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Xxxxxx GfM-Forschungsreihe 2/2013 Haben, Greifen, Sein: Die Object-Dominant Logic Autoren: Prof. Dr. Torsten Tomczak und Dipl.-Medienwirt Philipp Scharfenberger

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GfM Forschungsreihe 02 / 2013

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Page 1: GfM Forschungsreihe 02 / 2013

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GfM-Forschungsreihe 2/2013

Haben, Greifen, Sein: Die Object-Dominant Logic

Autoren: Prof. Dr. Torsten Tomczak und Dipl.-Medienwirt Philipp Scharfenberger

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Die Bedeutung von Besitz für Konsumenten stellt in der Mar-keting- und Konsumforschung einen grundlegenden Untersu-chungsgegenstand dar. Dabei geht es insbesondere um die Frage, wel-che Relevanz Besitz für die Iden-tität von Konsumenten hat. Wie wichtig ist Ihnen zum Beispiel Ihr

Auto? Oder Ihr Mobiltelefon? Wie wichtig Ihre Musiksammlung oder Ihr Ehering? Und welche Bedeutung haben diese Besitztümer für Ihre Identität?

Bedingt durch soziale, ökonomische und technische Entwicklungen in den letzten Jahren erfährt die Untersuchung und Diskussion der Bedeu-tung von Besitz gegenwärtig eine Renaissance. Menschen orientieren sich an neuen, flexiblen Lebensmodellen und empfinden sperrige Besitztümer wie zum Beispiel Häuser oder Autos dabei als zunehmend einschränkend. Folglich verlieren solche Objekte als tatsächlicher Besitz an Relevanz: Au-tos werden nicht mehr gekauft sondern «geleast» oder «geshared». Andere, mobilere Besitztümer wie zum Beispiel Mobiltelefone, Kleidung, Taschen

oder Uhren gewinnen gleichzeitig an Bedeutung. Auch führen technolo-gische Entwicklungen zu einer Virtualisierung von Besitz: Musiksamm-lungen, Bücher und Fotoalben, die früher noch in Regalen standen, liegen heute abstrakt auf Festplatten oder Servern.

Die GfM-Forschungsreihe 02/2013 beschäftigt sich mit der Frage, wel-che Bedeutung der konkrete physische Besitz für Konsumenten und ihre Identität hat. Zudem zeigt sie auf, wie wichtig der bewusste Umgang mit dieser Fragestellung für Unternehmen ist. Wir wünschen Ihnen viel Vergnügen bei der Lektüre der vorliegenden Broschüre und hoffen, Sie mittels des vorgestellten Konzepts der Object-Dominant Logic zu neuen und kreativen Gedanken anregen zu können.

Freundliche Grüsse

Ulrich H. Moser Jean-Marc GrandPräsident der GfM Geschäftsführer der GfM

Sehr geehrte Damen und Herren

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Identität und Besitz

Der eingangs dargestellte Wandel im Umgang mit Besitztümern wird seit vielen Jahren von einer kontroversen Diskussion über die Bedeutung von Besitz in unterschiedlichen Wissenschaftsdisziplinen begleitet. Russell Belks Konzept von «Besitztümern als erweitertem Bestandteil des Ichs» (1988) hat dabei einen grossen Einfluss auf das Verständnis von Besitz in der Konsumforschung der letzten drei Jahrzehnte genommen. Gemäss diesem Konzept wird davon ausgegangen, dass Besitztümer Teil der Iden-tität ihres Besitzers sind und ihm selbst sowie seinem sozialen Umfeld als Manifestierung seiner abstrakten Persönlichkeit dienen (siehe Abbil-dung 1). Studien zeigen, dass sich dieses Verhältnis zwischen Besitztümern und Identität im Laufe eines Lebens entwickelt: so erlernen Kleinkinder zunächst, sich über das Interagieren mit Objekten von der Umwelt zu unterscheiden – sie erhalten durch Objekte folglich ein Bewusstsein für die eigene Identität. Objekte und Besitztümer spielen darüber hinaus eine Rolle in der frühen Sozialisierung von Kindern: Kinder erfahren, dass ih-nen Objekte als Belohnung gegeben und als Bestrafung vorenthalten bzw. entzogen werden. Folglich lernen sie, Erfolge mit materiellem Besitz zu verbinden. In der Pubertät und der damit einhergehenden Identitätsfin-dung nehmen Besitztümer vor allem eine identitätsstiftende Funktion ein. Jugendliche nutzen die symbolische Bedeutung von Besitztümern, um ih-ren Bedeutungsinhalt auf ihre Persönlichkeit zu übertragen. Auf die Frage, welche Besitztümer ihnen besonders wichtig sind, nennen junge Erwach-

