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Abstracts
Böblingen7. Februar 2009
Braunschweig25. April 2009
Neustadt/Weinstraße19. September 2009
Bochum21. März 2009
Magdeburg5. Dezember 2009
Gladbeck13. Juni 2009
Rostock12. September 2009
München10. Oktober 2009
Chronische Entzündungen undMalignome gastrointestinaler Organe
Rostock
Samstag, 12. September 20099.00 – 16.00 Uhr
Veranstaltungsort:Hotel NeptunSeestraße 1918119 Rostock-Warnemünde
Wissenschaftliche Leitung:Prof. Dr. J. Emmrich, Rostock
1
Programm 9.00 Uhr Begrüßung
Prof. Dr. J. Emmrich, Rostock
Sitzung I Vorsitz: Prof. Dr. B. Högemann, Osnabrück Prof. Dr. J. Emmrich, Rostock
9.05 Uhr Chronische Entzündung und Malignome: die immunologischen Grundlagen Prof. Dr. S. Meuer, Heidelberg
9.30 Uhr Die schöne neue Welt der Endoskopie in Ösophagus und Magen Dr. A. Hoffman, Mainz
9.55 Uhr Bildgebung am Dünndarm – Was ist effektiv? PD Dr. U. Wahnschaffe, Berlin
10.20 Uhr Früherkennung und Prävention des Magenkarzinoms Dr. J. Bornschein, Prof. Dr. P. Malfertheiner, Magdeburg
10.40–11.15 Uhr Kaffeepause
Sitzung II Vorsitz: Dr. R. Keller, Wismar Prof. Dr. E. Klar, Rostock
11.15 Uhr Häufig übersehen – die Zöliakie Prof. Dr. B. Lembcke, Gladbeck
11.40 Uhr Reizdarmsyndrom – Nervt das Bauchgehirn? PD Dr. J. Keller, Hamburg
12.05 Uhr Pankreaskarzinom bei chronischer Pankreatitis – praxisrelevant oder Rarität? Schwierige Differenzialdiagnostik, schwierige Therapie Prof. Dr. M.M. Lerch, Dr. A. Aghdassi, Prof. Dr. J. Mayerle, Greifswald
12.30 Uhr Pankreaschirurgie heute (ohne Abstract) Prof. Dr. B. Rau, Rostock
2
12.55–13.50 Uhr Mittagspause
Sitzung III Vorsitz: Prof. Dr. M.M. Lerch, Greifswald Prof. Dr. B. Rau, Rostock
13.50 Uhr Licht an im Kolon Prof. Dr. H.-J. Schulz, Berlin
14.15 Uhr Biologika bei CED – der Tanz um das goldene Kalb Prof. Dr. J. Emmrich, Rostock
14.40 Uhr Das Karzinomrisiko bei CED – wann, was und wie untersuchen? PD Dr. L. Leifeld, Köln
15.05 Uhr Operation bei CED – und dann? (ohne Abstract) Prof. Dr. E. Klar, Rostock
15.30 Uhr Das hepatozelluläre Karzinom PD Dr. M. Müller-Schilling, Heidelberg
15.55 Uhr Zusammenfassung Prof. Dr. J. Emmrich, Rostock
Anschriften der Referenten und Vorsitzenden siehe Seiten 53–54
3
Chronische Entzündung und Malignome: die immunologischen Grundlagen
S. Meuer
Institut für Immunologie, Universitätsklinikum Heidelberg
Malignes Wachstum und chronisch entzündliche Prozesse resultieren aus defekten
Signalen, die Zellwachstum und Zelldifferenzierung steuern. Während man mit
ziemlicher Sicherheit weiß, dass malignes Wachstum vorzugsweise mit defekten
Abschaltsignalen („Off-Signals“, z. B. Tumorsuppressor-Gene) assoziiert ist, wird die
chronische Entzündung eher als überstarkes proinflammatorisches Anschaltsignal
(„On-Signal“) interpretiert und dementsprechend therapiert (z. B. TNF-Blockade).
Diese Interpretation des Mechanismus chronisch entzündlicher Prozesse auf der
Ebene der Immunregulation muss nachdrücklich hinterfragt werden. Denn chronisch
entzündliche Prozesse sind, im Gegensatz zu akut entzündlichen Vorgängen,
Immunreaktionen, die „nicht aufhören“. Daraus lässt sich schließen, dass auch die
chronische Entzündung auf der Defizienz von „Off-Signals“ beruhen muss. Auch die
Tatsache, dass entzündliche Reaktionen, die zur Chronizität neigen, eher weniger
symptomatisch verlaufen als akute Entzündungen, widerspricht der weit verbreiteten
Annahme, die chronisch entzündliche Erkrankung sei eine „überstarke“ Inflammation
(Abb. 1). Wirkliche anti-inflammatorische Therapieansätze gibt es bisher noch nicht –
alle, auch die modernsten, Therapeutika sind anti-proinflammatorisch wirkende
Substanzen.
Auf der Suche nach natürlichen Mechanismen der „Anti-inflammation“ kann man
physiologische Milieus analysieren, die potenziell davon bedroht sind, entzündliche
Reaktionen zu generieren: die Grenzflächen des Organismus mit der Außenwelt. Die
größte davon ist die intestinale Mukosa – luminal permanent gegenüber einer
enormen Zahl mikrobieller und nutritiver Fremdantigene exponiert und gleichzeitig
das mit Abstand umfangreichste immunologische Kompartiment des Organismus.
Hier muss es gelingen, adaptive Immunität, also die Immunisierung gegen
Fremdantigene, zu vermeiden, denn ansonsten würden die in der Lamina propria
existierenden T-Lymphozyten Fremdantigen-spezifisch expandiert werden und die
für den Organismus nützlichen luminalen Komponenten in einem Kolitis-ähnlichen
Prozess abstoßen.
4
Vergleicht man experimentell antigengetriebene Aktivierungsvorgänge von
Leukozyten der gesunden menschlichen Lamina propria mit Leukozyten des
autologen peripheren Blutes, so stellt man fest, dass erstere praktisch nicht auf
T-Zell-Rezeptorstimulation reagieren, während letztere eine klonale T-Zell-Expansion
durchführen. Interessant ist, dass die Kontrolle/Verhinderung T-Zell-getriebener
antigenspezifischer Immunaktivierungsprozesse zumindest zu einem Teil, über
Redox-Mechanismen geschieht: Die intrazellulären Glutathionspiegel in T-Zellen der
Lamina propria sind um ca. 50% niedriger als in zirkulierenden T-Zellen des
peripheren Blutes. Glutathion, ein potentes intrazelluläres Antioxidans, spielt eine
wichtige Rolle für die DNA-Synthese, transkriptionelle Regulation und weitere
molekulare Vorgänge in der Zellaktivierung. In Lamina-propria-T-Lymphozyten sind
die Glutathionspiegel zu niedrig, um deren Proliferation auf T-Zell-Rezeptor-
stimulation zu ermöglichen. Erhöht man deren GSH-Gehalt, z. B. durch Zugabe von
2-ME, so ist die unterdrückte Reaktivität auf T-Zell-Rezeptor-gerichtete Stimuli wieder
hergestellt. Man erkennt aus diesen Befunden: 1. T-Zellen haben keine fixierten
Funktionen, sondern eine funktionelle Plastizität, die in der intestinalen Mukosa über
Redox-Prozesse/GSH-Spiegel kontrolliert wird (Abb. 2). 2. Ein pro-oxidatives Milieu
kann anti-inflammatorisch wirken. Über die Frage, wie dieses pro-oxidative Milieu
erzeugt wird, kann man derzeit nur spekulieren. Immerhin produzieren gesunde
Enterozyten hohe Mengen von Interleukin-10, einem inhibitorischen, anti-
inflammatorischen Zytokin. Interessant ist, dass die anti-inflammatorischen
Wirkungen von Interleukin-10 an die Funktion des Enzyms Hämoxigenase 1
gekoppelt sind, welches Redox-aktive Produkte wie z. B. Kohlenmonoxyd (CO)
generiert.
Ein in chronisch inflammatorische Prozesse involvierter Signalübertragungsweg
enthält als seinen zentralen Regulator das Enzym „PI3-Kinase“. PI3-Kinase, die
vorzugsweise über Membranrezeptoren aktiviert wird, phosphoryliert PKB-AKT, ein
Enzym, welches eine Rolle in der Regulation von Apoptose, Zytokinproduktion,
maligner Transformation und Entzündung spielt. Zum Beispiel steht die Produktion
proinflammatorischer Mediatoren wie TNFα, IL-6 oder IL-8 unter der Kontrolle von
PKB-AKT, die wiederum die Transkriptionsfaktoren NFAT und NFκB reguliert.
Weiterhin aktiviert PI3-Kinase das Enzym NADPH-Oxidase, das aus Sauerstoff
Superoxid-Anionen (O2-) generiert. Überraschend ist, dass die Inaktivierung der
NADPH-Oxidase einen proinflammatorischen Phänotyp zur Folge hat (Tier
5
experimente). Dies liegt daran, dass aus O2- H2O2 gebildet wird, welches von dem
Enzym Myeloperoxidase zu Hypochlorid (HOCl-/OCl-) umgewandelt wird. Letzteres
wird dann mit der Aminosäure Taurin zu Taurinchloramin (Tau-Cl), einem stabilen
Oxidans, konjugiert, welches einen starken Inhibitor der PI3-Kinase darstellt. Die
Funktion der NADPH-Oxidase darf also nicht (nur) in der Generierung
gewebsschädigender inflammatorischer Sauerstoffradikale gesehen werden,
sondern wohl eher als zentrales Element eines „negative feedback“ Regulators der
PI3-Kinase Aktivität. Ein weiterer Negativregulator der PI3-Kinase Aktivität ist PTEN,
ein klassisches Tumorsuppressor-Molekül. Auch PTEN wird in seiner Aktivität über
Redox-Mechanismen kontrolliert: Das intrazelluläre hochpotente Antioxidans
Thioredoxin inaktiviert PTEN, mit der Folge unkontrollierter Aktivität von PI3-Kinase
und allen daraus resultierenden funktionellen Konsequenzen, zu denen maligne
Transformation und chronische Entzündung gehören (Abb. 3).
Maligne Transformation und chronische Entzündung, 2 miteinander auch klinisch eng
verbundene Entitäten, teilen sich wesentliche Gemeinsamkeiten auf molekularer
Grundlage: Beide beruhen wahrscheinlich vor allem auf defekten „Off-Signals“, deren
bessere Kenntnis gezieltere Möglichkeiten zur kurativen Intervention ermöglichen
könnten.
6
7
Die schöne neue Welt der Endoskopie in Ösophagus und Magen
A. Hoffman
Interdisziplinäre Endoskopie, Universitätsmedizin Mainz
Einleitung
Die moderne Medizin ist geprägt durch die rasant fortschreitende Entwicklung der
Computer- und Chiptechnologie mit den damit verbundenen neuen Möglichkeiten der
Bildgebung. Einen führenden Stellenwert in der Gastroenterologie nimmt hierbei die
Entwicklung neuer bildgebender Verfahren in der Endoskopie ein.
High-Definition-Endoskopie
Die hochauflösende Endoskopie kann heute mehr als 1 Million Bildsignale pro Bild
analysieren und durch den neuen Fernsehstandard HDTV bis zu 1080 Videozeilen
pro Einzelbild darstellen, wodurch endoskopische Bilder in einer nie da gewesenen
Detailtreue möglich werden. Des Weiteren kann die hochauflösende Endoskopie mit
der Chromoendoskopie (konventionell oder virtuell) oder der Magnifikations-
endoskopie kombiniert werden.
Chromoendoskopie
Die Chromoendoskopie erfährt heute aktuell eine Renaissance, da die Kombination
von hochauflösender Endoskopie und intravitaler Färbung zu einer besonders
detailreichen Oberflächenstrukturierung führt (1).
Farbstoffe und Färbemethoden Lugolsche Lösung
Die Lugolsche Lösung ist ein jodhaltiger, absorptiver Farbstoff und wird in der Regel als
1–3%ige Lösung (15–20 ml) eingesetzt. Die Anwendung von Lugolscher Lösung dient in
erster Linie dem Erkennen von intraepithelialen Neoplasien und Frühkarzinomen des
Plattenepithels in der Speiseröhre (2–4). Diese Läsionen sind ohne Färbung oft nicht
oder nur sehr schwer von der normalen Schleimhaut zu unterscheiden.
8
Methylenblau
Methylenblau wird von resorptiver Schleimhaut aufgenommen und führt zu einer
intensiven, reversiblen Blaufärbung der Mukosa (5).
Interessanterweise färbt Methylenblau selektiv das spezialisierte Epithel der Metaplasie
der unteren Speiseröhre, was die Diagnostik des Barrett-Ösophagus verbessert. Die
verlässliche Diagnostik des Barrett-Epithels wird jedoch konterkariert durch das zeitlich
aufwendige Färbeprotokoll und die unzulänglichen Daten bezüglich der Dysplasie-
diagnostik (6).
Essigsäure
Die Essigsäure ist die Kürzeste der Fettsäuren und wird als 1,5%ige Lösung
(10–15 ml) für die Kontrastanhebung in der Endoskopie genutzt (7–8) (Abb. 1).
Die ersten Erfahrungen mit Essigsäure zur Diagnostik des Barrett-Ösophagus stammen
von Guelrued et al., der wiederkehrende, typische Schleimhautmuster im Bereich des
gastroösophagealen Übergangs in 4 Klassen graduierte (7).
Virtuelle Chromoendoskopie Die moderne Prozessortechnologie der hochauflösenden Endoskopiesysteme
eröffnet neuerdings das Anschalten verschiedener Farbfilter während der laufenden
endoskopischen Untersuchung. Damit können einzelne Strukturmerkmale innerhalb
der Schleimhaut selektiv hervorgehoben werden. Zur Erzeugung der Farbfilter wird
entweder das einfallende Licht durch Filter moduliert (NBI-Technik) oder das
reflektierte Licht wird verarbeitet (FICE- oder i-Scan-Technik).
