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Unsere Halbjahresbilanz zeigt, dass Datenschutz, ethische Fragen rund um die künstliche Intelligenz (KI), Online Gaming Sucht als ein Gesundheitsthema, die Sicherheit von Internet Nutzern/- innen, sowie einige andere Themen besonders wichtig sind an der Schnittstelle zwischen Mensch und Technik. Im digitalen Bereich sind sechs Monate eine lange Zeit. Die meiste Zeit wurde durch den Skandal um Facebook und Cambridge Analytica dominiert und der daraus folgenden politischen Diskussion sowie durch die Vorbereitungen auf das Inkrafttreten der EU Datenschutzgrundverordnung (DSGVO). In Anbetracht dessen, hilft die Halbjahresbilanz uns dabei Abstand und damit einen guten Überblick über die Entwicklungen in der digitalen Politik zu gewinnen. Wir haben die Entwicklungen für jeden der zehn von uns identifizierten Haupttrends gerankt und geben in Klammern das jeweilige Ranking vom Januar 2018 an. 1. (1) DSGVO: Daten im Mittelpunkt digitaler Politik Das erste Halbjahr war von Erwartungen rund um das Inkrafttreten der DSGVO am 25. Mai geprägt. Unternehmen und Organisationen aktualisierten ihre Datenschutzregelungen und Prozeduren, um diese in Einklang mit den neuen Gesetzen zu brin- gen. Eines der ungeklärten Themen blieb dabei die Sammlung von Domainnamen Registrierungsdaten durch ICANNs WHOIS System. Die DSGVO hat ebenfalls Auswirkungen auf die aktuellen internet- bezogenen Geschäftsmodelle von Tech-Firmen, die ihre Gewinne durch Werbung, die wiederrum vorrangig auf Nutzer/-innen Daten beruht, erzielen. Ebenso betroffen sind Unternehmen die sich auf KI-basierte Geschäftsmodelle spezialisiert haben und Daten für die Entwicklung neuer Algorithmen benötigen. 2. (5) KI: Zwischen philosophischen Fragen und praktischen Anwendungen KI war, wie erwartet, ein sehr wichtiges Thema. Die rasant vor- anschreitenden technologischen Entwicklungen und die zuneh- mende Bedeutung der Debatten über philosophische, ethische, rechtliche und wirtschaftlichen Aspekte von KI führten dazu, dass KI in unserem Ranking deutlich an Boden gewann. Auf der politischen Seite haben Staaten den Entwicklungen im Bereich der KI immer mehr Aufmerksamkeit geschenkt und entsprechende Strategien und Pläne entwickelt. Die Auswirkungen von AI auf Arbeitsplätze und die Zukunft der Arbeit und die Notwendigkeit der Anpassung der Bildungs- und Ausbildungssysteme sind ein weiteres wichtiges Thema. HALBJAHRESBILANZ: WENN TECHNOLOGIE AUF MENSCHHEIT TRIFFT Die DSGVO hat strengere Vorschriften für den Schutz personenbezogener Daten eingeführt. Ein besonderes Problemgebiet ist dabei das ICANN-WHOIS-System. WHOIS In unserer Analyse der Verwendung von Präfixen im digitalen Sprachgebrauch haben wir „Tech“ als neuen Präfix in digitalen Diskussionen entdeckt. SPRACHE Einer der umstrittenen Artikel der vorgeschlage- nen Reform der Urheberrechtsrichtlinie ist Artikel 13, der verlangt, dass Internetplattformen Filter zur Erkennung von Urheberrechtsverletzungen einrichten. COPYRIGHT Viele politische Diskussionen fanden im Juni in Genf statt, von Diskussionen im Menschenrechtsrat bis hin zu Forschungskolloquien und öffentlichen Vorträgen. GENF In diesem Monat schrieben mehrere Amazon-Aktionäre an den CEO des Unternehmens und äußerten Bedenken hinsichtlich des Verkaufs von Gesichtserkennungssoftware an US-amerikanische Strafverfolgungsbehörden. Der mögliche Einsatz von Erken- nungssoftware könnte „Zivil- und Menschenrechte verletzen“ und „unfair und unverhältnismäßig people of colour, Einwanderer und Organisationen der Zivilgesellschaft ins Visier nehmen und über- wachen“. Weitere Entwicklungen auf den Seiten 4–5. Mehr dazu auf Seite 7 Mehr dazu auf Seite 8 Mehr dazu auf Seite 6 Mehr dazu auf den Seiten 4 und 5 Ausgabe 32 – Juni 2018 Sie erhalten Unmengen an Neuigkeiten zur digitalen Politik? Wir auch. Wir machen verständlich, kontextualisieren, und analysieren. Dann fassen wir alles für Sie zusammen. DEUTSCH IN DIESER AUSGABE Ausgabe Nr. 32 des Digital Watch Newsletter, veröffentlicht am 30. Juni 2018, durch die Geneva Internet Platform (GIP) und DiploFoundation | Übersetzung der deutschen Ausgabe: Cedric Amon und Katharina E. Höne | Mitwirkende: Stephanie Borg Psaila, Andrijana Gavrilovic, Tereza Horejsova, Arvin Kamberi, Jovan Kurbalija, Marilia Maciel, Adriana Minovic, Virginia (Ginger) Paque, Clement Perarnaud, Vladimir Radunovic, Barbara Rosen Jacobson, Sorina Teleanu | Design von Viktor Mijatović und Layout von Aleksandar Nedeljkov, Diplo’s CreativeLab | Zusätzlich zu dem Digital Watch Newsletter finden Sie ausführliche Berichte zu aktuellen Entwicklungen im GIP Digital Watch Observatorium (http://dig.watch). Verfolgen Sie außerdem die Diskussion am letzten Dienstag jeden Monats, oder unter GIP (http://dig.watch/briefings) | Für Kommentare und Anregungen stehen wir gerne zur Verfügung [email protected] | Laden Sie die digitale Ausgabe herunter https://dig.watch/newsletter/june2018 Fortsetzung auf Seite 3

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Page 1: IN DIESER AUSGABE · rund um die künstliche Intelligenz (KI), Online Gaming Sucht als ein Gesundheitsthema, die Sicherheit von Internet Nutzern/-innen, sowie einige andere Themen

Unsere Halbjahresbilanz zeigt, dass Datenschutz, ethische Fragen rund um die künstliche Intelligenz (KI), Online Gaming Sucht als ein Gesundheitsthema, die Sicherheit von Internet Nutzern/-innen, sowie einige andere Themen besonders wichtig sind an der Schnittstelle zwischen Mensch und Technik.

Im digitalen Bereich sind sechs Monate eine lange Zeit. Die meiste Zeit wurde durch den Skandal um Facebook und Cambridge Analytica dominiert und der daraus folgenden politischen Diskussion sowie durch die Vorbereitungen auf das Inkrafttreten der EU Datenschutzgrundverordnung (DSGVO).

