versicherungsleistungen wird durch den ebenfalls zum Reservezins- satz kalkulierten erwarteten Pr~imienbarwert nicht vollstiindig abgedeckt. Damit wird eine Alimentierung der nicht ausk6mmlichen Pr~imieneinzahlungen durch eine am Markt zu erzielende h6here Verzinsung impliziert. M.a.W. ein Teil der planm/iBig erwarteten Zinsiibersch(isse wird ex ante in der Pr~imienermittlung beriicksichtigt. Dies ffihrt zu einer aus Wettbewerbsaspekten giinstigeren, weil geringeren Pr~imienforderung. Selbst- verst~indlich f~illt andererseits das OberschuBpotential solcher Vertriige ceteris paribus geringer aus, denn die in der Pr/imienkalkulation angenommene Verzinsung wird zwar am Markt tats~ichlich deutlich iiberschritten (ip < iv,), aber der in der Pr~imienkalkulation enthaltene implizite Sicherheitszuschlag ist geringer als unter den traditionellen Bedin- gungen des Abschnittes 2.2.2. Von entscheidender Bedeutung fiir das Lebensversicherungsunternehmen diirfte jedoch die Reinverm6gensanalyse sein, wie sie in Abbildung 5 dargestellt ist. Selbst unter den eher vorsichtig gew~ihlten Annahmen, wonach der in der Pr/imienkalkulation angesetzte Zinssatz ip = 4% den Kalkulationszinssatz fiir die versicherungstechnischen Verpflich- tungen i d = 3,5% nur geringfiigig iibersteigt und gleichzeitig zu dem am Wettbe- werbsmarkt erzielbaren Zinssatz iw = 7% ein respektabler Sicherheitsabschlag besteht, ist die erwartete Reinverm6gensposition fiir die ersten neun Versicherungsperioden (un- ter Einbeziehung der erwarteten Sterblichkeitsgewinne sind es die ersten acht Versiche- rungsperioden) negativ. In diesem Zeitraum ist das aus den Vertr/igen im Erwartungswert erwirtschaftete Verm6gen als Summe aus Pr~imieneinnahmen und darauf erzielten

29) Da das Aufsichtsamt ffir die Kalkulation der Deckungsrfickstellung einen h6chstzul/issigen Zinssatz von 4% gem~il3 w 2 Abs. 1 DeckRV festlegen wird, ist davon auszugehen, dab der Prfimien- berechnungszinssatz in Zukunft zwischen 4 und 5% liegen wird. Fiir unsere Darstellung haben wir aus Griinden der besseren Vergleichbarkeit der Ergebnisse den Zinssatz der Deckungsriickstellung unver/indert bei 3,5% belassen. Die Argumentationssystematik bleibt jedoch erhalten.