Narrow-Band-Imaging
Das Narrow-Band-Imaging (NBI) ist das bislang etablierteste Verfahren der
Filtertechnologien zur Verbesserung der Differenzierung zwischen neoplastischen
und nicht-neoplastischen Schleimhautarealen (9–12). Neben der Beurteilung der
Mikroarchitektur von Barrett-assoziierten Neoplasien ist vor allem die Kombination
zwischen hochauflösender Endoskopie und NBI für die verbesserte Diagnostik
verantwortlich (13).
i-Scan- und FICE-Imaging Sowohl i-Scan (Pentax, Europe) als auch FICE (Fujinon, Europe) basieren auf
Softwareapplikationen, die rechnerisch die Wellenlängenbereiche des Lichts
9
verändern. Dadurch können einzelne Anteile der Schleimhaut wie die
Oberflächenstruktur und die Gefäßverzahnung selektiv dargestellt werden. Im oberen
Gastrointestinaltrakt konnte gezeigt werden, dass durch den Einsatz der
Oberflächenakzentuierung (Surface Enhancement) sowie der Gewebedifferenzierung
(p-mode) und Gefäßakzentuierung (v-mode) eine genauere Diagnostik von Läsionen
möglich ist (14) (Abb.2).
Autofluoreszenz Das Prinzip der Fluoreszenzdiagnostik beruht darauf, dass Licht einer bestimmten
Wellenlänge (~ 400–500 nm) mit Fluorophoren in der Submukosa interagiert. In einer
Studie konnte Kara den diagnostischen Vorteil der Autofluoreszenzendoskopie in der
Barrett-Diagnostik zeigen (15). Moderne Endoskopiesysteme können die Vorteile der
hochauflösenden Endoskopie, der Autofluoreszenz und des Narrow-Band-Imaging in
einem Endoskop als „Trimodales Imaging“ vereinen, mit den Ziel, den hohen Anteil
an falsch-positiven Ergebnissen zu vermindern (16) (Abb. 3).
Konfokale Endomikroskopie
Mit der konfokalen Endomikroskopie steht erstmals ein endoskopisches Verfahren
zur Verfügung, das neben der Analyse der Oberflächenstruktur eine mikroskopische
Analyse zellulärer Strukturen der Mukosa in vivo zulässt (Endomikroskopie) (17, 18).
Der entscheidende Unterschied im Vergleich zu allen anderen Techniken ist, dass
hier die Dignität einer Läsion nicht vorhergesagt, sondern unmittelbar in vivo
mikroskopisch bestimmt werden kann. Die konfokale Laserendoskopie wird durch
einen Argonlaser der Wellenlänge von 488 nm (blaues Laserlicht) ermöglicht,
welcher multiple Punkte der Schleimhaut abscannt. Das zweite Endomikroskopie-
system ist katheterbasiert (Mauna Kea, Frankreich) und kann somit über den
Arbeitskanal eines beliebigen Endoskops vorgeschoben werden. Allgemein ist die
Endomikroskopie nur in Kombination mit Kontraststoffen möglich, die eine
Fluoreszenz in dem untersuchten Schleimhautgebiet ermöglichen. Als sehr innovativ
erwies sich die neue Technologie in der Diagnostik des Barrett-Ösophagus (19)
(Abb. 4).
10
Literatur: 1. Jung M, Kiesslich R. Chromoendoscopy and intravital staining techniques.
Baillieres Best Pract Res Clin Gastroenterol. 1999; 13: 11–19. 2. Ban S, Toyonaga A, Harada H, Ikejiri N, Tanikawa K. Iodine staining for early
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11
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Abb. 1: Barrett-Ösophagus nach Färbung mit Essigsäure
A: Lachsfarbene Zylinderepithelzungen am gastroösophagealen Übergang B: Oberflächenanhebung nach lokaler Applikation von Essigsäure C: Typisches villöses Epithel, Typ IV nach Guelrud D: Histologische Bestätigung einer intestinalen Metaplasie
12
Abb. 2: Narrow-Band-Imaging beim Plattenepithelkarzinom
A: Weißlichtendoskopie B: Narrow-Band-Imaging C: Lugolfärbung D: Ovoid lesions Abb. 3: Refluxösophagitis nach Lugolfärbung und unter i-Scan
A: Weißlichtendoskopie B: Los Angeles A nach Lugolfärbung C: Los Angeles A unter i-Scan v-mode (vessel mode) D: Los Angeles A unter i-Scan p-mode (pattern mode)
13
Abb. 4: Konfokale Darstellung des Barrett-Ösophagus
Typische Zylinderepithelzunge (A) in der videoendoskopischen Aufsicht. In der endomikroskopischen Darstellung können neben villösen Krypten die für die inkomplette intestinale Metaplasie (Barrett-Metaplasie) charakteristischen Becherzellen (B, Pfeile) dargestellt werden. Die inkomplette intestinale Metaplasie kann in der konventionellen Histologie (C) bestätigt werden. Die in-vivo-Diagnose des Barrett-Ösophagus ist mithilfe der konfokalen Endomikroskopie möglich. Korrespondenzadresse: Dr. Arthur Hoffman I. Med. Klinik und Poliklinik Universitätsmedizin Mainz der Johannes Gutenberg Universität Langenbeckstr. 1 55131 Mainz Tel.: (0 61 31) 17 72 99 Fax: (0 61 31) 17 55 52
14
Bildgebung am Dünndarm – Was ist effektiv?
U. Wahnschaffe
Innere Medizin, Ev. Waldkrankenhaus Spandau, Berlin
Die Dünndarmdiagnostik basierte ursprünglich nahezu ausschließlich auf der
radiologischen Doppelkontrastuntersuchung, die somit über viele Jahre auch den
Goldstandard zur Fragestellung pathologischer Veränderungen am Dünndarm
darstellte. Auch heute noch stellen die in der Radiologie ansässigen
Schnittbildverfahren eine wichtige Säule der bildgebenden Untersuchungsverfahren
des Dünndarms dar, wobei das klassische Enteroklysma nach Sellink mittlerweile
immer häufiger durch das CT-Sellink oder MRT-Sellink ersetzt wird.
Besonders durch die technische Weiterentwicklung hat auch die transabdominelle
Sonografie in den letzten Jahren ihren Stellenwert in der Dünndarmdiagnostik
ausgebaut. Als ubiquitär verfügbares Untersuchungsverfahren erlaubt die Sonografie
für viele Fragestellungen hoch spezifische Diagnosen. Zudem eignet sich die
Sonografie (als derzeit am wenigsten den Patienten belastendes Verfahren) als
Methode der Wahl in der engmaschigen Verlaufskontrolle.
Mit dem Beginn des 21. Jahrhunderts wurde die Dünndarmdiagnostik durch die
Einführung der beiden endoskopischen Untersuchungsverfahren der
Kapselendoskopie und nachfolgend der Ballon-Enteroskopie nochmals deutlich
erweitert. Dabei ist besonders die Ballon-Enteroskopie, durch die über die visuelle
Diagnostik hinausgehende Möglichkeit der Probenentnahme sowie deren Möglichkeit
der interventionellen Therapie, eine wichtige Ergänzung, die heute aus der modernen
diagnostischen und therapeutischen Endoskopie nicht mehr wegzudenken ist.
Zusammenfassend stehen für die Dünndarmdiagnostik zahlreiche bildgebende
Untersuchungsverfahren zur Verfügung, die es erlauben, den gesamten Dünndarm
sowohl visuell als auch ergänzend morphologisch zu untersuchen. Dabei wird die
Kombination von Art und Anzahl der einzelnen Verfahren entscheidend bestimmt von
der klinischen Fragestellung und ist für jeden Patienten individuell festzulegen.
15
Früherkennung und Prävention des Magenkarzinoms
J. Bornschein, P. Malfertheiner
Otto-von-Guericke Universität Magdeburg, Klinik für Gastroenterologie, Hepatologie
und Infektiologie, Magdeburg
Abstract Das Magenkarzinom ist zum Zeitpunkt der Diagnosestellung meist fortgeschritten
und die Chancen auf eine Heilung nur noch gering. Dies verweist auf die
Notwendigkeit einer Verbesserung der Früherkennung und Prävention.
Zur Früherkennung ist die Endoskopie das effektivste Verfahren, sie kann jedoch in
Europa aufgrund des ungünstigen Kosten-Nutzen-Verhältnisses nicht für ein
generelles Massenscreening empfohlen werden. Hier sind günstige und einfach
applizierbare Methoden wie beispielsweise serologische Testverfahren gefragt, um
Hochrisiko-Patienten zu selektionieren, die dann einem gezielten endoskopischen
Screening zugeführt werden.
Helicobacter pylori (H. pylori) ist der wichtigste Risikofaktor für das Magenkarzinom,
was durch eine klare Kausalkette belegt ist. Die H. pylori-Eradikation als Strategie für
eine effektive Prävention konnte bisher nur selektiv und bei Risikogruppen umgesetzt
werden.
COX-Inhibitoren und Modulatoren gastrinabhängiger Signalwege werden aktuell auf
ihr Potenzial hinsichtlich einer Hemmung der gastralen Karzinogenese untersucht.
Diätetische Einflüsse und Wirtsfaktoren wie Mutationen im E-Cadherin-Gen müssen
bei der Erstellung eines individuellen Risikoprofils Berücksichtigung finden.
Hintergrund und Epidemiologie Das Magenkarzinom steht, trotz eines generellen Rückgangs der Inzidenz in den
Industrienationen, nach wie vor weltweit an zweiter Stelle hinsichtlich tumorbedingter
Todesfälle. Global betrachtet zeigt sich eine starke regionale Variabilität bezüglich
Inzidenz und Mortalität (Tab. 1). Auch in Deutschland wird jährlich bei knapp
20.000 Patienten die Diagnose eines Magenkarzinoms gestellt (3).
Verbesserte hygienische und allgemeine Lebensbedingungen, aber insbesondere
der Rückgang der H. pylori-Infektion, werden für den rückläufigen Trend in der
westlichen Welt verantwortlich gemacht. Dies gilt nicht für die Entwicklungsländer.
Hier wird im Rahmen des stetigen Bevölkerungszuwachses eher mit einer weiteren
16
Zunahme der Neuerkrankungen um etwa 19% bis 2010 und darüber hinaus
gerechnet (19). In den westlichen Ländern zeichnet sich eine Verschiebung der
Lokalisation des Magenkarzinoms ab, mit einer deutlichen Zunahme von Karzinomen
des proximalen Magens beziehungsweise des ösophagogastralen Übergangs. Für
eine exakte Zuordnung der Neoplasien am ösophagogastralen Übergang sollte die
Trennung nach der von Siewert und Stein vorgeschlagenen AEG-Klassifikation
erfolgen (AEG = adenocarcinoma of the esophagogastric junction) (21). Eine
konsequente Einteilung dieser Tumoren ist von größter Bedeutung, da bis heute
kontrovers diskutiert wird, inwieweit sich proximale von distalen Magenkarzinomen
hinsichtlich ihres Risikoprofils (insbesondere H. pylori-Infektion und gastro-
ösophageale Refluxerkrankung) und ihrer molekularbiologischen Charakteristika
unterscheiden. Die 1965 von Laurén vorgeschlagene histologische Einteilung in
einen intestinalen und einen diffusen Typ besitzt weiterhin Gültigkeit (Tab. 2).
Trotz Aufdeckung grundlegender molekularer Mechanismen, die zur Entstehung und
zum Fortschreiten der Erkrankung führen, sind die Resultate im Hinblick auf eine
Weiterentwicklung von sowohl Therapieoptionen als auch Früherkennungsmaß-
nahmen enttäuschend. 80% der Patienten werden in fortgeschrittenem Tumor-
stadium diagnostiziert, wenn eine kurative – zumeist operative – Therapie nicht mehr
möglich ist. In der Regel besteht bei Diagnosestellung nur eine sehr kurze Anamnese
von Alarmsymptomen wie Gewichtsverlust, Appetitverlust, Anämie, begleitet von
epigastrischen Schmerzen und Übelkeit mit Erbrechen. 40% der Patienten
präsentieren sich sogar ohne jegliche dyspeptische Beschwerden (Abb. 1) (20).
Die Möglichkeiten der Primärprävention sind nach wie vor sehr eingeschränkt, da
allein die H. pylori-Infektion einen klar definierten Risikofaktor darstellt, der
präventiven Maßnahmen zugänglich ist. Dementsprechend wird der Sekundär-
prävention durch Früherkennungs- und Screeningmaßnahmen große Bedeutung
beigemessen.
Screening der Bevölkerung Studien zur Wertigkeit eines Massenscreenings der allgemeinen Bevölkerung auf
das Vorliegen von Magenkarzinomen oder Vorläuferläsionen sind bislang nur in
asiatischen Regionen mit hoher Inzidenz von Magenkarzinomen durchgeführt
worden. Lee et al. präsentierten eine bevölkerungsbasierte Kohortenstudie mit etwa
42.000 eingeschlossenen Individuen in Japan mit einem Follow-up von mehr als
13 Jahren (13). Bei 36% war ein Screening auf maligne Neoplasien des oberen
17
Gastrointestinaltrakts durchgeführt worden. Es zeigte sich keinerlei Unterschied
bezüglich der Inzidenz des Magenkarzinoms zwischen der gescreenten und der
nicht-gescreenten Gruppe, wohl aber ein vermindertes Auftreten von Karzinomen in
fortgeschrittenem Stadium bei gescreenten Patienten (RR 0,75). Weiterhin konnte
ein um die Hälfte vermindertes Risiko bezüglich der karzinombedingten Mortalität
gezeigt werden (RR 0,52). Dies zeigte sich umso ausgeprägter, je jünger die
Patienten waren, was einen altersabhängigen Effekt andeutet.
Das verlässlichste Verfahren zur Früherkennung und Diagnose gastraler Neoplasien
ist die Endoskopie mit der Entnahme von Standardbiopsien. Über einen 3-Jahres-
Zeitraum verglichen Tashiro et al. die Ergebnisse endoskopischer Untersuchungen
mit denen radiologischer Verfahren bei jährlich etwa 35.000 Patienten in Niigata,
Japan (23). Die Gastroskopie wies eine Nachweisrate von 87% auf, 4,6-fach höher
als die Vergleichsmethoden (Breischluck, Fotofluorografie). Auch wenn die Kosten
für die einzelne Untersuchung für die Endoskopie am höchsten lagen, so war es
doch das günstigste Verfahren, bezogen auf die Ausgaben pro entdecktem
Magenkarzinom. Man muss dabei jedoch beachten, dass diese Untersuchungen in
Regionen mit hoher Inzidenz durchgeführt wurden, in denen auch eine hohe Dichte
an extrem versierten gastroenterologischen Untersuchern bestand. Es ist mehr als
fraglich, ob sich diese Daten auf andere Regionen, insbesondere in der westlichen
Welt, übertragen lassen. In einer retrospektiven Analyse aus Singapur, die das
Kosten-Nutzen-Verhältnis eines Massenscreenings über einen Zeitraum von
24 Jahren evaluierte, zeigte sich, dass dieses nur in Moderat- bis Hochrisiko-
populationen positiv ausfällt (4). In Gegenden mit deutlich niedrigerer Inzidenz wie
Europa oder Nordamerika wird eine kostengünstige Methode, die einfach anwendbar
und ubiquitär verfügbar ist, dringend benötigt, um Individuen mit Hochrisikoprofil zu
selektionieren.
