ieoh ming pei + s+pdinkel + fosburyarchitecture + klab ... · ieoh ming pei mitte mai gestor - ben....

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BAU MEISTER Juli 19 B7 116. JAHRGANG Das Architektur- Magazin UNORTE D 16 € A,L 18 € I 19,90 € CH 24 SFR 4 194673 016003 07 IEOH MING PEI + S+P DINKEL + FOSBURY ARCHITECTURE + KLAB ARCHITECTURE + TONSALON + 51N4E + BOURBOUZE & GRAINDORGE BOURBOUZE & GRAINDORGE + ALEXANDER THUMANN + HEIKE HANADA + JOHANSEN SKOVSTED ARKITEKTER + IEOH MING PEI + S+P DINKEL ALEXANDER THUMANN + HEIKE HANADA + JOHANSEN SKOVSTED ARKITEKTER + IEOH MING PEI + S+P DINKEL + FOSBURY ARCHITECTURE + KLAB ARCHITECTURE + TONSALON + 51N4E FOSBURY ARCHITECTURE + KLAB ARCHITECTURE + TONSALON + 51N4E + BOURBOUZE & GRAINDORGE + ALEXANDER THUMANN + HEIKE HANADA + JOHANSEN SKOVSTED ARKITEKTER ZWISCHEN KLOHAUS UND PUMPSTATION + + + +

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Page 1: IEOH MING PEI + S+PDINKEL + FOSBURYARCHITECTURE + KLAB ... · Ieoh Ming Pei Mitte Mai gestor - ben. Zwei Monate zuvor konnte sich der chinesisch-amerikanische Architekt aber noch

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Juli 19

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Lacke für besondere AnforderungenDie Belastungen von Oberflächen in öffentlichen Gebäuden, Bildungseinrichtungen, Krankenhäusern, Arztpraxen sowie Pflege- und Seniorenheimen sind besonders hoch. Der Einsatz von Desinfektions- und Reinigungsmitteln sowie die starke Frequentierung hinterlassen auf herkömmlichen Lackoberflächen schon nach kurzer Zeit deutliche Spuren: Kratzer, Anlösen oder Farbtonveränderungen. Mit Brillux 2K-Aqua-Lacken in Seidenmatt oder Matt erstellte Lackierungen halten diesen Belastungen stand. Die Oberfläche ist chemikalien- und desinfektionsmittelbeständig sowie dekontaminierbar. Dank der schwachen Geruchsent-wicklung und der schnellen Trocknung ist ein zügiger Baufortschritt ohne Beeinträchtigung anderer Gewerke möglich.www.brillux.de/2K-aqua