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Marktzinseinnahmen abz/iglich der erwarteten Versicherungsleistungen nicht ausrei- chend, um die kalkulatorischen Verpflichtungen finanzieren zu k6nnen. Der Bedek- kungsvorschrift des w 66 Abs. 1 a VAG folgend, ist es gem/iB w 66 Abs. 2 VAG erforder- lich, diese Finanzierungsliicke aus anderen Quellen zu schlieBen und dem Deckungsstock zus/itzliche Mittel zuzufiihren. 30) Aus der Analyse des Periodenerfolges einer Lebensversicherungsunternehmung ergibt sich nun im Erwartungswert, dab in den ersten Versicherungsperioden die Pr~imiener- tr/ige und die darauf erzielten anteiligen Verm6gensanlageertr/ige geringer sind als die Aufwendungen fiir die Bildung der Deckungsriickstellung. Dies fiihrt ceteris paribus zun/ichst zu einer Reduzierung des periodischen Rohiiberschusses mit den m6glichen Konsequezen, dab entweder den Versicherungsvertr~igen der anderen Abrechnungsver- b~inde eine geringe UberschuBbeteiligung zugewiesen werden kann oder dab der ausge- wiesene JahresiiberschuB der Unternehmung sinkt mit den entsprechenden Folgen fiir die Eigenkapitatentwicklung. Letzteres ist mit Blick auf die, gemessen am technischen Gesch~iftsvolumen, geringe Eigenkapitalausstattung deutscher Lebensversicherungsun- ternehmen sicherlich eine nur sehr beschr/inkt wirksame Gestaltungsalternative. Im Rah- men der Verm6gensanalyse zeigt sich f/Jr die Phase des negativen Reinverm6gens das Erfordernis einer entsprechenden Deklaration von bisher nicht gebundenen Verm6gens- werten. Stehen dem Versicherer freie Verm6gensanteile nicht im erforderlichen AusmaBe zur Verftigung, werden zus~itzlich weitere Anpassungen sowohl auf der Kapital- als auch auf der Verm6gensseite erforderlich. 31) Der Passiviiberhang und die entsprechende Periodenerfolgsbelastung kann erst nach einigen Jahren durch die auf das durch den Vertrag induzierte Verm6gen erwirtschafteten iiberrechnungsmiifligen Marktzinsertr/ige voUst/indig zuriickgef/ihrt werden. Die im wei- teren Verlauf erreichbaren OberschuBvolumina iiberkompensieren zwar die aufgelaufe- nen Periodenverluste aus den ersten Versicherungsjahren, sie sind insgesamt aber wesent- lich geringer als in Abschnitt 2.2.2. Bezogen auf das von uns verwendete Beispiel betr/igt der auf den Ablaufzeitpunkt bezogene erwartete OberschuB 824,90 DM pro TDM Versi- cherungssumme, bei Beriicksichtigung der Sterblichkeitsgewinne 855,21 DM pro TDM Versicherungssumme. Obwohl in der betrachteten Konstellation letztlich ein beachtlicher 13berschuB entsteht, geben Dauer und H6he des tempor/iren Finanzierungsbedarfes 32) AnlaB, den EinfluB der Gesamtversicherungsdauer auf Zeitraum und H6he des Finanzierungsbedarfes ge- nauer zu er6rtern. 33) Abbildung 6 zeigt, dab ceteris paribus fiir einen zw61fj/ihrigen Versicherungsvertrag analoge Liquidit/its- und Erfolgswirkungen vorliegen. In diesem Falle ist erneut der auf den Ablaufzeitpunkt bezogene erwartete UberschuB von 226,94 DM pro TDM Versicherungssumme bzw. bei Beriicksichtigung der Sterblich- keitsgewinne von 229,93 DM pro TDM Versicherungssumme substantiell. W/ihrend der ersten vier Perioden besteht wiederum ein Finanzierungsbedarf, der im Zeitpunkt t = 0 ein Volumen von 21,47 (21,53) DM pro TDM Versicherungssumme aufweist.

3o) Siehe hierzu Ful3note 15. 31) Z.B. eine Verringerung der Wertans~itze in den iibrigen versicherungstechnischen Verpflich- tungs- und Rtickstellungspositionen oder Liquidation yon Finanzaktiva zur Aufl6sung stiller Re- serven. 32) Der im Zeitablauf sinkende Finanzierungsbedarf erstreckt sich tiber insgesamt neun Versiche- rungsperioden und hat zu Beginn in t = 0 ein Volumen von 28,42 DM pro TDM Versicherungs- summe (mit Sicherheitszuschl/igen in der Sterblichkeit) bzw. 28,64 DM pro TDM Versicherungs- summe (ohne Sicherheitszuschl/ige in der Sterblichkeit). 33) Die Analyse anderer EinfluBfaktoren, wie beispielsweise Zinskonstellationen, bleibt weiteren Forschungen vorbehalten.

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Wir variieren im folgenden die Analysesituation und betrachten ffir den 30j/ihrigen Vertrag die Auswirkungen eines Absinkens der am Wettbewerbsmarkt erreichbaren Ver- zinsung auf das Niveau des Pr/imienkalkulationszinssatzes. 34) Dieser keineswegs patho- logische Fall ist sogar im Rahmen der Neuformulierung des HGB berficksichtigt worden. w 341 fAbs. 2 HGB erzwingt die Berficksichtigung von ,,Zinssatzverpflichtungen" 35) gegeniiber dem Versicherungsnehmer bei der Bemessung der Deckungsriickstellung, sofern die derzeitigen oder zu erwartenden Ertr/ige aus der Verm6genslage des Ver- sicherungsunternehmens ffir die Deckung der zugesagten Verpflichtungen nicht aus- reichen. Wiederum ist der Wert der kalkulatorischen Deckungsrfickstellung von Vertragsbeginn an positiv, ohne dab aus den vereinnahrnten Pr/imien entsprechende Finanzierungsmittel bereitstehen. Die Pr~imienkalkulation enth~ilt keinen impliziten Sicherheitszuschlag, der daraus resultierende dauerhafte Passivfiberhang kann nicht durch iiberreehnungsmiiflige Zinsertr/ige kompensiert werden. Erst zum Ende der Vertragslaufzeit ergibt sich im Erwartungswert ein ausgeglichenes Reinverm6gen, dann haben die fiber den in der Deckungsrfickstellung kalkulierten Zinsanspriichen der Versicherungsnehmer liegenden erwirtschafteten Marktzinsen das Finanzierungsdefizit im Erwartungswert ausgeglichen (Abbildung 7). W~ihrend der gesamten Laufzeit ist von einer Reduktion des Rohfiber- schusses resp. einer Belastung des Eigenkapitals der Unternehmung auszugehen, ledig- lich unter Berficksichtigung von Sterblichkeitszuschl~igen kann zu Vertragsende (erstmals in der 27. Versicherungsperiode) ein positiver Ergebnisbeitrag erwartet werden. In diesem Falle betr/igt die erwartete Reinverm6gensposition am Ende der Vertragslaufzeit nur 17,38 DM.