Eine allgemeine Empfehlung zu einem bevölkerungsbasierten Massenscreening
mittels Endoskopie oder radiologischer Techniken kann momentan nicht
ausgesprochen werden.
Serologische Tests In den letzten Jahren war die Suche nach validen serologischen Markern, die die
Identifizierung von Patienten mit hohem Risiko für die Entwicklung des
Magenkarzinoms ermöglichen, von äußerster wissenschaftlicher Brisanz.
Hauptsächlich lag das Augenmerk hier auf der Bestimmung einer Kombination von
18
serologischen Parametern, im Einzelnen Gastrin 17, Pepsinogen I und II und
Antikörpern gegen H. pylori.
Analysen zeigen, dass Patienten mit atrophischer Korpusgastritis erniedrigte
Pepsinogen-I-Spiegel und ein erniedrigtes Pepsinogen-I/II-Verhältnis aufwiesen,
wohingegen Gastrin 17 im Serum eher erhöht war. Im Gegensatz dazu sind bei einer
Antrum-prädominanten Gastritis die Gastrin-17-Spiegel erniedrigt. Die Kombination
dieser serologischen Parameter mit einer Bestimmung der H. pylori-Antikörper (IgG)
ermöglicht eine noch bessere Einschätzung des individuellen Risikos für die
Entwicklung eines Magenkarzinoms. Aufgrund multipler Einflussfaktoren scheinen
derartige serologische Untersuchungen jedoch eher für ein Screening auf
atrophische Gastritis als auf das Magenkarzinom geeignet (5).
Miki zeigte in einer Metaanalyse von mehr als 40 Studien mit über 300.000
eingeschlossenen Patienten, dass eine „serologische Biopsie“ heutzutage noch nicht
für ein Routinescreening für das Magenkarzinom anwendbar ist, allerdings
komplementäre Informationen liefern kann, was die Selektion von Hochrisiko-
Individuen angeht (17).
Die Entwicklung sichererer und günstigerer Methoden und die Identifikation von
validen serologischen Markern sind die wichtigsten Aufgaben für die nächsten Jahre
(Abb. 2).
Ernährung und Chemoprävention Einen mindestens ebenso großen Stellenwert wie die Weiterentwicklung und
Verbesserung von Maßnahmen und Techniken zur Früherkennung hat die
Optimierung der Primärprophylaxe des Magenkarzinoms.
Die Relevanz diätetischer Faktoren ist noch nicht eindeutig belegt, zumal multiple
Einflussfaktoren die Durchführung gezielter Studien erschweren. Eindeutig
nachgewiesen ist das karzinogene Potenzial von Nitroso-Verbindungen, wohingegen
der Einfluss von stark gesalzenen oder gepökelten Speisen noch umstritten ist (8).
Ein gewisser protektiver Effekt wird Knoblauch und Zwiebeln beigemessen. Der
allgemein angenommene positive Einfluss von Obst und Gemüse ist jedoch nicht
bewiesen, wenn auch Vieles darauf hinweist.
Der Nutzen von Antioxidanzien wie Ascorbinsäure, β-Carotin oder Tocopherol
(Vitamin E) in der Krebsprävention kann auch auf das Magenkarzinom übertragen
werden. Es wurde gezeigt, dass diese Substanzen im Falle einer H. pylori-
induzierten Gastritis vermindert vorliegen und dass eine Substitution einen weiteren
Progress präneoplastischer Veränderungen hemmen kann.
19
1997 untersuchten Tredaniel et al. in einer Metaanalyse von 40 Studien inwieweit
Rauchen das Risiko für gastrale Malignome erhöht (24). Sie berichteten von einer
kausalen Beteiligung bei 11% aller gastralen Adenokarzinome weltweit, mit einem
bei Rauchern erhöhten Risiko um den Faktor 1,5–1,6 im Vergleich zu Nichtrauchern.
Ausgeprägter Alkoholkonsum ist eher assoziiert mit Tumoren des Ösophagus als des
Magens und spielt daher nur eine untergeordnete Rolle in der gastralen
Karzinogenese.
Weiter im Brennpunkt als mögliche präventiv einsetzbare Substanzen stehen
Inhibitoren der Cyclooxygenase wie traditionelle nicht-steroidale Antirheumatika
(NSAR) oder auch spezifische COX-2-Hemmer. COX-2-Inhibitoren haben in
mehreren Studien einen hemmenden Effekt hinsichtlich der Entstehung und des
Progresses von Magenkrebs gezeigt und teilweise sogar eine Remission bzw.
Reversibilität präneoplastischer Läsionen bewirkt (Tab. 3) (18). Hier ist intensive
Forschung gefragt, um diese Daten zu bestätigen und die dahinter stehenden
Mechanismen zu beleuchten.
Ein weiterer Angriffspunkt sind gastrinabhängige Signalwege, die in den letzten
Jahren vermehrt in den Fokus des Interesses gerückt sind. Die Relevanz dieses
gastralen Hormons für eine intakte mukosale Homöostase wurde eingehend
untersucht und seine komplexe Rolle in der gastralen Karzinogenese aufgedeckt.
Diese liegt in der Regulation von sowohl Proliferation als auch Angiogenese und der
Bildung invasiver Gewebeverbände (27). Es zeigt sich auch ein Einfluss des Gastrins
auf H. pylori-bedingte mukosale Veränderungen. In Tiermodellen konnte gezeigt
werden, dass eine Antagonisierung einer konstitutiven Gastrinexpression und
-sekretion bei INSGAS-Mäusen mit H. felis-induzierter Gastritis eine Verzögerung
oder sogar einen Arrest einer weiteren Atrophie und des Fortschreitens zu malignen
Läsionen mit sich bringt (22). Die Möglichkeiten der Modulation gastrinabhängiger
Signalwege bedürfen allerdings noch weiterer Untersuchungen unter klinischen
Bedingungen.
Das familiäre (genetisch bedingte) Magenkarzinom Hereditäre genetische Veränderungen sind für 5–10% aller Magenkarzinome
verantwortlich (2). Die Mehrheit in solchen Fällen stellen Adenokarzinome vom
diffusen Typ dar, wohingegen bei intestinalen Karzinomen die Akkumulation von
Umweltfaktoren relevanter erscheint als Keimbahnmutationen bestimmter Gene.
Aktuell am besten charakterisiert ist die Keimbahnmutation des E-Cadherin-Gens auf
20
Chromosom 16, welche erstmals 1998 von Guilford et al. beschrieben wurde. Der
Verlust des funktionell aktiven E-Cadherin-Gens ist verantwortlich für eine
Verminderung der Zell-Zell-Kontakte des Epithels, was die Voraussetzungen schafft
für zelluläre Migration und die Bildung invasiv wachsender Gewebeverbände. Eine
Fehlbindung im E-Cadherin/β-Catenin-Komplex löst β-Catenin von den Membranen
und bedingt einen größeren zytoplasmatischen Pool, der mit zur Aktivierung der Wnt-
Signalkaskade beiträgt. Dies und die β-Catenin-assoziierte Aktivierung der T-Zell-
Faktor (TCF)-abhängigen Transkription führt zur Aktivierung mehrerer weiterer
Zielgene wie Zyklinen und Matrixmetalloproteinasen, denen entscheidende
Bedeutung für die Initiation von gastralen Karzinomen beigemessen wird.
Die Mutation des E-Cadherin-Gens (CDH I) ist autosomal-rezessiv, wobei ein Allel in
der Regel verändert ist und das zweite direkt in der gastralen Mukosa deaktiviert wird
(z. B. durch Hypermethylierung, somatische Mutationen, „Loss of heterogenicity“,
intrasequenzielle Deletion oder spezifische Polypmorphismen). Es sind über
30 verschiedene Mutationen bekannt, die für mindestens 30% der hereditären
diffusen Magenkarzinome ursächlich verantwortlich gemacht werden, mit einer
Pentranz von 75–80%. CDH-I-Mutationen spielen allerdings nicht nur eine Rolle bei
hereditären Karzinomen. In 40–80% aller primär gastralen Adenokarzinome konnte
eine Hypermethylierung des CDH-I-Promotors gezeigt werden. Weiterhin gut
charakterisiert sind Polymorphismen des IL1β-Gens, welche ebenfalls mit einem
erhöhten Risiko für Magenkarzinome assoziiert sind (OR 1,9) (7). Dies zeigt sich
noch deutlicher, wenn gleichzeitig auch das TNF-α-Gen betroffen ist.
Falls bei Familienmitgliedern von Patienten mit Magenkrebs eine der entscheidenden
Mutationen nachgewiesen wird, sollte ein striktes Vorsorgeregime empfohlen
werden. Umstritten ist nach wie vor die Empfehlung einer prophylaktischen
Gastrektomie, welche jedoch bei Individuen mit hohem Risikoprofil in Erwägung
gezogen werden sollte. Erstgradige Angehörige von Patienten mit Magenkarzinomen
sollten generell auf das Vorhandensein einer H. pylori-Infektion untersucht werden.
Helicobacter pylori 1994 definierte die „International Agency for the Research on Cancer“ (IARC) den H.
pylori als Karzinogen der Klasse I, im Hinblick auf seine kausale Beteiligung in der
Entwicklung des Magenkrebs. Ein mehrstufiger Prozess, der von einer H. pylori-
bedingten Gastritis über eine chronisch atrophische Gastritis, eine intestinale
21
Metaplasie und niedrig- bis höhergradige dysplastische Veränderungen bis hin zu
invasiven Karzinomen führt, konnte nur in Tiermodellen nachvollzogen werden (16).
Zwei asiatische Arbeitsgruppen demonstrierten 1998 diese erstmals von Correa
beschriebenen sequenziellen mukosalen Veränderungen in Helicobacter-infizierten
Wüstenrennmäusen (10, 26). Die H. pylori-induzierten molekularen Veränderungen,
die dabei auftreten (Abb. 3) wirken sich vor allem auf die Zellproliferation und das
Zellwachstum sowie auch auf einen Verlust der Zell-Zell-Kontakte und eine
verstärkte Angiogenese aus und sind vor allem für das Karzinom vom intestinalen
Typ gut beschrieben. Zum Teil können diese Prozesse jedoch auch in gleichem
Maße bei Karzinomen vom diffusen Typ nachvollzogen werden (14).
Epidemiologische Daten zur Prävalenz der H. pylori-Infektion bei Patienten mit
Magenkarzinom zeigten ein deutlich erhöhtes Risiko durch die Infektion. Uemura et
al. zeigten bei 1500 Patienten, die wegen dyspeptischer Beschwerden oder Ulzera
des Magens eine endoskopische Untersuchung des oberen Gastrointestinaltrakts
erhalten hatten, dass Magenkarzinome ausschließlich bei H. pylori-positiven
Patienten auftraten (25). In einer Metaanalyse von Huang, der die Ergebnisse aus
insgesamt 19 Studien mit etwa 2500 Magenkarzinom-Patienten und beinahe
4000 Kontrollen auswertete, lag die Odds-Ratio (OR) für die Entstehung eines
gastralen Adenokarzinoms bei 1,92 für H. pylori-positive Patienten (11). Die
„Helicobacter and Cancer Collaborative Group“ fasste die Daten aus
12 Fallkontrollstudien zusammen und konnte sogar ein noch höheres Risiko
demonstrieren, mit einer OR von 3,0–5,92, je nachdem, zu welchem Zeitpunkt vor
Erstdiagnose der serologische Nachweis der H. pylori-Infektion geführt wurde (1).
Entscheidend für das Helicobacter-bedingte Risiko für die Entwicklung eines
Magenkarzinoms sind auch bakterielle Virulenzfaktoren, von denen CagA die größte
onkogene Relevanz zu besitzen scheint. Eine Metaanalyse bezüglich des
zusätzlichen Einflusses durch bakterielle Virulenzfaktoren zeigte eine zusätzliche
Erhöhung des Risikos um den Faktor 1,64 im Falle einer Infektion mit CagA-positiven
Stämmen im Vergleich zu CagA-negativen (16 Studien mit 5054 eingeschlossenen
Patienten) (12). Ekström konnte die Relevanz des CagA-Status für eine realistische
Risikoeinschätzung der Helicobacter-bedingten Magenkarzinogenese bestätigen.
Wurde der H. pylori-Status allein durch einen IgG-ELISA bestimmt, zeigte sich eine
OR von 2,2 für die Entstehung eines Magenkarzinoms. Wurde auch der CagA-Status
in die Analyse miteinbezogen, stieg die OR auf 21,0, also fast das 10-fache (6).
Eine gewisse wirtsbedingte Suszeptibilität hinsichtlich einer H. pylori-assoziierten
22
mukosalen Schädigung sollte jedoch nicht außer Acht gelassen werden. So zeigen
Angehörige von Patienten mit Magenkarzinomen eine signifikant stärker ausgeprägte
H. pylori-bedingte Entzündung als Patienten ohne positive Familienanamnese.
Letztendlich bleibt jedoch die entscheidende Frage, ob eine Eradikation des Keims
das Potenzial besitzt, die Entstehung des Magenkarzinoms zu verhindern, wie sich
dies in Tiermodellen andeutet (14).
Obwohl mehrere Humanstudien eine Reduktion prämaligner Läsionen nach
Eradikation demonstrierten, ist die Datenlage bezüglich einer mittels Eradikation
durchführbaren Prävention des Magenkarzinoms äußerst unbefriedigend und bei
Weitem nicht ausreichend. Mehrere groß angelegte Studien aus asiatischen
Regionen mit hohen Inzidenzraten zeigen positive Resultate, leider jedoch meist
ohne statistische Signifikanz, sodass der definitive Beleg für einen Nutzen der
Eradikation von H. pylori zur Prävention gastraler Adenokarzinome noch aussteht
(16). In einer prospektiven, randomisierten, Plazebo-kontrollierten Studie mit
1630 Patienten mit 7 Jahren Nachbeobachtungszeit demonstrierte Wong eine
geringere Inzidenz des Magenkarzinoms nach H. pylori-Eradikation. Dies bezog sich
allerdings nur auf Patienten, die initial keine präkanzerösen Läsionen zeigten (28).
