gefangenen info #367

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  • 7/31/2019 Gefangenen Info #367

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    gefangenen infounsere solidaritt gegen ihre repression

    mrz 2012 nr. 367 preis brd: 2 preis ausland: 2,70 www.gefangenen.info

    Zum Hungerstreik von PitScherzl

    Zur Lage der politischen Gefan-genen im Iran

    Zur Repression gegen Antifa-schistInnen in Warschau/Polen

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    Liebe Leserinnen und Leser,

    Kaum beginnt das neue Jahr, schon steht der 18.03. vor der Tre.Auch wenn bereits jetzt klar ist, dass diese Ausgabe nicht bei allen vordem 18.03. ankommen wird, stellt dies verstndlicherweise den jetzigenSchwerpunkt dar.

    Daher kommt es wahrscheinlich nicht weiter berraschend, dass wirhier einen Teil des Aufrufs des Netzwerks Freiheit fr alle politischenGefangenen abdrucken. Der komplette Aufruf ist dann einerseits berdie Homepage abrufbar und andererseits natrlich auch in gedruckterForm. In der Ausgabe des Infos weisen wir darber hinaus noch aufeinige Termine rund um den 18.03. hin.

    Fr uns ist dieser Tag natrlich ein Besonderer und daher mchten wirdiesen Tag auch dafr nutzen die 129-Prozesse mehr ins Blickfeld zurcken. Mit der Kampagne des Netzwerks: Linke Politik verteidigen!Weg mit den 129, die am 18.03. ihren Anfang nimmt, denken wirwird ein guter Schritt dahin unternommen.

    Aber kommen wir zur aktuellen Ausgabe:

    Als Nachtrag zum vorletzten Schwerpunkt drucken wir in dieser Aus-gabe eine bersicht von Widerstandsaktionen in Abschiebeknsten ab.Dazu gibt es im Inlandteil Artikel zum Tod von Benno Ohnesorg, demHamburger Piratenprozess und dem Hungerstreik von Pit Scherzl - dermit einem Bericht von Werner Braeuner zu seinem Solihungerstreikauf Seite 15 gleich zweimal in der jetzigen Ausgabe erwhnt wird.

    Im internationalen Teil haben wir dieses Mal Artikel ber die Lageder politischen Gefangenen im Iran, der repressiven Verschr-

    fungen in Chile, Aktuelles zum Prozess gegen die Stadtguerilla Re-volutionrer Kampf in Griechenland und zur Repression gegen An-tifaschistInnen in Polen anlsslich des Unabhngigkeitstags in Polen.

    Abgerundet wird die Ausgabe wie immer - neben dem bereits er-whnten Bericht von Werner Braeuner - mit Briefen von Gefange-nen. Darunter befindet sich auch ein Brief oder ein Gru von FarukEreren an Christa Eckes, dem wir uns gerne anschlieen wrden:

    Zeige uns bitte, dass du nicht nur imstande bist, die Angriffe derherrschenden Klassen zu besiegen, sondern auch deine Krank-heit.

    In diesem Sinne:Auf einen kmpferischen 18. Mrz!

    Die Redaktion

    Das Gefangenen Info ist aus dem Angehrigen Info hervorgegangen, welches im Hungerstreik der politischen Gefangenen 1989 als Hungerstreik Info entstand.HerausgeberInnen: Netzwerk Freiheit fr alle politischen Gefangenen und FreundInnen.V.i.S.d.P.: Wolfgang Lettow c/o Gefangenen Info, c/o Soziales Zentrum, Alexander-Puschkin-Str. 20, 39108 MagdeburgNichtredaktionelle Texte spiegeln nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wider. Beitrge der Redaktion sind entsprechend gekennzeichnet.Bestellungen (Inland): Einzelpreis: 2. Ein Jahresabonnement kostet 25,20 (Frderabo 28,00), Buchlden, Infolden und sonstige Weiterverkufer erhalten bei Bestel -lungen ab 3 Stck 30% Rabatt. Bei Bestellungen erhalten Sie eine Rechnung, die anschlieend auf das Konto des Gefangenen Info zu berweisen ist.Bestellungen (Ausland): Einzelpreis: 2,70. Ein Jahresabonnement kostet 28,40 (Frderabo 31,20), Buchlden, Infolden und sonstige Weiterverkufer erhalten bei

    Bestellungen ab 3 Stck 30% Rabatt. Bei Bestellungen erhalten Sie eine Rechnung, die anschlieend auf das Konto des Gefangenen Info zu berweisen ist.Anschrift: Gefangenen Info, c/o Soziales Zentrum, Alexander-Puschkin-Str. 20, 39108 MagdeburgRedaktion: [email protected], Vertrieb: [email protected]: Gefangenen Info, Konto-Nr.10382200, Bankleitzahl: 20010020, Postbank HamburgEigentumsvorbehalt: Nach diesem Eigentumsvorbehalt ist die Zeitung solange Eigentum der/des AbsenderIn, bis es den Gefangenen ausgehndigt worden ist. Zur-Habe-Nahme ist keine Aushndigung im Sinne des Vorbehalts. Wird das Info den Gefangenen nicht persnlich ausgehndigt, ist es der/dem AbsenderIn mit dem Grundder Nichtaushndigung zurckzuschicken.

    e-mail: [email protected] homepage: www.gefangenen.info

    2 gefangenen info mrz 2012

    vorwort inhalt dieser ausgabe

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    Schwerpunkt

    Aktuelle Situation von Glaferit nsalAufruf zu Aktionen fr Sonja undChristian

    Linke Politik verteidigen!

    Weg mit den 129!

    Inland

    Neue Erkenntnisse zum Tod vonBenno Ohnesorg

    Der Hamburger Piratenprozess -eine endlose Geschichte?

    Widerstand in Abschiebeknsten

    Hungerstreik von Pit Scherzl

    International

    Zur Lage der politischen Gefangenenim Iran

    Repressive Gesetzesverschrfungengegen Bildungsproteste in Chile

    Aktuelles zum Prozess gegen dieStadtguerilla Revolutionrer Kampfin Griechenland

    Der Satan in Warschau - Repressionam Unabhngigkeitstag in Polen

    Gefangene

    Solidarittshungerstreik von WernerBraeuner

    Briefe von Faruk Ereren, Glaferit nsalund ein Gruwort zum 18.03. von Tho-mas Meyer-Falk

    Buchvorstellungen von Thomas MeyerFalk

    Feuilleton

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    Bereits im letzten Gefangeneninfo berichte-ten wir ber die Situation Glaferit nsals,welche sich momentan im Frauengefngnis

    in Berlin-Lichtenberg bendet.Sie wurde am 21. September 2011 mithil-fe des europischen Haftbefehls von Grie-chenland nach Deutschland ausgeliefert.

    Als Begrndung diente der Vorwurf, zur Un-tersttzung politischer Gefangener Spen-den gesammelt und Zeitschriften verkauftzu haben. Voraussichtlich im Frhsommer2012 ist mit einem Prozess gegen sie undeiner Anklage nach dem 129b zu rechnen.

    Ihre Haftbedingungen entsprechen faktischeiner Isolationshaft.Sie ist 23 Stunden am Tag allein in einer

    Zelle eingesperrt und hat 1 Stunde tglichHofgang, ohne dabei Kontakt zu anderenGefangenen aufnehmen zu knnen.Nach Antrgen und Gerichtsbeschlssen,sowie verschiedenen Vorwnden der Be-

    amten im Gefngnis bestand nun ein paarmal - jeweils 2 x wchentlich fr je 2 Stun-den - Umschluss mit weiteren Gefangenen,welche jedoch ausschlielich deutsch spre-chen, da es im Berlin-Lichtenberger Ge-fngnis keine trkisch- oder englischspra-chigen Gefangenen gibt. Das ermglicht ihrkeinen Austausch, da sie noch kein Deutschversteht. Sie beschftigt sich momentan da-mit, es zu erlernen. Es ist sehr schwierig frsie die dazu ntigen Bcher zu erhalten, daderen Beantragung und Aushndigung, wieauch die von weiteren Medien und Kleidungdurch langwierige, angeblich behrdliche

    Ablufe, verzgert wird.Die Ermglichung des Empfangs von tr-kischem oder englischem Kabelfernsehenwurde nach einem Antrag durch Gerichts-beschluss abgelehnt.

    Besuche, welche sehr selten stattnden,werden grundstzlich durch das BKA, un-tersttzt von einem Dolmetscher, ber-wacht. Gre und Berichte ber andereGefangene sowie die Situation in der Trkeiwerden dabei mit der Begrndung, dass sieeinen Austausch ber das anstehende Ver-fahren darstellen knnten, durch die Justiz

    und BKA-Beamten verhindert.Glaferit erhlt mittlerweile hug Post auchaus vielen verschiedenen Lndern und freutsich sehr darber. Briefe verschiedenerpolitischer Gefangener wurden mehrfach,ebenso mit dem Hinweis das sie verfah-rensrelevant sein knnten, beschlagnahmt.Diese speziellen Haftbedingungen wurdenvom Ermittlungsrichter angeordnet. Nach-

    fragen gegenber wollen jedoch weder diediesem unterstellten BKA-Beamten nochdas Gefngnispersonal eine Entschei-dungsbefugnis darber haben und erklrensich jeweils gegenseitig fr verantwortlich.

    Von der Demonstration und Kundgebung,welche am 14.1.12 vor dem Gefngnisstattfand, hat sie, auch wenn die Fensterder Gefangenen alle in den Innenhof zei-gen, erfahren und sich sehr darber gefreut.Moralisch geht es ihr gut, jedoch berichtetsie, dass sie die Folgen der Isolationshaftdurchaus zu spren beginne.

    Am 18. Mrz wird eine Demonstration ausdem Berliner Bezirk Friedrichshain bis zumLichtenberger Gefngnis fhren und G-laferits sowie die Freiheit aller politischenGefangenen und die Abschaffung der Aus-forschungs- und Gesinnungsparagraphen129, 129 a und b fordern.

    Glaferit nsal freut sich ber jedes Zei-chen der Solidaritt und Grsse von drau-en.Schreibt ihr!

    mrz 2012 gefangenen info 3

    Aktuelle Situation von Glaferit nsal

    seite 3 schwerpunkt inland international dossier gefangene feuilleton kurzmeldungen

    www.political-prisoners.net

    Wir rechnen damit, dass der Prozess ge-gen Sonja und Christian im April in Frank-furt am Main beginnt. Ein guter Moment,den beiden unsere Solidaritt zu zeigenund dem Staat deutlich zu machen, dasses weltweit Untersttzer_innen gibt, dieden Prozess beobachten.Um diese Solidaritt sichtbar zu machen,rufen wir fr die Woche vor Prozessbeginn(die Tage X werden bekannt gegeben,wenn der Termin feststeht) zu internationa-len Aktionstagen auf.

    Wir freuen uns auf kurze Berichte und Bil-der von euch, die beschreiben/zeigen, wieihr eure Solidaritt und/oder Forderungenauf Transparenten oder Flyern beispiels-weise vor eine Deutsche Botschaft, ein

    deutsches Konsulat oder ein Goethe-In-stitut getragen habt oder als Zeichen derSolidaritt in euren jeweiligen Orten undStdten Transparente aufgehngt odereuch andere schwungvolle Aktionen aus-gedacht habt.

    Aufruftext / Text fr Protestfaxe

    In Krze beginnt vor dem LandgerichtFrankfurt am Main der Prozess gegenSonja Suder und Christian Gauger. Denbeiden werden drei Sprengstoffanschlgeder Revolutionren Zellen (RZ) und SonjaSuder darber hinaus Beihilfe zum ber-fall auf die OPEC-Konferenz in Wien imJanuar 1975 vorgeworfen. Wir protestie-ren aufs Schrfste gegen diesen Prozess,der sich in der Hauptsache auf angeblicheAussagen von Hermann Feiling sttzt,die unter folterhnlichen Bedingungenfabriziert wurden. Zudem beruft sich dasGericht auf Aussagen des Kronzeugen

    Hans-Joachim Klein, dessen Glaubwr-digkeit bereits in einem anderen Verfah-ren des Landgerichtes Frankfurt am Mainverneint wurde. Allein aus diesen Grn-den ist das kommende Verfahren auch

    unter rechtsstaatlichen Gesichtspunktenein Skandal. Vielmehr soll hier politischabgerechnet werden mit einer radikalenOpposition gegen Zustnde, die vor Ge-richt gehren: Warum wurde bis heute dieVerquickung deutscher Unternehmen mitdem sdafrikanischen Apartheidsregimenicht juristisch verfolgt? Die UntersttzungDeutschlands von diktatorischen Staatenwie Chile, Argentinien und eben Sdafri-ka in den 70er Jahren verschwindet inden Schubladen der Geschichte, whrenddenjenigen, die diese offensiv angepran-

    gert haben, noch 33 Jahre spter der Pro-zess gemacht werden soll. Dieser Prozessist juristisch und politisch ein Skandal. Wirfordern deshalb die sofortige Freilassungvon Sonja Suder und die unverzglicheEinstellung der Verfahren gegen beide!