2.2.4 Konstellation der Erh6hung systematischer Uberschi~sse

Die zuvor besprochene und aus Wettbewerbsgriinden attraktiv erscheinende M6glich- keit, kfinftige Zinsiiberschiisse in der Pr~imienkalkulation vorwegzunehmen, ist insbeson- dere durch die Periodenerfolgsbelastung in den ersten Versicherungsperioden und dutch die Gefahr eines Absinkens der Marktzinsen mit erheblichen Nachteilen verbunden. Es scheint daher nicht nut aus Griinden einer umfassenden Systematik unserer Analyse angemessen, auch den Fall zu beleuchten, in dem das Auseinanderfallen der Kalkula- tionszinss/itze durch eine Absenkung des Pr~imienzinssatzes unter das Niveau des Zins- satzes fiir die Deckungsrfickstellung charakterisiert wird und beide Zinss/itze deutlich unter dem Marktzinsniveau liegen ip < i d < i w . Die aul3erordentlich geringen kalkulato- rischen Zinsen der Pr/imienermittlung haben eine aus Wettbewerbsaspekten sicherlich problematische Pr/imienerh6hung zur Folge. Abbildung 8 visualisiert die Reinver- m6gensentwicklung dieser Konstellation. Zun/ichst ist mit Bezug auf Abschnitt 2.1 zu konstatieren, dab der Wert der kalkulatori- schen Deckungsrfickstellung zu Vertragsbeginn negativist, m. a. W. die Pr~imieneinnah- men der ersten Perioden werden nicht zur Finanzierung von versicherungstechnischen Verpflichtungen ben6tigt, denn in dieser Phase besitzt das Versicherungsunternehmen eine negative Verbindlichkeit - mithin eine kalkulatorische Forderung - gegeniiber dem Versicherungsnehmer (i d > ip). Den Pr/imien- und induzierten Verrn6gensanlageertr/igen

34) Eine solche, hier sicherlich fiberzeichnete Konstellation ist um so wahrscheinlicher, je h6her der gew/ihlte Prfimienkalkulationszinssatz ist und je volatiler die Marktzinsen sind. Eine differenzierte Analyse stochastischer Marktzinsentwicklungen erfolgt im dritten Kapitel dieser Ausarbeitung. 35) Diese Terminologie folgt der handelsrechtlichen Norm des w 341 fAbs. 2 HGB und kennzeichnet den hier beschriebenen Fall ip > i a.

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stehen keine entsprechenden Aufwendungen gegeniiber. Damit wird der Rohfiberschul3 der ersten Versicherungsperioden, gemessen an den traditionellen Verh/iltnissen, um den ,,Pr/imienanteil" erh6ht. Zus/itzlich wird, da die in der Pr/imienkalkulation angenom- mene Verzinsung am Markt tats/ichlich sehr weit fiberschritten wird, der laufende Zins- iiberschufl deutlich erh6ht (ip < i,). Bereits bei Beginn der Vertragslaufzeit entstehen im Lebensversicherungsunternehmen fiber das erforderliche Volumen an Deckungsstock- verm6gen hinaus freie Verm6gensanteile, die in den ersten Versicherungsperioden im Wege einer aul3ergew6hnlich hohen Oberschu6beteiligung den Versicherungsnehmern ex post gewidmet werden (i d < iw). Im Beispiel entwickelt sich die erwartete Reinverm6- gensposition im Falle der Berficksichtigung von Sicherheitszuschlfigen in der Sterbetafel von 26,89 DM pro TDM Versicherungssumme zu Vertragsbeginn bis auf 1032,64 DM. Ohne Sicherheitszuschl/ige ergibt sich im Erwartungswert zu Vertragsbeginn eine positive Reinverm6gensposition von 27,10 DM und am Vertragsende 1 002,87 DM pro TDM Versicherungssumme. 36)

3. A n a l y s e be i s t o c h a s t i s c h e r M o d e l l i e r u n g d e r A n l a g e r e n d i t e ffir d ie v e r t r a g s i n d u z i e r t e n A k t i v a