In Anbetracht dessen, hilft die Halbjahresbilanz uns dabei Abstand und damit einen guten Überblick über die Entwicklungen in der digitalen Politik zu gewinnen. Wir haben die Entwicklungen für jeden der zehn von uns identifizierten Haupttrends gerankt und geben in Klammern das jeweilige Ranking vom Januar 2018 an.

1. (1) DSGVO: Daten im Mittelpunkt digitaler Politik

Das erste Halbjahr war von Erwartungen rund um das Inkrafttreten der DSGVO am 25. Mai geprägt. Unternehmen und Organisationen aktualisierten ihre Datenschutzregelungen und Prozeduren, um diese in Einklang mit den neuen Gesetzen zu brin-gen. Eines der ungeklärten Themen blieb dabei die Sammlung

von Domainnamen Registrierungsdaten durch ICANNs WHOIS System.

Die DSGVO hat ebenfalls Auswirkungen auf die aktuellen internet-bezogenen Geschäftsmodelle von Tech-Firmen, die ihre Gewinne durch Werbung, die wiederrum vorrangig auf Nutzer/-innen Daten beruht, erzielen. Ebenso betroffen sind Unternehmen die sich auf KI-basierte Geschäftsmodelle spezialisiert haben und Daten für die Entwicklung neuer Algorithmen benötigen.

2. (5) KI: Zwischen philosophischen Fragen und praktischen Anwendungen

KI war, wie erwartet, ein sehr wichtiges Thema. Die rasant vor-anschreitenden technologischen Entwicklungen und die zuneh-mende Bedeutung der Debatten über philosophische, ethische, rechtliche und wirtschaftlichen Aspekte von KI führten dazu, dass KI in unserem Ranking deutlich an Boden gewann.

Auf der politischen Seite haben Staaten den Entwicklungen im Bereich der KI immer mehr Aufmerksamkeit geschenkt und entsprechende Strategien und Pläne entwickelt. Die Auswirkungen von AI auf Arbeitsplätze und die Zukunft der Arbeit und die Notwendigkeit der Anpassung der Bildungs- und Ausbildungssysteme sind ein weiteres wichtiges Thema.

HALBJAHRESBILANZ: WENN TECHNOLOGIE AUF MENSCHHEIT TRIFFT

Die DSGVO hat strengere Vorschriften für den Schutz personenbezogener Daten eingeführt. Ein besonderes Problemgebiet ist dabei das ICANN-WHOIS-System.

WHOIS

In unserer Analyse der Verwendung von Präfixen im digitalen Sprachgebrauch haben wir „Tech“ als neuen Präfix in digitalen Diskussionen entdeckt.

SPRACHE

Einer der umstrittenen Artikel der vorgeschlage-nen Reform der Urheberrechtsrichtlinie ist Artikel 13, der verlangt, dass Internetplattformen Filter zur Erkennung von Urheberrechtsverletzungen einrichten.

COPYRIGHT

Viele politische Diskussionen fanden im Juni in Genf statt, von Diskussionen im Menschenrechtsrat bis hin zu Forschungskolloquien und öffentlichen Vorträgen.

GENF

In diesem Monat schrieben mehrere Amazon-Aktionäre an den CEO des Unternehmens und äußerten Bedenken hinsichtlich des Verkaufs von Gesichtserkennungssoftware an US-amerikanische Strafverfolgungsbehörden. Der mögliche Einsatz von Erken-nungssoftware könnte „Zivil- und Menschenrechte verletzen“ und „unfair und unverhältnismäßig people of colour, Einwanderer und Organisationen der Zivilgesellschaft ins Visier nehmen und über-wachen“. Weitere Entwicklungen auf den Seiten 4–5.

Mehr dazu auf Seite 7

Mehr dazu auf Seite 8

Mehr dazu auf Seite 6

Mehr dazu auf den Seiten 4 und 5

Ausgabe 32 – Juni 2018

Sie erhalten Unmengen anNeuigkeiten zur digitalen Politik?

Wir auch. Wir machen verständlich,kontextualisieren, und analysieren.

Dann fassen wir alles für Sie zusammen.

D E U T S C H

IN DIESER AUSGABE

Ausgabe Nr. 32 des Digital Watch Newsletter, veröffentlicht am 30. Juni 2018, durch die Geneva Internet Platform (GIP) und DiploFoundation | Übersetzung der deutschen Ausgabe: Cedric Amon und Katharina E. Höne | Mitwirkende: Stephanie Borg Psaila, Andrijana Gavrilovic, Tereza Horejsova, Arvin Kamberi, Jovan Kurbalija, Marilia Maciel, Adriana Minovic, Virginia (Ginger) Paque, Clement Perarnaud, Vladimir Radunovic, Barbara Rosen Jacobson, Sorina Teleanu | Design von Viktor Mijatović und Layout von Aleksandar Nedeljkov, Diplo’s CreativeLab | Zusätzlich zu dem Digital Watch Newsletter finden Sie ausführliche Berichte zu aktuellen Entwicklungen im GIP Digital Watch Observatorium (http://dig.watch). Verfolgen Sie außerdem die Diskussion am letzten Dienstag jeden Monats, oder unter GIP (http://dig.watch/briefings) | Für Kommentare und Anregungen stehen wir gerne zur Verfügung [email protected] | Laden Sie die digitale Ausgabe herunter https://dig.watch/newsletter/june2018

Fortsetzung auf Seite 3

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Ausgabe 32 – Juni 2018

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D E U T S C H

Der von Switzerland Global Enterprise (S-GE) organisierte Workshop untersuchte die Möglichkeiten der Schweiz, ein starker und innovativer Cybersecurity-Standort zu sein. Die Veranstaltung fand am 5. Juni als Teil der Geneva Internet Platform (GIP) statt und sprach zwei Ziele an. Erstens verknüpfte sie die Cybersicherheitsbranche mit der Gemeinschaft der Investitionsförderer; zum anderen wurden in der Diskussion Ideen und mögliche Strategien zur Förderung der Schweiz im Bereich der Cybersicherheit entwickelt.

„Invest in Cybersecurity”

Workshop

Der öffentliche Vortrag von Dr. Peter Singer fand am 8. Juni im Hauptquartier der Weltorganisation für geis-tiges Eigentum (WIPO) statt und war der erste in einer Reihe von Vorträgen über Technologie und Ethik. Angesichts des schnellen technologischen Wandels sind viele Organisationen derzeit unter Druck, können aber nur begrenzt auf die neuen Herausforderungen reagieren. Vor diesem Hintergrund bekräftigte Singer, dass es wichtig sei, sowohl die sozialen als auch die ethischen Auswirkungen neuer Technologien zu berücksichti-gen. In Bezug auf verschiedene Denkschulen erklärte er, dass die Menschenrechte nicht als absolut betrachtet werden sollten, sondern im Dienste menschlicher Ziele stehen sollten. Eigentumsrechte sollten im Namen von Notwendigkeiten, wie etwa Bedürfnissbefriedigung, eingeschränkt werden (wenn auch in unterschiedlichem Maße). Singer diskutierte auch bioethische Fragen und die Automatisierung von Arbeit, die von künstlicher Intelligenz (KI) angetrieben wird.