sene häufig Objekte, die mit zukünftigen Zielen verbunden sind – zum Beispiel die eigene Wohnung im Zusammenhang mit der gewünschten Gründung einer Familie. Mit zunehmendem Alter gewinnen hingegen Gegenstände an Relevanz, die mit wichtigen vergangenen Erlebnissen verbunden werden (z. B. Fotos, Urkunden, Trophäen).

Besitz Besitz

Besitz

Besitz

Identität

Abbildung 1: Besitztümer als erweiterter Bestandteil der Identität

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Physische Produkte und ihr «Dienstleistungsnutzen»

Dieser sozialpsychologischen und anthropologischen Sichtweise auf die Verschränkung von Besitz und Identität steht eine eher ökonomische Be-trachtungsweise von Besitz entgegen, die der Wirtschaftswissenschaftler Philip Kotler wie folgt beschreibt: «The importance of physical products lies not so much in owning them as obtaining the services they render.»

Eine solche Sichtweise stellt die Bedeutung des tatsächlich physischen Besitzes in den Hintergrund und sieht die Relevanz von greifbaren Pro-dukten vor allem in dem immateriellen «Dienstleistungsnutzen», den sie erfüllen. Stephen Vargo und Robert Lusch (2004) leiten aus diesem Ver-ständnis die Service-Dominat Logic ab. Die Service-Dominat Logic hin-terfragt die klassische Unterscheidung zwischen Produkten und Dienst-leistungen und versteht jegliche Unternehmensleistung in erster Linie als Dienstleistung: so wird beispielsweise ein Fahrzeug gemäss diesem Ansatz nicht als Produkt, sondern vor allem als Fortbewegungsmöglichkeit und folglich als Mobilitätsdienstleistung verstanden (siehe Abbildung 2).

Eine Gefahr, die in einem solchen Verständnis von Unternehmens-leistungen liegt, ist die Missachtung eines Nutzens, der von dem rein physischen Besitz von Objekten ausgeht. Es gilt in der Marketing- und Konsumforschung als unstrittig, dass die identitätsstiftende Funktion von Leistungen einen wesentlichen Einfluss auf wichtige Unternehmensziel-grössen, wie die Einstellung, Loyalität und Zahlungsbereitschaft von Konsumenten haben kann. Die obige Gegenüberstellung der aktuellen Sichtweisen auf ökonomische Leistungen zeigt jedoch, dass bisher unklar ist, welche Bedeutung der tatsächlich physische Besitz von Leistungen für diese wichtige, identitätsstiftende Funktion einnimmt. Dieser Frage widmet sich das hier vorgestellte Forschungsprojekt.Abbildung 2: Das physische Produkt und sein immaterieller «Dienstleistungsnutzen»

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Die Relevanz der Greifbarkeit von Besitztümern für die Identität des Besitzers

Psychologische Studien im Bereich der Construal-Level Theory zeigen, dass die Entfernung einer Person zu einem Objekt einen Einfluss auf deren mentale Verarbeitung des Objekts hat: befindet sich das Objekt zum Beispiel in unmittelbarer Nähe zu der Person, kann sie es direkt wahrnehmen und muss es folglich nicht erst mental «konstruieren»; be-findet sich das Objekt hingegen weit entfernt und ist nicht direkt wahr-nehmbar, muss die Person es zunächst mental «konstruieren», um es darüber hinaus mental verarbeiten zu können. Diese unterschiedlichen «Konstruktionslevel»(daher der Name Construal-Level Theory) führen zu unterschiedlichen Denkweisen hinsichtlich des Objekts: ist das Ob-jekt in unmittelbarer Nähe wird eher konkret darüber nachgedacht; ist das Objekt weit entfernt wird eher abstrakt darüber nachgedacht. Studi-en zeigen, dass dieser Effekt auch umgekehrt werden kann. So ergeben Untersuchungen von Liberman et al. (2007), dass Objekte, die von einer Versuchsperson sehr konkret beschrieben werden, sich für die Person auch näher anfühlen, wohingegen sich Objekte, über die sehr abstrakt nachgedacht wird, entfernter anfühlen. Insgesamt deuten die Studiener-gebnisse in diesem Forschungsfeld somit auf einen Zusammenhang zwi-schen der konkreten bzw. abstrakten Wahrnehmung von Sachverhalten und der empfundenen Distanz zu diesen Sachverhalten.