    Aufruf zu Aktionen fr Sonja und Christian!www.verdammtlangquer.org

    Wir dokumentieren hier einen kurzen Auf-ruf zu Aktionen fr Sonja und Christian.Der aktuelle Stand ist so, dass nach Haft-verlngerungsentscheidung durch dievorsitzende Richterin von Sonjas Vertei-diger ein Befangenheitsantrag gegen diezustndigen Richter gestellt wurde. Bishergibt es noch keine Entscheidung darber.

    Auch die Zulassung der Anklage ist bis

    jetzt nicht entschieden.

    Soliplakat in Kiel

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    Seit jeher werden AktivistInnen und Organi-

    sationen, die gegen die alltgliche Ausbeu-tung und Unterdrckung kmpfen, verfolgtund mit Repression berzogen.Dies betrifft einerseits den Widerstand ge-gen den kontinuierlichen Abbau sozialerund konomischer Errungenschaften, Mo-bilisierungen gegen Krieg und Besatzung,sowie den Kampf gegen rassistische oderfaschistische Hetze und Gewalt. Vor allem

    jedoch diejenigen, die eine revolutionrePerspektive und Praxis entwickeln und die-se vorantreiben, sehen sich der Verfolgungdurch den Staat ausgesetzt.

    Zum Standardrepertoire der Verfolgung ge-hren neben schikansen Kundgebungs-oder Demoauagen, Personenkontrollen,dem chendeckenden Ablmen von De-mozgen oder der willkrlichen Festnahmevon TeilnehmerInnen auch die Anklage undInhaftierung von AktivistInnen.

    Die Kriminalisierung bringt oftmals Stresszu Hause, in der Schule, Ausbildung oderim Beruf und nanzielle Folgen nach sich mit dem Ziel uns und andere einzuschch-tern, zur Resignation zu bringen oder zu er-reichen dass wir uns mit den Verhltnissenabnden. Das erklrte Ziel ist folgendes:Der politische Protest und die politischePerspektive soll entweder in staatlich regu-lierte Bahnen gelenkt oder eben durch diewiederholte Kriminalisierung geschwchtund letztlich durch Haftstrafen verhindertwerden.Die 129 nehmen dabei eine besondereRolle in der Verfolgung und Kriminalisierunglinker Strukturen ein. Mit Hilfe dieser sog.

    Antiterrorgesetze soll von Anfang an Wider-stand gegen die bestehenden Verhltnisseunterbunden und zerschlagen werden. Sie

    geben den Behrden umfassende Rechtein der Ermittlung und Kriminalisierung.

    Die 129 dienen dabei nicht nur dazu Ak-tivistInnen zu inhaftieren und dadurch an-dere einzuschchtern und abzuschrecken,

    sondern auch dazu mit berwachungs-

    orgien, wie z.B. in Dresden, und anderenumfangreichen Ermittlungsbefugnissenumfangreiche Einblicke in linke Strukturenzu bekommen.

    Gerade heute in Zeiten in denen die kono-mische, politische und soziale Perspektivlo-sigkeit des kapitalistischen Systems immerdeutlicher sichtbar wird sei es durch durchLohnabbau, steigende Mieten, Arbeitslosig-keit oder der zunehmenden Vereinzelung

    werden die Proteure dieses Systemsverstrkt zu solchen Instrumenten wie den

    Antiterrorgesetzen greifen, um mit aller Ge-walt ihre Herrschaft und ihre Ordnung auf-recht zu erhalten. Denn linke Bewegungendie durch den Aufbau unabhngiger undkollektiver Strukturen, einer gelebten inter-nationalen Solidaritt und der Entwicklungdes Klassenkampfes von unten revolutio-nre Alternativen aufzuzeigen versuchen,stellen dabei als Lunte am Pulverfass einepotentielle Gefahr fr die kapitalistischeHerrschaftssicherung dar.

    Mit der Brandmarkung von AktivistInnen alsTerroristen soll dabei jegliches Vorgehengegen AktivistInnen legitimiert werden undder Kampf gegen Faschismus, Rassismus,

    Ausbeutung und Unterdrckung nicht nurdelegitimiert, sondern zerschlagen wer-den sei es durch Prozesse gegen aktuellkmpfende Gruppen, oder wie im Fall derRZ gegen bereits aufgelste Gruppen, umdadurch diesen Teil der Geschichte fr sichvereinnahmen zu knnen.

    Ob es um migrantische Strukturen wie dieDHKP-C (Revolutionre Volksbefreiungs-partei-Front), die seit 2006 mit Hilfe des129b bekmpft wird, und die PKK (Arbei-

    terpartei Kurdistan), die seit Oktober 2010mit dem 129b verfolgt wird, oder um Struk-turen wie die RZ geht, die nach wie vor alsterroristische Vereinigung gehandelt wird,um die Verfolgung eines militanten An-satzes wie der militanten Gruppe geht oder

    um einen angeblichen Zusammenschluss

    von AntifaschistInnen in Sachsen: In derBekmpfung von Aufstnden und von re-volutionren Anstzen werden zuknftigimmer fters die Antiterrorparagraphen zumEinsatz kommen.

    Fr uns gilt: Terrorist ist der, der verhun-gern lsst, bombardiert und verhaftet! Undnicht diejenigen, die in jeder Konsequenzfr eine klassenlose Gesellschaft, fr eineWelt ohne Ausbeutung und Unterdrckungkmpfen.Gerade angesichts der sich verschrfendenRepression gilt es daher mehr denn je zu-sammen gegen Repression, Ausbeutungund Unterdrckung zu kmpfen und ge-meinsam auch fr diejenigen auf die Straezu gehen, die eingesperrt und isoliert wor-den sind.

    Widerstand Repression Solidaritt

    Die verschrfte Kriminalisierung von Mi-grantInnen, insbesondere von KurdInnen,die Zensur linker Medien, der Versuch derHerrschenden die Geschichte der revo-lutionren Linken an sich zu reien, die

    Ausweitung des berwachungs- und Si-cherheitsapparates machen zusammen mitder zunehmenden Anwendung der Antiter-rorgesetze die repressive Situation in derBRD mehr als deutlich. Nur durch Solidari-tt und der Entwicklung des Klassenkampfsvon unten knnen wir dieser Angriffen undden sog. Antiterrorgesetzen etwas entge-gensetzen.

    Wenn in der kapitalistischen Logik Repres-sion auf Widerstand folgt, folgt aus einemrevolutionren Verstndnis heraus Solidari-tt auf Repression!

    Dafr ist es notwendig Repression und die129 als Mittel zur Aufstandsbekmpfung,also als Teil des Klassenkampfes von obenund als Konsequenz daraus Antirepressi-onsarbeit als Teil des Klassenkampfs von

    www.political-prisoners.net

    +++ 44 AntifaschistInnen in Sachsen werden als kriminelle Organisation verfolgt, da sie militant und organisiertgegen Faschisten vorgegangen sein sollen +++ Zwei ehemalige Militante der Revolutionren Zellen werden ausFrankreich nach Deutschland ausgeliefert, um ihnen im April oder Mai den Prozess als Mitglieder einer terroristi-schen Vereinigung zu machen +++ Linke aus der Trkei und Kurdistan werden mit Hilfe des 129b als Terroristen

    gebrandmarkt, verfolgt und zu langjhrigen Haftstrafen verurteilt +++

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    unten zu betrachten. Daher muss fr unsklar sein Antirepression als elementarenBestandteil von revolutionrer Politik undOrganisierung zu verstehen und Gefange-ne als deutlichsten Ausdruck der Repres-sion in unsere Kmpfe miteinzubeziehen.

    Solidaritt stellt nichts anderes als die Basisdar von der aus sich weiterer Widerstand

    entwickeln und entfalten kann und muss gerade angesichts der sich zuspitzendenSituation fr einen Groteil unserer Klasse.

    Deswegen heit es fr uns in mhevollerKleinstarbeit Tag fr Tag Solidaritt zu or-ganisieren, die Gefangenen in unsereKmpfe mit einzubeziehen und diesen alsdeutlichsten Ausdruck der sich verschr-fenden Repression unsere Solidarittzukommen zu lassen. Sei es in Form vonDemonstrationen, Knastspaziergngen,Infoveranstaltungen oder mit Briefen undstetigem Kontakt zu Gefangenen - am

    18.03., an Silvester oder besser an jedemTag des Jahres um den stetigen Angriffender Herrschenden etwas entgegensetzenzu knnen. Sei es im Kampf gegen die sichallgemein verschrfende Repression odergegen die Antiterrorgesetze im Besonderen

    Darber hinaus muss fr uns klar sein: ImKampf gegen die verstrkt angewendeten

    Antiterrorparagraphen zusammenzustehenund die Angegriffenen zu verteidigen un-abhngig von ideologischen und politischenDifferenzen.

    Fr uns muss es daher heien:Internationale Klassensolidaritt auf-

    bauen um der zunehmend internationalorganisierten Repression etwas entgegen-setzen zu knnen und uns in der Frage derSolidaritt nicht von Linienkmpfen spaltenzu lassen, sondern als internationale Ein-heit geschlossen dem Feind gegenzuber-stehen!Klassenkmpfe entwickeln drinnenund drauen!Kampf der kapitalistischen Repressi-onsmaschinerie!

    Freiheit fr alle politischen und sozialenGefangenen weltweit!

    Netzwerk Freiheit fr allepolitischen Gefangenen

    political-prisoners.net | gefangenen.info |nullaenito.jimdo.com

    Der 18. Mrz -Tag der politischen Gefangenen

    Der 18. Mrz geht zurck auf zwei hi-storische Ereignisse: Am 18. Mrz 1848lehnte sich die langsam am enstehendeBerliner ArbeiterInnenklasse gegen Jun-ker und Fabrikbesitzer auf und wurdeblutig niedergeschlagen. Als zweites geht

    der 18. Mrz zurck auf die Grndung derPariser Commune am 18. Mrz 1871, alssich die ArbeiterInnen zum ersten Mal auf-schwangen, um eine von Ausbeutung undUnterdrckung befreite, klassenlose Ge-sellschaft zu erkmpfen. 71 Tage lang warParis unter der Kontrolle der Communeund organisierte sich nach rtedemokra-tischen Prinzipien. Die Commune wurdevon der Versailler Regierung im Bndnismit der europischen Reaktion blutig nie-dergeschlagen. Das Resultat waren 30000Tote und ber 38000 Gefangene.

    Im Bezug aufdiese histo-rischen Ereig-nisse und an-gesichts dersich verschr-fenden Re-pression riefdie Interna-tionale RoteHilfe 1923 den18. Mrz zumInternationa-

    len Kampftagfr alle revo-lutionren po-litischen Ge-fangenen undV e r f o l g t e n aus.

    Whrend des Faschismus konnte der Tagin der BRD nicht mehr begangen werdenund so kam es, dass erst 1993 durch dieInitiative von Libertad und der Roten Hilfeder 18.03. als Tag der politischen Gefan-genen wiederbelebt wurde.

    Auch wir beteiligen uns seit einigen Jahrenwieder mit Konferenzen, Kundgebungen,Demonstrationen etc. an diesem Tag, umdadurch zum Aufbau und der Entwicklungvon Solidaritt ein Stck beizutragen.

    Berlin

    Samstag, 17. Mrz 2012Veranstaltung ber die Berliner Mrz-kmpfe 1919

    18 Uhr - Caf CommuneReichenbergerstr. 157 - Kreuzberg

    Sonntag, 18. Mrz 2012Demonstration

    Weg mit den 129 Freiheit fr Glaferitnsal

    15 Uhr U-Bahnhof SamariterstraeBerlin Friedrichshain

    Stuttgart

    Dienstag, 13. Mrz 2012Infoveranstaltung zur Demo19 Uhr - EKM VereinNordbahnhofstr. 61(Zwischen U-15 Haltestelle Milchhof und Mitt-nachtstr)

    Samstag, 17. Mrz 2012Demonstration

    Linke Politik verteidigen!Weg mit den 129, 129a/b!

    14 Uhr - Schlossplatz- Stuttgartwww.linkepolitikverteidigen.tk

    Samstag, 24. Mrz 2012Infoveranstaltung ber das 129a Ver-fahren in Magdeburg 2002

    Ort steht noch nicht fest.

    Weitere Infos unter:www.political-prisoners.net undwww.zk-stuttgart.tk

    Weitere Infoveranstaltungen

    Donnerstag, 15. Mrz 2012Veranstaltung ber Kommunikation mit

    Gefangenen mit Wolfgang Lettow

    20 Uhr - WuppertalAutonomes Zentrum WuppertalMarkomannenstr. 3

    Freitag, 16. Mrz 2012Von Stammheim - an den Bosporus

    Veranstaltung mit Wolfgang Lettow vomNetzwerk Freiheit fr alle politischenGefangenen und Peter Nowak

    18 Uhr - Internationales Zentrum die Br-

    cke - Wilmergasse 2, Mnster

    Termine zum 18.03.

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    Vor bald 45 Jahren wurde Benno Ohnesorg an-lsslich einer Demonstration gegen den Schahaus Persien am 2. Juni 1967 erschossen. DerPolizist, der die tdlichen Schsse auf Benno ab-feuerte, hie Kurras.Der Berliner Senat und die Springerpresse recht-fertigten ebenso wie die damalige Bundesregie-rung diese Tat.