Öffentlicher Vortrag: Ethik, Technologie

und die Zukunft der Menschheit

Anwendung von Technologie zur

Stärkung der Sicherheit und Förderung der

Entwicklung

Die Veranstaltung, die am 14. Juni vom Interregionalen Forschungsinstitut der Vereinten Nationen für Kriminalität und Justiz (UNICRI) organisiert wurde, erörterte neue technologische Möglichkeiten bei der Bekämpfung und Vorbeugung krimineller Phänomene. Die Diskussionen konzentrierten sich auf Technologie, Sicherheit und Entwicklung und legten den Schwerpunkt auf das SIRIO-Projekt (Verbesserung der Sicherheit durch Forschung, Technologie und Innovation), das darauf abzielt, aufkommende Risiken und ihre möglichen technologischen Lösungen zu identifizieren.

Genfer Internet L@w Summer School 2018

Die Sommerschule, die vom 18. bis 29. Juni von der Universität Genf organisiert wurde, versetzte Studierende in die Situation einer „internet law clinic“, in der sie mit Akademikern/-innen, Praktikern/-innen, und Vertretern/-innen globaler politischer Entscheider und internationaler Organisationen über Internetrecht und politische Fragen diskutierten. Zu den von der Sommerschule behandelten Themen gehörten Cybersicherheit, digitale Privatsphäre und Online-Überwachung, Redefreiheit, Verbraucherschutz, rechtliche Fragen in Bezug auf sozia-len Medien, Gefahren von Cloud-Computing, Internet- und Telekommunikationsinfrastruktur, Datenschutz und geistiges Eigentum.

Die 38. Tagung des Menschenrechtsrates der Vereinten Nationen (UNHRC) fand vom 18. Juni bis 6. Juli im Palais des Nations in Genf statt. Zwei Resolutionsentwürfe sind hervorzuheben: eine Resolution zum Thema „Gewalt gegen Frauen“ und eine weitere zur „Förderung, Schutz und Wahrnehmung der Menschenrechte im Internet“. Die GIP berichtete von ausgewählten Nebenveranstaltungen. Weitere Updates folgen in unserem nächsten Newsletter.

38. Tagung des Menschenrechtsrates

Die Genfer Cybersecurity Law & Policy Konferenz, die am 21. Juni von der Universität Genf und der Hebräischen Universität Jerusalem organisiert wurde, befasste sich mit der zivilrechtlichen Haftung im Zusammenhang mit Cyber-Angriffen. Die Diskussionen beinhalteten rechtliche und politische Aspekte der Cybersicherheit und behandelten Datenschutz- und Cybersicherheitsverletzungen, Risikomanagement und Standards für die Betreuung von Opfern von Cyberangriffen sowie die Zukunft der Cybersicherheit.

Genfer Cybersecurity Law & Policy

Konferenz

Das Forschungskolloquium, organisiert von der Juristischen Fakultät der Universität Genf in Zusammenarbeit mit dem Berkman Center for Internet & Society an der Harvard Universität, dem CRIDES Zentrum für Wirtschaftsrecht und Gesellschaft an der Katholischen Universität von Louvain, der GIP und dem Institut für Technologie und Gesellschaft (Rio de Janeiro), bot den Teilnehmern/-innen die Möglichkeit, ihre Forschungsergebnisse zu präsentieren, sich mit Experten/-innen auf dem Gebiet auszutauschen und wichtige Rückmeldungen zu erhalten.

Genfer Internet L@w Forschungskolloquium

2018

In Genf finden jeden Monat viele politische Diskussionen statt. Die folgenden Updates decken die wichtigsten Veranstaltungen des Monats ab. Für Veranstaltungsberichte, besuchen Sie die ’Past Events’ Rubrik des GIP Digital Watch Observatoriums.

DIGITALE ENTWICKLUNGEN IN GENF

GENF

Dieses Symbol sagt Ihnen, dass weiteres Hintergrundmaterial in digitaler Form vorliegt. Außerdem können Sie https://dig.watch für weitere Analysen und Hintergründe besuchen.

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Ausgabe 32 – Juni 2018

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D E U T S C H

3. (3) Digitaler Handel und die Internetwirtschaft

Zu Beginn des Jahres suchten Handelsdiplomaten/-innen nach Wegen, um Meinungsverschiedenheiten zu überwinden, die sich auf dem WTO-Ministertreffen im Dezember 2017 herausgebildet hatten. In der ersten Hälfte des Jahres 2018 wurden auch die Risiken durch protektionistische Handelstrends und mögliche Handelskriege stärker ins Blickfeld gerückt.

In Bereichen wie Wettbewerb, Besteuerung und Privatsphäre sind Regierungen zunehmend auf die Regulierung der Aktivitäten von Internetunternehmen ausgerichtet, was einen starken Wandel im Vergleich zu dem bisher vorherrschenden laissez-faire Ansatz darstellt. Fragen bezüglich der Besteuerung in der EU werden jedoch aufgrund der signifikanten Meinungsverschiedenheiten zwischen den Mitgliedstaaten schwieriger zu bewältigen sein.

4. (2) Cybersecurity und Geopolitik: Die Suche nach neuen Governance-Mechanismen

Im Jahr 2017 war das Thema Cybersecurity im öffentlichen Raum sehr stark vertreten. In diesem Jahr wurde die Suche nach neuen Governance-Mechanismen fortgesetzt, wenn auch langsamer.

Die Suche nach einer Cybersicherheitsvereinbarung wird fortge-setzt. Auf globaler Ebene bleibt es abzuwarten, ob ein Kompromiss über die Zukunft der UN-Gruppe von Regierungsexperten (GGE) erzielt wird. Parallel dazu werden sich auch andere Initiativen wei-terentwickeln. Die Globale Kommission für Cyber-Stabilität wird vor-aussichtlich neue Normen entwickeln. Der Genfer Dialog über ver-antwortungsbewusstes Verhalten wird die Rolle von Regierungen, Unterntehmen und der Zivilgesellschaft skizzieren. Der Tech-Sektor wird Vorschläge aus dem Tech Accord ausarbeiten.