Aufbauend auf dieser Argumentation kann angenommen werden, dass ein abstrakter Sachverhalt näher an eine Person herangeführt werden kann, wenn dieser Sachverhalt symbolisch mit einem Gegenstand verbunden und dadurch greifbar bzw. direkt erlebbar gemacht wird. Studien, die wir durchgeführt haben, bestätigen uns in dieser Annahme: so zeigt sich bei-spielsweise, dass Personen ein vergangenes Erlebnis als näher empfinden, wenn dieses Erlebnis symbolisch mit einem Gegenstand verbunden ist, den die Versuchspersonen in der Hand halten. Zum Beispiel fühlt sich ein vergangener Urlaub für die Versuchspersonen näher an, wenn sie ein Souvenir aus dem Urlaub in ihrer Hand halten. Es zeigt sich darüber hi-naus, dass mit abnehmender physischer Distanz zu dem Objekt auch die empfundene Distanz zu dem symbolischen Bedeutungsinhalt des Ob-jekts abnimmt. Übertragen auf das Urlaubsbeispiel bedeutet das: der ver-gangene Urlaub fühlt sich für Versuchspersonen näher an, wenn sie das Urlaubssouvenir in der Hand halten, als wenn sich das Urlaubssouvenir 4 Meter entfernt von ihnen befindet. Diese Ergebnisse unterstützen die Annahme, dass für die Verringerung der empfundenen Distanz zu einem abstrakten Sachverhalt, neben der Verdinglichung bzw. «Tangibilisierung» des Sachverhalts durch ein physisches Objekt, auch die physische Distanz zu diesem Objekt relevant ist.

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Übertragen auf Produkte und Dienstleistungen bzw. Besitztümer im weiteren Sinne, lässt sich somit folgende Annahme formulieren: geht man davon aus, dass Besitztümer eine identitätsstiftende Funktion erfüllen, dann sollten solche Besitztümer, die greifbar sind und folglich ihren sym-bolischen Bedeutungsgehalt näher an ihren Besitzer führen, diese iden-titätsstiftende Funktion besser erfüllen als nicht-greifbare Besitztümer. Konsistent mit dieser Annahme konnten wir zum Beispiel zeigen, dass Personen eine höhere Verbundenheit zu einem abstrakten Verein empfin-den, wenn der Verein durch eine symbolische Mitgliedschaftskarte tan-gibilisiert wird. In einer weiteren Studie wurde dieses Prinzip auf reale

Abstrakter Sachverhalt

(z. B. Markenimage)

Abstrakte Identität des

Konsumenten

Symbolische Übertragung

Physische Vermittlung

Stärkung der Verbindung zwischen abstrakter Identität des Konsumenten und abstraktem

Sachverhalt durch das konkrete Objekt

Konkretes Objekt (z. B. Produkt)

Abbildung 3: Einfluss der Greifbarkeit von Besitztümern auf deren identitätsstiftende Funktion

Das Prinzip der Tangibilisierung

Produkte und Dienstleistungen übertragen: die Versuchspersonen wur-den gebeten, entweder an ein Produkt zu denken, das sie besitzen oder an eine Dienstleistung, die sie regelmässig in Anspruch nehmen. Die Studie zeigt, dass die Teilnehmer eine stärkere Verbundenheit zu den genannten Produkten und folglich zu den zugehörigen Produktmarken empfinden (als zu den genannten Dienstleistungen und Dienstleistungsmarken). Ab-bildung 3 visualisiert den beschriebenen Einfluss der Greifbarkeit von Besitztümern auf deren identitätsstiftende Funktion.