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Editorial

as Schöne an der Architektur ist ihre transformatorische Kraft. Sie kann, einfach gesprochen, aus unerfreulichen Vorlagen Gold machen. Sie kann Orte transformieren, kann Gebäuden oder Straßen eine Relevanz für das Leben von Menschen zuweisen, die diese zuvor nicht hatten. Damit meine ich nicht den überzitierten Bilbao-Effekt. Ich meine die zahllosen Fälle, in denen kluge architektonische Interventionen in schwierigem Terrain neue räumliche Qualitäten geschaffen haben.In diesem Sinn stellt diese Baumeister-Ausgabe eine regelrechte Ode an die Kraft der Architektur dar. Denn wir befassen uns mit den im obigen Sinn unerfreulichsten aller Vorlagen, mit so genannten „Unor-ten“, also seelenlosen Anti-Locations, hässlichen Pumpstationen etwa oder gruseligen Bunkern. Was kann die Architektur aus solchen Horror-Plätzen machen? Wie kann sie räumliche Qualitäten hervorkitzeln, die zuvor nur als Möglichkeitsraum bestanden?Indem sich Architekten dieser Aufgabe stellen, treten sie zugleich den Beweis an, dass die Architektur die im Grunde optimistischste Disziplin der Welt ist. Sie kann grundsätzlich alles zum Positiven wenden. Kein Ort ist per se rettungslos verdorben, jede Form der Räumlichkeit bringt ihr eigenes Potenzial mit. Weiter gedacht, hat diese Überlegung sogar ein symbolpolitisches Potenzial. Denn „zum Positiven wenden“ lassen sich nicht nur at-mospährelose oder neutrale, sondern auch politisch vorbelastete Orte, zum Beispiel Weltkriegsbunker. Wie das geht, das führen wir anhand eines deutschen U-Boot-Bunkers vor. Dieser war nach Beschuss durch die Alliierten in Saint-Nazaire an der Atlantikküste während des zwei-ten Weltkriegs als nahezu einziges Gebäude stehen geblieben. Jetzt hat sich das belgische Architekturbüro 51N4E dieses düsteren Erbes angenommen und einen multifunktionalen Saal geschaffen, der zu-gleich einen beliebten Treffpunkt für die Bevölkerung darstellt.Die sinistre Vergangenheit stand diesem Vorhaben offenbar nicht im Wege. Vielleicht hat sie sogar einiges leichter gemacht. Anders herum ist eine architektonisch extrem „hochwertige“ historische Vorlage auch nicht immer der Schlüssel zur kollektiven Begeisterung. Dies musste die Architektin Heike Hanada gerade erfahren. Ihr klotziges Bauhaus-Museum in Weimar wurde viel kritisiert. Auch unser Kritiker Falk Jaeger ist skeptisch.

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Alexander GutzmerChefredakteur

[email protected]@alexgutzmer

Instagram@alexgutzmer

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10Fosbury ArchitectureDie fünf Architekten kommen zwar aus Mailand, arbeiten aber verstreut über drei Länder.

14TonsalonDas Münchner Start-up erzeugt akustische Erlebniswelten.

20U-Boot-Bunker inSaint-NazaireDunkles Erbe wird Kulturzentrum.

32Supermarkt inAthenEinkaufen in perforierter Aluminiumhülle

42Sanitärhäusschenin MammendorfEin Zeltplatz in Oberbayern bekommt ein glänzendes Bauwerk.

50Drei Pumphäuserin JütlandVon unbeliebter Landgewinnung zu gastfreundlicher Landschaft

64Bauhaus Museum in WeimarZum Bauhaus-Jubiläum eröffnet ein neues Museum.

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Haben einen Hochspringer als Vorbild: Fosbury

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Drei Pumpstationen werden zu Unterständen.

Der Callwey Verlag – der auch den Baumeister herausgibt – launcht auf www.new-monday.de eine Job-Matching-Plattform für Architekten, Freiraumplaner und Bauingenieure.

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Gerade an Unorten können Architekten ihr Können unter Beweis stellen.

Die unterstri-chenen Bei-träge rechts befassen sich mit dem Titelthema.

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Wiederholt saniert: der Mariendom in Neviges

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Klassische Deckung für Steildächer

88Fassade

98Dächer

102ReferenzBürohochhausfassade mit Cosentino und Wicona

104QualitätsschmiedeBesuch bei Waldmann

Erik Wegerhoff ist Oberassistent am Institut für Geschichte und Theorie der Architektur an der ETH Zürich. Er hat an der TU Berlin und der AA in London Architektur studiert und in Zürich promoviert. Deutsche Bunker in der Bretagne entdeckte er während einer Wanderung entlang des Küsten-wegs im Sommer 2010.

Gast-Arbeiter

Vanessa Kanz ist studierte Kultur-wissenschaftlerin. Ihr Schwer-punkt liegt auf politischer Kom-munikation. Seit 2018 ist sie Volontärin in den Redaktionen Garten+Landschaft, Baumeister und Topos. Sie hat weniger mit Baukonstruktion zu tun, entwirft aber leidenschaftlich gern Wortkonstrukte.