5. (6) Bitcoin und Kryptowährungen: Zwischen Boom und Pleite

Nach 2017, dem Jahr der Kryptowährungsrevolution, begann 2018 als Jahr der Konsolidierung. Staaten begannen mitunter damit, die anfänglichen Münzangebote (ICOs) und die Sicherheit der Kryptowährungen zu regulieren. Der stete Anstieg des Krypto-Jackings und die schwache Sicherheit von Krypto-Austauschen führten dazu, dass Kryptowährungen häufig Schlagzeilen machten.

Andererseits, hat die EU die Europäische Blockchain-Partnerschaft ins Leben gerufen. Insgesamt werden 22 EU-Länder ihre Erfahrungen in diesem Regulierungsbereich austauschen. Sie werden sich auch auf den Start einer EU-weiten Blockchain-Anwendung vorbereiten.

6. (4) Gerichte: Aktive Entscheidungsträger für digitale Regeln

Bis jetzt gab es keine bahnbrechenden Gerichtsentscheidungen, die mit denen im letzten Jahren vergleichbar wären. Allerdings werden Gerichte weltweit öfters befasst. Beispielsweise hat die DSGVO bereits einige Gerichtsverfahren ausgelöst.

Die Rolle der Gerichte sollte nicht als letztes Mittel zur Verteidigung des Internets als solches unterschätzt werden, wie die US-Klage von Technologieunternehmen gegen die Federal Communications Commission (FCC) über die Aufhebung der US-amerikanischen Netzneutralität zeigt.

7. (7) Inhaltspolitik: Fake News und gewalttätiger Extremismus online

Wir bleiben bei unserer Prognose vom Jahresbeginn: Die Regierungen werden den Druck auf Internet-Plattformen weiter erhöhen, Verantwortung für die Inhalte zu übernehmen, die sie

hosten. Während Unternehmen den Kampf gegen die Verbreitung illegaler Inhalte vorantreiben, haben die Regierungen damit begonnen, neue Regeln zu verabschieden, die Konzerne dazu bewegen, mehr zu unternehmen.

Wie erwartet, wurde Deutschlands neue Verordnung gegen illegale Inhalte und Frankreichs Ankündigung, zu Beginn des Jahres, eine Gesetzgebung gegen Fake News zu entwickeln, von weiteren politischen Entwicklungen begleitet.

8. (10) ICANN: Online-Identitäten, Zuständigkeit und Governance

Wie im Januar erwartet, war ICANN damit beschäftigt heraus-zufinden, ob und wie dessen Richtlinien an die DSGVO ange-passt werden können. Dieses Thema und andere Debatten im Zusammenhang mit generischen Top-Level-Domains (gTLDs) haben die Bedeutung von ICANN in öffentlichen Debatten erhöht.

Im Hinblick auf neue gTLDs hat die ICANN-Gemeinschaft ihre Arbeit zur Überprüfung des Programms fortgesetzt, aber eine neue Runde neuer gTLDs wird nicht vor 2021 erwartet.

9. (9) Verschlüsselung: Druck auf Backdoor-Zugänge

Die Prognose von 2018, dass die Regierungen wahrschein-lich den Druck auf Internet-Unternehmen erhöhen würden, Backdoor-Zugänge zu gewähren, hat sich nicht durchgesetzt, obwohl die Situation in Russland diese Möglichkeit in den Fokus gerückt hat. Dort hat der Oberste Gerichtshof entschieden, dass Telegram seine privaten Verschlüsselungscodes mit den russi-schen Behörden teilen muss.

Verschlüsselung wird weiterhin einen hohen Stellenwert auf der digitalen Agenda haben. Bisher gibt es keine politischen Lösungen für die oft gegensätzlichen Interessen der Tech-Industrie, die die Vertraulichkeit ihres Datenverkehrs priorisieren, und das Interesse der Regierungen, welche, aus gerechtfertigten (wie strafrechtliche Ermittlung) sowie ungerechtfertigten Gründen, Zugriff auf den Datenverkehr haben möchten.

10. (8) Netzneutralität: Globale Auswirkungen der neuen Ordnung der FCC

Wie im Januar prognostiziert, gewann die Diskussion um techni-sche Netzneutralität kaum an neuer Bedeutung. Ein Großteil der Aufmerksamkeit in diesem Jahr galt der regulatorischen Situation in den USA. Mit dem Inkrafttreten der FCC-Verordnung haben mehrere Staaten in den USA beschlossen, die Angelegenheit selbst in die Hand zu nehmen.

Dieser Artikel ist ein Auszug aus der Halbjahresbilanz von Prof. Jovan Kurbalija. Lesen Sie den vollständigen Text.

HALBJAHRESBILANZ: WENN TECHNOLOGIE AUF MENSCHHEIT TRIFFT

ANALYSE

Vortsetzung von Seite 1

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Ausgabe 32 – Juni 2018

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D E U T S C H

Die gerichtliche Auseinandersetzung zwischen ICANN und dem deutschen Domainname Registrar EPAG setzt sich fort. Mehr dazu auf Seite 6.

Mitglieder des Zivilrechtskommittees des Europäischen Parlamentes haben für eine Resolution gestimmt, die die Europäische Kommission dazu aufruft, das Privacy Shield Abkommen mit den USA aussetzten, wenn nicht Richtlinien zum Datenschutz bis zum 1. September eingeführt werden.

Die USA haben angekündigt, den UN Menschenrechtsrat zu verlassen, aufgrund der politischen Befangenheit des Rates, welcher es versäumt habe, bestimmte Akteure, die Menschenrechte verletzten, zur Verantwortung zu ziehen.

In ihrer Erklärung während der 38. Sitzung des Menschenrechtsrates, hat Dubravka Šimonović, UN Sonderbeauftragte für Gewalt gegen Frauen, über Möglichkeiten gesprochen, online Gewalt gegen Frauen und Mädchen zu bekämpfen. Sie forderte neue Gesetze und bessere regulatorische Rahmenwerke.

Digitale Rechte

steigend

Uganda hat eine Steuer auf soziale Medien erhoben, um Geld für das Land zu sammeln. Nutzer sozialer Medien müssen 200 Uganda-Schillinge (0,05 US-Dollar) pro Tag zahlen, um beliebte Plattformen wie Twitter, Facebook und WhatsApp nutzen zu können. Das Gesetz tritt am 1. Juli in Kraft.

Mitglieder der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SCO) – China, Russland, Kirgisistan, Kasachstan, Tadschikistan, Usbekistan, Indien und Pakistan – haben eine gemeinsame Erklärung abgege-ben, nach der die Länder sich darauf einigen, dass ihre Handelsbeziehungen, insbesondere der Handel mit Gütern, vereinfacht werden sollen. Die Mitgliedstaaten berichteten auch über Governance-Aspekte und verwiesen auf „die Bedeutung gemeinsamer Anstrengungen zur Unterstützung und Stärkung des multila-teralen Handelssystems auf der Grundlage der Standards und Grundsätze der Welthandelsorganisation“.