    Logisch und konsequent ist aus herrschenderSicht, dass der Polizist Kurras wegen der Er-schieung Benno Ohnesorgs freigesprochenwurde.

    Jetzt schrieb Der Spiegel vom 4/2012 , dass ...die Polizei offenbar gezielt Benno erschoss, denSchtzen Karl-Heinz Kurras deckte, sogar dieLeiche des Opfers wurde manipuliert.Gezielt erschossen, heit dass Kurras denSchuss offensichtlich unbedrngt aus nchsterNhe und umgeben von mehreren Polizistenabgegeben hat. Bei dieser Exekution war auchsein damaliger Einsatzleiter anwesend.Auf einer bislang unbekannten Filmsequenz,... ,sieht man Kurras ...mit ruhigen Schritten in Rich-tung Ohnesorg gehen, whrend sich in seinerHand ein pistolenfrmiger Gegenstand abzeich-net...

    Der am Ort des Geschehens im Innenhof einesHauses der Berliner Krumme Strae verantwort-liche Einsatzleiter, der Staatsschutzbeamte Hel-mut Starke, hatte als Kurras Vorgesetzter erklrt,er habe den Schtzen erst erheblich spter ge-sehen. Nun zeigen Fotos den leitenden Beamtender Berliner Polizei wenige Meter von der Stelleentfernt, an der Kurras aus kurzer Distanz denSchuss abgefeuert hat. Damals wurden dieseAufnahmen und Akten bewusst von den Herr-schenden unterschlagen.....Auf einem weiteren bislang unbekannten Bildist die Situation der Schussabgabe zu sehen.Dabei sttzt sich Kurras mit der linken Hand auf

    einen Kollegen der Polizei, whrend er mit derrechten Hand schiet. Der Name des Kollegenist offenbar gezielt aus den Akten herausgehal-ten worden, er wurde nie vernommen. Ebenfallsnicht vernommen wurden drei Schutzpolizisten,die wahrscheinlich noch nach dem tdlichen

    Treffer auf denbereits amBoden liegen-den Ohnesorgeingeprgelthatten. Ihre

    Namen sindbis heute nichtermittelt. (alleZitate aus demSpiegel)Bennos Leichewurde manipu-liert

    Im Kranken-haus Moabite n t f e r n t e nrzte Schdel-teile um das

    Einschusslochherum undnhten die

    Kopfhaut wieder zu. Im Totenschein ist als Todes-ursache angegeben: Schdelverletzung durchstumpfe Gewalteinwirkung. Dies, so sagte jetztder damals diensthabende Arzt Homayoun T., derder Sohn des damaligen iranischen Wirtschafts-ministers war und der den Totenschein ausstellte,habe er ...nicht aufgrund eigener Feststellungen,sondern auf Anweisung meines damaligen Chefsgemacht.(ebenda)

    Selbst der Bundestagsabgeordnete Hans-Chri-stian Strbele von den Grnen sieht einen hinrei-

    chenden Verdacht, dass es sich bei der Erschie-ung von Benno Ohnesorg um eine vorstzlicheTat mit Ttungsabsicht gehandelt habe.

    Rolf Heiler, schilderte Anfang der neunzigerJahre, zu dieser Zeit Jahre inhaftiert insgesamtber 20 Jahre, die Erschieung von Benno so:

    ...mein leben beginnt eigentlich erst am

    2.6.67... ich lief unter diesen roten fahnen

    mit, vermutlich aus emprung ber das erste

    bewusst wahrgenommene staatsverbrechen

    und dessen rechtfertigungsversuche. am 2. 6.

    waren in westberlin die demonstranten gegen

    den schahbesuch der schah, verantwortlich

    fr folter und mord an zehntausenden im iran

    von polizei und savak-agenten brutalst aus-

    einandergetrieben worden. benno ohnesorg

    wollte sich in sicherheit bringen und war aufder ucht in einem hinterhof erschossen wor-

    den, obwohl er niemanden bedroht und gar

    angegriffen hatte.

    seine ermordung war damals fr mich der

    grund, mich mit diesem staat und meinem

    oberchlichen heileweltbild zu beschfti-

    gen.... ich lernte erstmals die geschichte und

    die welt mit den augen der ausgebeuteten und

    unterdrckten kennen, in der schule oder zu

    hause war das total ausgeblendet gewesen,

    der deutsche imperialismus, der nazismus,die situation in den drei kontinenten, kolonia-

    lismus, kapitalismus, sozialismus, kommunis-

    mus, anarchismus, befreiungskriege, die brd

    als nachfolgestaat des tausendenjhrigen

    reiches immer auf der falschen seite. vietnam,

    die palstinenserInnen trugen den krieg in

    den metropolen, che, del, die tupamaros, die

    black panther, die befreiungsbewegungen,....

    eine totale aufbruchsstituation und stimmung.

    du hast gefhlt und gesehen, es sind berall

    menschen wie wir, die es jetzt selber in die

    hand nehmen, da alles anders wird, ich habedamals selbst gar keine vorstellung gehabt,

    wie, aber ich war ganz sicher, dass wir es kn-

    nen und rauskriegen werden, wenn wir immer

    nur weiter suchen. (Rolf)

    Ausblick

    Wir meinen, wir knnen die Erschieung vonBenno auch als gezielte Hinrichtung und Mordbezeichnen.Auch in den Prozessen um die Hintergrnde desTodes von Oury, der gefesselt auf einer Matrazeliegend angeblich in einer Polizeizelle 2005 sich

    selbst anzndete, wird die Wahrheit unterdrcktund manipuliert. Als DemonstrantInnen deshalbfolgerichtig am 7. Todestag in Dessau riefenOury Jalloh das war Mord wurden sie von derPolizei angegriffen und teilweise krankenhausreifgeschlagen.

    Selbst die TAZ, die sonst alles bekmpft, waslinks von den Grnen steht, zieht Parallelen zurErschieung von Wolfgang Grams. Wolfgangwurde am 27. 6. 93 in Bad Kleinen bei seinerFestnahme erschossen. Die Leiche von Gramswurde manipuliert, Tatortspuren verschwanden,...Der Verdacht, Grams knnte regelrecht exeku-tiert worden sein, wurde trotzdem entsorgt....An-

    gesichts der jetzt aufgedeckten Vorflle um denTod Ohnesorgs mchte man.raten, sich nichtso sehr festzulegen (TAZ, 27. 1. 12)

    Weil wir die staatlich verordnete Selbstmordthe-se anlsslich der Stammheimer Todesnacht vom18. Oktober 1977 hinterfragten, hatte unsereZeitschrift diverse Verfahren.Da es bekanntlich noch viele weitere ungeklrteTodesflle gibt, heit die Devise weiter wachsamzu bleiben, den Lgen der Herrschenden nicht zuglauben und nicht locker lassen, wie Rolf schriebweiter zu suchen, bis alles aufgeklrt ist.

    Redaktion

    www.political-prisoners.net

    Neue Erkenntnisse zum Tod von Benno OhnesorgRedaktion

  • 7/31/2019 Gefangenen Info #367

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    mrz 2012 gefangenen info 7

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    Frankfurt: Bleibt der Tod imJobcenter ungeklrt?Christy Schwundeck, eineFrau mit nigerianischenWurzeln, weigerte sich imMai das Jobcenter Frank-furt Gallusviertel zu verlas-

    sen, weil ihr ein berbr-ckungsgeld von 10 verweigert wurde. Siewurde dabei von einer Polizistin erschossen,weil sie angeblich einen Beamten mit einemMesser verletzt haben soll.Die Staatsanwaltschaft mchte die AkteChristy Schwundeck ohne ffentlichkeitlautlos schlieen, dagegen wendet sich eineInitiative. (red.)

    Hamburg: 3 1/2Jahre Knastfr Ra & Flo gefordertNachdem Ra und Flo ausHamburg im Zuge der Ru-

    mung des besetzten Stadt-teilzentrums Kukutza III inBilbo, Baskenland, Septem-ber 2011 verhaftet wurden

    und neun Tage in Untersuchungshaft verbrin-gen mussten, hat die Staatsanwaltschaft nunfr die beiden 3 1/2Jahre Knast gefordert.Flo und Ra wird vorgeworfen, whrend der

    Auseinandersetzungen ums Kukutza am21.09.2011 angeblich Mllcontainer ange-zndet zu haben.Der Gerichtstermin wird zwischen Mai undSeptember erwartet. (red.)

    Stuttgart: Am 17.02.2012,fand in Stuttgart der Prozessgegen Smily der RASHStuttgart statt. Aufbauendauf Aussagen von Per-sonen, die der rechtsoffenenPunk und Oi Szene zuzu-ordnen sind, wurde ihm

    durch die Staatsanwaltschaft Krperverlet-zung in 5 Fllen vorgeworfen u.a..

    Auf der Basis fehlender Beweise und wider-sprchlichster Aussagen der Zeugen, wurdeder Genosse zu 10 Monaten Haft ohne Be-whrung verurteilt. Der Haftbefehl gegen ihn

    wurde durch die haltlose Begrndung derFluchtgefahr aufrecht erhalten. Freiheit frSmily! (red.)

    Wrzburg: Hungerstreik inbayerischem Knast! Wie diePresse Ende Januar berich-tete fand in der JVA Wrz-burg ein Hungerstreik von125 Gefangenen gegen dieinakzeptablen Haftbedin-gungen statt.

    Unter anderem kmpften sie fr substantielleVerbesserungen ihrer Lebensbedingungen;

    das fngt bei scheinbaren Kleinigkeiten wieangemessene Ausstattung der Anstaltsbettenan, eine abwechslungsreichere Lektre wh-rend des Arrestes und offenbar auch eine Be-endigung der Diskriminierung der Gruppe derRusslanddeutschen Gefangenen. (red.)

    Kurzmeldungen bundesweit

    Im Hamburger Piratenprozess forderte dieStaatsanwaltschaft am 71. Verhandlungstag,dem 25.1.2012, insgesamt 81 Jahre sechsMonate Knast fr die zehn Angeklagten ausSomalia. Gemeinschaftlicher Angriff auf denSeeverkehr von langer Hand vorbereitet, ar-beitsteilig und quasi militrisch und vollendeter

    Menschenraub lautet der Vorwurf.

    Am 77. Verhandlungstag wurde der Prozess inzwei Verfahren gesplittet das Ursprungsver-fahren (gegen fnf der erwachsenen Angeklag-ten) und das abgetrennte Verfahren (gegendrei Jugendliche und zwei Erwachsene). DieKammer wollte beide Verfahren fortfhren. Dieersten Urteile sollten Ende Mrz gesprochenwerden.

    Aber am 78. Verhandlungstag kam wieder allesanders: Ein Angeklagter, der auch schon gegen-ber dem Niederlndischen Geheimdienst Aus-sagen gemacht hatte, gab eine umfangreiches

    Erklrung ab, in der er den Tathergang ausseiner Sicht schilderte und alle Angeklagten na-mentlich belastete. Er sei der Dolmetscher ge-wesen, die Waffen htten die anderen gehabtDie Angeklagten hatten April 2010 das an dieisraelische Slim-Lines ausgeliehene deutscheContainerschiff Taipan mit Flipops, bzw. bar-fu und mit -bei ihrer Vorfhrung vor Gericht-verrosteten Waffen geentert. Die Mannschafthatte sich in den Saferoom zurckgezogen undwar dann von der niederlndischen FregatteTromp unter schwerem Beschuss und demEinsatz eines martialisch bewaffneten Sonder-kommandos befreit worden. Die zehn Piratenleisteten keinerlei Widerstand. Es war niemand

    zu Schaden gekommen.

    Es gibt die Auage, dass bis Ende Mrz frdie Jugendlichen das Urteil gesprochen seinmuss sonst drften sie nicht weiter in U-Haftbleiben. Die dauert -wie auch fr die anderen

    Angeklagten- inzwischen schon fast zwei Jahre.blich sind bei Jugendlichen sechs Monate! Ih-rer Unterbringung in einer Jugendwohnung warvon den zustndigen Stellen schon seit langemzugestimmt worden. Bislang wurden alle Antr-ge der Verteidigung auf Haftverschonung jedochkategorisch abgelehnt - u.a. mit der frsorg-lichen Begrndung, das Gericht knne sie dochnicht in die Illegalitt entlassen.Fr den Jugendlichen, der sich beim Kapitn desgeenterten Schiffes entschuldigt hatte, fordertedie Staatsanwaltschaft nur vier Jahre Haft. Frdie anderen beiden, darunter der Jngste, je-weils fnf Jahre und sechs Monate. Er war lautGeburtsurkunde zur Tatzeit 13 Jahre alt, wasvom Gericht aber anders gesehen wird - wiealles, was aus Somalia stammt, darunter auchEntlastungszeugen, die erst gar nicht geladenwurden. So konnten die Angaben von Angeklag-ten, sie seien zwangsrekrutiert worden, nichtberprft werden.