Fragen Lösungen

74Nichtort, Nichtortüberall?

78Wie saniert man einen fragilen Faltenwurf?

82Verhilft das Bau-kindergeld zu mehr Wohnraum?

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A R C H I T E K T U R + M A N A G E M E N T

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I M P R E S S U M + V O R S C H A U

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S O N D E R F Ü H R U N G

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7Mit 102 Jahren ist Ieoh Ming Pei Mitte Mai gestor-ben. Zwei Monate zuvor konnte sich der chinesisch-amerikanische Architekt aber noch über die Fei-erlichkeiten zum 30. Jubiläum seiner gläsernen Louvre-Pyramide freuen. Zu diesem Anlass wurde der französi-sche Künstler JR eingeladen, eine optische Täu-schung für das Pei-Gebäude zu konzipieren. Mit der Technik der Anamorphose ver-wandelte er den Museumsinnenhof in eine spektaku-läre Schlucht, aus der die Glas-pyramide majes-tätisch emporragt. Damit lüftete er das vermeintliche „Geheimnis der großen Pyramide“, wie der Name seines Kunstwerks andeutet. Der Abgrund war aber nur ganz kurz zu sehen: Aus ein-fachen Papier-streifen bestehend, verschwand die Installation nach 48 Stunden unter den Füßen der Besucher. Neben der Mona Lisa und der Venus von Milo gilt die Glas-pyramide als un-bestrittene Ikone des Louvre.

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Text Leonardo Lella

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Die fünf Architekten kommen

alle aus Mailand, arbeiten jedoch in

drei unterschiedlichen Ländern.

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7Köpfe: Fosbury ArchitectureTonsalon

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Kollektivin Zeiten desInternets

Das Architektur-Kollektiv Fosbury Architecture arbeitet von drei unterschiedlichen Städten aus an Wettbewer-ben, Kulturprojekten und klei-nen Renovierungen. Dank ihrer durch das Internet ver-breiteten Forschungsarbeiten haben die Architekten in wenigen Jahren große Sicht-barkeit erreicht. Wir sprachen mit einem der Partner.

Text:Leonardo Lella

Fotos:Achille Mauri, Filippo Elgorni

Die Terminvereinbarung zog sich diesmal etwas länger hin als üblich. Das Büro Fos-bury Architecture sitzt in Mailand – zumin-dest steht das auf ihrer Website –, doch der erste Rückruf stammt von einer niederlän-dischen Nummer. „Wir können uns in Ge-nua, Rom, Rotterdam oder Hamburg tref-fen“, erklärt eine junge Stimme. Vier Tage Verhandlungen vergehen. Letztendlich findet das Interview in Rom statt – aller-dings am Hauptbahnhof. Giacomo Arde-sio hat anderthalb Stunden Zeit. Danach muss er mit der S-Bahn zum Flughafen. Diese Anekdote allein könnte reichen, um den Alltag des Büros Fosbury Architecture zu beschreiben. Fünf Partner in drei unter-schiedlichen Städten, Wettbewerbe und Projekte europaweit, Skype-Calls und Flü-ge: ein eher untypisches Architekturbüro. Büro ist an der Stelle ohnehin der falsche Begriff. Es handelt sich um ein Kollektiv – so möchten die Architekten genannt wer-den. „Ein Kollektiv konzentriert sich auf die Forschung und nutzt Wettbewerbe als Instrument, um die Theorie zu testen“, begründet das Giacomo, während er vor seinem Espresso sitzt.