Einen endgültigen Beweis für den Nutzen der Eradikationstherapie zur
Magenkarzinomprävention konnte auch diese Studie nicht erbringen. Graham
kalkulierte, dass für eine adäquate Analyse der Einschluss von 17.625 Patienten
nötig wäre (9). Eine derartige Studie ist jedoch aufgrund offensichtlicher ethischer
Aspekte nicht vertretbar.
Aktuell gibt es keine breite Anwendung der H. pylori-Eradikation als
Präventivmaßnahme zur Bekämpfung des Magenkarzinoms. Die Hauptargumente
gegen diese Indikation sind im Wesentlichen a) das fehlende Kosten-Nutzen-
Verhältnis in Regionen niedriger Inzidenz, b) die nach wie vor komplexe Therapie
(Tripeltherapie in Deutschland: Amoxicillin, Clarithromycin und ein Protonen-
pumpeninhibitor) und c) der unweigerliche Anstieg der sowohl spezifischen als auch
allgemeinen Antibiotika-Resistenz. Eine Alternative zur Tripeltherapie existiert noch
nicht. In den letzten Jahren wurde die Möglichkeit einer Impfung gegen H. pylori
intensiv untersucht. Jedoch ist es trotz engagierter Forschung noch nicht gelungen,
eine wirksame Vakzine zu entwickeln, die für eine breite Erprobung in der klinischen
Routine zur Verfügung steht.
In Deutschland liegt eine „Test-and-Treat“-Strategie noch in ferner Zukunft. Lediglich
für Patienten mit definiertem Risikoprofil sollte dies angeraten werden, wie z. B.
23
Individuen mit peptischer Ulkuserkrankung, erstgradigen Verwandten von Patienten
mit Magenkarzinomen, Patienten nach kurativer Resektion von Magenkarzinomen,
allerdings auch Personen, bei denen eine Langzeittherapie mit entweder
Säureblockern oder auch nicht-steroidalen Antirheumatika (NSAR) vorgesehen ist.
Weiterhin sollte eine Überprüfung des Helicobacter-Status bei Patienten mit
präneoplastischen mukosalen Alterationen (intestinale Metaplasie, mukosale
Atrophie) erfolgen.
Auch wenn das „Teste-und-Behandle“ bei der H. pylori-Infektion noch nicht in Sicht
ist, so sollten doch Algorithmen zur Überwachung von Patienten mit H. pylori-
assoziierten präneoplastischen Veränderungen etabliert werden. Es besteht
nachhaltige Evidenz, dass der Zeitpunkt der Eradikation entscheidend ist, was die
Prävention von Magenkarzinomen betrifft. Wenn derartige mukosale Veränderungen
(Atrophie der Drüsenkörper, intestinale Metaplasie) bereits vorhanden sind, hat die
Beseitigung des Helicobacter nur noch einen limitiert hemmenden Effekt auf ein
weiteres Fortschreiten zur malignen Neoplasie. Eine wesentliche Herausforderung
besteht in der Definition des sogenannten „point of no return“, ab dem eine
Remission der Läsionen nicht mehr möglich ist. Dieser Sachverhalt muss jedoch neu
diskutiert werden, nachdem jüngere Langzeitstudien gezeigt haben, dass nach
längerer Nachbeobachtung (zum Teil mehr als 10 Jahre) bei einem Anteil der
Patienten doch eine Remission auftreten kann. Auch wenn diese Frage noch nicht
eindeutig beantwortet ist, sollte die regelmäßige endoskopische Überwachung von
Patienten mit präneoplastischen Läsionen dringend empfohlen werden (15).
Zusammenfassung Entgegen dem globalen Rückgang der Inzidenz gastraler Adenokarzinome, sind sie
dennoch eine der bedrohlichsten malignen Erkrankungen mit nur begrenzten
therapeutische Optionen und einer sehr eingeschränkten klinischen Prognose.
Neben den Anstrengungen, neue Therapiemodalitäten zu entwickeln, liegt die größte
Herausforderung der kommenden Jahre in der Entwicklung und Etablierung von
fundierten Strategien zur Früherkennung und Prävention des Magenkarzinoms.
Einfache und kostengünstige diagnostische Methoden sind erforderlich, um weltweite
Screening-Programme zur Identifikation von Hochrisiko-Patienten zu ermöglichen,
die dann einem ausführlicheren Überwachungsprogramm zugeführt werden.
Bestehende Optionen, wie die Detektion und Eradikation des H. pylori sollten auf
einer globalen Basis verfügbar gemacht werden.
24
Abb. 1: Endoskopisches Bild eines Magenkarzinoms Abgebildet ist ein präpylorisch, an der Magenvorderwand liegendes, gering differenziertes Adenokarzinom vom diffusen Typ. Der Patient hatte sich initial mit Teerstuhl und Makrohämaturie bei Überdosierung von Vitamin-K-Antagonisten vorgestellt. Dyspeptische Beschwerden wurden verneint.
Abb. 2: Ansätze zur Prävention des Magenkarzinoms Zur Primärprophylaxe stehen noch keine validierten Optionen zur Verfügung, die H. pylori-Eradikation zeigt jedoch das größte Potenzial. Ein generelles Screening kann in Deutschland nicht empfohlen werden, vielmehr sollten Hochrisikopatienten vorselektioniert werden, die dann einem endoskopischen Screening mit Biopsieentnahme zugeführt werden. Die in Asien routinemäßig eingesetzten radiologischen Verfahren sind in Deutschland obsolet.
25
Abb. 3: H. pylori-induzierte Karzinogenese Dargestellt ist die schematische Abfolge der „Correa-Sequenz“, nach der eine H. pylori-induzierte chronisch aktive Gastritis stufenweise über mukosale Alterationen zu einem gastralen Magenkarzinom vom intestinalen Typ führen kann. Die exakte Sequenz ist in der humanen Karzinogenese noch nicht bewiesen. Einzelne Schritte können ausgelassen werden. Umstritten ist nach wie vor der „point of no return“, d. h. der Punkt in der Sequenz, ab dem kein Regress der Läsionen mehr möglich ist bzw. eine H. pylori-Eradikation keinen Einfluss auf ein weiteres Fortschreiten der mukosalen Veränderungen hat. Ebenso fraglich sind die Alterationen, die zur Entwicklung diffuser Magenkarzinome führen. Tab. 1: Inzidenz und Mortalität des Magenkarzinoms in absoluter Anzahl sowie der relative Anteil an allen malignen Erkrankungen. (modifiziert nach Referenz [19], [3]) Männer Frauen Gesamt Männer Frauen Gesamt Global (absolut) 603.419 330.518 933.937 446.052 254.297 700.349
Global (relativ) 10,4% 6,5% 8,6% 11,8% 8,7% 10,4%
Deutschland (absolut) 11.131 8240 19.371 6578 5797 12.375
Deutschland (relativ) 5,1% 4,0% 4,6% 6,0% 5,8% 5,9%
26
Tab. 2: Morphologische, klinische und epidemiologische Charakteristika des diffusen und des intestinalen Magenkarzinoms. Merkmal Intestinaler Typ Diffuser Typ Makroskopie Exophytisch, polypös, fokal Ulzerierend, diffus Mikroskopie Glandulär Keine geordnete Architektur,
Siegelringzellen Vorläuferläsion Atrophische Gastritis,
intestinale Metaplasie Nicht-atrophische Gastritis
Prämaligne Läsion Adenom, Dysplasie („Correa-Sequenz“)
Foveoläre Hyperplasie (?)
Alter Höheres Alter Alle Altergruppen, insbesondere auch jüngeres Alter
Geschlecht Männer > Frauen Männer = Frauen Prädilektionsstelle Antrum und Angulusfalte Gesamter Magen, v. a. KorpusMetastasen Lymphknoten, Leber Lymphknoten, diffuse Aus-
breitung in benachbarte Strukturen
Assoziation zu H. pylori
Wichtigster Risikofaktor Wichtigster Risikofaktor
Tab. 3: Epidemiologische Studien zu COX-Inhibitoren in der Prävention des Magenkarzinoms (Tabelle und Literatur nach Referenz [18]) Autor Jahr Studien-
protokoll Patienten Medikation Dauer OR 95% CL
Thun 1993 Kohorten-studie
635.031 Aspirin > 10 Jahre 0.53 0.34–0.81
Farrow1 1998 Fallkontroll-studie
629 Asprin oder NSAR
– 0.46 0.31–0.68
Zaridze1,2 1999 Fallkontroll-studie
448 Aspirin oder NSAR
2 Tage/Woche für 6 Monate
0.60 0.41–0.90
Coogan 2000 Fallkontroll-studie
254 NSAR 4 Tage/Woche für 3 Monate
0.30 0.10–0.60
Langman 2000 Fallkontroll-studie
613 NSAR 7 x in
13–36 Monaten
0.51 0.33–0.79
Akre1 2001 Fallkontroll-studie
567 Aspirin > 30 Tabletten/ Monat
0.70 0.60–1.00
Sorensen 2003 Kohorten-studie
172.057 NSAR > 10 Verschrei-bungen
0.703 0.40–1.10
1Daten bezogen auf nicht-kardiale Magenkarzinome 2Senkung des Risikos auf H. pylori-positive Patienten beschränkt 3SIR = standardisierte Inzidenzratio
27
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Korrespondenzadresse: Prof. Dr. Peter Malfertheiner Otto-von-Guericke Universität Klinik für Gastroenterologie, Hepatologie und Infektiologie Leipziger Str. 44 39120 Magdeburg Tel.: (03 91) 67 13-100 Fax: (03 91) 67 13-105 E-Mail: [email protected]
29
Häufig übersehen – die Zöliakie
B. Lembcke
Medizinische Klinik, St. Barbara-Hospital, Gladbeck
Unter den Erkrankungen des Dünndarms sind als Hauptursachen für ein globales
Malassimilationssyndrom die ausgedehnte Resektion (Kurzdarmsyndrom), die
einheimische Sprue (= Zöliakie), die Lambliasis, der M. Whipple und die tropische
Sprue (schwere bakterielle Überwucherung mit partieller Zottenatrophie nach
Tropenaufenthalt) zu nennen.
Dabei beinhaltet die einheimische Sprue (die jetzt einheitlich auch bei erwachsenen
Patienten als Zöliakie angesprochen werden soll), eine facettenreiche Erkrankung,
die ihre originäre pathophysiologische Problematik im Dünndarm hat und daher eine
entsprechende Klinik aufweist. Bei subtiler oder subklinischer intestinaler
Symptomatik stehen aber mitunter durchaus auch andere extraintestinale Symptome
im Vordergrund. Das (zeitgerechte) Erkennen einer Zöliakie hat für den betroffenen
Patienten eine dramatische Bedeutung, bedingt aber ärztlicherseits profunde
differenzialdiagnostische Kenntnisse und Erfahrungen. Neue methodische
Entwicklungen haben jedoch den diagnostischen Zugang zu dieser
Dünndarmerkrankung deutlich verbessert.
Definition: Als einheimische Sprue (Zöliakie) wird die lebenslang persistierende
Unverträglichkeit des menschlichen Organismus gegenüber Gliadin, einer Fraktion
des sog. Klebereiweißes (Gluten) verstanden, die zu tief greifenden Störungen der
Morphologie und Funktion des Dünndarms führt. Charakteristisch, aber nur die
„Spitze des Eisbergs“, ist die Abflachung der Dünndarmmukosa im Sinne einer
totalen oder subtotalen villösen Atrophie (manifeste Sprue).
Diese klassische Definition der einheimischen Sprue umfasste also grundsätzlich
• den Nachweis der Zottenatrophie (duodenale Biopsie oder jejunale
Dünndarmbiopsie) sowie
• den Nachweis des Ansprechens auf diätetischen Glutenentzug (klinische und
morphologische Besserung sowie Besserung der Funktionsparameter).
30
Mit der Verfügbarkeit des Gewebstransglutaminase (tissue-transglutaminase)-
Antikörpers (IgA-t-TG-AK) wurde die Definition der Erkrankung dahingehend
geändert, dass es sich um eine durch Gluten ausgelöste, immunologisch vermittelte
Erkrankung handelt, deren Diagnose durch den serologischen t-TG-AK-Nachweis in
Verbindung mit einer positiven Dünndarmhistologie gestellt wird.
Der Begriff Sprue leitet sich vom holländischen Wort „sprouw“ (Aphthe, Bläschen) ab.
Hintergrund ist ein gehäuftes Vorkommen von oralen Aphthen bei Sprue-Patienten.
Pädiater bevorzugen den Begriff Zöliakie (abgeleitet aus dem griechischen Wort
„koilia“ für eine „den Bauch betreffende Erkrankung“), Gastroenterologen sprechen
von der einheimischen Sprue. Im anglo-amerikanischen Sprachgebrauch wird von
„celiac disease“ oder – salomonisch – von „celiac sprue“ gesprochen.
Der Begriff „einheimische Sprue“ grenzt die Erkrankung von der sogenannten
„tropischen Sprue“ ab, die Folge einer bakteriellen Überwucherung mit schwerem
Vitaminmangel (speziell Folsäuremangel) ist und ebenfalls zu einer villösen Atrophie
führen kann, jedoch keinen Bezug zu einer Gluten- bzw. Gliadinunverträglichkeit
aufweist.
Epidemiologie: Die Zöliakie weist als klinisch manifeste Erkrankung eine Prävalenz
von 50–100/100.000 auf; die Dunkelziffer ist dabei jedoch groß. In einigen Regionen
Europas (z. B. im Distrikt Galway in Irland) liegt die Häufigkeit bedeutend höher
(1:300); darüber hinaus sind eine sehr enge Assoziation mit der Dermatitis
herpetiformis Duhring sowie eine Häufung beim Diabetes mellitus Typ 1 (etwa 4%)
bekannt. Bei etwa 10% der Verwandten ersten Grades von Sprue-Patienten lässt
sich eine Zottenatrophie nachweisen.