    Das erste Mal sollten nun im Ursprungsver-

    fahren dennoch potentielle Entlastungszeugengeladen werden: indische Seeleute, die ihrer-seits mitsamt des Schiffes, einer Dau Hud-Hudgekapert worden waren. Von diesem Mutter-schiff aus sollen die zehn Angeklagten mit zweiSkiffs zur Taipan gestartet sein. Im Ursprungs-

    verfahren waren all jene Angeklagten weiterhinzusammen, die in ihren Erklrungen etwas zurSituation auf der Dau gesagt hatten. Die Aussa-gen der Zeugen knnten fr sie alle Folgen ha-ben, sagte der Richter und es hrte sich mehrwie eine Drohung als ein Hoffen auf entlastendeBeweise an. Als der Verteidiger des Dolmet-

    schers nachfragte, antwortete der Richter Dieknnen unter Umstnden auch was darber sa-gen, wer gedolmetscht hat.

    Mit den Jugendlichen wurden die Verfahrenzweier Erwachsener abgetrennt. Der eine hatteals erster ein Gestndnis abgelegt, wofr ihn dieStaatsanwaltschaft mit nur sieben Jahren Haftbelohnen mchte. Whrend der zweite Gefan-gene, ein Fischer, schwer krank ist und nur nochmithilfe von Medikamenten der Verhandlung fol-gen kann. Er konnte mangels gefangener Fi-sche die Schulden seiner Familie beim rtlichenKrmer nicht mehr bezahlen. Dieser nahmdaraufhin den damals fnfjhrigen Sohn des

    Angeklagten in Zahlung. Der Angeklagte lsstseinen Anwalt das Gericht bitten, ihn hinzurich-ten, weil er keinen Sinn mehr in seinem Lebensieht und die Last, seiner Familie nicht helfen zuknnen, nicht mehr ertragen kann. Die Staats-anwaltschaft behauptete, dafr Verstndnis zuhaben, forderte aber trotzdem zehn Jahre Haft.Vor allem in Somalia glaubten nicht nur die Fami-lien der Angeklagten, das Pldoyer der Staats-anwaltschaft sei bereits das Urteil. Sie waren zu-tiefst schockiert. Dass der Vorsitzende Richter,Bernd Steinmetz, vorher erklrt hatte, es habekeine Absprachen hinsichtlich der Strafhhegegeben, konnte sie nicht beruhigen. Prozess-begleiterInnen verfassten daraufhin einen Brief,

    der das schwer Erklrbare erklren und Solidari-tt mit den Gefangenen und ihren Familien zum

    Ausdruck bringen sollte. Im somalischen Fern-sehen wurde diese Botschaft aufgegriffen. Inden deutschen Medien nicht. Hier wird auch derZusammenhang zwischen dem Prozess unddem ersten gemeinsamen europischen Mili-treinsatz Atalanta verschwiegen. Es werdenkeine Daten ber die Anzahl Fische raubenderSchiffsfabriken vor der Kste Somalias verbrei-tet, die im Schatten der Militrmission weiter-hin in Ruhe kriminelle Beute machen knnen,whrend die Kriegsschiffe die kleinen Skiffs dersomalischen Fischer als potentielle Piratenskif-fs versenken. Es wird nicht die Zahl der durchden Tsunami 2004 an die 3000 km lange KsteSomalias gesplten Giftmllfsser genannt. Eswird nicht erwhnt, dass die Hauptstadt Moga-dischu vor langer Zeit einmal die Perle Afrikasgenannt wurde.

    Die wirtschaftlichen Interessen des Export-Welt-meisters an dem wichtigen Seehandelsweg wer-den nur bei politischen Debatten im Bundestagoffen auf den Tisch gelegt. So bei der Diskus-sion am 1.12.2011 ber die Verlngerung desAtalanta- Mandats, dem alle Parteien auerder LINKEN zustimmten. Die Piraten, so tntedie CDU/CSU dabei am deutlichsten, schaden

    Deutschland und seiner Wirtschaft. Welche Ur-

    teile sind da zu erwarten? Die EU verlngertedas Mandat bis 2014.

    Anita Friedetzky, Hamburg 29.2.2012

    Der Hamburger Piratenprozess Eine endlose Geschichte?Anita Friedetzky

  • 7/31/2019 Gefangenen Info #367

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    Als eine Ergnzung zum SchwerpunktKampf dem staatlichen und institutio-nellen Rassismus! im Gefangenen InfoNr. 365 drucken wir eine sehr unvoll-stndige Chronik einiger Widerstnde in

    Abschiebeknsten der letzten Jahre ab.Im Kern geht es uns darum aufzuzeigen,dass es immer berall dort, wo Unterdr-ckung herrscht, auch Widerstand gibt.Dies kam aus unserer Sicht in unseremdamaligen Beitrag zu kurz.Erst krzlich, am 16. 02. diesen Jah-res, wurde eine Charterabschiebungnach Ghana in London blockiert, indemsich mehrere AktivistInnen vor dem Ab-schiebeknast an den Ausgngen anket-teten.

    Deutschland

    09.01.2009Zwei Mnner versuchten, Gefangene ausdem Abschiebeknast in Berlin zu befrei-en. Laut Polizeibericht nherten sich diebeiden ber ein Firmengelnde in derGrnauer Strae den Mauern des Ge-wahrsams und steckten mehrere Kunst-stoffrohre ineinander. Sie mussten ie-hen, ehe sie ihr Werk vollenden konnten.Die von den Unbekannten zurckgelas-senen Rohre mit einer Gesamtlnge vonrund 20 Metern, die zur Hhenberwin-dung zu einem Zellentrakt ausreichendgewesen wren, wurden sichergestellt,eine Fahndung blieb erfolglos.

    13.07.2009Ein Marokkaner hat sich in der Abschie-behaft in Ingelheim bei Mainz verschanzt.Der 25-Jhrige verweigerte den Trans-port, als er am Montag zur Abschiebungabgeholt werden sollte. Daraufhin solida-risierten sich 21 andere Insassen mit demMann und verbarrikadierten sich gemein-sam mit ihm in einem Trakt. Polizeikrf-te, spter spezielle Verhandlungskrfte

    der Polizei, hatten die ganze Zeit bermit den Insassen Kontakt und konntensie schlielich dazu bewegen, die Barri-kaden abzubauen, um einige Personenfr weitere Verhandlungen nach drauenzu lassen. Diesen Augenblick nutztenEinsatzkrfte des SEK, um in den Trakteinzudringen und alle Insassen unterKontrolle zu bringen. Dabei wurden wahr-scheinlich 5 Menschen verletzt. Gegendie Insassen wird wegen Gefangenen-meuterei ermittelt.

    26.06.2010

    Um gegen ihre Abschiebung zu protestie-ren, treten vier Abschiebehftlinge in der

    JVA Hannover-Langenhagen in Hunger-streik.

    Abrahim Bakro wurde, obwohl er durchden Hungerstreik gesundheitlich ge-

    schwcht war, am 29.6.2010 ber denFlughafen Frankfurt nach Damaskusabgeschoben. Die drei verbliebenenHungerstreikenden brachen ihren Streikaufgrund von Strafandrohung durch JVA-

    BeamtInnen am selben Tag ab.

    03.09.2010Einem 21jhrigen, der am Vormittag vom

    Amtsgericht Gstrow in die JVA Btzowgebracht werden sollte, gelingt vor demJVA-Gebude die Flucht aus dem Funk-streifenwagen.

    09.01.2011Die letzten 12 Gefangenen beendeten inder JVA Bren ihren Hungerstreik, ohneihre Ziele zu erreichen. Angefangen hat-te der Streik nach Weihnachten mit dreiGefangenen, kurze Zeit spter hungertenschon ber 30 Abschiebehftlinge.Die Leitung der JVA Bren versuchte von

    Anfang an, den Hungerstreik in der f-fentlichkeit herunterzuspielen und bteenormen Druck auf die Abschiebehft-linge aus. Gefangenen wurde gedroht,sie wrden in die Isolationszelle der JVAgesperrt, in ein anderes Gefngnis oderins Justizvollzugskrankenhaus verlegt.Dort wrde ihnen dann ein Mittel ge-spritzt, was impotent macht. Teilweisewurde ihnen auch angeboten, dass sieeine Woche nach dem Hungerstreik ent-

    lassen wrden.

    BELGIEN

    20.04.20112 Personen, die in einem Flug aus Al-gerien mit falschen Papieren verhaftetwurden, werden von der Polizei zu jenerSeite des Flughafens eskortiert, wo sieanschliessend wieder deportiert werdensollten. Die beiden lassen ihr Gepck fal-len und rennen mehr als 500 m Zick-Zackzwischen den Flugzeugen davon. Siestehlen ein Auto, mit welchem sie ber

    die Landebahn fahren. Spter wird es aufder Autobahn wiedergefunden, ohne eineSpur von beiden.

    ITALIEN

    16.08.2011

    Im Abschiebeknast von Sa auf Maltaznden Gefangene Matratzen und Mllei-mer an und werfen Steine auf die Wrter.Sie protestieren gegen die unmensch-lichen Bedingungen und schreien Wirwollen Freiheit! Anti-Riot Cops setzenTrnengas ein, die Polizei berichtet von19 Verletzten (darunter ein Migrant (!)).23 Personen droht ein Prozess.

    17.08.2011Eine Gruppe Tunesier, im Aufnahmecen-ter von Pantelleria (Insel bei Sizilien) ge-fangen gehalten, znden Matratzen undMbel an. Die Flammen greifen auf dasgesamte Gebude ber, die Feuerwehrrckt an. 80 Personen werden evakuiert.Zwei hnliche Aufstnde gab es bereitsim Juli und August.

    24.08.2011Um die 100 Menschen versuchen ausdem Abschiebeknast Pozzallo (Ragu-sa) auszubrechen. Sie benutzen Eisen-stangen von Doppelstockbetten, um dieGlastren einzuschlagen. 16 Fliehendewerden sofort eingefangen, ca. 50 wei-tere gesucht. 13 Immigranten werdeninhaftiert und der Zerstrung und des Wi-derstandes angeklagt.

    FRANKREICH

    29.07.2011Nachdem ein Feuer den Abschiebeknastvon Lyon Saint-Exupry teilweise zerstrthat, werden 8 Leute in Gewahrsam ge-nommen. Sie knnten mehrerer Hundert-tausend Euro Schaden beschuldigt wer-den. Das Feuer brach am Vortag an fnfverschiedenen Stellen aus. 58 Gefange-

    ne wurden in andere Knste verlegt.

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    8 gefangenen info mrz 2012

    Widerstand in AbschiebeknstenRedaktion

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    BRD: In der Edition Assem-blage ist das Buch Abrisse Innen- und Auenan-sichten einsperrender Insti-tutionen erschienen. dasProjekt Baulcken [zeich-net] grundlegende kritische

    Positionen zum Thema Ge-fngnisse auf. Bercksichtigt werden dabeidie verschiedenen Sichtweisen von Gefan-genen, Aktivist_innen aus verschiedenenLndern und Antwlt_innen, die ber eineisolierte Betrachtung der Institution Gefng-nis hinaus weisen. 128 Seiten, 12.80 Euro,ISBN 978-3-942885-06-5 (red.)

    Stuttgart: Stuttgarter Be-hrde belegt Kurden mitpolitischem Bettigungs-verbot. Ihm wird unter an-

    derem vorgeworfen aufVeranstaltungen ber dieGeschichte der PKK refe-riert zu haben. Dabei soll

    ihm die bernahme von mtern, aber auchdie Teilnahme an politischen Versamm-lungen oder das Halten von Reden unter-sagt werden. Ayata war Grndungsmitgliedder PKK, der er bis zu seiner Verhaftungnach 1980 angehrte. Nach 20 Jahren Haftund schwerer Folter oh er 2002 nachDeutschland, wo sein Asylantrag als offen-sichtlich unbegrndet abgelehnt wurde.

    (red.)

    Berlin: Genug ist genug Freiheit fr Mumia sofort!Demo am 21. April in Berlin!Das Free Mumia BndnisBerlin ruft fr den21.04.2012 zu einer Soli-demo in Berlin auf und for-dern: Freiheit fr Mumia

    Abu-Jamal! Stop the Prison Nation wegmit der Gefngnisindustrie! Abschaffung derTodesstrafe berall! Freilassung der politi-schen Langzeitgefangenen in den USA!Treffpunkt: 16 Uhr Rosa-Luxemburg Platz,

    Abschlusskundgebung gemeinsam mit Akti-

    vist_innen aus den USA vor der US Bot-schaft am Brandenburger Tor. Weitere Infosunter: www.mumia-hoerbuch.de (red.)

    Dsseldor Sadi zpolatund nal Kaplan Dzyarwurden am 9. Februar vomhiesigen Oberlandesgerichtzu Haftstrafen verurteilt.Den beiden wurde vorge-worfen Mitglieder der DH-KP-C (Revolutionre Volks-

    befreiungspartei-Front) gewesen zu sein. Es

    wurden bislang 11 Personen mit diesemVorwurf zu langjhrigen Haftstrafen verur-teilt. Sadi wurde zu 6 Jahren verurteilt undnal zu 4 jahren. nal ist aber unter Aua-gen entlassen worden. (red.)

    Kurzmeldungen bundesweit

    Seit dem 1. Februar bendet sich der in der JVARheinbach inhaftierte Pit Scherzl (Bundesvor-stand der IvI = Interessenvertretung Inhaftierter)im Hungerstreik.