Die Fernarbeit

Fosbury Architecture hat sich während der Studienjahre an der Mailänder Archi-tekturfakultät gebildet. „Seit 2013 haben wir als offener und unstrukturierter Freun-deskreis an unterschiedlichen Wett be-werben teilgenommen. Zwei Jahre später, als wir alle unseren Abschluss hatten, wur-den wir beim Europan 13 für die niederlän-dische Stadt Leeuwarden mit dem ersten Preis ausgezeichnet. Der Wettbewerbs-lohn diente dazu, den ersten Arbeitsraum zu mieten – es war praktisch die offizielle Gründung des Kollektivs“, erzählt Giaco-mo. Nachdem einige Architekten in den Anfangsjahren das Kollektiv verließen, besteht Fosbury nun aus fünf Partnern: Alessandro Bonizzoni (*1988), Veronica Caprino (*1988), Giacomo Ardesio (*1987), Claudia Mainardi (*1987) und Nicola Campri (*1989). Während die beiden Ers-ten tatsächlich in Mailand wohnen und dort unterschiedlichen Projekten nachge-hen, arbeiten die anderen im Ausland in internationalen Architekturbüros. Auf-grund ihrer Jobsituation widmen sich die Architekten dem Kollektiv in ihrer Freizeit. „Eigentlich würden wir gerne alle in unse-rer Heimatstadt wohnen und nur an den Fosbury-Projekten arbeiten. Das ist aber aus finanziellen Gründen aktuell unmög-lich. Als junger Architekt in Italien muss man sich irgendwie behelfen.“

„Aus der traurigen Provinz“

Dass das Kollektiv seine Projekte derzeit aus der Ferne entwickelt, liegt auch an der

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Aufgrund ihrer

Jobsituation

widmen sich die

Architekten dem

Kollektiv in

ihrer Freizeit.

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12 Köpfe 1 bis 5Herkunft der Architekten. „Wir haben alle in Mailand studiert, sind aber keine Städ-ter. Eigentlich kommen wir aus der trauri-gen Provinz“ erzählt Giacomo schließlich lachend. Provinz, das bedeutet: keine Kontakte, keine Bauherren-Freunde, kein Projekt-auftrag aus der Familie nach dem Studi-um. Ein Netzwerk mussten sich die Archi-tekten ganz neu aufbauen. Ihren Ruf als „Loser“ haben Fosbury kurzerhand zu ihrer Handschrift gemacht. Daraus entsprang auch die Namenswahl: Fosbury Architec-ture bezieht sich auf den amerikanischen Leichtathleten Dick Fosbury. Der Hoch-springer erfand eine neue Sprungtechnik. Dank ihr gewann er 1968 die Goldmedail-le bei den Olympischen Spielen von Mexi-ko-Stadt. „Dick Fosbury war ein mittelmä-ßiger Athlet, er gelangte aber an die Spit-ze mit einer neuen, intuitiven und vor allem unerwarteten Technik“, sagt Giacomo. „Mit ihm identifizieren wir uns gerne.“ In Mailand haben sie bei anderen Kollekti-ven wie Baukuh (siehe Baumeister 5/2016) oder für die Theoriezeitschrift San Rocco gearbeitet. Vor allem aber haben sie von Anfang an das große Potenzial des Inter-nets genutzt, um ins Blickfeld der Öffent-lichkeit zu treten. Die Resultate dieser Stra-tegie folgten bald. 2015 bekamen sie ei-nen Anruf aus den USA: Die Architektur-biennale in Chicago lud sie als Teilnehmer ein. Seit letztem Jahr sind auch gebaute Projekte hinzugekommen – zurzeit Aus-stellungen und Renovierungen.In Fosburys Werk lassen sich zwei unter-schiedliche, aber stark miteinander ver-bundene Phasen ablesen. In der ersten haben sie durch Wettbewerbe für Porto, Turin und Leeuwarden mit dem öffentli-chen und städtischen Raum experimen-tiert. In der zweiten Phase haben sie sich für das Wohnen und die Wohnformen in Zeiten der Krise und der Sharing Economy interessiert. Oft aber vermischen sie diese zwei Themen miteinander. Bei dem Euro-pan-Wettbewerb war zum Beispiel die Fragestellung, wie die Wohnformen der