Die Untersuchung der Liquidit/its- und Ertragssituation eines Lebensversicherers im vorangegangenen Kapitel war von deterministischen und im Zeitablauf unver/inderten Zinss/itzen ffir die Pr/imienkalkulation, die Reserveermittlung und ffir die Verzinsung der vertragsinduzierten Aktiva ausgegangen. Soweit diese Annahmen die Pr/imien- und Reservenberechung betreffen, sind sie durchaus realistisch, denn einerseits ist die zeitliche Konstanz der Periodenpr/imie ein konstitutives Merkmal ffir die gemischte Lebens- versicherung in Deutschland und andererseits hat das Bundesaufsichtsamt in seinem Entwurf zur Rfickstellungsverordnung ausdrficklich auf die Einmaligkeit der Fest- legung des Reserveermittlungszinssatzes hingewiesen. 37) Lediglich ffir die Betrachtung der am Markt tats/ichlich erzielbaren Verzinsung der vertragsinduzierten Aktiva han- delte es sich um eine die Realit/it stark simplifizierende Annahme. Weiterfiihrende Be- trachtungen besch/iftigen sich deshalb mit der Liquidit/its- und Ertragsanalyse unter der sehr viel realistischeren Prfimisse, dab die Marktzinsen im Zeitablauf Schwankungen unterliegen. Bei der stochastischen Modellierung der Anlagerendite werden die Aktiva des Lebensver- sicherers global betrachtet. Es erfolgt keine Differenzierung zwischen den Asset-Klassen, und daher formulieren wir auch nicht ffir jede Asset-Klasse ein gesondertes Modell zur Beschreibung der stochastischen Entwicklung der korrespodierenden Renditen im Zeit- ablauf. 3s) Wir begn/igen uns vielmehr mit der stochastischen Modellierung des Aufzin- sungsfaktors (1 + iw), der in der Rekursionsbeziehung der Formel (2) Verwendung findet,

36) Aus dem Vergleich dieser Konstellation mit den traditionellen Verh/iltnissen in Abschnitt 2.2.2 erkennt man, dab der Zinssatz zur Berechnung der Deckungsriickstellung die erwartete Reinverm6- gensposition zu Vertragsende nicht beeinfluBt. Unter den genannten Bedingungen gilt, dab ein h6herer Zinssatz fiir die Verzinsung der Deckungsr/ickstellung zu einem geringeren Wachstum der erwarteten Reinverm6gensposition fiihrt. 37) w 2 Abs. 2 des Entwurfes der DeckRV. 3s) Wollte man eine bestimmte Anlagestrategie testen, so miiBte eine differenzierte Modellierung der stochastischen Gesetzm/iBigkeiten der einzelnen Asset-Klassen erfolgen; insbesondere w/ire ein Modell zur Abbildung der Aktienkursbewegungen und ein Zinsstrukturkurvenmodell erforderlich.

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um die wertm/iBige Entwicklung der durch den analysierten Versicherungsvertrag indu- zierten Aktiva zu beschreiben. 39) Erkenntnisziel ist eine komparative Analyse der Ergebnisse der stochastischen Simula- tion mit den Aussagen im quasi-deterministischen Fall des Abschnittes 2.2.3. Auf diese Weise soU die Gefahr verdeutlicht werden, dab auch bei positiven erwarteten Reinverm6- genspositionen mit einer nicht unerheblichen Wahrscheinlichkeit die Entwicklung der vertragsinduzierten Aktiva hinter der der Deckungsriickstellung zuriickbleibt, woraus f~r die Versicherungsunternehmung entsprechende negative Liquidit/its- und Erfolgswir- kungen resultieren. Zur modellhaften Erfassung der Verzinsung der Verm6gensgegenst/inde des Lebensver- sicherungsunternehmens unterstellen wir, dab der logarithmierte Aufzinsungsfaktor fit: = ln(1 + iw, t) einem autoregressiven Moving-Average-ProzeB der Ordnung (1,1) folge. 40) Mit dieser ProzeBwahl steht ein relativ allgemeines stochastisches Modell zur Verfiigung, welches in der Lage ist, eine Vielzahl empirischer Zeitreihen ad/iquat zu modellieren. Die Realisation des logarithmierten Aufzinsingsfaktors der t-ten Periode ist damit von

�9 der Realisation des logarithmierten Aufzinsungsfaktors der Vorperiode t - 1 , �9 einer St6rvariable Ut, �9 der St6rvariable der Vorperiode t - 1

abMngig. Fiir den logarithmierten Aufzinsungsfaktor 6t w/ihlen wir den ProzeBansatz