Ein HLA-DQ2- oder -DQ8-positiver Haplotyp ist Voraussetzung, um eine Zöliakie zu
bekommen.
Diese Assoziationen zeigen, dass der Zöliakie a) eine genetische Komponente
zugrunde liegt und dass b) klinisch inapparente Formen vorkommen.
Unter Zugrundelegung der Gewebstransglutaminase-AK-Bestimmung (IgA-t-TG-AK;
Endomysium-Autoantikörper [EMA]) als Indikator einer potenziellen Zöliakie liegt die
Häufigkeit bei 1:150–300. Inwieweit dies jedoch eine klinisch bereits relevante Entität
darstellt, ist im Einzelfall unterschiedlich zu beurteilen. Da die frühkindliche
Ernährung (glutenreich vs. glutenarm) eine wesentliche Rolle für die Entwicklung
einer Zöliakie spielt, ist die Kenntnis einer potenziellen Sprue durchaus von
Bedeutung.
31
Pathogenese: Die Permeabilität der intestinalen Mukosabarriere ist bei der
einheimischen Sprue erhöht. Ob dies Folge der Erkrankung oder eine genetisch
bedingte Voraussetzung für einen verstärkten antigenen Gliadin-Einstrom ist, lässt
sich derzeit nicht mit Sicherheit sagen. Sicher ist, dass das weitere Schicksal des
vermehrt aufgenommenen Gliadins dann im Zusammenspiel mit dem Enzym t-TG
(Gewebstransglutaminase) nach derzeitigem Kenntnisstand eine Schlüsselrolle in
der Pathogenese der Erkrankung innehat. Mit der Desamidierung des α-Gliadins
durch die intestinale Gewebstransglutaminase entsteht ein Gliadin-t-TG-Komplex,
der als Neoepitop (Autoantigen) für autoreaktive B-Zellen fungiert und als „Sensitizer“
zu einer stärkeren T-Zellantwort aktivierter α/β-T-Zellen führt.
Als Target der Autoimmunantwort wird die intestinale Gewebstransglutaminase auch
in ihrer Funktion als Katalysator bei der Aktivierung des latenten Wachstumsfaktors
TGF-β (transforming growth factor β) zu aktivem TGF-β blockiert, wodurch die
Ausreifung des normalen Mukosaepithels ausbleibt, mithin das Sprue-typische Bild
der flachen Schleimhaut resultiert.
Diese klinisch für die Malassimilationssymptomatik relevante Läsion mit drastischer
Verminderung der Dünndarmoberfläche durch die Zottenatrophie, die auch den
Verlust der digestiven Enzyme im Mukosaepithel bedeutet, führt zu einer komplexen
Resorptionsstörung für Nahrungsstoffe, Vitamine und Spurenelemente und zu
entsprechenden Symptomen, z. B. der Kohlenhydratmaldigestion. Von besonderer
Bedeutung ist hierbei der Verlust der Laktaseaktivität (sekundärer Laktasemangel).
Andere Erkrankungen, bei denen es zu einer Abflachung der Mukosa kommen kann,
sind z. B. die Lambliasis, die HIV-Enteropathie, die Autoimmunenteropathie oder bei
Kindern eine Kuhmilchprotein-Intoleranz. Bei Kindern kann davon ausgegangen
werden, dass unter Glutenentzug spätestens nach 6 Monaten eine deutliche
morphologische Restitution zu beobachten ist.
Klinik: Beim Erwachsenen ist das klinische Bild bunter. Das Spektrum der Symptome
umfasst gastroenterologische und extraintestinale Beschwerden, die außerordentlich
vielgestaltig und damit uncharakteristisch sind. Entsprechend lang (im Mittel fast
10 Jahre) ist oft die diagnostische Latenz (Tabelle).
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Gastrointestinale und extraintestinale Symptome bei einheimischer Sprue (n= 408) P.G. Lankisch, A. Marinez Schramm, F. Petersen, M. Dröge, D. Lehnick,
B. Lembcke. Diagnostic latency in coeliac disease. Z. Gastroenterol. 1996; 34:
473–477
• Diarrhö 92,4 % Adynamie 82,3%
• Flatulenz 91,4 % Knochenschmerz 52,9%
• Gewichtsverlust 84,0% Depression 48,0%
• Bauchschmerz 69,1% Myalgien 46,8%
• Übelkeit 49,7% Angstsyndrome 38,2%
• Stomatitis 40,9% Ödeme 31,1%
• Tenesmen 34,3% Exanthem 30,3%
• Obstipation 18,6% Dermatitis herpetiformis 14,9%
• Erbrechen 18,3%
Im Ultraschallbild imponiert bei unbehandelter Zöliakie ein besonderes dynamisches
Bild, das (nüchtern) einen vermehrten Flüssigkeitsgehalt des Dünndarms, darin
enthaltene größere echoreiche Reflexe (Luft, Nahrungspartikel), eine Vor- und
Zurück-Hypermotilität, eine Reduktion und Ungleichmäßigkeit der Kerckring’schen
Falten und eine ödematöse, weiche Verdickung der Jejunalwand beinhaltet. Dieses
charakteristische Bild ist 1992 als Waschmaschinenphänomen (Lembcke)
beschrieben und 1999 validiert worden. Daneben können eine Vermehrung
mesenterialer LK, eine Erhöhung des enddiastolischen Flusses der AMS, eine kleine
Milz und eine große Gallenblase beobachtet werden.
Bei der ÖGD wird gehäuft eine kleinwulstige Berandung der duodenalen Falten (sog.
Muschelkammphänomen/shell sign bzw. Corazza-Zeichen) gefunden, die aber nicht
spezifisch für die Erkrankung ist und andererseits auch fehlen kann.
Hauptproblem der Zöliakie-Diagnostik bei Erwachsenen ist es daher, „daran zu
denken“.
Diagnostik: Bei entsprechendem Verdacht sollte eine Bestimmung des IgA-t-TG-
Autoantikörpers erfolgen. Die Gliadin-Antikörperbestimmung ist beim Erwachsenen
nicht hinreichend diagnostisch zuverlässig. Ca. 10% der Zöliakie-Patienten weisen
allerdings einen IgA-Antikörpermangel auf, sodass in diesen Fällen nur der IgG-t-TG-
AK zielführend ist.
33
Die Diagnose lässt sich bei positivem IgA-t-TG-AK zuverlässig durch tiefe, jenseits
der Papilla Vateri entnommene, multiple (≥ 4) Duodenalbiopsien sichern. Ein
wichtiger Aspekt ist die Quantifizierung der intraepithelialen Lymphozysten (IEL)
durch den Pathologen und die Graduierung der Mukosaläsion entsprechend der
Einteilung nach Marsh.
Der histologische Befund der endoskopisch durch Zangenbiopsien entnommenen
Duodenalmukosa ist weniger gleichförmig als im Biopsiematerial von Kindern, das
üblicherweise durch eine jejunale Saugbiopsie entnommen wird. Hier ist durch
Kapselendoskopie und Ballonenteroskopie mit jejunalen PE eine Verbesserung zu
erwarten. Der diagnostisch herausragende Wert dieser neuen Verfahren dürfte
jedoch in erster Linie die Erfassung von Langzeitkomplikationen (Adenokarzinom des
Dünndarms, ulzeröse Jejunitis DD intestinales T-Zell-Lymphom) betreffen. Der von
Corazza beschriebene endoskopische Aspekt bei der ÖGD (Muschelkamm-
phänomen/shell-sign) ist nicht spezifisch und auch nicht hinreichend sensitiv, um
diagnostische Aussagen zu treffen, sollte jedoch in jedem Fall Anlass zu tiefen
Duodenalbiopsien sein.
Begleitend zur Diagnose der Sprue kann die detailliertere Erfassung nutritiver
Störungen und Komplikationen sinnvoll sein, wenn durch langjährigen Verlauf
Defizite klinisch relevant geworden sind (Vitaminmangel, Zn) oder Komplikationen
bestehen.
Die Therapie der einheimischen Sprue/Zöliakie mit einer glutenfreien Diät ist
notwendig, wirksam und ausreichend. „...but if the disease can be cured at all, it will
be by means of diet“ (Samuel Gee, 1888). Die diätetische Schulung ist conditio sine
qua non in der Therapie der Zöliakie. Sie sollte kompetent und standardisiert
durchgeführt werden; hierfür existieren Schulungsmaterialien (DÄV). Überaus
sinnvoll ist zudem die Mitgliedschaft in der DZG (Deutsche Zöliakie-Gesellschaft), die
Betroffene und Angehörige mit aktuellen Informationen sowie Koch- und Küchentipps
versorgt und überdies Listen mit glutenfreien Nahrungsmitteln (und Tabletten) zur
Verfügung stellt.
Die glutenfreie Ernährung führt i. d. R. zu einer objektiv und subjektiv eindrucksvollen
Besserung der Beschwerden und des klinischen Gesamtbildes. 80% der Patienten
sprechen direkt auf die Therapie an, weitere 10–15% nach einer erneuten
Überprüfung der Ernährungsweise. Initial ist eine laktosearme Ernährung aufgrund
des sekundären Laktasemangels ratsam.
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Sogenannte refraktäre Sprue-Formen sind verdächtig auf die Entwicklung eines
intestinalen Lymphoms. Bei primär eindeutigem Ansprechen auf die glutenfreie
Ernährung und einer danach eintretenden Verschlechterung der Symptomatik trotz
Diättreue ist ebenfalls an die Entstehung eines intestinalen Lymphoms als
Komplikation der langjährig unbehandelten Sprue zu denken. Die meisten derartigen
Enteropathie-assoziierten T-Zell-Lymphome (EATCL) werden im Erwachsenenalter
wenige Monate bis Jahre nach Diagnosestellung der Zöliakie diagnostiziert. Die
Prognose des EATCL ist i. d. R. ungünstig und wird durch Chemotherapie und
Operation nur gering beeinflusst. Auch dies ist ein Grund für die Prävention durch
eine strikt glutenfreie Kost und eine möglichst frühe Diagnose.
Die strikt glutenfreie Ernährung muss lebenslang erfolgen. Eine Liberalisierung nach
der klinischen Symptomatik muss unterbleiben, da die glutenfreie Ernährung nicht
nur das Ziel der Symptomfreiheit verfolgt, sondern auch eine langfristige Prävention
des bei der Zöliakie deutlich erhöhten Malignomrisikos. Dabei ist das allgemeine
Karzinomrisiko etwa doppelt so hoch wie in der Normalbevölkerung; etwa 10–15%
der Sprue-Patienten entwickeln meist gastrointestinale Tumoren. Das relative Risiko
für intestinale Lymphome ist demgegenüber etwa 80–100-fach erhöht. Wie
Langzeitbeobachtungen (> 10 Jahre) zeigen, wird dieses Risiko durch eine
konsequente glutenfreie Ernährung völlig normalisiert, nicht jedoch durch eine
zeitlich oder inhaltlich inkonsequente Einhaltung einer „glutenfreien“ Diät.
Ob eine glutenfreie Ernährung auch für Patienten mit potenzieller Zöliakie (t-TG-AK-
pos., unauffällige Mukosa) empfohlen werden soll, ist gegenwärtig nicht geklärt.
Wenn die Diagnostik aufgrund einer intestinalen Symptomatik erfolgte, die auf eine
Zöliakie zurückgeführt werden kann, dann kann dies ein zweckmäßiges Vorgehen
sein; bewiesen ist die Sinnhaftigkeit dieses Vorgehens nicht.
Korrespondenzadresse: Prof. Dr. Bernhard Lembcke Medizinische Klinik St. Barbara-Hospital Katholische Kliniken Emscher Lippe Barbarastr. 1 45964 Gladbeck Tel.: (0 20 43) 2 78-55 01 Fax: (0 20 43) 2 78-55 09 E-Mail: [email protected]
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Reizdarmsyndrom – Nervt das Bauchgehirn?
J. Keller
Israelitisches Krankenhaus, Hamburg
Das Reizdarmsyndrom (RDS) galt lange Zeit als rein funktionelles Beschwerdebild,
d. h. als Symptomkonstellation mit Bauch- und Stuhlgangsbeschwerden ohne
messbare Veränderungen, insbesondere ohne morphologische Alterationen, die
diese Beschwerden erklären.
Die Definition der Erkrankung über die Symptome und den Ausschluss relevanter
Differenzialdiagnosen (anhand normaler Untersuchungsbefunde bei einem
bestimmten Repertoire diagnostischer Verfahren) bildet auch heute die Basis für die
Diagnosestellung. Trotzdem hat sich das Verständnis des RDS in den letzten Jahren
grundlegend geändert, weil es zunehmend Belege dafür gibt, dass bei RDS-
Patienten sehr wohl relevante morphologisch-funktionelle Alterationen nachgewiesen
werden können, wenn auch nicht mit Routinemethoden.
Diese betreffen nicht ausschließlich, aber vielfach das enterische Nervensystem
(ENS), welches zu Recht auch als „Bauchgehirn“ bezeichnet wird, weil es mit ca.
108 Neuronen nach dem zentralen Nervensystem (ZNS) die zweitgrößte
Nervenzellansammlung des menschlichen Körpers darstellt. Unter physiologischen
Bedingungen kontrolliert das ENS nicht nur die Motilität, sondern auch andere
wichtige gastrointestinale Funktionen wie Sekretion, Absorption, Blutfluss und das
lokale Immunsystem. Hierüber ist die Aufrechterhaltung komplexer Funktionen
weitgehend unabhängig von Einflüssen des ZNS möglich.
Bei einer Subgruppe von Patienten mit schwerem RDS wurden ähnliche, wenn auch
geringer ausgeprägte pathologische Veränderungen des ENS nachgewiesen wie bei
Patienten mit neuropathischer chronischer intestinaler Pseudoobstruktion (z. B.
entzündliches Infiltrat im Bereich des Plexus myentericus). Demnach könnte es sich
in diesen Fällen um unterschiedliche Ausprägungsgrade einer intestinalen
neuromuskulären Erkrankung handeln. Zumeist finden sich aber bei RDS-Patienten
nur subtile Veränderungen, die entweder das ENS strukturell betreffen (z. B.