    Die Grnde dafr sind:1. Die allgemeinen, schlechten Haftbedingungen

    gerade in der JVA Rheinbach2. Die konomische Situation im Knast, d. h. dieAusbeutung durch Zwangsarbeit und Konsum(Knast-Kaufmann-System u. berhhte Kabel-/Telefongebhren)Das Vorgehen der Justiz (Vollzug u. Gerichte)gegen ihn im Zusammenhang mit der nicht er-folgten Verlegung in den offenen Vollzug sowiedie Ignorierung und/oder Hinauszgerung vonBescheiden, was seine vorzeitige Haftentlassunganbelangt.

    Pit weist auf einige Inhaftierte (Faruk Ereren,Peter Wegner; Erwin Adamczyk, Hans JoachimJrgens, Rainer Nonnenbroich) in verschiedenenHaftanstalten in Deutschland hin und bekundetseine Solidaritt mit ihnen und 10.000en Unge-nannten.Auch schildert Pit in den bisher erschienenRundbriefen die Situation im Knast detailreichund anschaulich. Besonders sei an dieser Stel-le hervorgehoben, dass die Kriminalisierung vonMenschen im Knast weitergeht. Das Resozialisie-rungs-Dingsbumms ist Ideologie fr die uninfor-mierte ffentlichkeit.

    Seine Verpegung (Krankenkost, also mitunterauch frisches Obst dabei) lt Pit nicht in die K-che zurckgehen, sondern verteilt sie auf demFlur an andere Gefangene. In seine Zelle kom-men keine Lebensmittel, da er - wie er schreibt

    den mitunter bellenden inneren Schweinehundnicht provozieren will.Konkret gehen die Forderungen Pits dahin, dassseine Reststrafantrge (also Erlass der Reststra-fe ) positiv beschieden werden oder er in den of-fenen Vollzug verlegt wird.Wichtig ist ihm ganz besonders, dass er sein En-gagement in und mit der IvI fortfhren kann. Erversichert, dass er wchentlich in Rundbriefenber seine Situation berichten wird ( 2 Rundbriefesind bereits erschienen, siehe unten)

    Der in der JVA Sehnde bei Hannover inhaftierteWerner Braeuner hat sich aus Solidaritt demHungerstreik von Pit Scherzl angeschlossen.

    Pit und die IvI fordern dazu auf, Protestschreibenper mail an das Justizministerium NRW ([email protected]), das Landgericht Bonn ([email protected]) das Bundesjustizministe-rium ([email protected]) und den LandtagNRW ([email protected]) zurichten.

    Infos/Kontakte:homepage der IvI: http://www.ivi-info.de/ (Dortauch weitere Links und Kontakte)Dort benden sich auch die vollstndigen Be-richte von seinem HungerstreikInteressenvertretung InhaftierterPeter Scherzl

    (z. Zt. JVA 53359 Rheinbach)

    Briefe bitte ausschlielich an die neue Anschrift:Postfach 126756451 Westerburg

    Diese Informationen von Pit und seinem Hun-

    gerstreik stammen aus der zweiten Streik-

    Woche:

    Am 07. Februar um 3:30 in der Nacht betrat derVollzugsbeamte Scheuer ( Abteilung Sicherheitund Ordnung) mit drei weiteren Beamten dieZelle von Pit und leitete seine Verlegung in eine

    andere Abteilung ein. Seine persnlichen Sachenwurden dabei in einer Weise behandelt, die mannur als Sachbeschdigung charakterisieren kann:sie wurden nur teilweise eingepackt (der Rest istverschwunden) und das auch noch mit offen-sichtlich provozierender Absicht; so fand sich ineinem Karton die bereits benutzte Klobrste in-mitten anderer Dinge. Besonders erbittert ist Pitdarber, dass viele seiner Dokumente (z. B. Brief-wechsel mit Behrden und auch Freunden undMitkmpfern) weg sind. Pit sieht in dieser Vor-gehensweise einen Bestandteil der Strategie, ihnzum Ausippen zu bringen und ihm dann leichterwas anhngen zu knnen.Zum Hungern selbst berichtet Pit, dass er biszum 12. Hungerstreik-Tag 4,5 kg abgenommenhat und dass eine pltzliche Frsorglichkeit,was die Messung von Blutdruck und Zuckerwer-ten anbetrifft, ausgebrochen ist. Dies zeigt, dassdie Vollzugs-Funktionre vor einer KombinationAngst haben: tote Gefangene und eine darberinformierte ffentlichkeit. Fr kritische Menschendrauen heit das: haltet nicht nur Kontakt mitGefangenen, sondern stellt besonders im Fallevon Hungerstreik ffentlichkeit her!

    Infos von von ihm aus der dritten Streik-Wo-

    che:

    Bis zum 18. 02. hat Pit 8 kg abgenommen; dieBlutwerte etc. sind in Ordnung. Pit berichtet, dasser Schlaftrume ber leckeres Essen hat und

    nimmt das mit Humor. Er bedankt sich fr diereichlich eingehende Post und die Solidarittsbe-kundungen:Ich gre Euch alle und bedanke mich ganzherzlich fr die unwahrscheinlich viele Post vollerguter Wnsche und Solibekundungen, ber dieich mich wirklich sehr freue. Aber dieser Postutwerde ich nun nicht mehr gerecht und bitte umVerstndnis, wenn ich nicht jeden Gru sofort be-antworten kann,... . Insbesondere erwhnt er dieInhaftierten Sonja Suder (JVA Frankfurt/M.) undWerner Braeuner (JVA Sehnde), der sich aus So-lidaritt seinem Hungerstreik angeschlossen hat:Wenngleich auch mit Sorge ... - nichtsdestotrotzaber auch mit Freude darber, dass sich Werner

    Braeuner dem HS angeschlossen hat (Sorge umseine Gesundheit, da er ja gerade erst einen sehrmassiven Hungerstreik relativ unbeschadet ber-standen hat), mchte ich diese Woche des Hun-gerstreiks der . immer noch eingeknastetenSonja Suder widmen. Es gibt in meinem Lebennur relativ wenig Menschen, vor denen ich ganzganz tief den imaginren Hut ziehe......Ausfhrlich nimmt er Stellung zum offensichtlichvon vielen drauen missverstandenen - ThemaNazis im Knast: Hilfe gewhrt er nur solchen, dieerkennbar auf dem Absprung sind!Breiten Raum mssen leider wieder die Schilde-rungen der Repression.im Knast einnehmen. Aus der Anwaltschaft wird

    von der Justiz in NRW die Verlegung Pits in denoffenen Vollzug nach Gieen oder Castorp-Rau-xel gefordert.Am 16. 03. um 9:30 h hat Pit im Landgericht Bonn( Saal 1.07 ) einen Gerichtstermin wegen der an-geblichen Bedrohung eines Vollzugsbeamten.

    Hungerstreik von Pit Scherzl in der JVA Rheinbachred.

  • 7/31/2019 Gefangenen Info #367

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    Das Gefngnismassaker von Septem-ber 1988

    An einem heien Sommertag des Jah-res 1988 meldete Radio Teheran in einer

    kurzen Notiz um 14 Uhr: Die iranischeRegierung hat die Resolution Nr. 598 desSicherheitsrats der Vereinten Nationenangenommen. Diese Meldung bedeute-te damals Waffenstillstand mit dem Iraknach acht Jahren Krieg.

    Das hie: der Krieg war zu Ende.....

    Zwar rhrten Zeitungen, Radio und Fern-sehen noch immer die Kriegstrommel, undder Krieg an der Front tobte noch immer,aber die zitierte Meldung zwang Chomeinizu einer kurzen Ansprache, in der er er-klrte, dass er die Resolution Nr. 598 desSicherheitsrats akzeptierte.

    Damals, im Sommer 1988, war die Opposi-tion, das heit die demokratischen, linkenoder religisen Parteien, Organisationenund Gruppen, unter der Verfolgung durchdie Islamische Republik in drei Teile aufge-splittert: ein Teil war hingerichtet worden,ein weiterer war gechtet und lebte imExil, und ein dritter verbte Gefngnis-strafen. Im ganzen Land waren es mehrals 100.000 Menschen, die hinter Gittern

    gelandet waren. Ein groer Teil dieser po-

    litischen Gefangenen stand weiterhin trotzaller Unterdrckung fest zu seinen ber-zeugungen und seiner Gegnerschaft zurIslamischen Republik Chomeinis.. Als po-litischer und religiser Fhrer erlie Chom-eini eine Fatwa, ein religises Dekret, die-se Menschen in einem groen Massakerhinzurichten.

    Die Krise nach der Unterzeichnung desAbkommens und die darauf folgendengesellschaftlichen Unruhen waren eineindeutiges Anzeichen fr einen zuneh-

    menden Klassenkampf in der Gesellschaft.Die Freilassung der politischen Gefange-nen aus dem Gefngnis wrde die Zahlder Aktivisten und Organisatoren einergesellschaftlichen Umwlzung im Iran ver-strken.

    Die Regierung wusste, dass nach demKrieg der Druck im In - und Ausland freine Freilassung der politischen Hftlingezunehmen wrde. Sie wussten, dass siesich, bevor dieser Druck zunhme, desProblems entledigen mussten. In solcheiner Situation begannen die Massen-

    morde....Homayon Iwani, ein im Exil lebender ehe-maliger politischer Gefangener aus demIran, der das Massaker 1988 berlebte.Der damalige Hodschatoleslam Akbar

    Rafsandschani, damals Parlamentsspre-cher, der damalige Hodschatoleslam AliChamenei, damals Prsident der Repu-blik, und Ayatollah Mussawi Ardabili, da-mals Vorsitzender des Obersten Justizrats

    und Ahmad Chomeini (Chomeinis Sohn)grndeten damals die sogenannte Todes-kommission. Sie nutzten alle Vollmachten,um Chomeinis Fatwa mit Hilfe dieser To-deskommission in die Praxis umzusetzen.Diese Kommission hat innerhalb einesZeitraums von weniger als einem MonatTausende von politischen Gefangenen inTeheran und den Provinzgefngnissen mitverschiedenen Hinrichtungsmethoden u.a. mit dem Strick ermordet. Es geht hiernicht um Dutzende, Hunderte oder Tau-send Gefangene. Laut Angaben der Op-position liegt die Zahl der Opfer zwischenviereinhalb Tausend und Dreiigtausend.

    Wir waren nicht nur im Sommer 1988,sondern in jeder Minute und Stunde mei-ner Haftzeit menschenunwrdigen Be-dingungen ausgesetzt..... wurden unsereKontakte zur Auenwelt im Sommer 1988,nach der Unterzeichnung der UN-Resolu-tion, abgebrochen. Alle Besuche wurdenuntersagt, wir bekamen keine Zeitungenund die tgliche Ausstrahlung der staatli-chen Radiosendungen per Lautsprecherim Gefngnis wurde ausgesetzt. Alle Fern-

    sehgerte wurden aus den Gefngnisab-teilungen entfernt...Ihr Hauptziel war die Vernichtung aller po-litischen Gefangenen. Selbst vor der Ver-nichtung ihrer Familien scheuten sie nichtzurck. Aber von der Hinrichtungswellevon 1988 waren nicht nur die politischenGefangenen betroffen. Alle Krfte, die ge-gen die islamische Regierung und fr dieFreilassung der politischen Gefangenenkmpften, waren Zielscheibe der Attackeder Islamisten. Doch die politischen Gefan-genen, die seit Jahren in Gefangenschaftwaren, waren dieser Vernichtungswelle

    am schutzlosesten ausgeliefert. Das Re-gime hatte in den Gefngnissen die grteKonzentration aller oppositionellen Krftegeortet. In den Monaten August und Sep-tember 1988 wurden viele hingerichtet.(ebenda)

    Es ist bedauerlich, dass die damaligenRegierungen der westlichen Welt aus wirt-schaftlichen oder politischen Motiven nichtgegen dieses Massaker protestiert habenund dieses unerhrte Vorgehen mit Still-schweigen bergingen. Daher wissen vieleMenschen gar nicht, dass dieses Blutbad

    berhaupt stattgefunden hat, und auchheute ndet man in den Massenmediennur sprliche Hinweise auf dieses Ereignis.Die heutige Situationber die Lage im Iran zu schreiben ist

    schwer und einfach zugleich. Schwer istes, konkrete Zahlen zu servieren, denn dasislamische System lgt propagandistischGrausamkeiten zusammen, die (noch) garnicht geschehen sind. Wenn die Regierung

    die Ermordung eines politischen Gefange-nen bekannt gibt, muss man deshalb erstmal warten, bis diese Information von einerzweiten Stelle wie den Angehrigen undMenschenrechtsorganisationen z.B. be-sttigt wird.So geht Zeit ins Land. Dem System istes wichtig, Schrecken durch Desinfor-mation im eigenem Land und Frustrationim Ausland zu verbreiten. Es ist mit derPolizeigewalt in Deutschland und denSchandurteilen, die hier gefllt werden,nicht ansatzweise vergleichbar. Denn hierwird Polizeigewalt und Rechtsbeugung(129a/b) heruntergespielt. Und nicht da-mit geprotzt, wie man diese Linken fertiggemacht hat.