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wobei die St6rvariablen Ut in jeder Periode unabhiingig identisch normalverteilt mit Erwartungswert Null und Varianz y2 seien. Es kann nun mit Hilfe einer vollst~indigen Moving-Average-Darstellung 41) des Prozesses leicht nachgewiesen werden, dab E (fit) = 0 gilt. Definieren wir zus/itzlich mit Yt: = 6t - 0 den um den konstanten Driftterm bereinigten ProzeB des logarithmierten Aufzinsungsfaktors, so wird dieser zu

Y, = ~Y,-1 + u , - / ~ u t - 1 . (5)

Es ist unmittelbar offensichtlich, dab der Erwartungswert des logarithmierten und zen- trierten Aufzinsungsfaktors unabh/ingig vonder Periode Null betr/igt. #z) Die Varianz

39) Hierbei sei daran erinnert, dab diese Rekursion die Sterblichkeitsproblematik ausblendet. Wir argumentieren auf Basis einer Erwartungswertbetrachtung und nehmen daher an, dab das korre- spondierende Versichertenkollektiv hinreichend groB und homogen ist, so dab die Erwartungswert- betrachtung einen zuverl/issigen Sch/itzer fiir die wahre Sterblichkeitsentwicklung mit den verbunde- nen Ertrags- und Liquidit~itswirkungen darstellt. 40) Vgl. allgemein zu autoregressiven Moving-Average-Prozessen Box/Jenkins 1970, S. 73-84; Abraham/Ledolter 1983, S. 219-224; Liitkepoh11991, Kapitel 6, dort verallgemeinert als Vektor-au- toregressive Moving-Average-Prozesse (VARMA); Greene 1993, S. 550ff. 41) Der ProzeB kann als vollst/indiger Moving-Average-ProzeB unendlicher Ordnung dargestellt werden, wenn die Invertibilit/itsbedingung J flJ < 1 erfiillt ist; vgl. Abraham/Ledolter 1983, S. 221. In den von uns vorgenommenen stochastischen Simulationen wird diese Bedingung durch eine geeig- nete Parameterwahl stets sichergestellt. 42) Da es sich bei dem von uns verwendeten ARMA(1,1)-ProzeB um einen schwach station/iren ProzeB handelt, sind Erwartungswert und Varianz des Prozesses unah/ingig von t. Die Autokova- rianzen h/ingen lediglich vonder L/inge des Lags ab, nicht jedoch vonder absoluten Lage auf der Zeitachse. Schwache Stationarit~it des Prozesses ist gegeben, wenn I ~b I < 1 gilt; vgl. Abraham/Ledol- ter 1983, S. 221.

534

von Yt ergibt sich zu 4-3, 44)

1 + B 2 - 2 ~ V a r ( ~ ) = f T ~ g 72 , (6)

was kurz als Var (Yt) = 0-2 bezeichnet werden soil. Ffir

(1 - 4,/~) (4, - / ~ ) ~,~ C~ (Yt' Yt- 1) = 1 _ ~ 2

sowie

und

sowie 4s, 49)

die Autokovarianzen gilt: 45)

(7)

Cov(Yt, Yt-k) = q~Cov(Yt, Yt-k+l) fiir k > 2. (8)

Fiir den ersten Autokorrelationskoeffizienten ergibt sich mit den obigen Ergebnissen 46)

(1 - 4'/~) ('/' - / ~ ) o ( Y t ' Y t - 1 ) = 1 + 1 3 2 - 2 ~ b f l (9)

Wenn ln(1 + iw.t) normalverteilt ist, so folgt der Aufzinsungsfaktor aufgrund des Mo- dellierungsansatzes einer logarithmischen Normalverteilung mit den Parametern 0 und 0-2.47) Infolgedessen ergeben sich die ffir die weitere Analyse relevanten Verteilungs- merkmale Erwartungswert, Varianz und e-Quantil der Verteilung des Aufzinsungsfak- tors mit

g[(1 +iw, Ol = e x p O+ ~_0-2 (10)

Var [(1 + iw.,)] = exp (20 + 0-2) [exp (0-2) _ 11 (11)

F~[(1 + iw,,) ] = exp[0 + N~0-]. (12)

In der folgenden Analyse soil nun ausgehend yon der stochastischen Modellierun.g des Aufzinsungsfaktors die Verteilungsfunktion der Reinverm6gensposition, d.h. des Uber- schusses der Aktivwerte fiber die versicherungstechnischen Verpflichtungen, ffir den Fall ermittelt werden, dab der Pr/imienberechnungszinssatz den zur Berechnung der Deckungsrfickstellung verwendeten Zinssatz fiberschreitet. Konkret ffihren wir das Bei- spiel aus Kapitel 2 fort und unterstellen ip = 4% und i a = 3,5%. Somit ist der kalkulato- rische Wert der Deckungsrfickstellung bei VertragsabschluB nicht Null, sondern nimmt, wie wir aus der Analyse des deterministischen Falles bereits wissen, einen positiven Wert an. so) Weiterhin nehmen wir an, dab der Pr/imienberechnung die DAV-Sterbetafel