Verteilung der Neuronen unterschiedlicher Typen/Klassen) oder sich auf dessen
Funktion bzw. Aktivierungszustand auswirken. Zu diesen zählen eine gesteigerte
Innervation der Mukosa mit einer erhöhten Anzahl von Nervenfasern allgemein und
von an der Nozizeption beteiligten Nervenfasern im Besonderen, Störungen des
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Serotoninmetabolismus bzw. der serotoninergen Innervation, aber auch subklinische
mukosale Entzündungen mit erhöhter Anzahl aktivierter T-Zellen, gesteigerter
Ausschüttung proinflammatorischer Zytokine, erhöhter Mastzelldichte und vermehrter
Ausschüttung von Mastzellmediatoren wie Histamin und Proteasen. Überstände von
Kolonbiopsien bei RDS-Patienten, die solche Mediatoren vermehrt enthalten,
aktivieren nachweislich enterische Neuronen im Gegensatz zu den Überständen von
Kolonbiopsien, die bei Gesunden gewonnen wurden.
Es ist aber wichtig, darauf hinzuweisen, dass eine kausale Beziehung zwischen den
nachgewiesenen Alterationen und der Beschwerdesymptomatik zwar plausibel, aber
(noch) nicht hinreichend belegt ist. Außerdem wurden die einzelnen infrage
kommenden Pathomechanismen immer nur bei einer bestimmten Gruppe von RDS-
Patienten beschrieben, und es gibt weiterhin keinen RDS-spezifischen Marker. Auch
eine eindeutige Korrelation zwischen RDS-Subtypen (z. B. Diarrhö- oder
Obstipations-prädominant) und einzelnen Pathomechanismen scheint es nicht zu
geben. Ebenfalls wichtig für die Einschätzung des Krankheitsbildes ist, dass ähnliche
Störungen auch bzw. zuerst bei Patienten mit chronisch entzündlichen
Darmerkrankungen beschrieben wurden.
Zusammenfassend gibt es zunehmend Belege für morphologische Störungen
und/oder Fehlfunktionen des ENS bei Patienten mit RDS, die zur Pathogenese der
Erkrankung wesentlich beitragen können. Es ist allerdings nur in Ansätzen geklärt,
weshalb und wie genau „das Bauchgehirn nervt“. Die vorliegenden Befunde
implizieren, dass zumindest bei einem Teil der Patienten die Symptomatik durch eine
chronische subklinische, d. h. mit (histologischen) Routinemethoden nicht zu
erfassende intestinale Inflammation bedingt ist. Es ist demzufolge möglich, dass
zukünftig das RDS (bzw. bestimmte Subformen) nicht mehr als funktionelle
Erkrankung des Gastrointestinaltrakts eingeordnet, sondern als chronischer
intestinaler Entzündungszustand klassifiziert werden wird.
37
Weiterführende Literatur: 1. Buhner S et al. Activation of Human Enteric Neurons by Supernatants of Colonic
Biopsy Specimens From Patients With Irritable Bowel Syndrome. Gastroenterology. 2009; in press.
2. De Giorgio R, Barbara G. Is irritable bowel syndrome an inflammatory disorder?
Curr Gastroenterol Rep. 2008; 10: 385–390. 3. Furness JB. The enteric nervous system: normal functions and enteric
neuropathies. Neurogastroenterol Motil. 2008; 20 (Suppl. 1): 32–38. 4. Grundy D & Schemann M. Enteric nervous system. Curr Opin Gastroenterol.
2006; 22: 102–110. 5. Grundy D. 5-HT system in the gut: roles in the regulation of visceral sensitivity
and motor functions. Eur Rev Med Pharmacol Sci. 2008; 12 (Suppl 1): 63–67. 6. Greenwood-van-Meerveld B et al. Importance of 5-hydroxytryptamine receptors
on intestinal afferents in the regulation of visceral sensitivity. Neurogastroenterol Motil. 2007; 19 (Suppl 2): 13–18.
7. Mawe GM et al. Plasticity of enteric nerve functions in the inflamed and
postinflamed gut. Neurogastroenterol Motil. 2009; 21: 481–491. Korrespondenzadresse: PD Dr. Jutta Keller Oberärztin Israelitisches Krankenhaus Orchideenstieg 14 22297 Hamburg Tel.: (0 40) 511 25-50 41 Fax: (0 40) 5 11 25-50 45 E-Mail: [email protected]
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Pankreaskarzinom bei chronischer Pankreatitis – praxis-relevant oder Rarität? Schwierige Differenzialdiagnostik, schwierige Therapie
M.M. Lerch, A. Aghdassi, J. Mayerle
Klinik für Innere Medizin A, Universitätsklinikum Greifswald
Die chronische Pankreatitis und das Pankreaskarzinom haben in den meisten
Weltregionen eine vergleichbare Inzidenz (10–20 pro 100.000 Einwohner). Auch ihre
klinische Symptomatik mit Ikterus, Abdominalschmerzen, einer gastrointestinalen
Stenosesymptomatik, ggf. auch dem Vorliegen eines Diabetes oder einer exokrinen
Pankreasinsuffizienz, können sich stark ähneln. Bei auf das Pankreas beschränkten
Befunden kann auch die bildgebende Diagnostik uneindeutig bleiben. Hieraus
ergeben sich verschiedene klinische Probleme. Das erste ist die Differenzialdiagnose
von chronischer Pankreatitis und (operablem) Pankreaskarzinom. Das zweite ist die
Tatsache, dass eine chronische Pankreatitis einen Risikofaktor für die Entstehung
eines Pankreaskarzinoms darstellt. Dieses Risiko wird von unterschiedlichen Autoren
unterschiedlich bewertet. Einige Studien besagen, dass bei chronischer Pankreatitis
(alle Fälle und Genesen) das Risiko nur von 1 zu 10.000 auf ca. 4 zu 10.000 steigt.
Andere Studien beziffern die Zunahme des Anstiegs des relativen Risikos auf das
16-fache. Bei hereditären Formen der Pankreatitis ist das relative Risiko, ein
Karzinom als Folge der Pankreatitis zu entwickeln, allerdings nochmals wesentlich
höher. Das dritte Problem ergibt sich aus dem vorgenannten und betrifft die
Diagnose eines Pankreaskarzinoms bei einer vorbestehenden chronischen
Pankreatitis. Hierbei stellt sich nicht nur die Frage der Differenzialdiagnose, sondern
auch die eines möglichen Screenings von Risikopatienten. Alle Untersuchungen zum
letzten Punkt waren bisher erfolglos und weder wiederholte ERCP noch
Endosonografien konnten ihren Stellenwert für die Früherkennung von
Pankreaskarzinomen bei einer chronischen Pankreatitis belegen.
Das Pankreaskarzinom gehört mit einer Inzidenz von 10 Fällen pro 100.000
Einwohner in Deutschland, einer ebenso hohen Prävalenz sowie 30.000
Neuerkrankungen pro Jahr in Europa zu den häufigsten Erkrankungen des Gastro-
intestinaltrakts. Das mediane Erkrankungsalter liegt in der 6.–8. Lebensdekade. Die
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5-Jahres-Überlebensrate beträgt nach optimistischen Studien 10,4% bei einer
Resektionsrate zwischen 14–20%. Hingegen liegt das mediane Überleben aller
Erkrankungsfälle bei 6 Monaten.
Wenn ein Ikterus, Abdominalschmerzen, Übelkeit und Erbrechen vorliegen, ist die
Wahrscheinlichkeit, dass der Patient an einem Pankreaskarzinom leidet, ca. 20%.
Eine Prävalenz von 20% erfordert von einem diagnostischen Test eine Spezifität von
99,95% zur korrekten Stellung der Diagnose, da sonst genauso viele Patienten in der
Folge unter einem falsch-positiven Ergebnis leiden wie infolge der Erkrankung
versterben. Keine laborchemische oder bildgebende Methode hat heute eine so hohe
Spezifität bei der Differenzierung von Pankreaskarzinom und Pankreatitis. Aus
diesem Grund gelangen verschiedene, komplementäre Methoden zum Einsatz.
Alle Versuche, laborchemische Verfahren mit einem geringen Grad an Invasivität zu
etablieren, haben nicht zur Erhöhung der diagnostischen Sensitivität beigetragen. In
der Vergangenheit wurde eine Vielzahl von Tumormarkern für die Diagnostik
evaluiert. Bis zum heutigen Tag ist kein Tumormarker in der Lage, Pankreastumoren
mit einer Sensitivität > 90% zu detektieren. Ihr Einsatz für die Diagnosestellung ist
somit obsolet. Als Basisverfahren der bildgebenden Diagnostik dient der
transabdominelle Ultraschall. Mit diesem Verfahren können Raumforderungen ab
einer Größe von 10–30 mm detektiert werden. Einschränkend muss jedoch
hinzugefügt werden, dass in 15–20% das Pankreas bei Darmgasüberlagerung
technisch nicht darstellbar ist. Die Sensitivität des Verfahrens zur Diskriminierung
zwischen einem Tumor und der chronischen Pankreatitis liegt bei 69–70%, die
Spezifität bei 80–90%. Eine korrekte Differenzialdiagnose kann in ca. 55% der
operablen Fälle gestellt werden. Eine deutlich höhere räumliche Auflösung lässt sich
mit dem endoskopischen Ultraschall erzielen. Mit diesem Verfahren können fokale
Läsionen ab einer Ausdehnung von 2–3 mm detektiert werden. Die Sensitivität des
endoskopischen Ultraschalls beim Staging von Pankreaskarzinomen liegt für
T1-Tumoren bei 88%, T2 bei 100%, und T3 bei 93%. Liegt ein chronisch entzündlich
verändertes Organ vor, so reduziert sich die Spezifität des Verfahrens auf bis zu
46%. Die Grenze der räumlichen Auflösung für die Computertomografie liegt bei
20–30 mm. Der Nachweis nicht-resektabler Karzinome gelingt mittels CT-Diagnostik
in 100%, die richtige Einschätzung der Resektabilität jedoch nur in 16–72%. Leber-
und Lymphknotenmetastasen werden in 20–73% der Fälle diagnostiziert und
Gefäßinfiltrationen durch das Malignom in 77%. Eine korrekte Differenzialdiagnose
gelingt mit dem CT in 70–80%. Ergänzt man das CT durch eine ERCP, kann mit
40
ca. 90%iger Sicherheit eine korrekte Differenzialdiagnose gestellt werden. Die
Sensitivität der ERCP für die Diagnose eines Pankreaskarzinoms wird mit 78–93%,
die Spezifität mit 88–95% angegeben. Die Limitationen der Untersuchung sind ein in
ca. 5% der Fälle nicht darstellbarer Pankreasgang sowie ein in 2,8–3% der Fälle
unauffälliges Gangsystem trotz Vorliegen eines Pankreaskarzinoms. Stellt sich in der
ERCP eine Pankreasgangstriktur dar, die > 10 mm ist, so muss mit großer
Wahrscheinlichkeit von einem Pankreaskarzinom ausgegangen werden. Hingegen
spricht eine kurzstreckige Stenose (< 5 mm) eher für das Vorliegen einer
chronischen Pankreatitis. 1976 wurde von Freeney et al. das „double duct sign“ als
pathognomonisch für das Vorliegen eines Pankreaskarzinoms beschrieben. In allen
nachfolgenden Studien konnte die initial beschriebene Sensitivität von 100% nicht
nachvollzogen werden. In jüngster Zeit wurde die Spezifität mit maximal 85%
angegeben. Im Zeitalter von CT und MRT wird die ERCP fast ausschließlich
therapeutisch eingesetzt, zum Beispiel zur Behebung von Gallenwegsstenosen bei
chronischer Pankreatitis oder Pankreaskarzinom. Als rein diagnostisches Verfahren
zur Differenzierung einer Pankreasraumforderung ist die ERCP inzwischen
vollständig von den schnittbildgebenden Verfahren abgelöst worden.
Als vielversprechend wurde lange Zeit die sonografisch gezielte Feinnadelpunktion
angesehen. Die Sensitivität dieses Verfahrens liegt aber nur bei 50–93%
(Durchschnitt 75%), die Spezifität bei 95% (19 zytologische Kriterien), eine korrekte
Differenzialdiagnose ist in ca. 75–90% der Fälle möglich. Wegen des möglichen
Auftretens von Stichkanalmetastasen, über das wiederholt berichtet wurde, wird die
transkutane Punktion von Pankreasraumforderungen eigentlich nur noch bei
bildgebend inoperablen Raumforderungen oder dem Nachweis von Metastasen
empfohlen. Bei metastasierten oder inoperablen Tumoren des Pankreas ist eine
Histologiegewinnung dagegen obligat, um vor der Wahl der Palliativtherapie eine
korrekte histologische Zuordnung vornehmen zu können.
Völlig anders stellt sich die immer besser etablierte Punktion mittels Feinnadel- oder
Grobnadelbiopsie im endoskopischen Ultraschall dar, die heute sehr gut etabliert ist.
Hier müssen Stichkanalmetastasen nicht befürchtet werden, da durchstochene
Magen- und Duodenalabschnitte bei Operabilität mitreseziert würden.
Bei Verdacht auf eine Pankreasraumforderung steht immer der transabdominelle
Ultraschall in der Hand des geübten Untersuchers an erster Stelle. Mit einem
negativen prädiktiven Wert von 94% kann so in den meisten Fällen der Veracht auf
ein Pankreasmalignom ausgeräumt werden. Bei Fortbestehen der Verdachts
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diagnose sollte eine Kombination verschiedener bildgebender Verfahren zum Einsatz
kommen, deren Auswahl von den technischen Möglichkeiten und der Erfahrung der
Untersucher abhängt.
Bei der Behandlung der chronischen Pankreatitis stehen die Schmerztherapie, die
Prävention des Fortschreitens der Erkrankung durch Alkohol- und Nikotinkarenz,
sowie die Behandlung der exokrinen und endokrinen Pankreasinsuffizienz im
Vordergrund. Zur Behandlung von Komplikationen der chronischen Pankreatitis wie
Gangstrikturen, Pseudozysten und einer Obstruktion von Gallenwegen oder
Duodenum stehen eine Reihe von chirurgischen und interventionell-endoskopischen
Verfahren zu Verfügung. Beim Pankreaskarzinom liegt die ganze Hoffnung auf ein
Langzeitüberleben auf der chirurgischen Resektion im Frühstadium. Die adjuvante
Chemotherapie mit 5-FU oder Gemcitabin ist heute der Standard. Ein direkter
Vergleich dieser beiden adjuvanten Protokolle wird in Kürze veröffentlicht. Sind
entweder der Tumor oder der Patient inoperabel, so ist die palliative Chemotherapie
eine Möglichkeit der begrenzten Lebensverlängerung. Die Leitlinie zur Behandlung
des Pankreaskarzinoms mit den verschiedenen Therapieverfahren wurde kürzlich
komplett überarbeitet und aktualisiert. Die Überarbeitung der Leitlinie für die
chronische Pankreatitis folgt im laufenden Jahr. Weiterführende Literatur:
1. Aghdassi A, Mayerle J, Kraft M, Sielenkämper AW, Heidecke CD, Lerch MM. Diagnosis and treatment of pancreatic pseudocysts in chronic pancreatitis. Pancreas. 2008; 36: 105–112.