    Verdreifachung der Hinrichtungen seit2009

    Deutsche Bundespolizei untersttzt denIran bei der Verfolgung der Drogenkrimina-litt im Iran: 14% der Bevlkerung habenauf Grund der repressiven Situation Dro-

    genprobleme. Bereits 600 Menschen sind2011 im Iran hingerichtet worden, davonmindestens 488 wegen Drogendelikten.Diese Zahl hat Amnesty International frihren am 15. Dezember verffentlichten

    seite 3 schwerpunkt inland internationall dossier gefangene feuilleton kurzmeldungen

    10 gefangenen info mrz 2012

    Die Lage der politischen Gefangenenim Iran

    Verein fr politische Flchtlinge, Mnster

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    seite 3 schwerpunkt inland international dossier gefangene feuilleton kurzmeldungen

    Bericht ber die Drogenbekmpfung ge-zhlt, etwa zwei Drittel weniger als 2011.Die Welle von Hinrichtungen setzte Mitte2010 mit Massenexekutionen in Gefng-nissen ein. Allein in Kakibad-Gefngnisin Mashad, der zweitgrten Stadt Irans,wurden am 4. August 2010 mehr als 89Gefangene exekutiert.

    Die Todesurteile werden in unfairen Ver-fahren gefllt, Gestndnisse mit Folter er-presst, erklrt dazu die Iran-Expertin von

    Amnesty International in Deutschland.

    Die politischen Gefangenen

    Inhaftiert sind Menschen wegen der Stu-dierendenproteste, GewerkschaftlerInnenund FrauenaktivistInnen. Die Eingesperr-ten sind gegen das Mullahregime und dergrte Teil von ihnen lehnt aber auch jedemilitrische Intervention von auen, vorallem durch die USA, ab.

    Weibliche Gefangene

    Am 29. Mai 2011 protestierten weiblichepolitische Gefangene gegen sexuelle Dro-hungen.Weibliche politische Gefangene, in derQurantnestation des berchtigten Evin-Gefngnisses in Zamanen, haben aus An-lass des iranischen Frauentages in einemBrief von wiederholten sexuellen Dro-hungen seitens ihrer Befrager berichtet.

    Aus dem Brief, der auf der oppositionellenWebsite Kalemen verffentlicht wurde,

    geht hervor, das mnnliche Verhrbeamtediesen Aktivistinnen mehrfach mit sexuel-len bergriffen gedroht htten, um sie zum

    Ablegen von Gestndnissen zu zwingen,mit denen sie sich selbst belasten wrden.

    Sexuelle Drohungen sind ein verbrei-tetes Mittel, um den Widerstand weiblicherGefangener zu brechenheit es in demBrief. Nach sexuellen Drohungen wrdendie Gefangenen geschlagen und anderenFoltermethoden unterzogen, so die Ver-fasserinnen.

    In den Haftanstalten des Geheimdienstmi-nisteriums und der Revolutionsgarden istes allgemein blich, Gefangene auf ver-schiedene Arten zu foltern, ihnen Schl-ge zu versetzen, mit Gegenstnden odergar Sthlen nach ihnen zu werfen, und dieGefangenen brutal zu verprgeln!! Vieleder weiblichen Gefangenen, die zunchstin die allgemeine Abteilung von Evin ver-

    legt worden waren, benden sich in derQuarantnestation des Gefngnisses, dieauch als Methadonabteilung bekannt ist.Dieser Trakt, der fr die drogenabhn-gigen Gefangenen mit Entzugserschei-nungen genutzt wurde, verfgt nicht berdie Ausstattung der anderen Abteilung. DieVerfasserinnen des Briefes schreiben, siedrfen nicht regelmig an die frische Luftund hatten keinen Zugang zu irgendeiner

    Art von Beschftigung. Selbst Telefonatemit ihren Familien sind untersagt. Derzeitbenden sich 32 weibliche politische Ge-fangene in der berbelegten Quarantne-

    station von Evin. Ihnen wurde die baldigeVerlegung in das Gefngnis von Varaminangekndigt. Im vergangenen Monat wa-ren 11 politische Aktivistinnen verhaftetoder zwecks Antritt ihrer Haftstrafen insGefngnis bestellt worden.

    Am 12. Juni wurde Manssureh Behkisk,Mitglied der Kampagne der trauerndenMtter mit mehreren Personen auf derStrae verhaftet. Sie wurde nach der Auf-nahme in der Zentrale der Sicherheitspo-lizei als besonders schwerer Fall ins EvinGefngnis deportiert. Bei ihren letzten Te-

    lefongesprch mit ihrer Familie hat sie dieZelle 2009 als ihren Aufenthaltsort in Evingenannt.

    In den achtziger Jahren sind fnf der Ge-schwister und der Schwager von Mas-sureh nach den Massenhinrichtungen imiranischen Gefngnissen liquidiert worden.Sie ist das einzig lebende Mitglied derFamilie im Iran und ist verantwortlich frdie pegebedrftige alte Mutter zu Hau-se. Sie hat in den letzten Jahren aktiv inden sozialen Bewegungen teilgenommenund in Folge dessen ist sie mehrmals vonder Sicherheitspolizei unter Druck gesetztworden. Da bis jetzt keine Anklage gegenManssureh vorliegt und die Behrden aufalle Fragen ber ihre Verhaftung schwei-gen, verlangen wir, die unterzeichnenden

    Frauenaktivisten, ihre sofortige und bedin-gungslose Freilassung.

    Aber auch zahlreiche Gewerkschaftsakti-visten sind wegen ihrer Ttigkeit inhaftiert

    Hier ein Brief eines Arbeiterkmpfers:

    Ich, Reza Schahabi, inhaftierter Arbeiter,

    Mitglied des Vorstandes und Kassierer derGewerkschaft der Transportgesellschaftscherkate vahed in Teheran und Umge-bung, bin auf Grund der Verteidigung derRechte meiner Arbeitskollegen und mei-ner gewerkschaftlichen Aktivitten seitca. 20 Monaten ohne jegliche Gerichts-verhandlung in Untersuchungshaft. Mehrals 10 Tage nach Unterbrechung meines30tgigen Hungerstreiks gibt es entgegender Aussage der Verantwortlichen keine

    nderung der Situation bezglich meinesGesundheitszustandes. Entsprechend derDiagnose meines Arztes und aufgrund des

    dramatischen Zustandes der Gesundheitmeiner Wirbelsule und der Halsgliedermsste ich stndig gepegt werden und

    Medikamente und Mittel zur Operationmssten zur Verfgung gestellt werden.

    Aber die Gefngnisbehrden, die ge-setzlich dafr zustndig sind, verweigerndies nicht nur, sondern ben psychischenDruck auf mich und meine Familie ausund verhindern Besuche und Kontakte mitmeiner Familie und nheren Bekannten.

    Angesichts meines Zustandes werde ichjegliche gesundheitliche Manahme ver-weigern, bis meine unten genannten Be-

    dingungen erfllt werden.

    1. Ich muss wie ein Kranker behandeltwerden und nicht wie ein Gefangener, diesist ein Krankenhaus und nicht das EvinGefngnis.

    2. Meine Familie und meine Begleitermssen frei sein wie die anderen Kran-kenhausbesucher, und meine Familie darfnicht gezwungen werden, alle drei TageStunden- oder gar Tagelang im Behrden-gebude zu warten, um eine Besuchser-laubnis zu bekommen.

    3. Die Gefngnisbehrde muss unverzg-lich die Medikamente und fr die Operationnotwendigen Mittel zur Verfgung stellen.Fr jegliche entstehende Schden durchVersptung sind sie verantwortlich.

    4.Auf Grund der schweren Operation brau-che ich einen ruhigen angstfreien Raum.Verantwortliche sind verpichtet, eine At-mosphre zu schaffen, in der die Soldaten,die bei mir sind, sich mir und meiner Fami-lie gegenber menschenwrdig verhalten.

    Reza Schahabi Zakaria,verhafteter Arbeiter

    Verein fr politische Flchtlinge, Mnsterwww.farhang-enghelab.com

  • 7/31/2019 Gefangenen Info #367

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    seite 3 schwerpunkt inland internationall dossier gefangene feuilleton kurzmeldungen

    Die ersten Bildungsproteste begannen2006 als sogenannte Pinguin-Revoluti-on gegen das neoliberale Bildungssy-stem in Chile. Seit Mai 2011 existiert nuneine neue stetige Protestbewegung, die

    aus einer allgemeinen Unzufriedenheitder Bevlkerung ber soziale Ungleich-heit resultiert.Sie wurde zu einem sozialenProtest, der das Terrain der Bildungspolitiklngst verlassen hat.

    Die ffentlichen Schulen in den Kom-munen sind unternanziert und schlechtausgestattet. Nur 10% der SchlerInnenhaben die nanzielle Mglichkeit an einerprivaten Schule angemessene Bildung zubekommen, trotzdem schreitet die Privati-sierung voran. Konkret sieht die Situationso aus, dass ein Studium monatlich zwi-

    schen 400 und 1200 US-Dollar kostet, derMindestlohn jedoch nur 380 US-Dollar be-trgt. Eine Rechnung die fr die meistennicht aufgeht und ein Grund fr die kosten-lose Bildung aller zu kmpfen.

    Trotz einer heterogenen Protestbewegung,gibt es Einigkeit in den Forderungen. GuteBildung und Nahverkehr drfen nichts ko-sten, Mitentscheidungsrecht muss ein. Siewollen die berwindung der sozialen Se-lektion des Bildungswesens, das Ende derPrivatisierung der Schulen, eine kompletteVerstaatlichung des Bildungssystem und

    damit auch ein Ende der damit verbun-denen kapitalistischen Interessen.

    Der konservative und rechtsgerichtetePrsident Sebastin Piera geht schein-bar auf die Kritik ein und will einen Re-formvorschlag erarbeiten. Es gibt ein nochimmer gltiges Gesetz, aus der Zeit derMilitrdiktatur, welches Abgeordneten ge-werkschaftliche Ttigkeiten verbietet. Hierzeigt sich deutlich, dass Linke und Arbei-terInnen systematisch aus dem Parlamentherausgehalten werden. So hat die Pro-testbewegung zurecht ihre Hoffnung in die

    Regierung und das Parlament aufgege-ben und sich von diesen abgewandt. DieMenschen sind aufgewacht und kmpfennun gemeinsam fr ein gerechteres Chile,ohne stndige Reformen, bei denen einewirkliche Vernderung ausbleibt.

    So wird es auch in diesem Jahr weiter ge-hen. Die Bewegung hat sich entwickelt undBilanz gezogen. Ende Mrz soll diese Ver-ffentlicht werden und ein Ausgangspunktfr das weiter Vorgehen darstellen. EineEnde des Widerstandes und der Protesteist nicht in Sicht. Im Gegenteil, die Zusam-

    menarbeit mit anderen sozialen Gruppen,wie den SchlerInnen der weiterfhrendenSchulen, GewerkschafterInnen, Umwelt-schtzerInnen, aber auch VertreterInnender indigenen Bevlkerung, soll verstrkt

    werden. Es gibt zwar schon einen groenRckhalt in der Bevlkerung, doch musseine Einheit und Vernetzung der verschie-denen Bevlkerungsschichten, vor allemzwischen Studierenden und ArbeiterInnengeschaffen werden. Der anfngliche Pro-test am Bildungssystem ist eine sozialeBewegung geworden, die aufzeigt, dasseine gesellschaftliche Vernderung not-wendig ist.

    Im Mai 2011 ngen die ersten Protestean, darauf folgten Besetzungen von etwa600 Universitten und Schulen, zahllose

    Aktionen und Grodemonstrationen. Nach3 Monaten wurden die Schulen von denSchlerInnen, LehrerInnen und Eltern ei-genstndig verwaltet. Alle diskutierten kol-lektiv ber Fragen der Bildungsproteste,wie ber die tgliche Funktionsweise der

    Schule. Es gab Veranstaltungen, viele kre-

    ative Angebote und Kurse. Die konserva-tiven Vorschriften und die Schuluniformenwurden whrend dessen abgelegt. Mitdieser Praxis wurden die Machtstrukturenim Bildungssystem in Frage gestellt, dennes hat sich gezeigt, dass eine Schule odereine Universitt in Selbstverwaltung bes-ser funktioniert und sich den realen Be-drfnissen aller Beteiligten anpasst, als esunter der Regierung und ihren Wirtschafts-interessen je mglich wre.