Ein Londoner Gericht hat Uber eine 15-monatige, vorübergehende Lizenz ausgestellt, um in der britischen Hauptstadt Dienste anzubieten.

E-Commerce und Internet-

Wirtschaft

gleichbleibend

Das Amt für Kontrolle von Auslandsvermögen (OFAC) der USA hat weitere Sanktionen gegenüber fünf rus-sischen Organisationen und drei russischen Personen angekündigt. Sie werden beschuldigt, durch ihre Tätigkeit für den russischen Geheimdienst direkt zu Rußlands offensiven Kapazitäten im Cyberspace und Unterwasser beigetragen zu haben.

Während des Kim-Trump Gipfeltreffens, haben online Angriffe auf Singapur zugenommen. Zwischen dem 11. und 12. Juni alleine fanden 40 000 Attacken statt, wie Forscher aus dem Bereich der Cybersicherheit berichteten. In diesem Zeitraum war Singapur viereinhalb mal mehr Attacken ausgesetzt, als die USA oder Kanada. Diese Anomalie wird auf das Treffen der Präsidenten in Singapore zurück geführt. Singapurs Behörde für Onlinesicherheit bestreitet jedoch diese Berichte.

Sicherheit

gleichbleibend

Malaysia erwägt eine Verfassungsänderung, um Internetzugang als ein fundamentales Recht anzuerken-nen, insbesondere um die Lücke zwischen ländlichen und urbanen Regionen zu schließen. Es wird davon ausgegangen, dass dies als Anregung, auf nationaler wie förderaler Ebene, dienen wird, um entsprechende Dienstleistungen in Malaysia anzubieten.

Nachhaltige Entwicklung

gleichbleibend

Auf dem G7-Gipfel in Charlevoix, Kanada, haben die G7-Staats- und Regierungschefs eine gemeinsame Vision für die Zukunft von künstlicher Intelligenz (KI) verabschiedet. Unter anderem regt das Dokument die Förderung des menschen-zentrierten Ansatzes und die kommerzielle Weiterentwicklung von KI an.

Die Europäische Kommission richtete ein hochrangiges Treffen mit Vertretern/-innen philosophischer und nicht-konfessioneller Organisationen aus, um die ethischen und sozialen Herasuforderungen der KI zu dis-kutieren. Die von der Kommission geplanten ethischen Richtlinien sollen bis zum Ende 2018 vorliegen.

Die Nationale Telekommunikations- und Informationsbehörde der USA (NTIA) hat relevante Stakeholder ein-geladen, um Kommentare zu vier Themenbereichen der internationalen Internet Politik der Behörde und ihrer Prioritäten zu teilen. Diese beinhalten: (a) mögliche Reaktionen auf Einschränkungen im Bereich des freien Informationsflusses und der freien Meinungsäußerung online, (b) Prioritäten der USA in Hinblick auf ICANN, DNS Politik, und Reform des Internet Governance Forums, (c) geeignete internationale Arenen um Gefahren in Hinblick auf Cybersicherheit und den Schutz der Privatsphäre online zu adressieren, und (d) neue Technologie, die im Fokus internationaler Diskussionen stehen sollten.

Weltweite IG Architektur

steigend

DIGITALE POLITIK: ENTWICKLUNGEN IM MAIDas monatlich veröffentlichte Internet Governance Barometer verfolgt spezifische Internet Governance (IG) Themen in politischen Debatten und zeigt Trends auf, indem es jeden Monat aktuelle Themen aufnimmt und mit den Entwicklungen der Vormonate vergleicht. Das Barometer bestimmt die Präsenz von bestimmten IG Themen im Vergleich zum vorherigen Monat. Weitere Informationen über die folgenden Updates sind im Netz erhältlich.

OBSERVATORIOOBSERVATORIUM

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D E U T S C H

Die Solomon Inseln haben einen Vertrag über den Bau eines Unterseekabels mit der chinesischen Firma Huawei beendet. Anstatt dessen wird der Inselstaat finanzielle Unterstützung von Australien erhalten, das dabei ist, sein Programm zur Entwicklungszusammenarbeit verstärkt auf den Pazifik auszurichtet.

Facebook hat Pläne, sogenannte Internet-Drohnen zu entwickeln, aufgegeben. Die Entscheidung wurde von dem wachsenden Interesse der Luftfahrtindustrie, in eben diese Technologie zu investieren, beeinflusst.

Infrastruktur

gleichbleibend

Weitere Meilensteine im Bereich KI wurden erzielt. Unter anderem hat IBM eine KI vorgestellt, die mit Menschen über komplexe Themen debattieren kann. Project Debater wurde lediglich mit allgemeinen Regeln und Methoden des Debattierens angelernt, nicht jedoch mit den konkreten Inhalten der Debatten. Die KI „benutzt eine sehr große Anzahl von Texten auf deren Grundlage sie ein gut strukturiertes Argument zu einem ausgewählten Thema liefert, es mit Klarheit und Zielgerichtetheit vorträgt und Argumente der anderen Teilnehmer/-innen entkräftet”. Forscher/-innen am Computerwissenschafts- und KI-Labor des MIT haben ein KI-System entwickelt welches drahtlose Signale nutzt, um durch Wände zu „sehen” . RF-Pose genannt, nutzt das System ein neurales Netzwerk um menschliche Bewegungen auf Grundlage von Radiofrequenzen die vom menschlichen Körper reflektiert werden, zu identifizieren. Das System könnte für Such- und Rettungseinsätzen nach Naturkatastrophen ebenso wie für medizinische Zwecke genutzt werden.

In einem Blogbeitrag hat Googles CEO eine Reihe von Prinzipien beschrieben, welche die Arbeit der Firma im Bereich KI anleiten sollen. Unter anderem sollen Systeme entwickelt werden, die von Menschen zur Rechenschaft gezogen werden können und die keine Befangenheiten reproduzieren. Eine Anzahl vom Amazons Anteilseignern haben dem CEO der Firma geschrieben, um ihrer Sorge über den Verkauf von Gesichtserkennungssoftware an US Strafvollzugsbehörden durch Amazon Ausdruck zu verleihen.

Neue Technologien (IoT, KI, etc.)

steigend

Der Rechtsausschuss des Europäischen Parlamentes (JURI) hat Vorschläge zu neuen Urheberrechts-regelungen verabschiedet und damit eine weitreichende Debatte ausgelöst. Der kontroverse Artikel 13 der Direktive sieht vor, dass Internetplatformen, die eine große Anzahl von nutzergenerierte Inhalten haben, Maßnahmen ergreifen müssen, um mögliche Urheberrechtsverletzungen zu überwachen und zu identifizie-ren. Artikel 11, der eine Steuer für Firmen, die kurze Auszüge aus anderen Publikationen verwenden, zur Folge haben könnte, wurde ebenso kontrovers diskutiert. Mehr dazu auf Seite 7.