43) Man beachte, dab die Varianzen und Kovarianzen von Y und 6 identisch sind, da der Parame- ter 0 nicht zufallsabh/ingig ist. 4,,) Vgl. Box~Jenkins 1970, S. 76; Abraham/Ledolter 1983, S. 222. 45) Vgl. Box~Jenkins 1970, S. 76; Abraham/Ledolter 1983, S. 222. 46) Vgl. Box~Jenkins 1970, S. 76; Abraham/Ledolter 1983, S. 222. 47) Die Parameter ~b und fl werden ffir die Untersuchungssituation so bestimmt, dab die Varianz des logarithmierten Aufzinsungsfaktors mit dem Parameter der zugrundeliegenden Normalverteilung iibereinstimmt. 48) F bezeichne hier die Verteilungsfunktion des Aufzinsungsfaktors, N~ kennzeichnet das e-Quantil der Standardnormalverteilung. 49) Vgl. Johnson/Kotz 1970, S. 117. 50) Die anf/ingliche Deckungsriickstellung betr/igt bei Zugrundelegung eines Reservierungszinssat- zes in H6he von i s = 3,5%, bei Berficksichtigung von Sicherheitszuschl/igen fiir die Sterblichkeit im Rahmen der Pr/imienermittlung sowie i v = 4% 28,42 DM.

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1994 T zugrunde liegt, wodurch Sicherheitszuschlage beziiglich der Sterblichkeit gegeben sind. Im Rahmen der Analyse auf Basis einer stochastischen Simulation der dutch den Versicherungsvertrag induzierten Aktiva untersuchen wir die Verteilungsfunktion der Reinverm6gensposition des Lebensversicherers vor Dotierung der OberschuBbeteiligung nach 5, 10, 20 und 30 Jahren Vertragslaufzeit, wobei eine Erwartungsrendite von 7% unterstellt wird. Eine stochastische Simulation zur Bestimmung der Verteilungsfunktion des Reinvermbgens ist der angemessene Weg zur L6sung des Problems, da analytische Ergebnisse aufgrund der durch periodische Pramienzahlungen und Versicherungsleistun- gen erzeugten Komplexitat nicht m6glich sind. Eine periodische Beriicksichtigung der OberschuBbeteiligung an die Versicherungs- nehmer fiihrt bei stochastischer Modellierung der Marktzinsentwicklung zu folgender Problematik: Sinkt die in einer Periode erzielte Marktrendite unter den in der Pramien- kalkulation verwendeten Zinssatz, so entstehen in dieser Periode keine zinsinduzierten Uberschiisse. Wird auch der fiir die Entwicklung der Deckungsriickstellung garantierte Zinssatz nicht erreicht, so ist die entsprechende Finanzierungsliicke durch andere Un- ternehmensreserven auszugleichen. Die Gestaltung des UberschuBbeteiligungssystems entscheidet dariiber, inwiefern dann kiinftige Zinsiiberschiisse zur gegebenenfalls priori- tatischen Kompensation der akkumulierten Finanzierungsliicke herangezogen werden miissen. Die Stochastizitat des Verzinsungsverlaufes bewirkt, dab auch zinsinduziert die Reinver- m6gensposition aus dem Vertrag mehrwertig ist. 51) Damit unterscheidet sich die Inter- pretation der Simulationsergebnisse von den quasi-deterministischen Fallen substantiell. Die aus der Simulation abgeleitete Schatzgrfl3e des Erwartungswertes fiir die Reinver- m6gensposition nach 5, 10, 15, 20, 25 und 30 Jahren Vertragslaufzeit zeigt Abbildung 11. Wahrend die absolute Abweichung der Realisation um ihren Erwartungswert, gemessen durch die Standardabweichung, mit zunehmender Vertragslaufzeit wachst, vermindert sich die relative Streuung (gemessen im Variationskoeffizient). Bereits bier zeigt die Analyse, dab beispielsweise die Reinverm6gensposition nach 10 Versicherungsjahren R (10) im Erwartungswert 12,35 DM pro TDM Versicherungssumme betragt, die in der Standardabweichung gemessene Schwankung jedoch mit 23,37 DM einen Wert an- nimmt, der eine hohe Gefahr negativer Ergebnisse beinhaltet. Fiir spatere Versicherungs- jahre ffihrt die so abgebildete Abweichungsgefahr lediglich zu einer Reduzierung oder Erh6hung der im Reinverm6gen akkumulierten Uberschiisse. Die Symmetrie des RisikomaBes Standardabweichung unterstellt, dab Abweichungen vonder erwarteten Reinverm6gensposition nach oben und nach unten vom Entschei- dungstrager als gleichermaBen gefahrlich eingeschatzt werden. Dies erscheint der tat- sachlichen Problemlage wenig angemessen, da vor allen Dingen die M6glichkeit einer negativen Reinverm6gensposition eine Alimentierung durch Eigenkapital erfordert. Unter diesem Aspekt kann das Risiko des Versicherers zunachst allgemein als die Gefahr der Unterschreitung einer angestrebten finanziellen Zielgr6Be z verstanden werden. 52) Zur Quantifizierung des in dieser Weise konzeptualisierten Risikos erweisen sich asym- metrische RisikomaBe als besonders geeignet. Als allgemeine Klasse sollen dabei untere partielle Momente M k [X (t)] der Ordnung k der Verteilung einer betrachteten Zufalls- variable X zu einem bestimmten Zeitpunkt t Verwendung finden.