    Obwohl es in vielen Stdten riesige De-

    monstrationen gab, werden die Proteste inder ffentlichkeit heruntergespielt um dieBewegung flschlicherweise zu marginali-sieren. Auf der Strae werden durch Mili-tr und Polizei Demonstrationen verhindertund gewaltsam aufgelst. Besetzungenvon Schulen und Universitten, sowie Pro-testcamps werden mit massiver Gewaltgerumt und scharfe Munition wird gegendie DemonstrantInnen eingesetzt. Ende

    August wurde der 16-jhrigen Miguel Gu-tirrez whrend der Proteste, im StadtteilMacul der Hauptstadt Santiago de Chile,von dem Militrpolizisten Miguel Millacura,

    durch einen Schuss in die Brust ermordet.Die Androhung von Repression, Trnen-gas, Wasserwerfer, Gewalt und Folter, sinddie stndigen Begleiter der Proteste.Die Antwort des Staates auf juristischer

    Ebene ist eine Verschrfung der Gesetze.LehrerInnen, die die Bewegung unter-sttzten, wurden entlassen. SchlerInnensollen von der Schule verwiesen werden.Veranlasst durch den Bezirksbrgermei-

    ster Cristian Labb, welcher Mitglied derrechten Regierungspartei Unin Dem-crata Independiente (UDI) und ehemaliger

    Agent der Geheimpolizei Pinochets ist. DerInnenminister Rodrigo Hinzpeter hat nachvermehrten Ausschreitungen, whrendder Proteste, einen Gesetzesentwurf aufden Weg gebracht, um das Demonstrati-onsrecht strker zu reglementieren. Unterder Begrndung, dass die Proteste vonaggressiven Gewaltttern ausgegangenseien und die Polizei keine ausreichendeBefugnis habe, um dagegen vorzugehen,wird der soziale Protest zusehends krimi-

    nalisiert. Es handelt sich dabei um eine Er-hhung des Strafmaes und die Auswei-tung der Strafen auf die OrganisatorInnen.Statt Geldstrafen geht es jetzt um Haftstra-fen bis zu fnf Jahren. Das Beschlagnah-men von Informationsmaterial, jeglichesBild-, Audio- oder Videomaterial, das denBehrden verdchtig erscheint, soll ohnerichterliche Genehmigung konsziert wer-den knnen. Der Absatz zur Durchsuchungvon Bros oder Wohnungen von Journa-listInnen ohne richterlichen Beschluss,konnte wegen des massiven Protests derJournalistInnen gerade noch herausgestri-

    chen werden. Schwammige Gesetzestexteermglichen Interpretationsspielraum umden Protest zu kriminalisieren. Nun ist dasGesetz ist keine wirkliche Neuerung, son-dern spiegelt eher die politische Linie derRegierung wider. Anfang des 20. Jahrhun-derts gab es schon einmal ein derartigesGesetz in Chile, welches erst nach derMilitrdiktatur abgeschafft wurde. Die Kon-tinuitt dessen zeigt sich weiter durch Fol-ter, illegale Verhaftungen von AktivistInnenund Anstellung von Ex-Militrs der DiktaturPinochets.

    Das internationale Interesse ist gro undso bleiben die Proteste in Chile nicht un-beobachtet. Im Januar und Februar 2012gab es, von AktivistInnen der Studen-tenbewegung und der KommunistischenPartei Chile, sowie des Gewerkschafts-verbandes CUT, es eine Rundreise durchEuropa. Zwei Wochen davon waren sie inverschieden Stdten der BRD unterwegs.Sie gaben zahlreiche Pressekonferenzen,hatten Treffen mit GewerkschafterInnenund AktivistInnen und Veranstaltungenin Universitten. Durch die internationaleVernetzung und den Austausch ist es mg-

    lich von einander zu lernen, Lehren fr dieProteste in unserem Land zu ziehen unddiese anzuwenden.

    Repressive Gesetzesverschrfung gegen Bildungsproteste in ChileRedaktion

    12 gefangenen info mrz 2012

  • 7/31/2019 Gefangenen Info #367

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    mrz 2012 gefangenen info 13

    seite 3 schwerpunkt inland international dossier gefangene feuilleton kurzmeldungen

    Israel: Nach 66 Tagen hatder palstinensische poli-tische Gefangene KhaderAdnan seinen Hungerstreikabgebrochen.Khader fhrte seinen Streikals Protest gegen seine In-

    ternierung ohne Gerichts-verfahren durch Israel. Er

    forderte, dass man gegen ihn Anklage erhe-ben oder ihn freilassen solle.Die israelische Regierung hat am 21.2. ver-sprochen, dass er im April freigelassen wird.Er war nahe am Tod gewesen und hat alsFolge des Hungerstreiks mglicherweiseOrganschden. (red.)

    USA: Der Tierbefreiungs-aktivist Victor VanOrdenwurde am 02. Februar 2012in den USA zu fnf Jahren

    Gefngnis verurteilt. Zu-

    dem soll er 8.757 Dollar anden Farmbesitzer SteveKrage zahlen.Viktor wurde zusammen mit

    Kellie am 10.10.2011 festgenommen, wh-rend sie versuchten Nerze aus einer Farmbei Stone State Park in Iowa zu befreien.Beide sind seitdem inhaftiert.

    Schreibt den Gefangenen!Victor VanOrdenWoodbury County JailP.O. Box 3083Sioux City, IA 51102

    USA (red.)

    Trkei: Yasemin, die eineGehirnblutung vor etwazwei Jahren nur knappberlebte. Sie besitzt nurnoch eine Niere, die nur zu18% funktioniert, und we-gen des Bluthochdrucksbesteht die Gefahr einerweiteren Gehirnblutung.

    Deshalb befrchtet Tayad, dass Yaseminden Knast nicht berleben wird.Innerhalb von 12 Jahren haben knapp 2000

    Gefangene auf Grund der Folter und derstaatlichen Gewalt in der Trkei ihr Lebenverloren. (red.)

    Venezuela: Freiheit frJoaqun! Es sind es nunzehn Monate her, dass derJournalist beim linksalter-nativen MedienplattformANNCOL ist , und ebensoKmpfer fr soziale Ge-rechtigkeit Joaqun PrezBecerra in Haft ist. Der

    schwedische Staatsbrger wurde auf ille-galer Weise in Venezuela festgenommen

    und nach Kolumbien ausgeliefert. Mit seinerFestnahme und Inhaftierung soll eine kri-tische politische Stimme zum Schweigengebracht werden. Joaqun ist kein Terro-rist, sondern Journalist! (red.)

    Kurzmeldungen international

    Fr die Richter und dieses Gericht ist dasLeben von Strolchen und der Leibgardedes Regimes wertvoll, wie etwa das [derBullen] Mantzounis, Margellos, Stamos,aller, die trainiert und bezahlt werden,

    um zu verletzen, foltern und tten. Undnoch wertvoller fr dieses Gericht ist dasLeben von Individuen wie dem im Volkverhassten ehemaligen Minister fr f-fentliche Ordnung Voulgarakis. Der Werteines Menschenlebens misst sich fr dieKlassen- Gerechtigkeit unter dem Krite-rium der Klassenstellung eines jeden vonuns. Bemisst sich daran, ob es der Machtund dem verbrecherischen Regime, dasKapitalismus und Marktwirtschaft ge-nannt wird dient.

    (Aus der letzten Erklrung der dreiAngeklagten im Prozess gegen

    Revolutionrer Kampf zur Ttungvon Lambros Foundas)

    Um es kurz in Erinnerung zu rufen: Am 05.Oktober begann in Athen der Prozess gegenNikos Maziotis, Evangulia Polia Roupa, so-wie Kostas Gournas. Ihnen wird vorgeworfenMitglieder der Stadtguerilla RevolutionrerKampf zu sein, die 2003zum ersten Mal ffent-lich auf dem politischenTerrain auftauchten unddem sog. Kampf gegenden Terrorismus mit An-schlgen und weiteren

    Aktionen bekmpften.Mit dem Ausbruch derKrise verlagerte sichihr Schwerpunkt: Mit

    Angriffen auf Banken,internationale Einrich-tungen wie Weltbank,IWF, Europische Zen-tralbank etc. sollte ver-deutlicht werden, dass nur eine revolutionreberwindung der Verhltnisse etwas an derKrisenhaftigkeit und der Ausbeutung desGroteils der Bevlkerung ndern wird unddaher der Name der Organisation auch alsProgrammatik zu verstehen ist: Revolutio-

    nrer Kampf!

    Aktueller Stand im Prozess

    Im Verfahren luft weiterhin die Beweisauf-nahme, die momentan mit der Anhrungzahlreicher ZeugInnen vor sich geht. Unteranderem die Besitzerin des Auto, in demLambros Foundas von der Polizei gettetworden war wurde angehrt. Interessant da-bei war, dass nur die Besitzerin des Autosund nicht die Beamte, die Lambros erschos-sen hatten als Zeugin geladen worden war.

    Die erklrte Strategie der 3 Angeklagten istes im Prozess, das kriminelle konomischsoziale und politische Regime mit politischen

    Argumenten anzugreifen und nicht die Rolledes Angeklagten zu akzeptieren, sondern imGegenteil zum Anklger gegen alles was das

    Gericht reprsentiert und wozu dieses dientzu werden..

    Durch zahlreiche politische Erklrungen, diesich weniger an das Gericht als an die Zu -

    schauerInnen richteten, stellen die drei dabeiden politischen Charakter des Prozessesdeutlich heraus nicht zuletzt durch die The-matisierung der sog. Antiterrorgesetze mitdenen sie angeklagt werden. So wurde unteranderem der Antrag gestellt, dass einer derHauptzeugen der Anklger der Chef derBehrde fr internationalen Terrorismus vom Prozess ausgeschlossen wird, was na-trlich abgelehnt worden ist.

    Allgemein bleibt zu dem Prozess zu sagen,dass dieser die Charakteristika eines ty-pischen Staatsschutzprozesses trgt: Eine

    Beweisaufnahme, die letztlich nur eine Legi-

    timierung der bereits feststehenden Verurtei-lung ist, Zeuginnen, die alle nichts gesehenhaben und dennoch gegen die Angeklagtenverwendet werden, die Verurteilung mit Hilfevon Beweisen, die illegal zusammengesam-melt worden sind etc...

    Auch in diesem Pro-zess geht es um nichtsweiter als die Verurtei-lung und Diffamierungdes RevolutionrenKampfes, was geradeangesichts der Situati-on in Griechenland im

    Sinne der Herrschen-den mehr als ntig zu

    sein scheint.

    Wir, als KmpferInnendes RevolutionrenKampfes, haben agiertund werden auch wei-

    terhin fr den Umsturz von Kapitalismusund Staat, fr eine freie Welt, agieren, inder die volle Gleichwertigkeit der Men-schen auf nanzieller, sozialer und poli-tischer Ebene existieren wird. Die Organi-sation ist in den proletarischen Schichten

    der Gesellschaft geboren worden, undhat immer fr ihre Interessen gekmpft.Jede ihrer Aktionen, jede Erklrung, warein Lichtblick fr die Gesellschaft, einSchrei der Erleichterung fr die Unter-drckten, eine Hoffnung, dass dieses un-gerechte Regime gestrzt werden kann.Die Unterdrckten, die Schwachen, dieProletarier, die Arbeitslosen, unsere Klas-senmitkmpferInnen sind jene, die beruns richten sollten, und nicht ihr. Auf derStrae, den ffentlichen Pltzen, denPlenen dort wo sie euch alle lngst ver-urteilt haben.

    Kostas Gournas

    Prozess gegen die StadtguerillaRevolutionrer Kampf in Griechenland

    red.

    Soliplakat zum Prozess

  • 7/31/2019 Gefangenen Info #367

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    14 gefangenen info mrz 2012

    seite 3 schwerpunkt inland international dossier gefangene feuilleton kurzmeldungen

    Der 11. November in Warschau...Der mystizierte Unabhngigkeitstag Polensvon 1918 wird seit 1990 von nationalistischenund faschistischen Gruppierungen fr einenAufmarsch genutzt. In den letzten Jahren

    konnte dieser, hnlich wie Dresden, einekontinuierliche Steigerung der Anzahl seinerTeilnehmer_innen verzeichnen und erreichte2010 mit ca. 1500 Nazis seinen vorlugenHhepunkt. Um das lokale antifaschistischeBndnis Faszyzm Nie Przejdzie vor Ort zuuntersttzen, machten sich am Abend des10. November Antifaschist_innen u.a. ausDeutschland, Tschechien, Belarus und ausganz Polen auf den Weg nach Warschau.Bereits im Vorfeld hatten Medien in Polengegen die anreisenden Antifaschist_innengehetzt. In internen neonazistischen Forenwurden bereits offene Drohungen gegen die-se publiziert.

    100m in Warschau...Schon bei der Abfahrt begannen die Schika-nen seitens des Repressionsapparates. Sowurden die Busse seit der Abfahrt vom Ber-liner LKA (Abteilung PMS) begleitet. An derGrenze zu Polen wurden gleich zwei Kontrol-len durchgefhrt, sowohl auf deutscher, alsauch auf polnischer Seite. In beiden Fllenwurden alle Personalien von den Insassender Busse kontrolliert und spter durch diepolnische Polizei gescannt. Wenige Kilome-ter vor Warschau erfolgte eine weitere Kon-trolle. Bei allen Kontrollen auf polnischem

    Gebiet wurde permanent versucht, die Bus-

    passagiere von Spezialeinsatzkrften derpolnischen Polizei abzulmen, bzw. abzufo-tograeren.Unmittelbar nach der Ankunft wurden dieAntifaschist_innen von Neofaschisten pro-voziert und angegriffen. Nachdem diesesich zur Wehr setzten, wurden sie sofort vonden Polizist_innen umringt und zurck in einalternatives Caf gedrngt. Unter dem fal-schen Vorwand, einen Polizisten angegriffenzu haben (gemeint ist hierbei ein Mitgliedder sogenannten Rekonstruktionsarmee,welcher ebenfalls an dem Angriff und dennationalistischen Verbalattacken beteiligt

    war), wurde ein Groteil der angereistenPersonen von der Polizei verhaftet. Weitere70 Personen waren nun vereinzelt in derStadt unterwegs und wurden zur erklrtenZielscheibe polnischer Neonazis, Hooligansund Polizist_innen. Eine Gruppe von 10 Ak-tivist_innen wurden von einem Mob mehre-rer hunderter Neonazis und nationalistischerHooligans durch die Stadt gejagt.