In einer vorläufigen Entscheidung hat das Handelsgericht Wien entschieden, dass Youtube kein „neutraler Vermittler“ ist und dass die Platform deshalb verantwortlich ist, Dritte am Hochladen von urheberechtsver-letzenden Inhalten zu hindern. Da Youtube Inhalte sortiert, filtert und verlinkt, kann es kein „intermediary“ im Sinne der Safe Harbour Vereinbarung sein.

Rechtsprechung & rechtliche

Fragen

steigend

In den USA trat die Restoring Internet Freedom Anordnung der Federal Communications Commission (FCC) im Juni in Kraft und hat damit die Open Internet Anordnung aus dem Jahr 2015 abgelöst und die Klassifizierung von Breitband-Internetzugängen als einen leicht regulierten Informationsdienst wieder hergestellt. Das Gremium Europäischer Regulierungsstellen für elektronische Kommunikation (GEREK) und die indische Telekommunikationsregulierungsbehörde (TRAI) haben ein gemeinsames Statement für ein offenes Internet veröffentlicht. Es beschreibt den gemeinsamen Ansatz für ein Netzneutralitätsrahmenwerk in Europa und Indien und bekräftigt das Bemühen der Beteiligten, Vorschriften und Regeln für ein offenes Internet in den jeweiligen Regionen zu überwachen und durchzusetzen.

Netzneutralität

gleichbleibend

IM JULI & AUGUST

JULI SEPTEMBER

18. Globales Symposium für

Regulatoren(Genf, Schweiz)

9–12 JUL

High-Level Political Forum on Sustainable

Development(New York, USA)

9–18 JULLACIGF

(Buenos Aires, Argentinien)

30 JUL–3 AUGG20 Digitales Wirtschafts-

Ministerialtreffen(Salta, Argentinien)

23–24 AUG

IGF 2018: Second Open Consultations

and MAG Meeting(Genf, Schweiz)

11–13 JUL

IETF 102(Montreal, Kanada)

14–20 JUL

10. BRICS Gipfel(Johannesburg,

Südafrika)

25–27 JULAPrIGF

(Port Vila, Vanuatu)

13–16 AUGGruppe der Regierungsexperten

des CCW-Übereinkommens bezüglich letaler autonomer

Waffensysteme (LAWS) (Genf, Schweiz)

27–31 AUG

Für weitere Veranstaltungsinformationen, besuchen Sie uns: http://dig.watch/events

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D E U T S C H

Artikel 13 der Urheberrechtsdirektive führt eine neue Verpflichtung für Anbieter von Onlinediensten, die große Mengen an Nutzerbeiträgen hosten oder hochladen, ein. Diese sollen Maßnahmen, wie etwa Erfassungstechniken, ergreifen, um Urheberrechte zu schützen. Die Maßnahmen sollen angemessen und verhältnismäßig sein. Anbieter von Onlinediensten müssen zudem Inhaber von Urheberrechten mit Informationen über die Maßnahmen und ihrer Umsetzung versorgen.

Pro-Argumente

Die Kreativindustrie hat schon lange argumentiert, dass sie sig-nifikante Verluste durch die Verletzung von Rechten am geistigen Eigentum erfährt. Obgleich die Direktive zum E-Commerce Mit-tler verpflichtet auf die Meldung von Urheberrechtsverletzungen zu reagieren (ebenso wie auf andere illegale Inhalte), glaubt die Industrie, dass dies nicht so oft passiert wie es sollte. Einer der Hauptkritikpunkte ist dabei, dass bestehende Regeln nicht robust genug für eine entsprechende Umsetzung sind. Inhaber von Urheberrechten können zwar gerichtlich vorgehen, dieser Prozess ist jedoch langsam.

Gibt es jedoch keinen angemessenen Schutz des geistigen Eigentums, dann haben Inhaber von Urheberrechten auch einen geringen Anreiz Zeit und Geld in die Entwicklung von neuen, kre-ativen, und originären Lösungen zu investieren. Als Folge sind weniger Menschen in der Lage, von den Erträgen ihrer Kreativität und ihrer Innovationen zu leben.

Einige Plattformen setzen bereits verschiedene Filter ein. Zum Beispiel sind Facebooks und YouTubes Inhalts management-systeme bereits in der Lage, entsprechendes Material zu melden und zu entfernen. Diese Beispiele zeigen, dass es bereits Lösungen gibt, die nicht nur nicht intrusive sondern auch voll-kommen effizient sind, wenn es gilt geistiges Eigentum zu schützen.

In Anbetracht der Unwirksamkeit der existierenden Regeln auf der einen Seite und der positiven Beispiele von freiwilligen Maßnahmen zum Schutz des geistigen Eigentums, argumentiert die Kreativindustrie, dass der Vorschlag, die Mittlerdienste stär-ker zur Rechenschaft zu ziehen, den nächsten logischen Schritt darstellt.

Kontra-Argumente

Viele Organisationen haben ihren Bedenken bezüglich Artikel 13 bereits Ausdruck verliehen und betonten, dass dieser Vorschlag das „Internet wie wir es kennen, zerstören könnte”. Sie sor-gen sich, dass Inhaltsfilter als Überwachungswerkzeuge miss-braucht werden könnten und damit die freie Meinungsäußerung

gefährden könnten. Solche Maßnahmen könnten sich zu einer Form der Moderation entwickeln, die Missbrauch und willkür-liche Entscheidungen in Bezug auf erlaubte und zu entfernende Inhalte zur Folge haben könnte.

Es wird auch argumentiert, dass Artikel 13 im Widerspruch zu einem Prinzip steht, das die vorherige Moderation von Inhalten verbietet – ein Kernstück der Vermittlerregulation. Der Vorschlag würde damit zu einer weitreichenden Verschiebung des beste-henden Regelwerks und der bestehenden Prinzipien des Internets führen.

Aus technischer Sicht können Filter nicht in jedem Fall zwischen Urheberrechtsverletzung und anderen Inhalten wie Parodie und Ähnlichem unterscheiden. Filter machen Fehler und dies birgt eine große Gefahr für die freie Meinungsäußerung und ein freies Internet insgesamt.

Die Einführung entsprechender Maßnahmen würde auch zu zusätzlichen Kosten für Anbieter führen, was kleine und mittel-ständige Unternehmen besonders treffen würde. Diese müssten entweder ihrer eigenen Lösungen zur Inhaltskontrolle entwi-ckeln oder (und dies ist weniger wahrscheinlich) eine gebrauchs-fertige aber teurer Lösung einkaufen.

Was nun?