M~[X(t)] = i ( z - x)kf(x)dx. (13) - - o 0

51) Die Mehrwertigkeit der Reinverm/Sgensposition eines einzelnen Vertrages, die sich aufgrund der Stochastizit/it der Sterblichkeit ergibt, bleibt davon unberiihrt. 52) Vgl. Albrecht 19943, S. 7.

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537

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538

Bezogen auf das hier diskutierte Problem einer negativen Reinvermfgensposition auf- grund stochastischer Marktzinsschwankungen wird Risiko zweckmfil3ig als die Gefahr einer Unterdeckung der versicherungstechnischen Verpflichtungen durch die induzierten Verm6genswerte definiert. Dann gilt fiir das k-te untere partielle Moment und unter Beriicksichtigung einer nicht-negativen Reinverm6gensposition als Zielwert (0 als obere Integrationsgrenze): 53)

O

M k [R (t)] = ( - 1) k S rk (t) f(r) dr. (14) - o 0

Im Rahmen der stochastischen Simulation approximieren wir dieses Integral durch eine entsprechende Sch~itzfunktion in folgender Weise

1 a IVl k [R (t)] = ~- h~l rk (h, t) I (h), (15)

wobei I (h) eine Indikatorvariable darstellt, die den Wert 1 annimmt, wenn die Reinver- m6gensposition des h-ten Simulationslaufs negativist und den Wert 0, falls diese einen positiven Wert annimmt. H bezeichnet die Anzahl der durchgefiihrten Simulations- l~iufe. 54) Im folgenden betrachten wir fiir unterschiedliche Auswertungszeitpunkte jeweils das nullte untere partielle Moment (Shortfall-Wahrscheinlichkeit) und das erste untere par- tielle Moment (Shortfall-Erwartungswert). Aus Abbildung 9 erkennt man, dab unter den gegebenen Bedingungen zum Auswertungszeitpunkt t = 5 mit nahezu 100%iger Wahr- scheinlichkeit die akkumulierten Verm6genswerte nicht ausreichen, die aufgelaufenen Verpflichtungen aus dem Vertrag zu finanzieren. Im Erwartungswert betrfigt der auto- nome Finanzierungsbedarf 21,05 DM pro TDM Versicherungssumme. Abbildung 10 verdeutlicht, dab nach zehnj~ihriger Vertragslaufzeit die Wahrscheinlich- keit dafiir, dal3 eine Unterdeckung der versicherungstechnischen Verpflichtungen eintritt

Aus der Simulation abgeleitete Sch~itzgr6Ben R(5) R(10) R(15) R(20) R(25) R(30) f~r

Erwartungswert [DM] -21,05 12,35 86,29 221,18 464,23 878,72

Standardabweichung 6,34 23,37 5 5 , 1 0 107,82 204,85 361,38 [DM]

Variationskoe ffizient -0,301 1,893 0 , 6 3 9 0,487 0,441 0,411

Shortfall- Wahrscheinlichkeit 0,999 0,313 0,04 0,008 0,001 0

Shortfall- -21,05 -4,14 -0,66 -0,26 -0,004 0 Erwartungswert [DM]

5 %-Quantil [DM] -31,24 -22,76 7,74 65,78 168,32 357,35

Abb. 11. Statistische Kennzahlen bei E (iw) = 0,07

53) Siehe fiir eine allgemeine Formulierung Albrecht 1994, Albrecht 1994a. 54) In der hier vorgestellten Analyse gilt H = 1000.