2. Brand RE, Lerch MM, Rubinstein WS, Neoptolemos JP, Whitcomb DC, Hruban RH, Brentnall TA, Lynch HT, Canto MI, Participants of the Fourth International Symposium of Inherited Diseases of the Pancreas. Advances in counselling and surveillance of patients at risk for pancreatic cancer. Gut. 2007; 56: 1460–1469.
3. Adler G, Seufferlein T, Bischoff SC, Brambs HJ, Feuerbach S, Grabenbauer G, Hahn S, Heinemann V, Hohenberger W, Langrehr JM, Lutz MP, Micke O, Neuhaus H, Neuhaus P, Oettle H, Schlag PM, Schmid R, Schmiegel W, Schlottmann K, Werner J, Wiedenmann B, Kopp I. S3-Leitlinie ‘Exokrines Pankreaskarzinom’ 2007. Z Gastroenterol. 2007; 45: 487–523.
Korrespondenzadresse:
Prof. Dr. Markus M. Lerch Klinik für Innere Medizin A Universitätsklinikum der Ernst-Moritz-Arndt Universität Greifswald Friedrich-Loeffler-Str. 23A 17487 Greifswald E-Mail: [email protected]
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Licht an im Kolon
H.-J. Schulz
Innere Medizin, Sana-Klinikum Lichtenberg, Oskar-Ziethen-Krankenhaus, Berlin
Die Diagnostik kolorektaler Erkrankungen hat sich durch die Weiterentwicklung
bildgebender Untersuchungsverfahren und Innovationen der gastroenterologischen
Endoskopie verbessert.
Frühe Läsionen können eher erkannt und unklare Läsionen besser eingeordnet
werden.
Eine der wichtigsten Innovationen sind hochauflösende, vergrößernde Video-Endoskope in Verbindung mit einer hochauflösenden Prozessortechnologie (HDTV
= High-Definition-TV, i-Scan). Koloileoskopien mit diesen Geräten erlauben eine
detailiertere Darstellung von Oberflächenstrukturen. Die zusätzliche Anwendung der
Chromoendoskopie mit lokaler Applikation von Indigokarmin, Methylenblau oder
Essigsäure verbessert ebenfalls die endoskopische Detaildiagnostik. Mithilfe der
japanischen Pit-pattern-Klassifikation ist es möglich, zwischen hyperplastischen und
adenomatösen Polypen zu unterscheiden. Patienten mit flachen oder eingesunkenen
Adenomen sowie Patienten mit Colitis ulcerosa profitieren besonders von der
Chromoendoskopie.
Für die Nachsorge von Patienten mit langjährig bestehender Colitis ulcerosa fordern
die Leitlinien kontinuierliche, ungezielte Biopsien des Kolons in 10 cm Abständen.
Nach einer Färbung des gesamten Kolons mit Methylenblau, können umschriebene
suspekte Läsionen aufgesucht, einer genauen Oberflächenanalyse unterzogen und
gezielt bioptiert werden. Auf diese Weise können bei der Colitis ulcerosa mehr
intraepitheliale Neoplasien erkannt werden als mit Standardendoskopien und
Stufenbiopsien.
Neue kontrastverstärkende elektronische Techniken arbeiten mit einer computer-
gesteuerten Veränderung des Lichtspektrums. Das NBI (Narrow Band Imaging)
macht insbesondere vaskuläre Oberflächenstrukturen besser sichtbar. FICE – Fuji
intelligente Chromoendoskopie (computergesteuerte virtuelle Chromoendoskopie) ist
eine dem NBI ähnliche Technik, die die oberflächlichen Gewebestrukturen verstärkt.
43
Wie hilfreich NBI, FICE und ähnliche Techniken bei der Detektion von Adenomen,
insbesondere von flachen und eingesenkten Adenomen sowie bei der Differenzial-
diagnose zwischen neoplastischen und nicht-neoplastischen Läsionen sein können,
ist Gegenstand von Untersuchungen. Bei erfahrenen Untersuchern führt sie offenbar
zu keiner Reduktion der Übersehensrate von Adenomen.
Weitere Techniken befinden sich in der Erprobung: Beim „Trimodalen Imaging“
werden in einem Endoskop hochauflösende Technik, Autofluoreszenz und eine
elektronische Kontrastverstärkung, z. B. NBI, vereinigt. Die Autofluoreszenz als
sogenannte „red flag“-Technik übernimmt die Identifikation auffälliger Befunde, die
mit den anderen Methoden bewertet werden.
Endozytoskopie und konfokale Lasermikroskopie erzeugen hochauflösende, mit
histologischen Präparaten vergleichbare Bilder. Sie erfordern eine Vororientierung
mit konventionellen Endoskopen oder einer Autofluoreszenztechnik. Die Anwendung
kann über spezielle Minisonden durch die Instrumentierkanäle von Standard-
endoskopen oder mit speziell angefertigten Endoskopen erfolgen. Beide
Technologien sind in der Lage, zwischen neoplastischen und nicht-neoplastischen
Läsionen zu unterscheiden und Dysplasien in kolorektalen aberranten Krypten zu
detektieren.
Neue innovative Koloskoptypen wie das computergesteuerte Neo-Guide-Endoskopie-System, das sich selbst vorwärts bewegende Invendoskop oder das
„Third eye retrograde auxiliary imaging system“, eine durch den Instrumentier-
kanal einführbare Zusatzoptik, spielen im Alltag noch keine Rolle.
Der Nachweis neoplastischer Läsionen ist eine der Hauptindikationen zur
Koloskopie. Für Screening-Untersuchungen ist eine adäquate Detektionsrate von
Adenomen ein entscheidender Qualitätsparameter. Sie hängt neben der
leistungsfähigen Untersuchungstechnik vor allem von den technischen Fertigkeiten
und der Erfahrung des Untersuchers, von einer guten Kolonreinigung sowie einer
ausreichenden Untersuchungszeit ab. Besonderes Augenmerk ist auf flache/einge-
sunkene Läsionen zu legen. Neben der Beurteilung auffälliger Befunde mit Färbe-
techniken oder/und elektronischen Bildanalysen führt die endoskopische Entfernung
mit Unterspritzungstechniken und endoskopischer Mukosaresektion (EMR) in einigen
44
Zentren auch durch endoskopische Submukosadissektion (ESD) zur Optimierung der
Diagnostik und ggf. Vermeidung der chirurgischen Behandlung.
Überwachungsintervalle nach therapeutischer Diagnostik und Therapie müssen
risikostratifiziert festgelegt werden, um die Rate der Intervallkarzinome zu verringern.
Sie treten innerhalb von 10 Jahren nach einer primär unauffälligen Koloskopie oder
innerhalb von 3 Jahren nach einer Polypektomie auf. Häufigste Ursache (> 50%) sind
übersehene Läsionen, in jeweils ca. 25% sind es de-novo-Tumoren im Intervall oder
Rezidive nach unvollständiger Polypektomie.
Die Möglichkeiten, schwierige Koloskopien besser zu bewältigen, haben sich
erweitert. Neben der Röntgendurchleuchtung, dem strahlenfreien, elektro-
magnetischen Scope guide werden erfolgreich Ballonenteroskopien eingesetzt, um
eine komplette Kolonpassage zu erreichen.
Ein wichtiger Schritt bei der Entwicklung alternativer Techniken zur Inspektion des
Dickdarms, ist die Entwicklung der Video-Kapsel-Endoskopie des Kolons.
Sie erfordert gegenüber der Standardkoloskopie eine aufwendigere Vorbereitung, an
deren Verbesserung und Vereinfachung gearbeitet wird. Eine Sedierung ist nicht
erforderlich. In der Mehrzahl der Fälle kann das gesamte Kolon untersucht werden.
Signifikante Läsionen wie Entzündungen, Polypen, flache Läsionen oder Karzinome
werden erfasst. Eine histologische Sicherung der Befunde oder endoskopische
Behandlungen sind nicht möglich.
Zusätzliche Einsatzmöglichkeiten für die Kolonkapsel wären bei chronisch entzünd-
lichen Darmerkrankungen die Ausdehnungsdiagnostik, die Beurteilung der Mukosa-
heilung und die CRC-Überwachung. Bemühungen um die Qualitätsverbesserung der
Kapselendoskopie dienen u. a. dem Ziel, die Kolonkapsel als Methode für das
kolorektale Karzinomscreening zu etablieren.
45
Literatur: 1. Bechtler MN et al. Das Intervallkarzinom und mögliche Ursachen. Endoskopie
heute. 2009; 22: 13–16. 2. Deviere JM et al. PillCam® Colon capsule endoscopy compared to colonoscopy
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4. Hartmann F. Endoscopy in inflammatory bowel disease. In: P. Fockens, H.-J.
Schulz, T. Rösch, J. Špičák (eds.), Falk Symposium 152: Endoscopy 2006 – Update and Live Demonstration. Springer Verlag, Dordrecht, 2008; 39–47.
5. Heresbach D. Colonoscpy, tumors, and inflammatory bowel disease. Endoscopy.
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8. Jung M. Nicht polypoide mukosale kolorektale Neoplasien – die Kyoto-
Konferenz. Endoskopie heute. 2009; 22: 2–12. 9. Munding J, Tannapfel, A. Die Koloskopiefalle: Intervallkarzinome und
übersehende Befunde – Neoplasien mit besonders aggressivem Wachstum. Endoskopie heute. 2009; 22: 22–29.
10. Robertson D J et al. Interval cancer after total colonoscopy: results from al
pooled analysis of eight studies. Gastroenterology. 2008; 134 (4, Suppl 1): A-111–A-112, Abstract 795.
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for colorectal tumor diagnosis: a prospective pilot study. Endoscopy. 2006; 38: 971–977.
46
Biologika bei CED – der Tanz um das goldene Kalb
J. Emmrich
Abteilung für Gastroenterologie, Klinik und Poliklinik für Innere Medizin, Universität
Rostock
Als Biologika werden biotechnologisch bzw. gentechnologisch hergestellte Proteine
bezeichnet, die als eine neue Klasse von Medikamenten in jüngster Zeit auch bei der
Therapie der chronisch entzündlichen Darmerkrankungen (CED) Morbus Crohn (MC)
und Colitis ulcerosa (CU) eingesetzt werden. Die Anwendung dieser Präparate
beruht auf zahlreichen Erkenntnissen zur Pathogenese der CED, welche in ihrer
Komplexität immer besser verstanden werden. Durch eine Barrierestörung der
Darmmukosa können verschiedene bakterielle Strukturen aus dem Darmlumen
durch die Epithelzellschicht in die Mukosa eindringen und nur unzureichend eliminiert
werden. Dadurch werden spezifische Immunreaktionen in der Mukosa induziert, die
zum Krankheitsbild der chronischen Entzündung mit den entsprechenden
morphologischen Korrelaten führen. Ziel der Entwicklung von Biologika ist es nun,
einzelne Entzündungsmediatoren und Zellpopulationen gezielt im Sinne einer
Immunsuppression zu beeinflussen. Im Vordergrund stehen bei der Therapie der
CED Antikörperpräparate, die gegen das Zytokin Tumor-Nekrose-Faktor-alpha
(TNFα) gerichtet sind und dessen Wirkung im Rahmen des Entzündungsprozesses
blockieren. Einige weitere der zahlreichen Therapiestrategien, die mit der
Entwicklung von Biologika verfolgt werden, sind die Beeinflussung von
Adhäsionsmolekülen, der Zytokine Interleukin-12 und Interleukin-23, des Interleukin-
6-Rezeptors, des Zytokins Interferon-γ und der T-Zellaktivierung. Nur in
unzureichendem Maße gelang es bisher, die als pathogenetisch bedeutsam
angesehene Mukosabarriere zu modifizieren. Die zu diesem Zweck eingesetzten
Wachstumsfaktoren waren bisher nicht in ausreichendem Maße erfolgreich.
In mehreren Studien konnte in den vergangenen Jahren die Wirksamkeit der Anti-
TNFα-Antikörperpräparate, insbesondere bei MC, nachgewiesen werden. Eingesetzt
wurden dabei der chimäre Antikörper Infliximab, der humane Antikörper Adalimumab
und zuletzt das pegylierte Antikörperfragment Certolizumab. Obwohl keine direkten
Vergleichsstudien der Antikörperpräparate vorliegen, kann aufgrund der
Studiendaten von einer vergleichbaren Wirksamkeit ausgegangen werden. Neben-
wirkungsprofil und Applikationsform weisen hingegen Unterschiede auf.
47
Den Leitlinien der DGVS zufolge sind die Anti-TNFα-Antikörperpräparate in der
Therapie des chronisch aktiven luminalen MC bei Versagen der Immunsuppressiva
Azathioprin/6-Mercaptopurin und Methotrexat etabliert (Step-up-Strategie). Gleich-
falls wirksam sind diese Präparate bei Fisteln im Rahmen des MC. In jedem Fall
sollten vor dem Einsatz von Biologika chirurgische Optionen geprüft und Infektionen
sowie Abszesse weitgehend ausgeschlossen werden. Zugelassen ist die Anti-TNFα-
Antikörpertherapie auch bei der CU. Hier widersprechen jedoch die eigenen
Erfahrungen mit einer nur geringen Remissionsrate den Studiendaten.