Das Europäische Parlament wird am 5. Juli entscheiden, ob es der Position des Komitees vorbehaltlos zustimmt. Obgleich es Druck für ein schnelles Ende der Urheberrechtsverhandlungen gibt, würde ein negatives Votum der Parlamentarier würde Neuverhandlungen erlauben. Das Europäische Parlament würde dann in Verhandlungen mit den Mitgliedsstaaten, als Teil der Trilogue Phase, treten, um über ein endgültiges Ergebnis dieser Reform zu verhandeln.

URHEBERRECHT: DIE VOR- UND NACHTEILE VON ARTIKEL 13Am 19. Juni hat der Rechtsausschuss des Europäischen Parlamentes (JURI) seinen Bericht zur Reform der Urheberrechtsdirektive verabschiedet. Eine der kontroversesten Bestandteile ist Artikel 13 . Im Folgenden rekapitulieren wir die wichtigsten Argument in Bezug auf den Vorschlag.

ANALYSE

Die „Schnipsel Steuer“

Im Zusammenhang mit diesem Artikel, gibt es auch Vorschläge, Artikel 11 und eine sogenannte „Schnipsel Steuer“ zu erheben. Dies würde Verlegern und Urheberrechtsinhaber/-innen das Recht auf Kompensation für Weiterverwendung ihrer Inhalte einräumen. Befürworter dieses Vorschlags betonen, dass es wichtig ist, die Verlagswelt durch solche und verwandte Rechte zu schützen. Ähnliche Maßnahmen, die es erfordern, dass Suchmachinen für die Verwendung von „Schnipseln“ bezahlen, wurden bereits in Deutschland und Spanien einge-führt.

Gegner glauben, dass obwohl solche Maßnahmen auf die großen Technologiekonzerne abzielen, diese Maßnahmen am Ende all betreffen und eine Einschränkung der freien Meinungsäußerung darstellen. Blogger und Onlinegemein-schaften, sofern sie Themen von allgemeiner Bedeutung diskutieren und auf aktuelle Nachrichten verweisen, wären ebenso von dieser Maßnahme betroffen. Wenn Nachrichten umformuliert werden anstatt auf verlässliche Inhalte zu ver-weisen, dann würden Fakenews und Falschinformationen Vorschub geleistet. Ebenso würde die Maßnahme Startups im Nachrichtenbereich und kleine Verleger signifikant benach-teiligen. Zudem ist es, angesichts von Erfahrungen aus der Vergangenheit, sehr wahrscheinlich, dass die Maßnahme fehlschlägt.

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Ausgabe 32 – Juni 2018

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D E U T S C H

Im Überblick

ICANN, die Organisation die weltweit das Vergabesystem der Domainnamen (DNS) koordiniert, hat verschiedene Vereinbarungen mit Registraren und Registranten von generi-schen Top-Level-Domains (gTLDs). Eine dieser Vereinbarungen – durch das WHOIS System – betrifft das Sammeln und die Veröffentlichung von Daten über die Registrierung von Domainnamen. Bisher hat dies persönliche Daten, wie Name, Telefonnummer, Adresse und E-Mail, von Registranten sowie von administrativen und technischen Kontaktpersonen, die mit dem Domainnamen assoziiert sind, beinhaltet

Vor einigen Jahren bereits hat die ICANN-Gemeinschaft ange-fangen, Bedenken bezüglich der Angemessenheit des WHOIS Systems in Bezug auf die Privatsphäre der Registranten zu äußern. Eine Gruppe von Experten/-innen wurde im Jahr 2012 gebildet um eine alternatives Model für WHOIS zu entwickeln. Es folgte eine Arbeitsgruppe, die im Jahr 2015 gegründet wurde und damit beauftragt war festzustellen, „ob und warum eine neue Übersicht über die Registrierungen (Registration Directory Service oder RDS) gebraucht wird, die WHOIS ersetzen könnte, und ein Regelwerk zu kreieren um dieser Notwendigkeit nach-zukommen“. Die Gruppe arbeitete für mehr als zwei Jahre, hatte aber Schwierigkeiten, sich auf eine gemeinsame Position zu einigen.

2017 begann ICANN damit, sich die potentiellen Auswirkungen der DSGVO auf WHOIS genauer anzusehen und mögliche Lösungen, die eine Einhaltung der Verordnung garantieren, zu erarbeiten. In diesem Zusammenhang setzte die Arbeitsgruppe ihre Arbeit auf unbestimmte Zeit aus.

Vorläufiges Regelwerk

Im März 2018 veröffentlichte ICANN ein vorläufiges Model zur Einhaltung der DSGVO , welches durch den Vorstand im Mai angenommen wurde. Das Model führt einige Anforderungen für Registrare und Registranten von gTLDs ein:

• Wird ein Domainname registriert, dann werden weiterhin die persönlichen Details der Registranten sowie der admi-nistrativen und technischen Kontakte gesammelt.

• Persönliche Daten sind nicht mehr über WHOIS verfüg-bar. Register und Registrare können Registranten die Möglichkeit geben, ihre Einwilligung zur Veröffentlichung der Daten zu geben.

• Register und Registrare stellensicher, dass Nutzer/-innen die Registranten sowie die administrativen und techni-schen Kontakte über eine anonymisierte E-Mail oder ein Onlineformular kontaktieren können.

• Register und Registrare müssen Zugang zu nicht-öf-fentlichen Registrierungsdaten gewähren, wenn ein „legitimer und verhältnismäßiger Grund“ (wie etwa bei Rechtsbehörden, Trägern von IP Rechten, und Sicherheitsforschern) vorliegt, soweit diese nicht durch das Recht von Datensubjekten verdrängt wird.

Register und Registrare müssen diese Regeln anwenden „wenn von der GDPR gefordert“, können diese aber auch global anwen-den. Da das vorläufige Model nur bis zu einem Jahr in Kraft sein kann, wurde ein beschleunigter Politikentwicklungsprozess ein-geleitet, um einen Konsens für ein überarbeitetes WHOIS-System zu erreichen.

Zugriff auf nicht-öffentliche Registrierungsdaten

Während der Zugang zu nicht-öffentlichen Registrierungsdaten für Nutzer/-innen mit legitimen Interessen noch erlaubt ist, gibt es kein einheitliches System, um diesen Zugang zu regeln. Aus diesem Grund haben verschiedene Sektionen der ICANN-Gemeinschaft an einheitlichen Akkreditierungs- und Zugangsmodellen gearbei-tet, und im Juni legte ICANN einen eigenen Vorschlag für ein mög-liches „einheitliches Zugangsmodell“ vor.

Das Dokument skizziert einen einheitlichen Ansatz für Register und Registrare, um Rechtsbehörden, anderen Regierungsstellen und bestimmten Kategorien privater Dritter Zugang zu nicht-öf-fentlichen WHOIS-Daten zu verschaffen. Es zeigt auch wich-tige Rollen für Regierungen auf. Beispielsweise würden die Regierungen in die Identifizierung von Benutzergruppen einbe-zogen, die Zugang zu nicht öffentlichen Daten erhalten könnten. Sie würden auch festlegen, welche Strafverfolgungsbehörden ihrer Rechtsordnungen Zugang zu vollständigen WHOIS-Daten erhalten sollen, und würden bei der Identifizierung relevanter Stellen zur Authentifizierung berechtigter privater Dritter kon-sultiert werden.