jungen Generationen den öffentlichen Raum in niederländischen Städten prä-gen. Für die Chicago Architecture Biennal haben die Architekten das Studiolo des Federico da Montefeltro (1476) neu inter-pret ier t, um das Thema der Raum-repräsentation zu reflektieren. Die zentra-le Frage war dabei: Wenn man durch Ai rBnb, Instagram und YouTube den Wohnraum und die Privatsphäre zur Geld-maschine machen kann, welche Folgen hat das auf die Lebensweise und wohin verschiebt sich die Grenze zwischen öf-fentlich und privat? Auch in den Wohnungsrenovierungen, einer Nebenaktivität des Büros, bleibt die Recherche am wichtigsten. Kürzlich hat das Kollektiv eine Wohnung in Mailand fertiggestellt. Bei dem Projekt haben sie das Potenzial von Möbeln, die einen Raum definieren, erforscht – ein an sich altes Thema, mit dem vor allem in den 1970er-Jahren Archizoom, Ettore Sottsass und Ra-dical Design experimentier ten. Auch wenn die Prämisse dieselbe ist, hat sich dessen Ästhetik radikal verändert. Die weißen Wände, die pastellfarbenen Mö-bel und exotischen Pflanzen der Fosbury- Wohnung kommen de r t yp i schen Instagram- Ästhetik sehr nahe. Weist man Giacomo darauf hin, dass es genau das

Die Architekten

restaurierten ein

Labyrinth der

Villa Arconati im

nord italienischen

Bollate. Der

Durchmesser

beträgt 36 Meter.

Die Villa wurde

während des 17. und

18. Jahrhunderts

nach Plänen von

Marc’Antonio Dal Re

gebaut.

ist, was die jungen Architekten in einer anderen Forschungsarbeit kritisieren, gibt er zu: „Das kann sein“. Diese Inkonse-quenz mag vielleicht daran liegen, dass die Wohnung eines der ersten Projekte und ihre Haltung damals noch nicht aus-gereift war.

Das Kollektiv des 21. Jahrhunderts

Theoretische Arbeiten, Publikationen, Masterpläne, Ausstellungen, Installatio-nen – das Portfolio der Mailänder ist groß. Es steht exemplarisch für die Lage vieler jungen Architekten in Italien, die diverse Leistungen anbieten, um die fehlenden Bauprojekte im Land zu kompensieren. In diesem Prozess der Diversifizierung wird der Architekt zum Alleskönner, der sich mit dem Kuratieren, dem Verlags wesen, der Kunst, der Grafik, der Politik, der Theo-rie, dem Design, der Urbanistik und der Philosophie befassen kann. Das Kollektiv kann auf eine doppelte italienische Tradi-tion zurückblicken – einerseits die Traditi-on der Alleskönner wie Gio Ponti, Aldo Rossi und Paolo Portoghesi, die neben ihrem Hauptberuf auch als Politiker, Maler, Designer, Kuratoren, Redakteure oder Kulturvermittler tätig waren. Andererseits auf die Tradition der Architekturkollektive, die seit dem Ende der 1960er-Jahre als Antwort auf die grundlegenden Verände-rungen der Gesellschaft und der Baukultur im Land entstanden sind. Im Moment aber bleibt Fosbury Archi-tecture ein offener, durch das Internet verbundener Freundkreis, der sich durch unterschiedliche Kleinprojekte, Wettbe-werbe und Veranstaltungen finanziert. Dabei ist nicht nur die mediale Sichtbar-keit, sondern auch die berufliche Mobili-tät von zentraler Bedeutung. Die Zeit reicht noch für eine Zigarette, dann muss Giaco-mo wieder weg.

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Im Hintergrund viel los

Marko Cilic (unten)

und Thomas Barth

(rechts) sind in der

klassischen Musik

verwurzelt. Ihre

Abneigung gegen-

über monotoner

Fahrstuhl- und Lob-

by-Musik war Antrieb

für das Start-up

Tonsalon.