Gegenwärtig wird in Studien ein frühzeitiger Einsatz der Anti-TNFα-
Antikörperpräparate bei CED untersucht, der den Krankheitsverlauf positiv
beeinflussen soll (Top-down-Strategie). Dafür spricht ein schneller Therapieerfolg
unter der raschen starken Immunsuppression. In die Überlegungen dazu müssen
jedoch folgende Zusammenhänge einbezogen werden: Der Einsatz der Biologika
kann mit erheblichen Nebenwirkungen verbunden sein. Dazu zählen in erster Linie
Infektionen, aber auch lymphoproliferative Erkrankungen. Da die Präparate erst seit
etwa 10 Jahren in größerem Umfang eingesetzt werden, sind mögliche
Langzeitfolgen der Therapie noch nicht absehbar. Ob langfristig tatsächlich
chirurgische Interventionen vermieden werden können, wie dies erste
Untersuchungen andeuten, muss noch sicher belegt werden. Schließlich hat sich
gezeigt, dass ein großer Teil der Patienten mit MC einen vergleichsweise milden
Krankheitsverlauf erlebt, der den Einsatz der Biologika nicht rechtfertigt. Als
Argument gegen die schrittweise Eskalation der Therapie (Step-up-Strategie) wird
angeführt, dass eine lange Steroidtherapie während des Einsatzes der anderen
Präparate auch mit einem erheblichen Nebenwirkungsrisiko verbunden ist. Dazu
muss es jedoch nicht kommen, wenn die Eskalation der Immunsuppression rasch
erfolgt und bei Patienten mit dem hohen Risiko eines chronisch aktiven Verlaufs
zügig mit den Anti-TNFα-Antikörperpräparaten begonnen wird. Zu diesen
Risikofaktoren zählen jugendliches Alter, extraintestinale Manifestationen,
Dünndarmbefall, Rauchen und anhaltend hohe Krankheitsaktivität. Somit liegt die
optimale Strategie gegenwärtig in der Mitte beider Extrempositionen des raschen
oder des verzögerten Einsatzes der Biologika. Wichtig ist auf jeden Fall dabei die
Einschätzung der Krankheitsaktivität und des individuellen Krankheitsverlaufs.
48
Hervorzuheben ist auch der finanzielle Aspekt des Einsatzes von Biologika. Während
sich die Therapiekosten pro Jahr bei Azathioprin auf 1500 € und bei Methotrexat auf
etwa 500 € belaufen, kostet eine Anti-TNFα-Antikörpertherapie etwa 20.000 €. In
einer in unserem eigenen Patientengut vorgenommenen Analyse bereits aus dem
Jahre 2004 entfielen aufgrund des Einsatzes von Infliximab auf 20% der Patienten
mit MC 50% der Gesamttherapiekosten. In Deutschland wurden bisher etwa
5500 CED-Patienten mit Biologika behandelt. Dies bedeutete Kosten von
110 Millionen €. Auf 1,2 Milliarden € sind in Deutschland die Kosten der Biologika-
therapie insgesamt von ca. 60.000 Patienten mit CED, rheumatoide Arthritis,
Psoriasis u. a. Indikationen zu schätzen.
In der Zusammenfassung ist festzustellen, dass uns mit den Biologika eine
hochwirksame Gruppe neuartiger Präparate in der Therapie der CED zur Verfügung
steht, die unsere medikamentösen Möglichkeiten erheblich erweitern. Angesichts der
differenzierten Wirkung der Präparate, des Nebenwirkungsspektrums und auch der
Kosten ist eine sorgfältige Indikationsstellung der Therapie mit Biologika unter
Berücksichtigung aktueller Studiendaten erforderlich.
49
Das Karzinomrisiko bei CED – wann, was und wie untersuchen?
L. Leifeld
Innere Abteilung, Ev. Krankenhaus Köln-Kalk
Chronisch entzündliche Darmerkrankungen (CED) beinhalten nach den hereditären
kolorektalen Karzinomen (KRK) (Polyposis und HNPCC) das höchste Risiko der
Darmkrebsentstehung. Das Risiko ist hierbei sowohl für Colitis ulcerosa als auch für
Colitis indeterminata und – im Ausmaß geringer – auch für den Morbus Crohn
erhöht. Risikofaktoren für die Krebsentstehung sind hierbei 1. die Dauer der
Erkrankung, 2. die Ausdehnung der Kolitis (höchstes Risiko: Pancolitis ulcerosa),
3. ein hohes Ausmaß entzündlicher Aktivität, 4. das Vorliegen einer primär
sklerosierenden Cholangitis und 5. ein Erkrankungsbeginn im jungen Alter. Die
Annahme eines Rückgangs der KRK-Inzidenz bei Colitis ulcerosa wird in einer
aktuellen schwedischen Studie nicht bestätigt, allerdings konnte die Mortalität
gebessert werden. Aufgrund der CED-assoziierten Karzinogenese sind
Vorsorgekoloskopien vorgesehen, die tatsächlich die Therapie im früheren Stadium
der Krebsentstehung ermöglichen und somit die Prognose verbessern. Die derzeit
gültigen Leitlinien der DGVS sehen jährliche Vorsorgekoloskopien ab dem
8. Krankheitsjahr bei der Pancolitis ulcerosa und ab dem 15. Jahr bei der
Linksseitenkolitis vor. Die Koloskopie ist hierfür alternativlos, allerdings ist zu
beachten, dass die Koloskopie eine geringere Sensitivität zur Detektion von CED-
assoziierten Krebsvorstufen hat als bei sporadischen Karzinomen. Dies ist begründet
in der unterschiedlichen Pathogenese, die nicht der klassischen Adenom-Karzinom-
Sequenz folgt, sondern einer Dysplasieentwicklung und einer späteren
Krebsentwicklung aus entzündeter Schleimhaut. Bei niedriggradigen Dysplasien
(low-grade intraepitheliale Neoplasien) muss in 3–53% mit der Entstehung einer
hochgradigen Dysplasie gerechnet werden und bei Nachweis hochgradiger
Dysplasien (high-grade intraepitheliale Neoplasien) muss in bis zu 67% mit der
Entstehung eines Karzinoms gerechnet werden, wenn keine adäquate Therapie
erfolgt. Die meisten Läsionen sind hierbei flach und unterscheiden sich kaum von der
entzündeten Schleimhaut. Daneben sind erhabene Läsionen wie Dysplasie-
assoziierte Läsionen („DALM“) und klassische Adenome von entzündlichen Polypen
und Pseudopolypen zu unterscheiden. Aufgrund der Schwierigkeit der Detektion
50
dysplastischer Areale ist gefordert, neben auffälligen Arealen auch Stufenbiopsien
von 4 Proben alle 10 cm zu entnehmen, eine Forderung der Leitlinie, der leider nur
9,2% der Gastroenterologen im vollen Umfang nachkommen.
Es gibt zahlreiche Versuche, die Sensitivität der Koloskopie zu steigern. Dies gelingt
durch zunehmend bessere Videokoloskope. In mehreren Studien konnte außerdem
eine erhöhte Sensitivität durch eine Chromoendoskopie mit Anfärbung des gesamten
Kolonrahmens gezeigt werden. Von Methylenblau können unter Lichteinfluss
allerdings DNA-Brüche der Kolonozyten induziert werden, ohne dass geklärt wäre,
ob diese von ernsthafter Relevanz sein können. Indigokarmin hat diesen Effekt nicht.
Neuartige Geräte können die Autofluoreszenz neoplastischer Areale detektieren, ein
vielversprechender Ansatz, zu dem bereits eine erste positive Studie vorliegt. Ein
weiterer Ansatz ist das Narrow-Band-Imaging (NBI). Eine erste Studie mit einem
noch nicht ganz ausgereiften Prototyp zeigt keine höhere Sensitivität als die
Weißlichtkoloskopie, aber die Detektion anderer zusätzlicher dysplastischer Areale,
die mit der konventionellen Weißlichtendoskopie nicht entdeckt wurden. Die nun
verfügbaren NBI-Geräte sind heller und schärfer als der Prototyp, sodass wir eine
große Studie unter Einschluss von 18 Zentren in Deutschland und der Schweiz
initiiert haben, die die Sensitivität der NBI-Endoskopie bei der Colitis ulcerosa
untersucht. Eine weitere Entwicklung ist die Endomikroskopie, die die Möglichkeit
bietet, bereits in der laufenden Untersuchung dysplastische Areale bis auf die
zelluläre Ebene zu erkennen. Sie ist ein interessantes wissenschaftliches
Betätigungsfeld, wird aber kaum Einzug in die breite Versorgung finden.
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Das hepatozelluläre Karzinom
M. Müller-Schilling
Innere Medizin IV, Hepatologie und Gastroenterologie, Universitätsklinikum
Heidelberg
Das hepatozelluläre Karzinom (HCC) ist weltweit der fünfthäufigste Krebs und die
dritthäufigste krebsbedingte Todesursache. Weltweit wird mit 500.000 bis 1 Million
Neuerkrankungen pro Jahr gerechnet. Bei Patienten mit Leberzirrhose ist das HCC
mittlerweile die häufigste Todesursache. Die Inzidenz des HCC nimmt in Europa und
den USA deutlich zu.
Screening und Surveillance von Patienten mit chronischer Lebererkrankung
ermöglichen die Früherkennung eines HCC. Patienten mit HCC im Frühstadium
können mittels chirurgischer Resektion, Lebertransplantation oder lokal ablativer
Verfahren geheilt werden. Patienten mit fortgeschrittenem HCC können von
Behandlungen mit transarterieller Chemoembolisation und mit dem Tyrosinkinase-
inhibitor Sorafenib profitieren. Sorafenib ist die erste systemische Therapie, die beim
fortgeschrittenen HCC zu einer Verlängerung des Gesamtüberlebens führt. Sorafenib
stellt somit den neuen Standard in der Behandlung des fortgeschrittenen HCC dar.
Auf der Grundlage des Verständnisses der molekularen Pathogenese des HCC
wurden weitere geeignete therapeutische Zielstrukturen identifiziert. Molekulare
Signalwege, die gezielt von neuen Substanzen beeinflusst werden können, sind
Signalwege der Angiogenese, Wachstumsfaktor-Rezeptoren und Signaltrans-
duktionswege, die zur Vermittlung von Proliferationssignalen führen.
Fazit für die Praxis
• HCC = Todesursache Nr. 1 bei Patienten mit Leberzirrhose.
• Die Inzidenz des HCC wird in den nächsten 2 Jahrzehnten weitersteigen.
• Patienten mit einer Leberzirrhose haben ein Risiko von 1–6%/Jahr, ein HCC zu
entwickeln.
• Die Surveillance von Patienten mit Leberzirrhose ermöglicht die Früherkennung
des HCC.
• Patienten mit einer Leberzirrhose sollten alle 6 Monate sonografisch und durch
Bestimmung des α-Fetoproteins (AFP) untersucht werden. Eine neu aufgetretene
Raumforderung in der Leber sollte weiter abgeklärt werden; der diagnostische
52
Algorithmus berücksichtigt die Größe der Läsion, das Gefäßmuster in der
Bildgebung und die Höhe des AFP.
• Chirurgische Resektion, Lebertransplantation und lokal ablative Verfahren sind
kurative Therapieansätze für Patienten im Frühstadium.
• Die TACE (Transarterielle Chemoembolisation) ist für ausgewählte Patienten mit
nicht resektablem, nicht zu großem HCC (Intermediärstadium), mit nicht
wesentlich eingeschränkter Leberfunktion, lebensverlängernd.
• Für Patienten mit fortgeschrittenem HCC ist der Tyrosinkinaseinhibitor Sorafenib
die erste systemische Therapieoption, die zu einer Verlängerung des
Gesamtüberlebens führt.
Korrespondenzadresse: PD Dr. med. Martina Müller-Schilling Abteilung Innere Medizin IV Hepatologie und Gastroenterologie Medizinische Klinik (Krehl-Klinik) Im Neuenheimer Feld 410 69120 Heidelberg Tel.: (0 62 21) 56-3 87 95 / -87 77 Fax: (0 62 21) 56-43 95 E-Mail : [email protected] Literatur: Müller M. Das Hepatozelluläre Karzinom – Zukünftige Therapiestrategien [Hepatocellular carcinoma – novel treatment strategies]. Med Welt 2009; 60: 143–148.
53
Anschriften der Referenten und Vorsitzenden Prof. Dr. J. Emmrich Klinik und Poliklinik für Innere Medizin Abteilung für Gastroenterologie Universität Rostock Ernst-Heydemann-Str. 6 18057 Rostock Dr. A. Hoffman I. Medizinische Klinik Interdisziplinäre Endoskopie Universitätsklinikum Mainz Langenbeckstr. 1 55131 Mainz Prof. Dr. B. Högemann Innere Medizin II Klinikum Osnabrück Am Finkenhügel 1 49076 Osnabrück PD Dr. J. Keller Innere Medizin Israelitisches Krankenhaus in Hamburg Orchideenstieg 14 22297 Hamburg Dr. R. Keller Innere Medizin HANSE-Klinikum Wismar Störtebekerstr. 6 23966 Wismar Prof. Dr. E. Klar Allgemein-/Thoraxchirurgie Klinikum der Universität Rostock Schillingallee 35 18057 Rostock PD Dr. L. Leifeld Innere Medizin Ev. Krankenhaus Kalk Buchforststr. 2 51103 Köln
Prof. Dr. B. Lembcke Medizinische Klinik St. Barbara-Hospital Katholische Kliniken Emscher Lippe Barbarastr. 1 45964 Gladbeck Prof. Dr. M.M. Lerch Klinik und Polinklinik für Innere Medizin A Zentrum für Innere Medizin Universitätsklinikum Greifswald Friedrich-Loeffler-Str. 23a 17475 Greifswald Prof. Dr. P. Malfertheiner Klinik für Gastroenterologie, Hepatologie und Infektiologie Medizinische Fakultät der Otto-von-Guericke-Universität Leipziger Str. 44 39120 Magdeburg Prof. Dr. S. Meuer Institut für Immunologie Universitätsklinikum Heidelberg Im Neuenheimer Feld 305 69120 Heidelberg PD Dr. M. Müller-Schilling Abteilung Innere Medizin IV Hepatologie und Gastroenterologie Medizinische Klinik (Krehl-Klinik) Universitätsklinikum Heidelberg Im Neuenheimer Feld 410 69120 Heidelberg Prof. Dr. B. Rau Allgemein-/Thoraxchirurgie Klinikum der Universität Rostock Schillingallee 35 18057 Rostock
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Prof. Dr. H.-J. Schulz Innere Medizin Sana-Klinikum Lichtenberg Oskar-Ziethen-Krankenhaus Fanningerstr. 32 10365 Berlin PD Dr. U. Wahnschaffe Innere Medizin Ev. Waldkrankenhaus Spandau Stadtrandstr. 555–561 13589 Berlin