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31,3% betr/igt und die erwartete Unterdeckung einen Wert von 4,14 DM pro TDM Versicherungssumme annimmt. Die entsprechenden Zahlenwerte ffir die weiteren Auswertungszeitpunkte t = 15, 20, 25 und 30 k6nnen der nachfolgenden Abbildung 11 entnommen werden. Die Auswertungen der Verteilungsfunktion des Reinverm6gens an der Stelle des 5%- Quantils zeigt, dab beispielsweise nach 10 Versicherungsperioden mit Wahrscheinlichkeit 0,05 die Reinverm6gensposition pro TDM Versicherungssumme den Wert von - 22,76 DM unterschreitet.

4. Z u s a m m e n f a s s u n g de r E r g e b n i s s e

Mit der Ausweitung der aufsichtsrechtlich zul/issigen Zinss/itze ffir die Pr/imien- und Reserveberechnung in der Lebensversicherung sind ffir die Ertrags- und Liquidit/itslage der Lebensversicherungsunternehmung bisher unbekannte Gefahren verbunden. Auf der Grundlage einer konsequent wahrscheinlichkeitstheoretischen ModeUierung des Kalku- lationsmechanismus in der gemischten Lebensversicherung konnte ffir unterschiedliche Zinskonstellationen die Entwicklung des einzelvertraglich induzierten erwarteten Rein- verm6gens abgeleitet werden. Dabei wurde insbesondere ffir den Fall des Uberschreitens des Pr/imienkalkulationszinsatzes fiber den Zinssatz zur Berechnung der Deckungsrfick- stellung gezeigt, dab sich ffir die ersten Versicherungsperioden im Erwartungswert, d.h. unter der Annahme eines nicht aul3ergewrhnlichen Gesch/iftsverlaufs, eine erhebliche Liquidit~its- und Ertragsbelastung der Unternehmung ergibt. Selbst wenn die am Markt erzielbare Verzinsung der Aktiva den Pr/imienkalkulationszinssatz deutlich fibersteigt, reicht dies in den ersten Perioden nicht aus, die versicherungstechnischen Verpflichtun- gen vollst/indig zu alimentieren; eine OberschuBenstehung findet nicht statt. Unter der realit/itsn/iheren Pr/imisse einer stochastischen Entwicklung der am Markt erzielbaren Verzinsung konnte fiber die Erwartungswertbetrachtung hinaus das mit einer entsprechenden Kalkulation verbundene Unternehmensrisiko identifiziert werden. Da- bei wurde die Betrachtung auf das nullte und erste untere partielle Moment der Vertei- lung der Reinvermrgensposition konzentriert. Jedes Lebensversicherungsunternehmen, das sich mit dem Gedanken tr/igt, die erweiter- ten Kalkulationsspielr/iume im Zinsbereich derart zu nutzen, dab es den Zinssatz ffir die Pr/imienberechnung fiber denjenigen zur Ermittlung der Deckungsriickstellung hinaus anhebt, mul3 sich der Tatsache bewul3t sein, dab dadurch in den ersten Versicherungspe- rioden relevante Finanzierungsbedarfe zu Lasten anderer Reservepositionen entstehen. Der unternehmenspolitische Erfolg einer solchen Strategie h/ingt daher nicht zuletzt von der Qualit/it der Eingenkapitalausstattung der Lebensversicherungsunternehmung ab.

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Zusammenfassung

Finanzwirtschaftliche Konsequenzen erweiterter Kalkulationsspielr~iurne in der Lebensversicherung

In der gemischten Lebensversicherung ist es seit dem 29. Juli 1994 zuliissig, unterschiedliche Zins- s~itze fiir die Pr~imienkalkulation und Reserveberechnung zu verwenden. Gegenstand des Beitrages ist die Errrterung der hieraus ffir die Lebensversicherungsunternehmen resultierenden veriinderten Liquidit~its- und Ertragsverhiiltnisse. Dariiber hinaus wird die Entwicklung der vertragsinduzierten Aktivwerte stochastisch simuliert. Im Ergebnis wird die Zufallsgesetzm~il3igkeit des Reinvermrgens des Lebensversicherers gesch~itzt und hierauf aufbauend statistische Kennzahlen ermittelt und diskutiert.

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Summary

Financial Consequences of Enlarged Calculation Possibilities in Life Insurance

Since july 29, 1994, it is permitted to use different interest rates for premium calculation and determination of net premium reserves. Taking the perspective of a life insurance company, the subject of the article is to discuss the consequences for liquidity and yield resulting fom these extended calculation possibilities. Moreover, the evolution of the assets generated by the life insurance contract is analysed in the context of a Monte Carlo simulation. Ultimately, the cummu- lative distribution function of the insurers' surplus is estimated and statistical figures are determined and discussed.

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