Was nun?

Während des ICANN62-Treffens wurden diese Probleme aus-führlich diskutiert. Es gab unterschiedliche Ansichten, aber auch die Bereitschaft der Gemeinschaft, bei der Arbeit an einem über-arbeiteten WHOIS-System Kompromissbereitschaft zu zeigen (angesichts der Tatsache, dass dies bis Mai 2019, wenn das vorläu-fige Model ausläuft, notwendig ist). Das vorgeschlagene einheit-liche Zugangsmodell bleibt Gegenstand der Diskussion, aber es ist noch nicht klar, ob diese Diskussionen Teil eines beschleunig-ten Politikentwicklungsprozesses oder eines anderen Rahmens sein sollten. Der Großteil der Gemeinschaft scheint jedoch der Meinung zu sein, dass so bald wie möglich ein Zugriffsmodell zur Verfügung stehen muss, das die Konsistenz, Einheitlichkeit und Vorhersagbarkeit des Zugriffs gewährleistet.

Für Updates folgen Sie der DNS-Seite des Digital Watch-Observato-riums.

WHOIS UND DIE GDPR: DIE FRAGE NACH PERSÖNLICHEN DATENDie Datenschutzgrundverordnung (DSGVO), welche strengere Regeln in Bezug auf den Schutz personenbe-zogener Daten von EU Bürgern/-innen einführte, wirkt sich auch auf die Domainnamen aus. Es werden ver-mehrt Fragen gestellt, wie ICANN seine Politik in Einklang mit der DSGVO bringen kann. Insbesondere das WHOIS-System und die Verwendung von persönlichen Daten von Registranten sorgt für Diskussion.

IM FOKUS

Klarheit durch Gerichtsentscheide

Am 25. Mai erhob ICANN Klage gegen die in Deutschland ansässige Registrierstelle EPAG wegen ihrer Entscheidung, die Erfassung administrativer und technischer Kontakt-informationen bei der Registrierung von Domainnamen ein-zustellen. Während EPAG behauptete, dass das Sammeln sol-cher Daten gegen die DSGVO verstoße, argumentierte ICANN, dass der Registrar seinen Vertrag verletze.

Das Landgericht Bonn hat gegen ICANN entschieden und argumentiert, dass die Erhebung personenbezogener Daten des Domain-Namen-Registranten für Zwecke des Schutzes vor Missbrauch von Domainnamen ausreichend sei. ICANN legte gegen diese Entscheidung Berufung ein, da sich das Gericht nicht über den Geltungsbereich der DSGVO im Klaren war und nicht darauf hinwies, dass die Sammlung administ-rativer und technischer Kontaktdaten gegen die Verordnung verstoßen würde. Am 21. Juni gab das Bonner Gericht seinen Beschluss bekannt, das ursprüngliche Urteil zu überprüfen.

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D E U T S C H

SPRACHE

DIE ANKUNFT VON „TECH“

Die Verwendung von Präfixen in politischen Diskussionen ist mehr als nur eine Untersuchung der Sprachentwicklung. Präfixe sagen uns, in welche Richtung Diskussionen geführt werden und wie bestimmte Themen umrahmt und nuanciert werden.

Traditionell waren „e-“, „cyber“, „net“, „digital“, „online“ und „virtuell“ am dominantesten. Die Präfixe wurden (und werden) in bestimmten Domänen verwendet. Zum Beispiel wird „e-“ jetzt typischerweise im Kontext von E-Commerce verwendet. „Cyber“ wird hauptsächlich in Sicherheitsfragen verwendet. „Virtuell“ wird heute hauptsächlich für die aufkommende Technologie der virtuellen Realität verwendet.

In diesem Jahr richten wir unser Augenmerk auf The Economist und seine Berichterstattung über digitale Themen. Die Sprache hat sich weiterentwickelt, da das Präfix oder der Deskriptor „Tech“ dominant bei der Beschreibung von digitalen Themen geworden ist. Unsere Analyse der Artikel des Economist zu digitalen Themen, die zwischen dem 1. Januar und dem 28. Juni 2018 veröffentlicht wurden, zeigt, dass „tech“ jetzt häufiger verwendet wird als die bisherigen von uns identifizierten Präfixe.

Tech, kurz für Technologie, wird als Präfix verwendet, wie in „techplomacy“, oder als ein Deskriptor, wie zum Beispiel bei Tech-Industrie, Tech-Politik, etc. Es wird auch als ein Suffix in dem Begriff „Fintech“ verwendet.

„Tech-Unternehmen“ ist am beliebtesten, gefolgt von „Tech-Riese“, „Tech-Unternehmen“, „Tech-Industrie“ und „Tech-Titan“. Diese fünf Begriffe machen mehr als 65% der „Tech“ -Nutzung aus. Die Domäne, die dieser Präfix beschreibt, bezieht sich auf die Technologiebranche, die allgemein als breiter als die Internet-Industrie verstanden wird, aber enger als Industrie allgemein.

Die Begriffe „Tech-Giganten“ und „Tech-Titanen“ beschreiben jene Unternehmen, die einen großen Marktanteil haben, typischer-weise konzentriert in der Region des Silicon Valley. In diesem Zusammenhang wurde „techplomacy“ geboren. Der Ausdruck beschreibt diplomatische Beziehungen mit Unternehmen aus der Region um San Franzisko. Der Begriff wird wahrscheinlich eine breitere Anerkennung und Verwendung gewinnen.

Schließlich wird „Fintech“ - wie der Name schon sagt - überwie-gend im Bereich der Finanztechnologie eingesetzt. Der Begriff beschreibt den Einsatz von Technologie zur Unterstützung, zum Angebot oder zur Durchführung von Finanzdienstleistungen. Im Einklang mit unseren Vorhersagen für die nächsten sechs Monate (siehe die Seiten 1 und 3) können wir sagen, dass die wachsende Bedeutung von „inclusive finance“ und Kryptowährungen den Fintech-Sektor weiter in den Mittelpunkt rücken wird und damit die Verwendung des „Tech“-Deskriptor weiter ausbaut.

Wenn Sie unsere Berichterstattung über die Diskussionen des Internet Governance Forums (IGF) im Laufe der Jahre verfolgt haben, werden Sie wissen, wie genau wir der Verwendung von Präfixen im digitalen Sprach gebrauch folgen. Wir haben unsere Analyse erweitert und dabei ein neues Präfix in digitalen Diskussionen entdeckt.

PRÄFIXE

tech182

digital163

online101

e -74

cyber40

net7

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