Unsere Studienergebnisse stützen die Annahme, dass die tatsächliche Greifbarkeit von Besitztümern einen Einfluss auf ihre identitätsstiftende Funktion hat. Sie bestärken somit unsere These, dass über den Nutzen einer Leistung hinaus der tatsächlich physische Besitz einer Leistung eine relevante Bedeutung für den Konsumenten haben kann. Im Kontrast zur Service-Dominat Logic lässt sich gemäss dieser Argumentation eine Object-Dominant Logic herleiten, die neben dem abstrakten Dienst-leistungsnutzen einer Leistung auch einen Nutzen in der Dinglichkeit einer Leistung per se berücksichtigt. Welche Implikationen sich aus einer solchen Perspektive auf ökonomische Leistungen für Unternehmen er-geben, wird im Folgenden dargestellt.

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Die Object-Dominant Logic und ihre Implikationen

Die Object-Dominant Logic ist ein konzeptioneller Ansatz, der die Dinglichkeit bzw. Greifbarkeit in den Fokus der Betrachtung von Un-ternehmensleistungen setzt. Er soll Unternehmer und Manager dazu inspirieren, ihre Leistungen nicht nur vor dem Hintergrund ihres Dienst-leistungsnutzens zu betrachten, sondern auch vor dem Hintergrund ihrer Dinglichkeit. Die Logik kann dabei auf zwei Abstraktionsniveaus ange-wendet werden: einem strategisch-konzeptionellen und einem konkret-leistungsbezogenen Niveau. Beide Perspektiven der Object-Dominant Logic werden im Folgenden näher erörtert.

Die strategische Perspektive der Object-Dominant Logic stellt zunächst die Frage nach der allgemeinen Positionierung und Eigenwahr-nehmung einer Unternehmung: versteht sich ein Unternehmen eher als Produktanbieter mit einem dazugehörigen Dienstleistungsangebot oder als Dienstleister mit einem dazugehörigen Produktangebot? Das Un-ternehmen Apple ist ein Beispiel für ein Unternehmen, dass sich trotz seines wachsenden Dienstleistungsangebots (z. B. der Handel mit Musik, Büchern und Apps) klar als Produktanbieter positioniert: so ist die ob-jektzentrierte, fast fetischisierend anmutende Darstellung der Produkte ein wesentliches Merkmal der Apple-Kommunikation. Die Beziehung zwischen Mensch und Produkt sowie die Greifbarkeit, Materialität und Gestalt des Produkts spielen in der Kommunikation des Unternehmens

eine zentrale Rolle. Das dargestellte Sujet einer Apple-Anzeige hebt zu-dem auf interessante Weise die eingangs beschriebene, identitätsstiftende Bedeutung von Besitz hervor (siehe Abbildung 4).

Abbildung 4: Die Object-Dominat Logic bei Apple und Hilti

Einen ähnlichen Ansatz wie Apple verfolgt das Unternehmen Hilti. Trotz des umfangreichen Serviceangebots von Hilti steht auch bei Hilti das greifbare Produkt im Zentrum der Kommunikation. Ein Besuch auf der Website genügt, um dies eindrucksvoll nachvollziehen zu können: die dargestellten Menschen und die Visualisierungen der Dienstleistungen sind grau entfärbt. Das auffällig rote Produkt hingegen steht im Vorder-grund und sticht aus dem Bild. Auch hier spielt die identitätsstiftende Funktion des Produkts eine wesentliche Rolle (siehe Abbildung 4).

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Die strategische Perspektive der Object-Dominant Logic

Einen Kontrast zu den Strategien von Apple und Hilti bilden Ansätze wie die von Amazon oder IBM. Amazon bietet zwar ebenfalls Produkte wie das Amazon Kindle an. Das Produkt steht aber im Schatten des Dienst-leistungsangebots von Amazon. Das Unternehmen IBM, das vor einigen Jahren unter anderem für Hardware Leistungen (wie zum Beispiel das IBM ThinkPad) bekannt war, hat entschieden, sich in Zukunft vor al-lem als Beratungsunternehmen bzw. als IT-Dienstleister zu positionieren. Heutige Kommunikation stellt dementsprechend nicht ein physisches Produkt, sondern den Mitarbeiter und seine Beratungskompetenz in den Vordergrund. Abbildung 5 visualisiert diese dienstleistungsdominierten Positionierungen im Gegensatz zur Object-Dominant Logic.