„In der Klangarchitektur

haben sich ganz neue Methoden

entwickelt.“

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15Köpfe 6 bis 7

Das Münchner Start-up Tonsalon erzeugt akustische Erlebniswelten, indem es in Räumen eine Sound-Archi tektur erschafft. Die zwei Unternehmer hinter dem Firmennamen sind ausge-bildete Klassikmusiker aus Leidenschaft. Nun haben sie mit ihrer Arbeit eine Nische in einer auf den ersten Blick eher emotionslosen Branche gefunden: Sie beschallen Messe stände. Doch ihre Klangarchitekturen bieten zusammen mit dem Design-konzept eine neue Ebene des Erlebens, die sich auch auf andere Räume über- tragen lässt.

Text:Vanessa Kanz

Ein Vibrationsstampfer dröhnt auf Asphalt, Autos hupen, eine Polizeisirene ertönt. Zwischen den Lärm mischt sich ein mar-kantes Timbre, elegant und non chalant zugleich – „I want to wake up in a city that doesn‘t sleep“, singt Frank Sinatra. Dieses Mixtum Compositum, das ist der Sound-track von New York: vielseitig, laut, impul-siv. Wer sich nach mehr Ruhe sehnt, flüch-tet sich in den Central Park. Hier erklingen Kinderlachen und Vögel, die von den Bäumen ihr eigenes Lied von New York singen. Ein Knopfdruck von Thomas Barth genügt und holt einen zurück nach Mün-chen. Sti l le im Büro von Tonsalon. Die Bluetooth-Boxen, die den Klang der Groß-stadt in den Raum katalysieren, sind aus. Aus der Traum von New York.Thomas Barth und Marko Cilic von Ton-salon kuratieren Musiklisten, fügen atmo-sphärische Töne ein und erzeugen somit eine Klangarchitektur, die den gesamten Raum erfüllt. Mit ihrer Dramaturgie erzäh-len sie den Zuhörern eine Geschichte, die durch die Akustik in ihrem Abbild der Wirklichkeit eine höhere Stufe der Prä-zision und Nachempfindung erhält.

Sanfte Übergänge

Seit der 6. Klasse im musischen Gym na-sium sind Barth und Cilic Freunde, seit knapp zwei Jahren Geschäftspartner. Beide absolvierten eine Gesangskarriere, Marko Cilic studierte Musik, Thomas Barth komponier te Fi lmmusik. So breit der Musikgeschmack von Cilic und Barth ist, so aufgeschlossen sind sie gegenüber jedem Raum-Typ: Sie bespielen Cafés, Bars und Showrooms; nach einer Installa-tion im Müllerschen Volksbad und im Ruff ini-Haus in der Münchner Altstadt war der letzte und bisher größte Coup die Gestaltung einer Klanginstallation für den Wicona-Stand auf der BAU 2019. Der Weg von der klassischen Musik hin zur Beschallung von Messeständen ist einer, der aus unternehmerischer Sicht notwen-dig war. „Wir mussten eine Nische finden, mit Kunden, die bereit sind, für unsere Ar-beit auch Geld auszugeben“, sagt Cilic. Die Verknüpfung mit Messe-Design hat sich als solch eine Nische herauskristalli-siert. Auf der Mailänder Möbelmesse zum Beispiel hätten an drei Ständen Vögel gezwitschert – das sei das Maximum ge-wesen. Nach positiven Gesprächen mit Messe-Designern kam es dann vor einem Jahr, mit dem Auftrag von Wicona, zum Neuanfang der „Sound-Architekten“, wie Barth und Cilic sich auch nennen.Wicona, ein internationaler Fassaden- und Fensterhersteller, verbaut seine Pro-dukte in vielen Großstädten weltweit, deshalb fiel die thematische Ausrichtung des Messestandes auf New York. Das Design konzipierte Andi Gabony von

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