    Auf der Polizeiwache wurden alle Festge-nommen ber die Stockwerke verteilt undmussten hug ber Stunden auf dem Flursitzen, ohne Informationen ber ihre Ankla-

    ge, den weiteren Verlauf oder hnlichem zuerhalten. Dabei wurden sie immer wiedervon vorbeikommenden Polizist_innen getre-ten und beleidigt.Besonders bei den Verhren kam es immerwieder zu bergriffen und Misshandlungen.

    Zunchst wurden keine Dolmetscher_innengestellt und selbst als diese eintrafen, ber-setzten diese zum Teil nur sehr ungenau.Ein aus Dnemark stammender Antifaschistwurde, als er sich weigerte Angaben zu den

    Namen seiner Eltern zu machen, die Kapu-

    ze ber den Kopf gezogen und mehrfachauf ihn eingeschlagen. Auch eine weiterePerson wurde, als sie einen Toilettengangeinforderte, von Beamt_innen zusammen-geschlagen. Eine nicht weiblich-sozialisiertaussehende Frau wurde in hetero-sexisti-scher Manier immer wieder mit Sprchenwie: Bist du berhaupt eine Frau?! beleidi-gt und ebenso geschlagen. Einigen wurdenMedikamente sowie Brillen weggenommenund mussten Ganzkrperuntersuchungenber sich ergehen lassen.

    Nahrung sollte es erst nach ca. 12 Stunden

    und intensiver Nachfrage wieder geben.Die Nacht ber wurden alle erneut aufge-teilt, einige mussten auf alten Matratzen ineinem Seminarraum schlafen, andere wur-den auf andere Gefangenensammelstellenverteilt. Zum Teil wurden die Gefangenenstundenlang durch die Nacht gefahren, umzum Teil wieder dorthin zurck gebracht zuwerden, wo die Fahrt begann. Mindestenseine Person hat die Nacht in einem Gefan-genentransporter an einer Landstrae ohneHeizung und bei permanenter musikalischerBeschallung verbringen mssen.

    Die Verfahren...Erst am spten Abend des nchsten Ta-ges begannen die Verhandlungen. Nur einAnwalt in Warschau war bereit, die Antifa-schist_innen zu verteidigen. Alle Verhand-lungen wurden letztendlich vertagt und dieersten Menschen wurden frei gelassen. Ge-gen 04:00 Uhr frh fanden die letzten Ver-handlungen statt, die restlichen Antifas, wel-che noch nicht vorgefhrt wurden, musstenzurck zur Wache und eine weitere Nachtdort verbringen, sie wurden erst im Laufedes nchsten Tage freigelassen.

    Ein politisches Verfahren...

    Schon whrend der Zeit in Gewahrsam wur-den die Antifaschist_innen von Medien, Staatund Behrden schuldig gesprochen. So warin den Medien zu lesen, dass eben jene ver-hafteten Antifas schuld an den Krawallengewesen wre. Wie diese logistische Mei-sterleistung mglich ist, wenn die Ausschrei-tungen um 15:00 Uhr begannen, die Antifasjedoch schon um 12:00 Uhr verhaftet wur-den, konnte jedoch bis jetzt keine der Seitenbeantworten. So war sich auch die deutscheBotschaft nicht zu fein, sich fr die angerei-sten Antifaschist_innen zu entschuldigenund damit ein quasi Schuldeingestndnis

    zu unterschreiben. Pikanterweise war auchmindestens eine Person des deutschen Bun-deskriminalamtes in Warschau anwesend -vermutlich um Details zu den anwesendenAntifas zu sammeln.

    Dass sich die Neofaschisten stundenlangStraenschlachten mit der Polizei liefer-ten fand hingegen kaum noch Beachtung.Die Suche nach einem Sndenbock fr dieschwersten Ausschreitungen in Polen seit

    Jahren schien erfolgreich. Dass mit denKrawallen der Ausbau der Sicherheitsarchi-tektur im ffentlichen Raum gerechtfertigtwerden sollte, zeigte die sofort im Anschlussbeginnende Forderung des polnischen Mini-sterprsidenten, das Versammlungsrecht zuverschrfen.

    Die Antifaschist_innen, welche zu Beginnfestgenommen wurden, haben bereits die er-sten Freisprche erhalten. Schlechter hinge-gen sieht es fr die Gruppe von Antifas aus,die unter den Hooliganismus-Paragraphenangeklagt wurden. Hier wurden die erstenPersonen zu Bewhrungs- und Geldstrafen

    verurteilt.

    Die Ereignisse in diesen Tagen sollten eineklare abschreckende Wirkung gegen eineglobal agierende antifaschistische Bewe-gung haben und jegliche Proteste gegenden faschistischen Aufmarsch diskreditieren.Des Weiteren bereitete sich die polnischePolizei offenbar gezielt auf die anstehendeEuropameisterschaft des Mnnerfuballsvor - inklusive der menschenrechtswidrigenBeschneidung von Grundrechten. Wir wer-den uns jedoch von dieser Repression nichteinschchtern lassen und weiterhin gegen

    Neonazis auf die Strae gehen, egal ob inWarschau, Berlin und berall.

    Ihre Repression kennt keine Grenzen -Unsere Solidaritt auch nicht!Siempre Antifascista! Erinnern heitKmpfen!

    North-East Antifascists [NEA](Februar 2012)[email protected] ::: nea.antifa.de

    Spenden-Konto:Netzwerk Selbsthilfe e.V.Verwendungszweck: Warschau

    Kto. 7403887018BLZ: 100 900 00Berliner Volksbank

    ;;; siempre.red-skins.de::: nea.antifa.de::: red-skins.de::: ea-berlin.net::: 11listopada.org

    * Die anreisenden Antifaschist_innen wurdenvon einem polnischen Kardinal als Satanbezeichnet. Er warnte dabei vor dem Einfalldes Teufels.

    Der Satan in Warschau? *Redaktion

  • 7/31/2019 Gefangenen Info #367

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    Wir dokumentieren hier ein Schreiben von

    Werner Braeuner zum Hungerstreik von

    Pit Scherzl und seinem Soli-Hungerstreik.

    Schreibt Pit und Werner und untersttzt

    sie in ihrem Kampf!

    Brief von Werner Braeuner

    Tag 588 ArbeitsverweigerungTag 10 Soli-HS fr PitJVA-Sehnde, 19. 2. 2012

    Bericht 1, vom 19. 2. 2012

    Soli-HS fr den Anti-Knast-Aktivisten undGefangenen Pit Scherzl

    Vorbemerkung: Knast ist Jobcenter mit ande-ren Mitteln - blo, dass der Knast die unterenRnge des Proletariats bei einer Pichtver-letzung nicht auch noch aus der Wohnungwerfen und obdachlos machen kann.

    Am Abend des 9. 2. traf hier Pit`s Nachrichtein, er habe seinen HS am 1. 2. begonnen.Da Pit sich mit der Absicht trug, zum 1. 2.eventuell einen HS zu beginnen, hatte er

    Wochen vorher bereits mitgeteilt, und so warich vorbereitet und hab am Abend noch eineHS-Erklrung an die Anstaltsleitung der JVASehnde gegeben mit dem Wortlaut:

    Seit dem 9. 2. 2012, 18 Uhr, bende ich michin einem mit dem in der JVA Rheinbach ein-sitzenden Gefangenen Peter Scherzl solida-risch unbefristeten Hungerstreik, um dessenForderungen - siehe unter http://www.ivi-info.de/hsinfo.html - und dessen am 1. 2. 2012 be-gonnenen Hungerstreik zu untersttzen. DieForderungen des Pit Scherzl betreffen Gefan-gene in allgemeinem Belang, weswegen ichmir diese Forderungen zu eigen mache.

    Kurz zusammengefasst, will der HS ffent-lichkeit fr die Weigerung des LandgerichtsKln herstellen, Pit nach den bestehendengesetzlichen Regelungen in die Freiheit zuentlassen (vorzeitige Entlassung auf Be-

    whrung im Rahmen des 57 StGB). Seitdem Frhjahr 2011 ignoriert das Gericht ihmdiesbezglich vorgetragene Umstnde undTatsachen; es konstruiert Tatsachen widerbesseres Wissen; es verschleppt die Bear-beitung von Pits Antrag auf Entlassung durchUnttigkeit; es begrndet seine Weigerung,Pit zu entlassen; mittels eines inhaltslogischabsurden und politisch nicht hinnehmbaren

    Argumentationsstranges: aus Pit`s Eintretenfr einen rechtskonformen, von knastlicherWillkr freien Strafvollzug will das Gericht die

    Erkenntnis ableiten, es bestehe bei Pit eineNeigung zu schwerem Gesetzesbruch/Allge-meingefhrlichkeit fort. Pit`s Tun und Lassenals bundesweit bekannter Aktivist fr Gefan-genenrechte ist jedoch vollauf legal, zumal ernicht wegen Aktivismus inhaftiert ist, sonderner bei Banken, bei denen er kein Konto hatte,Geld abgeholt hat - ohne dabei jemanden tt-lich anzugreifen oder gar zu verletzen.

    Pit ist Bundesvorsitzender der Interessen-vertretung Inhaftierter (Iv.I.) und einer derwenigen Strafgefangenen der BRD, der Mit-tel hat, den nanziell aufwendigen Klageweggegen Knastwillkr zu beschreiten. Mit seinen

    entsprechenden juristischen Klagen verteidigter sich, andere und zugleich die Rechte al-ler Gefangenen in der BRD (die Iv.I. hat dasVerbandsklagerecht zugesprochen erhalten).Seine Entlassung wrde ihm helfen, seine T-tigkeit von drauen aus verstrkt fortzufhren.

    Die berwltigende Mehrheit der Strafge-fangenen gehrt den unteren Rngen desProletariats an, Pits Aktivismus ist daher ob-

    jektiv klassenkmpferisch. Als jemand, derim Knast ist, weil er als Klassenkmpfer in of-fenem Widerstand gegen Zwangsarbeit einen

    Arbeitsamtsdirektor gettet hat, bin ich mit Pituneingeschrnkt solidarisch.

    Gesundheitsbericht: obwohl ich wegen per-manenter Arbeitsverweigerung der ganzenPalette knastlicher Repression ausgesetzt bin- vor allem Isolation durch Zelleneinschlu;Sportausschlu; Einkaufssperre - geht es mir

    seite 3 schwerpunkt inland international dossier gefangene feuilleton kurzmeldungen

    krperlich und seelisch gut. Die Folgen des54-tgigen Hungerstreiks in eigener Sache inden Monaten Mai und Juni des vergangenenJahres waren bereits im Herbst berwunden.Beim 1. Wiegen am 10. 2. hatte ich 78,4 kg,beim letzten Wiegen am 17. 2. waren es 73,6kg. Ein nchster Bericht folgt in einer Woche.

    Schlubemerkung: als 57jhriger, im nun 12.Jahr Eingeknasteter und nur 7 Monate nach

    Beendigung eines lngeren HS erneut zuhungern, ist kein Vergngen. Doch wchstmit dem kollektiven solidarischen Kampf dieKraft. So schliee ich nun mit einem Hoch aufdas weltweite Proletariat und einem

    Einer fr alle, alle fr Einen!

    Ex nihilo plentitudinesWernerP.S.: Pit ist ebenfalls 57 Jahre alt.

    [Anmerkung des Abtippas:* 57 Aussetzung des Strafrestes bei zeitigerFreiheitsstrafe

    (1) Das Gericht setzt die Vollstreckung desRestes einer zeitigen Freiheitsstrafe zur Be-whrung aus, wenn zwei Drittel der verhngtenStrafe, mindestens jedoch zwei Monate, ver-bt sind,2.dies unter Bercksichtigung des Sicherheits-interesses der Allgemeinheit verantwortet wer-den kann, und3.die verurteilte Person einwilligt.Bei der Entscheidung sind insbesondere diePersnlichkeit der verurteilten Person, ihr Vor-leben, die Umstnde ihrer Tat, das Gewicht desbei einem Rckfall bedrohten Rechtsguts, dasVerhalten der verurteilten Person im Vollzug,ihre Lebensverhltnisse und die Wirkungen zubercksichtigen, die von der Aussetzung fr siezu erwarten sind.]

    Brief von Werner Braeuner

    Zum Tag der politischen Ge-fangenen (18. Mrz)

    ber staatliche und geographische Grenzenhinweg, reit die weltweite Krise des Kapitalsimmer mehr Menschen in zunehmend blutigeKlassenkmpfe. Bankenkrise, Staatsschul-den- und Eurokrise,Klima- und Umweltkrise, stockender Waren-absatz, vor allem aber eine laut Angebe