Insbesondere letztere Beispiele verdeutlichen, dass die Frage nach der Positionierung eines Unternehmens als Produkt- oder Dienstleistungs-anbieter natürlich von vielen strategischen Entscheidungen determiniert wird und nicht willkürlich vorgenommen werden kann. Die Object-Dominant Logic soll hierbei Entscheider vor allem dafür sensibilisieren, dass diese Entscheidung einen Einfluss auf die identitätsstiftende Funkti-on der Marke nehmen kann. Gleiche Intention gilt hinsichtlich solcher Unternehmen, für die sich bezüglich ihrer Positionierung ein Entschei-dungsspielraum bietet: so ist zum Beispiel der Trend zu beobachten, dass Automobilhersteller, die sich klassischerweise als Anbieter sehr identi-

tätsrelevanter Produkte verstehen, zunehmend als Mobilitätsanbieter und folglich als Dienstleister positionieren. Die Object-Dominant Logic soll hier einen Anhaltspunkt bieten, um diese Entwicklung kritisch zu hin-terfragen oder beziehungsweise solche Unternehmen dafür zu sensibili-sieren, alternative materielle Leistungsbestandteile zu entwickeln.

Service-Dominant Logic (Fokus auf Immaterialität der Unternehmensleistung)

Produktwahrnehmung überlagert Dienstleistungswahrnehmung

Dienstleistungswahrnehmung überlagert Produktwahrnehmung

Object-Dominant Logic (Fokus auf Materialität der Unternehmensleistung)

Abbildung 5: Die Object-Dominant Logic im Kontrast zur Service-Dominant Logic

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Die leistungsgestalterische Perspektive der Object-Dominant Logic

Die leistungsgestalterische Perspektive der Object-Dominant Logic bezieht sich auf die konkrete Umsetzung der Tangibilisierung von Leistungsbestandteilen. Unsere Studien zeigen, dass Konsumenten vor allem dann auf die Tangibilisierung einer Leistung reagieren, wenn ihre symbolische Bedeutung relevant für die Identität des Konsumenten ist. Einfache Beispiele in denen dieses Prinzip erfolgreich umgesetzt wird, sind Kofferanhänger, die das Unternehmen Lufthansa seinen Statuskun-den aushändigt oder die schwarze Kreditkarte von American Express. In beiden Fällen ist die tangibilisierte Leistung mit einem identitätsrelevan-ten Symbolgehalt verbunden: so spiegeln sowohl der Vielfliegerstatus der Lufthansa als auch die Premium-Dienstleistung von American Express Eigenschaften wie Weltgewandtheit, Status und Erfolg wider. Unterneh-men, die eine Tangibilisierung ihrer Leistung planen, sollten dement-sprechend zunächst überprüfen, ob ihre Leistung bzw. welcher Teil ihrer Leistung für potentielle Kunden identitätsrelevant ist und sich folglich für eine Tangibilisierung eignet.

Neben den bereits genannten, tatsächlich physischen Umsetzungen von Tangibilisierungen, bestehen auch im virtuellen Umfeld Möglichkeiten, Leistungen – zumindest angedeutet – zu tangibilisieren. Auch hier bietet das Unternehmen Apple anschauliche Umsetzungsbeispiele: die Funk-tion Coverflow ermöglicht es Apple-Nutzern, durch ihre digitale Mu-

siksammlung zu blättern, als würde es sich bei dieser um eine greifbare Plattensammlung handeln. Analog erscheinen Bücher, die im iBookstore erworben werden, in einem virtuellen Bücherregal (siehe Abbildung 6). In beiden Fällen – sowohl bei Musikalben als auch bei Büchern – handelt es sich dabei, wie zuvor beschrieben, um Besitztümer, die Konsumenten klassischerweise als identitätsrelevant empfinden.

Abbildung 6: Coverflow und digitales Bücherregal bei Apple

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Fazit

Abschliessend lässt sich zusammenfassen, dass aktuelle Entwicklungen, wie zunehmend flexible Lebensmodelle von Konsumenten oder eine Zunah-me der technischen Virtualisierung von Leistungsangeboten, eine Entma-terialisierung von Unternehmensleistungen fördern. Unternehmen sollten sich jedoch bewusst machen, dass die Greifbarkeit der eigenen Leistungen einen deutlichen Einfluss auf die identitätsstiftende Funktion dieser Leis-tung für den Konsumenten ausüben kann. Diese identitätsstiftende Funk-tion wiederum ist ein wesentlicher Treiber wichtiger unternehmerischer Erfolgsfaktoren, wie der Einstellung, Loyalität und Zahlungsbereitschaft der Konsumenten. Wo möglich sollten Unternehmen daher versuchen, existierende physisch greifbare Leistungsbestandteile gezielt in ihrer Kom-munikation hervorzuheben. Wo eine Veränderung der Leistungserbrin-gung aufgrund sozialer, ökonomischer oder technischer Entwicklungen stattfindet, sollten Unternehmen nach neuen Wegen suchen, innovative Tangibilisierungen ihrer Leistungen einzusetzen.

Weiterführende Literatur zum ThemaBelk, R. W. (1988): Possessions and the Extended Self, in: Journal of Consumer Research, 15(2), 139–168.

Habermas, T. (1999): Geliebte Objekte – Symbole und Instrumente der Identitätsbildung, Suhrkamp Taschenbuch Wissenschaft, Frankfurt am Main.

Liberman, N., Trope, Y. & Stephan, E. (2007): Psychological Distance, in:Kruglanski, A. W. & Higgins, E. T.: Social Psychology – Handbook of BasicPrinciples, 2. Auflage, The Guilford Press, New York/London, 353–381.

Vargo, S. L. & Lusch, R. F. (2004): Evolving to a New Dominant Logic for Marketing, in: Journal of Marketing, 68 (1), 1–17.

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Forschungsstelle für Customer Insight (FCI-HSG)

Die Forschungsstelle für Customer Insight erforscht das Verhalten von Individuen im betriebswirtschaftlichen Kontext. Ziel der FCI-HSG ist es, neue Erkenntnisse in den Themenbereichen der Kommunikation, der Markenführung, des Produktdesigns und der Mitarbeiterführung zu gene-rieren. Im Zentrum steht dabei die Entwicklung innovativer Lösungsansät-ze zu aktuellen marktwirtschaftlichen Fragestellungen. Dabei nähert sich das Team der FCI-HSG diesen Fragestellungen insbesondere aus zwei Per-spektiven: der des Kunden und der des Unternehmers. (www.fci.unisg.ch)

KontaktProf. Dr. Torsten TomczakDirektor FCI-HSGTelefon: +41 (0)71 224 2890Telefax: +41 (0)71 224 2132E-Mail: [email protected]

Dipl.-Medienwirt Philipp ScharfenbergerWissenschaftlicher Mitarbeiter FCI-HSGTelefon: +41 (0)71 224 7686Telefax: +41 (0)71 224 2132E-Mail: [email protected]

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GfM-ForschungsreiheIn Zusammenarbeit mit Experten aus Wissenschaft und Praxis nimmt die GfM eine führende Rolle in der Forschung im Bereich marktorientierte Unternehmensführung in der Schweiz ein.

Die GfM-Mitglieder erhalten die wichtigsten Ergebnisse der von der GfM unterstützten Forschungsprojekte in der Publikation «GfM-For-schungsreihe» zugestellt.

Unter dem Link http://www.gfm.ch/de/forschung/forschungsreihe/ können Sie die GfM-Forschungsreihen der vergangenen Jahre kostenlos downloaden.

GfM-Forschungsreihe 2013 GfM-Forschungsreihe 2012– 01/2013: Schlüsseltrends 2013 – 01/2012: Megatrends 2012 – 02/2012: Upselling – 03/2012: Interne Marketingprogramme – 04/2012: Social Media Benchmark – 05/2012: Erfolgreiches Marketing in China

Schweizerische Gesellschaft für Marketing, Löwenstrasse 55, 8001 ZürichTelefon: +41 (0)44 202 34 25, Fax: +41 (0)44 281 13 30, www.gfm.ch, [email protected]